FS 2015 Wettbewerb, Altruismus und Reziprozität · 2015-04-28 · Homo Oeconomicus: Nash: s =...

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Wettbewerb, Altruismusund Reziprozität

Ergebnisse experimentellerSpieltheorie

I. Boudons WettbewerbsmodellII. Warum Experimente?III. Altruismus versus homo oeconomicus IV. Experimente mit dem einmaligen

GefangenendilemmaV. Das Modell der UngleichheitsaversionVI. Diktator- und UltimatumspielVII. Reziprozität

„Tocqueville Paradox“

►Emile Durkheim, 1897, Der Selbstmord

Zunehmende Selbstmordraten in Zeiten wirtschaftlichenAufschwungs

►Samuel Stouffer et al., 1949, The American Soldier

Relativ geringe Beförderungsraten bei der Militärpolizei,Höhere Beförderungsraten bei Piloten der Air Force.Aber: Höhere Zufriedenheit mit dem Beförderungs-system bei der Militärpolizei!

Erklärung?

Ein Paradox?

Boudons Wettbewerbsmodell

N = number of actorsk = number of positionsn = number of investorss = probability of winning

p = probability to invest(decision variable)

Payoffs: α > β > γ

Berger & Diekmann 2014

„Beautiful Mind Game“A B C D E Five women

Four men with a strongpreference for A

This is not a Nash-equilibriumas suggested by „Nash“ in themovie „Beautiful Mind“

Beautiful mind game: N actors compete for a scarce resource. Only a singlecompetitor will be successfull.

α α/2 α/3 … α/n

β β β … βC

D(compete,invest)

0 1 2 … n – 1 competitors

k = 1, γ = 0

Mixed Nash Equilibrium Strategy in the Competition Game

Berger & Diekmann 2014

ExampleParameter values: N = 6, k = 1, α = 9, γ = 5, β = 6.5

► k = 1, p* = 0.429 (mixed Nash-equilibrium strategy)►k = 1: «Winner takes it all!»►Weitere Gleichgewichte?

k = 1 2 k = 5

Berger & Diekmann 2015

Ergebnisse aus drei Experimenten

Berger & Diekmann 2014

Der brave Mann denkt ansich selbst zuletzt!

Altruismus und experimentelle Spieltheorie

Der brave Mann denkt ansich, selbst zuletzt!

Oder homo oeconomicus?

Homo Oeconomicus1. Rationalitätsannahme2. Ausschliesslich materielle

EigeninteressenAltruismus1. Rationalität2. Interesse an der Erhöhung der

Auszahlung anderer Spieler

Definition: Altruismus

Definition: “Altruistisch” sind “Kosten verursachende Handlungen, die anderen Personen ökonomische Vorteile verschaffen” (Fehr und Fischbacher 2003)

“Experimentelle Wirtschaftsforschung” oder besser “experimentelle Spieltheorie”/”behavioural game theory”Ausgehend von spieltheoretischen Modellen zahlreiche experimentelle Studien zu grundlegenden Fragen menschlichen Verhaltens

• Altruismus• Reziprozität• Soziale Normen• Vertrauen• Reputation• Signale und Status• Konflikt, Kooperation und soziale Ordnung

Methode• Experimentell

Randomisierung (Zufallsaufteilung auf Versuchsgruppen)

• Prüfung von Kausal-hypothesen

• Computer-Labor, z.B. z-tree

• Keine Täuschung von Versuchspersonen

• Replikationen, kumulative Forschung

Problem: Artefakte z.B. durch Versuchsleitereffekte

Abhilfe?

• Doppelblindversuch• Anonymität• Feldexperimente

Fieldexperiment Cooperation

Semester paper at ETHFraschina, Kach, Omlin, Prohaska 2007

Selling of honey and other agrarian productsby a farm store in the Lucerne area. Customers pay the amount required in an honesty box. There is no device to control for payment.

Fieldexperiment: Cooperation of Customers

Semester paper at ETHFraschina, Kach, Omlin, Prohaska 2007

Experimente mit dem Gefangenendilemma

C DC R, R S, TD T, S P, P

Homo Oeconomicus: Nash: s = (D,D)

In Experimenten aber im Durchschnitt etwa ein Drittel der Versuchspersonen kooperativ (Shafir und Tversky 1992, nach List 2006. Sally 1995, 120 “pooled” Gruppen, im Mittel 47,4 % kooperative Entscheidungen)

T > R > P > S

Ein Modell zur Erklärung der experimentellen Ergebnisse

Prinzip „Ungleichheitsaversion“, Modell von Fehr und Schmidt (1999):ui = f(monetäre Auszahlung) – g(Abweichung vom Fairness-Referenzpunkt). Für n = 2 Spieler:► ui(xi) = xi – αi max {xj – xi; 0} – βi max {xi – xj; 0}.

• ui ist der Nutzen der Auszahlung xi an Akteur i. αi und βisind Personenparameter, wobei gilt:

• 0 βi < 1; βi αi. Der erste Term auf der rechten Seite bezeichnet die materiellen Auszahlungen, der zweite Term bezieht sich auf die Neidkomponente einer Auszahlung und der dritte Term auf die Unfairness der Auszahlung. α ≥ β heisst, dass der immaterielle Nutzenverlust durch Unfairness gleich stark oder stärker gewichtet wird als der Nutzenverlust durch Privilegierung.

Beispiel: Kooperation im einmaligen Gefangenendilemma

Betrachten wir als Beispiel das Gefangenendilemma mit den Auszahlungen T > R > P > S.

Der mit dem Fairnessmodell transformierte Nutzen eines Ausbeutungsgewinns T und eines Kooperationsgewinns R beträgt unter Verwendung der oben erwähnten Nutzenfunktion:

u(T) = T – β (T – S) und u(R) = R.

Falls u(R) ≥ u(T), existiert im Gefangenendilemma ein kooperatives Nash-Gleichgewicht von Fairnessauszahlungen.

Die Bedingung dafür lautet:

β ≥ (T – R)/(T – S).

Sind die Fairnessparameter beider Akteure im Gefangenendilemma hinreichend groß, werden sie ein kooperatives Nash-Gleichgewicht erreichen.

Diktator- und Ultimatumspiel

• Diktator versus Ultimatumspiel (Forsythe et al. 1991)

• Diktator: Homo Oeconomicus (100%)• Ultimatumspiel: Nash-Gleichgewicht?

Diktator- und Ultimatumspiel

• Diktator versus Ultimatumspiel (Forsythe et al. 1991)

• Diktator: Homo Oeconomicus (100%)• Ultimatumspiel: Jede Aufteilung der

ganzen Summe ist ein effizientes (Pareto optimales) Nash-Gleichgewicht!

• Teilspielperfektheit?

Diktator- und Ultimatumspiel

• Diktator versus Ultimatumspiel (Forsythe et al. 1991)

• Diktator: Homo Oeconomicus (100%)• Ultimatumspiel: Jede Aufteilung der

ganzen Summe ist ein effizientes (Pareto optimales) Nash-Gleichgewicht!

• Aber nur (100-ε, ε) und (100, 0) ist teilspielperfekt (mit ε kleinste Einheit).

Kommt dem Nash-Gleichgewicht nahe!

Fairness im Diktator- und Ultimatumspiel

Abgabebereitschaft (Fairness) im Diktatorspiel(d%) und im Ultimatumspiel (u%).

1.d% > u%2.d% = u %3.d% < u %

Experimentell 1, 2 oder 3?

Diktator mit Entlohnung Ultimatum mitEntlohnung

Diktator ohne Entlohnung Ultimatum ohneEntlohnung

Forsythe, Horowitz, Savin, Sefton 1991, N = 182

Henrich et al. 2005, Behavioral and Brain Sciences 28: 795-855

Ultimatumspiel mit 15 ethnischen Gruppen

Anthropologen spielen „Ultimatum“ weltweit mit 15 Gruppen von Ureinwohnern

Henrich et al., 2005. „Economic Man“ in Cross-cultural Perspective. Behavioral and Brain Sciences.

Machiguenga

HadzaLamaleraGeo - Reisecomminity

Anthropologen spielen „Ultimatum“ weltweit mit 15 Gruppen von Ureinwohnern

Henrich et al., 2005. „Economic Man“ in Cross-cultural Perspective. Behavioral and Brain Sciences.

Machiguenga

HadzaLamaleraGeo - Reisecommunity

►“Negative Reziprozität“: Unfaire Angebote (≤ 20 %) werden sehr häufigabgelehnt.

► Opferbereitschaft nach der Verletzung von Fairnessnormen.

Drei zentrale Ergebnisse

1. Keine Kultur entspricht dem Bild des Homo oeconomicus!

2. Aber erhebliche Variation bei den Kooperationsratenin bestimmten Grenzen (selten Abgaben von mehrals 50 %)

3.Abhängigkeit der Kooperationsniveaus von derWirtschaftweise

Veto bei unfairen Angeboten im Ultimatumspiel:Selbstschädigende negative Reziprozität

Beispiele im Alltag:

• Fixe Preise im Handel: Spart Transaktionskosten, aber istauch eine Art Ultimatumspiel

• Schneeschaufeln nach Schneefall: Händler verzichtenoft auf eine Preiserhöhung!

„Windfall profits“ und Anonymität“Hardnose the Dictator”

Cherry, Frykblom and Shogren 2002

Design:

1. Kontrollgruppe2. Selbst verdientes Geld (durch ein Quiz) (E =

“earnings”)3. “Earnings” plus “doppelblind” (EB)4. “High stakes” (H = 40 $) versus “low stakes” (L

= 10 $)

„Selbstverdientes“ Geld senktdie Bereitschaft zu teilen drastisch!

10 $ Bedingung

40 $ Bedingung

WeitererEffekt durchvollständigeAnonymisierung.

Diktator-Experiment von Berger (2009): Aufteilung körperlicher Anstrengung

60 Froschsprüngein einer Schulklasse,Entscheidung desDiktators bleibtanonym.

Diktator mit Froschsprüngen bei Schülern

• 57 Schüler teilen je 60 Sprünge auf.

• Diktator und Mitschüler bleiben anonym.

Roger Berger 2009, Universität Leipzig

Diktator mit Froschsprüngen bei Schülern

• 57 Schüler teilen je 60 Sprünge auf.

• Diktator und Mitschüler bleiben anonym.

• Völlig altruistisch: 4 (7 %)

Roger Berger 2009, Universität Leipzig

Diktator mit Froschsprüngen bei Schülern

• 57 Schüler teilen je 60 Sprünge auf.

• Diktator und Mitschüler bleiben anonym.

• Völlig altruistisch: 4 (7 %)

• Fair, max. 30 Sprünge durch Partner: 29 (51 %)

Roger Berger 2009, Universität Leipzig

Diktator mit Froschsprüngen bei Schülern

• 57 Schüler teilen je 60 Sprünge auf.

• Diktator und Mitschüler bleiben anonym.

• Völlig altruistisch: 4 (7 %) • Fair, max. 30 Sprünge

durch Partner: 29 (51 %)• Eher eigennützig, 50 und

mehr Sprünge durch Partner: 18 (32 %)

Roger Berger 2009, Universität Leipzig

Diktator mit Froschsprüngen bei Schülern

• 57 Schüler teilen je 60 Sprünge auf.

• Diktator und Mitschüler bleiben anonym.

• Völlig altruistisch: 4 (7 %) • Fair, max. 30 Sprünge

durch Partner: 29 (51 %)• Eher eigennützig, 50 und

mehr Sprünge durch Partner: 18 (32 %)

• Völlig eigennützig, alle Sprünge durch Partner: 3 (5 %)

Berger 2009

Reziprozität: Experiment McCabe, Rigdon, Smith 2003

a) Vertrauensspiel b) Aufteilung

20, 20

25, 25 15, 30

A

BD C

C D

B

25, 25 15, 30

C D

In welcher der beiden Situationen wird B kooperativer sein?

Experiment McCabe, Rigdon, Smith 2003

a) Vertrauensspiel b) Aufteilung

20, 20

25, 25 15, 30

A

BD C

C D

B

25, 25 15, 30

C D

65 % der B sindKooperativ (25, 25)

33 % der B sindkooperativ (25, 25)

►Intentionen zählen!►Nicht erklärbar mit Fehr/Schmidt-Modell

Experimente zeigen:

• Begrenztes Ausmass von Altruismus• Heterogenität von Motiven• Reziprozität ist ein grundlegendes Verhaltensprinzip.• Positive und negative Reziprozität (“strong reciprocity”,

Gintis)• “Altruistische Reziprozität” ermöglicht den Vollzug von

Sanktionen, stabilisiert soziale Normen und fördert damit Kooperation und gesellschaftlichen Zusammenhang.

• Gintis (1998): “Homo Reciprocans”• “Power of Reciprocity” nicht nur im menschlichen

Verhaltensrepertoire „A man ought to be a friend to his friend and repay gift with gift. People should meet smiles with smiles and lies with treachery.“ (Aus der Edda, nach Gintis 1998)

Begriffe und Ergebnisse: Experimente mit GD, Diktator-, Ultimatumspiel1. Boudons Wettbewerbsmodell2. Fairnessmodell von Fehr und Schmidt: Ungleichheitsaversion3. Eigenschaften des Ultimatumspiels: Nash-Gleichgewichte und

Teilspielperfektheit4. Fairness im Diktator- und Ultimatumspiel5. Abgaben bis maximal 50 %6. Höhere Abgabe im Ultimatum- im Vergleich zum Diktatorspiel7. Abgaben grosszügiger bei „windfall profits“8. Homo oeconomicus ist die Ausnahme. Menschen haben „soziale

Präferenzen“ („other regarding preferences“). Deren Stärke variiert aber.9. Heterogenität der Stärke von Fairness bezüglich Personen und Kulturen

(Henrich et al. – Studie) 10. Soziale Präferenzen: Ungleichheitsaversion; positive und negative

Reziprozität

„Negative Reziprozität“: Kathleen Turner und Michael Douglas im „Rosenkrieg“

Ärger über Unfairness bei Kapuzineräffchen

Jeton> >Präferenzordnung der Probandinnen

Versuchsanordnung

Kontrolle

UngleicherTausch

Tausch gegen Jeton.Beide wissen, was die Partnerinbekommt.

Monkeys Reject Unequal Pay

Brosnan & de Waal 2003Präferenz: Weintraube > Gurkenscheibe > JetonKapuzineräffchen verweigern selbstschädigendden Tausch Jeton gegen Gurkenscheibe, wenn siebemerken, dass ein anderer Kapuzineraffe dafüreine Weintraube erhalten hat (IT).

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