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Entwicklung und Anwendung von Methoden
zur Bestimmung von Selen-Spezies in
human-biologischem Material
Der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat.
vorgelegt von
Thomas Jäger
aus Hof (Saale)
Als Dissertation genehmigt
von der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 01.08.2014 Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Johannes Barth Gutachter: Prof. Dr. Monika Pischetsrieder
Prof. Dr. Thomas Göen
DANKSAGUNG
Herrn Prof. Dr. Thomas Göen vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der
Universität Erlangen-Nürnberg danke ich für die freundliche Überlassung des
interessanten Themas, die wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit, welche einherging
mit wertvollen Anregungen und Diskussionen sowie die kontinuierliche Unterstützung in
allen Bereichen meiner Tätigkeit am Institut.
Bei Frau Prof. Dr. Monika Pischetsrieder vom Lehrstuhl für Lebensmittelchemie der
Universität Erlangen-Nürnberg möchte ich mich für die Betreuung und Begutachtung
dieser Arbeit von Seiten der Naturwissenschaftlichen Fakultät herzlich bedanken. Des
Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kreis vom Lehrstuhl für Pharmazeutische
Biologie für die freundliche Bereitschaft, sich als Prüfer zur Verfügung zu stellen.
Bei Herrn Prof. Dr. Hans Drexler, dem Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und
Umweltmedizin möchte ich mich für die freundliche Aufnahme in seinem Institut und das
stets entgegengebrachte Vertrauen bedanken.
Außerdem geht mein Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für
Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin für die außerordentlich gute und kollegiale
Zusammenarbeit. Besonders danken möchte ich Ulla Heinrich-Dafner, Svetlana
Kühnemann, Tanja Kaiser und Elke Ostgathe für die tatkräftige Unterstützung bei der
Durchführung der In-vivo-Metabolismus-Studien. Weiterhin geht mein Dank an Eva Sterzl,
Barbara Verhoeven, Elke Reinhart und Karin Seitz für die hervorragende
Zusammenarbeit im Labor in der Henkestraße sowie Dr. Wobbeke Weistenhöfer und
Irmgard Hofler für die herzliche Aufnahme ins BAT-Team. Dank gebührt außerdem
Johannes Müller für die kompetente Unterstützung bei Problemen der instrumentellen
Analytik.
Weiterhin möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Probandinnen und Probanden für ihre
Teilnahme an den Studien bedanken, nur durch ihr Mitwirken war ein Großteil dieser
Arbeit möglich.
Nicht zuletzt geht ein herzliches Dankeschön an meine Freundin Conny und insbesondere
an meine Eltern und meinen Bruder Andreas, ohne deren tatkräftige und bedingungslose
Unterstützung auf meinem bisherigen Lebensweg das Entstehen dieser Arbeit nicht
möglich gewesen wäre.
PUBLIKATIONEN UND VORTRÄGE
Im Zusammenhang mit der Bearbeitung der vorliegenden Dissertation sind folgende
Publikationen und Vorträge entstanden:
Veröffentlichungen
Jäger T, Drexler H, Göen T (2013) Ion pairing and ion exchange chromatography coupled to
ICP-MS to determine selenium species in human urine. Journal of Analytical Atomic Spectrometry
28: 1402-1409
Poster
Jäger T, Drexler H, Göen T: Humane In-vivo-Metabolismus-Studien - Untersuchung des
Metabolismus und der Toxikokinetik verschiedener Selenverbindungen nach oraler Aufnahme.
54. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
(DGAUM); 2. - 4. April 2014 in Dresden
Jäger T, Dorner S, Drexler H, Göen T: Bestimmung von Selenat im Urin als Marker für berufliche
Belastungen mit anorganischen Selenverbindungen. 54. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM); 2. - 4. April 2014 in Dresden
Jäger T, Dorner S, Drexler H, Göen T: Human metabolism and renal elimination of orally
administered sodium selenate. 10th International Symposium on Selenium in Biology and
Medicine; 14. - 18. September 2013 in Berlin
Jäger T, Drexler H, Göen T: Human metabolism and renal elimination of selenium according to the
absorbed species. 9th International Symposium on Biological Monitoring; 9. - 11. September 2013
in Manchester, England
Jäger T, Drexler H, Göen T: Bestimmung von Selenspezies in Urinproben der Allgemein-
bevölkerung mittels Kopplung verschiedener Flüssigchromatographiemethoden mit induktiv-
gekoppeltem Plasma-Massenspektrometrie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM); 13. - 16. März 2013 in Bregenz, Österreich
Jäger T, Drexler H, Göen T: Differences in human metabolism and renal elimination of selenium
according to the absorbed species. Workshop Selenium 2012 – Selenium in geological,
hydrological and biological systems; 9. - 10. Oktober 2012 in Karlsruhe
Jäger T, Drexler H, Göen T: Bestimmung von Selenspezies in einem Kollektiv der
Allgemeinbevölkerung mittels LC-ICP-DRC-MS-Kopplung. Kongress „Gesunde Umwelt – Gesunde
Bevölkerung“, 4. LGL Kongress für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, 5. Jahrestagung der
Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin; 9. - 11. November 2011 in
München
Jäger T, Drexler H, Göen T: Bestimmung von Selenspezies in Urin mittels IPC-ICP-DRC-MS-
Kopplung. 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
e.V. (DGAUM); 9. - 12. März 2011 in Heidelberg
Vorträge (Vortragender ist unterstrichen)
Jäger T, Drexler H, Göen T: Influence of the ability in humans to generate the trimethylselenium
ion (TMSe) on the metabolism of sodium selenite, sodium selenate and selenized yeast. The 5th
International IUPAC Symposium for Trace Elements in Food (TEF-5); 6. - 9. Mai 2014 in
Kopenhagen, Dänemark
Jäger T, Dorner S, Drexler H, Göen T: Selenium species analysis reveals dichotomous behavior in
the German general population to generate trimethylselenium ion. 10th International Symposium
on Selenium in Biology and Medicine; 14. - 18. September 2013 in Berlin
Jäger T, Drexler H, Göen T: Unterschiede im humanen Metabolismus und der renalen Elimination
von Selen in Abhängigkeit der aufgenommenen Selenverbindung. 53. Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM); 13. - 16. März 2013 in
Bregenz, Österreich
Jäger T, Drexler H, Göen T: Differenziertes Selen-Biomonitoring durch Spezies-Analytik.
Symposium anlässlich 40 Jahre DFG-Arbeitsgruppe „Analysen in biologischem Material“;
11. Oktober 2012 in Erlangen
Jäger T, Schaller B, Göen T, Drexler H: Die Bestimmung von Selen im Urin als möglicher
biologischer Belastungsparameter für berufliche Selenbelastungen. 50. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM); 16. - 19. Juni 2010
in Dortmund
„Alle Ding‘ sind Gift und nichts ohn‘ Gift;
allein die Dosis macht, dass ein Ding‘ kein Gift ist.“
Paracelus (1493 – 1541)
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG ................................................................................ 1
2 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND ....................................................................... 3
2.1 Das Element Selen – physikalische und chemische Eigenschaften ........................ 3
2.2 Vorkommen ............................................................................................................ 3
2.3 Selenspezies .......................................................................................................... 4
2.4 Speziesanalytik ....................................................................................................... 5
Chromatographische Trennmechanismen ........................................................... 6 2.4.1
Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) ...................... 8 2.4.2
2.5 Die Rolle von Selen im menschlichen Körper ........................................................ 10
2.6 Optimale Selenaufnahme...................................................................................... 12
2.7 Expositionsquellen ................................................................................................ 15
Selenaufnahme über die Nahrung ..................................................................... 15 2.7.1
Exposition durch Nahrungsergänzungsmittel ..................................................... 20 2.7.2
Industrielle Verwendung von Selen ................................................................... 22 2.7.3
2.8 Bioverfügbarkeit und Metabolismus von Selen ...................................................... 24
Bioverfügbarkeit ................................................................................................ 24 2.8.1
Metabolismus und Elimination ........................................................................... 25 2.8.2
2.9 Klinische Störungen - Gefährdungsbeurteilung von Selen .................................... 29
Selenmangel ..................................................................................................... 29 2.9.1
Toxizität ............................................................................................................. 30 2.9.2
2.10 Bestimmung des Selenstatus beim Menschen ...................................................... 34
3 MATERIAL UND METHODEN ...................................................................................... 37
3.1 Methoden zur Bestimmung von Gesamtselen in humanen Blutplasma- und
Urinproben ............................................................................................................ 37
Geräte, Materialien und Chemikalien ................................................................. 37 3.1.1
Lösungen und Standardlösungen ...................................................................... 38 3.1.2
Probenaufarbeitung ........................................................................................... 39 3.1.3
II Inhaltsverzeichnis
Instrumentelle Arbeitsbedingungen des ICP-MS ............................................... 40 3.1.4
Analytische Bestimmung ................................................................................... 40 3.1.5
Kalibrierung und Berechnung der Analysenergebnisse ..................................... 41 3.1.6
Qualitätssicherung ............................................................................................. 41 3.1.7
Validierung ........................................................................................................ 42 3.1.8
3.2 Bestimmung niedermolekularer Selenspezies in Urin ............................................ 43
Geräte, Materialien und Chemikalien ................................................................. 44 3.2.1
Lösungen .......................................................................................................... 46 3.2.2
Probenaufarbeitung ........................................................................................... 49 3.2.3
Instrumentelle Arbeitsbedingungen ................................................................... 49 3.2.4
Kalibrierung und Berechnung der Analysenergebnisse ..................................... 50 3.2.5
Qualitätssicherung ............................................................................................. 51 3.2.6
Validierung der Methoden.................................................................................. 52 3.2.7
3.3 Bestimmung von Kreatinin .................................................................................... 53
3.4 Probandenkollektive .............................................................................................. 53
Probandenkollektiv I: Allgemeinbevölkerung...................................................... 53 3.4.1
Probandenkollektiv II: In-vivo-Metabolismus-Studien ......................................... 54 3.4.2
3.5 Statistische Auswertung ........................................................................................ 55
4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION ............................................................................... 56
4.1 Analytische Verfahren zur Bestimmung von Gesamtselen in humanen Urin-
und Plasmaproben ................................................................................................ 56
Methodenentwicklung ........................................................................................ 56 4.1.1
Beurteilung der Verfahren – Methodenvalidierung ............................................. 59 4.1.2
Diskussion der Methoden .................................................................................. 62 4.1.3
4.2 Analytische Verfahren zur Bestimmung von niedermolekularen Selenspezies
in Urinproben ........................................................................................................ 63
Methodenentwicklung ........................................................................................ 63 4.2.1
Beurteilung der Verfahren – Methodenvalidierung ............................................. 66 4.2.2
Inhaltsverzeichnis III
Diskussion der Methoden .................................................................................. 69 4.2.3
4.3 Bestimmung von Gesamtselen und niedermolekularen Selenspezies in
Urinproben der Allgemeinbevölkerung .................................................................. 72
Gesamtselen ..................................................................................................... 72 4.3.1
Selenspezies ..................................................................................................... 74 4.3.2
4.4 In-vivo-Metabolismus-Studien von Selen .............................................................. 84
Untersuchung der Selenausscheidung ohne Supplementation .......................... 84 4.4.1
Humane In-vivo-Metabolismus-Studie nach oraler Einnahme von 4.4.2
Natriumselenat .................................................................................................. 87
Humane In-vivo-Metabolismus-Studie nach oraler Einnahme von 4.4.3
Natriumselenit ................................................................................................... 98
Humane In-vivo-Metabolismus-Studie nach oraler Einnahme von Selenhefe .. 111 4.4.4
Vergleichende Diskussion der In-vivo-Metabolismus-Studien .......................... 124 4.4.5
5 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................................. 132
6 SUMMARY ................................................................................................................. 137
Literatur ............................................................................................................................. 142
IV ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Alb Albumin
AEC Anionenaustauschchromatographie (engl. anion exchange chromatography)
BAT Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert
BfR Bundesinstitut für Risikobewertung
CBS Cystathionin-β-Synthase
CEC Kationenaustauschchromatographie (engl. cation exchange chromatography)
CES Cystathionin-γ-Lyase
COMA Committee on Medical Aspects of Food and Nutrition Policy
CPS Messsignal des ICP-MS (engl. Counts per Second)
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
DIO Iodothyronin-Deiodinase
DMSe Dimethylselenid
G-EQUAS German external quality assessment scheme
GalNAc 2-Acetamido-2-desoxy-β-D-galactopyranose
GlcNAc 2-Acetamido-2-desoxy-β-D-glucopyranose
γ-Glutamyl-SeMCys
γ-Glutamyl-Se-methylselenocystein
GPx Glutathionperoxidase
GSSeSG Selendiglutathion
Hb Hämoglobin
ICP-MS Induktiv gekoppeltes Plasma-Massenspektrometer
IPC Ionenpaarchromatographie (engl. ion pairing chromatography)
IS Interner Standard
LC Flüssigkeitschromatographie (engl. liquid chromatography)
LOAEL Lowest Observed Adverse Effect Level
LM Laufmittel
MAFF Ministry of Agriculture, Fisheries and Food
MAK Maximale Arbeitsplatzkonzentration
Max Maximalwert
Min Minimalwert
MMSe Monomethylselenid
MRI Max Rubner-Institut
MW Mittelwert
NAS National Academy of Sciences
NEM Nahrungsergänzungsmittel
NemV Nahrungsergänzungsmittelverordnung
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS V
NHANES National Health and Nutrition Examination Survey
NHMRC National Health and Medical Research Committee
NIST National Institute for Standard and Technology
NOAEL No Observed Adverse Effect Level
NTP National Toxicology Program
NWG Nachweisgrenze
Qhigh Qualitätskontrollprobe mit hoher Analytkonzentration
Qlow Qualitätskontrollprobe mit niedriger Analytkonzentration
RDA empfohlene Tagesdosis (engl. recommended daily allowance)
ROS Reaktive Sauerstoffspezies (engl. reactive oxygen species)
RSA Relative Standardabweichung
SeVI Selenat
SeIV Selenit
SCF Scientific Committee on Food
SeC Selenocystein
SeCS Selenocystein-Synthase
SeCysta Selenocystathionin
SeEt Selenethionin
SeMCys Se-Methylselenocystein
SeMet Selenmethionin
SeMG Se-Methylselenoglutathion
SePP Selenoprotein P
SeSug1 Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid
SeSug2 Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-glucopyranosid
SeSug3 Methyl-2-amino-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid
SPS Selenophosphat-Synthetase
SRM Standardreferenzmaterial (engl. standard reference material)
Setotal Gesamtselen
t1/2 Halbwertszeit
tmax Zeitpunkt der maximalen Elimination
TMSe Trimethylselenium-Ion
TrxR Thioredoxinreduktase
UL Tolerable Upper Intake Level
VE; max Maximale Eliminationsgeschwindigkeit
WHO Weltgesundheitsorganisation (engl. World Health Organisation)
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG 1
1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
Selen ist für den Menschen ein essentielles Spurenelement. Es ist in Form der
Aminosäure Selenocystein struktureller Bestandteil von zahlreichen funktionellen
Proteinen. Dazu gehören beispielsweise Enzyme wie die Glutathionperoxidase, die
Thioredoxinreduktase und die Iodothyronin-Deiodinase, die an der Abwehr von oxidativem
Stress und der Regulation des Schilddrüsenhormonstoffwechsels beteiligt sind (Brigelius-
Flohé und Maiorino 2013; Krykov et al. 2003; Lu und Holmgren 2009; Nordberg und Arnér
2001). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2008) empfiehlt eine tägliche Aufnahme
von 30 – 70 µg Selen, um physiologische Funktionen sicherzustellen und Mangel-
erkrankungen zu vermeiden. Der therapeutische Bereich von Selen ist allerdings sehr
schmal. Bei Probanden mit erhöhtem Plasmaspiegel führte eine tägliche Supplementation
von 200 µg Selen zu einer geringen, aber nicht zu vernachlässigenden Risikoerhöhung,
an Diabetes mellitus zu erkranken (Stranges et al. 2007). Bei Einnahmen von mehr als
910 µg Selen pro Tag wurden Symptome wie knoblauchartiger Geruch der Atemluft,
fleckige, brüchige Nägel, Haarausfall, Müdigkeit und gastrointestinale Beschwerden
beobachtet (Yang et al. 1983; Yang et al. 1989).
Die Formen, in denen Selen vom Menschen aufgenommen werden kann, sind vielfältig.
Der tägliche Bedarf des Körpers kann im Allgemeinen durch eine ausgewogene
Ernährung erreicht werden (BfR 2004). Dabei werden überwiegend organische
Selenverbindungen wie Selenmethionin und Selenocystein sowie Derivate dieser
Aminosäuren aufgenommen (Rayman et al. 2008). Des Weiteren wird Selen aufgrund
propagierter positiver Effekte auf die Gesundheit als Zusatz von
Nahrungsergänzungsmitteln verstärkt beworben (Rayman 2008). In Folge dessen ist der
Konsum dieser Präparate in westlichen Ländern in den vergangenen Jahren stark
angestiegen (Fairweather-Tait et al. 2011; Skeie et al. 2009). Die Verbindungen, die in
diesen Präparaten als Selenquelle verwendet werden, sind sowohl organische
Verbindungen wie Selenmethionin und Selenhefen als auch anorganische Salze wie
Natriumselenit und Natriumselenat (Rayman 2004). Neben der Aufnahme über die
Nahrung kann Selen dermal oder inhalativ an bestimmten Arbeitsplätzen aufgenommen
werden. Selen ist aufgrund seiner physikalisch-chemischen Eigenschaften ein beliebter
Werkstoff in Industriezweigen wie der Metall-, Glas-, Chemie-, Keramik- und
Elektroindustrie (Butterman und Brown 2004). In diesen Bereichen bestehen überwiegend
2 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
Belastungen gegenüber elementarem Selen oder anorganischen Selenverbindungen
(Hartwig 2011).
Die einzelnen vom Körper aufgenommenen oder metabolisch gebildeten
Selenverbindungen (Spezies) können sich erheblich in ihrem toxikologischen Potential
unterscheiden (Nuttall 2006). Deshalb ist eine Differenzierung der Spezies für eine
Beurteilung von positiven oder adversen Gesundheitseffekten von Bedeutung (Cornelis et
al. 1993; Kiss und Odani 2007; Lund 1990; Michalke 2002 a). Die bisher etablierte
Methode zur Erfassung eines Selenmangels bzw. einer übermäßigen Selenexposition ist
die Bestimmung der Gesamtselenkonzentration im Blutplasma, in dem das Selen
größtenteils in Proteinen gebunden vorliegt (Combs et al. 2011; Drexler und Hartwig
2011). Die Regulierung der Selenhomöostase erfolgt nicht über die Absorption sondern
über dessen Ausscheidung (Pedrosa et al. 2012). Die Elimination von Selen, welches
nicht funktionalisiert wird, erfolgt überwiegend renal über Urin sowie über Atemwege und
Faeces (Burk et al. 1972; Hopkins et al. 1966). Deshalb bietet sich die Selenanalyse im
Urin ebenfalls zur Bestimmung der inkorporierten Belastung an (Alaejos und
Romero 1993; Robberecht und Deelstra 1984 a). Der Einsatz differenzierender
Analysenmethoden kann hierbei Informationen über den Metabolismus und
Entgiftungsmechanismen für unterschiedliche Selenverbindungen liefern (Francesconi
und Pannier 2004; Robberecht und Deelstra 1984 a, b).
Ziel dieser Arbeit war es, basierend auf der Kopplung von chromatographischen
Verfahren mit der induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektrometrie, Methoden zu
entwickeln, zu validieren und anzuwenden, mit denen Selenverbindungen in humanem
Urin nachgewiesen werden können. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Entwicklung von
Multimethoden, die eine simultane und empfindliche Erfassung möglichst vieler Analyten
ermöglichen. Die erarbeiteten Methoden sollten anschließend auf Urinproben angewendet
werden, um Erkenntnisse zum humanen Metabolismus und der Toxikokinetik einzelner
Selenverbindungen zu erhalten. Hierzu wurden sowohl Urinproben der
Allgemeinbevölkerung untersucht als auch humane In-vivo-Metabolismus-Studien
durchgeführt. Den Probanden wurden kommerziell erhältliche Nahrungsergänzungsmittel
oral verabreicht, die unterschiedliche Selenverbindungen (Natriumselenat, Natriumselenit
und selenhaltige Hefe) als Selenquelle enthielten. Ziel dieser Studie war es, Unterschiede
im Stoffwechsel der einzelnen Verbindungen sowie interindividuelle Variationen
festzustellen.
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 3
2 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
2.1 Das Element Selen – physikalische und chemische Eigenschaften
Selen (Se) ist ein chemisches Element mit einem Atomgewicht von 78,96 und der
Ordnungszahl 34. Im Periodensystem steht es in der 4. Periode zwischen Arsen und
Brom und bildet zusammen mit Sauerstoff, Schwefel, Tellur und Polonium die
6. Hauptgruppe, die Gruppe der Chalkogene. Im Jahr 1817 wurde es von Jöns Jacob
Berzelius erstmals in Bleikammerschlamm entdeckt (Barceloux 1999). Selen weist in der
Natur sechs verschiedene Isotope mit folgenden natürlichen Anteilen auf: 74Se (0,89%),
76Se (9,37%), 77Se (7,63%), 78Se (23,77%), 80Se (49,61%), 82Se (8,73%) und kommt in
den Oxidationsstufen „+6“ (z.B. Na2SeO4, Selensäure), „+4“ (z.B. Na2SeO3, Selenige
Säure, Selendioxid), „-2“ (z.B. Selenmethionin, Selenocystein, Trimethylselenium-Ion,
Selenwasserstoff) und „0“ (elementares Selen) vor. Analog zu Schwefel tritt elementares
Selen in verschiedenen Modifikationen auf. Das stabilste ist das grau-metallische Selen
mit den Eigenschaften eines Halbmetalls. Daneben gibt es weitere Modifikationen wie
schwarz-amorphes, rot-amorphes, glasartiges und flüssiges Selen. Aufgrund seiner
physikochemischen Ähnlichkeit zu Schwefel kann Selen an dessen Stelle in Biomolekülen
und Mineralien vorkommen. Selen besitzt einige besondere elektrochemische
Eigenschaften. Neben den Eigenschaften eines Halbleiters erhöht sich die Leitfähigkeit
unter Belichtung um das 100fache und zeigt zusätzlich einen photovoltaischen Effekt
(Greenwood und Earnshaw 1998). Diese Charakteristika machen Selen zu einem
vielseitig eingesetzten Werkstoff in verschiedenen Industriezweigen (Butterman und
Brown 2004).
2.2 Vorkommen
Selen ist ein ubiquitär vorkommendes Element (Hoffmann 1989). Die
Selenkonzentrationen im Wasser sind generell niedrig, gewöhnlich unter 1 µg/L in Trink-
und Meerwasser (Reilly 2006). Die Konzentration von Selen in den Böden unterliegt
weltweit großen Schwankungen und bewegt sich größtenteils im Bereich von
0,01 - 2,0 mg/kg (Mittelwert: 0,4 mg/kg), wobei ebenso Werte bis zu 1250 mg/kg
gemessen wurden (Fordyce 2013). Besonders selenreiche Böden befinden sich
beispielsweise in den Great Plains in Nordamerika, in Kolumbien, in Venezuela sowie in
Teilen Chinas und Irlands. Im Gegensatz dazu finden sich Regionen mit sehr niedrigen
4 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Konzentrationen in Dänemark, Finnland, Neuseeland sowie Teilen Chinas und Russlands
(Combs 2001; Oldfield 1999). Allerdings ist nicht alleine die Selenkonzentration im Boden
für die Bioverfügbarkeit in Pflanzen entscheidend. Ebenso spielen die chemischen
Verbindungen (Spezies) in denen das Selen (z.B. elementares Selen, Natriumselenat,
Metallselenide) vorliegt, eine entscheidende Rolle. Faktoren, die dies beeinflussen, sind
überwiegend die Bodenbeschaffenheit mit variierenden Redox- und pH-Bedingungen
(Barceloux 1999).
2.3 Selenspezies
Unter einer chemischen Spezies versteht man die spezifische Form eines Elementes wie
sie sich durch die Isotopenzusammensetzung, die Elektronenzahl oder den
Oxidationszustand und/oder Komplex- oder Molekülstrukturen definieren lässt (Templeton
et al. 2000). Abbildung 1 zeigt schematisch eine Einteilung der Selenspezies bezüglich
verschiedener Charakteristika.
Abbildung 1: Einteilung von Selenspezies nach verschiedenen physikalisch-chemischen Eigenschaften (DMSe: Dimethylselenid; SeSug1: Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid; SeMet: Selenmethionin; GPx: Glutathionperoxidase; TrxR: Thioredoxinreduktase; DIO: Iodothyronin-Deiodinasen; Hb: Hämoglobin; Alb: Albumin)
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 5
Selenspezies lassen sich gemäß ihrer Molekülgröße in höher- und niedermolekulare
Spezies einteilen. Die höhermolekularen Spezies setzen sich aus Selenoproteinen und
unspezifisch selenhaltigen Proteinen zusammen. Unspezifisch selenhaltige Proteine sind
Proteine, bei denen in der Aminosäurekette willkürlich ein oder mehrere Methionin-
Aminosäuren durch das entsprechende Selenanalogon ersetzt wurden. Im Gegensatz
dazu enthalten Selenoproteine spezifisch Selenocystein in ihrer Aminosäuresequenz,
welches meistens für deren katalytische Funktion verantwortlich ist (Behne und
Kyriakopoulos 2001). Die niedermolekularen Spezies können zunächst in anorganische
und organische Spezies und darüber hinaus gemäß ihrer Oxidationszahlen unterteilt
werden (Połatajko et al. 2006; Martens und Suarez 1997), wobei das Selen in den
höhermolekularen Spezies ebenfalls organisch gebunden in der Oxidationszahl „-2“
vorliegt. Die niedermolekularen organischen Selenverbindungen können ferner anhand
ihrer chemischen Struktur in Gruppen unterteilt werden. Hierzu gehören methylierte
Selenverbindungen, selenhaltige Zucker sowie Aminosäuren und deren Derivate. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Spezies unterschiedliche physikalische
sowie toxische Eigenschaften (siehe Tabelle 7 in Abschnitt 2.9.2) besitzen können (Nuttall
2006). Für die Bioverfügbarkeit, biochemische oder toxische Wirkung ist daher nicht die
Gesamtelementkonzentration einer Probe sondern die Art und Menge der verschiedenen
enthaltenen Spezies entscheidend (Cornelis et al. 1993; Kiss und Odani 2007; Lund 1990;
Michalke 2002 a, b).
2.4 Speziesanalytik
In der analytischen Chemie wird die Identifizierung und/oder Quantifizierung einer oder
mehrerer chemischer Spezies in einer Probe als Speziesanalytik bezeichnet (Templeton
et al. 2000). Meistens erfolgt die Speziesanalytik durch die Kopplung von Trenntechniken
wie der Kapillarelektrophorese, Flüssigkeits- oder Gaschromatographie mit Element-
(z.B. ICP-MS) oder Massen-selektiven (z.B. Elektrospray Massenspektrometrie)
Detektoren (Michalke 2002 b; Rosen und Hieftje 2004). Aufgrund der enormen
Weiterentwicklung dieser Techniken sowie des steigenden wissenschaftlichen Interesses
hat in den vergangenen Jahren die Speziesanalytik an Bedeutung gewonnen (Goenaga-
Infante 2011; Hoffmann und Heumann 2012; Sperling und Karst 2013). Im Folgenden
sollen die theoretischen Grundlagen der in der vorliegenden Arbeit verwendeten
analytischen Methoden kurz dargestellt werden. Die Kopplung von
flüssigchromatographischen Verfahren mit der induktiv gekoppeltem Plasma-
Massenspektrometrie ist aufgrund der resultierenden Vielseitigkeit, Robustheit,
6 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Sensitivität und der Möglichkeit zur simultanen Bestimmung verschiedener Elemente eine
der meist angewendeten Techniken der Speziesanalytik (Montes-Bayón et al. 2003). Für
die Analytik von Selenspezies in Urin wurden bereits verschiedene
flüssigchromatographische Trennmechanismen wie die Umkehrphasen- (RP: reversed
phase) (Gammelgaard et al. 2005; Kühnelt et al. 2007), die Ionenpaar- (IP: ion pairing)
(Zheng et al. 2000) und die Ionenaustauschchromatographie (IEC: ion exchange
chromatography) (Gammelgaard und Jons 2000; Kühnelt et al. 2005, 2006 a) eingesetzt.
Chromatographische Trennmechanismen 2.4.1
Umkehrphasen- und Ionenpaarchromatographie
Die Umkehrphasenchromatographie ist vermutlich das gängigste Trennverfahren in der
Flüssigchromatographie (Monte-Bayón et al. 2003). Die Trennung der Analyten erfolgt
aufgrund von Verteilungsvorgängen zwischen der unpolaren stationären Phase (meist mit
C8- oder C18-Ketten modifiziertes Kieselgel) und der polaren mobilen Phase. Des
Weiteren beeinflussen Adsorptionsvorgänge an der stationären Phase die Retention
(Schwedt und Vogt 2010). Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass häufig hohe
organische Lösemittelanteile in der mobilen Phase zur Elution hydrophober Analyten
verwendet werden, die mit der ICP-MS-Technik nicht vereinbar sind (Montes-Bayón et al.
2003). Obwohl mit dieser Methode eine Vielzahl unterschiedlicher Analyten getrennt
werden kann, eignet sie sich nur bedingt zur Trennung polarer und geladener Substanzen
(Michalke 2002 b). Eine mögliche Abhilfe ist der Zusatz von Ionenpaarreagenzien in die
mobile Phase von konventionellen Umkehrphasensystemen, um diese Spezies neben
neutralen Spezies trennen zu können (Michalke 2002 b, Ponce De León et al. 2002).
Ionenpaarreagenzien sind lipophile Ionen wie beispielsweise Alkansulfonsäuren oder
quartäre Alkylammoniumverbindungen. Für den Trennmechanismus werden zwei
unterschiedliche Modelle diskutiert: (I) Dynamisches Modell: Die Analyt-Ionen bilden
zusammen mit dem Ionenpaarreagenz (IPR) neutrale Ionenpaare, die dann an der RP-
Phase reteniert werden; (II) Stationäres Modell: Die Ionenpaarreagenzien lagern sich an
der Oberfläche der stationären Phase an und verleihen der Oberfläche somit
Eigenschaften eines Ionenaustauschers, mit der dann das Analyt-Ion in Wechselwirkung
tritt (Abbildung 2 a) (Gey 2008; Schwedt und Vogt 2010). Die Vorteile der
Ionenpaarchromatographie liegen in den zahlreichen Parametern, die im Rahmen der
Methodenentwicklung variiert werden können. Dazu gehören neben dem Säulenmaterial,
der Art und Konzentration des Ionenpaarreagenzes und weiterer Eluentzusätze auch der
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 7
pH-Wert des Fließmittels und der Anteil an organischem Lösevermittler (Schwedt und
Vogt 2010).
Ionenaustauschchromatographie
In der Ionenaustauschchromatographie (IEC: ion exchange chromatography) werden
stationäre Phasen mit elektrischen Ladungen an der Oberfläche verwendet. Abhängig von
den chemischen Gruppen (SO3-, COO-, NH3
+, NR3+), die an der Oberfläche der Matrix
gebunden sind und der daraus resultierenden Trenneigenschaft, unterscheidet man
zwischen Anionen- (AEC: anion exchange chromatography) und
Kationenaustauschchromatographie (CEC: cation exchange chromatography) (siehe
Abbildung 2 b und c).
Abbildung 2: Schematische Darstellung unterschiedlicher flüssigchromatographischer Trennmechanismen: a) Stationäres Modell der Ionenpaarchromatographie (IPR: Sodium-1-butansulfonat); b) Kationenaustauscher; c) Anionenaustauscher (A: Analyt; E: Eluent)
8 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Der Trennmechanismus beruht auf der Wechselwirkung der geladenen
Zielmoleküle/Analyten mit der gegensätzlich geladenen Oberfläche der stationären
Phase. Die in der mobilen Phase enthaltenen Ionen konkurrieren dabei mit den Analyten
um die Bindung an der stationären Phase. Die relative Retention auf der Säule hängt
somit von der Ionenstärke (Art und Konzentration) des Laufmittels, dem pH-Wert des
Laufmittels sowie den Eigenschaften der stationären Phase ab (Gey 2008; Michalke
2002 b; Ponce De León et al. 2002; Schwedt und Vogt 2010). Des Weiteren müssen bei
organischen Spezies zusätzlich hydrophobe Wechselwirkungen mit der Matrix der
stationären Phase berücksichtigt werden, welche die Retention verändern und durch die
Zugabe von organischen Lösemitteln zur mobilen Phase beeinflusst werden können
(Michalke 2002 b).
Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) 2.4.2
Die Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma ist eine analytische Methode
der anorganischen Elementanalytik, die eine simultane Bestimmung einer Vielzahl von
Elementen mit sehr niedrigen Nachweisgrenzen ermöglicht (Gey 2008). In Abbildung 3 ist
der prinzipielle Aufbau eines ICP-MS-Gerätes dargestellt.
Abbildung 3: Schematischer Aufbau eines ICP-MS-Gerätes mit Reaktions-/Kollisionszelle
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 9
In der Fackel (Torch) wird das Plasma aus Argon (Ar) erzeugt. Durch Starten des ICP-MS
wird mit Hilfe eines Zündfunkens ein Teil des Plasmagases in positive geladene Ar-Ionen
und Elektronen überführt. Das an der Spule mit Hilfe des Hochfrequenzgenerators
erzeugte Magnetfeld kann Strom in das Gas induzieren. Dies führt zu einer
Temperaturerhöhung und zur Ionisation weiterer Ar-Atome. Ein Gas, welches als Ionen
und freie Elektronen vorliegt, bezeichnet man als Plasma. Im vorliegenden Fall wird durch
die induzierte Energie im Plasma eine Temperatur von 6000 – 10000 K erreicht. Damit
diese Temperaturen das Quarzglas der Fackel nicht schmelzen wird zeitgleich Argon als
Kühlgas zugeleitet (Gey 2008; Ponce De León et al. 2002; Thomas 2013).
Über den Zerstäuber wird in der Sprühkammer aus der flüssigen Probe ein Aerosol
erzeugt und gelangt mit dem Trägergas ins Plasma. Dort werden die Tröpfchen
getrocknet, in Moleküle zersetzt, atomisiert und anschließend ionisiert (Thomas 2013).
Das Interface, bestehend aus Sampler und Skimmer Konus, verbindet die Ionenquelle mit
dem Massenspektrometer und muss dabei sowohl die Temperaturabnahme von 6000 K
auf Raumtemperatur als auch den Druckabfall von Atmosphärendruck zum Hochvakuum
bewerkstelligen. Zwischen den beiden Konen liegt ein Vorvakuum an, durch das die
erzeugten Ionen in das Interface überführt werden. Durch den Druckunterschied am
Skimmer werden die Ionen anschließend in das Hochvakuum gezogen und dort durch die
Ionenoptik fokussiert. Die Stoppblende in diesem Bereich dient dazu, störende Photonen
zurückzuhalten (Gey 2008). In Geräten der neueren Generation ist zwischen der
Ionenoptik und dem Massenspektrometer zusätzlich eine Kollisions-/Reaktionszelle
eingebaut, um Interferenzen wie doppelt geladene Ionen und polyatomare Ionen zu
minimieren. Hierzu können in die Zelle Gase wie Helium, Wasserstoff, Sauerstoff oder
Ammoniak eingeleitet werden, die dann durch kinetische oder chemische
Reaktionsmechanismen zu einer Verminderung der Interferenzen führen (Thomas 2013).
Anschließend folgt der Massenfilter, in den meisten ICP-MS-Geräten ist dies ein
Quadrupol-Massenspektrometer. Dabei handelt es sich um vier parallel liegende
Elektroden, an denen sowohl eine Gleich- als auch eine Wechselspannung anliegt, die die
Ionen auf spiralförmige Bahnen drängen und nach ihrem Masse/Ladungsverhältnis
auftrennen. Je nach anliegender Spannung gelangt nur eine bestimmte Masse zum
Detektor. Im Detektor werden die Ionen gemessen und in das Messsignal CPS (counts
per second) umgewandelt (Gey 2008; Thomas 2013).
10 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
2.5 Die Rolle von Selen im menschlichen Körper
Selen ist wie z.B. Eisen und Jod ein für den Menschen essentielles Spurenelement. Unter
essentiellen Spurenelementen versteht man Nahrungsinhaltsstoffe, die im Körper nur in
geringen Mengen vorkommen (
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 11
Abbildung 4: Selen im Schilddrüsenhormonstoffwechsel: Inaktivierung und Aktivierung der Schilddrüsenhormone durch Iodothyronin-Deiodinasen (DIO) nach Fairweather-Tait et al. (2011) (T4: Thyroxin; T3: 3,3′,5-Triiod-L-thyronin; rT3: 3,3′,5′-Triiod-L-thyronin; 3,3′T2: 3,3′-Diiod-L-thyronin)
Eine weitere wichtige Rolle hat Selen im anti-oxidativen Schutzsystem gegen reaktive
Sauerstoffspezies (ROS). ROS sind für den Organismus schädliche Formen des
Sauerstoffs (z.B. Hydroxyl-Radikal, Ozon, Wasserstoffperoxid, Hydroperoxide) und
werden sowohl endogen gezielt als Signalstoff, Abwehrstoff oder als Nebenprodukt der
Atmungskette gebildet oder exogen z.B. durch UV- und Röntgenstrahlung erzeugt (Valko
et al. 2006). Um die Dauer und den Umfang der Belastung durch ROS zu minimieren, hat
der Körper Abwehrmechanismen entwickelt, zu denen auch die beiden Enzyme GPx und
TrxR gehören (Brigelius-Flohé und Maiorino 2013; Nordberg und Arnér 2001). Die
Aufgabe von GPx ist die Katalyse des Abbaus von Wasserstoffperoxid bzw. organischen
Peroxiden unter Glutathionverbrauch zu Wasser bzw. den entsprechenden Alkoholen
(Brigelius-Flohé und Maiorino 2013). Die TrxR bildet zusammen mit Thioredoxin und
NADPH das Thioredoxin-System und reguliert dadurch eine Fülle von Redox-Signal-
Vorgängen (Hawkes und Alkan 2010). Abbildung 5 zeigt schematisch die ablaufenden
Reaktionen beider Enzyme. Neben diesen beiden Enzymen wurde mittlerweile für einige
weitere Selenoproteine wie z.B. Selenoprotein W, H und T sowie das
15kDa Selenoprotein eine Beteiligung am anti-oxidativen System nachgewiesen
(Fairweather-Tait et al. 2011). Des Weiteren wird ein niedriger Selenstatus mit einer
erhöhten Sterblichkeit, einem schwachen Immunsystem und einem Rückgang der
kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht, wohingegen hohe Selengehalte bzw. eine
ergänzende Supplementation einen antiviralen Effekt haben und förderlich für die
Fortpflanzung sind (Rayman 2000; Rayman 2012). Verschiedene Studien haben Hinweise
auf ein vermindertes Risiko für Prostata- (Brinkman et al. 2006; Etminan et al. 2005;
12 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Peters und Takata 2008), Lungen- (Zhuo et al. 2004), Blasen- (Amaral et al. 2010) und
Dickdarmkrebs (Peters und Takata 2008) gezeigt. Die Ergebnisse der Studien waren
allerdings nicht eindeutig, weshalb eine zusätzliche Einnahme bzw. ein Effekt durch Selen
nur bei unzureichender Selenaufnahme förderlich sein könnte (Rayman 2012).
Abbildung 5: Selenoproteine im antioxidativen Schutzsystem: a) Reduktion von Peroxiden durch GPx unter Glutathion-Verbrauch nach Brigelius-Flohé und Maiorino (2013) (ROOH: ROS mit Peroxid-Struktur); b) Thioredoxin-System zum Schutz des intrazellulären Redoxgleichgewichts nach Holmgren und Lu (2010)
2.6 Optimale Selenaufnahme
Für die Festlegung der optimalen Aufnahme von essentiellen Nährstoffen müssen zwei
Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Zum einen muss die aufgenommene Menge
mindestens so hoch sein, dass alle Körperfunktionen normal funktionieren und keine
Mangelerscheinungen auftreten. Zum anderen darf die aufgenommene Menge maximal
so hoch sein, dass die normale Körperfunktion weiterhin gewährleistet ist und keine
adversen Effekte auftreten. Zur Festlegung dieses Bereichs wurden die beiden Richtwerte
„empfohlene Tagesdosis“ (RDA: Recommended Daily Allowance) und „tolerable upper
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 13
intake level“ (UL) eingeführt (Renwick et al. 2004). Der RDA ist definiert als die Menge
eines essentiellen Nährstoffes, der nach wissenschaftlichem Kenntnisstand ausreicht, um
den täglichen Bedarf der meisten gesunden Menschen (97 – 98%) zu decken (Otten et al.
2006). Als UL bezeichnet man die maximale chronische Gesamtzufuhr eines Nährstoffes
aus allen Quellen, die als unwahrscheinlich beurteilt wird, eine gesundheitliche
Gefährdung für den Menschen darzustellen (Otten et al. 2006).
Abbildung 6: Schematische Darstellung der Expositions-Wirkungs-/Risiko-Beziehung von Selen (RDA: Recommended Daily Allowance; UL: Tolerable Upper Intake Level; NOAEL: No Observed Adverse Effect Level; LOAEL: Lowest Observed Adverse Effect Level)
Für das Spurenelement Selen ist dieser Bereich sehr schmal und mit einigen
Unsicherheiten aufgrund kontroverser Studienergebnisse verbunden (siehe Abbildung 6).
Darüber hinaus ist eine Grundsatzfrage, ob man die optimale Einnahme als Prävention
vor Mangelerkrankungen oder zur Verringerung chronischer Erkrankungen wie
beispielsweise Krebs und kardiovaskulärer Erkrankungen bezeichnet (Nève 2000).
Der Referenzwert für die Zufuhr von Selen wird von der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung e.V. (2008) für Erwachsene zwischen 30 und 70 µg angegeben und stimmt
größtenteils mit den Empfehlungen anderer Länder bzw. Organisationen überein (Tabelle
14 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
1). Diese Werte sind meist von den Studien von Duffield et al. (1999) und Xia et al. (2005)
abgeleitet, die als ausschlaggebendes Kriterium für eine ausreichende Versorgung die
maximale Glutathionperoxidase-Aktivität herangezogen haben. Die Festlegung
berücksichtigt allerdings nicht die potentiell protektiven Effekte, die Selen auf
verschiedene Erkrankungen wie Krebs, HIV-Infektionen und kardiovaskuläre
Erkrankungen bei erhöhter Selenzufuhr haben soll, und wird deshalb zum Teil als
unzureichend kritisiert (Rayman 2002). Combs et al. (2001) ermittelte beispielsweise
Werte von 96 – 120 µg/Tag für einen protektiven Effekt gegen Krebs.
Tabelle 1: RDA- und UL-Werte für Selen beim Erwachsenen
Land/Region RDA [µg/Tag]
UL [µg/Tag]
Literatur
Männer Frauen Männer/Frauen
Australien, Neuseeland 70 60 400 NHMRC (2006)
Deutschland, Österreich, 30 – 70 30 – 70 --- DGE (2000)
Schweiz
Europa 55 55 300 SCF (2006)
Vereinigtes Königreich 75 60 450 COMA (1991)
Vereinigte Staaten, 55 55 400 NAS (2000)
Kanada
WHO 40 30 400 WHO (1996)
NHMRC: National Health and Medical Research Committee; DGE: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.; SCF: Scientific Committee on Food; COMA: Committee on Medical Aspects of Food and Nutrition Policy; NAS: National Academy of Sciences; WHO: World Health Organisation
Der UL-Wert für Selen liegt im Bereich von 300 bis 450 µg/Tag (Tabelle 1) und wurde
ausgehend vom No Observed Adverse Effect Level (NOAEL) beziehungsweise dem
Lowest Observed Adverse Effect Level (LOAEL) unter Berücksichtigung von
Sicherheitsfaktoren abgeleitet. NOAEL und LOAEL sind Endpunkte für die
Toxizitätsbestimmung und entsprechen der Dosis oder Expositionskonzentration bei der
keine (NOAEL) oder erste (LOAEL) adverse Effekte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe
statistisch signifikant auftreten (Duffus et al. 2007). Für Selen wurden diese
Konzentrationen in Folge einer endemischen Selenintoxikation in China und aus Studien
in selenreichen Gebieten der USA ermittelt. Die Konzentration, bei der keine klinischen
Symptome einer Selenosis auftraten (NOAEL), lag bei 800 µg/Tag, erste klinische
Symptome wurden bei 910 µg/Tag festgestellt (Longnecker et al. 1991; Yang et al. 1989;
Yang und Zhou 1994).
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 15
Neuere epidemiologische Studien geben den Hinweis, dass bei einer täglichen Selen-
Aufnahme von 200 µg bei Personen mit hohen Ausgangsspiegeln eine geringe
Risikoerhöhung besteht, an Diabetes mellitus (siehe Abschnitt 2.9.2) zu erkranken
(Lippman et al. 2009; Stranges et al. 2007). Andere Studien, die den Zusammenhang von
Selen und Diabetes untersucht haben, unterstützen diese Ergebnisse (Bleys et al. 2007;
Czernichow et al. 2006; Laclaustra et al. 2009). Das Diabetesrisiko wurde bei der
Ableitung der Maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK) sowie bei der Evaluierung des
Biologischen Arbeitsstoff-Toleranzwertes (BAT) als kritische Toxizität bewertet (Hartwig
2011; Drexler und Hartwig 2011). Aufgrund dieser Studien wurde die Maximale
Arbeitsplatzkonzentration im Jahr 2010 von 0,05 mg Selen/m3 E auf 0,02 mg Selen/m3 E
(entspricht ca. 200 µg Se/Tag) abgesenkt (Hartwig 2011) und ein BAT-Wert von
150 µg Se/L Serum festgelegt (Drexler und Hartwig 2011).
2.7 Expositionsquellen
Selenaufnahme über die Nahrung 2.7.1
Der wichtigste Aufnahmeweg von Selen ist die Nahrung (Navarro-Alarcón und Cabrera-
Vique 2008). Die Menge von Selen in den Nahrungsmitteln hängt bei Pflanzen v.a. vom
Gehalt und der Bioverfügbarkeit des Selens im Boden, auf dem es angebaut wird, ab und
bei tierischen Lebensmitteln von der Selenversorgung der Tiere über das Futter
(Fairweather-Tait et al. 2011). Neben der Versorgung der Pflanzen mit Selen ist ein
weiterer wichtiger Faktor, der den Selengehalt beeinflusst, die Fähigkeit der Pflanzen, das
Selen aufnehmen und speichern zu können. Pflanzen lassen sich diesbezüglich in drei
Kategorien unterteilen: nicht-Selen-akkumulierende Pflanzen (100 µg Se/g
Trockengewicht), Selen-akkumulierende Pflanzen (reichern Selen in direkter Abhängigkeit
zum Gehalt im Boden an, ≤ 1.000 µg Se/g Trockengewicht) und hyper-akkumulierende
Pflanzen (bis zu 40.000 µg Se/g Trockengewicht) (Broadley et al. 2006; Finely 2005;
Rayman et al. 2008). Zudem enthalten Pflanzen mit hohem Proteinanteil höhere
Selengehalte, da in der Biosynthese der Proteine das schwefelhaltige Methionin aufgrund
der strukturellen und chemisch ähnlichen Eigenschaften durch Selenmethionin ersetzt
werden kann (Navarro-Alarcón und López-Martinez 2000). Deshalb sind Obst und die
meisten Gemüsesorten aufgrund des hohen Wasseranteils und des damit
einhergehenden geringen Proteinanteils Lebensmittel, die nur einen geringen Anteil zur
täglichen Selenaufnahme beitragen (Navarro-Alarcón und Cabrera-Vique 2008;
16 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Sirichakwal et al. 2005). Lebensmittel, die als Hauptquelle der Selenzufuhr dienen, sind
Brot, Getreide, Fleisch, Geflügel, Fisch und Eier (Domke et al. 2004; Chun et al. 2010).
Aufgrund der weltweit unterschiedlichen Selengehalte der Böden (siehe Abschnitt 2.2)
variiert der Gehalt dieser Lebensmittelgruppen sehr stark. Dies zeigt Tabelle 2 beispielhaft
für die Länder Deutschland, USA, Venezuela (als Land mit selenreichen Böden) sowie
einem Gebiet in China, in dem endemisch die Selenmangelerkrankung „Keshan-
Krankheit“ auftritt. Die geographische Variation, die sich beispielweise sehr ausgeprägt
beim unterschiedlichen Selengehalt der Milch (2 – 140 µg/L) zeigt (Alaejos und Romero
1995), konnte durch den Einsatz von selenhaltigen Futtermitteln in den vergangenen
Jahren reduziert werden (Combs 2001).
Tabelle 2: Selengehalt (µg/g) der Hauptlebensmittelklassen verschiedener Länder im Vergleich (Combs 2001)
Lebensmittel USA Deutschland Venezuela(1) China(2)
Getreideprodukte 0,06 – 0,66 0,03 – 0,88 0,123 – 0,51 0,005 – 0,02
Gemüse 0,001 – 0,14 0,04 – 0,10 0,002 – 2,98 0,002 – 0,02
Obst 0,005 – 0,06 0,002 – 0,04 0,005 – 0,06 0,001 – 0,003
Fleisch 0,08 – 0,50 0,13 – 0,28 0,17 – 0,83 0,01 – 0,03
Geflügel 0,01 – 0,26 0,05 – 0,15 0,10 – 0,70 0,02 – 0,06
Fisch 0,13 – 1,48 0,24 – 0,53 0,32 – 0,93 0,03 – 0,20
Milchprodukte 0,01 – 0,26 0,01 – 0,10 0,11 – 0,43 0,002 – 0,01
Eier 0,06 – 0,20 0,05 – 0,20 0,50 – 1,5 0,02 – 0,06
(1) Gebiet mit selenreichen Böden (2) Gebiet mit selenarmen Böden und endemisch vorkommender Keshan-Krankheit
Bei der Abschätzung der durchschnittlich über die Nahrung aufgenommenen Selenmenge
gilt es zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich bei der Zubereitung der Lebensmittel der
Selengehalt durch Verflüchtigung oder Verlust (z.B. Abgabe an das Kochwasser)
reduzieren kann (Higgs 1972; Thomson und Robinson 1990). Aufgrund der
beschriebenen geographischen Gegebenheiten sowie der regional- und kulturell-
variierenden Zusammensetzung der Nahrung, schwanken die alimentär aufgenommenen
Selenmengen zwischen verschiedenen Ländern beträchtlich. Tabelle 3 fasst die
durchschnittlich pro Person pro Tag aufgenommene Selenmenge für verschiedene
Länder zusammen. Der Grad der Verlässlichkeit solcher Erhebungen ist aufgrund von
variierenden Methoden sowie großen interindividuellen Ernährungsunterschieden
unbeständig. Die Untersuchungen zeigen aber die immense Spanne der Einnahme
weltweit. Das Beispiel Finnland hat gezeigt, wie stark die Versorgung des Menschen
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 17
durch den Selengehalt der Nahrung beeinflusst wird. Im Jahr 1984 hat die finnische
Regierung den Einsatz von Natriumselenat als Zusatz von Düngemittel für Getreide und
Tierfutter beschlossen, woraufhin innerhalb kürzester Zeit die Konzentrationen in den
Lebensmitteln um das Vierfache anstiegen und sich im Folgenden die Selenversorgung
der Bevölkerung verbessert hat, so dass im Jahr 1991 die Menge der Zusätze wieder
gesenkt wurde (Aro et al. 1995).
Tabelle 3: Daten der in verschiedenen Ländern aufgenommenen Selenmengen
Land Aufgenommene Selenmenge Literatur [µg Se/Person pro Tag]
Australien 57 – 87 Fardy et al. (1989)
Belgien 28 – 61 Robberecht und Deelstra (1994)
Brasilien 28 – 37 Maihara et al. (2004)
China 7 – 4990 Combs (2001)
Deutschland 38 – 47 Oster und Prellwitz (1989) 30 – 42 Müller et al. (2003)
Finnland vor 1984 25 Aro et al. (1995) 1984 - 1990 110 ab 1991 85
Indien 20 – 50 Mahalingam et al. (1997)
Irland 50 Murphy et al. (2002)
Japan 104 Miyazaki et al. (2001)
Kanada 113 – 220 Thompson et al. (1975)
Kroatien 27 Klapec et al. (1998)
Neuseeland 49 – 67 Thomson et al. (1990)
Polen 30 – 40 Wasowicz et al. (2003)
Portugal 37 Reis et al. (1990)
Slowakei 38 Kadrabová et al. (1998)
Slowenien 30 Pokorn et al. (1998)
Schweden 38 Becker und Kumpulainen (1993)
Schweiz 55 – 70 Haldimann et al. (1996)
Spanien 35 Díaz-Alarcón et al. (1996)
Türkei 44 – 51 Giray und Hincal (2004)
USA 106 NAS (2000)
Venezuela 200 – 350 Combs (2001)
Vereinigtes Königreich
29 – 39 MAFF (1997)
NAS: National Academy of Sciences; MAFF: Ministry of Agriculture, Fisheries and Food
Für die Selenversorgung des Menschen ist nicht allein die enthaltene Menge des
Nahrungsmittels, sondern ebenso die enthaltene Spezies entscheidend (Fordyce 2013),
da sich die unterschiedlichen chemischen Verbindungen in ihrer Bioverfügbarkeit und
18 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Verteilungsvorgängen im Körper unterscheiden (Fairweather-Tait et al.
2011; Finley 2006). Im Gegensatz zu anderen essentiellen Spurenelementen wie Eisen
und Zink ist eine Besonderheit von Selen, dass es in kovalent gebundener Form vorliegt.
Generell sind nur wenige Informationen über die genaue Spezieszusammensetzung von
einzelnen Lebensmitteln bzw. die Beeinflussung dieser durch deren Zubereitung bekannt.
Abbildung 7 zeigt die Strukturformeln von Selenspezies, die in verschiedenen
Nahrungsmitteln nachgewiesen wurden. In Bezug auf die Arbeiten zur Identifikation
einzelner Spezies muss berücksichtigt werden, dass diese meist in Zeiten weniger gut
entwickelter analytischer Geräte entstanden sind, als sie heutzutage zur Verfügung
stehen. Deshalb besteht in diesem Bereich noch viel Forschungsbedarf (Rayman et al.
2008).
Abbildung 7: Strukturformeln der natürlich über die Nahrung aufgenommenen Selenverbindungen
Tabelle 4 gibt einen Überblick über verschiedene Studien, die Selenspezies in
Lebensmitteln sowie deren Anteil am Gesamtselen untersucht haben. In den meisten
pflanzlichen Produkten ist das Selen überwiegend in Form der Aminosäure
Selenmethionin gebunden. Eine Ausnahme bilden dabei die hyper-akkumulierenden
Pflanzen. Hier liegt das Selen meist in Form nicht-proteinogener Aminosäuren wie
Se-Methylselenocystein und γ-Glutamyl-Se-methylselenocystein vor (Broadley et al.
2006). Hierzu gehören Pflanzen der Gattungen Allium und Brassica mit Vertretern wie
Brokkoli, Rettich, Kohl, Knoblauch, Zwiebeln und Lauch (Rayman 2008). In tierischen
Produkten wurde sowohl Selenmethionin als auch Selenocystein nachgewiesen (Bierla et
al. 2008). In Meerestieren konnte in neueren Studien Selenoneine, eine neue
Selenspezies nachgewiesen werden (Yamashita und Yamashita 2010; Yamashita et al.
2013).
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 19
Tabelle 4: Übersicht über den Selengehalt und die Spezieszusammensetzung verschiedener Lebensmittel
Nahrungsmittel Setotal-Konz. Spezies Anteil am Setotal Studie
[µg Se/g] [%]
Getreideprodukte
Weizen(a)
29,5 ± 0,2 SeMet 58 Cubadda et al. (2010)
SeMCys
20 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Eine Besonderheit unter den Lebensmitteln stellen die Samen des Paranussbaums
(Bertholletia excelsa) dar. Bereits ein Samen deckt die empfohlene Tagesdosis der
US-Behörden (Yang 2009). Die Proteine der Paranuss sind reich an schwefelhaltigen
Aminosäuren, die in der Gegenwart von Selen zum Teil durch selenhaltige Aminosäuren
ersetzt werden (Ampe et al. 1986; Jayasinghe und Caruso 2011). Es wurden bereits
Selenintoxikationen durch den Verzehr von Paradiesnüssen beschrieben, die von
Bäumen derselben Pflanzenfamilie stammen (Müller und Desel 2010).
Exposition durch Nahrungsergänzungsmittel 2.7.2
Neben der Aufnahme von Selen über die Nahrung ist eine weitere Expositionsquelle die
Supplementation mit selenhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). NEM sind per
Gesetz definiert als in dosierter Form in den Verkehr gebrachte Konzentrate von
Nährstoffen, die die individuelle Ernährung ergänzen können (NemV 2004). In
Deutschland sind zahlreiche Präparate sowohl als Mono- als auch als Multipräparate
erhältlich, die sich in ihrer Zusammensetzung, Dosierung und der als Selenquelle
verwendeten Spezies unterscheiden. Die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV)
erlaubt die Verwendung von Natriumselenit, Natriumhydrogenselenit und Natriumselenat
als Selenquelle. Diese Positivliste wurde durch eine Verordnung der Europäischen
Gemeinschaft mit L-Selenmethionin, Selenhefe und seleniger Säure ergänzt
(Verordnung (EG) Nr. 1170/2009). Bei Selenhefen handelt es sich um Hefen, die auf
Selenit-haltigen Medien kultiviert wurden und in getrockneter Form nicht mehr als
2,5 mg Se/g enthalten. Die Selenspezies, die in diesen Präparaten überwiegend vorliegt,
ist Selenmethionin (60 - 85%). Die Selenhefe-Präparate enthalten neben dem
vorgeschriebenen Anteil an Selenmethionin weitere Selenspezies, wobei die genaue
Zusammensetzung allerdings oftmals nicht im Detail bekannt ist (Rayman 2004).
Selenverbindungen wie Selenocystein (10%) und anorganisches Selen (1%) dürfen
jedoch bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Untersuchungen haben eine Vielzahl von
Spezies in Selenhefe-Extrakten nachgewiesen: Selenmethionin-Se-oxid, Se-Methyl-
Selenocystein, Selenit, Selenat, Se-Homocystein, Se-Cystathionin, γ-Glutamyl-Se-
Methylselenocystein und Se-Methylselenoglutathion (Amoako et al. 2009; Dernovics et al.
2009; Rayman 2004).
Die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln in der Bevölkerung hat in den
vergangenen Jahren in Deutschland und weiteren europäischen Ländern zugenommen
(Messerer et al. 2001; Reinert et al. 2007; Touvier et al. 2006). Eine Untersuchung von
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 21
Skeie et al. (2009) zum Nahrungsergänzungsmittelkonsum in Europa zeigte, dass es
europaweit große Unterschiede im Einnahmeverhalten gibt (Tabelle 5). Generell nahmen
Frauen häufiger NEM ein als Männer. Dies wurde v.a. auf die Einnahme von Eisen- und
Calciumpräparaten gegen Anämien und Osteoporose zurückgeführt, Erkrankungen die
bei Frauen häufiger auftreten. Des Weiteren zeigte die Untersuchung, dass in der Regel
mit höherem Alter der Konsum von NEM steigt.
Tabelle 5: Daten zur Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln in Europa (Skeie et al. 2009)
Land Frauen Männer
Anteil NEM-Anwender
davon Mineralstoff-haltige NEM
Anteil NEM-Anwender
davon Mineralstoff-haltige NEM
[%] [%]
Dänemark 65,8 41 51,0 36
Deutschland 27,0 42 20,7 32
Frankreich 32,4 52 --- ---
Griechenland 6,7 60 2,0 29
Italien 12,6 38 6,8 23
Niederlande 32,1 42 16,0 33
Norwegen 60,6 25 --- ---
Schweden 42,4 34 30,5 30
Spanien 12,1 52 5,9 33
Vereinigtes Königreich 47,5 20 36,6 13
Die Daten von Skeie et al. (2009) aus Deutschland stimmen sehr gut mit der nationalen
Verzehrstudie II aus dem Jahr 2008 überein. In dieser Untersuchung konsumierten 24,2%
der Männer und 30,9% der Frauen Nahrungsergänzungsmittel (MRI 2008). Die Anzahl
der verschiedenen in Deutschland konsumierten Präparate, die Selen enthalten, ist nicht
bekannt. Die Untersuchung von Skeie et al. zeigte aber, dass eine Vielzahl der
konsumierten Präparate Mineralstoff-haltig war. Daten aus dem National Health and
Nutrition Examination Survey (NHANES) der USA zeigen, dass der Anteil an
selenhaltigen NEM von 1% in den Jahren 1999/2000 auf 19% in der Erhebung von
2003-2006 anstieg (Bailey et al. 2011; Radimer et al. 2004). Daraus lässt sich folgern,
dass die Einnahme dieser Präparate in der Gesellschaft eine immense Rolle spielt.
Eine Höchstmenge für Selen in Nahrungsergänzungsmitteln ist nicht festgelegt. Das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlägt eine Höchstmenge von
25 - 30 µg/Tagesdosis vor, die aber von vielen Präparaten überschritten wird (Domke et
al. 2004). Aufgrund der variierenden Dosierungen der einzelnen Präparate, die oftmals
über der Empfehlung des BfR liegen, und der Tatsache, dass teilweise auch mehrere
22 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Nahrungsergänzungsmittel gleichzeitig eingenommen werden (Skeie et al. 2009), ist
dieser Expositionsweg auch im Hinblick auf potentielle Überdosierungen von
zunehmender Bedeutung.
Industrielle Verwendung von Selen 2.7.3
Am Arbeitsplatz handelt es sich bei Expositionen gegenüber Selen in der Regel um
dermale oder inhalative Belastungen gegenüber elementarem Selen oder anorganischen
Selenverbindungen (Hartwig 2011). Die weltweite Jahresproduktion an Selen ist in den
vergangenen 50 Jahren stetig von unter Tausend Tonnen auf über 2000 Tonnen im Jahr
2009 gestiegen (Butterman und Brown 2004; George 2012).
Das Einsatzgebiet von Selen in Industrie und Technik ist vielseitig. Die größten Abnehmer
sind die Metall-verarbeitende Industrie (40%), die Glasindustrie (25%), die Landwirtschaft
(10%), die Halbleiter- und Elektroindustrie (10%) sowie die chemische Industrie (10%)
(George 2012). In der Halbleiter- und Elektroindustrie wird hauptsächlich graues,
kristallines Selen aufgrund seiner hervorragenden, belichtungsabhängigen Leitfähigkeit
und Wärmeleitfähigkeit verwendet. Es findet Einsatz in Gleichrichtern, Photozellen,
Radaranlagen, Kopier- und Laserdruckern (Butterman und Brown 2004; Glover 1954). Die
Glasindustrie verwendet beispielsweise Cadmiumsulfoselenid zum Erzeugen einer
orange-roten Farbe bei der Glasherstellung sowie Beimengungen von elementaren Selen,
Bariumselenit oder Natriumselenit zur Entfärbung von Gläsern. Ebenso werden
Selenpigmente in Farben und Lacken verwendet (Butterman und Brown 2004; Glover
1954). Einen weiteren großen Einsatzbereich hat Selen in der chemischen und
pharmazeutischen Industrie. Neben der Herstellung von den bereits erwähnten
Nahrungsergänzungsmitteln (siehe 2.7.2) wird es in Form von Selensulfiden als
Zusatzstoff in Haarpflegemitteln gegen Schuppen eingesetzt (Butterman und Brown 2004;
Reilly 2006). Die chemische Industrie verwendet es als Polymerisations- und
Vulkanisationsmittel in der Gummiherstellung, als Katalysator (Selenid) oder
Oxidationsmittel (Selendioxid) (Butterman und Brown 2004).
Neben einigen Fallberichten liegen nur wenige Studien zur Exposition an
selenverarbeitenden Arbeitsplätzen vor (Greim 1999). In einer arbeitsmedizinischen
Feldstudie wurde die Exposition von 20 Beschäftigten (Alter 30 – 55 Jahre) aus
verschiedenen Bereichen der Selenveredelung untersucht. Hierbei wurde die äußere
Belastung durch zweimalige personenbezogene Messung der Gesamtselenkonzentration
in der Luft über zwei Stunden sowie die innere Belastung durch Bestimmung der
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 23
Gesamtselenkonzentration in Plasma (nach Schicht) und Urin (vor und nach Schicht)
erfasst. Eine Differenzierung der Expositionsspezies (elementares Selen und
anorganische Selensalze) war aufgrund häufig wechselnder Tätigkeiten am Arbeitstag
nicht möglich. Zum Vergleich wurde ein altersangepasstes Kontrollkollektiv (n=20)
untersucht. Die gemessene Selenkonzentration in der Luft (Median: 110 µg Se/m3 E;
Bereich: 8 – 950 µg Se/m3 E) überschritt bei 67% der Beschäftigten den damaligen MAK-
Wert von 50 µg Se/m3 E. Die Selenkonzentration im Plasma lag in den Nachschichturinen
im Bereich von 12 - 181 µg/L (Median: 118 µg/L) und im Kontrollkollektiv zwischen 52 und
102 µg/L. Als Referenzwert wurde das 95. Perzentil der Kontrollgruppe (102 µg/L)
herangezogen. Dieser wurde von 80% der Nachschichtwerte überschritten. Die
Selenkonzentrationen in den vor und nach der Schicht gemessenen Urinproben (vor
Schicht: 10 - 815 µg/g Kreatinin, Median: 43 µg/g Kreatinin; nach Schicht: 10 – 437 µg/g
Kreatinin, Median: 56 µg/g Kreatinin) lagen deutlich über dem Referenzwert des
Kontrollkollektivs (95. Perzentil: 32 µg/g Kreatinin). Es bestand allerdings kein statistisch
signifikanter Unterschied zwischen den vor und nach der Schicht gewonnen Proben,
ebenso zeigte sich keine gleichsinnige Entwicklung über die Schicht hinweg (Schaller et
al. 2008).
24 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
2.8 Bioverfügbarkeit und Metabolismus von Selen
Bioverfügbarkeit 2.8.1
In den Ernährungswissenschaften ist die Bioverfügbarkeit definiert als die Absorption und
Verwertung eines Nährstoffes im Körper und umfasst somit neben der Absorption auch
dessen Speicherung und Ausscheidung (Krebs 2001; Lowe und Wiseman 1998). Die
genauen Aufnahmewege der unterschiedlichen Selenspezies sind bisher nicht im Detail
bekannt (Fairweather-Tait et al. 2010). Für Selenat wird eine intestinale Aufnahme analog
zu Sulfat über relativ unspezifische Anionentransporter angenommen (Shennan 1988;
Wolffram et al. 1985). Im Gegensatz dazu wird bei Selenit von einer passiven Diffusion
ausgegangen (McConnell und Cho 1965; Wolffram et al. 1985). Für die organischen
Selenverbindungen Selenmethionin, Selenocystein und Se-Methylselenocystein wurden
eine Reihe intestinaler Aminosäuretransporter beschrieben (Nickel et al. 2009).
Selenmethionin wird dabei wie Methionin durch einen Natrium-vermittelten
Carriertransporter im Dünndarm absorbiert (Wolffram et al. 1989). Im Allgemeinen ist die
Absorption sowohl von organischen als auch von anorganischen Selenverbindungen
relativ hoch (Finley 2006). Die Ergebnisse verschiedener Studien zur Absorption und
Elimination von Natriumselenat, Natriumselenit, Selenmethionin und Selenhefe sind in
Tabelle 6 zusammengefasst. In der Literatur wird die Absorption für Natriumselenat beim
Menschen mit >90% und für Natriumselenit mit 50 - 83% angeben. Bei Selenat wird
allerdings ein größerer Teil der absorbierten Menge renal eliminiert, so dass die Retention
im Körper bei beiden Verbindungen im Bereich von 30 - 40% liegt. Einen signifikanten
Unterschied zeigten die beiden Verbindungen in der kumulativen Urinausscheidung, 90%
der gesamt renal ausgeschiedenen Menge wurden im Mittel bei Selenat nach 40 Stunden
und bei Selenit nach 121 Stunden eliminiert (van Dael et al. 2001; Patterson et al. 1989;
Thomson und Robinson 1986). Selenmethionin wird zu über 90% resorbiert, ebenso
wurde für Selenhefe eine Absorption von etwa 90% beschrieben (Bügel et al. 2008;
Griffiths et al. 1976; Swanson et al. 1991). Um die Bioverfügbarkeit, insbesondere die
Verwertung und Speicherung unterschiedlicher Selenverbindungen im menschlichen
Organismus beurteilen zu können, wurden Supplementationsstudien durchgeführt, die als
Parameter den Selengehalt im Blut bzw. Plasma sowie die Glutathionperoxidaseaktivität
verwendeten. Es zeigte sich, dass die organischen Verbindungen zu einem schnelleren
und stärkeren Anstieg der Blutkonzentration führten als anorganische Verbindungen. Im
Hinblick auf die Glutathionperoxidaseaktivität im Plasma und Erythrozyten war kein
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 25
signifikanter Unterschied festzustellen, die Aktivität des Enzyms in Thrombozyten zeigte
jedoch ein empfindlicheres Ansprechen auf anorganische Verbindungen (Nève 1995).
Tabelle 6: Übersicht diverser Studien zur Bioverfügbarkeit von Selenat, Selenit, Selenmethionin und Selenhefe
Spezies Studiendesign Absorption Ausscheidung(X)
Retention(X)
Literatur
(Dosis, Probanden,
Studiendauer) [%] Urin [%] Faeces [%]
Selenat 40 µg 76
Se n=10 9 Tage
91 ± 1 45 ± 8 9 ± 1 46 ± 8 Van Dael et al. (2001)
1 mg n=10 5 Tage
94 ± 4 62 ± 11 6 ± 4 n.b. Thomson und Robinson (1986)
Selenit 40 µg 74
Se n=10 9 Tage
50 ± 8 9 ± 2 50 ± 8 41 ± 8 Van Dael et al. (2001)
200 µg 74
Se n=6 12 Tage
83 ± 1 17 ± 1 19 ± 1 35 ± 3 Patterson et al. (1989)
1 mg n=4
5 Tage 62 ± 14 21 ± 4 38 ± 14 n.b.
Thomson und Robinson (1986)
SeMet < 2µg 75
Se n=4 14 Tage
96 – 97 6 - 9 4 – 6 86 – 89 Griffiths et al. (1976)
200 µg 74
Se n=6 12 Tage
96 11 ± 1 4 ± 1 n.b. Swanson et al. (1991)
Selenhefe 327 µg 77
Se n=12 3 Tage
89 ± 4 15 ± 5 11 ± 4 74 ± 6 Bügel et al. (2008)
(X): am Ende der Studie; n.b.: nicht bestimmt; n: Anzahl der Probanden
Metabolismus und Elimination 2.8.2
Der Metabolismus von anorganischen und organischen Selenverbindungen erfolgt nach
bisherigem Kenntnisstand vorwiegend über das zentrale Stoffwechselzwischenprodukt
Selenid, welches als Quelle für die Synthese von Selenoproteinen und weiteren
Stoffwechselendprodukten gilt (Birringer et al. 2002; Ohta und Suzuki 2008; Whanger
2002).
Die Reduktion von Selenit findet entweder direkt durch eine Thioredoxinreduktase und
Thioredoxin zum Selenid (Lu et al. 2009) oder Glutathion-vermittelt über das intermediär
gebildete Selendiglutathion (GSSeSG) unter NADPH-Verbrauch und einer Glutathion-
Reduktase (GSR) statt (Hsieh und Ganther 1977). Selenat kann in Analogie zu Schwefel
26 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
durch die ATP-Sulfurylase zum Adensosinphosphoselanat aktiviert und anschließend zu
Selenit reduziert werden (Sors et al. 2005; Terry et al. 2000). Bisher wurde diese Reaktion
allerdings nur bei Bakterien und Landpflanzen beschrieben; die Bestätigung für den
Menschen fehlt bisher (Birringer et al. 2002).
Die Aminosäure Selenmethionin kann aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten zu
Methionin unspezifisch an dessen Stelle in Proteine wie zum Beispiel Albumin und
Hämoglobin eingebaut werden (Behne et al. 1991). Selenmethionin, welches nicht für die
Proteinbiosynthese verwendet wird, folgt dem Stoffwechselweg der
Transsulfurierung/Transselenierung (Birringer et al. 2002; Suzuki 2005). Hierbei wird
Selenmethionin über die Zwischenprodukte Selenohomocystein und Selenocystathionin
mit Hilfe der Enzyme Cystathionin-β-Synthase (CBS) und Cystathionin-γ-Lyase (CSE) zu
Selenocystein (SeC) umgesetzt (Esaki et al. 1981). Selenocystein wird anschließend
mittels β-Lyasen zu Selenid metabolisiert (Esaki et al. 1982). Des Weiteren kann
Selenmethionin durch eine Methionin-γ-Lyase direkt zu Methylselenol verstoffwechselt
werden (Okuno et al. 2006; Okuno et al. 2005 a, b).
Für den Einbau von Selen in spezifische Selenoproteine, wird das Selenid zusammen mit
ATP durch eine Selenophosphat-Synthetase (SPS) in den reaktiven Selendonator
Selenophosphat überführt. Anschließend wird die Aminosäure Serin, die an eine spezielle
tRNA (tRNASec) mit dem Anticodon UCA gebunden sein muss, durch das Enzym
Selenocystein-Synthase (SeCS) und Selenophosphat, seleniert. Durch die Bindung dieser
„selenylierten“ tRNA an die entsprechende mRNA und Neuinterpretation des eigentlichen
Translationsstoppcodons UGA wird Selenocystein spezifisch in funktionelle
Selenoproteine eingebaut (Allmang und Krol 2006; Driscoll und Copeland 2003; Hatfield
und Gladyshev 2002).
Die wichtigsten Ausscheidungsprodukte von Selen stellen die selenhaltigen Zucker dar
(Francesconi und Pannier 2004). Erstmals wurde Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-
β-D-galactopyranosid (SeSug1) im Urin von Ratten nach Verabreichung von Selenit
nachgewiesen (Kobayashi et al. 2002). Es folgte der Nachweis dieses Zuckers sowie von
Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-glucopyranosid (SeSug2) und Methyl-2-
amino-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid (SeSug3) in humanem Urin (Bendahl und
Gammelgaard 2004; Gammelgaard und Bendahl 2004; Gammelgaard et al. 2003, 2005;
Kühnelt et al. 2005, 2006 a, 2007). Zusätzlich wurde die Struktur von SeSug1 in
unbelasteten menschlichen Urinproben mit Elektrospray-Massenspektrometrie bestätigt
(Klein et al. 2011). Die Bildung der selenhaltigen Zucker erfolgt Glutathion-vermittelt mit
anschließender Methylierung der funktionellen Selenol-Gruppe (siehe Abbildung 8)
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 27
(Kobayashi et al. 2002). SeSug3 entsteht durch Deacetylierung von SeSug1 durch eine
Amidohydrolase (Kühnelt et al. 2005; Roseman 1957). Eine Zytotoxizitätsstudie an
HepG2-Zellen zeigte für SeSug1 und SeSug2 im Vergleich zu Natriumselenit eine
1000fach schwächere Toxizität (Kühnelt et al. 2005). Die biologische Bedeutung dieser
Stoffwechselprodukte ist außer der einhergehenden Eliminationsbeschleunigung durch
die verbesserte Wasserlöslichkeit weitgehend unbekannt (Francesconi und Pannier 2004;
Kobayashi et al. 2002).
Abbildung 8: Schema der Selenzucker-Bildung, modifiziert nach Kobayashi et al. (2002); SeSug1: Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid; SeSug2: Methyl-2-acetamido-2-desoxy-1-seleno-β-D-glucopyranosid; SeSug3: Methyl-2-amino-2-desoxy-1-seleno-β-D-galactopyranosid; GlcNAc: 2-Acetamido-2-desoxy-β-D-glucopyranose; GalNAc: 2-Acetamido-2-desoxy-β-D-galacto-pyranose; SAM: S-Adenosylmethionin; SAH: S-Adenosylhomocystein; GSSeH: Glutathionseleno-persulfid
Ein weiterer Stoffwechselweg erfolgt mit Hilfe von Methyltransferasen (MT), die das
intermediäre Selenid zu methylierten Selenverbindungen wie dem Mono- und
Dimethylselenid sowie dem Trimethylselenium-Ion metabolisieren (Kremer et al. 2005;
Ohta und Suzuki 2008; Suzuki 2005; Suzuki et al. 2006 a, c). In vitro Untersuchungen in
Erythrozytensuspensionen zeigten, dass bei simultaner Inkubation von
77Se-methylseleniger Säure und 82Se-Selenit die Produktion der Selenzucker oder des
Trimethylselenium-Ions von der Kapazität der Demethylierung von Momomethylselenid
zum Selenid abhängt (Suzuki et al. 2006 b). Das Monomethylselenid kommt nicht nur als
Zwischenprodukt im Methylierungsstoffwechselweg vor; zusätzlich kann es als
Abbauprodukt von Se-Methylselenocystein und γ-Glutamyl-Se-methylselenocystein durch
β-Lyasen (Andreadou et al. 1996; Pinto et al. 2011; Suzuki et al. 2007) aus
28 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Selenmethionin durch Methionin-γ-Lyasen (Okuno et al. 2005 a, b) sowie durch Reduktion
von methylseleniger Säure entstehen und zu Selenid mittels Demethylasen (DM)
demethyliert werden (Ip et al. 2000; Suzuki et al. 2006 b, c). Der Nachweis von
Methylselenol als Eliminationsprodukt im Urin (Itoh und Suzuki 1997; Suzuki et al. 1995;
Suzuki 1996), wie es in frühen Studien beschrieben wurde, wird heutzutage
unzureichenden analytischen Verfahren zugeschrieben (Francesconi und Pannier 2004).
Im Gegensatz dazu wurde das Trimethylselenium-Ion sicher im menschlichen Urin
nachgewiesen. Die Ausscheidung des Trimethylselenium-Ions unterliegt allerdings großen
interindividuellen Schwankungen mit eliminierten Mengen im Spurenbereich bis hin zum
Haupteliminationsprodukt (Gammelgaard et al. 2000; Kühnelt et al. 2006 a, b; Lu et al.
2012; Marchante-Gayón et al. 2001). Auch Dimethylselenid wurde in Spuren im
menschlichen Urin nachgewiesen (Bueno und Pannier 2009), der Großteil wird zum
TMSe verstoffwechselt oder über die Atemwege exhaliert (Kremer et al. 2005). In
verschiedenen pharmakokinetischen Modellen wurde für Selen nach oraler Aufnahme von
Selenit und Selenmethionin ein enterohepatischer Kreislauf beschrieben, wodurch
zusätzliches Selen neben dem nicht resorbierten Selen über die Faeces eliminiert werden
kann (Patterson et al. 1989; Swanson, et al. 1991; Wastney et al. 2011). Abbildung 9 zeigt
schematisch den Metabolismus von Selen.
Abbildung 9: Biotransformationsschema von Selen nach Navarro-Alarcón und Cabrera-Vique (2008) sowie Fairweather-Tait et al. (2011)
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 29
2.9 Klinische Störungen - Gefährdungsbeurteilung von Selen
Selenmangel 2.9.1
Eine Unterversorgung mit Selen kann einerseits ernährungsbedingt durch die Aufnahme
von Lebensmitteln mit unzureichendem Selengehalt (
30 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Kashin-Beck-Krankheit
Die Kashin-Beck-Krankheit ist eine chronisch-degenerative Osteoarthropathie, die mit
Minderwuchs und Knochendeformation einhergeht und endemisch in selenarmen
Gebieten in Russland, Nordkorea und Teilen Chinas beobachtet wurde (Allander 1994;
Moerman et al. 1992). Die Krankheitsentstehung ist weitgehend ungeklärt, wird aber mit
einem Selenmangel in Verbindung gebracht (Sudre und Mathieu 2001). In den
betroffenen Gebieten waren sowohl die Selenkonzentrationen im Haar als auch die
GPx-Aktivität im Vergleich zu nicht betroffenen Gebieten erniedrigt (Ge und Yang 1993).
Dieser Zusammenhang wird aber kontrovers diskutiert. Weitere in der Literatur diskutierte
Risikofaktoren sind Kontaminationen von Lebensmitteln bzw. Trinkwässer mit
Mykotoxinen, Humin- oder Fulvinsäure, Virusinfektionen sowie ein Jodmangel (Sudre und
Mathieu 2001; Stone 2009). Eine Meta-Analyse verschiedener Studien aus dem Jahr
2009 hat gezeigt, dass eine Supplementation mit Selen in den betroffenen Gebieten der
Krankheitsentstehung entgegenwirkt (Zou et al. 2009).
Toxizität 2.9.2
Akute und chronische Toxizität
Die Selenvergiftung betrifft weit weniger Menschen als der Selenmagel, kann aber als
Folge einer übermäßigen Supplementation (MacFarquhar et al. 2010), durch
versehentliche oder vorsätzliche (suizidale) Einnahme sehr hoher Selenmengen (Müller
und Desel 2012) oder in selenreichen Gebieten über die Nahrung auftreten (Hira et al.
2004; Yang et al. 1983).
Bei der Gefährdungsbeurteilung von Selen muss berücksichtigt werden, dass sich die
unterschiedlichen Selenverbindungen bezüglich ihres toxikologischen Potentials
unterscheiden. Tabelle 7 zeigt dies anhand der Unterschiede in der mittleren letalen Dosis
(LD50), die in Tierversuchen bei Ratten für verschiedene Selenspezies nach oraler Gabe
bestimmt wurden.
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 31
Tabelle 7: LD50-Werte (Ratte) verschiedener Selenspezies
Spezies Summenformel LD50 Literatur
[mg/kg]
Natriumselenat Na2SeO4 1,6 NTP (1994)
Natriumselenit Na2SeO3 7 Cummins und Kimura (1971)
Selenhefe --- 37 Vinson und Bose (1987)
Selenourea CH4N2Se 50 Cummins und Kimura (1971)
Selensulfid SeS2 138 Cummins und Kimura (1971)
Biphenylselenid C12H10Se 360 Cummins und Kimura (1971)
Elementares Selen Se0 6700 Cummins und Kimura (1971)
Sowohl für die akute als auch für die chronische Selenintoxikation wurde ein
knoblauchartiger Geruch von Schweiß und Atemluft beschrieben, der durch die Exhalation
von Dimethylselenid verursacht wird (Barceloux 1999). Des Weiteren wurden für die akute
Intoxikation beim Menschen folgende Symptome beschrieben: (I) neurologische
Beschwerden wie Tremor, Muskelkrämpfe, Unruhe, Verwirrtheit, Delirium und Koma;
(II) gastrointestinale Beschwerden wie abdominale Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und
Durchfall; (III) Reizungen der Schleimhäute überwiegend nach Selenwasserstoff-
Exposition; (IV) Entzündungen des Respirationstrakts, Lungenödeme, Hypotension und
Tachykardie. Langfristig können Haarverlust und Schädigungen von Fuß- und
Fingernägeln auftreten. Weitere Organsysteme, die geschädigt werden, sind Leber, Niere,
Milz und Pankreas (Barceloux 1999; Gasmi et al. 1997; Köppel et al. 1986; MacFarquhar
et al. 2010; Müller und Desel 2010; Nuttall 2006; Williams und Ansford 2007).
Bei der chronischen Selenvergiftung (Selenosis) sind neben dem knoblauchartigen
Geruch der Atemluft, fleckige, streifige, brüchige Nägel, Zahnverfall, Verlust von Nägeln
und Zähnen, rötliche Verfärbung der Haut, Hautausschläge, Schmerzen in den
Extremitäten, Hyperreflexie, Müdigkeit, Trägheit, Erschöpfung, Gleichgültigkeit,
Leistungsschwäche und gastrointestinale Beschwerden beschrieben worden (Barceloux
1999; Hira et al. 2004; Yang et al. 1983).
Selen und Diabetes mellitus
Aufgrund tierexperimenteller Studien (Hwang et al. 2007; Iizuka et al. 2010) sowie
Beobachtungen aus Fall-Kontroll-Studien (Kljai und Runje 2001; Navarro-Alarcón et al.
1999) wurde die Einnahme von Selen mit einem verbesserten Glukosestoffwechsel und
einem daraus resultierenden verminderten Diabetesrisiko in Verbindung gebracht. Im
32 GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND
Gegensatz dazu zeigten epidemiologische Studien jedoch, dass eine übermäßige Zufuhr
von Selen zu einer Erhöhung des Risikos, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken, führt.
In der nachträglichen Auswertung einer randomisierten, placebokontrollierten
Supplementationsstudie (200 µg Selen als Selenhefe) zum Einfluss auf das Krebsrisiko
mit 1312 Teilnehmern über 12 Jahre wurde ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von
Diabetes mellitus Typ 2 in der Interventionsgruppe beobachtet (Stranges et al. 2007). Ein
signifikanter Risikounterschied konnte allerdings nur bei Männern festgestellt werden. Bei
der Einzelbetrachtung verschiedener Subgruppen wurde ein signifikant erhöhtes Risiko
für das Drittel mit den höchsten initialen Selenwerten (>121,6 µg/L Blutplasma)
festgestellt. Auch in der SELECT-Studie (The Selenium and Vitamin E Cancer Prevention
Trail) wurde in der Seleninterventionsgruppe (200 µg Selen als Selenmethionin) ein
erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken, beschrieben. Dies war allerdings statistisch
nicht signifikant. Die Supplementationsstudie wurde aufgrund eines fehlenden protektiven
Effektes auf die Krebsentstehung sowie des möglichen, statistisch signifikant werdenden
diabetogenen Effektes abgebrochen (Lippman et al. 2009). Eine weitere Studie, die einen
Zusammenhang von Selen und Diabetes zeigte, war die französische SU.VI.MAX-Studie
(Supplementation en Vitamines et Minéraux Antioxydants), eine randomisierte,
placebokontrollierte Interventionsstudie mit über 1500 Teilnehmern. Die
Interventionsgruppe erhielt ein Kombinationspräparat aus Selenmethionin (100 µg Se),
Vitamin C, Vitamin E, β-Carotin und Zink über 7,5 Jahre und zeigte einen statistisch
signifikanten Anstieg des Nüchternglukosespiegels, der ein prädisponierender Faktor für
die Diabetesentstehung ist (Czernichow et al. 2006). Eine Querschnittsanalyse mit 8876
Teilnehmern der NHANES-Studie III zeigte einen statistisch signifikanten Zusammenhang
zwischen der Serumselenkonzentration und dem Auftreten von Diabetes mellitus. Die
Serumselenkonzentrationen der an Diabetes erkrankten Teilnehmer lag im Mittel bei
126,8 µg/L und 124,7 µg/L bei Personen ohne diese Erkrankung (Bleys et al. 2007).
Ähnliche Ergebnisse lieferten die Daten aus der NHANES-Studie aus den Jahren 2003
und 2004, hier lagen die Selenspiegel bei 143,7 ± 18,3 µg/L für Diabetiker und
136,4 ± 19,9 µg/L für Nicht-Diabetiker. Beim Vergleich des Teilnehmerquartils mit den
höchsten Selenkonzentrationen (>147 µg/L Serum) mit dem Quartil mit den niedrigsten
Selenwerten (
GRUNDLAGEN UND KENNTNISSTAND 33
Dysglykämie zu bekommen, als Männer mit Selenspiegeln im unteren Drittel
(14,21 - 78,96 ng/mL). Bei Frauen war dieser Zusammenhang nicht zu beobachten
(Akbaraly et al. 2010). Eine Studie von Navarro-Alarcón et al. (1999) zeigte ebenfalls
einen signifikant niedrigeren Plasmaselengehalt bei Diabetikern (64,9 ± 22,8 µg/L) als bei
Nicht-Diabetikern (74,9 ± 27,3 µg/L). Weitere Studien konnten keinen signifikanten
Zusammenhang zwischen dem Selengehalt im Plasma und dem
Nüchternblutzuckerspiegel bzw. der Diabetesentstehung nachweisen (Coudray et al.
1997; Hughes et al. 1998). Die Aufklärung des genauen biochemischen Mechanismus als
Beweis für den kausalen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Diabetes mellitus
und Selen bzw. des protektiven Effektes von Selen, der in den klinischen und
epidemiologischen Studien beobachtet wurde, steht noch aus. Für den protektiven Effekt
spricht die Eigenschaft von Selen, in vitro Insulin-äh
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