Donnerstag, März Der Zürcher Zeitung Seiten Nr. Minna · allerdings nicht bestätigten Version...

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Donnerstag, 25. März 1976 Der Zürcher Zeitung 197. Jahrgang Umfang 48 Seiten Nr. 71

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Fiilsch des Militärs in Argentiiiieii

Junta der Oberkommandierenden lsabel Peron unter Hausarrest

Programm

«1er «nationalen Wiederbelebung»

Von unserem Korrespondenten

dk. Buenos Aires, 24. März

Die argentinischen Streitkräfte haben amMittwoch in den ersten Morgenstunden endlichdie Macht übernommen. Gegen drei Uhr frührollten die ersten Panzer, begleitet von leichterArtillerie, in die Innenstadt. Widerstand wurdebisher keiner gemeldet. Das peronistische Regime,

das das Land in seiner 34monatigen Herrschaft indas wirtschaftliche, soziale und moralische Chaosgeführt hat, ist wie ein morsches Gebäude wider-standslos in sich zusammengefallen.

Fluchtversuch der Präsidentin?

Die Präsidentin hatte sich bis nach Mitter-nacht im Regierungsgebäude aufgehalten, wo sie,umgeben von ihren Ministern und ihren engstenBeratern, dem unabwendbaren Schicksal ent-gcgcnharrtc. Am Dienstag nachmittag hatte sienoch das Beglaubigungsschreiben des neuenSchweizer Botschafters, William Frei, entgegen-genommen. Nach einer mehrstündigen Aus-sprache von Verteidigungsminister Deheza mitden drei Oberkommandierenden in den späten

Abendstunden machte sich tiefe Resignation imRegierungsgebäude breit. Die Würfel waren ge-

fallen. Die Casa Rosada begann sich zu entvöl-kern. Die Präsidentin verliess ihre Amtsräumekurz nach Mitternacht, um sich in ihre Residenznach Olivos zu begeben. Nach einer offiziellallerdings nicht bestätigten Version soll kabelPeron dem Piloten des Helikopters kurz nachdem Start die Weisung gegeben haben, nicht nachOlivos, sondern zum Stadtflugplatz zu fliegen.

Um einem allfälligen Fluchtversuch vorzubeugen,

wurde die Präsidentin verhaftet und kurz nach

TagesinformationMilitärputsch in Argentinien

Die argentinische Präsidentin Isabel Perön ist durch einenmilitärischen Putsch gestürzt worden. Die Regierungsgewalt

hat vorläufig eine Dreierjunta übernommen, gebildet ausden Kommandanten der drei Waffengattungen. Seite

Zaccagnini neuer Chef der italienischen DC

Die italienischen Christlichdemokraten haben an ihremParteikongress mit knappem Mehr den Arzt Zaccagnini

/.um neuen Vorsitzenden gewählt. Das bedeutet ein Erfolg

der Parteibasis gegenüber dem »Führungscsiablishment».

Seile 1

Montgomery gestorben

In Isington in Hampshire ist am Mittwoch FeldmarschallMontgomery im Alter von 88 Jahren gestorben. Mont-gomery, der als Besieger Rommels im Zweiten Weltkrieglegendären Ruhm errang, soll in Windsor beigesetzt wer-den. Seite

Umsatzsteuer nach dem Mehrwertprinzip

Der Bundesrat hat das neue Finanzmassnahmenpaket ver-abschiedet, dessen Kernstück die Einführung einer Um-satzsteuer nach dem Mehrwertprinzip ist, und dem Parla-ment die Verwerfung der Reichtumssteuer beantragt.

Seite 25

Rücktritt der Chef-FHD auf Ende 1976

Der Bundesrat hat dem Gesuch von Chef-FHD AndreeWeit/el um Rücktritt auf Ende Jahr entsprochen. DieFrage der Nachfolge wird später geregelt. Seile 25

Schulhausbau in Zürich

Der Zürcher Gemeinderat hat gegen die Opposition desLandesrings den Bau einer Primarschulanlage mit Lehr-schwimmbecken im Quartier Affoltern beschlossen. Dasletzte Wort in dieser Sache haben die Stimmberechtigten.

Seite 37

Erste Niederlage des Schweizer Eishockeyteams

Im fünften Spiel des WM-B -Turniers wurde die Schwei-zer Mannschaft erstmals geschlagen, und /war in Biel vonNorwegen mit 7:3. Seite 41

der Landung auf dem Flugplatz in das Präsiden-tenflugzeug gesetzt und in die Südprovinz Neu-qudn verbracht. Sie bezog die Residenz vonEI Messidor und wurde unter Hausarrest gestellt.

Unter den weiteren Verhafteten befinden sichder Führer der peronistischen Gewerkschaften,Lorenzo Miguel, der Privatsekretär der Präsiden-

Gcneral Videla

tin, Julio Gonzalez, sowie der bisherige Presse-chef der Präsidentschaft, Papaleo. Ueber dasSchicksal der anderen Spitzenpolitiker des gestürz-

ten Regimes sowie dasjenige der Minister liegen

noch keine offiziellen Meldungen vor. AlleRadio- und Fernsehstationen stehen seit denersten Morgenstunden unter Militärkontrolle undsenden, umrahmt von Marschmusik und argenti-nischer Folklore, lediglich die offiziellen Commu-niqucs der Streitkräfte.

Suspendierungder politischen Institutionen

Die drei Oberkommandierenden, Armeegene-ral Jorge Rafael Videla, Admiral Emilio Masseraund Luftwaffengeneral Orlando Agosti, habenheute früh kurz vor elf Uhr Lokalzeit in einerkargen Zeremonie als Militärjunta die Regie-rungsgeschäfte übernommen. Es wird allgemeinangenommen, dass General Videla formell auchdie Präsidentschaft übernehmen wird. Die Man-date der Präsidentin sowie der Provinzgouver-neure wurden für beendet erklärt, der Kongressaufgelöst und die oberste Gerichtsbarkeit ihresAmtes enthoben. Die Tätigkeit der politischenParteien, der Gewerkschaften, der Unternehmer-

Aiijstand gegen die alte Führung

Giscard d'Estaiiig in der Gegenoffensive

Fernsehrede des PräsidentenVon unserem Korrespondenten

R. H. Paris, 24. Miirz

Noch nie seit dem Beginn seiner Amtszeit imElysee war Giscard d'Estaing in einer ähnlichenAtmosphäre der Ungewissheil und der Krisen-stimmung vor die Fernsehkameras getreten wieam Mittwoch abend. Das Publikum hatte den Prä-sidenten in letzter Zeit selten zu sehen bekom-men; die letzte seiner sporadischen «Plaudereienam Kaminfeuer» lag mehr als dreieinhalb Monatezurück. In scharfem Kontrast zu der diskretenZurückhaltung des Regimes stand die zunehmendeBetriebsamkeit der Oppositionsparteien. AnfangFebruar drängten sich die Kommunisten mit ihrerangeblichen ideologischen Neuorientierung insScheinwerferlicht; einen Monat später gingen dieSozialisten nach einer intensiv geführten Kam-pagne als eindeutige Gewinner aus den Kantonal-wahlen hervor. Während die Stimmenverluste der«Majorite» erneut die unbewältigten sozialenSpannungen sichtbar machten und die politisier-ten Gewerkschaften zur Intensivierung der Streik-aktionen und Strassenunruhen ermutigten, erschienGiscards Schweigen vielen seiner Anhänger alsZeichen der Unsicherheit und der mangelndenFührung in prekärer Situation.

Gegen Mutlosigkeit in den eigenen KeinenDie Spannung, mit welcher der heutige Auf-

tritt des Präsidenten erwartet wurde, galt viel-leicht weniger dem konkreten Inhalt der Redeals d er Frage, ob es ihm gdingen werde, derplötzlich in seinen eigenen Reihen um sich grei-

fenden Mutlosigkeit wirksam entgegenzutretenund erneut seine in den letzten Krisenwochenvermisste Präsenz und Autorität zu beweisen.

Für eine schlüssige Antwort wird man dieReaktionen von Publikum und Presse abwartenmüssen. Der erste am Bildschirm gewonnene sub-jektive Eindruck geht in der Richtung, es konntedem Präsidenten an diesem Abend gelungen sein,manche seiner zweifelnden Anhänger zu über-

[ zeugen, dass er auch in den gegenwärtigen Stür-men das Ruder fest in der Hand behält. Währendihn die Kameras bei früheren Gelegenheiten inder lässigen Eleganz seines Arbeitszimmers fest-zuhalten pflegten, erschien er diesmal in strengemSchwarz vor einem blauen, an die Staatsakte deGaulles gemahnenden Brokatvorhang, weniger alspädagogisch dozierender Lehrmeister denn alskühl disponierender und ordnender Staatsmann.

Schon im ersten Satz seiner 25minütigen Er-klärung ging er in medias res: die Kantonalwah-len hätten ein für die Mehrheit unbefriedigendesResultat gebracht. Es bedeute jedoch nicht, dassdie Wähler ihre vor zwei Jahren gefällte Entschei-dung über die Gesellsehaftsart, die sie wünschten,widerrufen hätten, und es könne ihn deshalb auchnicht von der Verwirklichung des Programms;

mit dem er gewählt worden sei, abhalten. Ur-sache der Unzufriedenheit sei die schwere Wirt-schaftskrise, der sich auch Frankreich nicht habeentziehen können, deren Ucberwindung nun je-doch in Sicht komme. Im Kampf um die weitereErholung könne die Regierung weder Nachgiebig-

keit noch Unordnung dulden; ein Blick über dieGrenzen lasse keine Zweifel, ob das Ziel mit ex-tremen Forderungen oder eher mit Mässigung unddem Willen zur Zusammenarbeit zu erreichen sei.

Fortsetzung der Reformpolitik

Die Reformen, über deren Art und Dring-lichkeit innerhalb der Gefolgschaft des Präsiden-ten tiefe Meinungsverschiedenheiten herrschen,sollen, wie Giscard versicherte, weitergeführt undvollendet werden, ohne dass man sich jedoch aufAendcrungcn um jeden Preis versteifen werde.Eine Nation, die im Immobilismus verharre, ohnemit den Veränderungen der modernen Welt Schrittzu halten, verurteile sich selbst. Die koordinie-renden Funktionen, die Premierminister Chiracdabei zugedacht sind, wurden mit einem un-verkennbaren Blick auf die Gaullisten ebensodeutlich hervorgehoben wie der Wille der Regie-rung, überall dort, wo die Sicherheit Frankreichsoder der Franzosen bedroht wird, mit Entschlos-senheit und Schnelligkeit durchzugreifen.

verbande sowie der Berufsverbände wird bis aufweiteres suspendiert.

Die neuen Machthaber betonen mit Nach-druck, dass sich der Eingriff keineswegs gegen

eine bestimmte politische Richtung oder gegen

eine bestimmte soziale Schicht richte. Sie fordernalle auf, besonders die Jugend, gemeinsam einneues Argentinien aufzubauen. Niemand werdewegen seiner politischen Ansichten verfolgt. Jenefreilich, die sich des Machtmissbrauchs und derKorruption schuldig gemacht hätten, würden hartbestraft. Im Vordergrund stünden weiterhin dieBekämpfung der Subversion und die Ausrottungjeglichen Extremismus. Das Programm ist inerster Linie auf «Moral» abgestimmt. Den christ-lichen Moralprinzipien soll ebenso Nachachtung

verschafft werden wie der Wiederbelebung der«echten argentinischen Mentalität». Von Revolu-tion ist nicht die Rede, dafür aber von einer

nationalen Reorganisation, um die demokratischeOrdnung wiederherzustellen. Ein Zeitpunkt dafürwird freilich nicht genannt.

Ohne Siegerpose

Es ist selbstverständlich noch zu früh, um be-reits mit Klarheit die genaue Kursrichtung desneuen Regimes erkennen zu können. So viel istallerdings ersichtlich, dass die neuen Machthabersich nicht scheuen werden, hart durchzugreifen,wenn die Umstände es erfordern. Anderseits aber,

das geht aus den ersten Erklärungen hervor, be-trachten sie sich keineswegs als Sieger. Man kannihnen wohl nicht vorhalten, dass sie überstürztgehandelt hätten. Es wird vermutlich kaum je-mand dem gestürzten Regime eine Träne nach-weinen, das Argentinien in wenigen Jahren inseine schwerste politische und wirtschaftlicheKrise gestürzt hat. (Kommentar Sette 3)

Knapper Sieg Zaccagninis am Kongress der italienischen DC

Formierung zweier LagerVon unserem Korrespondenten

T. W. Rom, 24. MiirzBenigno Zaccagnini, der im vergangenen Som-

mer nach der Ausbootung Fanfanis als Ueber-gangsfigur an die Spitze der italienischen Christ-lichdemokraten gestellt worden war, ist amfrühen Mittwochmorgen durch den Kongress derDemocrazia cristiana mit nur 51,6 Prozent d erStimmen als Parteichef wiedergewählt worden.Damals war es eine überraschende Notlösungnach hartnäckigen Kämpfen um die Parteifüh-rung; jetzt kommt die Wahl einem politischenEntscheid für eine Erneuerung d er Partei gleich,

hinter der vor allem der linke Flügel steht. Daranändert auch die Tatsache wenig, dass Zaccagnini

mit seinen 885 500 Stimmen nur knapp vor den831 500 Stimmen für VerteidigungsministerForlani lag.

Dramatische SchlussphaseZaccagnini ist ein Mann Ministerpräsident

Moros, der mit seinem schwachen «Monocolore»die Krisenstürme dieses Frühjahrs zu bestehenversucht. Regierung und Parteizentrale bleibendamit koordiniert, auch wenn die parteiinterneOpposition fast 50 Prozent ausmacht. Bei d erNeubestellung des Landesrates, zwischen denKongressen das oberste Organ der Partei, zeich-

nete sich ein ähnliches Kräfteverhältnis wie beider Wahl des Sekretärs ab: 62 Sitze für das LagerZaccagninis, 52 Sitze für das Bündnis, das hinterForlani stand, und 6 Sitze für eine kleine Gruppemit dem früheren «Fanfaniano» Arnaud an derSpitze.

Im Verlaufe der dramatischen Schlusssitzung,

in der es um die Direktwahl des Parteichefs ging,

wich der Flügel Zaccagninis allmählich denArgumenten der Gegenseite. Er akzeptierte dieWahl durch den Kongress und schliesslich auchdas geheime Verfahren durch die Delegierten.

Forlanis Erklärung, auf eine Kandidatur zu ver-zichten, brachte eine neue Wendung; doch gegen

Mitternacht trat er unter dem Druck der Befür-worter seiner Kandidatur doch gegen Zaccagninian. Das Bild Zaccagninis, der auf der Präsidial-bank unter Tränen sein Gesicht in den Händenverbarg, weil aus Ravenna die Nachricht vomTod eines anarchistischen Freundes aus der Zeitdes Widerstandes eingetroffen war, war eineMomentaufnahme d er Zerreissproben dieserStunden.

Die einstimmige Schlussreplik des Parteisekre-tärs war nochmals eine Beschwörung der Demo-crazia cristiana als christliche Volksparlei, diesich nach gefährlichen Verirrungen auf ihre Ur-sprünge besinnen will. Die DC könne, so erklärteZaccagnini, weder der gemässigte Pol des italieni-schen Parteiensystems sein, das dem Willen seiner

bürgerlichen Protektoren unterworfen sei, nochdie Geschäftsführung des italienischen Kapitalis-

mus. Der Versuch, sich mit den Sozialisten zuverständigen, sei kein zufälliges Faktum, sonderngelte einer Uebereinkunft, um gemeinsam daszivile Wachstum des Landes zu fördern. Erneutnahm er die Parole des friedlichen und offenenWettbewerbs mit der KPl auf, deren Schattenüber diesem ganzen christlichdemokratischenKongress gelegen hatte. Die Anhänger feiertendie Rede Zaccagninis mit einer viertelstündigenOvation, mit begeisterten Liedern und mit demSchwenken von Tüchern. Dann folgten die stun-denlangen Wahlgänge.

Der gute Mensch von Ravenna

Dem Kinderarzt Zaccagnini aus Ravenna, dersich auf das Ende der Legislaturperiode, resig-

niert über die Entwicklung der DC, eigentlich ausder aktiven Politik zurückziehen wollte, ist iss ge-lungen, der Partei ein neues Leitbild zu geben.

Einer der Idealisten vom linken Flügel, der Lom-barde Bassetti, feierte ihn als einen JohannesXXIII, der DC. Er zählt nicht zu den schlauenChefs, zu den prominenten «capi storici» desletzten Vierteljahrhunderts, die den Niedergang

der DC zu einem grossen Teil verschuldet haben.Im Gegensatz zur Partei hat Zdccagnini seineeigene menschliche Glaubwürdigkeit bewahrt.Hier setzt allerdings die Kritik d er Gegner ein,

Neue Zürcher Zeitung vom 25.03.1976

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