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Der Abschnitt aus einem größeren Forschungsprojekt analysiert am Beispiel von Doris Bachmann-Medicks Cultural Turns die aktuelle Diskussion um den Status der Kulturwissenschaften als (inter-) disziplinäre Wissenschaft.
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WORKING PAPER „2.2.1 BACHMANN-MEDICK“
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Working Paper
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Studiengang Cultural Engineering
Serjoscha Gerhard
serjoscha.gerhard [at] ovgu.de
Stand 4. Mai 2011
Der Abschnitt aus einem größeren Forschungsprojekt analysiert am
Beispiel von Doris Bachmann-Medicks Cultural Turns die aktuelle
Diskussion um den Status der Kulturwissenschaften als (inter-)
disziplinäre Wissenschaft.
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1 Bachmann-Medick: Kulturwissenschaftliche
Wenden
Das Buch Cultural Turns von Doris Bachmann-Medick1 eignet sich
hervorragend, um neuere Streitpunkte in und zwischen den
Kulturwissenschaften aufzuzeigen. Zum einen ist es weit rezipiert
worden, was sich an vier Auflagen innerhalb von fünf Jahren zeigt
(12006, 22006, 32009, 42010) und einer ausstehenden polnischen
Übersetzung. Zum anderen ist es ebenso umfassend rezensiert worden.
Doris Bachmann-Medick versammelt allein zwölf entsprechende
Beiträge auf ihrer Internetseite. Ihr Buch liegt zwischen
kulturwissenschaftlicher Einführung und eigenem Forschungsbeitrag,
wobei der Einführung eine spezielle Perspektive zwischen
Literaturwissenschaft und angloamerikanischer Kulturanthropologie
vorgeworfen und ihre Eigenleistung der Kartographisierung der
Kulturwissenschaften in turns immer wieder Ziel epistemologischer
Kritik wurde. Gleichzeitig wird ihre Leistung dabei fast durchgehend
gewürdigt. Eine Ausnahme bildet hier vor allem Hartmut Böhme,2 der
massiv Kritik übt und damit vor allem sein eigenes Projekt einer
singulären Kulturwissenschaft verteidigt,3 welches von Doris
Bachmann-Medick explizit abgelehnt wird.4
Meine Analyse konzentriert sich auf die dritte und überarbeitete
Auflage. Die Überarbeitung bezieht sich vor allem auf das Nachwort,
welches Stellung zu den vom Buch angeregten Debatten und zu den 1 Cultural turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 3rd Aufl. (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2009). 2 „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, JLTonline (Mai 19, 2008), http://www.jltonline.de/index.php/reviews/article/view/26/178. 3 Hartmut Böhme, Peter Matussek, und Lothar Müller, Orientierung Kulturwissenschaft: Was sie kann, was sie will, 3rd Aufl. (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007).
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Rezensionen nimmt. So kann die Verschränkung mit den Rezensionen
und Debatten dargestellt werden. Dabei ist hervorzuheben, dass sich
die Rezensionen auf die erste Auflage ohne diese Ergänzung beziehen.
Im Folgenden gehe ich auf unterschiedliche Aspekte der Diskussion
ein, nachdem ich zuerst in die Inhalte und Positionen von Doris
Bachmann-Medicks Studie in aller Kürze eingeführt habe.
1.1 Eine kurze Vorstellung des Buches
Den Hauptteil der Studie bildet ein Handbuchteil sieben turns in den
Kulturwissenschaften. Ausgangspunkt und Metaturn bildet der von
Richard Rorty 1967 geprägte linguistic turn, auf den der sich
diversifizierende cultural turn aufbaut. Die sich vervielfältigenden
Arbeitsgebiete als eigene Analysekategorie stellt Doris Bachmann-
Medick darin ausführlicher vor. Als Abwendung von der Priorität der
Sprache im Umgang mit der Welt im linguistic turn und Verschiebung
hin zu Raum, Körper, Inszenierung und Handlung, etc. folgen
nacheinander sieben turns: interpretive turn, performative turn,
reflexive turn, postcolonial turn, translational turn, spatial turn und
iconic turn. Eine gute Zusammenfassung der Ausführungen von Doris
Bachmann-Medick zu den einzelnen turns findet sich in der
Rezension von Vera Elisabeth Gerling,5 auf eine inhaltliche
Darstellung der einzelnen turns kann an dieser Stelle demnach
verzichtet werden, zumal sie als Schlagworte hinreichend bekannt sein
dürften. [Verweis auf Tab. Zur Übersicht der turns von DBM]
Den Handbuch- und Einführungscharakter erhält die Studie vor allem
durch den gleichartigen Aufbau der sieben Kapitel zu den einzelnen
4 Cultural turns, 11f. 5 Vera Elisabeth Gerling, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, Philologie im Netz, Nr. 41 (2007): 63-67.
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turns: Abstract zum Begriff, Entstehungskontext, spezifische
Problemstellungen, methodische Ansätze, Ausformung in einzelnen
Disziplinen, Kritikpunkte und Literaturliste.6 Diese von Doris
Bachmann-Medick geleistete Arbeitsebene der Zusammenstellung
wird insofern nicht angezweifelt, als sie wichtige Vertreter und
Theorien der einzelnen turns zusammenträgt.
Die Rezensenten folgern, die Lücken innerhalb der turns seien
problematisch.7 Dies gelte auch hinsichtlich dessen, was in der
Auswahl der sieben turns nicht berücksichtigt werde. Die Lücken
werden von den verschiedenen Rezensenten unterschiedlich betont,
tauchen aber übergreifend auf und werden jeweils von den eigenen
Beobachtungsstandpunkten formuliert. Die blinden Flecken der
Ausarbeitung von Doris Bachmann-Medick erscheinen dann je
nachdem auf dem Gebiet der historischen Kulturwissenschaften, der
Cultural Studies, der Sozialwissenschaften, der Sozialanthropologie,
französischer Kulturwissenschaft usw. zu liegen. Dabei wird zugleich
meist ein anderes an zuviel der Perspektive formuliert, zumeist eine
Kritik an der Bevorzugung von Kulturanthropologie und
Literaturwissenschaft als Leitwissenschaften der
Kulturwissenschaften. Andere Gebiete der Kulturwissenschaft hätten
sich in andere Richtungen gewendet.8
Insgesamt werden solche unterschiedlichen Ansprüche an die Studie
und die darin formulierten nicht-linearen Genealogien dadurch
erleichtert, dass die Frage, was vor den turns war, ungeklärt bleibt.
6 vgl. Christoph Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, L’Homme Z.F.G. 18, Nr. 2 (2007): 128. 7 Anja Gerigk, „Just follow the Turns - kulturwissenschaftliche Wenden: Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, KulturPoetik 7, Nr. 2 (2007): 273. 8 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 125.
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Dies gilt dann auch für die Differenz, welche die turns ausmachen:9
Was war vorher, wer ist dabei, wer nicht, usw.?
Nichtsdestotrotz wird die Studie in den Rezensionen fast durchweg
aufgrund ihres Wertes als Einführung gewürdigt. Es wird bereits eine
Ablösung von Hartmut Böhme et al.10 als Standardbuch zur
Kulturwissenschaft diskutiert.11 Beide Bände sind bei Rowohlt
erschienen und heben sich bereits durch ihren für Einführungen nicht
irrelevanten günstigen Preis von den Konkurrenzveröffentlichungen
ab. Die Formulierungen der Würdigungen in den Rezensionen stellen
hohe Erwartungen, der Band sei »auf höchstem Niveau«12, er vereine
Inhalt »zwischen moderner Wissenschaftsgeschichte, systematischer
Theorieforschung und vorausweisender Perspektivierung«13 oder er
sei »sowohl informatives Hand- und Lehrbuch als auch innovativer
Forschungs- und Diskussionsbeitrag. Es koppelt Konsensualität mit
Momenten produktiver Irritation.«14 Solche Würdigungen sind aber
teilweise absurd, weil zumindest die Rezensionen von Gießener
Wissenschaftlerinnen auf jegliche Kritik verzichten und einen
ausschließlich euphorischen Tonfall anschlagen.15 Ein solcher
9 Ebd, 130. 10 Böhme, Matussek, und Müller, Orientierung Kulturwissenschaft: Was sie kann, was sie will. 11 Wolfgang Thomas Göderle, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, in Moderne: Kulturwissenschaftliches Jahrbuch, hg v. Helga Mitterbauer und Katharina Scherke, Bd. 3 (Innsbruck u.a.: Studienverlag, 2007), 238. 12 Ebd, 240. 13 Jan Standke, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg, 2006“, H-Soz-u-Kult, Nr. 4/12/2008 (2008), http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-4-200. 14 Ebd. 15 vgl. Anett Löscher, „Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. 3., neu bearb. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2009. (Rezension)“, Kult_online, Nr. 18 (2009), http://cultdoc.uni-giessen.de/wps/pgn/kd/det/KULT_online/1/1055/bachmann-medick-doris-cultural-turns-neuorientierungen-in-den-kulturwissenschaften-3-neu-bearb-aufl-reinbek-bei-hamburg-rowohlt-2009/; Birgit Neumann, „Rezension zu
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Verzicht auf Kritik kann darüber erklärt werden, dass Doris
Bachmann-Medick aktiv in das Gießener Forschungs- und
Graduiertenkolleg eingebunden ist und den ebenfalls dort arbeitenden
Nachwuchsforscherinnen eine gewisse Abhängigkeit unterstellt
werden kann.
Das andere Extrem bildet die skeptische Perspektive von Hartmut
Böhme auf die Studie, der als Studiengangsgründer in Berlin und
etablierter Professor eine andere Macht- und Interessenslage
vorweisen kann. Dieser urteilt, dass die Studie sich als – in dieser
Hinsicht gute – Einführung auf amerikanische cultural turns
beschränke und deshalb als Orientierung problematisch sei.16 Hier
wird auch auf Ebene des Handbuchteils ein negatives Fazit gezogen,
das ansonsten positiv ausfällt. Jenseits der Beschränkung, eine
bestimmte Auswahl aus der Breite der Kulturwissenschaften für ihre
Studie gewählt zu haben, wird die Zusammenstellung der turns
grundsätzlich positiv gesehen. Die Darstellung der turns sei deskriptiv
und an sie werde in Einleitung, Ausblick und Nachwort ein
apologetischer Analyseteil angeschlossen.17 Dieser Analyseteil
fokussiert auf den Begriff der turns und deren Rolle im Feld der
Wissenschaften. Die damit ausgelöste Kontroverse ist Gegenstand des
folgenden Abschnitts.
Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 245, Nr. 2 (2008): 406-408. 16 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“. 17 Göderle, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, 238.
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1.2 Paradigmen und turns
Nach dem linguistic turn verfolgt die Autorin die Vielfältigkeit der
Forschungsperspektiven in einer Gleichzeitigkeit einer Pluralität von
turns, die keine Meta-Narrative, keine großen Erzählungen mehr
sind.18 Damit grenzt sie sich insbesondere auch vom Konzept der
Paradigmenbrüche ab,19 wie es Thomas S. Kuhn dargelegt hat20 und
sieht die turns quer zu Gruppen von Wissenschaftlern verlaufen.21
Turns sind nicht an Themen, Disziplin, Schulen oder Theoretikern
festgemacht, sondern methodisch.22 Die Entstehung von turns
beschreibt Bachmann-Medick folgendermaßen:
Zunächst kommt es zur Entdeckung und Freilegung neuer Gegenstandsbereiche, auf die sich die Forschung quer durch die Disziplinen hindurch konzentriert, z.B. Ritual, Übersetzung, Raum usw. Auf dieser Gegenstands- und Inhaltsebene werden neue Forschungsfelder ausgelotet.23
Das Kriterium für turns ist die Verschiebung von der Gegenstands-
auf die Ebene von Analysekategorien und Konzepten, das heißt dass
Gegenstände zu Erkenntnismittel und -medium werden.24 Es geht in
dieser Differenz zwischen solchen Konzepten um eine
wissenschaftstheoretische Fragestellung, wie das Feld oder das
System der Kulturwissenschaft(en) zu konzipieren sei. Während z.B.
Andreas Reckwitz eine systematische Theoriegeschichte vor allem 18 Jean F. Lyotard, Das postmoderne Wissen: Ein Bericht, 4th Aufl. (Wien: Passagen Verlag, 1999); vgl. zu diesem Argument auch Penny Paparunas, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, Variations, Nr. 15 (2007): 291-293 und Matthias Benzer, „Review of Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, Cultural Sociology 2, Nr. 3 (2008): 418f. 19 Göderle, „Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“, 239. 20 Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2nd Aufl. (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1976). 21 Bachmann-Medick, Cultural turns, 16. 22 Ebd, 10f., 22. 23 Ebd, 26.
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soziologischer Kulturtheorie entwirft und dabei einen
evolutionstheoretischen Ansatz mit der Feldtheorie verbindet, die er
aufgrund des Kräfteverhältnisses in Theorien von Kultur als Praxis
münden lässt, spricht sich Doris Bachmann-Medick gegen
evolutionistische Konzepte der Wissenschaft ebenso wie gegen
teleologische aus,25 stattdessen nimmt sie eine Gleichzeitigkeit der
Forschungen an. Sie verwendet den spatial turn um ihren eigenen
Gegenstand zu beschreiben, indem sie ihn als Wenden kartiert.
Kulturwissenschaften erscheinen hier also als Feld,26 in dem vielerlei
Bewegungen zugleich stattfinden. Erst die Bewegungen im Feld
machen dann die Kulturwissenschaften aus, nicht abstrakte
Kulturkonzepte.27
Zwischen den Disziplinen – programmatisch interdisziplinär –, welche
die gleichen Analysekonzepte verwenden, ergeben sich über eine
Verbindung von Übersetzungsprozessen zusammenhängende
Bedeutungsgewebe.28 Hier wird der translational turn ebenfalls für
die Analyse des wissenschaftlichen Feldes fruchtbar gemacht. Der
translational turn ist der wahrscheinlich inspirierendste turn, zugleich
bleibt er aber weitgehend eine Metapher29 und wird nicht konsequent
24 Ebd. 25 Ebd, 20f. 26 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 123. 27 Eine solche Vorgehensweise scheint auf den ersten Blick im Einklang zu stehen mit Michel de Certeau, Kunst des Handelns (Berlin: Merve Verlag, 1988), sie ignoriert jedoch die damit einhergehenden Machtimplikationen. 28 Bachmann-Medick, Cultural turns, 384; zu recht darf man sich hier an Clifford Geertz, „Dichte Beschreibung: Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur“, in Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, by Clifford Geertz (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987), 7-43 erinnert fühlen. 29 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“.
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zur Analysekategorie ausgearbeitet.30 Was genau unter diesen
Übersetzungsleistungen zwischen den Disziplinen zu verstehen sei
bleibt offen. Die Übersetzungskategorie wird zumindest zum
methodischen Modus der Auseinandersetzung zwischen den
Disziplinen erklärt. Mit einer solchen Konzeption sind die Disziplinen
zwar nicht in sich homogen,31 ihre Grenzen bleiben aber gesichert.
Letztendlich führt die Rückversicherung über die nie eins zu eins
gelingenden Übersetzungen zwischen den Disziplinen zu einem
erhöhten Reflexionsbedarf über das eigene Vorgehen, der wiederum
auf den reflexive turn anspielt und ihn somit zu einer weiteren
Grundlage der Kulturwissenschaften erklärt.32 In allen Fällen werden
die spezifischen turns zu wissenschaftstheoretischen Grundlagen, die
den Kulturwissenschaften zugrunde liegen. Das passiert aber am
Rande, ohne dass dies von Doris Bachmann-Medick explizit
reflektiert werden würde. Man gelangt aber erneut zu der Einsicht,
dass Kulturwissenschaften die eigenen Methoden auf sich selbst
anwenden und damit ihren eigenen blinden Fleck auch in ihrer
Selbstbeobachtung reproduzieren.
Im Sinne dieser Selbstbeobachtung sind die Wenden eine Form der
Modernisierung33 bzw. der Reform34, die sich in Hinsicht auf eine
Offenhaltung differenter Konzepte und allgemeiner Pluralität der
30 Eine solche Fundierung als Analysekategorie liesse sich mit Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora: Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaften (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002) leisten. 31 Bachmann-Medick orientiert sich hier am Konzept des ›third space‹ von Homi K. Bhabha, „Die Verortung der Kultur“, in Texte zur Kulturtheorie und Kulturwissenschaft, hg v. Roland Borgards (Stuttgart: Reclam, 2010), 234-249. 32 Hier schließt die Reflexion einseits an bekannte ethnographische Konzepte an, sie geht aber andererseits auch darüber hinaus, vgl. James Clifford, „On ethnographic authority“, in The predicament of culture: twentieth-century ethnography, literature, and art (Boston, MA: Harvard University Press, 1988), 21-54. 33 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 130.
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Kulturwissenschaften auswirkt.35 Es kann hier aber nur um ein
unspezifisches Offenhalten oder Modernisieren gehen, weil Doris
Bachmann-Medick abgesehen vom linguistic turn versäumt eine
Abgrenzungsfolie für die sich drehenden turns zu geben, vor der sie
sich von etwas unterscheiden könnten.36 Das unterstreicht die in der
Studie vorgebrachte Ablehnung von systematischen,
evolutionistischen und teleologischen Wissenschaftskonzepten,
gleichzeitig erreicht die von der Autorin vorgenommene Kartierung so
nur eine Verräumlichung ohne Koordinaten und Orientierung, weil
woher und wohin dunkel bleiben.
Abgesehen von der Orientierungsleistung der turns, muss die Frage
gestellt werden, was es denn zur Folge hat, wenn Disziplinen über zur
methodischen Analysekategorie gewordenen Gegenstandsfeldern
verbunden werden. Im klassischen Sinne sind dies die Kriterien für
eine Disziplinenbildung. Auch diese Konsequenz formuliert Doris
Bachmann-Medick nicht aus. Im Gegenteil, sie versteht die turns als
programmatisch für interdisziplinäre Forschung. Dass bei ihr nichts
zusammen kommt, ist ein Resultat der räumlichen Trennung in
»Königreiche der Forschung«37. Aus deren Absolutismus man wohl
nur schlussfolgern kann, dass die Übersetzungsleistung nicht so hoch
ist wie angenommen und die Gouvernementalität der Disziplinen auf
Territorien und damit stabile Grenzen ausgerichtet bleibt.38 Eben
dieser Beharrungseffekt von territorialer Disziplinierung verhindert, 34 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“. 35 Ebd. 36 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 130. 37 Bachmann-Medick, Cultural turns, 382. 38 vgl. zur Verbindung von Disziplin und Territorium mittels des Gouvernementalitätsbegriffes Michel Foucault, Sicherheit, Territorium,
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dass der Wandel der turns auf die Analyseebene weiterreichende
Folgen mit sich bringt.
Die muss berücksichtigt werden, wenn immer wieder die Kritik
vorgebracht wird, die Vielzahl der Wenden sei »schwindelerregend«,
»drehwurmträchtig«, löse ein »Schleudertrauma« aus,39 oder ihre
Vervielfältigung sei »Blödsinn«40. Einerseits gilt es jeweils zu prüfen,
ob die von Doris Bachmann-Medick aufgestellten Ansprüche erfüllt
werden, also ein Umschlag auf die Analyseebene erfolgt und es darf
nicht blind jeder Selbstbeschreibung eines turns gefolgt werden.41
Andererseits weist die Autorin die Kritik auch zurück, sieht selbst eine
Absurdität einer solchen Wenderhetorik durch eine massive
Pluralisierung der Wenden. Mit einem Aufzeigen weiterer möglicher
turns hätte sie eben diese Problematik verdeutlichen wollen.42 Eine
Beliebigkeit kann nicht angenommen werden. Epistemologisch geht
nicht alles, sondern in einem bestimmten Kontext zu einer bestimmten
Zeit fast nichts.43
Während die turns konzeptionell an eine Wendung zur
Analysekategorie gebunden werden und damit an wissenschaftsinterne
Bedingungen geknüpft, so bleiben sie in ihren
Entstehungsbedingungen doch an wissenschaftsexterne Faktoren
Bevölkerung: Geschichte der Gouvernementalität I (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2004), 27. 39 o.A., „Cultural Turns (Rezension)“, Die Welt, Juli 22, 2006, Abschn. Literarische Welt. 40 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“. 41 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“. 42 Doris Bachmann-Medick, „»Diebin in der Nacht« - Gender diesseits oder jenseits kulturwissenschaftlicher turns? Fragen und Antworten in einer kontroversen Debatte“, L’Homme Z.F.G. 19, Nr. 1 (2008): 137, Fn. 15. 43 Eine umfassende Einordnung in die Wissenschaftstheorie leistet Andreas Reckwitz, Die Transformation der Kulturtheorien, 2nd Aufl. (Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, 2008), 194ff.
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gebunden.44 Dies nicht trennscharf ausgearbeitet zu haben rächt sich
für die wissenschaftstheoretische Verwendung des Begriffes, sobald
man aus dem Bereich des Kulturalismus hinausgeht und auch
soziopolitische Aspekte mit einbezieht.
Wenn treibende Faktoren für den Umschlag zur Analysekategorie
nicht nur interne Faktoren sind, dann sind die turns auch an
gesellschaftliche Machtfragen gebunden. Das wird gerade beim
postcolonial und beim translational turn offensichtlich, die sich auf
Teilhabe marginalisierter Gruppen in postkolonialen Staaten richten
und auch von entsprechenden Theoretikern angeregt wurden. Ob
Wenden wissenschaftsintern oder -extern bzw. beides zugleich ihre
Dynamik verdanken, klärt Doris Bachmann-Medick nicht, spätestens
wenn es um die Frage geht, ob gender studies einen eigenen turn
haben sollten/müssen/könnten [vgl. Kap 2.2.1.3] oder wie das
Verhältnis von Symbol und Sozialem sein soll, wird die Frage im
Verhältnis zu den Cultural Studies wieder aufgeworfen [vgl. Kap
2.2.1.4]. Kohl argumentiert in seiner Rezension beispielsweise, dass
eine Orientierung an den Cultural Studies nicht in Frage komme, da
im deutschen Diskurs keine entsprechenden externen Faktoren
marginalisierter Gruppen vorzufinden seien, stattdessen handele es
sich um einen wissenschaftsinternen Diskurs der
Geisteswissenschaften, die über Kultur als Thema aneinander
ausgerichtet würden.45
Geht man von einem Zusammenspiel interner und externer Faktoren
aus, dann stellen sich gesellschaftliche Dynamiken als externe
Irritationen eines wissenschaftlichen Feldes wie dem der 44 Prägnant formuliert diesen Vorwurf Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“.
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Kulturwissenschaften dar, die diese Irritationen aber nach eigenen
Logiken aufnehmen und diesen entsprechend als Information
verarbeiten. Für turns gilt dann zweierlei zu klären: Erstens, ob sie
epistemologisch einen Umschlag auf die Analyseebene bedeuten, was
anhand von wissenschaftsinternen Kriterien passieren muss und
zweitens, was die gesellschaftlichen Dynamiken sind, die eine solche
Irritation im Wissenschaftssystem stärken und stabilisieren, etwa
anhand eines Verweises auf Umbrüche im Geschlechterverhältnis
oder der Artikulation marginalisierter Gruppen.
1.3 Ist Gender ein turn?
Verhältnismäßig kurz ansprechen, da hauptsächlich auf der
Inhaltsebene, stellt aber die Frage nach dem Verhältnis von
Kulturwissenschaften und studies. Stephan Moebius beispielsweise
lehnt eine Zuschreibung als turns ab und spricht
wissenschaftstheoretisch weniger voraussetzungsreich von studies:
governmentality studies, queer studies, postcolonial studies, science
studies, space studies, visual studies und cultural studies.46 Letztlich
ist die Debatte, ob Genderforschung als turn konzipiert werden
müsse,47 eine thematische Frage, keine der Ebene einer
Analysekategorie und mithin nicht im Kartierungsraster der turns zu
verhandeln, gender hat keinen Ort,48 ist überall und nirgends.
Entsprechend abschlägig fällt die Replik durch Doris Bachmann-
45 Karl-Heinz Kohl, „Keine Wende ohne Migrationshintergrund“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, November 3, 2006, 37. 46 Stephan Moebius, Kultur (Bielefeld: Transcript, 2009), 162ff. 47 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“. 48 Ebd, 129.
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Medick aus. Gender sei kein turn, da hier auf wissenschaftsexterne
Faktoren verwiesen werden müsse.49
Anstelle sich auf einen gender turn einzulassen nutzt Doris
Bachmann-Medick die Kritik an einer unzureichenden
Berücksichtigung der Geschlechterfrage dazu, eine weitere Kritik
anzugehen, nämlich die nicht zu übersehene Vernachlässigung des
Sozialen und ihrem damit einhergehenden Kulturalismus arbiträrer
Symbole. Gender, so die Idee, soll als »Vermittlungsscharnier«
dienen, als »traveling concept«, nicht als Themenreservoir,50 wie bei
den Cultural Studies als »race, class, gender, etc.«51 Damit soll über
die Übersetzungsmetapher die gesellschaftliche Relevanz in die
Kulturwissenschaften zurückkommen.
1.4 Kulturwissenschaften zwischen Symbolen und Sozialem
Mit der Frage, ob turns wissenschaftsintern und/oder -extern
angebunden sind stellt sich auch die Frage des Verhältnisses von
Kultur und Gesellschaft erneut. Hier kristallisiert sich heraus, dass es
nicht reicht, die Kulturwissenschaften umfassend von den
Naturwissenschaften abzugrenzen, sondern über die Unterscheidung
Kultur/Natur auch die von Kultur/Gesellschaft, also zu den
Sozialwissenschaften verhandelt werden muss.
Dies alles [Machtkritik, SPG] unter das Vorzeichen von ›Kultur‹ statt ›Gesellschaft‹ gestellt zu haben, erwies sich dann allerdings als eine zwiespältige Errungenschaft der Kulturwissenschaften, die insgesamt ihre Kulturalisierungsneigung verstärkt haben dürfte. Eine Schubumkehr in Richtung gesellschaftlicher Rückbindung könnte Gender wieder stärker in die Kulturwissenschaften zurückholen, nicht
49 Bachmann-Medick, „»Diebin in der Nacht« - Gender diesseits oder jenseits kulturwissenschaftlicher turns? Fragen und Antworten in einer kontroversen Debatte“. 50 Ebd, 140-142. 51 So eine Kapitelüberschrift in Oliver Marchart, Cultural Studies (Konstanz: UVK, 2008).
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hingegen als einen bloßen turn, sondern als Produktivkraft einer Übersetzungskategorie beziehungsweise eines ›traveling concepts‹.52
Dies liest sich als ein Plädoyer für eine Hinwendung zur Gesellschaft,
zur Politisierung und zum Anschluss an gesellschaftliche Relevanz
kulturwissenschaftlicher Forschung, die mit dem Rückzug auf eine
Kulturalisierung verloren gegangen sei. Dies ist insbesondere deshalb
überraschend, weil sich Doris Bachmann-Medicks Studie vor allem
durch eine Absenz gesellschaftlich bezogener Literatur abgrenzt.
Sowohl Soziologie als auch Cultural Studies, französische
Poststrukturalisten und kulturell erweiterte Sozialgeschichte werden
weitgehend ignoriert. Ihr inhaltlich genau definiertes Segment der
Kulturwissenschaften berücksichtige nur, was Kultur und nicht
Gesellschaft bespreche und das unter dem Fadenscheinigen Argument,
dass ansonsten Kultur- und Sozialtheorie zu eng verschränkt seien.53
Doris Bachmann-Medick bietet, das kann nur die Konsequenz sein,
keinen umfassenden Überblick über die Kulturwissenschaften oder im
Anschluss an Hartmut Böhme: Sie liefert keinen systematischen
Überblick.54 Elisabeth Timm bringt es noch einmal drastisch auf den
Punkt, indem sie ausspricht, dass der Verzicht auf die
gesellschaftliche Ebene keine wissenschaftliche Neuorientierung sei,
sondern Merkmal bürgerlicher Kulturbegriffe.55 Die
Kulturwissenschaften Doris Bachmann-Medicks sind also
52 Bachmann-Medick, „»Diebin in der Nacht« - Gender diesseits oder jenseits kulturwissenschaftlicher turns? Fragen und Antworten in einer kontroversen Debatte“, 135. 53 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 136; vgl. zur Kritik am Übergang von Gesellschaft zu Kultur auch o.A., „Cultural Turns (Rezension)“. 54 Böhme, „Vom »turn« zum »vertigo«: Wohin drehen sich die Kulturwissenschaften? Rezension zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2006“. 55 Conrad u. a., „Diskussion zu Bachmann-Medick, Doris, Cultural Turns: Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg, 2007“, 136.
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unterschwellig normativ, anstelle sich auf die Ebene des
bedeutungsorientierten Kulturbegriffs zu beschränken.56
Die Trennung von wissenschaftsinternen Faktoren und
wissenschaftsexternen Faktoren wird gekoppelt an Kultur und
Gesellschaft. Kultur ist dann intern und unpolitisch, Gesellschaft
extern und politisch. Kultur und Gesellschaft sind hier zwei Sphären,
die getrennt betrachtet werden und auch nicht zusammen kommen, die
aber über »Übersetzungsscharniere« verfügen, etwa die gender
studies. Im Sinne der Hegemoniewahrung kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass diese Konzeption nicht
wissenschaftstheoretisch tragfähig ist, sondern lediglich zur
Machtlegitimation der Aufrechterhaltung disziplinärer Grenzen
dient.57 Zu dieser Einschätzung passt die konkrete Wortwahl der
Empfehlung einer Verknüpfung zum Sozialen: man solle dies
»vielleicht erst einmal«58 versuchen.
Erst dieser genauere Blick entschlüsselt die Empfehlung als vielleicht
durchaus gemeint, aber doch nicht selbst vollzogen. Doris Bachmann-
Medick widerspricht sich mit der Forderung einer Politisierung über
das Soziale selbst, da sie zugleich die Cultural Studies ablehnt, die
eine solche Verbindung leisten [Bezug zu Kapitel 2.3 Cultural
Studies]. Dies verdeutlicht erneut, dass die Kulturwissenschaften –
zumal in Form der Literaturwissenschaften – sich an Hochkultur
orientieren und damit selbst entpolitisieren. Die Ablehnung der
Cultural Studies zielt dabei gleichzeitig auf eine Ablehnung externer
56 vgl. Reckwitz, Die Transformation der Kulturtheorien. 57 Aus Sicht der Kultursoziologie formuliert Werner Gephart, Handeln und Kultur: Vielfalt und Einheit der Kulturwissenschaften im Werk Max Webers (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998), 188ff. das Problem getrennter Sphären von Gesellschaft und Kultur. 58 Bachmann-Medick, „»Diebin in der Nacht« - Gender diesseits oder jenseits kulturwissenschaftlicher turns? Fragen und Antworten in einer kontroversen Debatte“, 142.
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Einflussfaktoren und kann so eine wissenschaftsinterne Selbstreferenz
an Wahrheit schließen, sich auf deskriptives Vorgehen berufen ohne
sich mit eigenen Positionen und normativen Urteilen
auseinandersetzen zu müssen. Konfliktreich verläuft dann nur noch
der wissenschaftsinterne Theorieimport von Kulturanthropologie aus
Nordamerika nach Deutschland, der aufgrund seiner differenten
Hintergründe bitte nicht für Schlussfolgerungen für die
Wissenschaftspolitik einer deutschen Kulturwissenschaft
heranzuziehen sei.59
Doris Bachmann-Medick gelingt es eine – umstrittene – neue
wissenschaftstheoretische Begrifflichkeit für die Analyse
wissenschaftlicher Felder einzuführen und dies an profund
recherchierten und didaktisch gelungen dargestellten turns
vorzuführen. Dabei werden je nach Perspektive unterschiedliche
Fehlstellen in der Literaturrezeption moniert, was für die Diversität
des Diskurses und eigene Disziplinpräferenzen in den Genealogien
spricht. Gleichzeitig wird mit den turns das Verhältnis zwischen
wissenschaftsinternen und wissenschaftsexternen Faktoren auf die
Felddynamik der Kulturwissenschaften deutlich, was sich erst in den
kritischen Verhältnissen zu Cultural Studies und gender studies zeigt.
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