Bemerkungen zur Entstehung höhermolekularer Siliciumchloride im Abschreckrohr

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Bemerkungen zur Entstehung hohermolekularer Siliciumchloride im Abschreckrohr

Von HARALD SCHAFER

(Mit 3 Abbildungen)

Inhaltsubersicht Der Bildungsmechanismus der hohermolekularen Siliciumchloride bei der Synthese

im Abschreckrohr wird erortert. Es wird wahrscheinlich gemacht, daB die Chloride SinC12n+p dadurch entstehen, daB sich die thermodynamisch stabilen Hauptbestandteile der bei hoher Temperatur vorliegenden Gasphase -Sic& und SiCI, - beim Abscbrecken zusammenlagern :

SiCl, + (n - 1) SiCI, = SinC12n+2.

SCHWARZ und Mitarbeiter bedienten sich bei ihren so erfolgreichen Untersuchungen uber hohermolekulare Siliciumchloride oft der Syn- these im Abschreckrohr l-6). Die Anordnung l) 6, ') besteht darin, da8 in der Achse eines von auBen mit Wasser gekuhlten Quarzglasrohres ein gliihender Silitstab angeordnet ist. Schickt man durch dieses Rohr einen mit Silicium(1V)-chlorid beladenen Gasstrom (Ar, N,, H2), so findet an der he ihn Wand eine chemische Reaktion statt und die Reaktions- produkte oder ihre Folgeprodukte werden an der benachbarten, gekuhl- ten Wand kondensiert. Sie fliel3en aus dem schrag gestellten Rohr - gemeinsam mit unverbrauchtem Silicium(1V)-chlorid - ab. Die weitere Aufarbeitung liefert die Chloride Si,Cl,, Si,CI, , Si4Cl,, , Sil,,C122, Si25C162, allgemein Si,CI,, + .

Eine gesicherte Vorstellung uber den Bildungsmechanismus dieser Chloride besitzen wir bis jetzt nicht.

SCHWARZ und MECKBACH~) haben vor 16 Jahren einen Radikalmechanismue dis- kutiert. Hiernach spalten die Siliciumchloride an der gluhenden Wand ein Chloratom ab.

I) R. SCHWARZ u. H. MECKBACH, 2. anorg. allg. Chem. 232,241 (1937). z, R. SCHWARZ u. R. THIEL, Z. anorg. allg. Chem. 835, 247 (1938). a) R. SCHWARZ, Angew. Chern. 61, 328 (1938). 4) R. SCHWARZ u. CH. DANDERS, Ber. dtsch. chem. Ges. 80, 444 (1947). 6 ) R. SCHWARZ u. A. KOSTER, Z. anorg. allg. Chem. 270, 2 (1952). 6, Syntheaen in der Glimmentladung bleiben im folgenden unberiicksichtigt. 7) R. SCHWARZ, J. prakt. Ghem. 161. 137 (1942).

18a Z . anorg. allg. Chemie. Bd. 274.

266 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 274. 1953

Die Siliciumchlorid-Radikale vereinigen sich und die Chloratome werden durch Reak- t.ion mit dem Siliciunicarbid des Silitstabs oder mit Wasserstoff gebunden:

SiCI, - - - --f SiCI, + CI

SiCI, + Sic'I, -+ Si,CI,

Si,Cl, ___ -+ Si,Cl, + C1

Si,CI, + SiCI, + Si,Cl,

Si,CI, ~ -> Si,C1, + C1

Si,Cl, + SiCi, + Si,CI,, usw.

Ferner wird erortert, daI3 sich mehrere groBere Radikale vereinigen konnten :

2 Si,CJ, + 2 Si2Cl, -+ Sil,,Cl~~.

WeEentlich an dieser Vorstellung ist, daB die hohermolekuIaren Verbindungen und ihre chlorarmeren Radikale auch bei hohen Temperaturen - in der Nahe der gliihenden Wand - noch existenzfahig sein miissen, jedenfalls nicht durchgreifend zerfallen diirfen.

Interessanterweise sprachen SCHWARZ und MECKBACH in der gleichen Arbeit - aber nicht im Zusammenhang mit dem Bildungsmechanismus der hoheren Chloride - yon der Moglichkeit, daB im Abschreckrohr Si l ic ium(I1)-chlor id (als Gas ?) auftreten konnte. Durch dessen Disproportionierung erklirten sie bereits die Entstehung yon elementarem Silicium.

E igene U n t e r suchungens ) , denen eine andere Fragestellung zu- grunde lag, behandelten die Einwirkung von Silicium(1V)-chlorid auf Silicium bei Temperaturen bis 1300" C. Dabei ergab sich, da13 oberhalb etwa 800" gasformiges Silicium(I1)-chlorid bemerkbar wird und dafi dessen Konzentration rnit steigender Temperatur bedeutend zunimmt. Das Reaktionsgeschehen wird durch das Gleichgewicht

SiCl, + Si = 2 SiCl, (1)

beherrscht. Die Messung der Reaktionsdrucke lieferte die Bildungs- warme des gasformigen SiC1, rnit 29,9 kcal (298" K) und seine Normal- entropie mit 71,l cl (298" K).

Einen Eindruck von der Stabilitat des gasformigen Silicium(I1)- chlorids gewinnt man, wenn man rnit den in der zitierten Arbeits) ge- nannteri thermochemischen Werten die Zusammense tzung (Mol- yo) der (SiCl, + SiC1,)-Ga.sphase uber Si-Bodenkorper bereclinet, und zwar fur konstanten SiC1,-Gleichgewichtsdruck (100 mm Hg) und Variation der Temperatur (Abb: 1) und ferner fur konstante Temperatur (1227" C) bei Veranderung des SiC1,-Gleichgewichtsdrucks (Abb. 2). Man erkenn t, daIj die Neigung zur Dichlorid-Bildung bei den im, Abschreckrohr ublichen Temperaturen des Silitstabes (1100-1250" C) recht bedeutend ist.

8) 1%. SCHAFER u. J. NICKL, 2. nnorg. allg. Chem. 274, 250 (1.953).

H. SCHAEER, Entstehung hohermolekularer Siliciumchloride im Abschreckrohr 267

Dies f u h r t zu folgender Vors te l lung von d e r E n t s t e h u n g d e r h iih e r m o le k u 1 a r e n S i l i c i u m c hlo r id e i m A bs c h r e c k r o h r :

1. SiC1, reagiert a n d e r heil3en W a n d unter Bildung von SiC1,. Als Reduktionsmittel wirkt hierbei entweder der mit dem SiCl, eingefuhrte Wasserstoff oder das Siliciumcarbid des Silitstabes :

SiCl, + H, = SiCl, + 2 HCl (2)

SiCI, + Sic = 2 SiCI, + C. (3)

Bei den ersten Versuchen von TROOST und HAUTEFEUILLE~) im kaltwarmen Rohr von St.-Claire Deville wurde SiCl, nach G1. (1) mit Si reduziert. In jedem Falle enthalt die heil3e Gasphase schliefllich Sic& und

Abb. I

\ Abb. 2

SiCl, nebeneinander. Hohermolekulare Siliciumchloride treten bei der hohen Temperatur des Silitstabes nicht auf, wie unsere Messungens) in ubereinstimmung mit der thermodynamischen Erwartung ergeben haben.

2. Wird das (SiCI, + SiC1,)-Gas a b g e s c h r e c k t , so stahilisiert sich das bei niedriger Temperatur unbestandige Gasgemisch durch Aggre- ga tion :

SiCI, + (n - 1) SiCl, = Si,CI,, + , . J e SiC1,-reicher die heil3e Gasphase ist, um so hoher wird das mitt-

lere Molekelgewicht der kondensierten Siliciumchloride sein. 3. Wird das (SiC1, + SiC1,)-Gas l a n g s a m a b g e k u h l t - oder

g e l i n g t d i e Abschreckung n a c h 2. n i c h t vo l lkommen - so zer- fallt das Dichlorid im mehr oder weniger groflen Umfange in Silicium und Silicium(1V)-chlorid.

4. Erhoht man die Temperatur.des Silitstabes bei Verwendung von inertem Tragergas (N2, Ar) fur SiCl,, so nimmt der SiC1,-Gehalt der Gasphase zu, weil sich das Gleichgewicht (3) nach rechts verschiebt.

O) L. TROOST u. P. HAUTEFEUILLE, Ann. Chim. Physique [5] 7, 452, 459 (1876).

18*

268 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 274. 1953

Man hat daher nach dem Abschrecken Siliciumchloride mit grorjerem Molekelgewicht zu erwarten.

5. Ersetzt man bei konstanter Temperatur des Silitstabes das inerte Tragergas des SiCl, durch Wasserstoff, so erhoht sich der SiC1,-Ge- halt der Gasphase ebenfalls, weil das Gleichgewicht (2) mehr auf der Seite des SiCl, liegt als (3) . Auch hier sind also nach dem Abschrecken Chloride rnit groBerem Molekelgewicht zu erwarten. Ferner ist bei Anwen- dung von H,-Tragergas unter Umstanden rnit einer Abscheidung von Silicium auf d e m S i l i t s t a b zu rechnen; vgl. spater.

6. Das mittlere Molekelgewicht des gewonnenen Kondensats gibt einen gewissen q u a l i t a t iven AufschluB uber den Reduktionsgrad der Gasphase an d& heiBen Wand 10).

Bei derartigen Uberlegungen mud der SiCI,-Gehalt des Konderisats auBer Betracht bleiben. SiCI, wird wegen seines hohen Dampfdruckes (Sdp. 57,5" C ) nur in relativ ge- ringer Menge an der kalten Wand niedergeschlagen. Es hat daher vielfache Gelegenheit an der heiden Wand zu reagieren. Die einmal entstandenen hoheren Chloride werden dagegen wegen ihres vie1 geringeren Dampfdrucks - bereits Si,CI, siedet erst bei 147" C - abgeschieden und sind danach nicht mehr im erheblichen Umfange am Reaktionsgeschehen beteiligt.

Eine Verlangerung des Reaktionsrohres erhoht den SiC1,-Umsatz, vergroljert aber das Molekelgewicht der entstehenden Verbindungen nicht.

7. Dient Wasserstoff als Tragergas fur SiCl,, so konnen H, und HC1 bei der Aggregation rnit eingebaut werden:

SiCI, + HCl = SiHCI,

SiC1, + H, = SiH,Cl,

10 SiC1, + H, = Si,,CI,,H, ,

8. Elementares Silicium tritt im K o n d e n s a t besonders dann auf, wenn ein inertes Tragergas verwendet wird, nicht aber bei Benutzung von Wasserstoff 1). Dies ist offenbar darauf zuruckzufiihren, da13 SiCl, in Gegenwart von H, (und HCl) bei der Aggregation nicht nur mit eigenen Molekeln und mit SiCl,, sondern auch rnit H, urid HC1 reagieren kann. In Abwesenheit von H, und HC1 ist die Wahrscheinlichkeit, daa SiC1,-Zerfall nach G1. (1) eintritt, vie1 grooer.

Soweit sich ubersehen IaBt, decken sich diese Uberlegungen rnit den experimentellen Befunden von SCHWARZ und Mitarbeitern.

lo) Ein q u a n t i t a t i v e s Abbild des Reduktionsgrads bei hoher Temperatur liefert die Zusammensetzung des Kondensats bei der iiblichen Konstruktion des Abschreck- rohres nicht.

H. SCHAFER, Entstehung hohermolekularer Siliciumchloride im Abschreckrohr 269

Zur Erganzung und als quantitative Grundlage fur einen Teil der gemachten Aussagen bringt die Abb. 3 SiC1,-Gleichgewichtsdrucke in Abhangigkeit von der Temperatur, die fur die Rsduktion von SiCI, rnit Si, mit H, und rnit Sic berechnet wurden.

Hierbei wurde der SiC14-Gleichgewichts- druck mit 100 mm und der H,-Gleichgewichts- druck mit 400 mm als konstant angenommen. Diese Drucke entsprechen ungefahr den prak- tischen Verhaltnissen im Abschreckrohr. Bei der Reduktion von SiCI, mit H, wurde PHC, = 2 PSic1, gesetzt, wie es sich zwangslaufig ergibt, wenn man yon SiCI, + H, ausgeht.

I

Zur Berechnung dienten neben den in der vorangehenden Veroffentlichung8) genannten thermochemischen Zahlenwerten die folgenden :

-I -

-2 - Sic Wp(298) = 28,O kcalll)

fjP0' f?OOY 9fUT \ -3 ~ ~ * ' . ~ ~ ~

S(ze8) = 3,95 Cl'*) 15 16 P7 18 R9 ld Cp = 8,89 $. 2,91 . 10-3T

- 2,84 . 10' T-' '7 Abb. 3

C(g) Wp(zss) = 0,22 kcall')

S(ze8) = 1,36 cI")

Cp = 2,673 + 2,617 T - 1,169 9 lo6 TP2 13)

HI S(208) z= 31,22 ~1")

Cp = 6,62 -t 0,81 * lOP3T 13)

HCI Wp(,,, = 21,9 kcal

S(Zo8) = 44,66 ~1")

Cp = 6,70 + 0,84. T 13).

Die Rechnung (Abb. 3) zeigt, dalj die Reduktion rnit Wasserstoff oder mit Silicium erheblich groljere SiC1,-Drucke liefert, als die Reduk- tion mit dem Siliciumcarbid des Silitstabes. Besondere Beachtung ver- dient ferner, dalj man im interessierenden Temperaturgebiet fur die Reduktion rnit Wasserstoff einen groljeren SiC1,-Druck berechnet, als

1') F. R. BICHOWSKY u. F. D. ROSSINI, The Thermochemistry of the Chemical

12) K. K. KELLEY, Contr. Data Theor. Met.; XI. Entropies of Inorg. Subst.; Revision

Is) K. K. KELLEY, Contr. Data Theor. Met.; 11. High-Temp. Specific-Heat Equa-

Substances, New York, 1936.

1948. Bureau of Mines, Bull. 477 (1950).

tions. Bureau of Mines, Bull. 371 (1934).

270 Zeitschrift fur anolganische und allgemeine Chemie. Band 274. 1953

fur die Reduktion mit Silicium. Das bedeutet, da13 sioh bei Reduktion mit Wasserstoff elementares Silicium auf d e m Si l i t s t a b abscheiden mu13, bis das Gleichgewicht

eingestellt ist 14). Diese Si-Abscheidung kann zur Folge haben, da13 ein Versuch mit Ar/SiCl,, der auf

einen H,/SiCl,-Versuch folgt, zu anderen Ergebnissen fuhrt, als ein Ar/SiCI,-Versuch, bei dem ein Silitstab ohm Si-Bedeckung verwendet wurde. Im ersten Falle liegt Si, im zweiten aber das schwacher reduzierende Sic als Bodenkorper vor. Auf diese Weise sind bisher unerklarte Beobachtungen yon SGHWARZ und MECKBACH~) deutbar.

Die in der vorstehenden Notiz entwickelte Hypothese liefert neben einer Deutung bisher vorliegender, zahlreicher Beobachtungen auch neue Gesichtspunkte fur weitere Experimente. Jedoch sind die erorterten Vorstellungen durchaus erga,nzungsbedurftig : uber die beim Abschrecken im einzelnen stattfindenden Vorgange, die zur bevorzugten Entstehung bestimmter Verbindungstypen fuhren und uber die Konstitution der so entstehenden Verbindungen wissen wir nichts.

Rerrn Prof. Dr. R. SCHWARZ bin ich fur eine briefliche Diskussion und fur wertvolle Hinweise sehr zu Dank verbunden.

Si + SiC1, = 2 SiCl,

la) Diese gberlegung ist experimentell gestiitzt: R. HOLBLINC; (Z. angew. Chem. 40, 655 (1927)) schied bei 1000-1100" C am Kohlefaden elementares Silicium aus einer SiC1, und H, enthaltenden Gasphase ab.

Stuttgurt, Institut f iir Physihlische Chemie der .Metalle am Max- Planek-Institut fiir M ~ ~ u l l ~ o r s ~ h u n g .

(Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 19!53.)

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