2008 segeln wie zu urgroßvaters zeiten

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mit dem zeesboot ghost auf dem haff

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Von Matthias J. Müncheberg_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Segeln, nur weil es Spaß macht– das gab es vor einhundert Jahrennicht. Damals diente Segeln nochfast ausschließlich dem Broterwerbdurch Fischfang. Die Yachten wur-den aus dicken Hölzern, den Plan-ken, gefertigt, die sich wie Klinkerüberlappten und zusätzlich vernie-tet wurden. Die Boote sollten langehalten und robust genug sein, auchbei schwerer See zuverlässig ihrenDienst zu versehen.

Einer, der die Tradition des Se-gelns mit einem dieser ehemaligenArbeitsboote wieder aufleben lässt,ist Alwin Harder. In Mönkebude,dem vielleicht schönsten Hafen amStettiner Haff, den sich einheimi-sche Yachten und Fischer teilen, ister eine Institution. Gut vertäut liegtseine „Ghost“ am Kai. Vor acht Jah-ren hat er sein Eiche auf Eiche klin-kerbeplanktes und naturlackiertesZeesboot übernommen. Seitdembietet Harder, der inzwischen jedeNiete und Schraube seines Booteskennt, Segel-Kurzfahrten von ein-einhalb Stunden sowie halb- undganztägige Törns nach Usedom,Ueckermünde oder Karnin an.

„Zeesboote sind durch ihre platt-bödige Bauform an flache Küsten-gewässer wie das Stettiner Haffperfekt angepasst“, sagt Harder.Die älteste Überlieferung des Wor-tes „Seyse“ stamme aus dem Jahr1315 aus Buggenhagen am Haff, soder Mönkebuder Segler. Sein Bootsei Baujahr 1922 oder 1925, keiner

wisse das so genau. Nur wer ganzgenau hinschaut, entdeckt, dass imGroß vor der Segelnummer einmalDDR gestanden hat, „abgenäht inNachwende-Zeiten“, sagt der Se-gelprofi. Harder baute auch dieAchterküte seiner „Ghost“, die frü-her Jupiter hieß, ab, um mehr Platzfür zahlende Gäste zu schaffen.

Die kommen bei schönem Wetterin Scharen und fahren zum BeispielRichtung Nordwesten nach Karnin.Das kleine verschlafene ehemaligeFischerdorf ist seit April um eine

maritime Attraktion reicher. Dortkann man nämlich stilecht in demalten Lotsenturm gleich hinter derHaffschänke von SeglerlegendeVadder Genz wohnen. Von dort hatman einen fantastischen Rundblickauf das Haff und auf den kleinenSeglerhafen von Vadder Genz.

Dieser Aussicht wegen wurdeder Karniner Turm 1938 errichtet:„Swinemünder Lotsen gingen nachdem Passieren der Kaiserfahrt,welche das Haff mit der Ostsee ver-bindet, an dieser Stelle von Bord,und hier wechselten sie sich auchmit den Karniner Lotsen ab“, steht

auf einer Infotafel vor dem weiß ge-tünchten Bauwerk.

Auf der Rückfahrt kreuzen dieAusflügler kurz hinter der Peene-mündung an Steuerbord ein ganzeigentümliches Gebiet: Ein kom-pletter, abgestorbener Wald stehtgleich nördlich vom Kreuzort ander Südwestseite des Haffs, dashier Kleines Haff heißt. Trostlosstrecken sich kahle, weiße Ästedem Himmel entgegen. „Der An-klamer Stadtbruch ist eine Moor-fläche, sie steht unter Naturschutz“,klärt uns Harder auf. In einem Teildes auch als die „Everglades vonKamp“ bezeichneten Areals befän-de sich heute Deutschlands größtes„Wiedervernässungsgebiet“.

Nach Deichbrüchen infolge derstarken Sturmflut von 1995 und ei-ner großräumigen Überflutung desGebietes sei seit 1998 die Nutzungals Torfstich und die Entwässerungeingestellt und das Gebiet seinernatürlichen Entwicklung überlas-sen worden. Später erkunden dieGäste den Weg entlang des altenBahndammes Richtung Nordennach Kamp per Fuß: Rechter Handsind große Flachwasserseen zu be-staunen; in den dort im Laufe derJahre entstandenen Rohrkolben-Röhrichten raschelt, quakt undzirpt es in einem fort. Hier kommtman den abgestorbenen Eichen,Birken und Erlen ganz nah.

Hunderte von Kormoranen be-völkern die kahlen Äste, bauenNester und versorgen den Nach-wuchs mit frischem Fisch. Fisch,

der aus dem Haff stammt, „ganzund gar nicht zur Freude der ansäs-sigen Fischer“, sagt Segler Harder,denn: Die bis knapp einen Metergroßen Wasservögel brauchen biszu 500 Gramm Fisch – pro Tag.Spricht’s, klemmt dabei die Pinne

fest, holt die Segel herunter, laschtsie fest. Wie nebenbei startet er sei-nen Einbaudiesel, parkt sein natur-lackiertes Schmuckstück gekonntrückwärts in der Box.

An der Pier im Hafen Mönkebu-de warten schon die nächsten Gäs-

te. „Das ist auch gut so“, sagt Har-der, denn die Einnahmen aus demSaisongeschäft müssten ihn undseine Zeese über das gesamte Jahrtragen. Das sei manchmal ziemlichhart, sodass der Seemann im Win-ter ab und an in einer benachbarten

Werft aushelfen müsse, um Geld zuverdienen. Die schönsten Momentean Bord der „Ghost“ sind jedoch dieder Stille, wenn das Boot leise plät-schernd dicht am Schilf vorbeizieht.Harder blickt gedankenversunkenübers Wasser. Vielleicht denkt ergerade an die Zeit, wenn es wiederstürmt und regnet am Haff, wenn eskalt und ungemütlich ist in Meck-lenburg-Vorpommern und zahlendeGäste lieber daheim bleiben.

Segeln wie zuUrgroßvaters Zeiten

Zeesbote dienten früher dem Fischfang. Sie können heute in vielen Ostseeorten gechartert werden

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Wer wissen will, wie unsere Ahnen zur See fuhren, kann es bei einem Törn mit Alwin Harders „Ghost“ erleben. Anekdoten rund um das Stettiner Haff gibt es gratis dazu

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Ausflüge in dieVergangenheitZENTRUM SAALER BODDENA Die weitaus meisten ehemali-gen Arbeitssegler sind am Saa-ler Bodden beheimatet: AbHafen Dierhagen-Dorf stichtetwa die „Hanne Nüte“ für Bod-denrundfahrten in See, Tel.0170/451 26 71. Wer in Ahrens-hoop Urlaub macht, kann anBord der „Blondine“ mit SkipperAchim Radke den Saaler Bod-den erkunden. Eigner beiderBoote ist Andreas Schönthier,Tel. 038220/6946, (www.raeu-cherhaus-ahrenshoop.de).(www.schiff-likedeeler.de; Tel.0381/127 21 09).

KINDER DIE HÄLFTEA Die Kosten für einen etwaneunzigminütigen Törn liegenim Schnitt bei 10 bis 15 Euro proErwachsenem, Kinder zahlenmeist die Hälfte. Die „SophiaTheresa“ startet regelmäßig abHafen Vitte/Hiddensee(www.hiddensee-segeln.de).Tagesfahrten 10 bis 17 Uhr für 45Euro (ermäßigt 25 Euro). Auchder Likedeeler-Förderverein inRostock bietet Tagesfahrten abSchmarl an. mjm

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