Coniecturalem artem esse medicinam - uni-kiel.de · des Nüchternblutzuckers eine akzeptable...

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Diagnostisches Testen

Coniecturalem artem esse medicinam

A: ein fairer Würfel zeigt eine gerade Augenzahl

B: ein fairer Würfel zeigt mindestens 4 Punkte

A:

B:

P(A)=1/2

P(B)=1/2

A∩B: P(A∩B)=2/6

P(A∩B) = 2/6 > 1/4 = 1/2⋅1/2 = P(A)⋅P(B)

A und B sind nicht unabhängig

Würfelspiel

Bedingte Wahrscheinlichkeit

B:

A?

Die bedingte Wahrscheinlichkeit P(A|B) von A gegeben B beträgt 2/3, d.h. sie ist

größer als die unbedingte Wahrscheinlichkeit P(A)=1/2.

)B(P

)BA(P)B|A(P

∩=

)A(P)B(P

)B(P)A(P)B|A(P =⋅=A und B

unabhängig

Bedingte Wahrscheinlichkeit

0)B(P

)BA(P)B|A(P =∩=A∩B=∅

BA

A: hypertensiv P(A)=0.25

B: hyperlipidämisch P(B)=0.20

A∩B: hypertensiv und hyperlipidämisch P(A∩B)=0.17

)A(P25.085.020.0

17.0

)B(P

)BA(P)B|A(P =>==∩=

Blutdruck und Blutfette

Ein zufällig ausgewählter erwachsener US-Amerikaner ist

Bayes-Theorem

Thomas Bayes(1702-1761)

Essay Towards Solving a Problem in the Doctrine of

Chances.

von Richard Price posthum publiziert in den Philosophical Transactions of the Royal Society

of London 1763

Das Theorem von Bayes setzt A-posteriori-Wahrscheinlichkeiten mit A-priori- und bedingten

Wahrscheinlichkeiten in Verbindung.

)A(P)B(P

)A|B(P)B|A(P ⋅=

)A(P)B(P

)A|B(P

)B(P)A(P

)A(P)AB(P

)B(P

)BA(P)B|A(P ⋅=

⋅⋅∩=∩=Beweis:

Bayes-Theorem

Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit

A Ac

B

)A(P)A|B(P)A(P)A|B(P)B(P CC ⋅+⋅=

aus dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit

)A(P)A|B(P)A(P)A|B(P

)A(P)A|B(P)B|A(P

CC ⋅+⋅⋅=

Bayes-Theorem

Diagnostischer Test

Jede Prozedur, die dazu dient, Individuen oder Objekte in Hinblick auf eine festgelegte

Eigenschaft zu klassifizieren.

www.biology-online.org

HIV-Infektion und ELISA-Test

D: Person ist infiziert

DC: Person ist nicht infiziert

T+: Testergebnis ist positiv

T-: Testergebnis ist negativ

Der ELISA-Test auf HIV-Infektion liefert bei 99.5% aller Infizierten ein positives Ergebnis und bei 99.5% aller nicht Infizierten ein

negatives Ergebnis. Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine positiv getestete Person infiziert, wenn die Prävalenz der HIV-Infektion in der allgemeinen ("Niedrig-Risiko-") Bevölkerung 0.01% beträgt?

995.0)D|T(P =+

005.0995.01)D|T(P1)D|T(P CC =−=−= −+

0001.0)D(P = 9999.0)D(P C =

0195.0)D(P)D|T(P)D(P)D|T(P

)D(P)D|T(P)T|D(P

CC=

⋅+⋅⋅= ++

++

Nomenklatur

D: Erkrankung bzw. Prädisposition

DC: keine Erkrankung bzw. Prädisposition

T+: positives Testergebnis

T-: negatives Testergebnis

P(D): Prävalenz

P(T+|D): Sensitivität P(T-|DC): Spezifität

P(D|T+): positiv prädiktiver Wert (PPW)

P(DC|T-): negativ prädiktiver Wert (NPW)

testabhängig

populationsabhängig

testabhängig, populationsabhängig

Diagnostischer Test

Bayes-Theorem(positiv prädiktiver Wert)

)D(P)D|T(P)D(P)D|T(P

)D(P)D|T(P)T|D(P

CC ⋅+⋅⋅= ++

++

)]D(P1[)]D|T(P1[)D(P)D|T(P

)D(P)D|T(PC −⋅−+⋅

⋅= −+

+

PPW= Sensitivität⋅Prävalenz

Sensitivität⋅Prävalenz+(1-Spezifität)⋅(1-Prävalenz)

Diagnostischer Test

)D(P)D|T(P)D(P)D|T(P

)D(P)D|T(P)T|D(P

CC

CCC

⋅+⋅⋅= −−

−−

)D(P)]D|T(P1[)]D(P1[)D|T(P

)]D(P1[)D|T(PC

C

⋅−+−⋅−⋅= +−

NPW= Spezifität⋅(1-Prävalenz)

Spezifität⋅(1-Prävalenz)+(1-Sensitivität)⋅Prävalenz

Bayes-Theorem(negativ prädiktiver Wert)

Diagnostischer Test

Hypothetische Population (n=100)

Sensitivität: 24/30 = 80%

Spezifität: 49/70 = 70%

NPW: 49/55 = 89%

PPW: 24/45 = 53%

: PPW : NPW

HIV-Infektion und ELISA-Test

Prävalenz

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

prä

dik

tiver

Wert

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Etwa 30% aller Schizophreniepatienten leiden an einer Hirnatrophie, verglichen mit nur 2% der nicht betroffenen ("normalen")

Bevölkerung. Wenn die Prävalenz der Schizophrenie 1.5% beträgt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine atrophe Person schizophren?

30.0)D|T(P =+

02.0)D|T(P C =+

015.0)D(P =985.0)D(P C =

186.0)D(P)D|T(P)D(P)D|T(P

)D(P)D|T(P)T|D(P

CC=

⋅+⋅⋅= ++

++

Schizophrenie und Hirnatrophie

: PPW : NPW

Schizophrenie und Hirnatrophie

Prävalenz

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

prä

dik

tiver

Wert

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Likelihoodquotient

vergleicht die Wahrscheinlichkeiten eines bestimmten Testergebnisses zwischen

Betroffenen und nicht Betroffenen

)D|T(P

)D|T(PLR

C+

++ =

)D|T(P

)D|T(PLR

C−

−− =

Spezifität1

ätSensitivit

− Spezifität

ätSensitivit1 −

positiverLikelihoodquotient

negativerLikelihoodquotient

Bayes-TheoremLikelihoods und Odds

)T|D(P

)T|D(P

)D|T(P

)D|T(P

)D(P

)D(PCCC +

+

+

+

=⋅

Posterior-Odds

=Prior-Odds

.Likelihood-quotient

Kreatinkinase und Herzinfarkt

≥80 U/l

ja nein

215 16

<80 U/l 15 114

gesamt 230 130

gesamt

231

129

360

Kreatinkinase

Herzinfarkt

Prior-Odds

60.7130/16

230/215 =

Posterior-OddsLikelihoodquotient

77.1130

230 = 45.1360.777.1 =⋅

Diagnostische StudieZiel

Um Aussagen über die Nützlichkeit eines neuen diagnostischen Tests treffen zu können, muss die Qualität des Tests in einer diagnostischen Studie ermittelt werden.

Dabei wird geprüft

- die Validität (d.h. wie genau ist der Test?)

- die Reliabilität (d.h. wie präzise ist der Test?)

- die Leistungsfähigkeit (d.h. wie sensitiv undspezifisch ist der Test?)

Qualität

http://www.cebm.utoronto.ca/teach/materials/dx.htm

Gab es einen unabhängigen, verblindeten Vergleich mit einer Referenzmethode ("Goldstandard") zur Diagnose?

Wurde der Goldstandard unabhängig vom Ergebnis des diagnostischen Tests angewandt?

Wurde der Test in einer zweiten, unabhängigen Gruppevon Patienten validiert?

Wurde der diagnostische Test in einem angemessenen Patientengut geprüft (also den Patienten, bei denen er in der Praxis angewandt werden soll)?

Diagnostische Studie

Reliabilitätskriterien

Hängt das Testergebnis von klinischen Merkmalen wie Schwere und Verlauf ab?

Hängt das Testergebnis von der Pathologie der Krankheit (Ort, Ausmaß) ab?

Wird das Testergebnis durch das gleichzeitige Auftreten anderer Krankheiten beeinflusst?

Diagnostischer Test

praktische Anwendbarkeit

http://www.cebm.utoronto.ca/teach/materials/dx.htm

Ist der diagnostische Test unter den maßgeblichen Bedingungen sinnvoll, verfügbar und bezahlbar?

Können Sie für Ihre Probanden eine sinnvolle Schätzung der A-priori-Wahrscheinlichkeit der Krankheit angeben?

Wird die resultierende A-posteriori-Wahrscheinlichkeit den Probanden im Umgang mit der Krankheit beeinflussen?

Werden die Konsequenzen des Tests Ihrem Probanden helfen?

Diagnostischer Test

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

Sensitivität und Spezifität

Youden-Index

Likelihoodquotient

ROC-Kurve

populationsabhängig

positiv und negativ prädiktiver Wert

diagnostische Genauigkeit

Sensitivität

Sensitivität: Wahrscheinlichkeit, mit der eine betroffene (bzw. prädisponierte) Person positiv getestet wird

Die "SnNOut" Regel: With a test of high Sensitivity, a Negative test result rules Out disease (or predisposition).

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

ja

nein

positiv negativKrankheit

Testresultat

richtig positiv falsch negativ

falsch positiv richtig negativ

Spezifität: Wahrscheinlichkeit, mit der eine nicht betroffene (bzw. prädisponiert) Person negativ getestet wird

Die "SpPIn" Regel: With a test of high Specificity, a Positive test result rules In disease (or predisposition).

Spezifität

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

ja

nein

positiv negativKrankheit

Testresultat

richtig positiv falsch negativ

falsch positiv richtig negativ

praktische Kriterien

Ziel: hohe Sensitivität Ziel: hohe Spezifität

falsch Negative sind "teuer" falsch Positive sind "teuer"

behandelbare Krankheit nicht behandelbare Krankheit

keine Nebenwirkungen starke Nebenwirkungen

ohne Behandlung fatal ohne Behandlung nicht fatal

starkes Vertrauen in negative Ergebnisse gefordert

starkes Vertrauen in positive Ergebnisse gefordert

Beispiel:Guthrie-Test (Phenylketonurie)

Beispiel:Tumor-Grading vor OP

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

Youden-Index

Youden-Index: Verbesserung gegenüber zufälliger Diagnosestellung ("Münzwurf")

2

1)D|T(P

2

1)D|T(P C −+− −+

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

ja

nein

positiv negativKrankheit

Testresultat

richtig positiv falsch negativ

falsch positiv richtig negativ

diagnostische Genauigkeit

diagnostische Genauigkeit: Wahrscheinlichkeit für ein korrektes Testergebnis

)D(P)D|T(P)D(P)D|T(P CC ⋅+⋅ −+

Maße der Leistungsfähigkeit von Tests

ja

nein

positiv negativKrankheit

Testresultat

richtig positiv falsch negativ

falsch positiv richtig negativ

30.0)D|T(P =+

02.0)D|T(P C =+

015.0)D(P =985.0)D(P C =

Sensitivität: 0.30

Spezifität: 0.98

Youden-Index: 0.28

PPW : 0.186

NPW: 0.989

diagnostische Genauigkeit: 0.97

Schizophrenie und Hirnatrophie

Stetige TestergebnisseDichotomisierung

Stetige Testergebnisse werden oft dichotomisiert (d.h. in "positive" oder "negative" Ergebnisse transformiert), indem man sie mit einem vordefinierten Schwellenwert vergleicht.

Die Wahl des Schwellenwerts hängt stark vom Zweck des Tests ab und kann sich stützen auf

- ein Gauß'sches Kriterium

- festgelegte Sensitivität oder Spezifität

- die ROC-Kurve

Schwangerschaftsdiabetes

Am Universitätsklinikum Zürich wurde an 520 Schwangeren eine prospektive Studie durchgeführt, um zu ermitteln, ob die Messung

des Nüchternblutzuckers eine akzeptable Screening-Methode für den Schwangerschaftsdiabetes darstellt, die den üblichen 50g-Glukose-

Suchtest überflüssig machen könnte.

Schwellenwerte für den 100g-Glukose-Toleranztest ("Goldstandard")

Ein Schwangerschaftsdiabetes wird diagnostiziert, wenn zwei oder mehr Messungen den Schwellenwert überschreiten.

Perucchini D et al. (1999) BMJ 319: 812-815.

Zeitpunkt

nüchtern1 Stunde2 Stunden3 Stunden

Plasmakonzentration

5.3 mmol/l10.0 mmol/l8.6 mmol/l7.8 mmol/l

95% 95%

Verteilung der Testergebnisse bei nicht betroffenen Kontrollen

positiv positiv positivnegativnegativ

Probleme: - Nichtbeachten der Sensitivität

- mögliches Fehlen einer Normalverteilung

- unklare Repräsentativität der Kontrollen

Gauß'sches Kriterium

Stetige Testergebnisse

Spezifität

negatives Ergebnis positives Ergebnis

Spezifität ↓↓↓↓Sensitivität ↑↑↑↑

Spezifität ↑↑↑↑Sensitivität ↓↓↓↓

festgelegte Sensitivität oder Spezifität

Sensitivität

Kontrollen Patienten

Stetige Testergebnisse

ROC-Kurve

1-Spezifität

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Sensi

tivität

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Stetige Testergebnisse

1-Spezifität

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Sensi

tivität

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

maximiert Youden-Index

ROC-Kurve

Stetige Testergebnisse

1-Spezifität

Sensi

tivität

Schwangerschaftsdiabetes

Zusammenfassung

- Das Theorem von Bayes stellt eine Verbindung zwischen A-posteriori-Wahrscheinlichkeiten und A-priori- sowie bedingten Wahrscheinlichkeiten her.

- Diagnostische Tests dienen der Unterscheidung von Gruppenvon Individuen auf der Grundlage assoziierter Merkmale.

- Die Leistungsfähigkeit eines diagnostischen Tests wird durch dessen Sensitivität und Spezifität gekennzeichnet.

- Die Nützlichkeit eines diagnostischen Tests hängt von der Prävalenz der zu diagnostizierenden Krankheit ab und wird durch die beiden (populationsabhängigen) prädiktiven Werte gemessen.

- Stetige Testergebnisse können dichotomisiert werden, z.B. durch Ermittlung eines Schwellenwertes in der ROC-Kurve.

AnhangDifferenzialdiagnostik

Ein diagnostischer Marker kann auf mehrere

Krankheiten hinweisen.

T: Person zeigt den MarkerKi: Person ist von der i-ten

Krankheit betroffen

∑ =⋅

⋅=k

1j jj

iii

)K(P)K|T(P

)K(P)K|T(P)T|K(P

Mutationen in den p53 und K-ras Genen sowie eine Hypermethylierung des p16INK4a Promoters im Auswurf von Patienten mit

Bronchialerkrankungen sind ein Marker für Lungenkrebs und Tumortyp.

Kersting M et al. (2000) J Clin Oncol 18: 3221-3229

i Ki P(T|Ki)

1 NSCLC 0.81

2 SCLC 0.50

3 gutartig 0.32

P(Ki) P(Ki|T)

0.6

0.1

0.3

0.77

0.08

0.15

P(Ki) P(Ki|T)

0.2

0.1

0.7

0.37

0.11

0.52

Raucher Nichtraucher

Anhang: Differenzialdiagnostik des Lungenkrebses

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