Der Unfall – die größte Bedrohung von Leben und Gesundheit unserer Kinder Unfälle in Haus und...

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UNFALL IST KEIN ZUFALL• Der Unfall – die größte Bedrohung von Leben und Gesundheit unserer Kinder

• Unfälle in Haus und Hof, bei Spiel und Sport – häufiger als im Straßenverkehr ! - 2 ½ mal mehr tödliche Unfälle !

• Vergiftungen – besondere Gefahr für die Kleinsten !

Welche Kinder sind besonders

gefährdet ? Warum verunfallen

manche Kinder häufiger als andere ?

Dienstbesprechung für Sicherheits- und Verkehrsbeauftragte am 11. Juni 2015 in Veitshöchheim

UNFALL IST KEIN ZUFALLEin Unfall ereignet sich dann, wenn die einen Unfall

konstituierenden Einzelfaktoren zeitgleich wirksam werden

I. Die dingliche Umwelt - Verkehrswirklichkeit - technisierte Umwelt - ubiquitäre Gefahren

II. Die soziale Umwelt - Einstellung zum Kind - Bewusstsein d. Gefahren

f. K. - Sensibilität für

entwicklungsbed . Grenzen

III. Der junge Mensch - entwicklungsbedingte Grenzen - persönlichkeitsspezifische

Unfalldisposition

UNFALL

Unfälle von ca. 1000 stationär behandelten Kindern

an der Universitätsklinik Würzburg (Kinderchirurgie)

Stürze

Verke

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Sport

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18 12 30

Vergiftungen

wurden gesondert

erfasst

Verkehr Haus Spiel/Sport

gesamt0

20

40

60

80

100

120

1 514

2012

2819

5947

16

40

103

unter 1 1 - 5 Jahre5 - 15 Jahre

182 Tödliche Kinderunfälle im Jahr 2013 - nach Art und Alter

Schulkindalter Tödliche Unfälle im Schulalter 2013: insges. 103

davon im Straßenverkehr 47

115. 000 Schulkinder nach Unfällen in stationärer Behandlung ca. 1,5 % aller Kinder dieser Altersgruppe ! Ca. 3mal mehr noch ambulant versorgte Kinder !

Verletzungsart:Kopfverletzungen (SHT) u. Brüche der Extremitäten als häufigste Verletzungen

Verletzungsort: (Reihenfolge entspricht der Häufigkeit)Spiel- , Sport- u. Freizeitbereich, häuslicher Bereich, Schulen, Straßenverkehr

Verletzungsursachen: Stürze (am häufigsten)tätliche Auseinandersetzungen - immer häufiger ! (Anteil 20 %).... meist in Schulen, auch auf d. Straße, Spiel- u. Sportplatz

Unfälle im Straßenverkehr 60 Kinder verungl. 2013 tödlich (2000 waren es 240,

2009 90 !) Über 30 000 Kinder wurden bei Verkehrsunfällen

verletzt

Art der Verkehrsbeteilugung in %

05

10152025303540 36 33

25

6

Fahrradim PKWFußgängerSonstiges

Verkehrsunfälle nach Alter

Fußgänger Fahrradfahrer PKW-Mitfahrer0

10

20

30

40

50

60

70

unter 6 Jahre6 bis unter 10 10 bis unter 15

unter 6jährige

6 - 10

10 – 15

Was passiert zuhause? Stürzen

(ca. 50 % aller häuslichen Unfälle !) Schneiden

Glas, Messer, Blech Quetschen

an Türen, Klappstühlen Verbrennen / Verbrühen elektrischer Strom – Steckdosen ! Ersticken oder Ertrinken Vergiftungen Verletzungen durch Tiere

ca. 10000 Hundebissverletzungen jährlich !

Unfälle bei Sport und Spiel 70 % nicht organisiert / 30 % organisierter Sport (Verein / Schule)

Fußb

all

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10203040

Anteile in Prozent

WOMIT VERGIFTEN SICH KINDER ?MÖNCHBERGKLINIK WÜRZBURG, 140 BEHANDELTE

FÄLLE (1998)

01020304050 47

2822

147 3

Anteil steigt

!

Anteil sinkt !

TYPISCH KINDER !

• Natürlicher Eroberungs- u. Erkundungsdrang• Neugier und „Abenteuerlust“• Bewegungsdrang – Bewegungsüberschuss• Wahrnehmung – Fokussierung auf ein Objekt !• (Noch) geringes Gefahrenbewusstsein !

Mangelnde Wirksamkeit von Belehrung !

Typisch Kind !Beispiel eines Verkehrsunfalls

Fallbeispiel: 9jähriges Mädchen erlitt schwerenUnfall beim Überqueren der Straße (in Wernfeld)

Regeln ausgeblendet ....

neuer „Reiz“ beansprucht die volle die Aufmerksamkeit !

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen !

• Kinder erleben den Straßenverkehr anders Dominanz „interessanter“ Reize, anderer Beobachtungs-Fokus, Wahrnehmung „außengesteuert“ (durch zufällige Reize) • Kinder hören anders Richtungshören – Gefahrensignale „heraushören“ • Kinder sehen anders Körpergröße – eingeschränktes Sichtfeld ! links / rechts - Entfernung / Geschwindigkeit abschätzen

Sicheres Verhalten

muss erst erlernt werden !

Sehen

120°

Stereophones Hören

?

Entwicklungspsychologie und Unfallgefährdung

Erkennen und Bewerten von Gefahren – Gefahrenkognition abhängig von der kognitiven Entwicklung

Erst mit 10 – 11 Jahren:Abstraktions- u. Reflexionsfähigkeit, Handlungskonsequenzen „vorwegzudenken“

Wahrnehmung von u. Verhalten in Gefahrensituationen - abhängig von der Entwicklung individ. Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen ...

Motorische Entwicklung

Diskrepanz zwischen Verhaltensanforderungen u. „skills“

Entwicklungsbedingte Risikobelastung

Geschlechtsspezifischer Einfluss

33

66

Anteil am Gesam-tunfallgeschehen

der Mäd-chender Jungen

Mädchen risikobewusster M. nehmen Gef. früher wahr

Jungen sind risikofreudiger höhere Gefahrenexposition bewegungsbetonteres

Spielverhalten

Gründe in der geschlechtsspezifische Sozialsationmit spezifischer Rollenerwartung - mehr „Mut“, Aggressivität, Durchsetzung

(Köhler, Hohenadel 1992, Ellsäßer 1997*, Flade und Limbourg 1997 ... et.al.)

*Kinderunfälle im Land Brandenburgin „Sicher leben“ Bd. 8

Tiefenpsychologische Erklärung der unterschiedlichen Risikobelastung

Psychoanalytische Deutungsweise des Unfalls(Freud, Jung, Melanie Klein)Der Unfall als unterbewusste Selbstschädigung / Selbstbestrafung„Traumatophilie“ – Abbau affektiver Belastung als Ziel

Individualpsychologische Deutung (Alfred Adler)Der Unfall als (unbew. genutztes) Mittel zur Befriedigung von (ungestillten ) Zuwendungs- und GeborgenheitsbedürfnissenSekundäre Neurotisierung nach Unfällen durch „Overprotection“

Kritik: Mangelnde empirisch e Belegbarkeit, „seltene“ Fälle (Fallstudien), keine hinreichende Erklärung für divergierende Unfalldisposition

„Unfallkinder“ sind anders – persönlichkeitsspezifischer Ansatz

Individuell unterschiedliche Unfalldisposition unfalldisponierende persönlichkeitsspezifische Eigenschaften „Unfäller“ – Unfallhabitus – unfalldisponierende Persönlichkeitsstruktur

Eigener ForschungsansatzVorwissenschaftliche Erfahrung („Pechvogel“) Ansätze in der angloamerik. Literatur

Methodik psychometrische Untersuchung :Persönlichkeitstests bei „Unfallkindern“ - Vergleich der Unfallgruppe mit der Testpopulation (Abweichungen ?)

UNFALLKINDER SIND ANDERS

Epidemiolgische Untersuchung stationär nach Unfällen behandelte Kinder

an der Uniklinik WürzburgN = ca. 1000

Psychometrische Untersuchung von häufiger verunfallten Kindern

N = ca. 100

Überprüfte Persönlichkeitsdimensionen

PERSÖNLICHKEITSDIMENSIONEN (HYPOTHESEN) • Extraversion (dinglich u. sozial) – „Tatendrang“ / „Kontaktfreude“ • (manifeste) Angst• Emotionale Erregbarkeit• Minderwertigkeitsgefühle • Affektive Belastung – „Neurotizismus“

• Schulunlust• Fehlende Willenskontrolle • Erwachsenenabhängigkeit• Impulsivität

Psychometrische

Untersuchung

von ca 100

Kindern

mit erhöhter

Unfallbelastung

Untersuchungsergebnisse Unfalltyp I – „aktiv-dynamisch“

Art der Abweichung von der Vergleichsgruppe

Extraversion, Außenweltzugewandtheit hochsignifikant * - erhöhte Werte

Extraversion (sozial), „Kontaktfreude“ hochsignifikant * - erhöhte W.Angst hochsignifikant * - niedrigere

W. Emotionale Erregbarkeit hochsignifikant * - niedrigere

W.Minderwertigkeitsgefühle hochsignifikant * - niedrigere

W. Unfalltyp II – affektiv belastet Art der Abweichung von der Vergleichsgruppe

Neurotizismus hochsignifikant * erhöht

* Hochsignifikant = Irrtumswahrscheinlichkeit geringer als 1 %o !

Zwei unterschiedliche „Unfalltypen“

1. Der aktiv-dynamische Typus stark außenweltzugewandt – kontaktfreudig – dynamisch – angstfrei – erlebnisorientiert – Gefahr der Selbstüberschätzung – unterentwickelter Gefahrensinn

2. Das affektiv belastete Kind

Erhöhte „Neurotizismus“- Werte innerpsychische Spannungen – affektive Belastungen – Introversion Beeinträchtigung der Wahrnehmung, Überlagerung des Gefahrensinns

Unfallkinder sind anders (Typ I) Diese Kinder verstärkt objektzugewandt

(erhöhte Extraversion - dingliche und soziale Umwelt)

Wahrnehmung und Handlungsimpulse – verändert: Steuerung durch zufällige Außenreize, Dominanz der Außenreize verminderte Reflexion, verminderte Selbststeuerung

Verringerter Angstlevelverringertes Gefahrenbewusstsein („Gefahrensinn“ ) gering ausgeprägtes eigenes Sicherheitsbedürfnis

Selbstüberschätzung – vers. „Minderwertigkeitsgefühle“fehlendes Gefühl für eigene Grenzen - Risiko als Anreiz (Tatendrang) – erlebnisfreudig - Warnungen bzw. Regeln „kommen nicht durch“

Fließender Übergang zu Kindern

mit ADHS-Syndrom !

ADHS -Kinder

Hyperaktivität

Impulsivität

Aufmerksamkeitsstörungüberhöhte

Extraversion

Neurotizismus und Unfallgefährdung

Affektive Belastungen – innerpsych. Spannungenabsorbieren Aufmerksamkeitsleistung, beeinträchtigen Wahrnehmung;höherer Grad der Introversion

Reaktionen erfolgen verzögert oder zu langsam

Gefahrensignale werden nicht – rechtzeitig – wahrgenommen, Hindernisse übersehen

Kinder treten gedankenverloren auf die Straße, fallen über bzw.rennen / fahren gegen Hindernisse, stoßen an Ecken, stolpern etc.

Ursachen (u.a.):

familiäre Dysfunktion

soziale

Defiziterlebnisse

psychische Traumata

Unfalltypen - Verteilung

Aktiv-dynamischer TypAffektiv belastetes Kind

80 % Typ 1

20 % Typ 2

Zu den persönlichkeitsspezifischen kommen soziale Faktoren

Familiäre Situation:

Wohnverhältnisse – wenig Wohnraum, Wohnlage Berufstätigkeit – niedriges Einkommen, Berufstätigkeit der Mutter Unvollständige Familien – Kinder von Alleinerziehern Familienklima – Kinder in zerütteten Familien Zahl der Kinder – Kinder aus kinderreichen Familien Erziehungsverhalten – Defizite bei Prävention, Aufsicht, Kontrolle,

GefahrenbewusstseinM. Limbourg, Kinder im Straßenverkehr, GUV Westfalen-Lippe (1996)

Internationale Studien zu sozialen Einflussfaktoren

UNICEF Bericht 2001 Verletzungen (bes. thermische) häufiger bei Armut, hoher Kinderzahl, Alleinerziehenden, Drogen- u. Alkoholabhängikeit der Eltern

WHO-Jugendgesundheitsstudie für Deutschland (2008) Herkunftsland der Eltern und Unfallhäufigkeit

höchste Unfallraten bei männlichen Schulkindern aus der Türkei und dem Libanon

Konsequenzen Was tun bei Unfalltyp I

- Eigenreflexion versus überhöhter Extraversion ... Anbahnung der

Selbstbeobachtung

- Gefahrenbewusstsein versus Angstfreiheit ... Entwicklung des

Gefahrensinns

- Fähigkeit zur Selbstkritik versus Selbstüberschätzung .... realistische

Selbsteinschätzung

Was tun bei Unfalltyp II- Entlastung von affektiven Spannungen - Stärkung der Ich-Funktion z.B. durch- Erfolgs-, Geltungs- und GeborgenheitserlebenSicherheitserziehung =

Teil der Gesamterziehung

Eltern(mit)arbeit zur Unfallprävention

Individuelle Beratung bei besonderer Risikobelastung

Eltern von Schulanfängern – Schulweggefahren und Unfallverhütung

Tipps zur Erhöhung der Unfallsicherheit im Straßenverkehr sowie bei Spiel und Sport - Motorik !

Zielgruppenorientierte Elternaufklärung

Bewegung fördern – Unfälle vermeiden

• Entwicklung der Motorik und ihre Förderung – hohe Bedeutung für die Gesamtentwicklung des Kindes

• bessere Bewegungsfähigkeit – geringeres Unfallrisiko !

• leider oft: starke motorische Defizite der Kinder – hoher Handlungsbedarf !

Wichtige Tipps für Eltern von SchulanfängernErkunden Sie mit Ihrem Kind diemöglichen Gefahrenin Haus, Hof und Garten !

Erkunden Sie mit Ihrem Kind vor Beginn des Schulbesuchs den Weg zur Schule gemeinsam !

Seien Sie ihm stets ein gutes Vorbild !

So mindern Sie

das Unfallrisiko Ihres Kindes !

Kinder als Mitfahrer• Anschnallpflicht

Kinder unter 12 Jahren und unter 150 cm Größe nur mit Rückhaltesystem !

• Vorsicht bei Aussteigen !Lassen Sie Ihr Kind im

verkehrsärmeren Umfeld und nur zur Gehsteigseite hin aussteigen lassen !

Kinder als Radfahrer Lassen Sie Ihr Kind erst nach

bestandener Radfahrprüfung im4. Schuljahr mit dem Rad

im Straßenverkehr (zur Schule) fahren !

Und wenn mit dem Rad .... dann immer mit Helm !

Übrigens: Unter 8 Jahren dürfen Kinder nur auf dem Gehsteig bzw. Radweg fahren !auf dem Gehsteig fahren - bis 12 Jahre erlaubt !

Gebietsverkehrswacht Gemünden e.V. Gebietsverkehrswacht Gemünden e.V.

Verkehrserziehe

r der Polizei

wichtige Partner

Schülerlotsen

Schulweghelfer

Apell an die Kraftfahrer !• Kinder sind keine kleinen Erwachsenen !

• Kinder schätzen Geschwindigkeiten und Entfernungen falsch ein !

• Sie haben - auch wegen ihrer Größe ein eingeschränktes Sichtfeld !

• Sie sind leicht ablenkbar, nehmen anders und Anderes wahr, handeln oft völlig unerwartet.

Besondere Rücksicht auf Kinder

im Straßenverkehr !

Weitere Informationen zur Kinderunfallprophylaxe

• Bundesarbeitsgemeinschaft „ Mehr Sicherheit für Kinder“ Tipps für Eltern – Sicherheit für Kinder – Infobroschüren

• Diese Power Point Präsentation für Sie ab sofort verfügbar zu

www. kindersicherheit. de

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Autor: Dr. Gerhard Köhler Neuer Weg 5597737 Gemünden a. Main Tel. 09351 8673 Mail: dr.gerhard.koehler@t-online.de

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