Fritz Foerster und sein Werk

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Zeitsdwift fur anorganishe und allgemeine Chemie

Band 204, Heft 1-2 Februar 1932

Fritz Foerster und sein Werk Von ERICII MULLER

Mit einem Bildnis

Am 14. September schied durch Herzschlag unerwartet FRITZ FOERSTER im noch nicht vollendeten 66. Lebensjahr aus einern schaffensreichen Dasein. Frisch gckraftigt war er kurz zuvor aus seiner sohlesischen Heimat, wo er in Bad Landeck einige Wochen der Erholung gepflogen hatte, zuruckgekehrt und wollte sich nun wieder riist,ig an die Arbeit mashen. Vor allen Dingen gedachte er, den Rest der Ferien zu benutzen, um die Neuauflage seiner ,,Elektrochemie waDrigcr Liisungen", der er schon in den voraufgehenden Jahren all seine freieri Stunden gewidmet hatte, womijglich fertigzustellen. Da tritt ihm der unbmnherzige Tod in den Weg und gebiet'et sein nnwiderruf liches Halt,.

Nit FRITZ FOEBSTER ist einer unserer ersten hnorganiker dahin- gegangen. Dahingegangen ist aber auch eine Personlichkeit , ein Mann von gerader und aufrechter Gesinnung, ein Mensch von seltenem giitigon Herzen, der jeden sich Bum Freunde innchte, der mit ihm in Beriihrung kam. Ihm zum ehrenden Angedenken sol1 hier sein Leben und sein WerB am geist,igen Aiige seiner Freunde und Schiiler roruberziehen.

FRITZ FOERSTER wurde, am 22. Februar 1866 in Griinberg in Schlesien d s Bltester Sohn des Kaufmanns AUGUST FoEasTER geboren. I)ie sorglosen und gliicklichen Jahre der Jugend, die er dort im trauten Elternhause verbrachte, wurden nur durch ein Ereignis getriibt, : Bei eincru Festc der Weinlesc, bei der man nach alter Sitt'e Feuerwerks- lrorper Ziir Iletonation brachte, biiDte er ein Auge ein. In der Tat, cin Vcrliist., der ihn als Xaturforscher ganz besonders schwer getroffen habcn niu13. Es ist eine uberaus traurige Duplizit.at der Falle, daM seiner1 iinvergel3liclien, iirii ein Jalir jiingeren Bruder MAX, der von 1900 bis zi i seinem im vergangenen Jahre erfolgten Tode an der Dresdner Hochschule die Yrofessur fur Briickenbau innehatte, fast. nm dieselbr Zeit, tlns gleiche Ungliiclr, nur zufolge einer anderen Ursache, ereilte.

Z. aiiovg. u. allg. Cliem. Bd. 204. 1

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Mit 18 Jahren bestand FOERSTER das Naturitat,sexamen an den1 Realgymnasium seiner Vaterstadt unter ErlaB der mundlichen Prufung; spat8er erwarb er dann noch am Kollschen Gyrmmium zu Berlin das Gymnasialreif ezeugnis.

Seine Studienzeit verbrachte er ausschlieBlich in Berlin, wo er gegen Ende derselben bei seinem Lehrer A. W. v. HOFMANN, fur den er allezeit eine hohe Verehrung bekundete, Bssistent wurde und wo er 1888 zum Dr. phil. promovierte. Die Dissertation ,,Beitrkige zur Kenntnis der Tautomerie der Thioharnstoffe" ist. fast die einzige organische Brbeit geblieben, die aus seiner Feder stammte. Die an- organische und physikalisch-chemische Richtung, die alsbald seine Forschung nahm, wurde zweifellos durch seine nacli heendeteni Studium erfolgende nbcrsiedelung an die physikalisch- technische Reichsanstalt bestimmt, an der er 1888 als Hilfsarbeiter, 1891 aIs Assistent angest'ellt ~vurcle.

Aus diesem Institut sehen mir cine Rcihe von Arbeiten x. T. ge- rneinsam mit MYLIUS hervorgehen, die sich init anorganischen li'ragen befassen, so uber die chemische Natur der Metsllegierungen, iibw Ncttur und Bestimrnung des Kohlenstoffs im Eisen, iiber Herstellung und Beurt'eilung von reinem Platin und uber Verbindungen des KohlenoydplatBins.

Eine andere Xerie von Puhlikationen bezielit sich auf das Ver- halten des Glases, sein Benehmen gegen SBnren und Basen und seine Vervdterung unter dern EinfluB von Wa,sser. Hier zeigt er a,uch einen Weg zur Beurteilung der GlasgefBBe fur den cheniischen Cebra8uch, nnd wir erkennen hierin schon, wie seine Forschung sich mehr uncl rrielir Problemen der a,ngewandten C'heniie zuwendet,. Diese Studien uber das Glas fanden dann eine Zusamnienfassung zn einer nnifang- reicheren Schrift, a'uf Grund cleren er sich im Jahre 1594 an der Cliarlot,tenburger Hoclischule fur anorganische Chemie habilitierte.

In ganz besondcrem MaBe aber diirfte sein Interesse fur teehniscli- chemisehe Fragen dadurch geweckt worden sein, da13 ihn sein Schicksa,l 1895 an die Technische Hochschule Dresden fuhrte. Gcrn erzahlte FOERSTER, wie eines schonen 'Sages mitten in eine.r seiner Vorlesungen (Repetitorium fur anorganische Chemie), die er in Charlottenburg hielt, zwei fremde Herren unangemeldet erschienen und sich nach einiger zeit wieder entfernten. Der eine von h e n war WALTHER HEMPEL, der - offenbar von dem Gehorten sehr hefriedigt - kurz darauf FOERSTER zu seinem ersten Assistenten berief.

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In Dresden wurde er ohne weileres zur Habilitation fur Chemie zngelassen iind nach verhaltnisnxa5ig kuraer Zeit, 1907, zum sul3er- etatsmafiigen, 1908 zum etatsmCl3igen a. o. Professor mit eineixi Lehr- auftrag fur Elektrocheinie und Elektrometallurgie ernannt. Neben eine zweistiuldige Vorlesung uber Glas und Kerarnik treten von da ab solehe uber physikalische Cl~einie und Elektrocheniie.

Sofort nach seiner Ubersiedelung nach Dresden, noch lange, hevor er einen Lehrauftrag fur Elektrochemie erhielt, beginnt FOERSTER seine umfangreichcn Arbeiten elektrochrmischen Inhalts. Was seine Forschunp plotzlich in diese Bahn lenkte, ist schmer zu sagen. Jernand, der in dieser Richtung sein Lehrer wdr, ist nicht zii finden. Vielmehr mar FonasT*iR Autodidalit auf diesem Gebiete. Wir durfen vermuten, da5 neben dem Interesse, rlas darnals die Arbeiten von QRRHENIUS, OSTWALD und N E I I U ~ T h i jcdeni dcnkenden Chemiker weckten, auch wscntlich aul3ere Grunde dafur mafigeblich gewesen sintl. Zu jener Zeit nurde an den chemischen Abteilungen der technischen Hochschulen lebhaft erwogen, der Elekt,rocl.irrnie und physikalischen Chemie cinc mal3gebliche Rolle in der Ausbildung der Chemiker einzuraumen uncl die zuin Prufungsfach in rler Diplom- hauptprufung zu erheben. Wurtlen jene Erwagangen in die Tat urn- gesetzt, so durfte FOERSTER hoffen, an einer der vielen Hochschulen init der Vertretung tlieser Facher betraut zu n e~tlen, w n n er ent- sprechende Leistungen snfzuweisen hat te.

Und jene Em agungen wnrden xur Tat, und zwar znerst in Dresden, v, o sich HEMPEL, der trotz seiner n esentlich technischen Einstellung ein tiefes Verstiindnis fur die Bedeutung anch der theoretisclien Clrernie an den Tag Iegte, mit der ganzen Krwft seiner Personlichkeit clafur eingesetzt hatte. Untl so gingeii FOERBTER’S Hoffnungen in Erfullung, denn das Vertrauen zu ilmi imd die Snerkennung seiner Leistungen fuhrten dazu, da13 man ihm das im Jahre 1900 neu gegionclrte Ordi- nariat fur Elektrochemie und physikalische Chemie ubertrug.

Es waren zuniiclist recht hescheidene Raume, clie den Yamen eines Institutes fur Elektrochemie trugen - einer fur clie Vorlesungen, ciner mit den Arbeitstischen und ein 5% inaig lileines Sprechzimmor des Direktors, in dem die Raage stand ixnd in den1 die Leitfahigkeits- messungen ausgefuhrt wurden. Das war alles. Die Akkumulatoren- batterie stand im Treppenhaus und als Werkstatt diente ein Vorraurn. FOERSTER hatte eine ksaftige Stimme und infolgedessen sah man nicht selten einen Studiesenden, der sich verspatet hatte, hier draufien auf der Hobelbank sitzcnd, seinen Vorlesungen lausehen.

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So primitiv auch diese Statte der Arbeit war, so hat docli FOERSTER hiufig die Zeit, die er dort niit seiner kleinen Gemeinde hauste, als die schonste seines akademischen Lebens bezeichnet. Das innige Zusammenleben und -schaffen ewischen Lehrer und Schuler zu dem hier die BuBeren Umstihde geradezu Ewangen, hat eben etwas ungernein beiderseitig Fordernde3, clas, wie wir Bkademiker wohl alle beklagen, in den1 MaBe weniger aufrecht zu erhalten ist, wie der Zulauf der Stndierenden und der Umfang der Institnte wacchst, auni Miaden der Lehrer untl cler Forschung.

Die geschilderten Verhiiltnisse \+aren aber denn doch fur die Ilauer zu kunimerlich, als claB sie be1 dem steigenden hndrang von Lernbegierigen des In- und huslandes ausgereicht hiitten, nnd so kam es, da5 bereits im Jahre 1905 clas elektrotechnische Institut, nelche, eincn Neubau hezog, als elektrochemisches Institut, hcrgerichtet wurdc. Unter den so vervollkommneten Arbeitsbedingungen hat dann FOERSTER eine ungemein frnchtbare wissenschaftliche TBtigkeit cnt- fatltet.

Es kam das Jahr 1912, wo WALTER HENPEL in den Ruhestanci trat. Man bot FOERSTER an, als sein Nachfolger die Professur fur anorganische und anorganisch-technische Chemie xu ubernehmen. Schper wurde ihin die Entscheidung und wenn er schliel3lich das dngebot annahm, so mag fur ilin der Gedanke mit bestimmend ge- wesen sein, dal3 er damit ja nicht von seiner ihin lieb gewordenen Elektrochemie Abschied zu nehmen brauchte. Er hat clieses denn auch nicht getan, weder in der Forsehung, nie seine his in die neuestc> Beit hineinreichenden Piiblikationen beweisen, noch in der Lehre. Was die letztere anlangt, so war es ja seine ofters geau5erte Auf- fassung, daB bei dem derzeitigen Stande unserer Wissenschaft niemand an riner Hochschule mit Erfolg anorganische Chemie lehren kann, der nicht in weitem Urnfange die physilialische Chemie beherrscht,.

Der damalige Entqchlul3 F o h R S T m ’ S ist denn auch sicher der aksdemischen Jugend, die von da ab durch ihn ihre g rund legende Ausbildung erhielt , zum Vorteil gereicht .

Wer versucht, uber das wissenschaftliehe Vi’erk FOERSTER’S einen Uberblick zu geben, der stol3t, wenn er ihn nicht zu ausgedehnt fir- stalten will , wegen dessen Vielseitiglieit auf Schwierigkeiten. Was speziell die Elektrochemie anbetrifft, die zuerst behandelt sein soll, so gibt es kaum eines ihrer vielen Teilgebiete, in dem er sich nicht bettitigt hatte.

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Das erste griiBere Arbeitsgebiet, das sich FOERSTER zur Durch- forschung aussucht’e, war die Elektrolyse der blkalichloride. Bekannt war, da13 dabei, sofern man ohne raumliche Trennung der Elektroden arbeitet, Hypohalogerh nnd Ha.logena,tu entstehen. Ihrer Bildung Mechanismus sollte aber erst durch ihn erschlossen werden.

Dam fand er es niitig, zuvor einen tieferen Einblick in diejenigen Vorgange zu gewinnen, durch welche die genannten Verbindungen rein chemisch entstehen.

Die darauf abzielenden Arbeiten fuhrten zu der Erkenntnis, daB niemals Chlor und Brom und nur ganz ausnahmsweise das Jod mit waarigen Losungen der Alkalihydroxyde etvi-as anderes ergeben, als Hypohalogenite bew. unterhalogenige 8aure nach

X, + 20H’ = X’ + XO’ + H,O ; (1) diese als unbestaiidige Verbindungen gehen in die Halogenate iiber. Der am raschest,en zu diesen fuhrende Weg ist der, da.8 halogenige Siiure auf ihre eigenen Salze einwirkt nach

2HXO + XO’ = XO,’ + 2X’ f 2H’. (2)

Die hierbei entstehenden H’-Ionen setzen alsbald wieder unter- chlorige Saure in Freiheit :

H’ + XO’ = HXO , so daB deren Konzentration wiihrenci des ganzen Vorganges dieselbe ])lei b t .

Die oft angefiihrte Gleichung

3x2 + 6MOH -+ MXO, + 5MX + 3H20 (3) ist also nicht, Ausdruck wirklichen Geschehens, sondern gibt nur die stochiometrischen Beziehungen zwischen Anfangs- und Endzustand einer Reihe aufeinanderfolgender Reaktionen.

Vorgang (2) ist kein momentan verlaufender. Durch reaktions- lcinetische Messungen wird vielmehr festgestellt, da13 er trimolekular entsprechend der Gleichung

vor sich geht. Fur die Bromat- und Chloratbildung wird die Ge- schwindigkeitskonstante bestimmt und gefunden, da13 die erstere etwa 100mal schneller verlauft, als die letztere. Fast momentan spielt sich dagegen die Jodatbildung ah.

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Fuhrt man also einer hlkalilauge Clilor oder &‘om zu, so ent- steht bei guter Kuhrung nur Hypochlorit hzw. Mypobromit. solange die aufgewendete Halogcmnenge iioch unter 1 Mol auf 2 Mole Alkali bleibt. Sobald sie diese aber ubersteigt. setzt, sich tlas uberschussige Halogen ins hydrolytische Gleichgewicht

S, + H,0 f_l X’ + FIXO’ + H’ (4 imcl die Bedingung fur die Halogenatbildung nach (2) ist (larch die entstehende unterhaIogenige Saure gegeben.

Bei Gepenwart freicn Alhalis sind Hypobroniit und Hypochlorit lange bestandig - doch nicht unbegrenzt.

Vielmehr, freilich aulSerordentlich langsam, bildet sich Halo- genat riach

2NaClO --f NaCIO, + NaCl NaC10, + KsClO -+ NaCIO, + NaCl

(6) (7)

(7) hat eiiie SSrnal grogere Geschwindigkeit als (6), weshalb NaClO,, das Chlorit, nur in geringer Menge wahrnehmbar ist. Die (6) und (7) entsprechenden Beaktionen verlaufen nun wieder beini Brom schnellw als brim Chlor ixnd noch vie1 schnelles beim Jod. Bei letztereni sintl sie sogar in slarker alkalischen Losungen von so hedeixtender Ge- schwindiglieit, daW die J odatbildung wnhrschein1icl.i mesentlich auf diesem Wege iind nicht nach (2) sicli vollzieht.

Es fragte sich nun, ob bei der Elektrolyse die Hypohalogenit- nnd Halogenatbildung auf deiiiselben Wegc erfolgt. Fur die ersterc wird diirch Versuche iincl Uhcrlcgungcn wahrsclieinlich grmacht, daB qie dnrcli EinwirLung \on anocliscliem Halogen auf kathodisches Alkali genaa wie rein chemiscli vor sich geht. Auch fur das Halogenal i>t an sic1 die chemische Rildnng an der Anode gemaS (2) gegeben, cla hier stets eine gewissr Miiuerung vorhanden sein wid . Trotadern wird beim Jod, dessen Hypohalogenit selbst in st5rlit.r alkalischen Liisnngen, so sclinell nnch (6) oder (7) in Jodat ubergeht, dies auch bei der Elektrolysr c lw Fall sein. Und anch beim Chlor iind Brom kann (lie Auffassung ihrer Bildung nach (2) nicht mit der Langsamkeit, mit der hei ihnen tier Vorgang (2) sich abspielt, in Einklang gebracht werden. Hier naien andere Moglichkeiten zu erwagen.

Eine hufklarung brachte das Stndium des Verhalteris der Hypo- chlorit- und Hypobromitlosungen bei der Elektrolyse. Diese lehrten, daB sich Bromat auch nach

ErO’ + 2 0 --f BrO,’ (8)

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bilden kann, Chlorat in entsprechender Weise aber nur an platinierten Bnoden. An glatten dagegen ist die Menge des verschwundenen Hypochlorits etwa doppelt so grofi, wie nach (8) verlangt wird, und auBerdem entsteht neben Chlorat a i ich Chlorid.

Dies zeigt, daB bei der Hgpochloritelektrolyse ahnlich wie beim rein cheniischen Vorgang Chlorat lediglich auf Kosten des ver- schwindenden Hypochlorits, also ohne Aufnahme von Rauerstoff. ge- bilde t n ird .

F~ERSTER komint infolgedessen z ~ i tier Auffassung, daB die C10’- Ionen an der Anode entladen werden und danach, mie die Anionen anderer Saaerstoffsalze, mit drm Wasser rengieren, nnr in anderer folgender Wrise :

(210’ + F -+ C10 6610 + 3H,O = 6H’ + 2C10,‘ + 4Cl’ + SO (9)

Zurn Unterschied von der rein chemisehen wird diese als anodische Chloratbildung bezeichnet. In alkalischer Losung dagegen erfolgt die elektrolytische Chloratbildung nach (8).

Daruber, daU eine so hoch molekularc Reaktion ganz unwahr- scheinlich ist, geht allerdings FOERSTER hinmeg und in diesem Hin- blick mu sscn die Verhiiltnisse als noch nicht voll geklart angesehen iverden. Fest scheint dagegen zu stelien, daB das elektrolytische Chlorat seine Entstehnng cinem anderen Mechanismus verdankt, alx das chemische und rnit den Tatsachen steht (9) insofern in1 Einklang, als bei der Elektrolyse neutraler Blkttlichloridlosungen im stationken Zustand, wo also die ClO’-Konzentration konstant geworden ist, nebeii Chlorat 33O/, gasformiger Sauerstoff entsteht, die Strom- ausbeute mithin nur G7°/o betragt.

Wie FOERSTER zeigte, kann man nun die Ausbeute auf fast 100°/o erhohen, wenn man einen Teil des entstandenen Hypochlorits durch Zusatz von Salzsaure in HClO verwandelt, weil dadurch wegen der verminderten ClO’-Konzentration (9) unterbunden wird und an Stelle der anodischen die chemische Chloratbildung (2) irn SchoBr des Elek- trolyten tritt. Von dieser Erkenntnis wird heute in der Technik ganz itllgemein Gebrauch gemaeht.

Bei der Elektrolyse neutraler Bro mid losungen wird keine solelie Saucrstoffentwicklung an der Anode beobachtet. IIier muB als wesentlieher Bromatbildner die Reaktion (8) angesehen werden, da Reaktion (2) wegen ilirer geringen Geschwindigkeit kaum in Betraclit komnien liann.

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Durch diese hrbeiten, deiien sich noch weitere iibcr dip elektro- lytische Reduktion der Halogensauerstoffsalze und iiber die Per- chloratbildung anschlossen, waren die Gesichtspunkte festgelegt,, die bei der t,echnischen Erzeugung von Bleichleugen, von Chlorat und Perchlorat beobachtet werden miissen.

Die weitaus uberragende technische Bedeutung der Chloralkitli- elektrolyse liegt aber in tler durcli sie gegebenen Erzeugung von freiem Chlor und Alkali. In diesem Hinblick ist es von Wichtigkeit, daB auch hier FOERSTER rnit einer groBen Zahl seiner X'Iitarbeiter Klarung in die theoret,ischen Grundlagen brachte. Fast samtliehe unterschiedlichen A4usfuhrungsformen wurden in ihren Eiiizelheit'en verfolgt : Das Diaphragmen-, das Glocken-, das Ri1lit)er- und das Quecksilberverfahren. Rei den drei erstgenannten spielen die ver- wickelten Vorgange der Ionenwanderung eine mafigebliche Rolle uncl es gelang FOERSTER, Formeln aufzustellen, welche die jeweilige Stromausbeut'e an Chlor land Alkali als Funktion der Leitfahigkeit, der nberfuhrungszahlen und der C1'- und OH'-Konzentration er- scheinen lassen.

SchlieBlich muB in diesem Zusammenhang auch der wertvollen Untersuchungen uber die dngreifbarkeit von Kohlen verschiedener Konvenienz gedacht werden, die heiite fast allgernein in der Technik als h o d e n verwendet, merden.

Ein Lieblingsthema FOERSTER'S war vom Beginn bis zuin Ende seiner Forscherjahre die elektrolytische Abscheidung der Metalle aus ihren wafirigen Salel6sungcn. Sie interessiert,e ihn nach den ver- schiedens t en Rich t ungen.

Zunachst, wurde von ihm die Theorie der Ahscheiclnng entwickelt. Er zeigte, daB eine Reilie von unedlen Metallen nur zufolge der Uber- spannung des Wasserstoffs gefiillt werden kann untl wie man durch entsprechende Wahl der Wasserstoffionenkonzentration die Ab- scheidungspotentiale einzelner Met8alle so gegeneinander versehiehen kann, daB das eine ohne das andere fgllt, indem der Vorga.ng der Wasserst80ffent,wicB1ung den Potentidanstieg uber einen bestimmten Wert automatisch aufhalt.

Auch die Bedeutung gewisser Verz6gerungserscheinungen bei den Eisenmetallen fur ihre Abscheidung wird ins rechte Licht geset'zt. ,4us den gewonnenen theoretischen Einblicken ergaben sich eine Reihe elektroanalytischer Bestimmungsmethoden, z. B. fiir Kupfer und Antimon. Kierbei wurden zahlreiche solche in Anwendung be- findliche analytische Methoden, besonders die, welche sioh h-omplexer

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Salze als Elektrolgt bedienen, einer Nachprufung unterzogen, mobei sich ergab, dai3 die Renutmng cyankalischer Bader eine T h i n g von Platin an der Anode und seine FBllung auf der Kathode im Gefolge fiaben liann, daI3 bei der Verwendung organischer Komplexe z. B. beim Eisen und Nickel, Kohlenstoff, h i der von Pyrophosphaten, Phosphor und bei der von Sulfosalzen Schwefel und Sauerstoff in den Niedersohlag geht. Deshalb wird die Forderung aufgestellt, daB man in der Elektroanalyse Komplexsalzc s t e h vermeiclen sol], wo sie nicht unbedingt erforderlich sind oder sich nicht als unbedenklich erwiesen haben.

Viele Verfahren zur Trennung rnehrerer Mtttalle, oder zu ihrer gleichzeitigen elektroanalytischen Bestimmung sind von FOERSTER ausgebildet worden, so z. B. die von Kupfer nncl Arsen, von Kupfer, dntimon nntl Zina, von Nickel und Kobalt, von Nickel und Zink. Das Verfahren, hierbei eine begrenzte Kat'hodenspannung zu benutzen, wendet er fiir die Bestimmung von Kupfer neben Nickel, Eisen und Cadmium in eleganter Weise so an, daB er an die Elelitroden des Elektrolysierbechers einfach einen Bleisammler ansc,hlie5t, dessen Spannung nur ausreicht, das Kupfer abzuscheiden, weshalb sich tier Strom allein ausschaltet, wenn dieses geschehen ist,.

Bei vielen dieser Arbeiten stieB er auf gewisse Anomalien, deren Aufklarnng ihn intensiv bescbaftigt'e. Wenn die Abscheidung eines Metalls reversibel erfolgt, so steigt die MtroinspannungsliiirvL. von seinem Ruhepotmtial steil an. DaB dieses haufig bei Komplexsalz- losungen nicht der Fall ist, konnte FOEESTER bei Cyanidcn uad Oxalaten bestiitigen. Er konnt'e aber weiter seigen, ch13 auch bei einfachen Salxen, Chloriden und Bulfat'en der Eisenmetalle, verzogerte Metallabscheidung erfolgt, ebenso \vie bei IrompIexen Salzen dieser, so daI3 die Erscheinung wenigstens in diesen Fallen nicht an bestimmte Losungen, sondern nur an die Art der Metalle gebunden ist.

Die Erklarung, daB es sich urn eine verziigerte Nachlieferung von Metallionen aus den Ionenhydrat'en, also urn die Einstellung von Gleichgewichten der Art handelt :

Ni(H20)." 4- Ni" + n H,O (10)

hijlt er nicht fur ausreichend ; denn diese Polarisetion orleidet er- liebliche Steigerung, wenn Fremdstoffe in die Elektrode gelangen, wie Wasserstoff oder Zink, ist also auch durch den jeweiligen Zustand der E l e k t r o d e mitbestinimt. FOERSTER weist darauf hin, da,B das

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Verhalten der Eisenmetnlle bei Icethodischer Polarisation ein volliges hnalogon zu ihrein imidischm Benehrnen bildet, wo auch demrtige, den Znstancl der I) a s s i v i t a t kennzeichnende Ver~~~erungserseheinungen h i m Inlfisunggehen anftretcn. Kier wie dort nimmt, die Polarisierbar- lieit in dcr Reilienfolge Eisen, Kobalt, Nickel zu und deslialb miisse, so sa,gt er, der Versuch einer Deutung h i d e Erscheinungsgebiete beruclisichtigen.

Infolgedessen wendet er jetzt seine Aufmerksamkeit8 den no no disc lien Vorgangen zu.

Stndien iiber das Gleichgewieht

c u + Cu" fr- 2 CU' (11) gaben eine ErBlarung fur das d ~ f t ~ r e t e n von Kupferschlamm selbst an sehr reinen Kupferanoden, insbesondere gaiiz allgemein uber die Wertigkeit, iilit der dieses Metal1 in den versehiedensten Elektrolyten anociisch in Losung geht'. Analoge Unt'ersuchungen wiirden mit Zinn in allia~lischeri Liisrmgen ausgefiihrt.

Beirn Verfolg der anodischen Polarisation cler Eisenmetalle ver- breitet sic11 E'OERSTER allgerneincr iiber die Erscheinung der Passi- x-ierung. Die wwnt'liche Feststellung, da8 z. B. dams Eisen seine Aktivi- t.iit dabei vie1 langer beibehalt,, wenn es zuvor mit, Wasserstoff beladen ist, fuhrt,e ihn zu folgendcr Theorie der Akt'iviernng.

SchlieBt insn sich der huffassung yon LE BLANC an, (la8 die zur Passivitat neigenden Aletalle mit beschrankter Geschwindigkeit Ionen anssenden, so m d die IIerbeifuhrung des aktiven Zustandes auf die Gcgenwart eines Katalysators dieser Geschwindigkeit zuruck- gefuhrt werden. ;?Tun lehrt die Erfahrung, tlaW stets, wo Eisen oder seine Verwtnd ten in den aktiven Zustand gelengen, Wasserstoff an ihrieii frei u-ird. Andererseits weiR mdn, wie Ieicht Eisen Wasser- stoff im Entstehungsznsta,nd mfzunehmen imst8antle ist. Wasser- st,offhalt,iges Eisen iat bcsonders reaktionsfiihig. ES liegt &her nahe, claB der vorn Eisen und seinen Verwandten aufgenommene Wasser- stoff der gesuchte Katalgsa,tor ist, welcher den aktiven Zustsnd bei diesen Met,ailen bedingt.

So sehr diese Tliewic manchen 'I'atsa,chen gerecht zu werden vermag, so tragt' sie doch in sich gewichtige Bedenlren. Zunachst, ist zu betonen, dalS c h s elelitrolytische Potential des Eisens e t m 0,4 Volt unedler ist, als da,s des Wasserstoffs.

Normalerweise sollte cs also Wasserstoff aus riorina'len Saure entwickefn und in Losung gehen. Tut es das nicht, so nennen wir

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es passiv, im imderen Fa'll aktiv. Wenn also stets, wo Eisen in den aktiven Zustand gelangt, Wassersboff an ihm auftritt, so ist da,s offenbar die Fo lge der Blit'ivitat und nicht die Aktivitait Fnlge der Wasserst of f bildung.

F~ERSTER hat denn auch diese Theorie, die er in seinen ,,Beit,rSgen zur Kenntnis des elektrochemischen Verhalt,ens des Eisens" in den hbhandlungen der Deutschen Bunsengesellschaft 1909 ansfuhrlicher entwickelt hat, in der 1921 erschienenen drit,ten Auflage seiner ,,Elel<- 6rochemie waBriger Losungen" nicht mehr vorgebracht.

Xu den Arbeiten uber elekt,rolytische Metallfiillung und -losung gehiirt aucli eine wichtige iiber das Kupfercoulomet'er. Durch miihe- volle Versuche konnte FOERSTER zeigen, daW da,sselbe nur dann ein genaues Inst'rumeiit ziir Messung von Elektrizitiitsmengen wird, wenn man ganz bestimrnte Bedingungen der Stronidichte und der Losungs- ausa,mmensetzung iiinehalt, die er ge,nau festlegt'e.

Das Verhalten von Metallsalzlosungen beim Durchtritt des rlekttrisahen Strornes hat aber bekanntlich nicht nur fur die Theorie, sondern auch fur die Technil: groRe Bedeutung. Das lnteresse, welches F~ERSTER stets der Anwentlung seiner Wissenschaft ent- gegenbrachte, lie8 ihn nuch liier foruchend eingreifen. So lieferte er michtige Beitriigt? zur R'affination der Metalle durch Elektrolyse beim Gold, Knpfer, Nickel, beim Rlei, \%smut8, Thallium, Csdmium nnd Zink.

Bei der Abscheidung des letztgenannten Met,alls in dickeren Schichten trit,t, als storende Erscheinung die sogenannte Schwamm- bildung auf. Ihrer Natur, Ursache und Vermeidung ist eine Snzahl iron Untersuchnngen gewidinet,. Das Abblattern, das sich z. B. beim Eisen und Nickel manchmal so unangenehm bermerkbar macbt, erkennt er als durch 'Clrasserst,offttnfnahnle veruraacht und zeigt,, daB es beim drbeiten bci hiiherer Teniperatur zu umgehen ist,.

DaB man Metalle, die aus ihren einfaclien Sa,lalostingen in nicht fest,haftender Form fallen, ilurch Wahl eines geeigneten Elektrolyten zur befriedigenden Abscheidung veranlassen lcann, wird z. B. beirn Blei uncl Wisniut gezeigt, fur die kieselflul3saure Losungen empfohlen .wertlen.

Dieser auffsllige EinfluB der Elektrolytnatur auf die Form des Metallniederschlages, der sich oft in erst,aunlicher Weise schon durch scheinbar unwesentliche und geringfugige Znsatzstoffe bemerkbar macht, beschaftigte FOEIWTER noch bis in die allerletzte Zeit aufs

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lebhafteste und manche diesbezugliche Arbeit ha.rrt noch ihrer Publi- Bation.

SchlieBlich darf man behaupten, daB die neuerdings so sehr in Aufnahme gekommene elektrolyt'ische Verchromung aus waWrigen Chromsaurelosungen im F O E R S T E R ' S C ~ ~ ~ Laboratorium ihre Wiege hat. Denn auf Grund der in diesern ausgefuhrten Versuchp nahm SALZER sein Pat'ent.

Die Verzogerung, welche die Entwicklung gasformigen Wasser- stoffs unter Urnstanden an der Kathode zeigt, findet ihr Analogon beim Sauerstoff, dessen Entwicklung an unangreifbaren Anorlen regel- niaBig und in vie1 ausgepragt,erem MaBe verzogert ist. F~ERSTER neigte zu der Ansicht, da!3 als Ursache fur beide eine primamre Ver- bindung von Sauerst'off oder Wasserstoff mit dem Elektrodenmaterial anzusehen sei. Diese Verzogerungserscheinungen nennt man bekannt- lich die ffberspannung des Wasserstoffs bxw. des Sauerstoffs ; sie erweist sic11 an den verschiedenen Metallen verschieden groa. ika, wo sie bedeutende Werte besitzt, erscheinen dicsc Elementc unter CT-

hohtem Drucke und dernzufolge mit, erhiihter Fahigkeit, reduzierende oder oxydierende M7irkungen auszuuben. Wieu-oh1 sich diese letzt'e SchluBfolgerung im groBen und ganzen bestltigt, geht doc11 das an den verschiedenen Metallen beobachtete Verhalten bei ihrer Ver- mendung als Kathoden oder Anoden bei elektrolj4ischen Eeduktions- oder Oxydationsprcszessen keineswegs mit den aus den in der Literatur angegebenen Uberspannungswerten parallel.

Den Gruntl hierfur erkannte F~ERSTER darin, daB die Dber- spannung insofern keine einem Metal1 xuzixschreibende Naturkonstante ist, ale sie in ganz aulierordentlichem MaBe von der Oberflachen- beschaffenheit desselben, von der Stromdichte und vor allen Dingen von der Zeit der andanernden Polarisation abhangt, wenn man nicht mit verschwindend kleinen Stromdichten arbeitet.

Eine andere Frage, der FOERSTRR, sein Angenmerk mwsndt.e, ist die, ob bei der elektrolytischen Reduktion immer primar Wasser- stoff abgeschieden wird, der erst sekundar chemisch mit, der zii reduzierenden Substanz reagiert, oder oh, wie es bei einfacheren Vorgiingen anzunehmen naheliegt (z. B. Fe"' - F --t Fe"), eine einfa#che Umladung stattfindet.

Er verfolgt zu dem Ende die elekt8rolytische Reduktion der Molyb- dansaure, der Titansaure und der Stannisalze und findet dabei in jedem Falle Polarisationserscheinungen und Abhangigkeit des Brbeits- potentials der Elekt,rode von der Elektrolytnatur.

E. Muller. B’ritz Foerster und sein Werk 13

Er kommt aber zu dem SchIu13, daB eine eindeutige Antwort der aufgeworfenen Frage durch seine Besultate nicht gegeben werden konne. Denn Unpolarisierbarkeit bzw. Reversibilitat - wie sie z. B. beirn Vorgang Fe”‘ - F - t Fe” vorhanden ist - kann nicht streng als Beichen des Nic h t mitwirkens primar abgeschiedenen Wasser- stoffs und Polarisierbarkeit bzw. Irreversibilitat, nicht als eines des I l i t wirkms angeseheri werden, da ja einerseits die Verzogerung clurch langsame Nachbildung einfacher Ionen aus komplexen, das Fehlen der Vereogerung aber auf eine unendlich schnelle Reaktion primar abgeschiedenen Wasserstoffs zuruckgefuhrt werden kann.

Die eben erwahnten Reduktionsvessuche hat er dann noch auf die Vanadinsiiure ausgedehnt und manche wertvolle elektrolytische Darstellung von Praparaten beschrieben, die auf anderem Wege schwer erhaltlich sincl.

Unter den Oxydationsreaktionen, die er studierte, ist neben der schon erwahnten Bildung der Halogensauerstoffverbindungen die Uberfuhrung schwefligsaurer Salze in Dithionate und die Erzeugung von Persulfat und Perborat zu ernahnen. Mit der Dithionatbildung gibt er ein schones Beispiel dafur, wie wichtig fur derartige Prozesse die genaue Verfolguiig des Anodenpotentials ist, iind im AnschluB an seine, das Persulfat betreffenden Untersuchungen a erden noch die gunstigsten Bedingungen fiir dessen Verseifung zu Wasserstoffsaper- oxyd ausfindig gemacht,.

Gelegentlich eines Gutachtens wurde FOERSTER auch Bum naheren Studium des Eisen-Nickelsuperoxydsammlers, des sogenannten Edison- akkumulators, veranlaBt. Die Ladungs- und Entladungsliurven, die er fur die beiden Elektroden aufnahm, zeigten 2 Stufen beim Eisen. Tm ersten Stadium der Entladung fnhrt der Vorgang E’e + 2F-t FP” das Eisen in Ferrohydroxyd uber, welches das Metall immer dichter umkleidet, bis das Potential des Fe(OH), allein in Erscheinung tritt iind das Potential beim Vorgang Fe“ + F t + Fe”’ haltmacht. Von da ab entsteht in der zweiten Stufe Fe(OH),. Damit reil3t die Hulle, tlas Metall wird w-ieder frei iind reagiert mit Fe(OH), zu Fe(OH),. Dieser letzte Vorgang verlauft schneller als Fe + 2 F --f Fe”, wo- clurch die zn-eite Stnfe eine betr~chtliche Xapazitat erreicht.

Bei der Ladung steigt das Potential sehr schnell auf einen un- cdleren Wert, als der ersten Stufe der Entladung entspricht, was cladurch erklarl wird, daB Fe(OH), zu metallischem Eisen reduziert wird, weil die zu Fe(OH), zu trage verlauft. 1st Fe(OH), aufgebrancht,

14 Zejtschrift fiir a,norganische und allgemeke Chemie. Band 204. 1932

so steigt das Fotential schiiell zur Wasserstoffentwiclilnng, die die Reduktion des Fe(OH), begleitet.

Bei der Entladung rnufi wan die nberschreitung der ersten Stufe vermeidm, urn nicht allrs Eisen aufzubrauchen. Dies wird dadurcli erreicht, daB man cler Eisen-Elektrotle eine wcsentlich groBere Kapazitat gibt und die hlitivitiit des Eisens durch Zusata von Queek- silber hochhalt.

An der positiven Elektrocle nird das Ni(QH), zu Nichclsuper- oxyd, Ni,Q,, bei der Ladling uberfuhrt. Nur im letzten Stadium drrselben entsteht neben Sauerstoff Xckeldioxyd, NiO,, tlss sich aber bei der Entladung nur wenig betatigt, zumal TZ e m zwischen Ladung und Entladung eine larigere Pause liegt, indem es sich von allein in Ni,O, und 0, zersetzt.

Das wesentliehe Geschehen 1aBt sicli dana ch in folgende Gleichung fassen :

Entladung

Ladung Fe + Ni,O,.1,2 H,O + 1,s H,O 2=? Fe(OH), + 2Ni(OH),

aus der hervorgeht, daB das Wasser zur aktiven Nasse gehort. Die I,adnng fulirt zu riner Verdunnung, die Entladixng zu einer Konzen- irierung der Lauge.

Soviel uber die elektrochemischen Arbeiten. Unter denen mit rein chemischeni Inhalt zeichnet sich eine

grol3ere Serie auq, die sich auf die Kenntnis der schwefligen Saure und ihrer Salze bezieht. Hier sol1 zuniichst die Untersi~clnxng der verh&ltnismiiBig noch einfachen Wechseln irkung von Schwefel- wasserstoff nnd sehwefliger Saure bzw. deren 8alze Erwiilinung finden.

Die freien Sauren bilden Penta- und Tetrathionsiiure neben freiem Schmefel, ihre Anionen, HS‘ und HSO,’, reagieren dagegeii in mannigfach veranderter Weise je nach ihrem Xengmverhaltnis nnd der Konzentration der Wasserstoffionen.

Stehen HS’ und HSO, im Molverhaltnis 1 : 2, so bilden sie glatt und momentan Thiosulfat :

2 HS’ + 4 HSO,’ ---f 3 S,O,” + 3 H,O (1)

Leitet man aber SO, in neutrales Sulfit, so enistehen S H und HSQ,’ nach

S” + 1330,’ + H’ -z.? HS’ + HSO,‘ (2)

nur im Verhaltnis 1 : 1 und es mu13, um das Verhaltnis 1 : 2 gemiiB (3)

E. Miiller. Fritz Eoerster und sein Werk 15

fur die Thiosulfatbildung zu bekommen, ein UberscliuB von SO, gegen (2) zugegeben werden, der aber gemaB

6 S” + 8 I-ISO,’ + 8 H’ ir 4 H8’ + 8 HSO,’ + 2 H,S (3)

neben Thiosulfat Schwefelwasserstoff bildet, der seinerseit’s mit SO, zu Schwefel reagiert :

Das Znsammenuirken diescr Vorgange fuhrt zum Endergebnis

der allbekannten, vielfach zur technischen Gewinnung von Thio- sulfat benutzten Umsetzung.

Diese Ergebnisse losen dann noch weitere Versuche uber die Einwirkung schwefliger Saure auf die Sulfide des Eisens, Zinkes und Mangans aus.

Fur die Weiterforsehung auf dem oben bezeichneten Gebiete war eine eingehendere Kenntnis des Verhaltens der Thioschwefel- saure und der Polythionsauren notig, die, wie schon bei der eben besprochenen Reaktion, vielfach teils als Haupt-, teils als Neben- produlite auftreten.

So wird denn festgestellt, da13 die bekannte Zersctzung von Thiosulfatlosungen beim Ansauern zunachst zu einern Gleichgewicht fuhrt

was sich dadurch beweisen lafit, daB Schwefcl niit Bisnlfit xu Thio- sulfat reagiert. Die dabei bei kleiner H’- und grol3er S,O,”-Konzen- tration beobachtbare GelbfBrbung ruhrt nicht von kolloidein Schwefel her, sondern von einem in einer umkehrbaren Realittion gebildeten Komplexion

-- 6 S,O,” + 6 H,O

2 HZS + HSO,’ + H’ -+ 3 S + 3 H,O

2s” + 3HS0,’ + 3H’ --f .2S,O,” + S + 3H,O

(4)

( 5 )

(6) S,O,” + H’ c? HSO,’ + S

(7) S,O,” + SO, Gi? [S,O,(XO,)]” von dem Salze im festen Zustand dargestellt werden Lorinten.

der langsamen Zersct,zung Die an dern Gleichgewicht (6) beteiligten Stoffe nnterliegen

5 S,O,“ + 6 H‘ -+ 2850,‘’ + 3 HZO S,O,” + 4 HSO,’ + 2 H’ 3- 2 S,O,” + 3 H,O

S5OCf’ + HSO,’ --f S401f + SzOi’ + H’

s,o;‘ + mo,’ -+ s,o,” + s,~,” + H‘

(8) (9)

zu Penta- und Trithionat. Das erstere wird seinerseih wieder ab- gebaut zu Tetrathionat

schnell verlaufend, und dieses wieder zu Thiosulfat und Trithiona,t

langsam verlaufend.

(10)

(11)

16 Zeitschrift fiir anorganische und allgcnieine Chemie. Band 204. 1932

Das nach (9) und (11) gebildete Trithionat ist wieder nicht be- s t andig, reagiert vielmehr nach

S,O,” + H,O + SO,” + S,O,” + 2 H’ (12) Indem sich das nach (lo), (11) und (12) mtstehende Sz03” nach

(6) ins Gleichgewicht setzt, wiederholt sich das Spiel der Reaktionen, bis schlieBlich samtliches Thiosulfat in Sulfat, schweflige Saure und Schwefel nmgewandelt ist. Die hier nur als Zwischenreaktionen auftretmden Vorgange (10) und (I 1) wurden von FOERSTER gesondert untersucht, indem er Bisulfit anf die Polythionate einwirken liefi. Dabei zeigte sich, daB (12), ifelches sic11 an (11) anschlieBt, so vie1 schneller als (11) verlauft, daB das nach letzterer Gleichung ent- stehende S,O,” nur in geringer Menge nachweisbar ist, w-iihrend das nach (10) gebildete S406” in grdaerer Menge auftritt, da (11) lang- sarner verlauft als (10).

Benutzt man statt tles Risulfits dae Sulfit, so gestalten sich die entsprechenden Vorgange wie folgt

8506” + so,” ft s*o,” + 820,” s*o,” + so,” +? S,O,’’ + s20,”

(13)

(14)

die bei Sulfit uberschul3 praktisch vollst,%ndig verlanfen, hei aqui- valenten Mengen der Ausgangsstoffe xu einem stark rechts gelegenen, in Sa. Bombinierten Gleichgewicht

2 8,O,” 2--? S506” + s,o,” (15) fuhren.

Auch die wa13rigen Lorungen der schwefligen Saure sind keine bestandigen Gebilde, sondern zerfallen nach der Summengleichung

3 HSO,‘ --t 2 SO,” + S + H’ + H,O

4 HSO,’ --f SO,” + S,06” + 2 H,O S,O,” + H,O -+ SO,” + S,O,“ + 2 H‘

(16)

(1 ‘i)

(1 8)

autokatalytisch. Indessen geht dies stufenweise vor sich :

und S,O,“ unterliegt dann der oben beschriebenen Zersetxung. Auto- katalytisch wirken die H‘-Ionen. Katalytisch wirkt ferner das Selen clurch seine Fahigkeit , ein Selenodithionat zu bilden.

l u f die nicht rninder interessanten Untersuchungen uber die Einwirkung von H,S auf Arsensaurelosungen und uber den Mechanis- mus cles Zerfalls der Sulfite und Pyrosulfite bei Gluhhitze sol1 hier

E. Miiller. Fritz Foerster und sein Werk 17

nicht eingegangen werclen. Es mag genugen, die Reaktionen der Schwefelsauerstoffverbindungen in wiil3riger Losung etwas ausfuhr- licher besprochen zu haben, urn zu zeigen, daB sich FOERSTER, wie auch seine Untersuchungen uber die Einwirkung der Halogene auf Laugen zeigen, oft recht knifflige Probleme fur seine Forschung am- suchte und mit bewundernswerter Hnrtnackigkeit verfolgte.

Unter den anderen rein anorganischen Arbeiten FOERSTER’S ist dann noch derer zu gedenken, die sich mit der Akt,ivierung des Stick- stoffs befassen. Sie erstrecken sich auf das Verhalten der nitrosen Gase, die z. R. beim Durchschlagen des elektrischen Bogens durch die Luft entstehen, gegen Wasser, auf die Herstellung konzentrierter Salpetersaure aus denselben und auf die Herstellung des Salpetrig- saureanhydrides. Auch zwei Arbeiten uber die Bildixng des Kalkstick- stoffs gehiiren hierher.

SchlieBlich durfen auch die wertvollen Arbeiten uber die sachsischen Steinkohlen nicht vergessen werden, Untersuchungen uber ihr Verhalten bei der Destillation, uber die Bestimmungen ihres Heiz- wertes, ihres Gehaltes an Schwefel und Stickstoff und uber die Tief- t emperaturverkokung.

Uberblicken wir riickschauend die wissenschaftlichen Leistungen FOERSTER’S, so stehen wir staunend vor einem ungemein vielseitigen und fruchtbaren Forscher.

Wenn in der hier gegebenen Schilderung dersolben manche Liicke bestehen mag oder diescs und jenes vielleicht nicht mit einer der Wichtigkeit entsprechenden Ausfuhrlichkeit vorgebracht wurde, so mag der Umstand entschuldigen, daB sich Sonderdrucke seiner gr- beiten nur aus den allerletzten Jahren vorfanden. DaB FOERSTER, wo er doch immer wieder auf fruhere Ergebnisse zuruckgreifen muBte, ohne eine Sammlung seiner etwa 150 Publikationen auskommen konnte, erscheint erstaunlich genug. Alles buromBl3ige lag ihm eben nicht. So fanden sich auch in seinem NachlaB die Akten uber die zahlreichen von ihm ausgefiihrten Gutachten nicht geheftet, sondern ungeordnet in Briefumschlage gesteckt. Offenbar hatte er eine buro- mal3igc Ordnung gar nicht notig. Bei seinem phanomenalen Ge- dachtnis hatte er alles geordnet in seinem Kopfe.

Als Lehrer war FOERSTER allgemein beliebt, obgleich er, wie an sich selbst, so auch an seine Schuler strenge Anforderungen stellte. Die Verehrung, die man ihm entgegenbrachte, kam in besonders schoner und nachhaltiger Weise bei der Feier seines 60. Geburts- t’ages zum Ausdruck.

Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 204. 2

18 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 204. 1931

Als Lehrer hat er ubrigens auch weit uber die Grenzen seiner Hochschule hinaus durch sein ausgezeichnet es, schon erwiihntes Lehr- und Handbuch ,,Elektrochemie wiiBriger Losungen" gewirkt.

GroBen Wert legte er stets darauf, seine Vorlesungen durch experimentelle Vorfiihrungen zu beleben und er scheute in dieser Be- ziehung bei der Vorbereitung derselben keine Muhe. Seine wissen- schaftlichen Mitarbeiter, die mit einer Arbeit beschaftigten Dok- toranden und Diplomanden, suchte er fast taglich auf und besprach mit ihnen die laufenden Ergebnisse. Wo nur die leisesten Zweifel an der Richtigkeit der gewonnenen Resultate auftauchten, konnte er recht hartnackig auf eine Wiederholung der Versuche drangen. Denn wenig verlieB er sich auf Spekulationen, vie1 auf das Experiment. Daher auch das Vertrauen, das allerseits den Angaben in seinen Publikationen von seiten der aissenschttftlichen Welt entgegen- gebracht wurde.

FOERSTER besaB einen reichen Schatz an chemischen Kennt- nissen auf fast allen Gebieten der reinen und angewandten Chernie. Wohl niemals klopfte der vergeblich an, der sich einen - stets gern gegebenen - Rat bei ihm holte und in den Kolloquien der chemischen Abteilung war infolgedessen sein Eingreifen in die Diskussion aufs starkste anregend und belehrend.

Vie1 galt auch im Kollagenkreise seine Meinung in Abteilungs- und Hochschulangelegenheiten. Weil er immer nur die Sache uncl nicht die Person in den Vordergrund stellte, bildete er den Kristalli- sationskeim eines schijnen und harmonischen Zusammenlebens.

Wer POERSTER nicht naher kannte, der konnte ihn fur eine ruhige, schwer erregbare Natur halten. Dieses Bild war aber nur die Folge seiner Selbstbeherrschungskunst. Denn wenn es sich ernstlich um die Verteidigung einer guten oder um die Bekampfung einer schlechten Sache handelte, da durchbrach unter UmstBnden sein Temperament die kunstlich gelegten Schranken. Und im trauten Kollegenkreise, so z. B. bei den Nachsitzungen der chemischen Abteilung im Rats- keller, offenbarte sich seine lebendige frohe, und humorerfullte Natur, die doch eigentlich den Kern seines Wesens ausmachte.

Preilich sind auch ihm Zeiten tiefster Depression nicht erspart geblieben. Den kerndeutschen Mann, der er war, muDte der Welt- krieg mit seinem unglucklichen Ausgang seelisch vernichtend treffen. Dazu kam, daS die Beschrankung der Lebensmittel zu jenen Zeiten gerade ihn, der bei seiner peinlichen Gewissenhaftigkeit nicht mehr zu sich nahm, als ihm nach den Vorschriften zustand, auch korperlich

E. Muller. Fritz Foerater und sein Werk 19

vollig herunterbrachte. Und kaum, daB er sich etwas erholt hatte, ward ihm 1922 die treue Lebensgefahrtin, mit der er 26 Jahre in glucklichster Ehe verbunden war, durch den Tod entrissen.

Es hat lange gedauert, bis er sioh von diesen Schlagen zu der vollen geistigen und korperlichen Frische erhob, in der wir ihn die letzten Jahre seines Lebens vor uns sahen. Wenn er auch naoh dem Tode seiner Prau manchmal uber eine gewisse Vereinsamung klagte, so durfte er sich doch noch seiner drei Kinder erfreuen, die sie ihm geschenkt hatte, und noch am Abend seines Daseins zwei Enkelkinder mit seiner Liebe umfangen.

FOERSTERS ganzes Leben war harte Arbeit und strenge Pflicht- erfullung, seine Lebensfuhrung von fast spartanischer Einfachheit. Gut hiitte er sich manch groSere Bequemlichkeit und manche Ent- lastung von der Arbeit leisten konnen, htiufig genug haben Freunde und Verwandte in der Besorgnis, daB er seine Gesundheit schiidigen konnte, in dieser Beziehung auf ihn einzuwirken gesucht. Immer aber vergeblich. Wer aber glaubte, dal3 er ihn dadurch gliicklicher gemacht hiitte, der irrt. Denn das Gluck eines edlen Menschen erfullt sich in der Leistungsmoglichkeit dessen, wozu er sich berufen fuhlt und glaubt, nicht nur nach dem eigenen Urteil, sondern auch nach dem anderer zu solchern Urteil Befahigter. Nur in einer Zielsetzung und Zielstrebung findet er uberhaupt den Sinn des Lebens. Und von diesem Gesichtspunkt aus durfen wir den Erdengang FRITZ FOERSTER'S als einen BuBerst glucklichen bezeichnen.

An BuBerer Anerkennung hat es ihm nicht gefehlt. Hohe und hochste Orden wurden ihm verliehen. Er war korrespondierendes Mitglied der Gottinger Akademie der Wissenschaften, Mitglied der sachsischen Akademie der Wissenschaften und des technischen Rates. Die Stuttgarter Technische Hochschule ernannte ihn 1913 zum Dr. Ing. ehrenhalber, 1917 wiihlt ihn das Vertrauen seiner Kollegen zum Rektor magnifious und mehrfach wurde er von anderen Hoch- schulen begehrt.

Aber hoher als diese BuBerlichkeiten durfen wir mit ihm schatzen den Reichtum, den er besaD in der Liebe seiner Verwandten und Freunde, in der Verehrung seiner Kollegen und Schuler und vor allen Dingen in der unumschrankten Anerkennung derer, die mit ihm der Wissenschaft und der Wahrheit dienten.

,,Denn wer den Besten seiner Zeit genug getan, Der hat gelebt fur alle Zeiten."

Bei der Redaktion eingegangen am 13. November 1931. 2*

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