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schweizer illustrierte schweizer illustrierte52 53
Foto
der
Oba
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Vor 320 Jahren lebte ein Vorfahre von Barack OBama in Ried bei Kerzers. Noch heute wohnen Verwandte des US-Präsidenten im Dorf. Auf Staatsbesuch in Obama-City.
mr. President kommt heimTexT marcel huwyler FOTOs kurt reichenBach
V erwandte dürfen das.
Lars Meyer sagt dem
Präsidenten der Verei-
nigten Staaten von Ame-
rika einfach Du: «Natür-
lich würde ich mich freuen, wenn Barack
uns bald besucht.» Lars, 15, Achtklässler,
wohnhaft in Ried bei Kerzers im freibur-
gischen Seeland ist mit US-Präsident
Obama verwandt. Um hundert Ecken
zwar, über einen Ozean und mit zehn
Barack OBama mit seiner Mutter
Stanley Ann Dunham (in den 60er-
Jahren), sie hat Schweizer Wurzeln.
Generationen dazwischen, aber ja,
Barack ist sein Verwandter. Nachge-
wiesen von Experten.
Mr. Presidents Vorfahre ist also
Freiburger. Vor 320 Jahren wird in Ried,
nahe dem Murtensee, Hans Gutknecht
geboren. 1715 wandert er ins Elsass aus.
Von hier übersiedelt sein Sohn später in
die USA. Anfang des 19. Jahrhunderts
vermählt sich eine Gutknecht-Nachfah-
rin (sie nennen sich jetzt Goodnight) mit
einem Mister Dunham – womit wir be-
reits beim Namen von Obamas Mutter
sind, Stanley Ann Dunham. Barack Oba-
ma ist der – Luft holen und achtmal Ur
sagen –Urururururururur-Enkel des aus-
gewanderten Hans Gutknecht. In den
präsidialen Adern fliessen noch 0,97 Pro-
zent Schweizer Blut.
Also ist er einer von uns, sagen sich
die Rieder. Und seit der US-Botschafter
in Bern, Donald S. Beyer, andeutete, im
Falle einer Wiederwahl am 6. November
besuche Obama nächstes Jahr Europa,
möglicherweise auch die Schweiz, viel-
leicht gar den Ort seiner Ahnen, laufen
in Ried bereits die ersten Vorbereitun-
gen. Und wenn Mr. President kommt,
dann ist das Dorfchefsache.
Gemeindepräsident Heinz Etter
hat schon mal eine US-Fahne gekauft.
Der 63-jährige Politiker ähnelt mit seinen
selbstverdunkelnden Brillengläsern und
dem Autoritäts-Bauch ein wenig einem
Texas-Sheriff. Etter sitzt in seinem Ge-
meinderatszimmer am ovalen Sitzungs-
tisch – quasi das «Oval Office» von Ried
– und erzählt, dass man den weltberühm-
ten Sohn zum Rieder Ehrenbürger ge-
macht hat, «nur die Urkunde muss der
Herr Obama noch abholen». Etter ist als
Politiker erfolgreicher als Obama: Mit
55,6 Prozent wurde er in sein Amt ge-
wählt, Obama bekam 2008 nur 53 Pro-
zent der Stimmen. Er als Bürgerlicher,
als FDPler, sei ja sonst nicht gerade ein
Fan der Sozialdemokraten, sagt Etter,
«aber für den Herrn Obama mache ich
gern eine Ausnahme». Ähnlichkeiten der
beiden Präsidenten? Im Vergleich zu ihm
sei der Herr Obama eher ein «grosser
Donnerwetter und magerer Cheib».
Wenn überhaupt jemand Gemeinsam-
keiten mit dem mächtigsten Mann der
Welt hat, dann seine Verwandten. Laut
Gutknecht-Stammbaum steht einer
generationstechnisch auf der gleichen
Stufe wie Barack – Lars Meyer.
Natürlich, sagt der 15-Jährige,
verfolge er den US-Wahlkampf beson-
ders gespannt, seit er wisse, dass «einer
von uns mitmacht». Aber sonst hätten
Barack und er keine Gemeinsamkeiten.
Er möge Eishockey, der Präsident Bas-
ketball, 300 Facebook-Freunde hat Lars,
Obama bringt es auf über 31 Millionen.
Und Lars’ Spitzname in der Schule strahlt
auch nicht eben Macht aus – Meyerli.
Wirklich keinerlei genetische Überein-
stimmungen zwischen Lars und Barack?
Doch, da, jetzt! Wie der Junge grinst, wie
er smart die Mundwinkel verzieht, die
Zähne bleckt – genau wie Obama. Ein
klitzeklein wenig Präsident sei viel-
ein DOrf im OBama-fieBer
Präsident am Dorfeingang: Noch ist es nur eine Pappfigur. Aber 2013, so hofft man, wird Obama Ried bei Kerzers, das Dorf seiner Ahnen, besuchen.Flagge zeigen: Gemeindepräsi-dent Heinz Etter sitzt mit einer US-Fahne auf dem ovalen Tisch in seinem «Oval Office».
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schweizer illustrierte 55
OBamas schweizer VerwanDteLars Meyer, 15, steht im Stamm-baum auf gleicher Ebene wie der US-Präsident. Grosi Dora Meyer-Gutknecht, 65, Urgrossmutter Martha Gutknecht, 91, Vater Stefan Meyer, 43 (v. l.).
leicht doch in ihm. «In der Schule wur-
de ich zum Vize-Klassenchef gewählt»,
sagt Lars und grinst beim Fotografieren
seinen US-Verwandten an, der da steht,
in Lebensgrösse, im Smoking, als Foto,
aufgeklebt auf Karton.
Die Gutknecht-Gene hat Lars von
seiner Urgrossmutter geerbt. Martha
Gutknecht, 91, lebt im Altersheim in
Murten und ist etwas wacklig auf den
Beinen und im Kopf. Fragt man sie nach
Obama, beginnt die alte Dame still zu
weinen, was wohl eher geriatrische denn
politische Gründe hat. Bleiben noch die
zwei anderen Obama-Verwandten: Lars’
Grossmutter Dora Meyer-Gutknecht ist
65 und war früher, aha!, auch mal Präsi-
dentin – der Landfrauen. Selber schätzt
sie sich eher als scheu ein, hat aber ein
Flair fürs Theaterspielen, «was man als
US-Präsident ja auch braucht». Ihr Sohn
Stefan Meyer, 43, Lars’ Vater, mag die
Vereinigten Staaten von Amerika nicht
besonders, seit er auf einem US-Flugha-
fen von Zollbeamten schikaniert wurde.
«Da gehe ich nicht mehr hin», betont er.
Muss er ja auch nicht – wenn Obama so-
wieso hierherkommt. Ried wäre parat.
Und die 1120 Einwohner sind kre-
ativ. Beim Feldschiessen diesen Sommer
nannte sich der Ort «Obama-City», man
stellte eine Freiheitsstatue auf und tauf-
te das grosse weisse Festzelt in «The
White House» um. Immer öfter besuchen
sogar US-Touristen das Dorf, wollen se-
hen, wo der Obama-Vorfahre lebte und
landen dann an der Rue de Marseille 11
bei Trudi Maeder. Die 85-jährige Dame
lebt hier seit 1953; früher stand da ein
Holzhaus – das Zuhause von Hans Gut-
knecht. Was denkt sie über ihr ge-
schichtsträchtiges Daheim? «Wissen Sie,
ich mag nicht mehr so viel denken», sagt
Frau Maeder. Ihr Mann sei 1998 gestor-
ben, oder wars 1988? Mit Zahlen habe sie
es nicht mehr so. Immerhin weiss die
Dame genau, was sie von Obama-Touris-
ten künftig verlangen will: «Eine Haus-
besichtigung gibts nicht unter hundert
Franken!»
Mit Mr. President lässt sich ge-
schäften. Ein Immobilien-Büro wirbt
auf seiner Website mit einem Obama-
Porträt und titelt sinngemäss: «Tun
ein hauch hOllywOOD
Houseparty: Am Feldschiessen wurde das Festzelt in Ried zum «White House».Willkommen: Gemeindepräsident Etter, «Obama City»-Schild, USA- und Ried-bei-Kerzers-Fahne (l.).
auch ich bin ein wenig Präsident.
man hat mich zum Vize-klassenchef
gewählt OBama-VerwanDter lars
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Sie es wie die Vorfahren Obamas, grün-
den Sie eine Familie in Ried, vielleicht
wird auch Ihr Nachkomme US-Präsi-
dent.»
Bäckermeister Simon Stähli hätte
gern zu Ehren Obamas «Mohregrinde»
gebacken, war sich aber nicht sicher, ob
man das heutzutage noch darf, «und ich
wollte doch nicht riskieren, dass die ver-
ärgerten Amis deswegen einen Flugzeug-
träger auf dem Murtensee stationieren».
Apropos: Gibt es in Ried Menschen
mit dunkler Hautfarbe à la Obama? Ge-
meindeangestellter Peter Brand (mit US-
Wappen auf der Faserpelzjacke) erinnert
sich dunkel an einen Tunesier, der
«enorm braun war und einst in der Käse-
rei gearbeitet hatte». Amerikaner im
Dorf? Ja, einen – aber der ist seit dem
23. Juli verschwunden. Am Anschlag-
brett beim Café Mehlstübli hängt seine
Vermisstenanzeige. Franklyn heisst er,
stammt aus dem Nordosten der USA und
gehört zur Familie der Maine-Coon. Es
gebe eine Belohnung, steht da noch, für
den, der ihn finde – Franklyn, den Kater.
Für Gemeindepräsident Etter ist
klar: Der Herr Obama aus Washington
D. C. und Ried bei Kerzers gehören
zusammen. Es gebe da nämlich noch
eine wunderbare Gemeinsamkeit. Man
schaue sich die Rieder Fahne, das Dorf-
wappen, doch genau an! Auf grünem Bo-
den, hinter einem grünen Baum, da steht
ein Gebäude, ein Haus, ganz in Weiss.
Auch Ried hat sein White House.
wollen us- touristen mein
haus besichtigen, verlange ich
hundert franken truDi maeDer
Das OBama-hausWo heute Trudi Maeder wohnt, stand früher ein Holzhaus (kl. Bild), in dem um 1700 Obama-Ahne Hans Gutknecht lebte.
wenn mr. PresiDent 2013 rieD Besucht, wäre das Dorf vorbereitet. Mari-anne Jendly und Vreni Maeder (r.) machen die legendären «Herretäfeli». Für Vielredner Obamas Hals Gold wert. Rita Zimmermann besitzt die grösste private Telefonsammlung der Welt (920 Stück). Sie würde Obama das berühmte rote Telefon ausleihen.
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