Beitrag zur Methodik und zum Wert der Virulenzbestimmung von Tuberkelbakterien im Tierversuch

Preview:

Citation preview

Beitr~ge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. 114, S. 295--303 (1955).

Aus dem Hygieniseh-Bakteriologischcn Institut (Direktor: Obermedizin~lrat Dr. med. habil. W. HERR~ANN) und dem Pathologischen Institut (Direktor*. Prof. Dr. med. W. ]~/)LLER)

der Stiidtischen Krankenanstalten Essen a. d. Ruhr.

Beitrag zur Methodik und zum Wert der Virulenzbestimmung yon Tuberkelbakterien im Tierversueh*.

Von FRIEDRICtI ~rILHELM GIERIIAKE.

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 31..Miirz 1955.)

Seit der Einffihrung des Isonicotins~urehydrazid in die Therapie der Tuber- kulose wurde yon zah]reichen Untersuchern eine Virulenzabschw~tchung yon Tuberkelbakterien, die gegen Isonicotins~urehydrazid resistent waren, beschrieben [~EISSNEt~, (1); MIDDLEBROO]~ nnd COH-N; PEIZER, WIDELOCK und KLEIN; GIER- ~AK~ (1)]. Dariiber hinaus aber land sich, dab nach geniigend langer Behandlung mit Isonicotins~urehydrazid auch Tuberkelbakterien eine Virulenzabschws zeigen k6nnen, die eine normale Empfindlichkeit gegen Isonicotins~urehydrazid besitzen [GIERI~AKE (1)]. Dieses Ergebnis wurde inzwischen yon MEISSNEK (2). besti~tigt.

Die oben genannten Ergebnisse wurden im Versuch an Meerschweinchen ge- wonnen. Geht aber mi t der Minderung der Virulenz yon Tuberkelbakterien ffir das Meerschweinchen auch eine Verminderung der Virulenz ffir den Mensehen einher ? Diese Frage ist nicht direkt zu beantworten, denn wenn bei einer fiber liingere Zeit verlaufenden mensehlichen Lungentuberkulose auch die Virulenz der Tuberkelbakterien fiir das Meerschweinchen abnimmt, so wird es allein auf Grund dieser Virulenzminderung keineswegs zu einer Heilung der meist bei diesen Fiillen vorhandenen Kavernen kommen. Es li~[~t sich die Frage jedoch indirekt beantworten: Wenn bei Neuinfektionen mit Tuberkulose vor Beginn der Be- handlmlg keine Bakterien mi t einer Resistenz gegen Isonicotins~urehydrazid ge- funden werden, dann sind Bakterien mit einer Resistenz gcgen Isonicotins~ure- hydrazid offenbar nicht in der Lage, unter den im tiiglichen Leben vorkommenden Bedingungen zu einer Infektion beim Menschen zu ffihren; woraus weiter zu folgern ist, dal~ die Einwirknng yon Isonicotinsiiurehydrazid nicht nur eine Min- derung der Virulenz yon Tuberkelbakterien fiir das Meerschweinchen, sondern auch eine Minderung der Virulenz fiir den Menschen bewirkt.

Soweit bisher hierzu Untersuchungen vorliegen, ist dies der Fall : 1V~EISSNER (2) hat in der letzten Zeit 1200 Stiimme yon 700 frisehen Lungentuberkulosen isoIiert und land darunter aussehlieBlich Stiimme mit normaler Empfindlichkeit gegen Isonicotins~urehydrazid. I m gleichen Sinne ~uBern sich PICgROTH und Busc~- M~N, die weiter mitteilen, dab im Gegensatz dazu sieh hi~ufig schon vor der Behandlung eine Resistenz gegen Streptomycin oder Paraaminosalicyls~ure finder. Letzteres aber deckt sich mit der Tatsache, dal3 bisher auch beim Meerschweinchen

* Wir danken den Farbenfabriken Bayer, Leverkusen, fiir die Unterstiitzung der Arbeiten.

296 FRIEDRICH ~r GIERHAKE :

keine Virulenzminderung von Tuberkelbakterien mit ehmr Resistenz gegen Strepto- mycin oder Paraaminosalicyls/iure gefunden wurde.

Die Einwendung yon klinischer Seite (HEILMEu gegen die angenommene Beziehung zwischen Virulenz beim Mcerschweinchen und Virulcnz beim Menschen, mit dem Hinweis darauf, dab die VerhMtnisse bei der ~Iaus anders liegen als beim Meerschweinchen, entkraftet nicht das oben Ausgeftihrte, da die Bedingungen des Experimentes bei der Maus mit der Not- wendigkeit der Zufiihrung riesiger Dosen yon Bakterien ganz andere sind als beim Meer- schweinchen. Wir verzichten jedoch an dieser Stelle auf ein weiteres Eingehen auf diese Frage, da MEISSNER (3) eingehende Untersuchungen hierzu mitteiIen wird.

Wenn es aber bisher nicht gelungen ist, ein Tuberculostaticum zu linden, alas eine restlose Vernichtung der Tuberkelbakterien im erkrankten Organismus ermSglicht, dann ist es besonders wichtig, der Virulenzabschwi~chung Beachtung zu schenken und die Therapie darauf abzuste]len, wie wir es an anderer Stelle [GIEI"tHAKE (2)] vorgeschlagen haben. Weiterhin miiflten Tuberculostatica, die in Zukunft neu entdeckt werden sollten, von vornherein hinsichtlich ihrer Ein- wirkung auf die Virulenz untersucht werden, um zeitraubende Umwege in der Therapie, wie die bisher geiibte, viel zu kurz dauernde Behandlung mit Iso- nieotins~urehydrazid, die sich yon dem Gedanken der Vermeidung einer Re- sistenz ]eiten liel~, zu vermeiden.

Bei der Bedeutung der Virulenzbestimmung einerseits und ihrer technischen Schwierigkeit andererseits erscheint es wert, einige kritische Betraehtungen zur Methodik der Virulenzbestimmung anzustellen. Wir beschr~nken uns dabei auf die 1Y[ethodik der Virulenzbestimmung am Meerschweinchen und ]assen in diesem Zusammenhang andere Versuche einer Virulenzbestimmung weg wie den der Be- urteilung des Cord-Faktors, da keine brauchbaren Ergebnisse bisher hiermit zu erzielen sind.

Grundlegende Bedeutung fiir die Virulenzbestimmung yon Tuberkelbakt~rien im Tier- versuch haben die Arbeiten yon B. LANGE gewonnen. Ihr Prinzip ist es, mSglichst genau abgewogene ~engen yon Tuberkelbakterien zur Impfung zu benutzen und zus/~tzlich die zur Infektion verwandten Bakterienaufschwemmungen auf ihren Gehalt an lebenden Bakterien hin zu priifen, was durch Ausstreichen bestimmter Mengen der Aufschwemmung auf feste NAhrbSden und Z~hlung der angewachsenen Kolonien geschah. LA~G~ ging dabei vonder Annahme aus, dull alle lebens- und infektionsf~higen Keime auch auf den festen NghrbOden anw~chsen wiirden, eine Annahme, die damals in e~wa zutreffend gewesen sein mag, seit Einffihrung der Chemotherapie jedoch nicht mehr den Tatsachen entspricht, wie wir spi~ter sehen werden.

Untersucher aus der neueren Zeit gehen entweder wie MEISSN~.I~ (1) davon aus, gewichts- ma$ig genau bestimmte 5lengen einer Kultur auf festen Ni~hrb6den zur Infektion zu ver- wenden, oder wie PEmER, WID~LOCK und KLE~r eine flfissige Kultur bestimmter Lebens- dauer zu verwenden, deren Bakterienzahl sie durch Messung derTr/ibung und Auszi~hlung unter dem Mikroskop bestimmen.

Bei unseren Virulenzuntersuchungen sind wir auf Grund bestimmter Beob- achtungen von den oben beschricbenen Versuchsanordnungen abgewichen und haben auf die ,,in vitro Kul tur" vor dem Tierversuch verzichtet. Wir hatten niimlich, wie schon berichtet, [GIrRHAK~. (1), H E R R M ~ und GX~Ri~AKE, GIEm rrAKE (2)] feststellen kSnnen, dal] seit Einftihrung der Chemotherapie groBe Teile yon Bakterienpopulationen in Untersuchungsmaterialien nicht direkt auf kiinst- lichen NiihrbSden anzuwaehsen verm6gen; sahen wir doch Populationen, die, wie die Riickziichtung und Testung aus dem direkt durch Eh~spritzen yon Sputum angelegten Tierversuch zeigte, praktisch zu 100% aus Isonicotinsi~urehydrazid-

Methodik und Wert der Virulenzbestimmung yon Tuberkelbakterien im Tierversuch, 297

resistenten Keimen bestanden, die direkt vom Sputum angelegte in vitro.Kultur jedoeh nur sensible Keime gezeigt hatte. Hieraus war zu ersehen, dab ein GroB- teil der Keime nieht direkt in vitro anzuwachsen vermochte, wohl aber im Tier- versueh anwachsen konnte. ~Viirde man in solchen Fgllen den Virulenztest yon der vorgeschalteten in vitro-Knltur aus durehfiihren, so wiirde das bedeuten, da~ unter Umst~nden die ttauptmasse der Bakterien der Virulenztestung ent- geht; der Test wiirde mit einer Auslese yon noch Isonicotinsiiurehydrazid-emp- findlichen Bakterien durchgefiihrt, wKhrend die resistenten Bakterien, bei denen die stKrksten VirulenzeinbuBea zu erwarten sind, der Testung entgehen. Dalil es sich bei der hier besehriebenen Unfiihigkeit gewisser Tuberkelbakterien, direkt auf kiinstlichen N~hrbSden zu wachsen, nicht nm Ausnahmef~lle handelt, sondern um eine relativ h~ufige Erscheinung, geht aus frfiheren Ver6ffentlichungen hervor [GIEI~HAKE (1), HERRMANN und GIERtIAKE, GIERttAKE (2)].

Will man daher Virulenzuntersuchungen durehfiihren, die eine Beziehung zwisehen Einwirkung des •edikamentes i m Organismus des Patienten und Virulenzabsehw~ichung erkennen lassen, so halten w i r e s fiir not~;endig, die Durchschnittsvirulenz der gesamten Bakterienpopulation im Untersuchungs- material zu bestimmen und nicht die Virulenz eines naeh Auslese auf kiinstlichem N~hrboden (Vorkultur), wie wir oben zeigen konnten, anders zusammengesetzten Stammes. Wir halten es darum fiir notwendig, das Untersuchungsmaterial ohne Einschaltung einer in vitro-Kultur direkt auf das Tier zu iibertragen.

Allerdings bedeutet unser Vorgehen, dal~ auf die genaue Bestimmung der Bakterienzahl verziehtet werden mul3. Wir werden jedoeh zeigen, dal~ es trotzdem mSglich ist, eine zuverI~ssige Testung durchzufiihren.

Auf eine Normung der Bakterienzahl im injizierten Untersuchungsmaterial, wie sie naeh ferment~tiver ,,Verdauung" des Materials mSglich ware und von STEENKEN und WOL~SKY angewandt wurde, verzichten wir bewuBt, um nicht zus&tzliche Sch~tdigungen an den dureh die Tuberculostatica schon geschiidigten Bakterien zu setzen.

Wir halten es ebenfalls nich~ fiir zweckmal]ig, den Virulenztest mit abgewogenen Mengen der aus dam Tierversuch rekultivierten Bakterien durchzufiihren. Diesem Versuch wiirde ni~mlich entgegenstehen, dab nicht zu entscheiden ist, von welchen Organkulturen o usgegangen werden soll. Milz und Leber zeigen zwar in vielen F&llen den hSchsten Anteil resistenter Keime; trotzdem haben wir keine Garantie' dafiir, dal] ein Querschnitt aller fiberhaupb lebens- fahigen Keime in quantitativ uleichem VerhMtnis fiber Driisen und Lungen bis in Milz und Leber gelangt ist.

Wir sind der Ansieht, dal] wir, da wie oben gezeigt ein Verzieht auf die Vor- kultur notwendig ist, auf die gewichtsmi~Bige Bestimmung der Bakterienmenge mit gutem Gewissen verzichten kSnnen, wenn man die Ergebnisse yon MEISS- ~ERs (1, 4) Infektionsversuehen mit Isonieotinsi~urehydrazid-sensiblen virulenten und Isonieotinsi~urehydrazid-resistenten virulenzgesehwiiehten Keimen bei fallen- den Dosen zu dieser Frage heranzieht. MEISS~ER (1, 4) fand n/~mlich bei diesen Versuehen keine nermenswerten Unterschiede in den Befallsindiees, gleichgiiltig lob sie mit der Dosis 1 nag oder 0,00001 rag infizierte. Man kann naeh diesen Ver- suchen also mit einem avirulenten Stature aueh bei der Steigerung der Dosis nicht die Befallsindices erreichen, die bei einem virulenten Stature mit geringer Dosis bereits zu erreichen sind.

Ein virulenter Stature ruft also im al]gemeinen bei kleiner wie gro6er Dosis einen starken tuberkulSsen Befall beim Tier hervor, ein virulenzschwacher Stature bei grof~er Dosis wie bei kleiner Dosis nur einen geringen Befall.

Beitr. Klin. Tub. Bd. 114. 20

298 Fa~DR~C~ WILI=IELM ~IERHAKE :

Es besteht aber auch bei der 1V[ethode der ,,direkten Virulenzbestimmung", d .h . bei der yon uns angewandten Einspritzung des unbehandelten Unter- suchungsmaterials die M6g|ichkeit, einen Anhalt fiir die Menge der Bakterien im injizierten Untersuchungsmaterial zu gewinnen:

1. Durch die Anzahl yon Bakterien im mikroskopisch untersuchten Aus- strich des Untersuchungsmaterials,

2. dutch die Anzahl der Kolonien auf der direkt angelegten Kul tur des Unter- suchungsmaterials,

3. durch das Ergebnis der histologischen Untersuchung. Als Beispiel fiir Punk t 1 und 2 sei folgendes angefiihrt: Versuchsnummer B46/131 (Sputum): Mikroskopische Untersuehung: Positiv vereinzett.

Kulturelle Untersuchung: Positiv zahlreich (dichter Rasen) auf allen 3 Ri)hrchen. Virulenz- grad: Sehr schwach (makroskopisch nut die regionalen Driisen befallen).

Trotz zahlreich vorhandener Bakterienmenge im Untersuchungsmaterial ist also die Virulenz ,,sehr schwach". Die Bakterien waren resistent zu 100% gegen 10 y-Isonicotins/~urehydrazid. Fiir das Gegenteil, starke Virulenz bei geringer Bakterienzahl im Untersuchungsmaterial , diene folgendes Beispiel:

Versuchsnurnmer B7/59 (Sputum): Mikroskopische Untersuchung: Negativ. Kulturelle Untersuchung: Negativ. Virulenzgrad : Stark. :Normal empfindlich gegen lsonicotins~ure- hydrazid, Conteben, Streptomycin and PAS.

Zu Punkt 3, histologisehe Untersuchung, ist folgendes zu sagen: Wir halten diese fiir besonders wichtig, denn nur ein Teil der Versuchstiere zeigt heute noch solch starke tuberkulSse Ver/inderungen, dab diese ohne weiteres makroskopisch beurteilt werden k6nnen. Die histologische Untersuchung gibt also Auskunft dariiber, ob in einem Organ eine Tuberkulose/ iberhaupt vorhanden ist, wie zahl- reich die Herde vorhanden sind (RfickschluB auf die Menge an Bakterien im injizierten Material), ob die Herde eine Nekrose zeigen ode,' nur aus Epitheolid- tuherkel bestehen (RiickschluB auf die Virulenz). Das folgende Beispiel diene zur Kl~trung :

Versuchsnummer B21/78 (Sputum): Mikroskopische Untersuehung: Positiv (ganz ver- einzelt). Kulturelle Untersuchung: R6hrchen I: positiv (3 Kolonien), R6hrchen II: negativ, R6hrchen III : negativ. Resistent zu 10% gegen 2 ? Neoteben, zu 20% gegen 0,5 :Y Neoteben.

Tierversuch: Bei beiden Tieren finden sich kleine Abscesse an der Injektionsstelle und kleine Lymphdrtisen mit Verk~ung.

Die Rekultivierung der Organe beider Versuehstiere ergab nur in den Kulturen der In- jektionsabscesse und der regionalen Lymphknoten Tuberkelbakterien.

Aus diesen Versuchsergebnissen allein wfirde nicht zu ersehen sein, ob die Virulenz nun schwach ist, oder ob die anscheinend fehlende Genera]isation auf eine zu geringe Anzahl injizierter Bakterien zuriickgeffihrt werden muB.

Die histologische Untersuchung gibt uns hierfiber Au~seh]uB: Wie Abb. 1 zeigt, linden sich in der Leber (bei beiden Versuehstieren gleich) zahlreiche granu]omartige Herde, die bei st~rkerer Vergr6Berung wie in Abb. 2 eindeutig zu erkennen geben, dab sie aus Epitheloidze]len, Lymphocyten und LANG~ANS- schen Riesenzetlen bestehen. Sie dfirfen daher eindeutig als Miliartuberke] an- gesprochen werden.

Es kann also festgestellt werden, dab in dem Untersuchungsmaterial in grSflerer Menge lebensfiihige Tuberke]bakterien vorhanden gewesen sind, dcren Zfichtbarkeit auf kfiastlichen Ni~hrbSden jedoeh vermindert war, wahr-

Methodik und Wert der Virulenzbestimmung yon Tuberkelbakterien im Ticrversuch. 299

scheinlich a uf Grund einer Beladung mit Isonicotins~iurehadrazid [HERICMANN und GIV, I~I-IAK~, GIERrlAI~V, (2)]. Es steht weiterhin lest, daL~ die Virulenz der

A b b . I . ( V e r s , - N r . 21/78) L e b e r . A m obero t t B J ] d r a n d is~; eirl g 'roBes, a m u u t c r e t l B i l d r a n d 3 k ]o inc t u b e r k u l 6 s c G r a n u l o m e z u s e h e n . Bei R e k u l t i v i e r u n g k c i n c T u b c r k e l b a k t o r i e n a u s d e r L c b o r z i i c h | Imr,

A b b . 2. ( V e r s . - N r . 21/78.) D a s g l e i c h e P r A p a r a t w ie In A b b . 1 bci s t ~ r k c r c r Vel'vrrSI21crung. Z e n l r a l c i n e LANGHANSsche 1Riesenzelle, u m g e b e n vorl. EDi the lo idze l l cn u t td L y m p h o ( ' y t e n .

Erreger schwach war, da sie keine fort,schreitende Tuberkulose zu erzeugen ver- mochten, vielmehr vom Organismus, der mit einem spezifischen Granulations- gewebe reagierte, fiberwunden wurden. Tat s~ichlich linden sich bei Ziehl-Neelsen-

Beitr . Klin. Tub . ]3d. 114. 2 0 a

3 0 0 I~RIEDRICt[ WILIIELM GIERHAKE :

Fiirbung (Abb. 3) in den Granulomen nut noch SPEN~LERsche Splitter. Es geht weiterhin aus dem Versuch hervor, dai~ diese ,,schwache Virulenz" sich in einer Bakterienpopulation findet, die zum grSl~ten Teil gegen Isonicotins~urehydrazid empfindlich war.

Weitere entspreehende Beispiele sind:

Versuchsnummer B23/80: MikToskopische Untersuchung: Negativ. Kulturelle Unter- suchung: Negativ. Tierversuche: Erstcs Tier mal~'oskopisch und bei Rekultivierung ncgativ. Zweites Tier ein kleiner, etwas vergrSBerter Lymphknoten mit bcginnender Verkiisung im

Abb. 3. (Vers.-Nr. 21/78.) Das gleiche Pr~parat wie ia Abb. 1. (Ziehl-Neelscn-Fi~rbung. Starke VcrgrSi~erung.) Die in dcr untcrcn Bildhhlftc liegenden fcinen schwarzen KSrnchen erscheinen im

]~Iikroskop als s~urefeste SPENGLERSChc Splitter.

AbfluBgebiet der Injektionsstelle. Bei Rekultivierung Tuberkelbakterlen aus den Lymph- knoten und der Lunge geziichtet. Normal empfindlieh gegen die Tuberculostatica Neoteben, Conteben, Streptomycin und PAS.

Die histologische UnLersuchung zeigt, dal3 auch in diesem Falle, nicht etwa eine sehwache Virulenz durch Injektion einer geringen Anzahl von Bakterien vor get~uscht wurde, wie man es bei dem negativen Ausfall der mikroskopischen Untersuchung und der direkten Sputumkultur vermuten kSnnte, sondern eine schwache Virulenz bei Bakterien mit normaler Empfindlichkeit gegen die oben angegebenen Chemotherapeutica vorliegt : Wir finden nAmlich in der Leber kleine, tuberkul6se Granulome und in der Milz eine einze]n liegende ]%iesenzelle (Abb. 4), die mit gr6i~ter Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang gcbracht werden kann mit den injizierten Tuberkelbakterien. Sowohl Leber als auch Milz waren jedoch bei der Rekultivierung negativ. Die negativ a.usgefallene Rekultivierung kann nieht damit erkl~rt werden, da~ eben die ,,Trefferchancen" bei der Rekultivierung gering seien, vielmehr sahen wit bei der grol~en Zahl unserer diesbezfiglichen Untersuehungen, dab die Rekultivierung in zahlreichen F~tllen Tuberkelbakterien

Methodik und Weft der Virulenzbestimmung yon Tuberkelbakterien im Tierversuch. 801

naehweist, wo die histologische Untersuehung kein eindeutiges Ergebnis liefert. Sind aber die Bakterien virulenzschwach, so kann die Rekultivierung versagen, obgleich die histologisehe Untersucb_ung eine siehere tuberkulSse Infektion (mit regressivem Charakter) nacbweist. DaB schlieglich bei noch st~rkerer Virulenz- sch/idigung ~Fglle auftreten (Versuchsnummer B35/106/05), bei denen trotz reich- lich vorhandener Baktericn im Untersuchungsmaterial (kulturel]e und mikro- skopische Untersuchung) sich auch histologiscil keine typischen Bilder der Tuber- kulose mehr linden lassen, kann nicht fiberraschen. Die Bakterien waren in diesem

Abb . 4. (Vers . -Nr. 23/80.) Milz eines 1%[ccrschweinchcns. Einzclnc Ricscnzcl lc . K u l t u r c ] l n c g a t i v .

:Fall zu 100 % resistent gegen 10 y Neoteben. Ein weiteres Beispiel sei abschlieBend noch angeffihrt, das gleichzeitig zeigt, dab sich die tuberkulSsen Ver/inderungen, aus denen keine Tuberkelbakterien gez/ichtet werden kgnnen, nicht nur, wie oben gezeigt, in Leber und Milz linden lassen, sondern auch in der Lunge.

Versuchsnummer B 29/97/025 (Sp~etum) : D i r c k t c S p u t u m k u l t u r : N e g a t i v . T i e r v e r s u c h : Kleine, verk~ste Driise; AbsccB an der Injektionsstelte. Rekultiviemmg: Tnberkelbakterien im Abscel~ und in der verk/isten Driise. Auf einer der 3 Kulturcn, die yon dcr Milz angclegt wurden, fand sich cinc Kolonic. Lunge und Lcber negativ. Normal empfindlich gegen Tuberculostatica.

Die histologische Untersuchung zeigt jedoch auch in der Lunge sicher tuber- kul6se Ver~nderungen und in der Leber Bilder, die wahrschcinlich ebenfalls tuberkulSser Natur sind.

Zusammengefaf~t kann also gesagt werden: Zuverls Ergebnisse der Virulenzbestimmung sind zu erhalten, wenn das bakterienhaltige Material ohne eine in vitro-Vorkultur direkt auf das Versuchstier fibertr,ugen wird und das :Ergebnis aus einer zusammenfassenden Beurteilung yon ~Rekultivierung der Tier- organe sowie deren histologischer Untersuchung nnd mikroskopischcr und kultu- reller Untersuchung des Ausgangsmaterirds gewonnen wird.

302 FI~IEDRICIt WILtIELM GIERHAKE:

Nebenbei sei folgendes erwahnt: Nach ~/IEISSNER (1) ist es notwendig, auch bei nicht verk/isten Lymphknoten eine RekuItivierung vorzunehmen, da sie in solchen Fallen noch Tuberkelbakterien im Tierversuch hat nachweisen k6nnen. Diese Feststellungen decken sich mit unseren Beobachtungen. Wir sind angesiehts der oben angefiihrten histologischen Bilder der Ansicht, dab es notwendig ist, beim Tierversuch nicht nur eine Rekultivierung vorzunehmen, sondern auch eine histologische Untersuchung durchzuffihren, da hierdureh die Aussicht besteht, in weiteren Fallen Tuberkelbakterien naehzuweisen. Es wiirde auBerdem die MSgliehkeit gegeben, in allen Fallen, in denen das Ergebnis des Tierversuches nur durch die Rekultivierung gefunden werden kann, die erst nach 2--6 Wochen abgelesen werden kann, bei histologiseher Untersuchung schon naeh 24 Std ein Ergebnis in der Hand zu haben. ]3ei l~ekultivierung und histologiseher Unter- suchung erledigt sich auch die Forderung schwedischer Urologen (zitiert bei ICKERT), bei Verdaeht auf Urogenitaltuberkulose den Tierversuch mit 20 Tieren anzusetzen.

Bezfiglieh der Beurteilung der Virulenzgrade sind w/r der Ansicht, dab die Verwendnng yon mahroskopischen Befallsindices oder kulturellen Befallsindices (i~[EISSNER 0,4) u . a . ] unnStig ist und unserer Ansicht nach eine Genauigkeit vortauscht, wie sie bei der Anwendung auf kleine Zahlen yon Versuchstieren nicht zu erreiehen ist, anBerdem die Belegung der verschiedenen Organveranderungen mit Indexziffern und deren Addition zu einer Gesamtindexziffer eine Bewertung voraussetzt, deren Berechtigung schwer zu beweisen ist.

Wir verziehten daher auf die Anwendung von Indexziftern und verwenden in Anlehnung an SAENZ sowie STEENKWX und WOLINSKY folgende Bezeiehnungen:

1. Sehr 8tarke Virulenz. Ausgedehnte Nekrosen in allen Organen. 2. Starke Virulenz: Kleine, nekrotische Herde. Eventuell nicht in allen Or-

ganen makroskopisch erkennbar. 3. Abgeschw~ichte Virulenz. Es fehlen Nekrosen in Leber, Milz und Lungen.

Die Herde sind zum Teil erst bei histologiseher Untersuchung erkennbar ; aus ihnen sind Bakterien riickziichtbar.

4. Schwache girulenz. Regionale Dr/isen verkast. Aus den inneren Organen zum Teil Bakterien rfickz/ichtbar. Histologiseh ohne Auft/illigkeiten in den inneren Organen oder Herde, aus denen heine Bakterien ziichtbar sind.

5. Sehr schwache Virulenz. Injektionsstelle und regionale Drfisen bei Re- kultivierung positiv. Die iibrigen inneren Organe bei Rekultivierung und histo- logischer Untersuchung negativ.

6. Avirulent. Dr/isen im Injektionsgebiet, wenn fiberhaupt kulturell positiv, dann aber doch nicht verks

Welche Bedeutung kommt der Virulenzbestimmung zu ? Wir haben oben schon auf die Notwendigkeit hingewiesen, neu aufkommende Tuberculostatica yon vorn- herein aueh auf ihre Fahigkeit zur Virulenzsehs hin zu untersuchen.

Dar~ber hinaus ware zu diskutieren, ob die Virulenzbestimmung nieht gute Dienste leisten w/irde bei der Abschatzung der Frage, ob Kranke, die trotz Be- handlung ,,often" b]eiben, eine Gefahr f/Jr ihre Umgebung darstellen. Es kSnnte danaeh versueht werden, Kranke, die often bleiben, wenigstens so lange in Klinik oder Heilstattenbehandlung zu halten, wie die yon ihnen ansgesehiedenen Er- reger noeh eine st~rkere Virulenz zeigen.

Methodik und Wert der u yon Tuberkelbakterien im Tierversuch. ~03

Zusammen]assung.

1. Die Vi ru lenzbes t immung ira Tierversuch ist d i rekt vom Ausgangsmate r ia l aus ohne Vorschal tung einer in v i t r o -Ku l tu r durchzufi ihren.

2. Die histologische Unte r suchung der Versuchst ierorgane ist zur Beur te i lung der Virulenz mi t heranzuziehen.

3. Die bistologisehe Unte r suchung der Versuchstiere g ib t be im gewShnlichen Tierversuch mi t tuberkulSsem Untersuehungsmater ia l eine zus~tzliche Sicherheit u n d beschleunigte Diagnost ik .

4. Die Vi ru lenzbes t immung ist wertvoll, a) bei der Tes tung yon Tuberculo- s ta t ica auf ihre ~ h i g k e i t bin, e ine Vi ru lenzabnahme zu bewSrken, b) bei der Absch~tzung der Frage, ob K r a n k e die, , ,often" bIeiben, eine Gefahr fiir ihre Um- gebung darstel len.

5. :Fiir die Virulenzabschw~iehung yon Tuberkelbakter ien , die einer Behand- lung mi t Isonicot insi iurehydrazid unterworfen gewesen waren, aber ro l l empfind- lich geblieben Waren, werden weitere, auch histologische Beweise geliefert.

Literatur. GIEP~/AKE, :F. W. : (1) Beitr. Klin. Tbk. 112, 283 (1954i. - - (2) Studien zur Methodik

und zum Wert der Resistenzbestimmung yon Tuberkelbakterien gegen Tuberkulostatica. Erscheint demn~chst. - - HEILMEYER,L.: Miindliche Mitteilung auf der ]3eiratssitzung des deutschen Zentralkomitees zur ]3ekiimpfung der Tuberkulose . - HERRMAN~r, W., u. F .W. G~E~HAKE: Ober das Verhalten INH-sensibler und -resistenter Tuberkelbakterien in Kultur und Tierversuch. Erscheint demn~chst. - - ICK~,RT, F. : Z. Tbk. 104, 185 (1954). - - LANGE, ]3. : Z. Tbk. 47, 129 (1930). - - MEISS~.R, G. : (1) ]3eitr. Klin. Tbk. lll}, 538 (1954). - - (2) gur Fruge der Virulenz chemo-resistenter Tuberkelbakterien. IV. Mitt. Erscheint demn/ichst. - - (3) ]3riefliche Mitteflung - - (4) ]3eitr. Klin. Tbk. 118, 62 (1955). - - MIDDLEBROOK, G., and M. L. Court: Science (Lancaster, Pa.) 118, 297 (1953). - - PEIZER, L. R., D. WrDELOCK and S. KLEI~r: Amer. Rev. Tbe. 68, 290 (1953). - - PICKROTH, G., u. E. ]3USCm~A~N: Z. inn. Med. 9, 285 (1954). - - SAE~Z, A. : 11. Tagg der internat. Ver.igg zur ]3ek~mI)fung der Tuber- kulose. Berlin 1939. - - STEENg~N, W., and E. WOLINSKu Amer. Rev. Tbc. 68, 548 (1953).

Chirurgische Klinik der Justus-Liebig-Hochschule. Dr. reed. F. W. GIER/L4KI~, GieBen (Lahn),

Beitr. :Kiln. Tub. :Bd. 114. 20b

Recommended