View
1
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Konsum: Zwischen Egoismus und Verantwortung
Vortrag im Rahmen der
Hochschultage für NachhaltigkeitUniversität Potsdam
am 6. November 2013
Ingo BalderjahnUniversität Potsdam
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 2
Welches sind die Konsequenzen individueller
Lebens‐ und Konsumstile?
Ökologische Konsequenzen des Konsums:Der ökologische Fußabdruck der Weltgemeinschaft
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 3
Heute benötigt die Weltbevölkerung zusammen schon eineinhalb Erden, um den eigenen
Verbrauch nachhaltig zu decken.
Quelle: www.footprintnetwok.org
Verbrauch an Hektar pro Kopfnutzbare Hektar pro Kopf
≤ 1 (Nachhaltigkeit)
Der ökologische Fußabdruck für Deutschland seit 1961
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 4
Ressourcen
Verbrauch
Globale Hektar pro Kopf (Ecological Footprint) und Rohstoffversorgung (Biocapacity) in Deutschland seit 1961.
Quelle: Global Footprint Network 2003‐2009
Verbrauch an Hektar pro Kopfnutzbare Hektar pro Kopf = 2,5
Absatz von Smartphones weltweit in Millionen Stück
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 5
* Prognose
Hyperkonsum (Overconsumption)!
Soziale Konsequenzen des Konsums
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 6
(Un)Faire Arbeitsbedingungen!?
„Sweatshops“
Schlagzeilen (Auswahl)
250 indische Arbeiter müssen ins Krankenhaus
Todesfall nach wochenlanger Nachtschicht
Elfter Selbstmord bei iPhone‐Hersteller
Juristen reichen Hungerlohn‐Klage gegen Lidl ein.
Bangladesch: Erneut Tote bei Feuer in Textilfabrik (Spiegel Online, 9. Oktober 2013)
Kik‐Beschäftigte klagen über katastrophale Zustände
13.10.2013
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 7
Wer trägt die Verantwortung dafür?
Die Länder, Staaten, die Regierungen?
Die Wirtschaft?
Die Konzerne?
Der Handel?
Der Konsument?
Was ist Verantwortung?
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 8
Verantwortung
Unter Verantwortung versteht man die freiwillige, erwartete oder erzwungene
Rechtfertigung einer Entscheidung oder einer Handlung eines
Verantwortungsträgers vor einer Instanz („Ver‐Antwortung“).
Persönliche Verantwortung
Verantwortung entsteht dann, wenn eine Person für ihre Entscheidungen und
deren Konsequenzen für bestimmte Adressaten (u.a. die Umwelt, der Familie)
gegenüber der Gesellschaft, Freunden oder dem eigenen Gewissen (Instanzen)
zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Die Verantwortung des Konsumenten
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 9
Konsument
Instanzen Standard
Individuelle Entscheidung über die Verbindlichkeit und den Umfang
der Verantwortungsübernahme für einzelne Adressaten
setzen Standards
müssen sich rechtfertigen
EntscheidungenVerhalten
sollen das Handeln leiten
Erwartungen an das Individuum
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 10
Was ist ein verantwortungsbewusster Konsum?
Konsumstandards
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 11
Moralische Standards
Die Moral stellt dem Individuum soziale Regeln zur Verfügung, die ihm als Orientierungshilfe bei Entscheidungen dienen und als Maßstäbe dafür herangezogen werden können, zu beurteilen, was gut und richtig ist.
Prinzip der Generationengerechtigkeit (Nachhaltigkeit)
Dieses Prinzip formuliert die Erwartung an den Konsumenten, seine Bedürfnisse so zu befriedigen, dass die Lebens‐, Gestaltungs‐ und Konsumchancen zukünftiger Generationen dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Nachhaltiger Konsum
Die Motivation zum nachhaltigen Konsum speist sich aus der Anerkennung einer moralischen Verpflichtung durch den Konsumenten, einen eigenen Beitrag für das Wohl zukünftiger Generationen zu leisten.
Egoistischer und ethischer Konsum
Ethischer Konsum(Obligation for Others)
Sozialer/ fairer
Konsum
Ökologi‐scher
Konsum
Egoistischer Konsum(Obligation for Myself)
Konsum
Tierschüt‐zenderKonsum
Genüg‐samerKonsum
Über‐konsum
Lebensnot‐wendigerKonsum
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 12
Nachhaltiger Konsum (Obligation for future Generations)
„Ich“ „Andere“
Nachhaltiges Produkt‐ ethischer Zusatznutzen ‐
Ökologische und soziale Produktattribute als Kaufkriterien
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 13
Kernprodukt‐Grundnutzen‐
FairesProdukt
Umwelt‐verträglichesProdukt
Aktuelles Produkt(z.B. Marke, Design)
‐ psychologischer Zusatznutzen ‐
… …
Formen umweltverträglichen Konsums
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 14
Energie‐verbrauch Mobilität Konsumgüter Recycling
Konsumoptionen sehr unterschiedlich
Umweltschutz steht nicht mehr auf der „Tagesordnung“
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 15
Im „Sorgenranking“ der GfK nimmt der Umweltschutz nur den 6. Platz ein (nach Arbeitslosigkeit, Preisentwicklung, wirtschaftliche Stabilität, Politik und Altersversorgung).
GfK Global Green Index4. Quartal 2011Umweltbewusstsein
Die Wertschätzung für ökologische Produktqualitäten ist aktuell eher gering!
GfK Verein „Challenges of Europe“ 2012 (2.077 Befragte): www.gfk‐compact.com
Fairer Konsum:
Konsumieren fürfaire Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit
Sozialer Konsum
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 16
PhilanthropischerKonsum:
Konsumieren für einenguten Zweck
Politischer Konsum:
Konsum als politisches Instrument
drei sehr unterschiedliche Konsumoptionen
Cause‐related Marketing Menschenrechte einhalten Arbeitsstandards einhalten Keine Kinder‐ und Zwangsarbeit Keine Diskriminierung /
Disziplinierung Faire Entlohnung
Konsumboykott gegen „Umweltsünder & Sweatshops“
Fairer Konsum entwickelt sich gut!
Prof. Dr. Ingo Balderjahn
Deutschland: In 36.000 Lebensmittelgeschäften, Supermärkten und Discountern werden ca. 1.000
Produkte, davon 83% Lebensmittel, angeboten (darunter Aldi Süd, Darboven, Mövenpick, Tchibo).
77% kennen in Deutschland das Fairtrade‐Siegel und 93% davon halten es für vertrauenswürdig.
2012 Umsatz in Deutschland 533 Mio. €, ca. 33% Wachstum zu 2011 Größtes Wachstum bei Kaffee, Bananen und Blumen, dennoch weiterhin
Nischenmärkte (Deutschland): Blumen 6,8%, Bananen 2,1%, Kaffee knapp 2%
Weltweit: Weltweiter Umsatz 2011 4,9 Mrd. € Durchschnittliches weltweites Wachstum 12% (zu 2010)
Quelle: www.fairtrade‐deutschland.de/produkte/absatz‐fairtrade‐produkte.html und Forum Fairer Handel
Quelle: Fairtrade International: www.fairtrade.net
Soziale Produktqualitäten sind bisher nur in Nischenmärkten wichtig!
17
Genügsamer Konsumstil
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 18
FreiwilligeKonsum‐
einschränkungen
Schuldenfreier Konsum
Voluntary simplicity (Downshifting) Simple living Collaborative consumption (Sharing Economy) Anti‐Consumption/Non‐Consumption
Kollaborativer Konsum
(teilen anstatt besitzen)
Ein maßvoller, nicht übertriebener, zwangloser und besonnener Konsum als Ausdruck einer persönlichen Identität bzw. eines Lebensstils.
Nachhaltige Konsumoptionen im Überblick
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 19
Grüne Produkte
(Green Consumption)
FaireProdukte
(Fair Consumption)
(Low‐key Consumption)
WenigerProdukte
Boycott
Buycott
Alltägliche Konsumaktivitäten
Kauf von Produkten von verantwortungs‐bewussten Firmen
Außergewöhnliche Konsumaktivitäten
Boykott von Firmen mit unethischen
Praktiken
20
Warum sind nachhaltige Konsumstile eher selten?
Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit,
zwischen bekundetem und tatsächlichem Verhalten.
Das Dilemma zwischen Egoismus und Verantwortung:Die Nutzenbilanz
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 21
Egoistischer Nutzen? Ethischer Nutzen?
Nachhaltiger Konsum im Dilemma …
NachhaltigerNutzen
Kosten
+
persönlicherNutzen
Kosten(Preis)
‐?
Was wiegt mehr? Egoismus oder Verantwortung?
Kaufentscheidungskriterien: Preis contra Nachhaltigkeit
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 22
Quelle: UBA: Umweltbewusstsein in Deutschland 2012
Kriterien für die Auswahl von Lebensmitteln günstiger Preis 44% fair gehandelte Produkte 8% Bio‐Produkte 6%
… von Autos günstiger Preis 51% umweltfreundliche Technik 15%
... von Fernreisen günstiger Preis: 72% Umwelt‐ und Klimaschutz 9%
… von Möbeleinrichtungen günstiger Preis 86% umweltgerechte Waldbewirtschaftung 7% sozialgerechte Produktionsbedingungen 1%
Kriterien der Kaufentscheidung
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 23
Quelle: Esch/Brunner: Schein und Sein, Wirtschaftswoche Nr. 50 vom 7.12.2009, S. 40
Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte: Europa
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 24
2923 23
17 14 13 820
4142 37
3449 49
37
42
27 3537
4735 32
48
35
3 2 6 7 42
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Schweiz Österreich Italien Spanien Deutschland Frankreich England Europa
Ich mag/kaufe keine umweltfreundlichen Produkte.Ich kaufe immer die kostengünstigste Alternative.Ich bevorzuge umweltfreundliche Produkte, sie sind mir aber zu teuerIch kaufe die umweltfreundliche Option, auch wenn sie teurer ist.
Quelle: Nielsen Global Survey Q1‐2011
Wenn Sie überlegen, ein umweltfreundliches Produkt im Supermarkt oder bei einem Einzelhändler zu kaufen, welche Aussage trifft am ehesten auf Sie zu?
.
Die „Verhaltenslücke“
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 25
Sehr starke Bereitschaft, einen Aufpreis zu zahlen für …
2008 2010
umweltverträgliche Produkte: 5% 5%
fair gehandelte Produkte: 10% 8%
Quelle: Umweltbundesamt: Umweltbewusstsein 2008, 2010, repräsentative Studien ca. 2.000 Befragte
Zwischen der bekundenden und der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft
klafft eine (riesen) große Lücke.
Werte fördern/bremsen verantwortungsbewussten Konsum
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 26
Universalism: Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz sind hier die motivationalen Treiber des Verhaltens. Leitbild: Alle Menschen sollen fair behandelt werden.
Self‐direction: Freiheit, Unabhängigkeit, eigene Ziele verfolgen. Leitbild: Handle selbstbestimmt.
Grundlage: The Schwartz Value Survey
Diese Werte fördern:
Power: Wohlstand, Macht und soziale Anerkennung. Leitbild: Macht und Kontrolle über andere haben.
Achievement: Leistung und persönlicher Erfolg. Leitbild: Beindrucke andere mit deiner Kompetenz.
Diese Werte bremsen:
Potenzial und Anteil verantwortungsbewusster Konsumenten
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 27
Massenmarkt 100%
„Lippenbekenntnisse“20%
40%
Desinteresse
< 5%kaufen
Empfindung einer moralischen Verpflichtungmiss‐trauen
Ver‐trauenMarktpotenzial
Marktanteil
Prof. Dr. Ingo Balderjahn 28
Vielen Dank!
Recommended