Health Technology Assessment (kritische Bewertung medizinischer Methoden) Wissen PatientInnen...

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Health Technology Assessment (kritische Bewertung medizinischer

Methoden)

Wissen PatientInnen wirklich alles oderist Glaube/Hoffnung das tragende Motiv?

Velden/ Wörthersee20. Nov. 2009

Priv. Doz.Dr. Claudia Wild

HTA: wissenschaftliche Entscheidungsunterstützung

Wissenssynthese:

Systematisches Offenlegen vorhandenen Wissens (und Nicht-Wissens) aus relevanten Perspektiven (interdisziplinär) zu

Interventionen, Technologien, Krankheiten

Assessment/Evaluation

= Instrument der

Systematik, Transparenz, Multidisziplinarität

HTA: Relevanz & Brisanz

„Solidarisches Gesundheitssystem: gleicher Zugang zu allen medizinischen Leistungen für alle BürgerInnen“

Brisanz/Relevanz von HTA

„weil wir ein solidarisches Gesundheitssystem wollen, müssen die (limitierten) Ressourcen ZIELGERICHTET

eingesetzt werden.“

solidarisch = gleicher Zugang zu WIRKSAMEN Leistungen für alle

HTA: WARUM, WOZU ?

Evaluation = rationale Entscheidungsfindung zum effektiven und effizienten Einsatz der

Ressourcen

Unterlassen unnötiger Leistungen oder von L. mit fragwürdigem Nutzen = Rationalisierung,

NICHT

Vorenthalten wirksamer Leistungen = Rationierung

HTA vs. Entscheidung

• HTA = rationale Entscheidungsunterstützung(systematisch, transparent, interdisziplinär)

• Entscheidung = Werturteil (Grenzwerte für Angemessenheit, Bedarf, Nutzen etc.)

• über medizinische Leistungen, aber auch Ressourcenallokation (in welche Bereiche/ohne Lobby) & Verteilungsgerechtigkeit (an wen)

HTA vs. Entscheidung

HTA ersetzt Entscheidung NICHT, erleichtert Argumentation gegen Druck

HTA „öffnet die Augen“ – NICHT Ökonomie sollte im Vordergrund stehen. Nutzen-Risken Relation

HTA bedarf eines gewissen Mutes, Medizin/Autoritäten zu hinterfragen, auch Kreativität, neue Politikinstrumente zu entwickeln.

4 Beispiele

1. Unangemessen häufig eingesetzte medizinische Interventionen

2. Regionale Varianzen

3. Off-label – good/bad

4. (nahe) Zukunft: Grenzwert-Diskussion

Fallbeispiel 1: Un-/Angemessenheit

Erythropoietin bei Tumoranämie

• Fragestellung: Ende 90er Verbrauch von EPO in Österreich und USA weit über jenem der EU, Vermutung auf Fehlindikation und Einsatz bei marginalem/keinem

Nutzen“ • Methode: Auswertung der klinische Studien auf „Nutzen“

(gemessen an Steigerung des Hb-Wert, bzw. Hämatokrit, Verringerung des Transfusionsbedarfs, Steigerung der

Lebensqualität)

Fallbeispiel 1: Impact von EPO-Assessment

• 2000/ Juni: HTA Publikation

• KAGES 2000/ Herbst: Arzneimittelkommission von „Anwendern“ (OnkologInnen) –Response-Kontrolle, -17% (- 500.000 €)

• WGKK 2002: bewilligungspflichtig, Response-kontrolle: - 13,5% Kosten ( - 18% an Verordnungen, - 400.000 €)

Brisanz heuteÖ ist EUROPAmeister (2008)

8 abgebrochene Studien (Tumorwachstum, Kardio-Risken), FDA-black-box Warnung 2007 wegen „überzogener Zielwerte“, 2008

FDA-chemotherapie induzierte Anämie NICHT Tumoranämie

NICE: „not recommended for routine management“, Lancet Oncology Feb 2008: „removal of this dangerous intervention from clinical practice“

2008: Biosimilar Procrit – offensives Marketing, Anheizen mit Kostenargumenten !!

Dez. 2008: FDA verschärft WarnungEU: -15% Verordnungen, Ö: - 10% Verordnungen

EU: EPO in der Onkologie

EU ESA usage in Oncology (in volume)

75

80

85

90

95

100

105

Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4

2006 2007 2008

Ind

ex

= Q

10

6 (

100

)

Source: Amgen elaboration of IMS data

Message

Es gibt ein Zuviel an Medizin, das NICHT durch Ökonomie begrenzt

wird

Fallbeispiel 2: Regionale Varianzen

CMV-Immunglobuline bei Transplantationen

• Fragestellung: Verbrauch von CMV-Ig in 1 Transplantationszentrum weit über jenem anderer Transplantationszentren, im Vergleich zur Alternative (Virustatika)

• Methode: Auswertung der klinische Studien auf „Nutzen“ (gemessen an Reduktion von CMV-Infektionen und -Erkrankungen)

Fallbeispiel 2: Impact von CMV-IG Assessment

• 2001/ Juli: HTA Publikation

• 2002/ Frühjahr: hausinterner CMV-IG Tagung/ Arzneimittelkommission

• Rechnungshof

• 2003: Verbrauch pro Patient an CMV-Ig reduziert sich von 2000 um -31%

Message

Intransparenz in Industrie-Beziehung verleiten zur Fehlversorgung.

Fallbeispiel 3: off-label: good or/and bad

Je nach Setting und Indikation: 25-90% (stationär), resp. 13-70% (ambulant) off-label,

Häufig ist das vor allem in der Pädiatrie und Onkologie, aber auch bei Indikationen in anderen medizinischen Bereichen

Von Seiten der Industrie wird das gefördert (Marketing. Kongresse) = Markterweiterung außerhalb der zugelassenen Indikationen.

Arzneimittel bei altersbedingter Makuladegeneration

Wirkstoff Produktname Entwicklungs- & Vertriebsfirmen

Jahres-therapiekosten

Ranibizumab Lucentis® Genentech/ Novartis (30%-iger Eigentümer von Roche)

15.000.-

Bevacizumab Avastin® Genentech/ Roche 300.-

1:50 !!

Source: Rosenfeld 2006: Intravitreal Avastin®: the low cost

alternative to Lucentis®? • „While many questions persist regarding the optimal dose and dosing interval for

intravitreal Avastin®, these are no different from the questions that persist for Lucentis® and Macugen®. […] Even after the phase III trials with Lucentis® and Macugen®, we still do not know the optimal dose or the optimal dosing interval for these drugs.” (p 142)

• … “Currently there appears to be a global consensus that the treatment strategy using intravitreal Avastin® is logical, the potential risks to our patients are minimal, and the cost-effectiveness is so obvious that the treatment should not be withheld. […] However, the need to move forward with large, prospective multicenter clinical trials to investigate intra vitreal Avastin® has exposed a glaring weakness in the global approval process”.

• Rosenfeld = 1st author of MARINA/ Lucentis/ Genentech approval study and initiator on worlwide „Safety Survey“ on Avastin/AMD - (Fung/ Rosenfeld 2006: 7.113 eyes, 70 centres & 12 countries) .

Messages

Wirtschaftliche Interessen als Motor für bestimmte medizinische Interventionen,

wird aber auch als Grenzüberschreitung erlebt: Erwachen von zivilem Ungehorsam

Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit !!

Fallbeispiel 4: Grenzwert-Diskussion

Wieviel „Nutzen“ ist genug Nutzen, um als wesentlicher Fortschritt in einem öffentlichen

Gesundheitssystem ?

Wieviel „nicht-monetäre Kosten/Nebenwirkung (Schaden-Nutzen-Relation)“ ist akzeptabel?

Zu welchen monetären Kosten ?

Beispiel Trastuzumab (Herceptin®)

Einer der ersten zugelassenen Antikörper„Targeted Therapy“ (zielgerichtet)

additiv (= ca 42.000.- pro Therapie)Herceptin® zunächst 2000 für fortgeschrittenes HER2+

Mammakarzinom zugelassen (Lebensverlängerung, nicht Heilung),

seit 2005 auch als Therapieoption für HER2+ Mammakarzinom im Frühstadium

3 & 4-Jahres Ergebnisse

• 1 Jahr: DFS 52%, OS: 33%, ARR: 0,5%• 2 Jahre: DFS 42%, OS 34%, ARR: 1,8%• 4 Jahre: DFS 25%, OS ??, ARR: 1,6%

• ARR 1,6% - fast kein Unterschied zu Gruppe ohne Herceptin, zusammenlaufen der Entwicklung,

• !! Cross-over !!

1 Jahr: DFS 52%, OS: 33%, ARR: 0,5%2 Jahre: DFS 42%, OS 34%, ARR: 1,8%

4 Jahre: DFS 25%, OS ??, ARR: 1,6%

Message

Relative Nutzen Kommunikation verschleiert reale Nutzen-Risken Relation

Frage

Ist dieses Wissen PatientInnen zumutbar ?

Ethik & Ökonomie: HTA

• Unter der Bedingung der Akzeptanz eines kollektiven solidargemeinschaftlich finanziertes Gesundheitssystems – besteht Recht/ Anspruch auf effiziente Mittelverwendung dieser öffentlichen Gelder.

• Rationale Verwendung unter Transparenzkriterien.

• Operationalisierung von „ Prioritäten-Setzung“, „Angemessenheit“ und „Nutzen“ (auch Grenzen), Kosten-Nutzen Relationen.

• Aufgabenstellung: Ethischer Umgang mit Operationalisierung fairen/gerechten Prinzipien.

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