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4. Die Brigaden der Vorläufigen Reichswehr und dieDivisionen der Reichswehr bis 1933
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurden die Reste der alten „kaiserlichen“ Armee und
die in den Unruhen dieser Zeit entstandenen und sich ständig vermehrenden Freiwilligenforma-
tionen - Freikorps genannt - umgebildet und als bewaffnete Macht legalisiert. Die Grundlage
hierzu bildeten die Verordnungen des Preußischen Kriegsministers, Oberst Reinhardt, vom
19.01.1919. Dieser Schritt, die Freikorps betreffend, behagte weder der Regierung noch den
Militärs. Die Politiker wußten, daß diese ihnen nur dienten, weil sie in den Parteien der Weimarer
Koalition das kleinere Übel sahen, den Militärs waren sie ebenfalls suspekt, weil sie ihren klaren
organisatorischen Vorstellungen widersprachen und sich vielfach der Kontrolle der höheren
Kommandobehörden zu entziehen versuchten. Angesichts der innenpolitischen Situation und
der gefährlichen Lage an der östlichen Reichsgrenze konnte man aber auf eine militärische Stüt-
ze nicht verzichten.
Reinhardt beauftragte eine Kommission, den „Reichswehrausschuß“, der „aufgrund aller
Kriegserfahrungen, aber auch in Ansehung der Forderungen der nunmehr zur Regierung ge-
kommenen Schichten, die grundlegenden Verordnungen für die neue Wehrmacht vorschlags-
weise zu bearbeiten“ hatte. Auf der Grundlage dieses Entwurfes befaßte sich die Verfassungsge-
bende Deutsche Nationalversammlung mit der „Legitimation der Freiwilligenformationen“ und
am 12.03.1919 trat das Gesetz über die Bildung der Vorläufigen Reichswehr in Kraft.
Die vom Reichswehrausschuß erarbeiteten Pläne, die ein Heer von ca. 400.000 Mann vorsa-
hen, mußten mit der Annahme des Versailler Vertrages und seiner Veröffentlichung als „Reichs-
gesetz“ am 16.07.1919, ad acta gelegt werden. Vorgesehen gewesen waren vierundzwanzig „Große
Reichswehr-Brigaden“ mit je drei Infanterie-Regimentern und vierundzwanzig „Kleine Reichs-
wehr-Brigaden“ zu je zwei Infanterie-Regimentern unter vier Gruppenkommandos. Die schon
aufgestellten zweiundzwanzig Großen und achtzehn Kleinen Reichswehr-Brigaden wurden nach
Juli 1919 auf vierzehn bzw. sechs reduziert. Die ebenfalls vorgesehene Formierung von Einhei-
ten schwerer Artillerie sowie von Flieger-, Flak- und Kampfwagenverbänden entfiel, weil diese
laut Vertrag zu den verbotenen Waffengattungen zählten. Trotz alledem hatte dieses Heer, die
„Vorläufige Reichswehr“ eine Stärke von 300.000 Mann. Es gliederte sich in vier Gruppenkom-
mandos (Berlin, Kassel, Kolberg, München), welchen zwischen drei und neun Reichswehr-Briga-
den unterstanden. Im September 1919 wurde das Reichsgebiet in sieben Wehrkreise (I - VII)
aufgeteilt und die Brigaden neu verteilt (zwischen 2 und 5 je WK).
Die ursprüngliche Planung von 1919 sah folgende Gliederung für die Großen Reichswehr-
Brigaden vor:
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Zwei Infanterie-Regimenter zu je drei Bataillonen sowie eine Nachrichtenkompanie und eine
Infanteriebegleitkompanie (6 Geschütze). Zusammen mit einem Jäger-Bataillon und einer Rad-
fahrkompanie unterstanden diese einem Stab Infanterieführer. Unter einem Stab Artillerieführer
war die Artillerie zusammengefaßt. Sie gliederte sich in ein leichtes Artillerie-Regiment zu zwei
Abteilungen, Stab und eine Abteilung eines schweren Artillerie-Regiments - wobei der Stab nur
für jede zweite Brigade vorgesehen war eine Flak-Abteilung, eine Minenwerferbatterie, ein Bal-
lonzug, ein Artilleriemeßtrupp und eine Artilleriefliegerstaffel. Für jeweils eine leichte Abteilung
und jeweils eine schwere Batterie war je eine Munitionskolonne vorgesehen worden. Beide Stäbe
- Infanterie- sowie Artillerieführer - waren der Brigade direkt unterstellt.Ebenso ein Kavallerie-
Regiment zu drei Eskadronen und eine Kavallerie-Maschinengewehr-Abteilung, ein Pionier-Ba-
taillon zu zwei Kompanien mit einem Beleuchtungstrupp, einem Brücken-Train und einer leich-
ten Kolonne, eine Nachrichten-Abteilung mit Fernsprech- und Funk-Abteilung, Abhörstation,
Brieftaubenschlag, Meldehundetrupp und Nachrichtengerätekolonne, eine Kraftwagen-Abtei-
lung mit einer Kraftfahrkompanie, zwei Kraftwagenkolonnen, einem Kraftwagenwerkstattzug
und einem leichten Zug Kampfwagen. Die rückwärtigen Dienste bestanden aus einem Staffelst-
ab mit sechs Feldkolonnen, einer Feldbäckereikolonne, einer Feldschlächterei-Abteilung, einer
Sanitätskompanie, einem Feldlazarett, einem Pferdelazarett sowie einem Pferdedepot. Für jede
Brigade wurde zudem eine Feldergänzungskompanie, eine weitere Fliegerstaffel und eine Front-
wetterwarte eingeplant. Die Gliederung der Kleinen Reichswehr-Brigaden ist der untenstehen-
den Abbildung zu entnehmen.
Die tatsächlichen Gliederungen wichen jedoch erheblich von der geplanten ab, wie ein Blick
auf die untenstehende Gliederung der Reichswehr-Brigade 15 vom Juni 1920 verrät.
Die Ratifikation des Versailler Vertrages verpflichtete die Reichsregierung die Reichswehr bis
zum 31.03.1920 auf die vertragliche Friedensstärke von 100.000 Mann zu vermindern. Beein-
druckt vom Kapp-Lüttwitz-Putsch und den Wirren im Ruhrgebiet wurde die bereits angelaufene
Reduzierung vom Chef der Heeresleitung, Generalmajor v. Seeckt gestoppt.
Im Juli 1920 versuchte v. Seeckt, die Bewilligung der Alliierten für ein Heer von 200.000
Mann zu erhalten, scheitertete jedoch (Konferenz von Spa). Er erreichte lediglich eine Fristver-
längerung bis zum 01.01.1921.
Der Versailler Vertrag war auch zwangsweise die Grundlage für die Neuorganisation der
Reichswehr. In ihm war die Gliederung und auch die personelle sowie materielle Zusammenset-
zung genau festgeschrieben. Für Waffen und Munition waren Höchstzahlen festgelegt. Die Art
der Bewaffnung entsprach der einer Polizeitruppe. Zugestanden wurden von Seiten der Alliier-
ten zwei Korpsstäbe, sieben Infanterie- und zwei Kavallerie-Divisionen.
Die Infanterie-Divisionen gliederten sich in drei Infanterie-Regimenter und ein Pionier-Ba-
taillon unter einem Stab Infanterieführer, ein Artillerie-Regiment und eine Fahr-Abteilung unter
einem Stab Artillerieführer. Der Division direkt unterstanden eine Nachrichten-, eine Kraftfahr-
und eine Sanitätskompanie, ab 1930 auch das Pionier-Bataillon. Die Infanterie-Regimenter be-
standen aus drei (Feld-) Bataillonen zu jeweils drei Schützen- und einer Maschinengewehr-Kom-
panie, einem Ausbildungs-Bataillon, einer Minenwerferkompanie sowie je einer Nachrichten-
staffel beim Regiments- resp. bei den Bataillonsstäben. Ein Bataillon jedes Regimentes war Jäger-
Bataillon, unterschied sich aber weder in Gliederung noch Ausrüstung von den anderen (Aus-
nahme: III./(Bayr.) IR 19). Das Artillerie-Regiment verfügte über drei Abteilungen zu je drei
Batterien, diese waren mit Feldkanonen 16, zwei Batterien mit Feldkanone 96/16 (meist die 3.
Bttr.) bzw. leichter Feldhaubitze 16 ausgestattet, einer Batterie (häufig die 9.) mit dem Kraftwa-
gengeschütz 14 (7,7 cm Flak), einer Ausbildungsbatterie und einer Nachrichtenkompanie. Das
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Pionier-Bataillon hatte zwei Pionierkompanien, einen Scheinwerferzug (15 33 cm und 2 60 cm
Scheinwerfer) und eine Brückenkolonne. Die Nachrichten-Abteilung gliederte sich in zwei ge-
mischte Nachrichtenkompanien und einen Brieftaubenzug. Die drei Kompanien der Kraftfahr-
Abteilung waren als reine Versorgungstruppen vorgesehen, da Deutschland ja der Besitz von
Kampfwagen verboten war. Bei jeder Kompanie waren jedoch, neben vielerlei anderen Fahrzeu-
gen fünf gepanzerte Mannschaftstransportwagen mit je zwei schweren Maschinengewehren eta-
tisiert. Diese MTW (Sd.Kfz. 3) waren jedoch so wenig feldverwendungsfähig, daß das erlaubte
Soll von 105 Fahrzeugen nie erreicht wurde. Die Fahr-Abteilung hatte vier Eskadronen (je 7
Feldwagen). Das Sanitätspersonal war standortweise in Sanitätsstaffeln unter dem Befehl von
Standortärzten eingeteilt. Im Kriegsfall traten diese zu einer Sanitätskompanie und einem Feldla-
zarett zusammen.
Bis zum Jahre 1935 wurden folgende Änderungen durchgeführt:
1925: Die Brieftaubenzüge werden Geräteeinheiten.
1928: Die Scheinwerferzüge erhalten neue vollmotorisierte 110 cm Scheinwerfer.
1929: Zwischen 1929 und 1932 werden die Fahr-Abteilungen aufgelöst. Gerät und Fahrzeuge
kommen in die Depots, die Masse des Personals erhält die Artillerie, aber auch der Nach-
richten- und der Kraftfahrtruppe sowie der neuen Fliegertruppe werden Einheiten zuge-
teilt.
Aufstellung der Sonderdienste der Artillerie aus den Ausbildungs-Batterien (Vermessungs-
, Schallmeß-, Wetter- und Nachrichtendienst). Jede A-Batterie erhält 1 Wetterzug, jedes
Artillerie-Regiment 1 Nachrichtenbatterie.
Die gemischten Nachrichtenkompanien werden umgegliedert in Stab, Fernsprech- und
Funkkompanie.
1930: Einführung der 3,7 cm Tankabwehrkanone (TAK; aus Tarnungsgründen als „Holzge-
schütz“ bezeichnet). Sukzessive erhält jede Maschinengewehr-Kompanie 1 Zug zu 2 Ka-
nonen.
An die Minenwerferkompanien werden neue Minenwerfer (l.MW 18; 7,5 cm Hinterlader)
ausgegeben, die die verbotenen Infanteriegeschütze voll ersetzen.
Die 3. Kompanien der Ausbildungs-Bataillone werden Unteroffizieranwärter-Lehrkom-
panie.
1931: Die Brückenkolonnen werden voll-, die Pionierkompanien teilmotorisiert.
Die Infanteriekompanien, bisher 3 Züge zu 2 l.MG- und 2 Schützengruppen werden
umgegliedert in 3 Züge zu je 3 Einheitsgruppen mit je 1 l.MG.
1932: Alle Kraftwagenbatterien werden mit der 7,5 cm Flak L/ 60 ausgestattet.
Die Brückenkolonne und der Scheinwerferzug werden Geräteeinheiten.
Die 110 cm Scheinwerfer (mot) erhält die Artillerie zur Flugzeugabwehr. Aus dem Perso-
nal wird eine 3. Pionier-Kompanie (mot) auf gestellt.
Die Kraftfahr-Abteilungen werden umgegliedert in 1 Kradschützenkompanie, 1 Panzer-
kampfwagenkompanie (meist Attrappen), 1 Kampfwagennachbildungskompanie und bei
der 3., 4. und 5. Abteilung 1 Kampfwagenabwehrkompanie.
1933: Die Nachrichtenbatterien werden in Stabsbatterien umbenannt.
[nach „Handbuch der Deutschen Militärgeschichte“, a.a.O., Bd. 3, Abschn. VI: Graf v. Matuschka, „Organisation des
Reichsheeres“.]
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Abb. 13
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