Beiträge zur Chemie des Schwefels 70. Die elektrische Leitfähigkeit des flüssigen Schwefels

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216 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemje. Band 333. 1964

Beitrage zur Chemie des Schwefels 70')

Die elektrische Leitfahigkeit des flussigen Schwefels

Von F. FEHER und H. D. Lmz2j

Mit 2 Abbildungen

Professor Robert Juza zum 60. Geburtstage gewidmet

Inhaltsubersicht Die elektrische Leitfahigkeit von sorgfaltig gereinigtem flussigen Scliwefel wurde im

Bereich von 120-270 "C in AbhLngigkeit von der Temperatur, der Feldstarke und der Zeit des Stromflusses untersucht. Eine hierfiir geeiguete Apparatur wurde entwickelt. Die Aus- wertung der erhaltenen MeSergebnisse zeigte, daS im geschmolzenen Schwefel bei Tempera- turen unterhalb von 170 "C elektrophoretische Leitung vorliegt, die von Verunreinigungs- partikeln verursacht wird. Dies erklart die im Vergleich zu den erhaltenen Ergebnissen erheblich groSere Leitfahigkeit in den Angaben alterer Autoren. Der Temperaturverlauf der Leitfahigkeit im genannten Temperaturbereich ist in erster Link von der Viskositit der Schwefelschmelze abhangig. Die Leitfahigkeit besitzt daher bei 154,s "C ein steiles Maximum und bei 169,5 "C ein flaches Minimum. Der Mechanismus des Ladungstransports durch die Verunreinigungsteilchen wird im einzelnen diskutiert. Oberhalb von 170 "C wird der Strom- fluB im wesentlichen von Elektronen getragen. I m Eigenleitungsbereich, bei den untersuch- ten Proben von etwa 200 "C an, betragt die Ablosungsenergie der Elektronen 2,9 eV. Dieser Wert fur die ,,Breite der verbotenen Zone" wird im Zusammenhang mit den optischen Eigenschaften der Schwefelschmelze und dem Verhalten des fliissigen Selens diskutiert.

Summary The electrical conductivity of specially purified molten sulphur was analysed in the

range 120 to 270°C as a function of temperature, field strength and duration of current flow. The experimental results indicate that below a temperature of 170 "C an electrophore- tic conduction occurs in the molten sulphur and is caused by migrating impurities. This phenomenon could explain the higher conductivity found in the earlier literature. The tem- perature dependence of electrical conductivity in the range 120 to 170°C is determined chiefly by the viscosity of the melt and the conductivity curve shows a sharp maximum a t 154.8 "C and a broad minimum a t 169.5 "C. The mechanism of current flow by migrating particles is thoroughly discussed. In the transition range from 170 to 200 "C, conductivity

1) 69. Mitteilung: K.-H. LINKE, Z. Naturforsch. 19b, 534 (1964). 2) H. D. LUTZ, Teil der Diplomarbeit, Koln 1960.

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due to electron flow in the sulphur melt assumes an ever larger role. Above 200 "C, an acti- vation energy of 2.9 eV is calculated from the temperature dependence of the conductivity current. This activation energy is discussed as the forbidden energy gap in connection with the optical properties of a sulphur melt and the electrical and optical properties of molten selenium.

Bisher liegen nur wenige Unters~chungen3-~) uber die elektrische Leit- fahigkeit des flussigen Schwefels vor, die sich zudem in ihren Ergebnissen, sowie in den Folgerungen hinsichtlich des Leitungsmechanismus weitgehend widkrsprechen. So nimmt BLACK 5, elektrolytische Leitung im fliissigen Schwefel an, wobei die Leitfahigkeit der Si-Ionen grol3er sein sol1 als die der Sp-Ionen. Im Gegensatz hierzu fordert GORDON 6, das Vorhandensein zweier Leitungsmechanismen, namlich eine elektrophoretische Leitung, die von den im Schwefel befindlichen Kohlenwasserstoffteilchen hervorgerufen wird, und eine elektronische Leitung in der fur Halbleiter charakteristischen Art.

Die Ursache fi i r diese widerspruchsvollen Ergebnisse ist wohl vor allem darin zu suchen, da13 keine genugend reinen Schwefelproben zur Verfugung standen. Erst in den letzten Jahren wurde es auf Grund der Arbeiten von BACON und FANELLI') und v. WARTENBERG s), sowie der Untersuchungen in1 hiesigen Institutg) moglich, Schwefel mit einer Reinheit bis zu 10 ppm herzustellen. Wir haben uns deshalb bemuht, im Rahmen unserer Arbeiten iiber den flussigen Schwefel auch den Mechanismus des Ladungstransports zu klaren. Hierzu wurde an den reinsten uns zurverfugung stehenden Schwe- felproben die elektrische Leitfahigkeit in Abhangigkeit von den Parametern : Temperatur, Feldstarke, Zeit des Stromflusses und Gehalt an Verunreinigun- gen bestimmt. Uber die Anfang 1960 2, abgeschlossenen Untersuchungen wird in dieser Arbeit berichtet.

A. Apparatur und MeBvorgang Die Messung des elektrischen Widerstandes der Schwefelproben erfolgte nach der

Stromspannungsmethode unter Verwendung von Gleichstrom. Zur Messung des Stromes dienten ein Spiegel- bzw. Lichtmarkengalvanometer, als Stromquelle ein Spannungsstabili- sator der Fa. Wandel und Goltermann. Um eine Vergleichsmoglichkeit fur mefltechnisch bedingte Fehler zu erhalten, wurde parallel dazu der Widerstand mit einem direktanzeigen- _ _ _ _ ~

3) J. MONCKMAN, Proc. Roy. Soc. [London] 46, 136 (1889). 4, A. WIGAND, Verh. dtsch. physik. Ges. I1 10, 495 (1908). 5) D. H. BLACK, Proc. Cambridge philos. SOC. 22, 393 (1924). 6) C. K. GORDON, Physic. Reviews 95, 306 (1954). 7) R. F. BACON u. R. FANELLI, Ind. Engng. Chem. 34, 1043 (1942). 8) H. v. WARTENBERG, Z. anorg. allg. Chem. 286, 243 (1956); 897, 226 (1958). 9) F. F E H ~ R , S. ECRRARD u. K. H. SAUER, Z. analyt. Chem. 168,88 (1959); F. FEHI~R,

K. H. SAUER u. H. MONIEN, Z. analyt. Chem. 192, 389 (1963).

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den Teraohmmeter der Fa. Jahre bestimmt. Die nach den beiden Methoden erhaltenen Werte zeigten eine gute Ubereinstimmung (Parallelverschiebung etwa 5%). U m Storungen durch Kriechstrome zu vermeiden, wurden die Instrumente auf Glimmerplatten gestellt und mit Polyathylen hochisolierte Zuleitungsdrahte verwendet.

Der spezifische Widerstand des fliissigen Schwefels ist sehr grol3, so daB ein MeBgefaS mit moglichst kleiner Widerstandskapazitat verwendet werden muate, um einen mit genii- gender Genauigkeit meBbaren Strom zu erhalten. Gleichzeitig rnit einem geringen Raum- bedarf und einem guten Temperaturausgleich in der MeDzelle wurde dies durch eine einem Drehkondensator ahnliche Anordnung von iibereinanderliegenden Aluminiumrundplatten, die abwechselnd rnit zwei Aluminiumstaben verbunden sind, erreicht. Fur die Widerstands- kapazitat dieser aus 20 Platten (Durchmesser 50 mm) bestehenden Anordnung ergab sich rechnerisch bei einem Plattenabstand von 1,5 mm ein Wert von 4,31 . cm-l, der durch eine Kapazitatsmessung mit Hilfe eines MeBsenders bestatigt wurde.

Das MeBgefaB aus Quarzglas befand sich in einem elektrisch beheizten Fliissigkeits- thermostaten. Die Temperatur wurde in der MeBzelle selbst, und zwar in einer Aussparung innerhalb der Elektrodenplatten rnit einem nachkalibrierten "C- Quecksilberthermo- meter gemessen.

Der fur die Messungen verwendete Schwefel wurde nach dem Verfahren von BACON und FANELLI') gereinigt, da nach dieser Methode gereinigter Schwefel zu den reinsten bisher erhaltlichen Schwefelproben zu zahlen ist und nur von diesem Schwefel eine genaue Unter- suchung uber die in ihm noch enthaltenen Verunreinigungsspuren vorliegtg).

Nach dem Einfiillen des Schwefels wurde das MeBgefiiB auf etwa 0,1 Torr evakuiert und mit Argon gefiillt. Vor jeder Messung wurde das GefaB zur Gleichgewichtseinstellung zwi- schen A- und y-Schwefel90-120 Minuten auf konstanter Temperatur gehalten. Bei den ein- zelnen MeBpunkten wurde die Leitfahigkeit in Abhangigkeit von der Zeit des Stromflusses und von der Feldstarke (von 50-308 V Spannung entsprechend 333-2053 V/cm) gemessen und dabei in mehreren MeBreihen der Temperaturbereich vom Schmelzpunkt des Schwefels bis zu 270 "C untersucht.

B. MeBergebnisse Im folgenden sollen die MeBergebnisse nur in wesentlichen Punkten

wiedergegeben werden. Wegen der Durchfiihrung der Messungen im einzel- nen, des Zahlenmaterials und weiterer Diagramme sei auf die Diplomarbeit z , verwiesen.

Die Leitfahigkeit des fliissigen Schwefels nahm mit der Zeit des Strom- flusses bis zu einem Grenzwert ab, der minimale Grenzleitfahigkeit genannt werden soll. Auf diese minimale Grenzleitfahigkeit beziehen sich alle im folgenden gemachten Angaben.

Die spezifische Leitfahigkeit des fliissigen Schwefels besitzt bei 154,s & 0,4 "C ein steiles Maximum und bei 169,5 f 2 "C ein flaches Minimum (vgl. Abb. 1). Das Leitfahigkeitsmaximum fallt genau mit dem Viskositatsmini- mum des Schwefels zusammen (154,5 "C) lo) ; das Leitfahigkeitsminimum

10) R. F. BACON u. R. FANELLI, J. Amer. chem. SOC. 65, 639 (1943); K. H. SALJER, Diplomarbeit, Koln 1956.

F. FEHI~R u. H. D. LUTZ, Die elektrische Leitfahigkeit des flussigen Schwefels 219

liegt zwar im Bereich des Viskositatsmaximums, jedoch rund 16 "C tiefer als der Punkt groBter Viskositat.

Bei frisch gereinigtem Schwefel ist die Leitfahigkeit im Maximum um den Paktor drei grol3er als im Minimum. Dieses Verhaltnis ist jedoch sehr stark vom Gehalt an Verunreinigungen abhangig. Sehr deutlich zeigt sich dies, wenn man dem Schwefel kleine Mengen Kohlenwasserstoffe zusetzt.

Oberhalb von 185 "C nimmt die Leitfahigkeit (u) stark mit der Tempe- ratur zu, wobei von etwa 200 "C an die Beziehung : log u = A/T + B erfullt wird. Die Auswertung der erhaltenen MeBdaten im Sinne der Gleichung: In u = - AE0/2 kT + In 0, ergibt fur die Aktivierungsenergie (LIE,) der Ladungstrager 2,9 f 0,15 eV (gemessen zwischen 200 und 270 "C).

wt

110 129 130 1W 150 160 l?O 18q 190 C

Abb. 1. Die elektrische Leit- fahigkeit einer gereinigten Schwefelprobe in Abhangig- keit yon der Temperatur und der Zeit desStromflusses (MeB- spannnng : 100 V entsprechend

G 6 G V/cm). Kurve 1 nach 15 Sekunden StromfluB, Kurve 2 nach 10 Minuten StromfluB, Kurve 3 nach 2 Stunden StromfluB

oder langer

110

100

90 80

70 60 50 40 30 20 10

100 120 140 160 780 200 220 2Wo 26(! C

100 11°[ I

80 70 - 60 - 50 40 30

-

- - -

2

10 3 u, 100 120 140 160 780 200 220 2Wo 26(!

C Abb. 2. Die elektrische Leit- fahigkeit einer gereinigten Schwefelprobe in Abhiingig- keit von der Temperatur und von der MeBspannung (nach

2 Stunden StromfluB). Kurve 1 bei 50 Volt (= 333 V/cm), Kurve 2 bei 100 Volt (= 666 V/cm), Kurve 3 bei 200 Volt (= 1332 V/cm), Kurve 4 bei 308 VoIt (=

2053/cm)

Die Leitfahigkeit der Schwefelschmelze ist von der Feldatarke abhangig (vgl. Abb. 2). Unterhalb von 215 f 3 "C nimmt sie mit steigender Spannung zu, bei dartberliegenden Temperaturen ab. Oberhalb der genannten Temperatur ist die Abhangigkeit von der Feld- starke linear (GroBenordnung : 10-20% beim Anstieg der Feldstiirke von 333 auf 2053 V/cm) und nimmt mit steigender Temperatur zu. Bei niedrigen Temperaturen sind die Leit-

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fahigkeitsunterschiede vor allem im Bereich des Maximums erheblich groBer (bis 50% bei einer Spannungszunahme von 100 auf 308 V) und von der Spannung abhangig.

Wie schon angedeutet, nimmt die Leitfahigkeit mit der Zeit des Stromflusses zuerst schnell, dann langsamer ab [vgl. GORDON und erreicht bei tiefen Temperaturen innerhalb von zwei Stunden, von 230 "C an schon in zehn Minuten, einen konstanten Grenzwert. Die Differenz von Anfangs- und Grenzleitfahigkeit ist von der Temperatur abhangig. Zwischen 120 und 130 "C betragt die Anfangsleitfahigkeit das 7,25fache der Grenzleitfahigkeit, zwi- schen 260 und 270 "C nur noch das 1,12fache. Der Verlauf der Leitfahigkeits-Zeit-Kurven la& sich keiner einfachen Funktion zuordnen; es konnten weder eine exponentielle Abhan- gigkeit noch eine Zunahme des Widerstandes mit der Wurzel aus der Zeit des Stromflusses [BLAcE~)] verifiziert werden.

Der Temperaturverlauf der Anfangsleitfahigkeit ist nur im Bereich des Leitfahigkeits- maximums von dem der Grenzleitfahigkeit verschieden. Das Maximum ist bei der Anfangs- leitfahigkeit gegenuber dem Minimum starker (Faktor 4-5 statt 3) und gegenuber der Leit- fahigkeit bei 120 "C schwacher (Faktor 2,l s ta t t 3) ausgepragt als bei der Grenzleitfiihigkeit (vgl. Abb. 1).

Die erhaltenen Leitfahigkeitswerte waren unabhangig davon, ob bei steigender oder bei fallender Temperatur gemessen wurde, und bei Tempe- raturen oberhalb von 200 "C auch unabhangig von der Probe. Die spezifische elektrische Leitfahigkeit von nach BACON und FANELLI') gereinigtem Schwefel (Grenzleitfahigkeit, 100 V MeBspannung) betragt bei 260 "C 1,35 . 10-l2 Q-1 . em-1, bei 170 "C, dem Leitfiihigkeitsminimum, 3 . lO-I4 R-1. cm-l.

Diese gegenuber den Li te ra t~rangaben~ 6, wesentlich kleinere Leitfahigkeit ist ohne Zweifel auf den groBeren Reinheitsgrad des untersuchten Schwefels zuruckzufuhren; z. B. gibt GORDON~) bei 170 "C einen Wert von 2,7 . 10-l2 Q-I . cm-l an. (Aus der zitierten Arbeit konnten wir nicht entnehmen, ob es sich bei diesem Wert um die Leitfahigkeit direkt nach dem Einschalten des Stromes oder nach hngerem StromfluB handelt.)

C. Der Mechanismus des Ladungstransports Die MeBergebnisse lassen sich in weitgehender Ubereinstimmung rnit den

Angaben von GORDON 6, nur dadurch erklaren, daB die elektrische Leitfahig- keit des fliissigen Schwefels - auch bei den reinsten bisher hergestellten Proben - bis zur Temperatur des Leitfahigkeitsminimums von elektropho- retisch wandernden Verunreinigungspartikeln verursacht wird, bei hoheren Temperaturen jedoch in zunehmendem MaBe auf Elektronenleitung beruht, die im erstgenannten Temperaturbereich von der elektrophoretischen Leitung iiberdeckt wird.

Ein sicheres Kriterium dafur, daW bei Temperaturen unterhalb von 170 "C elcktropho- retische Leitung vorliegt und nicht etwa elektrolytische ( S l - und Sp-Ionen) oder elektro- nische, ist die Abhangigkeit der Leitfahigkeit vom Kohlenwasserstoffgehalt und von der Viskositat des Schwefels. Das Auftreten einer Polarisationsspannung, die von BLACK^) als Beweis fur den Ladungstransport durch Schwefelionen angefuhrt wird, l L B t sich ebensogut

F. FEHER u. H. D. LUTZ, Die elektrische Leitfahigkeit des fliissigen Schwefels 221

mit der Annahme eines elektrophoretischen Leitungsmechanismus in Einklang bringen, namlich als Diffusionspotential (s. abschn. a).

Etwas schwieriger l L B t sich nachweisen, dalj der oberhalb von 200 "C festgestellte expo- nentielle Anstieg der Leitfahigkeit mit der reziproken absoluten Temperatur auf Elektro- nenleitung beruht. Ein Vergleich mit dem Verhalten des fliissigen Selens und der Nachweis von Elektronenleitung beim festen Schwefel machen es jedoch wahrscheinlich, daB auch im hochviskosen Bereich der Schwefelschmelze Elektronen bew. Defektelektronen wesentlich a n der Leitfahigkeit beteiligt sind. Auljerdem spricht der Anstieg der Leitfahigkeit mit der Temperatur oberhalb des Leitfahigkeitsminimums im Bereich stark zunehmender Viskosi- tat gegen einen Ladungstransport durch Ionen (s. Abschn. c).

a) Elektrophoretische Leitung im fliissigen Schwefel Zum Ladungstransport im Bereich des dunnflussigen A-Schwefels werden

alle Verunreinigungen 11), nicht nur Kohlenstoffverbindungen, beitragen, sofern sie als Ionen auftreten konnen. Bei der Bildung von Ionen ist weniger an eine Dissoziation zu denken, die bei der kleinen Dielektrizitatskonstanten des geschmolzenen Schwefels (etwa 3,5) und dem unpolaren Charakter der Kohlenwasserstoffe sehr unwahrscheinlich ist, sondern an eine Ionisation der Verunreinigungspartikel in Wechselwirkung rnit den Schwefelmolekeln, deren Elektronegativitat einen derartigen Ionisierungsvorgang begunstigt. Ein ahnlicher Leitungsmechanismus liegt in Paraffinolen vor, wo Oxydations- produkte (Alterung des 01s) als Verunreinigungen auftreten.

Setzt man fur die Beweglichkeit der elektrophoretisch wirksamen Teil- chen die Gultigkeit der WALDENschen Regel voraus, so mullten bei der ver- wendeten Feldstarke und dem geringen Elektrodenabstand alle im Schwefel vorhandenen Ionen innerhalb weniger Sekunden an den Elektroden ent- laden sein. Der Verlauf der Strom-Zeit-Kurven zeigt aber, daI3 dies nicht der Fall ist, daB statt dessen die Grenzleitfahigkeit erst nach wesentlich langerer Zeit erreicht wird. Man muB daher annehmen, daB nur ein be- stimmter Bruchteil der Verunreinigungen ionisiert ist und die Einstellung des Ionisierungsgleichgewichtes ejne gewisse Zeit beansprucht, die erwar- tungsgemaI3 in der GroI3enordnung der fur die Einstellung des SA - Sp- Gleichgewichtes erforderlichen Zeit liegt und mit steigender Temperatur abnimmt .

Beim Anlegen des elektrischen Feldes wandern die Ionen zu den Elek- troden und werden dort entladen. Dies fiihrt mit der Zeit zu einer Anreiche- rung der Verunreinigungen an den Elektroden und zu einer Verarmung im Schwefelinneren. Gleichzeitig entsteht eine riicktreibende Raumladung, ein .Diffusionspotential im Sinne der Elektrolyttheorie, da die Ionen beim Wan- dern im Feld in ein Gebiet gelangen, in dem die Zahl der Ionen mit entgegen-

11) 72. Mitteilung: F. FEHI~R u. H. D. LUTZ, Z. anorg. allg. Chem. (im Druck).

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gesetzter Ladung entsprechend einer anderen Konzentration an Verunreini- gungen keine Elektroneutralitat mehr gewahrleistet. Dieses Diffusions- potential erreicht einen Maximalwert, wenn sich alle Verunreinigungspar- tikeln in einem bestimmten Konzentrationsgefalle an den Elektroden ange- sammelt haben. Der Grenzstrom, die minimale Grenzleitfahigkeit, wird dadurch verursacht, daB die entladenen Verunreinigungsteilchen zuruck in das Innere des Schwefels diffundieren und das Konzentrationsgefalle ab- bauen. Der Anstieg der Leitfahigkeit mit zunehmender Spannung steht hiermit in guter iibereinstimmung, weil eine hohere MeBspannung eine grol3ere Raumladung und somit ein groBeres Konzentrationsgefalle bedingt, das wiederum eine schnellere Ruckdiffusion der Verunreinigungspartikeln in das Schwefelinnere verursacht.

Die Berechnung der elektrophoretischen Leitfahigkeit scheitert daran, da13 uber das Ionisierungsgleichgewicht keine quantitativen Aussagen gemacht werden konnen. Die Ab- hangigkeit der Leitfihigkeit von der Temperatur wird [in Ubereinstimmung mit GORDON 6)]

von der Beweglichkeit der Ionen im elektrischen Feld bestimmt und ist deshalb weitgehend proportional der reziproken Viskositat (7) der Schwefelschmelze. Bei der Grenzleitfahigkeit ist s ta t t dessen die Temperaturabhangigkeit der Diffusionskoeffizienten (D) maljgebend, die wegen D - T/rj groljer ist als die der Beweglichkeit. Der EinfluB des Ionisierungsgleich- gewichtes auf den Temperaturverlauf der Leitfahigkeit kann demnach vernachlissigt werden.

b) Halbleiterverhalten des fliissigen Schwefels Die Frage, ob die zu 2,9 eV bestimmte Aktivierungsenergie der Eigen-

leitung zukommt oder als Storstellenanregungsenergie zu betrachten ist, 15Bt sich nur durch einen Vergleich mit dem Verhalten des Selens und des festen Schwefels kllren. Optische Methoden zur Bestimmung der ,,Breite der verbotenen Zone" fuhren nicht zum Ziel, da in einer Arbeit iiber die Photo- leitfahigkeit der Schwefelschmelze 12) keine genauen Angaben uber die Pre- quenzabhangigkeit enthalten sind und die Untersuchungen iiber die lang- wellige Absorptionskante 13)14)15) zu keinen ubereinstimmenden Ergebnissen fuhrten. Nur von HyMANI4) wurde eine lineare Abhangigkeit der Absorp- tionskante von der Temperatur festgestellt. Aus seinen MeBdaten errechnet sich AE, zu 3,4 eV.

Beim festen Schwefel ist die Breite der verbotenen Zone sowohl aus elektrischen als auch aus photoelektrischen Messungen bekannt. Sie betragt 2,4-2,5 eV16) und ist somit sicher

12) G. NADJACOV u. N. T. KACHOUK~EV, Compt. rend. Acad. bulg. sci. 7, Nr. 3, S. 5;

Is) P.MONDAIN-MONVAL, R. JOB u. P.GALET, Bull. SOC. chim. FranceIV47, 545 (1930). la) R. A. HYMAN, Proc. physic. SOC. B 69, 1085 (1956). 15) A. M. BASS, J. chem. Physics 21, 80 (1953). la) T. S. Moss, Photoconductivity in the Elements, London 1952.

Chem. Abstr. 1956, 11101 (1954).

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niedriger als beim fliissigen Schwefel. Bei den kristallinen Modifikationen des Selens betragt die Breite der verbotenen Zone 1,7 eV17), beim amorphen und fliissigen Selen 2,3 eVl8-19). Die aus den Absorptionskanten erhaltenen Werte sind wesentlich kleiner und ihre Tempera- turabhangigkeit ist nicht linear14)20). Die Zunahme der Breite der verbotenen Zone beim ubergang vom kristallinen in den amorphen und fliissigen Zustand kommt nach JoFPE~~)

dadurch zustande, da13 das spezifische Volumen des Selens beim Schmelzen groder wird.

Wie die oben angegebenen Daten uber das Verhalten des Selens zeigen, bestehen weitgehende Parallelen zwischen beiden Elementen. Man konnte nun vermuten, dal3 die zu 2,9 eV bestimmte Aktivierungsenergie einer Stor- leitung zukommt und der aus der Absorptionskante erhaltene Wert (3,4 eV) mit der ,,Breite der verbotenen Zone" identisch ist. Dagegen sprechen jedoch folgende Gesichtspunkte : 1. Eine Storstellenanregungsenergie von 2,9 eV ist verhaltnismlflig grol3 gegenuber einer Eigenleitungsaktivierungsenergie von 3,4 eV. 2. Das beim Selen beobachtete ,,unregelmaaige" Verhalten der Ab- sorptionskante macht es unwahrscheinlich, daB der aus der Lichtabsorption zu entnehmende Energiewert unbedingt der ,,Breite der verbotenen Zone" zukommt. 3. Beim festen Schwefel liegt die Absorptionskante [etwa 3eVzZ)] ebenfalls erheblich uber dem elektrischen und photoelektrischen Wert. 4. Die Volumenausdehnung beim Schmelzen des Schwefels ist kleiner (9%) als beim Selen (13%), und es ist deshalb mit einer geringeren Zunahme der Breite der verbotenen Zone zu rechnen. Man kann daher mit Sicherheit an- nehmen, daB die aus der Leitfahigkeits-Temperaturkurve bestimmte Akti- vierungsenergie von 2,9 eV der Elektroneneigenleitung zukommt. Nach BACON und FANELLI') gereinigter Schwefel ist also von 200 "C an ein Eigen- leiter.

Die oberhalb von 200 "C nur noch geringe Abhangigkeit der Leitfahigkeit von der Zeit des Stromflusses zeigt, da13 keine Verarmung an Ladungstragern mehr eintreten kann und daher die Verunreinigungspartikel, wie schon aus dem Temperaturverlauf der Leitfahigkeit geschlossen wurde, nur mehr eine unbedeutende Rolle beim Ladungstransport spielen. Das Umklappen der Spannungsabhangigkeit der Lcitfahigkeit bei 215 "C macht ebenfalls die Anderung des Leitungsmechanismus im genannten Temperaturbereich deutlich. Die Ab- nahme der Leitfahigkeit mit steigender Spannung ist auf ein entsprechendes Verhalten der Beweglichkeit der Ladungstrager zuriickzufiihren (thermische Elektronenstreuung).

17) LANDOLT-BORNSTEIN, Zahlenwerte und Funktionen aus Physik . . . , 6. Aufl.,

1s) H. W. HENKELS, J. appl. Physics 21, 725 (1950); H. W. HENRELS u. J. MACZUK,

19) B. LIZELL, J. chem. Physics 20, 672 (1952). 20) T. S. Moss, Optical Properties of Semi-Conductors, S. 152-166, London 1959. 21) A. F. JOFFB, Physik der Halbleiter, S. 353ff. u. 372ff., Berlin 1958. 22) M. FUKUDA, Chem. News 125, 209 (1922).

Band 11, Teil6 I, S. 258.

J. appl. Physics 24, 1056 (1963).

224 Zeitachrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964

Die Anwendung der Bandertheorie auf fliissige Halbleiter und Halbleiter mit Molekelbindung ist z. Z. noch umstritten. Nach Untersuchungen von HYMAN 23) werden beim Selen Elektronen mit einer Aktivierungsenergie von 1,7- 2,3 eV aus dem Molekelinneren an den Kettenenden angelagert. Dadurch entstehen innerhalb der Molekeln frei bewegliche Locher, die unter einem zusatzlichen Energieaufwand von etwa 0 , l eV zu den Nachbarmolekeln iiber- treten konnen. Als Bestatigung fur diesen Leitungsmechanismus wird ange- fiihrt, daB Selen nur p-Leiter ist, daB die verhaltnismaoig kleine Beweglich- keit der Locher exponentiell mit der Temperatur zunimmt und daB die Aktivierungsenergie der Eigenleitung im fliissigen Selen (2,3 eV) in der GroBenordnung der Dissoziationsenergie der Se-Se-Bindung (2,5 eV) liegt. Eine Ubertragung dieser Vorstellungen auf den festen [ nach JOFFI~ 21) p-lei- tend] und flussigen Schwefel (AE, = 2,9 eV, Dissoziationsenergie der S-S- Bindung 3,3 eV) ist naheliegend.

c) Der Leitungsmechanismus im Ubergangsgebiet

Es ist zu erwarten, daB im Ubergangsgebiet zwischen 170 und 200°C (Leitfahigkeitsminimum) fur die elektrophoretische Leitung die prinzipiell gleichen GesetzmaBigkeiten gelten wie im Bereich des Leitfahigkeitsmaxi- mums (siehe Abschnitt a). Die MeBergebnisse zeigen jedoch in wichtigen Punkten ein anderes Verhalten. So wird die Grenzleitfahigkeit in wesentlich kiirzerer Zeit erreicht, als nach der Beweglichkeit der Ladungstrager im hochviskosen Bereich des p-Schwefels zu erwarten ware, wo die Ionen bis sie an die Elektroden gelangen etwa 20 Stunden benotigen. AuBerdem nimmt die Leitfahigkeit von 170 "C an wieder zu, obwohl die Diffusionsgeschwindig- keit der Verunreinigungsteilchen und die Beweglichkeit der Ionen bis zum Viskositatsmaximum weiter, und zwar nicht unerheblich abnehmen muB. SchlieBlich ist die Leitfahigkeit selbst vie1 zu grol3, um allein auf einen elek- trophoretischen Leitungsmechanismus zuriickgefiihrt werden zu konnen. Man mu13 daher annehmen, daB in diesem Temperaturbereich Elektronen als Ladungstrager schon eine erhebliche Rolle spielen.

Extrapoliert man die Elektroneneigenleitfahigkeit auf das Gebiet des Leitfahigkeitsminimums, erhalt man Werte, die um eine Zehnerpotenz klei- ner sind als die bei dieser Temperatur gemessene Grenzleitfahigkeit. Bei der Elektronenleitung im Bereich des Leitfahigkeitsminimums kann es sich also nicht um Eigenleitung, sonden nur um Storleitung handeln. Die MeBergeb-

23) R. A. HYMAN, Proc. physic. SOC. B 69, 743 (1956).

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nisse der Untersuchungen von WIGAND 4, lassen bei seinen Schwefelproben auch bei Temperaturen oberhalb von 200 "C Storleitung vermuten.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur die Forderung dieser Arbeit.

Koln, Institut fur Anorganische Chemie der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 4. April 1964.

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