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© 2003 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin • Bauphysik 25 (2003), Heft 3
146
Aufsatz
Bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden wird derWärmeschutz durch die Dämmung von Bauteilen der Gebäude-hülle deutlich erhöht. Die Erneuerung von Fenstern und dieDämmung von Außenwänden, Dachflächen oder oberstenGeschoßdecken, Kellerdecken und die Entschärfung von Wär-mebrücken gehören hier zum Standardprogramm. Auf der Seiteder Anlagentechnik wird der in den meisten Fällen veralteteHeizkessel durch einen modernen Wärmeerzeuger mit hoherEffizienz ersetzt. Das Rohrleitungssystem, welches die Wärmeverteilt und das Verbindungsglied zwischen Wärmeerzeuger unddem beheizten Gebäude bildet, wird in vielen Fällen unverän-dert beibehalten. Rohrleitungen, die im Gebäudebestand oftmalsgar nicht oder nur unzureichend gedämmt sind, werden in vielenFällen nicht nachträglich gedämmt und weisen hohe Wärmever-luste auf. Die Studie hat das Ziel, die Wärmeverluste von Rohr-leitungen zu quantifizieren und das CO2-Einsparpotential aufzu-zeigen.
CO2 saving potential through pipe insulation. As part of refur-bishment measures for dwellings, the thermal insulation ofexternal building components is usually increased significant-ly. The replacement of windows and the installation of insula-tion at external walls, roof surfaces or ceilings and basementslabs, and remedial measures for thermal bridges are standardprocedure. On the building services side, in most cases outda-ted heating boilers are replaced with modern, highly efficientunits. However, in many cases the piping that distributes theheat and forms the link between the heat generator and theheated building remains unchanged. In many cases, pipingwithout any or with inadequate insulation is not retrofitted,leading to high heat losses. This study aims to quantify the heat losses of piping and to illustrate the CO2 savingpotential.
1 Einleitung
Die Struktur des Gebäudebestands ist durch umfangreicheUntersuchungen bekannt, beispielhaft sei hier die Studie desInstituts für Wohnen und Umwelt (IWU) [1] [2] genannt. Diedarin erhobenen Daten beschreiben jedoch lediglich den bau-lichen Zustand der Gebäudehülle. Die Zusammensetzung der indeutschen Heizungskellern vorzufindenden Wärmeerzeugern istdurch die Austauschpflicht alter Heizkessel und die damit ver-bundenen Messungen der Schornsteinfeger bekannt. Über denZustand und das Dämmniveau von Rohrleitungssystemen gibt esleider keine Erhebungen. Die erste Heizungsanlagenverordnungaus dem Jahre 1978 stellte bereits Anforderungen an die Däm-mung von Heizungs- und Warmwasserleitungen. Die Energie-einsparverordnung 2002 (EnEV) verpflichtet zur nachträglichenDämmung von ungedämmten, nicht in beheizten Räumen ver-laufenden Rohrleitungen.
Durch die erhöhten Anforderungen an die Bauteile und dieAnlagentechnik, die die EnEV an Neubauten stellt, sinkt derPrimärenergiebedarf. Dies hat einen relativen Anstieg desAnteils der Rohrleitungswärmeverluste am Gesamtenergiebedarfdes Gebäudes zur Folge. Im Rahmen der Studie wurden auchRohrleitungswärmeverluste von Neubauten gemäß EnEVbetrachtet und mögliche Einsparungen durch ein erhöhtes Wär-meschutzniveau von Rohrleitungen quantifiziert.
2 Quantifizierung der Wärmeverluste im Bestand
Betrachtet man den Gebäudebestand in Hinblick auf die Behei-zungsart [4], so erkennt man, daß etwa zwei Drittel der Wohn-einheiten durch eine Block-/Zentralheizung mit Wärme versorgtwerden (Bild 1). Etagen- und Fernheizung und Einzel- oderMehrraumöfen bilden in der Summe ca. ein Drittel der Behei-zungsart. Analysiert man den Gebäudebestand nach der Art derWärmeverteilung, so wird deutlich, daß etwa 87 % der Wohn-einheiten durch rohrleitungsgebundene Systeme versorgt wer-den. Der verbleibende Rest enthält in erster Linie Elektrospei-cheröfen und fossil beheizte Einzelöfen, die in den kommendenJahren größtenteils durch moderne rohrleitungsgebundeneSysteme ersetzt werden (Bild 2). Damit wird deutlich, daß die indieser Studie erarbeiteten Erkenntnisse für nahezu den gesamtenWohneinheitenbestand von Bedeutung sind.
Jürgen Laudenbach, Thomas Koch
CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
Dipl.-Ing. Jürgen Laudenbach ist Geschäftsführer des Zentrums fürUmweltbewußtes Bauen e. V. Verein an der Universität Kassel, Gott-schalkstraße 28a, 34127 Kassel.Dipl.-Ing. Thomas Koch ist Mitarbeiter am ZUB Kassel.
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i e e
=
⋅⋅ +
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π
1
2ln 1
λ
Bild 1 Beheizungsart im Wohnungsbestand (Quelle: StatistischesBundesamt, 1998); Summe der Wohneinheiten: 33,8 Mio
Block-/Zentralheizung
Etagenheizung
Fernheizung
Einzel- oder Mehrraumöfen
ohne Angabe
65,4 %0,2 %13,0 %
13,1 %
8,3 %
Q U L f f t z kWh
aH d i i i HK m u m a b HP, , , , = ⋅ ⋅ ⋅ −( ) ⋅ ⋅ ⋅ ⋅
11000
ϑ ϑ
Bild 2 Wärmeverteilung im Wohnungsbestand; Summe derWohneinheiten: 33,8 Mio
An Rohrleitungengebunden
Nicht an Rohrleitungengebunden
87,0 %13,0 %
Zu den Projektzielen gehören neben der Quantifizierung desCO2-Einsparpotentials durch die Dämmung von Rohrleitungenin Wohngebäuden auch wirtschaftliche Betrachtungen und Ver-gleiche mit anderen baulichen Maßnahmen und die Erstellungeines Berechnungswerkzeugs zur Quantifizierung von Rohrlei-tungswärmeverlusten.
J. Laudenbach, T. Koch • CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
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Aufsatz
Bei den Untersuchungen wurden die Parameter Gebäudetyp,Gebäudealter, Klima, Systemtemperaturen, Zirkulation, Verle-gungsart und Rohrleitungsdämmung wie folgt variiert: Gebäudetyp:– Ein- bis Zweifamilienhaus– kleines Mehrfamilienhaus (6 WE)– großes Mehrfamilienhaus (12 WE)Gebäudealter:– Altbau– Gebäude nach Wärmeschutzverordnung 1995– Neubau nach Energieeinsparverordnung 2002Klima:– Einteilung Deutschlands in drei Klimaregionen (warm,
mittel, kalt)Systemtemperaturen:– Heizung: 90/70, 70/55, 55/45, 35/28 °C
Trinkwarmwasser: 50 °CZirkulation:– mit und ohne TrinkwarmwasserzirkulationVerlegungsart:– innerhalb, außerhalb der thermischen Gebäudehülle
Innenverteilung, AußenverteilungRohrleitungsdämmung:– keine/geringe/100 % nach EnEV/200 % nach EnEVIm folgenden sind die Einflußfaktoren auf Rohrleitungswärme-verluste aufgeführt:– Länge und Einbausituation der Rohrleitung,– Außendurchmesser der Rohrleitung,– Dämmstärke,– Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffs,– Emissionskoeffizient der Oberfläche des Rohres bzw. Dämm-
stoffs,– Temperatur des Rohrmediums,– zeitliche Dauer der Temperaturdifferenz zwischen Rohrme-
dium und Umgebung.Die zentrale Größe, die die Wärmeabgabe eines Rohrabschnittskennzeichnet, ist der längenbezogene Wärmedurchgangskoeffi-zient (Ul-Wert),
darin sindλ = Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffs [W/(m*K)]De = äußerer Durchmesser der Dämmung [m]Di = Innendurchmesser der Dämmung, Rohraußendurch-
messer [m]he = äußerer Wärmeübergangskoeffizient [W/(m2*K)].Er gibt an, welche Wärmeleistung pro einem Meter Rohrlängebei einer Temperaturdifferenz von 1 K zwischen Rohrmediumund Umgebung abgegeben wird. In der Berechnungsformel istder logarithmische Einfluß der Dämmstoffstärke erkennbar. BeiRohrleitungen erhöht sich im Gegensatz zu ebenen Flächen beizunehmender Dämmstoffstärke die wärmeabgebende Oberflä-che. Aus diesem Grund führt eine Erhöhung der Dämmstoffstär-ke bei Rohrleitungen zu einer geringeren Reduzierung des Wär-medurchgangskoeffizienten als bei ebenen Flächen.Betrachtet man den Einfluß der Dämmstoffstärke auf den Wär-medurchgangskoeffizienten bei einem üblichen Heizungsrohr,so erkennt man den starken Abfall des Ul-Wertes auf den erstenMillimetern Dämmstoff. Der Ul-Wert des ungedämmten Rohresvon 1,4 W/(m*K) sinkt bis zum Erreichen der Anforderung nachEnEV um etwa 85 % auf 0,2 W/(m*K) (Bild 3).In der Studie wurden vier Dämmstoffstandards untersucht (Bild4). Im ungünstigsten Fall liegt das blanke, ungedämmte Rohrvor. Da dies einerseits in der Praxis (nicht quantifizierbar nach
U DD h D
Wm Kl
e
i e e
=
⋅⋅ +
⋅⋅
π
1
2ln 1
λ
bisherigem Stand) vorkommt, andererseits auch eine Teildäm-mung mit unterschiedlichen Materialien und Dicken vorzufin-den ist, wurde das Dämmniveau „gering“ eingeführt. Hier wirdeine Dämmstärke von 2 mm mit einer Wärmeleitfähigkeit λ =0,035 W/(m*K) angesetzt. Bei dieser Dämmstärke ist bereitsetwa die Hälfte des Einsparpotentials zwischen einem unge-dämmten Rohr und einer Dämmung gemäß den Anforderungennach EnEV erreicht. Als weitere Stufen werden die einfachenAnforderungen nach EnEV und die doppelte Dämmstoffstärkenach EnEV (200 %) untersucht.Die Wärmeabgabe eines üblichen Heizungsrohres unter den hier(Bild 5) dargestellten Randbedingungen und ohne Dämmungbeträgt beispielsweise bei den Systemtemperaturen 70/55 °C prolaufendem Meter 270 kWh innerhalb einer Heizperiode. Selbsteine Rohrleitungsdämmung gemäß den Anforderungen nachEnEV reduziert die Wärmeabgabe nur auf ca. 40 kWh.Bei der Berechnung von Rohrleitungswärmeverlusten wurde aufdie Ansätze in DIN 4701-10 zurückgegriffen:
Wärmeverlust von Heizungsleitungen
darin sind:QH,d,i = Wärmeabgabe des Rohrabschnitts [kWh/a]Ui = längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient
[W/(m*K)]Li = Länge des Rohrabschnitts [m]ϑHK,m = mittlere Temperatur des Rohrabschnitts [°C]ϑu,m = mittlere Umgebungstemperatur [°C]fa = Wärmeverlustfaktor [–]
Q U L f f t z kWh
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11000
ϑ ϑ
Q U L t z kWh
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11000
ϑ ϑ
Bild 3 Zusammenhang von Dämmstoffdicke und Ui-Wert
Q
tt
f Q kWhah TW d i
HP
TWa TW d i, , , , , = ⋅ −( ) ⋅
1
Bild 4 Zusammenhang von Dämmstoffdicke und Ul-Wert fürvier Dämmstoffstandards
J. Laudenbach, T. Koch • CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
148
Aufsatz
fb = Teilbeheizungsfaktor [–]tHP = Dauer der Heizperiode [d/a]z = Laufzeit der Umwälzpumpe pro Tag [h/d]
Wärmeverlust von Trinkwarmwasserleitungen
darin sind:QTW,d,i= Wärmeabgabe des Rohrabschnitts [kWh/a]Ul,i = längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient
[W/(m*K)]Li = Länge des Rohrabschnitts [m]ϑTW,m = mittlere Temperatur des Rohrabschnitts [°C]ϑu,m = mittlere Umgebungstemperatur [°C]tTW = Bereitstellungsdauer für Trinkwarmwasser [d/a]z = Laufzeit der Zirkulationspumpe [h/d]
Wärmegutschrift von Trinkwarmwasserleitungen
darin sind:Qh,TW,d,i = Wärmeabgabe, Gutschrift Heizwärmebedarf [kWh/a]tHP = Dauer der Heizperiode [d/a]tTW = Bereitstellungsdauer für Trinkwarmwasser [d/a]fa = Wärmeverlustfaktor [–]QTW,d,i = Wärmeabgabe des Rohrabschnitts [kWh/a]
Entscheidenden Einfluß auf den Anteil des tatsächlichen Wär-meverlustes von der physikalischen Wärmeabgabe des Rohreshat der Wärmeverlustfaktor fa. Er berücksichtigt die Einbausitua-tion der Leitung. Die Wärmeabgabe von Rohrleitungen außer-halb der thermischen Gebäudehülle wird zu 100 % als Verlustbetrachtet. Bei Leitungen, die sich im beheizten Gebäude befin-den, kann die Wärmeabgabe während der Heizperiode zu 85 %für die Beheizung des Gebäudes gutgeschrieben werden und nur15 % sind als Verlust zu betrachten.Ein übliches Heizungsrohrleitungsnetz kann man in die Bereicheder Verteil-, Strang-, und Anbindeleitungen unterteilen. Im Alt-bau verläuft die horizontale Verteilung meistens vom Wärmeer-zeuger, der sich im Keller befindet, an der Unterseite der Keller-decke bis zu den Außenwänden. Von dort steigen die Stränge inden Außenwänden über eventuell mehrere Geschosse zu den ein-zelnen Wohnräumen auf. Über kurze Anbindeleitungen werden
Q
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HP
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1
Q U L t z kWh
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11000
ϑ ϑ
die Heizkörper versorgt. Nachteilig bei die-ser sogenannten außenliegenden Verteilungwirken sich die recht hohen Wärmeverlusteder ausgedehnten und außerhalb der thermi-schen Gebäudehülle befindlichen horizon-talen Verteilung aus. Zudem ist die Verle-gung in den Außenwänden sehr arbeits-aufwendig, eine wohnungsweise Abrech-nung der Heizwärmeverbräuche ist nichtoder nur sehr ungenau möglich. Bei einernachträglichen Rohrleitungsdämmung sindin der Regel nur die Rohrleitungen im Kellerzugänglich.In Neubauten wird heute die innenliegendeVerteilung realisiert. Hier wird die Rohrlei-tung auf kurzem Wege in den beheiztenBereich zu einem zentralen Versorgungs-schacht geführt. Von diesem erfolgt die An-steuerung der einzelnen Räume über im Fuß-bodenaufbau verlegte Anbindeleitungen.
3 Ermittlung des Einsparpotentials an Beispielen mit dem Bruttovolumen V = 904 m3, der Bezugsfläche AN = 289 m2, der Hüllfläche A = 601 m2 und einem A/V-Verhältnis von 0,66 m–1
Am Beispiel eines typischen Einfamilienhauses aus der Baualters-gruppe 1958 bis 1968 werden im folgenden die Energie- und CO2-Einsparpotentiale ermittelt (Bild 6). Der hohe Heizwärmebedarfund die lange Heizperiode dokumentieren das geringe Wärme-schutzniveau dieses Gebäudetyps. Für dieses Gebäude werden diedrei Standorte Freiburg, Braunschweig und Hof, die Systemtem-peraturen 90/70 °C bzw. 70/55 °C und jeweils das Dämmniveaukeine Dämmung, geringe Dämmung (2 mm), Dämmung gemäßEnEV bzw. erhöhtes Dämmniveau (200 %) variiert. Die Rohrlei-tungsverteilung im Bereich V erfolgt außerhalb der thermischenGebäudehülle, eine Trinkwarmwasserzirkulation ist vorhanden.Stellt man zunächst den Heizwärmebedarf des Gebäudes denauftretenden Rohrleitungswärmeverlusten bei ungedämmtenLeitungen und den aufgeführten Randbedingungen gegenüber,so liegen die Rohrleitungswärmeverluste bei über 50 % bezogenauf den eigentlichen Heizwärmebedarf. Werden dann allezugänglichen Heizungs- und Warmwasserleitungen (Bereich V)entsprechend den Anforderungen nach EnEV nachträglichgedämmt, sinken die Rohrleitungswärmeverluste auf etwa 17 %,bezogen auf den Heizwärmebedarf des Gebäudes. Obwohl indiesem Fall nur ein Teil des Rohrnetzes gedämmt wurde, sinkendie Verluste um ca. zwei Drittel (Bild 7). In absoluten Zahlen
Bild 5 Rohrleitungswärmeverlust eines Heizungsrohres pro Meter in Abhängigkeitvon Dämmstärke und Systemtemperaturen
[kWh/(m*a)]
[mm]
Ro
hrl
eitu
ng
swär
mev
erlu
ste
400
350
300
250
200
150
100
50
00 5 10 15 20 25 30
Dämmstoffstärke
Systemtemperatur 90/70 °C Parameter:
Vertikales Heizungsrohr DN 25mittelschweres Gewinderohr(Außendurchmesser 33,7 mm)
Umgebungstemperatur 13 °C(außerhalb der thermischenGebäudehülle)
Wärmeleitfähigkeit des Dämm-stoffs 0,035 W/(m*K)
Heizperiode 240 Tage
Heizbetrieb 24 h pro Tag(keine Nachtabsenkung)
Systemtemperatur 70/55 °C
Systemtemperatur 55/45 °C
Systemtemperatur 35/28 °C
Bild 6 Beispielhaus (Quelle: Institut für Wohnen und Umwelt)
Bruttovolumen V: 904 m3
Bezugsfläche: AN: 289 m2
Hüllfläche A: 601 m2
A/V-Verhältnis: 0,66 m–1
Baualtersgruppe 1958 – 1968
J. Laudenbach, T. Koch • CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
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Aufsatz
ausgedrückt, liegen die Rohrleitungswärmeverluste bei unge-dämmten Rohren bei fast 100 kWh pro Quadratmeter Nutzflä-che AN und Jahr und damit deutlich höher als der Heizwärme-bedarf eines neuen Gebäudes nach EnEV (Bild 8).Bei ungedämmten Rohrleitungen treten die größten Verluste aufGrund der Dominanz der Heizungsleitungsverluste am StandortHof mit der längsten Heizperiode auf. Werden die Leitungengedämmt, verliert sich dieser Standorteinfluß (Bild 9). Die Ver-luste steigen erwartungsgemäß mit höheren Systemtemperaturenan (Bild 10).Berechnet man den Brennstoffbedarf, der zur Deckung der Rohr-leitungsverluste bereitgestellt werden muß, erhält man selbst beidem Dämmniveau „gering“ jährlich über sieben Liter Heizöl ELpro Quadratmeter Nutzfläche und Jahr. Durch die Dämmung derzugänglichen Leitungen können auf dieser Basis fast vier Liter
Heizöl pro Quadratmeter und Jahr eingespart werden (Bild 11).Das CO2-Einsparpotential ausgehend vom Dämmniveau (2 mm)zzgl. Dämmung der zugänglichen Leitungen gemäß EnEV liegthier bei 12 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr oder, bezogenauf des gesamte Gebäude, bei rund 3400 Kilogramm pro Jahr.Diese CO2-Menge entspricht einer Autofahrleistung von etwa18.000 Kilometern (Verbrauch von sechs Litern Diesel pro 100Kilometer) (Bilder 12 und 13). Der Vergleich zeigt, daß es sichbei dem Thema Rohrleitungsdämmung nicht um einen vernach-lässigbar kleinen Bereich handelt, sondern um ein bedeutendesEinsparpotential.Stellt man die Investitionskosten für die nachträgliche Rohrlei-tungsdämmung der jährlichen Brennstoffkosteneinsparung gegen-über, so sind äußerst geringe Amortisationszeiten erreichbar. InAbhängigkeit vom Ausgangsniveau (keine Dämmung oder gerin-
Bild 7 Verhältnis des Rohrleitungswärmeverlustes zum Heiz-wärmebedarf
Bild 8 Rohrleitungswärmeverluste in Abhängigkeit vom Dämm-niveau am Standort Braunschweig
Trinkwarmwasser
Heizung 70/55 °C
120[kWh/(m2*a)]
00 %
74
25
48
17
2010
179
2 mm
Dämmniveau
Ro
hrl
eitu
ng
s-w
ärm
ever
lust
e
100 % 200 %
20
40
60
80
100
Bild 9 Rohrleitungswärmeverluste bezogen auf Standort undDämmniveau (FB: Freiberg, BS: Braunschweig, HF: Hof)
Trinkwarmwasser
Heizung 70/55 °C
120[kWh/(m2*a)]
0
Standort und Dämmniveau
Ro
hrl
eitu
ng
s-w
ärm
ever
lust
e
FB 0 % BS 0 % HF 0 % FB 100 % BS 100 % HB 100 %
20
40
60
80
100
64
27
74
25
87
22
1812
20
1024
8
Bild 10 Rohrleitungswärmeverluste in Abhängigkeit vomDämmniveau und Systemtemperaturen am Standort Braun-schweig
TWW und H (90/70 °CTWW und H (70/55 °C
150
50
100
[kWh/(m2*a)]
00 %
127
99
8265
37 31 32 26
2 mm
Dämmniveau
Ro
hrl
eitu
ng
s-w
ärm
ever
lust
e
100 % 200 %
Bild 11 Heizölbedarf durch Rohrleitungswärmeverluste
Standort BraunschweigTWW und H 70/55 °C
150
50
100
[l/(m2*a)]
00 %
10,9
7,2
3,4 2,9
2 mm
Dämmniveau
Hei
zölb
edar
f
100 % 200 %
Bild 12 CO2-Emissionen durch Rohrleitungswärmeverluste amStandort Braunschweig
Standort BraunschweigTWW und H 70/55 °C
40
30
10
20
[kg/(m2*a)]
00 %
34,2
22,5
10,6 9,1
2 mm
Dämmniveau
CO
2-E
mis
sio
nen
100 % 200 %
J. Laudenbach, T. Koch • CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
150
Aufsatz
ge Dämmung) und dem Sanierungsniveau (Anforderungen nachEnEV oder erhöhter Wärmeschutz 200 %) fließt das eingesetzteKapital im günstigsten Fall nach einem halben Jahr und unter„ungünstigen“ Randbedingungen nach zwei Jahren zurück (Bild14). Am Standort Hof ergeben sich etwas kürzere Amortisations-zeiten als in Freiburg. Vergleicht man das Dämmniveau nachEnEV mit dem erhöhten 200 %-Niveau und stellt die Mehrkostenden zusätzlich eingesparten Brennstoffkosten gegenüber, so ist dieZusatzinvestition im zwölften Jahr zurückgeflossen, die Gesamt-kosten sind ab diesem Zeitpunkt niedriger (Bild 15).Zur Einordnung der Wirtschaftlichkeit wird an dem betrachtetenGebäude eine Außenwanddämmung (15 cm WDVS) ange-bracht. Für diesen Fall ergibt sich eine Amortisationszeit von 8,5Jahren (Ansatz nur der Zusatzkosten für die Dämmung). Sie istauf Grund des schlechten Ausgangszustands der Außenwand fürbauliche Maßnahmen relativ kurz, liegt aber weit über derAmortisationszeit für die Rohrleitungsdämmung (Tabelle 1).
Bild 13 CO2-Einsparung ausgehend vom Dämmniveau „gering“(2 mm)
Standort BraunschweigTWW und H 70/55 °C
30
20
10
[kg/(m2*a)]
0100 %
11,9 13,4
200 %
Dämmniveau
CO
2-E
insp
aru
ng
Bild 14 Absolute Brennstoffeinsparung beieinem Ausgangsniveau von 2 mm Däm-mung (Brennstoffkosten: 0,04 e/kWh)
Investition 506 EURfür 100 % Niveau
Investition 1.123 EURfür 200 % Niveau
1.200
0
200
400
600
800
1.000
[EUR/a]
394 444506
442 498567
Standort und Dämmniveau
Bre
nn
sto
ffko
sten
ein
spar
un
g
FB, 100 % BS, 100 % HF, 100 % FB, 100 % BS, 100 % HF, 100 %
Bild 15 Kumulierte Kosten für Investitio-nen und Brennstoff jeweils für Dämmnive-au nach EnEV (100 %) bzw. erhöht(200 %)
Investition:506 EURfür 100 % Niveau
Investition:1.124 EURfür 200 % Niveau
7.000
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
ß
[EUR]
Zeit
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e K
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en,
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10 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
[a]
Tabelle 1 Vergleich der Kosten und Einsparungen bei Rohrleitungsdämmung und Dämmung der Gebäudehülle
Dämmung der zugänglichen Dämmung der zugänglichen Dämmung derRohrleitungen Rohrleitungen Außenwand mit
von 0 % von 2 mm 15 cm WDVSauf 100 % auf 100 % (35 e/m2)
Investitionskosten [EUR] 506 506 6.500
eingesparte Energie [kWh/a] 21.970 11.100 19.113
eingesparte Energiekosten [e/a] 879 444 765
statische Amortationszeit [a] 0,6 1,1 8,5
Kosten pro eingesparte Energie 23 46 340[e/(1000 kWh*a)]
J. Laudenbach, T. Koch • CO2-Einsparpotential durch Rohrleitungsdämmung
151
Aufsatz
Der Vergleich der Maßnahmen Rohrleitungsdämmung undDämmung der Gebäudehülle kann jedoch nicht nur auf der reinwirtschaftlichen Ebene geführt werden. Dämmaßnahmen an denAußenbauteilen sind bei korrekter Planung und Ausführungauch immer von positiven Sekundäreffekten begleitet. Die Erhö-hung der thermischen Behaglichkeit und die Vermeidung vonSchimmelpilzbildung oder Tauwasserausfall in Folge der anstei-genden Oberflächentemperaturen oder die Bauschadensmini-mierung seien hier als Stichworte genannt.Abschließend wird ein typisches Einfamilienhaus nach EnEVbetrachtet [15]. Der Heizwärmebedarf und die Heizperiodehaben sich gegenüber dem Altbau deutlich verringert (Tabelle 2).Stellt man auch hier wieder die Rohrleitungswärmeverluste demHeizwärmebedarf gegenüber, so zeigt sich, daß die Rohrlei-tungswärmeverluste auf Grund des Dämmniveaus der Leitungengemäß EnEV einen relativ kleinen Anteil ausmachen (Bild 16).Bei der Gegenüberstellung von außerhalb bzw. innerhalb derthermischen Gebäudehülle verlegten Rohrleitungen für denBereich V ergibt sich ein deutlicher Vorteil für ein komplett imbeheizten Gebäude verlegtes Rohrleitungsnetz. Die Verlustebetragen hier nur etwa ein Drittel der Verluste bei einer Teilver-legung im unbeheizten Bereich. Durch die hohe Dominanz derTrinkwarmwasserleitungen treten bei dem im beheizten Bereichverlegten Leitungsnetz die größten Verluste am Standort Frei-burg auf. Wegen der kurzen Heizperiode kann die Wärmeabga-be der Trinkwarmwasserleitungen über einen langen Zeitraumdes Jahres nicht zur Beheizung des Gebäudes genutzt werdenund muß daher als Verlust gebucht werden. Gelingt es, durchgeschickte Anordnung von Wärmeerzeuger und/oder -speicherund Warmwasserverbrauchsstellen auf eine Trinkwarmwasser-zirkulation zu verzichten, so verringern sich die Verluste derWarmwasserleitungen um über 50 %.Das erhöhte Dämmniveau mit doppelter Dämmschichtdickebewirkt nur bei Rohrleitungen, die sich nicht in beheizten Berei-chen befinden, eine nennenswerte Reduzierung der Verluste. DieAmortisationszeit für die Mehrkosten liegt mit 15 Jahren etwa imgleichen Bereich wie im Falle des Altbaus. Das erhöhte Dämm-
niveau bei im beheizten Bereich verlegten Leitungen ist wirt-schaftlich nicht sinnvoll; die Zusatzkosten können nicht inner-halb der Nutzungszeit des Systems wiedererwirtschaftet werden.Die Untersuchungen zeigen eindrucksvoll, daß bei der umfang-reichen thermischen Gebäudesanierung nicht nur die wärmetau-schende Hülle und der Wärmeerzeuger berücksichtigt werdenmuß; auch der Bereich des Rohrleitungssystems weist ein großesEinsparpotential auf, das sich mit verhältnismäßig einfachenMitteln erschließen läßt. Die Maßnahme „Rohrleitungsdäm-mung“ muß daher in den Katalog der Standardmaßnahmen beider thermischen Gebäudesanierung aufgenommen werden.
Literatur
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[5] Hauser, G. und Stiegel, H.: Wärmebrückenatlas für den Mauerwerksbau.Wiesbaden: Bauverlag (1993).
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[13] Pistohl, W.: Handbuch der Gebäudetechnik, Band 2. Düsseldorf: WernerVerlag (1999).
[14] VDI Gesellschaft: VDI-Wärmeatlas. 9., überarbeitete und erweiterte Aufla-ge. Heidelberg: Springer-Verlag (2002).
[15] Maas, A., Kaiser, J. und Oppermann, J.: Energetische Analyse und Bewer-tung von Synergie-Häusern. Stuttgart: Fraunhofer IRB-Verlag (2000).
Tabelle 2 Heizperiode und Heizwärmebedarf im Einfamilien-haus (Neubau gemäß EnEV)
Standort Länge der HeizwärmebedarfHeizperiode nach EN 832
[d] [kWh/(m2*a)]
Freiburg 211 56
Braunschweig 240 72
Hof 275 92
Bild 16 Vergleich von Heizwärmebedarf und Rohrleitungswär-meverlusten im Neubau gemäß EnEV
alle Leitungeninnerhalb derthermischenGebäudehüllemit Trinkwarm-wasserzirkulation
Heizung55/45 °CTrinkwarmwasser
Heizwärme-bedarf
120
100
80
60
40
20
0
[kWh/(m2*a)]
Freiburg Braunschweig Hof
56,4
4,6
1,9
71,6
3,92,2
91,6
3,12,5
Hei
zwär
meb
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f u
nd
Ro
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Bild 17 Rohrleitungswärmeverluste bezogen auf den Standortund die Rohrleitungsführung, Dämmung gem. EnEV
Standort und Dämmniveau
Ro
hrl
eitu
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lust
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horizontale Verteilung außerhalbdes beheizten Bereichsmit TWW-Zirkulation
horizontale Verteilung innerhalbdes beheizten Bereichsmit TWW-Zirkulation[kWh/(m2*a]
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