HIRNSCHLAG Prävention, rasche Diagnose, Akutbehandlung ......PD Dr. med. Andrea Humm Chefärztin...

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PD Dr. med. Andrea Humm

Chefärztin Neurologie

HFR Freiburg – Kantonsspital

Herzgruppen Forum 2019

Ittigen, 25. Mai 2019

HIRNSCHLAG

Prävention, rasche Diagnose,

Akutbehandlung und gezielte Rehabilitation

Herz und Hirn – ein Herz und eine Seele

• Herz- und Hirninfarkte sind häufig

• gemeinsame vaskuläre Risikofaktoren

• 20% der Hirninfarkte haben eine kardiale Ursache

• ein frischer Hirninfarkt kann eine akute kardiale Erkrankung

auslösen (Takotsubo)

• beide waren/sind Hauptanwärter für den Sitz der Seele

Hirnschlag – einige Zahlen

• 1 Hirnschlag alle 30 Minuten in CH

• 2000 Hirnschläge/Jahr im Kanton BE

• häufigster Grund einer bleibenden Behinderung

• zweithäufigster Grund von Demenz

• dritthäufigste Todesursache

Pathophysiologie des Hirnschlages

═ plötzliche (schlagartige) Durchblutungsstörung im Gehirn

arteriell bedingt venös bedingt

Pathophysiologie des Hirnschlages

• Transiente ischämische

Attacke (TIA)

• Cerebrovaskulärer Insult (CVI)

Ischämisch (~ 80%) Hämorraghisch (~ 20%)

• Intracerebrale Blutung

• Subarchanoidalblutung (SAB)

• Sub-/epidurale Blutung

➢ Unterschiedliche Abklärung, Akutbehandlung und Prävention !

TIA oder CVI

• Definition gemäss WHO

– TIA = vaskulär bedingtes, akutes neurologisches Defizit

mit einer Dauer < 24 h

– CVI = vaskulär bedingtes, akutes neurologisches Defizit

mit einer Dauer > 24 h

• Definition gemäss American Stroke Society (2009)

– TIA= akutes, vaskulär bedingtes transientes neuro-

logisches Defizit ohne Nachweis einer Läsion in der

cerebralen Bildgebung

– CVI = akutes, vaskulär bedingtes transientes neuro-

logisches Defizit mit Nachweis einer Läsion in der

cerebralen Bildgebung

Die häufigsten Ursachen von TIA/CVI

Herzerkrankungen mit Risiko

der Blutgerinnselbildung (20%)- Rhythmusstörungen

- Herzklappenerkrankungen

- Wandbewegungsstörungen

Atherosklerose kleiner

Hirngefässe mit Verschluss (20%)

Atherosklerose grosser

Halsgefässe oder der

Hauptschlagader (20%)- Embolien mit Verstopfung der

kleinen Hirngefässe

- Verschluss der grossen Gefässe

Ischämie Hämorraghie

Ruptur von

Hirngefässen- Atherosklerose und

chronisch erhöhter

Blutdruck

- Gefässmissbildungen

(z.B. Aneurysma)

- starke Blut-

verdünnung

Seltene Ursachen

• Dissektion der hirnversorgenden Gefässe

– spontan oder nach Trauma

• Entzündung oder Infektion der Gehirnarterien

• Spasmen der Gehirnarterien

– bei Gehirnblutung, Drogen, Migräne

• Thrombose der Hirnvenen

• Störungen der Blutgerinnung, hereditäre

Erkrankungen…..

Symptome bei akutem Hirnschlag

➢ Symptome erlauben keine Unterscheidung zwischen

ischämischem Infarkt und Hirnblutung (→ notfallmässiges CT/MRI)

➢ nicht obligat mit Kopfschmerzen einhergehend

halbseitige

Lähmung (B)halbseitige

Gefühlsstörung (C)

kein Sprechen (A)

kein Verstehen (F)

kein Hören (E)

Sehstörung (G)

Schwindel, Doppelbilder,

selten Bewusstlosigkeit

weitere Symptome

− Verwirrtheit

− Apathie,

Aggressivität

− Vernachlässigung

einer Seite

− Schluckstörung

− ……

Akuter Hirnschlag – rasch erkennen

Nationale Kampagne Herzstiftung

Cincinnati Prehospital Stroke Scale

G-FAST Score

➢ Bei G-FAST score ≥ 3 liegt wahrscheinlich ein proximaler

Gefässverschluss vor

− Sensitivität 89%, Spezifität 39%

Scheitz / SITS-VISTA, Stroke 2017

Gaze deviation (conjugate) 1

Face weakness 1

Arm weakness 1

Speech / language problem 1

Vd auf akuten Hirnschlag - «Time is brain»

• bei ausbleibender Gefässrekanalisation wird die Penumbra

ebenfalls zur Infarktzone

• akutes CVI : Verlust von 120 Millionen Nervenzellen/Stunde !

➢ Alarmierung via Tel 144, ausser bei rasch und komplett

regredienten Symptomen

➢ keine «blinde» Gabe von Aspirine u/o Antihypertensiva!

Infarktkern = definitiv

zerstörte Hirnzellen

Penumbra = potentiell zu

rettende Hirnzellen

«Time is brain» – auch bei TIA!

Rothwell PM et al, Lancet 2007

Evaluation und Beginn

einer adäquaten

Sekundärprävention in

24h statt 72 h!

➢Hospitalisation wenn möglich in einer Stroke Unit/Center

− TIA < 72h

− erhöhtes Rezidivrisiko (ABCD-3I > 3)

TIA – Rezidivrisiko

*Score ABCD3-I

Age ≥60 ans 1

Blood pressure ≥140/90Hg 1

Clinique

- Dysphasie 1

- Parésie 2

Durée

- 10-59 min. 1

- ≥ 60 min. 2

Diabète 1

Double AIT 2

Imagerie

- Sténose > 50% 2

- Lésion parenchyme

au CT, CTP, ou DWI 2

Adapté de Merwick, LancetNeurol 2010

Spezialabteilungen für Hirnschlagpatienten

➢schweizweites Versorgungsnetz bestehend aus Stroke

Centers mit maximaler technischer Plattform, welche mit

spezialisierten Stroke Units zusammenarbeiten

➢erlauben eine möglichst rasche, der Situation angepasste

und kompetente Abklärung und Therapieeinleitung

Stroke Centers

Stroke Units

«Time is Brain» – Fast track CVI am HFR Freiburg

Fast Track CVI

• Patientenvorankündigung an das Stroke Team ( Neurologe,

Notfallmediziner, Radiologe und ev. Intensivmediziner)

➢sofortige klinische Untersuchung, EKG, Blutentnahme

bei Ankunft auf der Notfallstation

Notfall-CT «Time is Brain»

═ CT nativ und mit KM, zusätzlich Angio-CT mti

Perfusionskarten

– im Durchschnitt innert 20 min nach Ankunft in der Notfall-

station («Door-to-CT time»)

• ev. dense artery sign

bei Gefässthrombus

• Ausschluss von Blutung

und Raumforderung

• Stenose der prä- oder

intracerebralen Gefässe?

CT Perfusionskarten

➢grosse, potentiell rettbare Penumbra!

CT Perfusionskarten

➢keine relevante Penumbra !

Intravenöse Thrombolyse bei ischämischem CVI

• rt-PA (= Aktilyse®) 0.9 mg/kg - 10% als Bolus, 90 %

intravenöse Infusion über 1 h

• bis 4.5 h (6h) nach Symptombeginn

• Kontraindikationen

– therapeutische Antikoagulation, BD > 185/110mmHg trotz Medi

– SS und Wochenbett, kürzliche Operation/GIT-Blutung/SHT

– Aortenaneurysma, Vd auf Endokarditis

– schwere Elektrolytstörungen, Thrombozytopenie

Intravenöse Thrombolyse – keine Kontraindikation:

− St. n. intrakranieller Blutung mit behandelter Blutungsquelle

(p.ex. geklipptes Aneurysma)

− Doppelte Plättchenhemmung (ausser Ticagrelor)

− Extrakranielle Gefässdissektion

− keine obere Altersgrenze

Endovaskuläre Behandlung im Stroke Center

• cerebrale Angiographie mit mechanischer Thrombektomie

• bei proximalen Gefässverschlüssen innert 8 h (-24h) nach

Symptombeginn

• auch bei therapeutischer Antikoagulation, postoperativ und

im Wochenbett durchführbar (SS in Einzelfällen)

Synopsis: Akutbehandlung ischämisches CVI

Thrombolyse rtPA

Endovaskuläre Therapie (EVT) bei prox. Verschluss

4.5 - 8 Stunden

EVT *

ausnahmsweise * nach Aufklärung

8 - 24 Stunden0 - 4.5 Stunden

* Entsprechend radiologischer Kriterien

Nach einer TIA/CVI….

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- Bildgebung der hirnversorgenden Gefässe

(Doppler, angio-MRI oder angio-CT)

– EKG, Thoraxröntgen

– Hotler-EKG, ev. R-Test

– Echokardiographie

– Suche nach kvRF: Tabak, Alkohol, Pille

– Blutuntersuchung: Routine, HbA1c, Lipide

– Cerebrale Bildgebung

(va MRI)

Mumenthaler, Mattle

Thieme 2002

Ursachenabklärung

Sekundärprophylaxe - Lebensstil

verboten massvoll viel

wenig reichlich

Sekundärprophylaxe - Medikamente

• Antihypertensiva, Statine, anti-Diabetika nach Bedarf

• Aspirine cardio 100mg/ jour

– bei geringem vaskulärem Risikoprofil (kvRF)

• Clopidogrel 75 mg/j oder Asasantine 2x 1cp/j

– bei Makro- oder Microangiopathique mit kvRF +++

• Clopidogrel & Aspirine cardio (für 1-3 Monate!)

– ulzerierte Plaques, Stenosen der hirnversorgenden Gefässe

– begleitend akutes Koronarsyndrom, kardialer Stent ….

• Orale Antikoagulation

– bei kardialer CVI-Ursache (z.B. Vorhoffflimmern)

– Hirnvenenthrombosen (6-12 Monat)

Sekundärprophylaxe - Eingriffe

• Carotisendarteriektomie bei

symptomatischer Stenose > 70%

– idealerweise 3-5 Tage nach CVI

• Stenting zu erwägen bei symptomatischer

Stenose > 70% et inoperablem Patient

• Verschluss eines offenen Foramen ovale

(PFO-Verschluss)

– PFO bei 25% der Bevölkerung vorhanden…..

– vor allem bei jungeren Patienten mit hohem

RoPE Score > PFO als CVI-Ursache

wahrscheinlich

Hämorrhagische Transformation

− ohne Thrombolyse < 1%

− Thrombolyse, < 55ans: 4.9%

− Thrombolyse, > 75 ans: 10.3%

Sekundäre Einblutung/Massenblutung

− deutliche Zunahme des neurologischen

Defizites

− Hirndruckzeichen (Kopfschmerzen,

Eintrübung, Pupillenasymmetrie

− Erbrechen, Hypertension und

Bradykardie

➢ vitaler Notfall „Einklemmungsgefahr“!

Komplikationen nach CVI

Maligner Hirninfarkt

• ausgedehntes ischämisches CVI nach

proximalem Gefässverschluss

➢ Infarktzone + zunehmendes Umgebungsödem

überschreitet den zur Verfügung stehenden

intrakraniellen Raum

➢ Einklemmungsgefahr, meist 2-3 Tage nach bei

PatientInnen < 60-70 ans

➢ Notfalltherapie: Kraniektomie

− erlaubt ein Überleben mit meist jedoch erheblichen

neurologischen Defiziten aufgrund des Infarktgebietes

Epileptische Anfälle nach CVI

• betrifft ~ 10% der PatientInnen nach CVI (ischämische oder

hämorragische «Narbe»)

A. Fokale Anfälle mit oder ohne Bewusstseinsstörung

➢ versch. Symptome

je nach Lokalisation

➢ meist kurze Dauer

von 1-2 min

➢ ev. subtile, aber

stereotype

Symptome

DD: RezidivTIA/CVI,

Synkope, Verwirrt-

heitszustand

Epileptische Anfälle nach CVI

B. sekundär generalisierte = tonisch-klonische Anfälle

− ev. nach anfänglich fokalem Anfall

− ev. Initialschrei, stertoröse Atmung, Zyanose

− Zungenbiss, Urin-/Stuhlabgang

− Risiko für Sturz/Trauma, Hypoxie!

➢EEG während des Anfalles

zeigt generalisierte

epileptische Entladungen,

welche aber im später

aufgezeichneten EEG nicht

unbeding vorhanden sind

Konsequenzen epileptischer Anfälle

• meist langfristige Therapie mit Antiepileptika nötig

– zusätzliche Medikamente mit möglichen Interaktionen und

Nebenwirkungen

• Fahrverbot während mehrerer Monate

• Einschränkungen im Berufsleben

– z.B. kein Arbeiten in der Höhe, als Chauffeur etc…..

• Einschränkungen im Privatleben

– Stigmatisierung, Angst vor Rezidiven

– Einschränkung bei Hobbies (z.B. Klettern, Schwimmen……)

Mögliche Langzeitfolgen nach Schlaganfall

• bleibende Ausfälle bzw. früher Tod

– Lähmungen, Sensibilitätsstörungen

– Sprachstörungen, Schluckstörungen

– Sehstörungen

– Inkontinenz

• Schmerzen

– durch steife Lähmung, Fehlbelastung der anderen Gelenke

• abnorme Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen

• Depression

• epileptische Anfälle

Frührehabilitation nach Stroke

• AVERT: sehr frühe Mobilisation

(< 24h) mit negativem Effekt !

• insgesamt schlechte Studienlage,

aber meist kein langfristiger

«neurologischer» Gewinn durch frühe

Mobilisation in den Folgestudien

• individuell kritisches Zeitfenster für

die motorische Frührehabilitation?

• obere Extremität: restraining der

gesunden Seite vs Stimulation der

kranken Seite?

• Zeitpunkt und Therapieregime bei

Schluckstörung und Aphasie unklarAVERT Trial 2015

(Früh-) Rehabilitation nach Stroke

➢ Stroke-Unit: rasche Intervention innert max. 24h (Physio) bzw.

innert max. 2 Arbeitstagen (Ergo, Neuropsychologie/Logopädie

Angststörung und Depression

• 30-50% im ersten Jahr nach Stroke

• z.T. erschwerte Diagnose (Aphasie,

kognitive Defizite, Neglect)

– funktionelle Erholung ↓

– Schmerzen ↑

– Fatigue ↑

– return to work (RTW) ↓

Medlin FM et al, in prep

Teamwork

...interdisziplinär und interprofessionell ...

… als wichtigste Grundlage für eine optimale

Betreuung von HirnschlagpatientInnen!

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