View
222
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Vereinte Dienstleistungs-gewerkschaft
Allgemeine Kommunalverwaltung
Gute Arbeit braucht Qualifizierung Beschäftigte der kommunalen Ordnungsdienste
dringen auf Standards bei Ausrüstung sowie Aus- und Weiterbildung
2
04 Mehr Anerkennung und mehr Geld
Beschäftigte der kommunalen Ordnungsdienste
machen sich für qualifiziertes Berufsbild stark
06 Bloß keine Billigpolizei
ver.di-Baden-Württemberg pocht auf
eine umfassende Ausbildung der kommunalen
Vollzugsbediensteten
08 Sicherheit heißt Qualifizierung
Duisburg setzt auf systematische und
umfangreiche Aus- und Weiterbildung
10 Damit sich die Bürgerinnen und Bürger
sicherer fühlen
Frankfurts Stadtpolizei zeigt Präsenz –
Kooperation mit der Landespolizei
12 Spagat zwischen Wunsch
und Wirklichkeit
Stuttgart: Städtischer Vollzugsdienst –
„das Schätzkästchen“ der Kommunen
15 Mehr als nur Knöllchen schreiben
Beschäftigte der kommunalen
Verkehrsüberwachung brauchen
Perspektiven
16 Streifendienst darf nicht
krank machen
Gefährdungsbeurteilung im Außendienst
kommunaler Ordnungsdienste
19 Doppelstreife ist ein Muss
Thomas Herbing, Leiter der Bundesfachgruppe
Allgemeine Kommunalverwaltung, betont:
Schmalspurausbildung ist nicht akzeptabel
22 Gute Arbeit gestalten
ver.di will gute Arbeit vorantreiben –
Arbeit braucht gesundes Maß –
viele klagen über Arbeitsverdichtung
Inhalt
3
Immer mehr Kommunen entschließen sich dazu, kom -
munale Ordnungsdienste aufzubauen. Es sind vor allem
die Großstädte, die auf einen solchen Dienst nicht mehr
verzichten wollen, aber es sind auch kleinere Städte mit
dabei. Meist wird mit wenig Personal und einem überschau-
baren Aufgabenkatalog gestartet. Doch Jahr um Jahr wach-
sen die Aufgaben, nicht immer gibt es entsprechend mehr
Personal.
Und vor allem: Meist sind es Quereinsteiger, die dann in
den Innenstädten Streife gehen. Ihre Ausbildung ist unter-
schiedlich lang und unterschiedlich intensiv. Kein Wunder,
dass die Kolleginnen und Kollegen diese Unterschiedlichkeit
kritisch sehen. Sie pochen auf eine Qualifizierung, die ihren
Aufgaben entspricht, die ihnen dadurch Sicherheit bietet –
in jeder Beziehung.
ver.di stellt sich hinter die Forderung der Kolleginnen
und Kollegen nach dieser umfassenden Ausbildung. Denn
eines muss allen – vor allem den Verantwortlichen in den
Kommunen – klar sein: Die Kolleginnen und Kollegen kön-
nen und wollen keine Billigpolizei sein. Der kommunale
Ordnungsdienst kann die Polizei in den Städten nicht erset-
zen. Und was schon gar nicht geht: immer mehr Aufgaben,
ohne entsprechend viele neue Kolleginnen und Kollegen ein-
zustellen.
Die Beschäftigten der kommunalen Ordnungsdienste
sind dabei, ihre Interessen und Positionen klar zu formulie-
ren. Sie schließen sich zusammen und wollen nicht locker
lassen – ob es um die Qualifizierung, um die Ausstattung,
um Wertschätzung oder Bezahlung geht. Bei der Bundes-
fachgruppe Allgemeine Kommunalverwaltung hat sich eine
Arbeitsgruppe gebildet und auch in den Ländern formieren
sich Arbeitskreise. Und das ist gut so. Denn wir alle wissen:
Nur wenn wir viele sind, wenn wir engagiert sind, wenn wir
unsere Forderungen immer wieder deutlich machen, werden
wir Veränderungen in unserem Sinne erreichen.
Herausgeber:ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bundesverwaltung · Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin
Verantwortlich: Achim Meerkamp, Mitglied des Bundesvorstandes
Redaktion: Jana Bender, Thomas Herbing · Fotos: Haug, privat, Götze, Bender, mihi (Fotolia), Karikaturen: Reinhard Alff
Gesamtherstellung: alpha print medien AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt, 2013
Vorwort
Rainer Hagenacker
Bundesfachgruppen -
vorstand Allgemeine
Kommunalverwaltung
Stadtpolizei, Ortspolizei, Ordnungsbehörde, kommunaler
Ordnungsdienst, kommunaler Vollzugsdienst, gemeindliche
Vollzugsbedienstete. Von Land zu Land, von Kommune zu
Kommune werden die Kolleginnen und Kollegen anders ge-
nannt. Bürgerinnen und Bürger verwenden oft sogar noch
den Begriff „Feldschützer“, um deutlich zu machen, dass die
Bediensteten der Stadt eben keine Polizisten sind – obwohl
sie auf den ersten Blick meist ähnlich uniformiert sind.
So unterschiedlich die Kolleginnen und Kollegen ge-
nannt werden, so unterschiedlich sind ihre Aufgaben. Kein
Wunder, denn jede Kommune entscheidet, ob sie einen sol-
chen Dienst aufbaut. Und wenn ja, welche Aufgaben die-
sem Dienst zukommen sollen.
Und so sind die Kolleginnen und Kollegen zwar alle in
Uniform unterwegs, die sich meist nur im Wappen auf der
Brust oder am Oberarm von der regulären Polizeiuniform
unterscheidet.
Unterschiedlich ist auch die Ausstattung: Bei den einen
hängt der Schlagstock am Gürtel, andere tragen Schlagstock
und Pfefferspray mit sich, wieder andere sind bewaffnet.
Und die Aufgabenkataloge? Je größer die Stadt, desto mehr
Beschäftigte zählen die jeweiligen Ordnungsdienste, desto
größer sind aber auch die Aufgabenkataloge. Und: Die Poli-
zei hat nichts dagegen, Aufgaben abzugeben – wie Be-
schwerden über Lärm belästigung, Begleitung bei Abschie-
bungen, nächtliche Parkstreifen.
Kein Wunder, dass die Beschäftigten der kommunalen
Ordnungsdienste solche Tendenzen meist kritisch sehen.
Denn mehr Aufgaben haben nicht immer mehr Personal zu
Folge. Gleichzeitig bedeuten Spät- oder Nachtdienste immer
auch eine Ausweitung der Schichtdienste.
Stress nimmt zu
Trotz aller Unterschiede in den Aufgaben, trotz aller Unter-
schiede in der Ausstattung, es sind immer wieder die glei-
chen Themen, die die Beschäftigten der kommunalen Ord-
nungsdienste umtreiben: Arbeitsverdichtung, Aus- und Fort-
bildung, Gesundheitsschutz und die Bezahlung.
Dass der Stress zunimmt, hat unterschiedliche Gründe.
Einerseits bekommen auch die kommunalen Ordnungs -
dienste die Finanzmisere der Kommunen zu spüren. Ande-
rerseits klagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Mehr Anerkennung und mehr Geld Beschäftigte der kommunalen Ordnungsdienste machen sich für qualifiziertes Berufsbild stark
4
Renaissance der Stadtpolizei
Teilweise waren die Stadtpolizeien in Deutschland erst
nach 1945 entstanden. Die Vorgaben dazu gaben die
westlichen Besatzungsmächte. In der DDR gab es keine
kommunale Polizei. Doch schon in den 1960er und 1970er
Jahren wurden die Stadtpolizeien verstaatlicht und in die
Landespolizei eingegliedert. In der Folge entstanden kom-
munale Ordnungsdienste mit unterschiedlichem Aufga-
benspektrum wie die Kontrolle vor allem des ruhenden,
aber auch des fahrenden innerstädtischen Verkehrs.
In den vergangenen Jahren entwickelte sich zum Bei-
spiel in Hessen und Nordrhein-Westfalen eine Diskussion,
die Bezeichnung Stadtpolizei wieder einzuführen. Dies ge-
schah vor dem Hintergrund, den Ordnungsämtern zu mehr
Autorität zu verhelfen und eine geeignete gemeinsame Be-
zeichnung für den Außendienst der Behörden einzuführen.
Zudem nehmen die kommunalen Ordnungsbehörden im-
mer mehr polizeiliche Aufgaben wahr.
In Baden-Württemberg haben die Angehörigen des
Gemeindevollzugsdienstes den Status eines Polizeibeam-
ten. Der Gemeindevollzugsdienst ist jedoch keine
Stadt polizei im eigentlichen Sinne. Seine Funktionen be-
schränken sich auf Aufgaben, die der Ortspolizeibehörde
unmittelbar übertragen sind. Manche Ordnungsämter füh-
ren daher die Bezeichnung Ordnungspolizei.
In Bremerhaven gibt es eine Ortspolizeibehörde als Teil
der Landespolizei von Bremen. Sie gehört zur Bremer Poli-
zei, untersteht jedoch zum Teil dem dortigen Magistrat.
In der Öffentlichkeit und gegenüber dem Innenministeri-
um wird diese von der Bremer Polizei repräsentiert. Die
Ortspolizeibehörde hat einen eigenen Führungsstab und ist
Bei einer
Fachtagung
diskutierten
Beschäftigte des
kommunalen
Ordnungs -
dienstes über
die Not wendig -
keit von mehr
Qualifikation
kommunalen Ordnungsdienste darüber, dass die Bürgerin-
nen und Bürger auch ihnen gegenüber immer aggressiver
reagieren. Oder wie ein Kollege ausdrückte: „Die Bürgerin-
nen und Bürger werden nicht freundlicher.“
So unterschiedlich der Aufgabenkatalog, so unterschied-
lich die Einarbeitung in den Beruf. Denn die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes kom-
men nur selten aus einer Polizeilaufbahn. Meist sind kommu-
nale Vollzugsbeamte Quereinsteiger. In der Regel verlangen
die Kommunen von den Bewerbern für den Ordnungsdienst
eine abgeschlossene Berufsausbildung. So sind frühere Hand-
werker unter den Bediensteten, aber auch Kaufleute oder
Erzieherinnen und Erzieher. Die Beschäftigten pochen auf ein
qualifiziertes Berufsbild. Es geht nicht um eine Ausbildung.
Vielmehr pochen sie darauf, dass verbind liche Standards bei
der Fortbildung gelten sollen, eine verbindliche Anzahl von
Stunden, verbindliche Inhalte zum Beispiel Kommunalrecht.
Und sie wollen ein einheit liches Erscheinungsbild und Min-
deststandards bei der Ausstattung.
Was sie vor allem wurmt: Die Eingruppierung ist von
Kommune zu Kommune unterschiedlich. Deshalb pochen
die Kolleginnen und Kollegen auf mehr Anerkennung inner-
halb der Kommunalverwaltung und gegenüber den Bürge-
rinnen und Bürgern. Sie hoffen, dass bei einer größeren
Wertschätzung ihres Berufes auch die Bezahlung steigt.
Zudem dringen die Beschäftigten des Ordnungsdienstes
darauf, dass sie bessere Aufstiegsmöglichkeiten bekommen.
Derzeit sind diese Aufstiegsmöglichkeiten Mangelware.
5
in Schutz-, Kriminal- und Verwaltungspolizei gegliedert. Da-
bei entspricht letztere dem Ordnungsamt der Gemeinden
der Flächenländer und ist somit Teil der Stadtverwaltung
und nimmt daher Aufgaben im Sinne einer Stadtpolizei
wahr. In Bremerhaven gibt es vier Polizeireviere. Außerdem
unterhält die Ortspolizeibehörde Bremerhaven eine eigene
Verkehrspolizei mit eigenen Sonderfahrzeugen und ein Kri-
minalmuseum.
Nach einer Änderung des Hessischen Gefahrenab-
wehrgesetzes dürfen sich Gemeindebedienstete „Ord-
nungspolizeibeamter“ nennen. Als Bezeichnung der Be-
hörde wurde daher „Ordnungspolizei“ für das Ordnungs-
amt eingeführt; viele Gemeinden änderten daraufhin die
Fahrzeugaufschriften und Ärmelabzeichen der Uniformen.
Besonders in Frankfurt am Main und Darmstadt kam es
jedoch zu Protesten gegen die Umbenennung, da der Be-
griff „Ordnungspolizei“ während des Nationalsozialismus
verwendet wurde. Daraufhin wurde in Darmstadt für die-
sen Bereich der Begriff Kommunalpolizei gewählt, in Frank-
furt am Main und Offenbach in Stadtpolizei geändert. Gie-
ßen, Fulda und Kassel und alle andere Gemeinden in Hes-
sen verwenden weiter den Begriff „Ordnungspolizei“. Viele
Kommunen haben zwischenzeitlich andere Bezeichnungen
gewählt, wie zum Beispiel „Ordnungsbehörde“ oder „All-
gemeine Ordnungsbehörde“.
In Nordrhein-Westfalen wurde ebenfalls über die Be-
zeichnung „Stadtpolizei“ nachgedacht, da viele Gemein-
den bereits uniformiert Vollzugsaufgaben aus ihrem Be-
reich wahrnehmen. Oft wird dieser Außendienst „Kommu-
naler Ordnungsdienst“ genannt. Die entsprechende Geset-
zesvorschrift ist noch nicht geändert. Deswegen wird wei-
terhin die alte Bezeichnung verwendet.
6
Ob Karlsruhe, Heilbronn, Esslingen oder Ludwigsburg –
immer mehr Städte in Baden-Württemberg machen es Stutt-
gart nach und gründen einen kommunalen Ordnungsdienst.
Und je mehr Ordnungsdienste ins Leben gerufen werden,
desto lauter werden die Stimmen, die die teilweise magere
Einarbeitung der Kolleginnen und Kollegen dieser Ord-
nungsdienste kritisieren. Am lautesten bemängeln die Be-
schäftigten selbst die Aus- und Fortbildungssituation. Des-
halb hat ver.di-Baden-Württemberg eine Initiative gestartet
und die Städte angeschrieben, die einen kommunalen Ord-
nungsdienst gegründet haben oder erwägen, einen solchen
Dienst ins Leben zu rufen. ver.di pocht auf eine umfassende
Ausbildung der Bediensteten und dringt deshalb darauf,
dass die Kommunen hier aktiv werden.
Der Grund für die ver.di-Initiative liegt auf der Hand: Die
Bediensteten haben ein umfangreiches Aufgabenspektrum,
das von der Überwachung des ruhenden und fließenden
Verkehrs, über das Meldewesen, Marktwesen, Feldschutz,
Veterinärswesen reicht. Doch damit noch nicht genug: Sie
sind auch zuständig für den Schutz der Grünanlagen sowie
den Schutz der Sonn- und Feiertage. Den Bediensteten der
Ordnungsämter obliegt der Jugend- und Gesundheitsschutz,
das Sammlungswesen, sie sind zuständig, wenn die Bevöl-
kerung belästigt wird und sie können Platzverweise erteilen.
Mit Zustimmung des Regierungspräsidiums kann die Orts -
polizeibehörde zudem dem Gemeindevollzugsdienst weitere
Aufgaben übertragen. Letztendlich sind die Angehörigen
des Gemeindevollzugsdienstes im Sinne des Polizeigesetzes
den Polizisten gleichgestellt. Doch sie haben nicht die Aus -
bildung der Polizei. Obwohl sie sich in zahlreichen Rechtsge-
Bloß keine Billigpolizei ver.di-Baden-Württemberg pocht auf eine umfassende Ausbildung der kommunalen Vollzugsbediensteten
„Wir bringen Bewegung rein“Ordnungsdienste in ver.di pochen auf qualifiziertes Berufsbild
2011 trafen sich die Kolleginnen und Kollegen aus den Ordnungsdiensten
erstmals auf ihrer Berufsfachtagung in Walsrode. Es bildete sich eine bundes-
weite Arbeitsgruppe Ordnungsdienste, die unter dem Dach der Fachgruppe
Allgemeine Kommunalverwaltung in ver.di arbeiten kann.
ver.di-Mitglieder in Baden-Württemberg waren auf regionaler Ebene die ers -
ten, die einen Arbeitskreis „Kommunaler Vollzugsdienst“ gründeten. Die Kol-
leginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen und in Bayern haben es ihnen
gleichgetan. Mit diesen Arbeitskreisen wollen die Beschäftigten der Ord-
nungsdienste ihren Anliegen den nötigen Nachdruck verleihen. Die Arbeits-
gruppe Ordnungsdienste beschäftigt sich mit fünf Hauptthemen: Aus- und
Fortbildung, Ausstattung, Bezahlung, Anerkennung und Wertschätzung so-
wie Gesundheitsschutz.
Der Arbeitskreis in Baden-Württemberg pocht gegenüber der Politik nicht nur
auf ein qualifiziertes Berufsbild und verbindliche Fortbildungsregelungen,
sondern auch auf ein einheitliches Erscheinungsbild und Mindeststandards in
der Ausstattung. Zudem dringen die Kolleginnen und Kollegen darauf, dass
die Beschäftigten des kommunalen Ordnungsdienstes einheitlich und ange-
messen bezahlt werden, dass die Belastungen reduziert und der Schutz der
Beschäftigten erhöht wird – und dass Vollzugsbedienstete innerhalb der Ver-
waltung und von den Bürgerinnen und Bürgern mehr wertgeschätzt und
anerkannt werden.
7
bieten auskennen müssen, obwohl sie in die Grundrechte
der Bürgerinnen und Bürger eingreifen können, obwohl sie
teilweise gar Schusswaffen tragen, brauchen sie keine förm-
liche Ausbildung.
Für ver.di-Baden-Württemberg ist es ein „bedenklicher
Zustand, dass Angehörige des Gemeindevollzugsdienstes,
die die Stellung des Polizeibeamten im Sinne des Polizeigeset-
zes einnehmen, ihre Aufgaben ohne ausreichende Ausbil-
dungs- und Trainingsmaßnahmen ausüben müssen“. Selbst
von Tagesmüttern verlangt der Gesetzgeber eine Qualifizie-
rung von mindestens 160 Stunden, argumentiert die Ge-
werkschaft. Angehörige des Gemeindevollzugsdienstes aber
müssen überhaupt keine formale Ausbildung vorweisen. Eine
minimale Ausbildung von zwei Wochen sei keine Seltenheit.
Viele Kommunen, die bereits einen Ordnungsdienst ins
Leben gerufen haben oder darüber nachdenken, dies zu tun,
haben sich gegenüber ver.di für eine einheitliche Ausbildung
und Qualifizierungsangebote ausgesprochen. Der Städtetag
Baden-Württemberg verweist darauf, dass im Rahmen der
kommunalen Selbstverwaltung die Kommunen selbst ent-
scheiden müssen, wie die Ausbildung des Gemeindevoll-
zugsdienstes vor Ort ausgestaltet ist. Dennoch will der Städ-
tetag die Anregung ver.dis aufnehmen und das Thema in
den entsprechenden Gremien beraten. ver.di-Baden-Würt-
temberg will auf jeden Fall nicht locker lassen. Denn Thomas
Schwarz vom Fachbereich Gemeinden des Landesbezirks
Baden-Württemberg weiß: „Viele Kommunen möchten eine
fundierte Ausbildung für die Bediensteten ihrer Ordnungs-
ämter, sie sehen sich aber damit überfordert.“
Eckpunkte zur Ausbildung des gemeindlichen Vollzugsdienstes
Ausbildungsvoraussetzungen:Mittlere Reife oder eine dreijährige Berufsausbildung.
Vorbemerkung: Die Ausbildung soll modular und fächerübergreifend anhand von Leitthemen erfolgen. Basis für alle GVD ist der Grundlehrgang. Dieser steht am Anfangeines Beschäftigungsverhältnisses. Der Grundlehrgang und der Aufbaulehrgang schlie-ßen mit einer Prüfung ab.Kernbestandteil ist ferner eine Verwaltungsausbildung, die Kernelemente der Angestell-tenprüfung 1 im Verwaltungsdienst gemäß Anlage 3 zum BAT enthält. Diese werden imGrundkurs und im Aufbaukurs vermittelt. Eine vollständige Ausbildung im Verwaltungs-dienst mit Abschluss der Angestelltenprüfung 1 im Verwaltungsdienst nach Abschlussdes Aufbaulehrgangs ist wünschenswert und sollte ermöglicht werden, da sich dadurchadäquate Beschäftigungsperspektiven außerhalb des Außendienstes ergeben.
Grundlehrgang: Sieben Wochen
Modul StreifengangBausteine:l Informationssammlung und -bewertungl Polizeirechtliche Personenfeststellungl Grundsätze der Eigensicherungl Gewahrsaml Durchsuchung von Personen und Sachenl Platzverweisl Betreten und Durchsuchungl Anwendung von Zwangsmittelnl Bewältigung belastender EreignisseIm Modul enthalten sind die rechtlichen Grundlagen des Handelns, Verhaltens- und Gesprächstraining, Grundbegriffe der Psychologie und ihre Anwendung, Abwehr- undZugriffstraining.
Modul VerkehrBausteine:l Überwachung des ruhenden Verkehrsl Überwachung des fließenden Verkehrs
Modul GewerberechtBausteine:l Reisegewerbel Gaststättenl Glücksspiel
Modul Umwelt, Natur- und ImmissionsschutzBausteine:l Abfalll Feld, Flur und Gewässerl Veterinärwesen
Modul Waffenrecht
Modul Jugendschutz
Modul Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
Modul Verwaltungsrecht I (mind. 40 Std.)
Praktikum: Vier Wochen. In allen Modulen unter Begleitung eines Ausbilders. Selbständige Übernahme einfacher Fälle.
Aufbaulehrgang: Vier Wochen.Bausteine:l Verwaltungsrecht IIl Einsatztaktik und -technikenl Führungl Datenerhebung und DatenschutzDie praktische Ausbildung kann ganz oder teilweise auch bei einer anderen Gemeindedurchgeführt werden.
Ausbildungsstätten:l Polizeischulenl Verwaltungsschulenl Gemeinde und Partnergemeinden
8
Für die Verantwortlichen in Duisburg war von Anfang an
klar: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen
Ordnungsdienstes müssen qualifiziert werden – im Interesse
der Stadt und im Interesse der Beschäftigten des Ordnungs-
dienstes. Deshalb wurde schon früh ein Konzept zur Quali -
fizierung erarbeitet und umgesetzt.
„Die Kolleginnen und Kollegen müssen professionell vor-
gehen“, sagt Helmut Peitz, Leiter der Abteilung Ordnungs-
dienste beim Ordnungsamt Duisburg. Weil sie auf ihren
Streifen im Blickpunkt der Bevölkerung stehen. Und weil sie
die Augen der Stadtverwaltung sind: die Kolleginnen und
Kollegen des städtischen Ordnungsdienstes ahnden nicht
nur Ordnungswidrigkeiten. Sie greifen auch ein, um Schä-
den für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Die Frauen
und Männer müssen deshalb während der Streifen korrekt,
aber auch durchsetzungsstark auftreten. Und sie müssen
rechtlich auf sicherem Boden stehen.
In der Regel aber kommen die Beschäftigten des kom-
munalen Ordnungsdienstes aus allen möglichen Berufen,
selten sind Verwaltungskräfte oder Polizisten dabei.
Zu mindest beim Start des städtischen Vollzugsdienstes Duis-
burg zeigte sich diese Situation. Deshalb wurde gezielt nach-
gebessert, sagt Peitz: Zunächst wurden Stellen, die neu be-
setzt werden mussten, ver-
waltungsintern ausge-
schrieben. Die freien Stel-
len wurden nur mit Ver-
waltungsfachangestellten
besetzt. Oder aber es
wurden Bürokaufleute
eingestellt, die sich dazu
verpflichteten, den Ver-
waltungslehrgang I zu
besuchen. Im zweiten
Schritt wurden „Alt -
mitarbeiter“ in so genann-
ten Grund seminaren nach-
geschult. Außerdem wurden jährliche Wiederholungssemi-
nare Pflicht. In Schritt vier wurde das Systemtraining KoKo
(Kompensa tions- und Kontrolltechniken) eingeführt.
Alle Seminare werden nach Angaben von Peitz vom
stadtinternen Fortbildungsinstitut vorbereitet und organisiert,
als Referenten fungieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Ordnungsamtes und der Duisburger Polizei. Inhaltlich be-
schäftigten sich die Seminare mit den rechtlichen Grundlagen
des Außendienstes, mit den Begriffen der öffentlichen Sicher-
Duisburg
Sicherheit heißt Qualifizierung Duisburg setzt auf systematische und umfangreiche Aus- und Weiterbildung
Helmut Peitz
Ina Lapschies, Personalrätin Stadt Duisburg
Gut organisiert – aber Probleme wegen der Haushaltskrise
„Die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen des kommunalen Ordnungsdienstes
in Duisburg ist sehr gut. Das hat einen guten Grund: Die Stadt bemüht sich um eine gute
Qualifikation. Es wurde ein Konzept für die Weiterbildung erarbeitet und das wird umge-
setzt. Außerdem wird großen Wert auf die permanente Weiterbildung gelegt. Das kommt
bei den Beschäftigten gut an. Natürlich kann man immer was verbessern. So wird dafür
plädiert, dass das Sportprogramm ausgeweitet wird, mit dem sich die Bediensteten fit
halten.
Der Duisburger Städtische Außendienst – so heißt der Ordnungsdienst hier – soll vor allem
durch Präsenz in der Innenstadt das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger erhöhen.
Vor allem in der Einkaufsstraße sind die Beschäftigten unterwegs, in der Regel zusammen mit
der Polizei. Sie sollen Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger sein und mit ihren Streifen dafür sorgen, dass Ord-
nungswidrigkeiten erst gar nicht passieren. Bezahlt werden die Kolleginnen und Kollegen des Städtischen Außendienstes
nach Entgeltgruppe 8. Dass es kaum Aufstiegsmöglichkeiten gibt, wird allgemein bedauert.
Wenn ältere Kolleginnen und Kollegen den Streifendienst nicht mehr machen können, wird nach einer individuellen
Lösung gesucht. Bisher wurde auch immer was gefunden.
Was die Beschäftigten umtreibt, ist die stetig steigende Arbeitsverdichtung. Als Folge der knappen kommunalen Kassen,
werden Stellen immer erst mit zeitlicher Verzögerung besetzt. Doch das ist nicht alles: Derzeit hat die Stadt auch Schwie-
rigkeiten, geeignete Bewerber für freie Stellen beim Ordnungsamt zu finden – und das heißt: Die Arbeit muss auf die vor-
handenen Beschäftigten verteilt werden, der Stress steigt. Der Personalmangel beim Ordnungsamt hat auch zur Folge,
dass die Polizei in der Innenstadt alleine Streife geht.“
9
heit und Ordnung. Sie grenzen die Arbeit des Ordnungs -
dienstes vom dem der Polizei ab und informieren über Stan-
dardmaßnahmen wie Platzverweis, Sicherstellung sowie die
Durchsuchung von Personen und Sachen. Dass es in den Se-
minaren auch darum geht, welchen Zwang die Bediensteten
anwenden dürfen, wann und wie sie die Bürgerinnen und
Bürger festhalten können, versteht sich von selbst.
In den Wiederholungsseminaren geht es vor allem um
Konfliktbewältigung und deeskalierendes Verhalten, um Ein-
satzcoaching und Qualitätssicherung, um Erste Hilfe und
darum, wann und wie das Pfefferspray angewendet werden
darf, das zur Ausstattung der Frauen und Männer gehört.
Alle Qualifizierungen wurden in einem Lehrgang für den
kommunalen Ordnungsdienst gebündelt.
Peitz ist zufrieden mit dem Programm: Die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter seien rundum sicherer geworden – im
Auftreten und im Wissen um den rechtlichen Hintergrund.
Für die Stadt ist das erfreulich, denn die Bürgerinnen und
Bürger wollen nicht nur gesagt bekommen, dass ein Ver -
halten eine Ordnungswidrigkeit ist, sie wollen auch wissen,
warum das so ist. Auch die Personalvertretung ist mit der
Qualifizierung zufrieden. Einen kleinen Punkt gibt es zu be-
anstanden: Bisher ist das Training zur sportlichen Fitness alle
zwei Wochen Pflicht. Besser wäre ein wöchent liches Trai-
ning, meint der Personalrat.
10
Angela Hertel vom Personalrat Ordnungsamt/Straßenver-
kehrsamt der Stadt Frankfurt/Main spricht es aus: „Die Poli-
zei versucht, ungeliebte Aufgaben an die Stadtpolizei zu de-
legieren.“ Oder anders ausgedrückt: „Die Polizei missbraucht
uns für Aufgaben, die sie selbst nicht machen will.“ Alles
rund um die Lärmbelästigung zum Beispiel. Kein Wunder,
dass die Skepsis inzwischen groß ist, wenn mal wieder publik
wird, dass die Polizei damit liebäugelt, weitere Aufgaben an
die Frankfurter Stadtpolizeien zu übertragen.
In Frankfurt nennt sich der kommunale Ordnungsdienst
inzwischen wieder „Stadtpolizei“. Auch durch diesen Namen
wird deutlich, dass der kommunale Ordnungsdienst mit
reichlich Aufgaben und Befugnissen ausgestattet ist. Das
war nicht immer so. Nach 1945 hieß er Feldschutz und Er-
mittlungsdienst. Drei Kollegen waren in jedem Polizeirevier
tätig. So ist es zu erklären, dass dieser Dienst, der mehr Hel-
fershelfer der Polizei als eigenständige Behörde war, damals
schon bald in die Landespolizei eingegliedert wurde, ebenso
wie das Straßenverkehrsamt.
1998 griff dann die Politik ein: Feldschutz und Verkehrs-
überwachung werden zusammengelegt, daraus wurde dann
der Sicherheits- und Ordnungsdienst. Bis zu diesem Zeit-
punkt waren diese Aufgaben organisatorisch strikt vonein-
ander getrennt.
Schon früh kamen auch die ersten Leiharbeitnehmer ins
Spiel. Ihre Anzahl wurde je nach politischem Kalkül rauf oder
runter gefahren. Ihr Tätigkeitsbereich ist allerdings sehr ein-
geschränkt und bezieht sich hauptsächlich auf die Über -
wachung des ruhenden Verkehrs. Leider ist der Zustand der
Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bis heute geblieben.
Lieber würden wir diese Kollegen als „unser eigenes“ Perso-
nal begrüßen.
2000 wechselt die Regierung in Hessen. Die nun regie-
rende CDU entdeckt den Sicherheits- und Ordnungsdienst.
Frankfurt
Damit sich die Bürgerinnenund Bürger sicherer fühlen Frankfurts Stadtpolizei zeigt Präsenz – Kooperation mit der Landespolizei
Uwe Lomp, Düsseldorf
Politik beeinflusst die Arbeit des Ordnungsdienstes
„Zurzeit arbeiten die 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kommunalen Ordnungs -
dienstes in drei Schichten. Es wird eine Dienstzeit von 7 bis 1.30 Uhr abgedeckt. Die Früh-
schicht unterliegt der normalen städtischen Dienstzeitregelung mit Nutzung der Gleitzeit,
montags bis freitags von 7 bis 15.40 Uhr. Der nachfolgende Tagdienst 10 bis 18.30 Uhr und
der Spätdienst 17 bis 1.30 Uhr, werden mittels eines Funktionsplans ohne flexible Dienstzei-
ten durchgeführt. Die Funktionspläne gelten von Montag bis Sonntag – 365 Tage im Jahr.
Die Dienstplangestaltung erfolgt drei Monate im Voraus. Die Erstellung der Funktionspläne
geschieht im gegenseitigen Einvernehmen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Arbeitszeiten werden elektronisch erfasst. Weiterhin sind die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter für die Einhaltung der Gesamtarbeitszeit selbst verantwortlich. Die geleistete
Mehrarbeit, vornehmlich am Wochenende, kann in Freizeit oder finanziell abgegolten werden. Diese flexible Gestal-
tungsmöglichkeiten und der eigenverantwortliche Umgang mit der Arbeitszeit/Lebenszeit der Mitarbeiterinnen und Mit -
arbeiter ist ein starkes Motivationsmittel, was über die finanziellen fetten Jahre der Kommune gewachsen ist.
Nun sind die fetten Jahre vorbei und auch bei uns muss gespart werden. Die Überstunden müssen weg. Das traf alle
Ämter. Die Kolleginnen und Kollegen sind nicht begeistert, denn die Dienstplanoptimierung setzt die Leute auf Grundge-
halt und nimmt ihnen jede Möglichkeit der Flexibilisierung. Die Dienstpläne sollen nur noch nach Bedarf erstellt und ge-
plant werden. Der Arbeitgeber gab den Hinweis auf sein Direktionsrecht an, möchte aber hier eine Regelung im gegen-
seitigen Einvernehmen mit den Mitarbeitern und dem Personalrat finden. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die
sich schon dreimal ohne konkrete Ergebnisse traf. Zudem erleben wir, dass Stellen nicht mehr besetzt werden. Die Hunde-
führergruppe ist langsam am Auslaufen. Diese Situation hat auch politische Gründe: Der frühere Bürgermeister setzte auf
Recht und Ordnung, jetzt geht es einen Schritt zurück. Insofern wird bei der Stellenbesetzung auch unsere Abhängigkeit
von der Politik deutlich. Wobei derzeit für uns nicht deutlich ist, wohin der politische Kurs den kommunalen Ordnungs-
dienst führt.“
11
Der Hintergrund: Umfragen hatten ergeben, dass die Bevöl-
kerung in Frankfurt sich im öffentlichen Raum nicht sicher
fühle. Daraufhin startete die Politik die Sicherheitsoffensive
SIAM 2000. Sie sah eine stärkere Präsenz der Ordnungskräf-
te im Bereich der Innenstadt vor, die telefonische Erreichbar-
keit für die Bürger „Rund um die Uhr“, und zum 1. Septem-
ber 2000 die Einführung des Nachtdienstes. Auch eine Hun-
destaffel und eine Motorradstaffel wurden aufgebaut. 2006
wurde die Verkehrsüberwachung aus dem Verbund heraus-
gelöst und in einer eigenen Abteilung in das Straßenver-
kehrsamt eingegliedert. Seit 2007 nennen sich die Bediens -
teten beider Ämter wieder „Stadtpolizei“.
Montag bis Sonntag, Streifendienste rund um die Uhr
und damit Wechselschichten (nicht bei allen) sind bei der
Stadtpolizei Frankfurt am Main (Feldschutz) seit dem Jahr
2000 Alltag. Die Hauptaufgabe: Präsenz und damit Präven -
tion im gesamten Stadtgebiet, aber vorzugsweise in der
Innenstadt und im Bahnhofsgebiet. Mit der Polizei besteht
eine Sicherheitspartnerschaft, die sich auf die Gefahrenab-
wehr im öffentlichen Raum, Einsatzlagen (Veranstaltungen),
Platzverweise, Betteln und Drogenkonsum bezieht. Die
Stadtpolizeien sind außerdem den Wünschen der politischen
Verantwortlichen in hohem Maße unterlegen. Je nach politi-
scher Mehrheit wechseln die Aufgabengebiete stetig. Nicht
immer sind die politischen Vorgaben zeitlich, sachlich und
personell zu vereinbaren.
Die Stadtpolizei Frankfurt hat bei ihren Streifen in der
Stadt nicht nur Handschellen, Pfefferspray und Schlagstöcke
dabei, sondern auch Schusswaffen. Allerdings dürfen die
Waffen nur zum Eigenschutz, Notwehr oder Nothilfe einge-
setzt werden. Es versteht sich von selbst, dass die Bedienste-
ten der Stadtpolizei im Waffengebrauch ausgebildet sind
und regelmäßig fortgebildet werden.
Apropos Ausbildung: Die Stadt Frankfurt schickt ihre neu
eingestellten Bediensteten der Stadtpolizei acht Monate
lang zur Schulung. Recht steht dabei ebenso auf dem Aus -
bildungsplan wie Deeskalation und Selbstschutz. Zur Aus -
bildung werden die Stadtpolizistinnen und Stadtpolizisten in
spe nicht nur in die Räume der hessischen Polizeischule ge-
schickt, Ausbilder sind auch Polizeibeamte. Einen großen Teil
der Ausbildung deckt aber das Amt durch seine Fachleute
selbst ab. Die Ausbilder im Bereich Waffentraining u. v. m.
haben ihre Ausbildung durch die Polizei erfahren und bilden
sich regelmäßig weiter. Ihre Motivation und Qualifikation
kann jeder Beschäftigte z.B. beim Einsatztraining selbst er -
leben.
Und dennoch haben wir den Eindruck, dass die Landes-
polizei versucht, ihre unliebsamen Aufgaben auf die Stadt -
polizei zu übertragen. Das kommt bei allen Kolleginnen und
Kollegen des Ordnungsdienstes nicht gut an. Unter anderem
auch, weil die Kolleginnen und Kollegen des Ordnungs -
amtes den Eindruck haben, dass die Landespolizei von der
Kooperation mehr profitiert als die Stadtpolizei. Dies gilt
auch für die Stadtpolizei (Verkehr) welche auch landes -
polizeiliche Aufgaben übernommen haben, beispielsweise
Verkehrsregelung bei Ampelausfall.
Was den Kolleginnen und Kollegen der Stadtpolizei noch
am Herzen liegt: Regelungen für zum Beispiel die älteren
Beschäftigten, die mit dem Schichtdienst oder dem Außen-
dienst nicht mehr klarkommen. Doch ein solches Konzept
gibt es nicht, bedauert Personalrätin Angela Hertel: „Bisher
wird am Einzelfall herumgedoktert.“ Und sie meint: „Wenn
der Beschäftigte partout nicht mehr auf Streife gehen kann,
wird eine Lösung gesucht – manchmal in aller Eile, nicht im-
mer zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten.“
12
In den Parks Stuttgarts gehört der Städtische Vollzugsdienst
wie selbstverständlich dazu. Präsenz ist das große Stichwort.
Deshalb gehen die Frauen und Männer des Städtischen Voll-
zugsdienstes in der Innenstadt Streife – speziell an Kriminali-
tätsschwerpunkten. Um Präsenz geht es auch im Park. Prä-
senz des Städtischen Vollzugsdienstes soll dazu beitragen,
dass Besucher der Parks ihren Müll wieder mit nach Hause
nehmen oder zumindest in die Abfalleimer werfen; dass die
Griller auch tatsächlich nur an den ausgewiesenen Grillstel-
len ihre Würste und Steaks braten. Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter überprüfen, ob die Spielgeräte auf den Spielplät-
zen sicher sind und achten darauf, dass die Hunde auch an-
geleint sind.
Doch das ist nicht alles, für das der Städtische Vollzugs-
dienst in Stuttgart zuständig ist: Kontrolle der Gewerbege-
nehmigungen, Kontrolle des ruhenden Verkehrs gehören
ebenso zum Aufgabenspektrum wie dafür zu sorgen, dass
auf den Straßen nur der bettelt, der auch betteln darf, nur
der einen Infostand aufstellt, der den auch beantragt und
genehmigt bekommen hat.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen
Vollzugsdienstes in Stuttgart sehen auf den ersten Blick wie
Polizisten aus. Man muss schon genau hinsehen. Erst dann
sticht das Wappen ins Auge, das die Kolleginnen und Kolle-
gen als Städtische Vollzugsbedienstete ausweist. Sie sind
ausgestattet wie die Polizei, tragen Waffen, haben neben
Dienstautos auch Dienstfahrräder und Funkgeräte. Dass sie
ausgestattet sind wie Polizisten hat einen guten Grund: Sie
nehmen polizeiliche Aufgaben wahr – allerdings nur die, bei
denen der Gesetzgeber diese Möglichkeit eingeräumt hat,
die dann die Ortspolizeibehörde auf den Städtischen Voll-
zugsdienst übertrug und denen das Regierungspräsidium als
Rechtsaufsichtsbehörde zustimmte.
Aber es können noch weitere Aufgaben dazukommen
und sind in Stuttgart auch dem Vollzugsdienst übertragen
worden, wie Dorothea Koller, Leiterin des Amtes für öffent -
liche Ordnung in Stuttgart, bei einer ver.di-Veranstaltung
erklärt: Tiernotdienst, Zwangsstilllegung von Autos und
Lastwagen sowie der Forstschutz. Der städtische Ordnungs-
dienst ist mit dabei, wenn Gerichtsvollzieher eine Zwangs-
räumung durchsetzen müssen.
„Wir sind ein Schätzkästchen für die Kommunen“, glaubt
Dorothea Koller, die Leiterin des Amts für öffentliche Ordnung
in Stuttgart. Und sie fügt hinzu: „Wir müssen aber gehegt und
gepflegt werden.“ Denn für die Bürgerinnen und Bürger steht
der Vollzugsdienst auch für eine sichere Stadt. Umso bedauer-
licher ist es, dass sich der Städ tische Vollzugsdienst in Stuttgart
immer im Spagat zwischen öffentlichem Wunschkonzert und
Realität sieht. Beispiel Kleinmüll. Das Relikt einer lauen Som-
mernacht sind Berge von Müll in den Parks der Innenstadt. Ein
Umstand, der in der Bevölkerung regelmäßig hohe Wellen
schlägt – schon gar, weil die Müllabfuhr beim Einsammeln der
Relikte nicht nachkommt. Schnell ist dann die Forderung auf
dem Tisch, der kommunale Ordnungsdienst müsse präsenter
sein. Doch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ord-
nungsdienstes sind beim besten Willen nicht in der Lage, ne-
Stuttgart
Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit Städtischer Vollzugsdienst – „das Schätzkästchen“ der Kommunen
Andreas Schneider, Heilbronn
Brauchen ein qualifiziertes Berufsbild
„Wir tragen die blaue Polizeiuniform, wir gehen in Problemgebiete – doch ein einheitliches
Berufsbild gibt es für uns nicht. Unsere Ausbildung besteht aus einer Weiterbildung, ohne
dass wir eine Prüfung ablegen. Gleichzeitig sind unsere Aufgaben von Stadt zu Stadt un-
terschiedlich. In manchen Bundesländern, in manchen Städten tragen Mitarbeiter des
kommunalen Vollzugsdienstes Waffen, manchmal gehört Pfefferspray zur Ausrüstung.
Dass es für unseren Beruf an Berufsstandards mangelt – das beklagen unsere Kolleginnen
und Kollegen immer wieder. Auch dass Vollzugsbedienstete von Stadt zu Stadt unter-
schiedlich eingruppiert sind und damit unterschiedlich bezahlt werden.
In Heilbronn startet der kommunale Vollzugsdienst morgens um 5.30 Uhr, um 2.30 Uhr ist Schluss. Wir haben erreicht,
dass seit Beginn 2012 bis zum 15. des Monats der Dienstplan für den Folgemonat steht. Davor waren die Dienstpläne im-
mer so spät vorgelegt worden, so dass eine Freizeitplanung unmöglich war. Insgesamt zählt die 120000-Einwohner-Stadt
Heilbronn 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzugsdienst.“
13
ben jedem Parkbesucher zu stehen. „Man hat den Eindruck,
der Ordnungsdienst ist die Allzweckwaffe für alle möglichen
Delikte“, umschreibt Koller die Situation. Sie sieht Begehrlich-
keiten von Seiten der Politik und der Bürgerinnen und Bürger,
denen selbst der „engagierteste Vollzugsdienst nicht gerecht
werden kann“. Aktionismus aber, mit dem die Politik zeigen
will, dass sie auf die Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger
eingeht, ändern an dem Problem meist wenig, haben aber viel
Stress für die Beschäftigten des städtischen Vollzugsdienstes
zur Folge.
Zudem versuche die Politik immer wieder Aufgaben
beim städtischen Vollzugsdienst zu platzieren – nach dem
Motto: „Das macht ihr bei euren Streifen so nebenbei.“ Wie
die Werbetafeln der Einzelhändler und die Zahl der Tische
und Stühle in der Außengastronomie. Denn sowohl Werbe-
tafeln als auch Tische und Stühle „wandern Jahr um Jahr mal
da hin, mal dorthin“, weiß Koller. Und es sind mehr auf den
Straßen als die Behörde genehmigte. Dennoch gehören die-
se Kontrollen ihrer Ansicht nach weniger unter die Fittiche
des Vollzugsdienstes als unter die Regie der Gaststätten- und
Gewerbebehörden.
Aus- und Weiterbildung essenziell
Dass die Aus-, Weiterbildung und ständige Fortbildung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vollzugsdienstes das A
und O ist, steht für Koller außer Frage. Weil es um Professio-
nalität geht, weil die Bürgerinnen und Bürger Erklärungen
von den Mitarbeitern des Vollzugsdienstes erwarten, nicht
nur ein schlichtes: „Das ist eben so.“ Zudem müssen die Kol-
leginnen und Kollegen darin geschult werden, wie sie vor
Gericht auftreten müssen. Während die großen Städte oft
ein umfassendes Aus- und Fortbildungsangebot vorweisen,
sind die entsprechenden Angebote in kleineren Kommunen
meist nur schmal. Auch im eigenen Interesse der Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter sind Zugriffstechniken und der Um-
gang mit Waffen für Koller ein Muss.
Koller bedauert, dass der Vollzugsdienst keinen Bewäh-
rungsaufstieg kennt. Die Folge: Für bestimmte Funktionen
wie den Dienstgruppenleiter gibt es nicht entsprechend
mehr Geld. Hinzu kommt: „Die Entwicklungsmöglichkeiten
außerhalb unseres Bereichs sind begrenzt“, stellt Koller fest.
14
Johannes Maus, Münster
Viele Aufgaben – zu wenig Personal Der kommunale Ordnungsdienst wurde in Münster im Jahr 2000 aufgebaut. Seither ist der
Aufgabenkatalog stetig erweitert worden. Zu Beginn waren die Kolleginnen und Kollegen
durch Präsenz in der Innenstadt, deutlich durch ihre Uniform erkennbar, Ansprechpartner
für Jedermann. Hundekontrollen, wilde Abfallentsorgungen, Überprüfung von Sondernut-
zungserlaubnissen waren ebenfalls von Anfang an Kernaufgabe des Service- und Ord-
nungsdienstes.
Durch ständige Aufgabenerweiterung ist die Belastung für unsere Kolleginnen und Kol-
legen gestiegen. Erst wurden sämtliche Ermittlungsdienste dem Ordnungsdienst zuge-
schlagen. Dann hat sich die Polizei aus dem Bereich Lärmbelästigungen weitestgehend zu-
rückgezogen. In den Sommermonaten wurde zusätzlich der Nachtdienst eingeführt, mit
der Folge, dass auch die älteren Kolleginnen und Kollegen (ca. 55-60 Jahre alt) im Spät-Wochenende oder Nachtdienst in
Problemgebiete geschickt werden. Die Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen Leben wird dadurch unmöglich ge-
macht. Das Familienleben leidet ebenfalls extrem. Da muss man sich fragen, ob dieser Beruf bis zum 67. Lebensjahr aus-
geübt werden kann.
Bemerkenswert ist: Die Zahl der Beschäftigten im kommunalen Ordnungsdienst wird nicht aufgestockt, mehr noch,
sie sinkt. Gleichzeitig bleiben einmal übernommene Aufgaben kleben. Wir fordern deshalb, dass die Politik – beziehungs-
weise die Stadtverwaltung –, wenn sie schon nicht mehr Personal genehmigt, zumindest die Aufgaben des kommunalen
Ordnungsdienstes überprüft. Bisher aber reagiert die Kommune nicht. Wir haben seinerzeit das Modell Düsseldorf über-
nommen mit der weitestgehend gleichen Aufgabenstellung aber gemessen an der Bevölkerung deutlich weniger Perso-
nal. Das große Aufgabenspektrum angesichts der geringen Zahl an Beschäftigten bringt diese hohe Belastung für den
Einzelnen mit. Diese Belastung ist den Beschäftigten auf Dauer nicht zumutbar.“
Christian Albers, Marl
Polizei will bei Lärmbelästigung den Ordnungsdiensteinschalten
„Unsere Aufgaben werden immer mehr, die Bürger nicht freundlicher – so könnte man
unsere Situation zusammenfassen. Das bedeutet: Die Belastung der Kolleginnen und Kollegen
steigt – die physische und die psychische. Der kommunale Ordnungsdienst der knapp
90000-Einwohner- Stadt Marl zählt 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir arbeiten im
Zwei-Schicht-Betrieb – wobei die Spätschicht um 22 Uhr endet. Und am Wochenende von
8 Uhr bis 14 Uhr.
Die Polizei kratzt beim Lärm. Sie will, dass weit öfter als bisher der kommunale Ord-
nungsdienst aufschlägt, wenn es mal wieder zu laut wird und die Nachbarn sich beschwe-
ren. Der Polizeileitung will, dass sich die Bereitschaftspolizei an den Ordnungsdienst wen-
den kann, wenn es um Lärmbelästigung geht. Die Kolleginnen und Kollegen aber sind von
dieser Idee nicht begeistert – auch, weil es einer enormen Aufgabenausweitung gleichkäme.
Hinzu kommt, dass damit auch an dem Zweischichtbetrieb gerüttelt wird – wenn nicht sofort, so doch früher oder später.
Dann sind wir schnell beim Nachteinsatz und bei vermutlich noch mehr Aufgaben. Wobei die Erfahrung zeigt, dass mehr
Aufgaben nicht mit entsprechend mehr Personal einhergehen. Kein Wunder, dass die Kolleginnen und Kollegen wenig be-
geistert von diesen Ideen sind.“
15
Eigentlich ist Jacqueline Müller Kranken-
schwester. Als sie vor acht Jahren ihre
Ausbildung beendet hatte, bauten die Kli-
niken gerade Pflegepersonal ab. Bei der
Stadt aber wurden gerade Politessen ge-
sucht. Jacqueline bewirbt sich. Sie wird
genommen, erhält beim Studieninstitut
einen Drei-Monats-Lehrgang Verkehrs-
überwachung im ruhenden Verkehr und
wird nach dem Kriterium eingehender
Einarbeitung mit 30 Stunden in der EG3
beschäftigt. 1450 Euro brutto. Jacqueline
würde gern mehr aus ihrer Arbeit beim
Ordnungsdienst machen und sieht sich
hohen Hürden gegenüber.
Es ist noch nicht so lange her, dass die
Verkehrsüberwachung bei den Kommu-
nen ausgebaut wurde. Die Gründe dafür:
Zunächst gab es mit dem Ausbau des
städtischen Geschäftszentrums ein deutli-
ches Anwachsen des Verkehrs. Vor allem
viele auswärtige Shoppingbesucher fah-
ren oft mit dem Auto in die Zentren und
blockieren die wenigen Parkplätze der Anwohner. Schwer-
lastverkehr kommt hinzu. Obwohl die Anlieferung nach der
städtischen Ordnung bis 10 Uhr erfolgt sein sollte, gibt es
doch noch Anlieferungen, die zusätzlich die Straßen ver-
stopfen. Ein für die Stadt wichtiger Nebeneffekt sind hierbei
die Einnahmen über die Parkgebühren.
Die Politessen ordnen den ruhenden Verkehr. Kein Wun-
der, dass die Einsatzkräfte der Verkehrsüberwachung inner-
halb weniger Jahre oft deutlich verstärkt wurden – teilweise
um das Fünffache. Allerdings ohne, dass die Beschäftigten
Aufstiegsmöglichkeiten haben. Die ver.di-Kollegeninnen und
-Kollegen in der Verkehrsüberwachung fordern seit länge-
rem, dass es ein geordnetes Berufsbild mit klaren Aufstiegs-
perspektiven für ihren Berufsstand gibt. Dabei muss das, was
ihre Tätigkeit ist, in den Fokus rücken.
Bei vielen Kommunalpolitikern herrscht die Meinung vor,
Politessen spazierten doch nur durch die Gegend und notier-
ten Falschparker. Doch das Aufgabenfeld und die erforderli-
che Kompetenz gehen in den meisten Kommunen weit über
das Knöllchenverteilen hinaus. So müssen die Kolleginnen
und Kollegen der Verkehrsüberwachung sich im Verkehrs-
strafrecht auskennen, und – wenn Zufahrten und Rettungs-
wege blockiert sind – Autos abschleppen lassen.
Teilweise überschneiden sich die Aufgabenfelder auch
mit der Überwachung des fließenden Verkehrs. So kommt
es in Hessen vor, dass Politessen in die Geschwindigkeitskon-
trollen mit Radargeräten eingebunden sind. Oder beim Aus-
fall einer Ampelanlage den Verkehr regeln. Sie übernehmen
somit Aufgaben, für die eigentlich die Verkehrspolizei zu-
ständig ist.
ver.di fordert deshalb, dass die Tätigkeit der Kolleginnen
und Kollegen aufgewertet wird und dass sie ein spezifisches
Aus- und Fortbildungsprogramm er halten müssen, worin
sich die Vielfältigkeit in der Verkehrsüberwachung abbildet.
Die Fortbildung sollte hierbei mit der Perspektive verbunden
sein, über einen A1-Lehrgang eine Befähigung zu schaffen,
zum Beispiel die Teamleitung oder Aufgaben in der Leitstelle
zu übernehmen. Dies wäre auch wichtig, um vielleicht mal
den Beruf zu wechseln.
Was aber kann Jacqueline Müller für ihre Laufbahn tun?
Zunächst hat sie nach dem Tarifvertrag öffent licher Dienst
das Recht auf ein Qualifizierungsgespräch pro Jahr. Der Per-
sonalrat sollte mit der Dienststellenleitung über eine Dienst-
vereinbarung einen Verfahrensweg vereinbaren, wann und
wie diese Gespräche stattfinden sollten. Zu diesem Gespräch
mit der oder dem Vorgesetzten gehören eine Beschreibung
der Einsatzfelder und eine Analyse der Stärken und Schwä-
chen in der Arbeit. Daraus ergibt sich eine Verabredung für
den Besuch verschiedenster Fortbildungen. Dies ist ein ers -
ter, aber wichtiger, Schritt.
Mehr als nur Knöllchen schreiben Beschäftigte der kommunalen Verkehrsüberwachung brauchen Perspektiven
16
Eine Kollegin der Verkehrsüberwachung schreibt in Castrop-
Rauxel einen Wagen auf, der auf einem Behindertenpark-
platz steht, ohne dass das Auto als Behindertenfahrzeug ge-
kennzeichnet ist. Die Fahrzeughalterin und ihr Begleiter
kommen gerade aus dem Getränkehandel. Unvermittelt gibt
der Mann der Politesse einen Kopfstoß. Folge: eine gebro-
chene Nase. Passanten konnten Schlimmeres verhindern,
denn der Täter wollte noch auf die am Boden liegende Kolle-
gin eintreten.
Immer häufiger werden Beschäftigte der Verkehrsüber-
wachung, aber auch im Vollzugsdienst des Ordnungsamtes,
Streifendienst darf nicht krank machen Gefährdungsbeurteilung im Außendienst kommunaler Ordnungsdienste
beschimpft und beleidigt. Selbst vor Angriffen schrecken
Autofahrer nicht zurück. Gleichgültig um was es geht – um
das Durchsetzen der Ruheordnung, des Alkoholverbots oder
eben das Aufspüren von Parksündern. Für die Kolleginnen
und Kollegen haben solche Erlebnisse oft erhebliche psychi-
sche Folgen.
Richtig ist: Kommunale Ordnungsdienste müssen in ein
kommunales Sicherheitskonzept eingebunden sein. Es gibt
aber auch die betriebliche Ebene – nämlich den betriebli-
chen Arbeits- und Gesundheitsschutz, mit dessen Hilfe ent-
scheidende Weichen gestellt werden können.
GDA-Checkliste der Gefährdungsfaktoren am Arbeitsplatz
1. Mechanische Gefährdungen1.1 ungeschützt bewegte Maschinenteile1.2 Teile mit gefährlichen Oberflächen1.3 bewegte Transportmittel, bewegte Arbeitsmittel1.4 unkontrolliert bewegte Teile1.5 Sturz, Ausrutschen, Stolpern, Umknicken1.6 Absturz1.7 …1
2. Elektrische Gefährdungen2.1 Elektrischer Schlag2.2 Lichtbögen2.3 Elektrostatische Aufladungen2.4 …1
3. Gefahrstoffe3.1 Hautkontakt mit Gefahrstoffen (Feststoffe, Flüssigkeiten, Feuchtarbeit)3.2 Einatmen von Gefahrstoffen (Gase, Dämpfe, Nebel, Stäube einschließlich Rauche)3.3 Verschlucken von Gefahrstoffen3.4 physikal.-chemische Gefährdungen (z. B. Brand und Explosionsgefährdungen,
unkontrollierte chemische Reaktionen)3.5 …1
4. Biologische Arbeitsstoffe4.1 Infektionsgefährdung durch pathogene Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Viren, Pilze)4.2 sensibilisierende und toxische Wirkungen von Mikroorganismen4.3 …1
5. Brand und Explosionsgefährdungen5.1 brennbare Feststoffe, Flüssigkeiten, Gase5.2 explosionsfähige Atmosphäre5.3 Explosivstoffe5.4 …1
6. Thermische Gefährdungen6.1 heiße Medien/Oberflächen6.2 kalte Medien/Oberflächen6.3 …1 Quelle: Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA: www.gda-portal.de)
17
Gefährdungsbeurteilung ist eine Pflicht
Nach dem Arbeitsschutzgesetz gilt, dass der Arbeitgeber
eine Beurteilung der Gefährdungen am Arbeitsplatz vor -
zunehmen hat. Er muss Maßnahmen zum Schutz der
Beschäftigten entwickeln und dokumentieren. Die Gefähr-
dungsbeurteilung ist das Kernstück der neuen Arbeitsschutz-
gesetzgebung, die seit etwas mehr als 15 Jahren gilt. Die
Arbeitsstättenverordnung, die Gefahrstoffverordnung, die
Betriebssicherheitsverordnung oder die arbeitsmedizinische
Vorsorgeverordnung orientieren sich an der Gefährdungs -
beurteilung. Und – was besonders wichtig ist: Die Einsatz-
zeiten und das Zusammenwirken von Betriebsärzten und
den Fach kräften für Arbeitssicherheit regelt sich nach der so
genannten DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)
Vorschrift 2. Sie fordert neben einer Grundbetreuung auch
einen zusätzlichen betriebsspezifischen Betreuungsanteil –
eben nach den Gefährdungen.
Da sich die Gefährdungen sehr konkret auf die jewei -
ligen Arbeitsplätze beziehen, muss eine Gefährdungsbeur-
teilung bei den kommunalen Ordnungsdiensten für ihren
Einsatz im Außendienst vorgenommen werden. Und das
fängt damit an, dass Risiken, wie sie für einen Fall in Castrop-
Rauxel beschrieben wurden, in die Gefährdungsbeurteilung
aufgenommen werden. Im Übrigen sind die Beurteilungen
maximal alle drei Jahre zu aktualisieren. Ändert sich die Ar-
beitsaufgabe oder auch das Einsatzgebiet, muss aktualisiert
werden.
ver.di fordert Beschäftigtenbeteiligung
bei Gefährdungsbeurteilungen
Gefährdungsbeurteilungen existieren mittlerweile in vielen
Verwaltungen und Betrieben auch mit Außendiensten. Das
ist gut so. Allerdings orientieren sich diese Beurteilungen
vielfach an dem von der Gemeinsamen Deutschen Arbeits-
schutzstrategie (GDA) vorgegeben Leitlinien. Diese Leitlinien
beinhalten eine Art Checkliste von elf Punkten, wonach eine
Gefährdungsbeurteilung konzipiert werden kann. Aber bei
den kommunalen Ordnungsdiensten zeigt sich, dass die
7. Gefährdung durch spezielle physikalische Einwirkungen7.1 Lärm7.2 Ultraschall, Infraschall7.3 Ganzkörpervibrationen7.4 Hand-Arm-Vibrationen 127.5 optische Strahlung (z. B. Infrarote Strahlung (IR), ultraviolette Strahlung (UV), Laserstrahlung)7.6 ionisierende Strahlung (z. B. Röntgenstrahlen, Gammastrahlung, Teilchenstrahlung
(Alpha-, Beta- und Neutronenstrahlung))7.7 elektromagnetische Felder7.8 Unter- oder Überdruck7.9 …1
8. Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen8.1 Klima (z. B. Hitze, Kälte, unzureichende Lüftung)8.2 Beleuchtung, Licht8.3 Ersticken (z. B. durch sauerstoffreduzierte Atmosphäre), Ertrinken8.4 unzureichende Flucht- und Verkehrswege, unzureichende Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung8.5 unzureichende Bewegungsfläche am Arbeitsplatz, ungünstige Anordnung des Arbeitsplatzes, unzureichende
Pausen-, Sanitärräume8.6 …1
9. Physische Belastung/ Arbeitsschwere9.1 schwere dynamische Arbeit (z. B. manuelle Handhabung von Lasten)9.2 einseitige dynamische Arbeit, Körperbewegung (z. B. häufig wiederholte Bewegungen)9.3 Haltungsarbeit (Zwangshaltung), Haltearbeit9.4 Kombination aus statischer und dynamischer Arbeit9.5 …1
10. Psychische Faktoren10.1 ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z. B. überwiegende Routineaufgaben, Über-/Unterforderung)10.2 ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z. B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und /oder lange
Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf)10.3 ungenügend gestaltete soziale Bedingungen
(z. B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte)10.4 ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z. B. Lärm, Klima, räumliche Enge,
unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung)10.5 …1
11. Sonstige Gefährdungen11.1 durch Menschen (z. B. Überfall)11.2 durch Tiere (z. B. gebissen werden)11.3 durch Pflanzen und pflanzliche Produkte (z. B. sensibilisierende und toxische Wirkungen)11.4 … 1
18
Leitlinien teilweise nicht passen. So dominieren technische
Analysen. Anforderungen aus dem Dienst mit Menschen
kommen zu kurz.
Mehr noch. Die Gewerkschaft ver.di fordert, dass die
Gefährdungen zu den tatsächlichen Bedingungen am Ar-
beitsplatz entwickelt werden. Und das geht nicht ohne die
Beteiligung der betroffenen Beschäftigten. Sie kennen ihre
Arbeitsbelastungen am besten.
Damit diese Beteiligung umgesetzt werden kann, hat
ver.di ein Unterstützungsinstrument entwickelt: Das Befra-
gungswerkzeug PSYBEL dient dazu, die Belastungen durch
die Beschäftigten zu analysieren und daraus mit den Be-
schäftigten zusammen geeignete Maßnahmen abzuleiten.
Mehr Informationen dazu stehen unter:
http://ratgeber-psychische-belastung.de
Gemeinsam an guten und sicheren
Arbeitsplätzen arbeiten
Doch wie kommt man nun zu einer Gefährdungsbeurteilung
und wie setzt man sie vor allem durch? Zunächst ist der
Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu
erstellen und die Beschäftigten darin auch zu unterweisen.
Weigert er sich, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen,
kann er bei der jeweiligen Unfallkasse oder auch der jeweili-
gen Landesbehörde für Arbeitsschutz angezeigt werden.
Diese weisen ihn an – und das kann auch mit einem
Zwangsgeld einhergehen.
Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz ist ohnehin in einer
Dienststelle mit mehr als 20 Beschäftigten ein Arbeitsschutz-
ausschuss (ASA) einzurichten. In ihm sind neben der Vertre-
tung des Arbeitgebers mindestens zwei Personalratsvertrete-
rinnen und -vertreter, der Betriebsarzt, die Arbeitssicher-
heitsfachkraft und gegebenenfalls der oder die Beauftrage
für Arbeitsschutz vertreten. Ein ASA muss eine Systematik
zum Erstellen der Gefährdungsbeurteilungen entwickeln
und im ASA müssen die Maßnahmen sowie auch die erfor-
derlichen Dokumentationen besprochen werden.
Übrigens, es gibt auch eine Verantwortung der Beschäf-
tigten, was eine Beteiligung doppelt notwendig macht:
Sowohl nach dem Arbeitsschutzgesetz als auch nach dem
Arbeitsvertragsrecht haben die Beschäftigten die Pflicht, auf
Belastungen und Missstände hinzuweisen. Allerdings sollte
sowohl der Personalrat als auch der ASA Verfahren ent -
wickeln, wie Beschäftigte in einem geschützten Raum auf
Probleme hinweisen können.
Mitbestimmungsrecht beim Arbeitsschutz einfordern
Noch ein Wort zur Personalvertretung: Die Pflichten zur Ge-
fährdungsbeurteilung und zum ASA sind als Planungsarbeit
zu verstehen. Sie liegen in der Verantwortung des Arbeitge-
bers, ersetzen jedoch nicht das formelle Mitbestimmungsver-
fahren des Personalrats vor der Umsetzung einer Maßnahme.
Der Personalrat hat unter anderem ein Mitbestimmungsrecht l bei der Analyse und dem Verfahren zur Gefährdungsbeur-
teilung und den daraus abgeleiteten Maßnahmen (Perso-
nalfragebögen), l bei der Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für
Arbeitssicherheit, undl bei der Art und Weise der Information
und der Beteiligung der Beschäftigten.
Betriebsärzte und Arbeitssicherheits-
fachkräfte sind zudem verpflichtet, auch
den Personalrat in Fragen des Arbeits-
und Gesundheitsschutzes zu beraten. Da
ja die Umsetzungsverantwortung bei der
Dienststellenleitung beziehungsweise der
Betriebsleitung liegt, sollte der Personal-
rat unbedingt über die fachliche Bera-
tung und die betriebliche Situationsana-
lyse Faktenwissen herstellen. Dies erleich-
tert die Argumentation gegenüber dem
Arbeitgeber und schafft vor allem eine
Basis für die Beschäftigtenbeteiligung.
Um zu dem Beispiel aus der Verkehrs-
überwachung zurück zu kommen: Es ist
nicht auszuschließen, dass die Dienst -
stellenleitung bei Arbeitsschutzmaßnah-
men – etwa, dass zwei Kolleginnen und
Kollegen auf Streife gehen – mit Haus-
haltsengpässen argumentieren wird.
Die Finanznot darf aber nicht auf Kosten
der Gesundheit der Beschäftigten gehen.
Außerdem: Hohe Krankenstände helfen
bestimmt nicht, die Finanznot zu verbes-
sern.
19
Die Beschäftigten der kommunalen Ordnungsdienste po-
chen auf eine einheitliche und fundierte Qualifizierung.
„Zu Recht“, betont Thomas Herbing, Leiter der ver.di-Bun-
desfachgruppe Allgemeine Kommunalverwaltung. Denn der
kommunale Ordnungsdienst darf in die Freiheitsrechte der
Bürgerinnen und Bürger eingreifen. „Eine Schmalspuraus -
bildung ist deshalb nicht akzeptabel“, stimmt Herbing den
Kolleginnen und Kollegen der Ordnungsdienste zu.
Neben den Beschäftigten der Verwaltung sind in der
Bundesfachgruppe Allgemeine Kommunalverwaltung
auch die Beschäftigten der kommunalen Ordnungsdienste
organisiert.
Beschäftigte der kommunalen Ordnungsdienste in
Baden-Württemberg haben einen Arbeitskreis ge-
gründet. Sie be klagen unter anderem, dass die Be-
schäftigten der Ordnungsdienste sehr unterschied-
lich und teilweise schlecht ausgebildet sind. Trifft das
auf alle Ordnungsdienste zu oder ist das ein baden-
württembergisches Problem?
Herbing: Auf Bundesebene gibt es von ver.di bereits seit
einem Jahr eine Arbeitsgruppe Ordnungsdienste. Wir mer-
ken, dass die Beschäftigten der Ordnungsdienste landauf,
landab die gleichen Sorgen und Nöte haben. Deswegen
begrüßen wir es, wenn sich die Kolleginnen und Kollegen in
ihren Ländern organisieren. Der Ordnungsdienst ist keine
Pflicht, sondern eine freiwillige Entscheidung der Kommu-
nen. Wir beobachten aber, dass es von Jahr zu Jahr mehr
Städte werden, die sich für einen solchen Dienst entschei-
den. In der Regel wollen die Kommunen damit den Wunsch
der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Sicherheit im öffent-
lichen Raum erfüllen. Das Sicherheitsbedürfnis resultiert
daraus, dass die Polizei auf den Straßen weniger präsent ist.
Allerdings stellen wir auch fest, dass die Polizei die Einrich-
tung solcher Dienste wiederum zum Anlass nimmt, sich
erneut aus Aufgaben zurückzuziehen.
Da nun die Ordnungsdienste immer mehr Aufgaben über-
nehmen, die bisher die Polizei innehatte, muss auch Schluss
sein mit der Schmalspurausbildung. Die Kolleginnen und
Kollegen brauchen eine Qualifizierung, die diesen Namen
verdient. ver.di arbeitet an entsprechenden Konzepten.
Im Interesse der Kolleginnen und Kollegen der
Ordnungsdienste?
Herbing: Sicher, in ihrem Interesse und im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger. Denn die kommunalen Ordnungs-
dienste dürfen beispielsweise mit einem Platzverweis in die
Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.
Rechts sicherheit ist deshalb unabdingbar. Und deshalb ist
Qualifizierung ein Thema, das auch für die Politik von großer
Bedeutung ist.
Bisher kommen die Vertreterinnen und Vertreter
der Ordnungsdienste aus den unterschiedlichsten
Berufen.
Herbing: Richtig, es gibt viele unterschiedliche Zugänge zum
Ordnungsdienst. Die Weiterbildung, die in vielen Kommunen
angeboten wird, ist aber leider oft nicht ausreichend. Not-
wendig dafür ist ein fundiertes Wissen im Umgang mit Men-
schen und Konflikten. Hinzu kommt, dass auch Kolleginnen
und Kollegen, die keinen Verwaltungshintergrund haben,
eine Verwaltungsweiterbildung brauchen. Denn die Bediens -
teten der Ordnungsdienste sind der verlängerte Arm des
Ordnungs amtes. Verwaltungswissen ist auch wichtig, um
möglicherweise im Alter mal auf eine andere Tätigkeit wech-
seln zu können.
Bedienstete der Ordnungsämter tragen teilweise
auch Waffen – Schlagstöcke, Pfefferspray und auch
Schusswaffen. Wie beurteilen die Kolleginnen und
Kollegen diese Situation.
Herbing: Die Waffen werden gemischt beurteilt. Klar ist:
Bedienstete der Ordnungsämter dürfen – anders als die Poli-
zei – die Waffen nur einsetzen, um sich oder den Kollegen
zu schützen. Angesichts der teilweise dünnen Aus- und Wei-
terbildung sind viele der Bediensteten selbst nicht be geistert
darüber, dass sie diese Waffen mit sich tragen. Man muss
Folgendes sehen: Die Kolleginnen und Kollegen gehen in
Doppelstreife ist ein Muss Thomas Herbing, Leiter der Bundesfachgruppe Allgemeine Kommunalverwaltung,betont: Schmalspurausbildung ist nicht akzeptabel
Thomas Herbing
20
den Zentren Streife, sie werden aber auch in Problemviertel
geschickt – wenn es zum Beispiel um Lärmbelästigung geht.
Wenn sie losgehen, weiß niemand, was sie dort tatsächlich
erwartet.
Hinzu kommt, dass offenbar der Respekt der Menschen
vor Amtspersonen – gleichgültig ob es sich um Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter der Ordnungsämter oder um Polizis -
tinnen und Polizisten handelt – schwindet. Das jedenfalls
berichten die Kollegen immer wieder. Ob sie nun Waffen
tragen oder nicht. Ich glaube, jeder weiß, dass weder die Po-
lizei noch das kommunale Ordnungsamt allein für mehr Si-
cherheit auf öffentlichen Plätzen sorgen kann. Die Kommu-
ne muss bereits bei der Stadtplanung ansetzen – das heißt,
keine dunklen Ecken, Sauberkeit, belebte Straßen. Eine weit-
sichtige soziale Stadtplanung trägt entscheidend dazu bei,
dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die Beschäftigten
der Ordnungsämter sicher sind. Wenn aber die Kolleginnen
und Kollegen Waffen tragen, gleichgültig, ob es sich um
Schlagstöcke, Pfefferspray oder Schusswaffen handelt –
denn wer schon mal Pfefferspray abbekommen hat, weiß,
dass das alles andere als eine harmlose Waffe ist –, der
braucht eine fundierte Ausbildung. Und: die Kolleginnen
und Kollegen müssen regelmäßig den Gebrauch dieser Waf-
fen trainieren. Zum Selbstschutz sollten außerdem grund-
sätzlich nur Doppelstreifen unterwegs sein, niemals allein.
Diskutiert wird auch über eine einheitliche Uniform.
Herbing: Die Uniform wird nicht in Frage gestellt. Sie
schafft Autorität. Derzeit aber gleicht die Uniform des kom-
munalen Ordnungsdienstes vielerorts der Uniform der Poli-
zei. Nach meiner Auffassung muss schon von weitem er-
kennbar sein, dass es sich um eine oder einen Beschäftigten
der Kommune handelt und dass die Kolleginnen und Kolle-
gen eben keine Polizeibeamten sind. Es braucht eine klare
Abgrenzung, damit die unterschiedlichen Aufgaben deutlich
werden.
In einigen Städten wurde die Überwachung des ru-
henden Verkehrs privatisiert. Politessen sind somit
für private Unternehmen unterwegs, die wiederum
mit den Kommunen abrechnen. Wie steht ver.di zu
solchen Konstruktionen?
Herbing: Ob der ruhende oder der fahrende Verkehr über-
wacht wird oder ob die Kollegen in den Innenstädten Streife
gehen – Private haben in diesem Bereich keinen Platz. Der
Grund dafür liegt auf der Hand. Es geht natürlich darum,
21
dass die Kolleginnen und Kollegen als verlängerter Arm des
Ordnungsamtes hoheitliche Aufgaben ausüben. Diese Auf-
gaben sollten auch von der Kommune übernommen und
nicht ausgegliedert werden. Und man muss sehen, dass es
beim kommunalen Ordnungsdienst immer darum geht, die
Bürgerinnen und Bürger dazu anzuhalten, die Regeln einzu-
halten, die sich eine Gesellschaft gegeben hat. Die Kollegin-
nen und Kollegen der Ordnungsämter tragen auch dazu bei,
dass die Schwachen einer Gesellschaft geschützt werden.
Doch warum sollten Menschen Regeln im öffentlichen Raum
akzeptieren, die ein privates Unternehmen versucht durch-
zusetzen? Ich bin davon überzeugt, dass es für eine Kommu-
ne, die das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger
stärken will, kontraproduktiv ist, wenn sie solche Aufgaben
auf Private überträgt.
Politessen und ihre männlichen Kollegen fühlen sich
oft viel zu schlecht bezahlt. Wie schätzt ver.di das ein?
Herbing: ver.di sieht das genauso. Wobei wir festgestellt
haben, dass gerade, wenn die Kommunen die Überwa-
chung des ruhenden Verkehrs einer privaten Firma übertra-
gen hat, ihr Einkommen nochmals sinkt. Politessen und ihre
männlichen Kollegen werden oft nach EG 3 bezahlt, im klas-
sischen Vollzugsdienst sind die Eingruppierungen besser.
ver.di und Beschäftigte der kommunalen Ordnungsdienste
müssen sich aber weiter dafür stark machen, dass die Kolle-
ginnen und Kollegen angemessen vergütet werden und dass
ihre Arbeit bei den Bürgerinnen und Bürger einerseits und in-
nerhalb der jeweiligen Stadtverwaltung andererseits besser
anerkannt wird.
Zudem mangelt es beim Ordnungsdienst an Aufstiegs-
möglichkeiten. Derzeit kommt es vor, dass einzelne Spezial-
qualifikationen wie das Führen von Hunden nicht bewertet
werden. Wir müssen uns deswegen auch für die richtigen
Entgelt-Strukturen einsetzen.
Wie sehen die nächsten Schritte aus, die ver.di und
die Beschäftigten der Ordnungsdienste nun planen?
Herbing: Die Arbeitsgruppe Ordnungsdienste hat sich
bereits klare Ziele gesetzt. Schwerpunkte sind unter anderem
die einheitliche Qualifizierung und die Aufwertung für die
Kolleginnen und Kollegen in der Verkehrsüberwachung.
Zur Vernetzung bietet ver.di einmal im Jahr eine bundes -
weite Berufsfachtagung Ordnungsdienste an. Bei der
nächs ten Tagung in Frankfurt werden wir uns mit der Frage
befassen, was das Kommunale am kommunalen Ordnungs-
dienst ausmacht. Es muss darum gehen, eine starke Vertre-
tung zu bilden, damit die Anliegen der Beschäftigten der
kommunalen Ordnungsdienste ernst genommen und be-
rücksichtigt werden.
22
Finanzdruck. Weniger Personal. Gleiche Aufgaben. Es gibt
immer weniger Beschäftigte, die mit ihrer Arbeitsstelle rund-
um zufrieden sind. Und selbst jene, die sich eigentlich in
ihrem Traumjob wähnen, klagen über die zunehmende
Hetze in ihrem Job. Arbeitsverdichtung, die zur Hetze zwingt,
hat aber nichts mit guter Arbeit zu tun. Darüber sind sich
Experten einig. Weil aber die Menschen ein Recht auf gute
Arbeit haben, auf Arbeit, die ihren Fähigkeiten entspricht,
auf Arbeit, bei der sie Wertschätzung erfahren und die nicht
krank macht, haben die Gewerkschaften in Deutschland gute
Arbeit ganz oben auf ihrer Agenda stehen. Für den Fachbe-
reich Gemeinden ist Gute Arbeit das Schwerpunktthema
schlechthin.
Für ver.di geht es bei Guter Arbeit um drei Kernfragen:
Wie gehen wir gegen den Niedriglohnsektor vor? Wie kann
der Arbeits- und Gesundheitsschutz verbessert werden? Wie
stellen wir uns dem demografischen Wandel?
Seit 2010 lässt ver.di untersuchen, wie es mit den Ar-
beitsbedingungen und der Arbeitsqualität in den ver.di-
Branchen bestellt ist. Dabei greift ver.di auf die Erhebungs-
methoden des DGB-Index zurück, der seit 2007 Beschäftig-
te in den verschiedenen Branchen zum Beispiel zu körper -
lichen und emotionalen Anforderungen befragt, zu Auf-
stiegsmöglichkeiten, Sinngehalt der Arbeit, Arbeitszeitge-
staltung, Arbeitsplatzsicherheit oder Gestaltungsmöglich-
keiten.
Ein wichtiger Ansatzpunkt: Schlecht bewertete Tätig -
keiten können mit bestimmten Maßnahmen zu einer guten
Arbeit umgestaltet werden. Eine bessere Arbeitsqualität, die
Teilhabe der Beschäftigten an der Arbeitsgestaltung, am ge-
sellschaftlichen Leben und Wohlstand sind eng miteinander
verknüpft. Dass sich gute Arbeit und Arbeitshetze nahezu
immer ausschließen, das ergaben Analysen im Rahmen der
guten Arbeit. Wer sich im Arbeitsalltag stark gehetzt fühlt,
äußert oft gesundheitliche Beschwerden. Arbeitshetze er-
höht zugleich die individuelle Unfallgefahr und die Unfallge-
fährdung der Öffentlichkeit. Die Gegenmittel sind für ver.di:
Gesundheitsförderung, Gesundheitsmanagement, die
Durchsetzung der Arbeitsschutzgesetze sowie tarifpolitische
Instrumente, die den Schutz vor Arbeitshetze und Arbeits -
intensivierung in den Fokus rücken.
Gute Arbeit gestaltenver.di will gute Arbeit vorantreiben – Arbeit braucht gesundes Maß – viele klagen über Arbeitsverdichtung
DGB-Index Gute Arbeit
Der DGB-Index Gute Arbeit ist das menschliche Maß für
die Arbeit – ein wissenschaftlich fundiertes Instrument
zur Erfassung der Arbeitsbedingungen aus Sicht der
Beschäftigten. Seit 2007 wird mit dem DGB-Index Gute
Arbeit einmal jährlich bundesweit die Arbeitsqualität ge-
messen. Maßgeblich ist dabei ausschließlich das Urteil
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Rahmen
einer telefonischen Befragung werden Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer aus allen Regionen, Branchen,
Einkommensgruppen und Beschäftigungsverhältnissen
nach ihrer Sicht auf die Arbeitsgestaltung befragt. Ent-
sprechend ihrem Anteil sind dabei auch geringfügig Be-
schäftigte, Leiharbeitnehmer und Teilzeitbeschäftigte
vertreten. Somit ist der DGB-Index Gute Arbeit repräsen-
tativ für das Urteil der Beschäftigten in Deutschland.
www.verdi-gute-arbeit.de
„Gut ist eine Arbeit, die den Ansprüchen der
Beschäftigten gerecht wird.“
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Beitrittserklärung
Ich möchte Mitglied werden ab:
Monat/Jahr
Persönliche Daten:
Name
Vorname/Titel
Straße/Hausnummer
PLZ Wohnort
Geburtsdatum
Telefon
Staatsangehörigkeit
Geschlecht weiblich männlich
Beschäftigungsdaten
Arbeiter/in Angestellte/r
Beamter/in DO-Angestellte/r
Selbstständige/r freie/r Mitarbeiter/in
Vollzeit
Teilzeit Anzahl Wochenstd.
Erwerbslos
Wehr-/Zivildienst bis
Azubi-Volontär/in- Referendar/in bis
Schüler/in-Student/in bis (ohne Arbeitseinkommen)
Praktikant/in bis
Altersteilzeit bis
Sonstiges
Bin/war beschäftigt bei (Betrieb/Dienststelle/Firma/Filiale)
Straße/Hausnummer im Betrieb
PLZ Ort
Branche
ausgeübte Tätigkeit
ich bin Meister/in-Techniker/in-Ingenieur/in
Tarifvertrag
Tarifl. Lohn- oder Gehaltsgruppe bzw. Besoldungsgruppe
Tätigkeits-/Berufsjahr, Lebensalterstufe
regelmäßiger monatlicher Bruttoverdienst
Euro
Einzugsermächtigung:
Ich bevollmächtige die ver.di, den satzungs-gemäßen Bei trag bis auf Widerruf im Last-schrift ein zugs verfahren
zur Monatsmitte zum Monatsende
monatlich halbjährlich
vierteljährlich jährlich
Name des Geldinstituts/Filiale (Ort)
Bankleitzahl Kontonummer
Name Kontoinhaber/in (Bitte in Druckbuchstaben)
Datum/Unterschrift Kontoinhaber/in
oder im Lohn-/Gehaltsabzugsverfahren* monatlich bei meinem Arbeitgeber einzu-ziehen. *(nur möglich in ausgewählten Unternehmen)
Personalnummer im Betrieb
Ich war Mitglied der Gewerkschaft:
von: bis: Monat/Jahr Monat/Jahr
Monatsbeitrag: Euro
Der Mitgliedsbeitrag beträgt nach § 14 der ver.di-Sat-zung pro Monat 1% des regelmäßigen monatli chen Bruttoverdienstes. Für Rentner/innen, Pensionär/innen, Vorruheständler/innen, Krankengeldbezieher/innen und Erwerbslose beträgt der Monatsbeitrag 0,5% des regelmäßigen Bruttoeinkommens. Der Mindest-beitrag beträgt € 2,50 monatlich. Für Hausfrauen/Hausmänner, Schüler/innen, Studierende, Wehr-, Zivil-dienstleistende, Erziehungsgeldempfänger/innen und Sozialhilfeempfänger/innen be trägt der Beitrag € 2,50 monatlich. Jedem Mitglied steht es frei, höhere Beiträge zu zahlen.
DatenschutzIch erkläre mich gemäß § 4a Abs. 1 und 3 BDSG ein-verstanden, dass meine mein Beschäftigungs- und Mitgliedschaftsverhältnis betreffenden Da ten, deren Änderungen und Ergänzungen, im Rahmen der Zweckbestimmung meiner Gewerkschaftsmitglied-schaft und der Wahrnehmung gewerkschafts-politischer Aufgaben elektronisch verarbeitet und genutzt werden.Ergänzend gelten die Regelungen des Bundes-datenschutzgesetzes in der jeweiligen Fassung.
Datum/Unterschrift
Datum/Unterschrift
Werber/in:
Name
Vorname
Telefon
MitgliedsnummerW-2
982-
02-0
610
Ansprechpersonen für die kommunalen Ordnungsdienste in ver.diBundesfachgruppe
Allgemeine Kommunalverwaltung
Bundesfachgruppenleiter: Thomas Herbing
Büro: Helma Sydekum
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft |
Bundesverwaltung | Fachbereich Gemeinden
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
Tel.: (030) 69562238
Fax: (030) 69563630
www.kommunalverwaltung.verdi.de
Landesbezirk Bayern
Landesfachbereichsleiterin: Brigitte Zach
Schwanthaler Straße 64, 80336 München
Tel.: (089) 599771070
Fax: (089) 599771079
Baden-Württemberg
Thomas Schwarz
Königstraße 10a, 70173 Stuttgart
Tel.: (0711) 88788-0700
Fax: (0711) 88788-0719
Berlin/Brandenburg
Landesfachbereichsleiter:Werner Roepke
Köpenicker Straße 55, 10179 Berlin
Tel.: (030) 8631-0 (-2350)
Fax: (030) 8631-2932
Landesbezirk Hessen
Landesfachbereichsleiter:
Gerhard Abendschein
Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77,
60329 Frankfurt am Main
Tel.: (069) 2569-1240
Fax: (069) 6695-1199
Landesbezirk Hamburg
Landesfachbereichsleiterin:
Sieglinde Frieß
Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg
Tel.: (040) 2858-128
Fax: (040) 2858-166
Landesbezirk Sachsen/
Sachsen-Anhalt/Thüringen
Landesfachbereichsleiterin:
Manuela Schmidt
Breiter Weg 193, 39104 Magdeburg
Tel.: (0391) 28889937
Landesbezirk Nord (Schleswig-Holstein;
Mecklenburg-Vorpommern)
Landesfachbereichsleiter: Jens Mahler
Hansestraße 14, 23558 Lübeck
Tel.: (0451) 8100-716
Fax: (0451) 8100-888
Landesbezirk Niedersachsen/Bremen
Landesfachbereichsleiter:Martin Peter
Goseriede 10, 30159 Hannover
Tel.: (0511) 12400280
Fax: (0511) 12400-150
Landesbezirk Nordrhein-Westfalen
Heinz Rech
Karlstraße 123-127, 40210 Düsseldorf
Tel.: (0211) 61824-320
Fax: (0211) 61824-328
Landesbezirk Rheinland-Pfalz
Landesfachbereichsleiter: Volker Euskirchen
Münsterplatz 2-6, 55116 Mainz
Tel.: (06131) 9726-296
Fax: (06131) 9726-177
Landesbezirk Saar
Landesbezirksfachbereichsleiter:
Stefan Schorr
St. Johannerstraße 49, 66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 98849-140
Fax: (0681) 98849-172
Vereinte Dienstleistungs-gewerkschaft
Gemeinden
Weitere Informationen im Internet:
4www.gemeinden.verdi.de4www.kommunalverwaltung.verdi.de
Recommended