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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
DOGMATIK
Grundkurs I: Christus in Auseinandersetzung
um Heil und Wahrheit
SS 10
o. Univ.-Prof. Hw. Dr. Józef Niewiadomski
Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
Inhaltsverzeichnis
0 PROLEGOMENA ........................................................................................................................................ 1
1 DAS INNSBRUCKER MODELL ZUR DEUTUNG DER AUSEINANDERSETZUNG UM HEIL
UND WAHRHEIT: DARSTELLUNG DES 5-AKTE-HEILSDRAMA ........................................................... 2
1.1 INHALTLICHER RAHMEN ZUR EINORDNUNG VON LEBENS- UND GLAUBENSGESCHICHTEN: DER RAHMEN
DES CHRISTLICHEN GLAUBENSBEKENNTNISSES UND AUCH DES DOGMAS ........................................................... 2 1.1.1 Problem der Reduktion dieser Botschaft und Auflösung ................................................................... 2 1.1.2 die entscheidenden Fragen ................................................................................................................ 3
1.2 DAS THEOLOGISCHE DILEMMA DER LETZTEN JAHRZEHNTE .................................................................... 3 Exkurs ............................................................................................................................................................. 3
1.3 DAS DRAMA JESU ................................................................................................................................... 4 1.3.1 erster Akt: Basileiabotschaft ............................................................................................................. 4 1.3.2 zweiter Akt: Gericht als Selbstgericht ............................................................................................... 6 1.3.3 dritter Akt: Transformation der Gerichtsbotschaft im Kreuzesgeschehen ........................................ 8 1.3.4 vierter Akt: österliches Urteil des Vaters ........................................................................................ 11 1.3.5 fünfter Akt: die Erfahrung des Hl. Geistes ...................................................................................... 12 1.3.6 Zusammenfassung der Bedeutung der Akte ..................................................................................... 13
1.4 CHRISTOLOGISCHES DRAMA ALS VERDICHTUNG DES BIBLISCHEN RINGENS UM HEIL UND WAHRHEIT 13 1.4.1 Struktur der dramatischen Geschichte zwischen Jhwh und seinem Volk ........................................ 13 1.4.2 Heils- und Wahrheitsfrage .............................................................................................................. 14 1.4.3 Verhältnis von AT zu NT ................................................................................................................. 15 1.4.4 Verhältnis von Monotheismus und Trinitätslehre ........................................................................... 16 1.4.5 Substitutionsthese – illegitime Auflösung des dramatischen Ringens zu einer statischen Klarheit. 16
2 DOGMENGESCHICHTLICHE PRÄZISIERUNG DES CHRISTOLOGISCHEN DRAMAS IN
DER JEWEILIGEN GEGENWART ................................................................................................................ 17
2.1 DAS RINGEN UM WAHRHEIT DES EINEN GOTTES .................................................................................. 17 2.1.1 der zornige oder der liebende Gott ................................................................................................. 17 2.1.2 Irenäus von Lyon und die Auslegungsmethoden ............................................................................. 19 2.1.3 Rückgewinnung der dramatischen Perspektive durch Martin Luther ............................................. 20
2.2 DER EINSAME ODER KOMMUNIKATIVE GOTT: BEGRIFFLICHE PRÄZISIERUNG IM KONFLIKTIVEN PROZESS
21 2.2.1 mittelplatonische und stoische Logoslehre ...................................................................................... 21 2.2.2 das Konzil von Nizäa 325 (NR 155f) ............................................................................................... 23 2.2.3 der Kampf um das Konzil ................................................................................................................ 24 2.2.4 Integrationsfigur: Athanasius von Alexandrien .............................................................................. 24 2.2.5 die subordinatianistische Logik der Pneumatomachen (Geistbekämpfer) ...................................... 26 2.2.6 Konstantinopel I 381 (NR 250) ....................................................................................................... 26 2.2.7 Identität und Differenz .................................................................................................................... 26
2.3 DAS RINGEN UM DIE WAHRHEIT DES EINEN GOTT-MENSCHEN: BEGRIFFLICHE PRÄZISIERUNG IM
KONFLIKTIVEN PROZESS .................................................................................................................................... 27 2.3.1 alexandrinische vs. antiochenische Tradition: Einheit in Christus aus der Perspektive des
göttlichen (fleischgewordenen) Logos vs. Unterschied im Christus (Eigenwert menschlicher Seele Christi)
28 2.3.1.1 Apollinaris und das Konzil von Ephesus 431 (NR 158f) ........................................................................ 28
2.3.2 der unglückliche Vermittler Nestorius im Streit der Priester/Mönche und der Eifer des Cyrill von
Alexandrien .................................................................................................................................................. 29 2.3.3 Konzil von Ephesus 431 (NR 160-163, 167, 172) ............................................................................ 30
2.3.3.1 polemische Dogmatisierung in Ephesus ................................................................................................. 30 2.3.3.2 Eutyches und die Räubersynode 449 ...................................................................................................... 31
2.3.4 geglückte Vermittlung aus Rom: Papst Leo I. (NR 173-177) .......................................................... 31 2.3.5 Chalcedonisches Wunder 451 (NR 178) .......................................................................................... 32 2.3.6 der Monophysitismus und die Faszination des Mythos – II. Konstantinopoletanum (NR 183f, 186)
34 2.3.7 Einigungsversuche angesichts des voranschreitenden Islams......................................................... 35 2.3.8 Entmythologisierung durch Maximus Confessor ............................................................................ 36 2.3.9 III. Konstantinopoletanum............................................................................................................... 37
2.4 DAS CHRISTOLOGISCHE DRAMA IN DER GEGENWART ........................................................................... 37
Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
3 DOGMENGESCHICHTLICHE PRÄZISIERUNG DER FRAGE NACH DEM HEIL ODER DIE
WAHRHEIT DES KREUZES ........................................................................................................................... 39
EINSTIEG: ZUR EIGENGESETZLICHKEIT DER PROJEKTIONSMECHANISMEN ......................................................... 39 Exkurs: mimetische Gesetzmäßigkeiten bei der Kultivierung der profundior et universalior appetitio ....... 39
3.1 RELEVANZ ALTKIRCHLICHER MOTIVE: ERLÖSUNG ALS BEFREIUNG VON DER MACHT DES TEUFELS ... 41 3.1.1 der Satan in der biblischen Tradition .............................................................................................. 41 3.1.2 patristische Lehre ............................................................................................................................ 42 3.1.3 Systematik: zum Wesen des diabolos ............................................................................................... 42
3.2 RELEVANZ ALTKIRCHLICHER MOTIVE: STERBLICHKEIT UND DAS VERGEHEN ..................................... 46 3.2.1 Über die Menschwerdung des Wortes Gottes.................................................................................. 46
3.2.1.1 Sünde ist Abwendung vom Logos und Zuwendung zum Nichts ............................................................ 46 3.2.1.2 Folgen der Sünde .................................................................................................................................... 46 3.2.1.3 Menschwerdung des Logos (Analyse der Rettung) ................................................................................ 47 3.2.1.4 soteriologisches Paradigma .................................................................................................................... 48 3.2.1.5 Martyrium der Christen .......................................................................................................................... 48
3.3 RELEVANZ MITTELALTERLICHE MOTIVE: STREIT UM HEIL UND WAHRHEIT ........................................ 48 3.3.1 Wiederherstellung der rechten Ordnung durch Satisfaktion ........................................................... 48
3.3.1.1 Einheit vom Glaubensprimat und Vernunftvertrauen ............................................................................. 48 3.3.1.2 Notwendige Gründe für die Menschwerdung ......................................................................................... 49 3.3.1.3 satisfactio ................................................................................................................................................ 49 3.3.1.4 tesaurus ecclesiae (der Gnadenschatz der Kirche) .................................................................................. 50 3.3.1.5 Wahrheit des Heils ................................................................................................................................. 51
3.4 RELEVANZ MITTELALTERLICHER MOTIVE: DIE ANTWORT AUF DEN GOTT DES ZORNS: LUTHER .......... 51 3.4.1 erkenntnistheoretischer Horizont .................................................................................................... 52
3.4.1.1 Erlösungskonzept ................................................................................................................................... 52 3.4.1.2 Einheit der Schrift vom Christusgeschehen ............................................................................................ 52 3.4.1.3 Logik einer sich immer mehr intensivierenden Identifizierung Gottes mit den Menschen vs. radikales
Zurückdrängen menschlicher Freiheit ........................................................................................................................ 53 3.4.1.4 deus absconditus (verborgen) vs. deus revelatus (offenbarend) .............................................................. 53 3.4.1.5 Folgen des Kampfes für den Menschen: simul iustus et peccator .......................................................... 54 3.4.1.6 Wahrheit des Heils ................................................................................................................................. 54
3.5 MODERNE ABLEHNUNG DER WAHRHEIT DES KREUZES ........................................................................ 55 3.5.1 Infragestellung der Stellvertretung im Kontext des Autonomiedenkens .......................................... 55
3.5.1.1 Versagen rationalistischer Theologien im Kontext der Kriege des 20. Jahrhunderts .............................. 56 3.5.1.2 liberale „Abschaffung“ des Opfers, Opferkritik in der katholischen Theologie ..................................... 56 3.5.1.3 Suspendierung der Wahrheitsfrage (gerade im Kontext von Leid) ......................................................... 56
3.6 RADIKALISIERUNG DER ERKENNTNIS DER WAHRHEIT DES KREUZES IN DER THEOLOGIE DES 20.
JAHRHUNDERTS: KREUZ ALS ERLÖSUNG VON DER HÖLLE ................................................................................ 57 3.6.1 Karl Barths Kritik an den Extremen ................................................................................................ 57
3.6.1.1 Gnadenwahl durch Gott .......................................................................................................................... 58 3.6.1.2 Widerspruch in Gott ............................................................................................................................... 59
3.6.2 Hans Urs von Balthasar: Kritik an der gängigen Denkform der Theologie ................................... 60 3.6.2.1 Unterwanderung der Sünde durch Gott, „Theologie der drei Tage“ ....................................................... 61
4 TRINITARISCHE LIEBE ALS BEDINGUNG DER ERLÖSUNG VON DER HÖLLE (ZUR
FRAGE NACH DER IDENTITÄT VON HEIL UND WAHRHEIT) ............................................................ 63
4.1 RÜCKGRIFF AUF DIE FRAGE: DER EINSAME ODER KOMMUNIKATIVE GOTT ........................................... 64 4.1.1 Augustinus ....................................................................................................................................... 65 4.1.2 Präzisierung des Personenbegriffes durch Richard von St. Victor ................................................. 65
4.1.2.1 Plausibilität des Trinitätsdogmas aufgrund der Analyse mitmenschlicher Erfahrungen der Liebe: amor
mutuus ↔ condilectio ................................................................................................................................................ 66 4.1.2.2 beinhaltet diese Liebe auch die Erfahrung des Liedes? .......................................................................... 66
4.2 TRADITIONELLE UNTERSCHEIDUNGEN ................................................................................................. 67
5 GASTVORTRAG: AUF DEN SPUREN VON MATTEO RICCI: EIN BLICK IN DIE
WERKSTATT DER CHRISTLICH-CHINESISCHEN THEOLOGIE, VON P. ALOISIUS GUTHEINZ
SJ 68
5.1 AUF DEN SPUREN VON MATTEO RICCI (* 6.10.1552 † 11.5.1610) ........................................................ 68 5.1.1 die Geschichte des Christentums in China in fünf Phasen .............................................................. 68 5.1.2 die Pionierarbeit von Matteo Ricci: Grenzgänger zwischen Kulturen ............................................ 69
5.1.2.1 „Über die Freundschaft“ – der Weg des Menschen ................................................................................ 69 5.1.2.2 „Die wahre Idee Gottes“ – ein präevangelischer Dialog mit Konfuzianern ............................................ 69
5.1.3 drei Wahrheiten ............................................................................................................................... 70 5.2 EIN BLICK IN DIE WERKSTATT DER CHRISTLICH-CHINESISCHEN THEOLOGIE ........................................ 70
Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck
nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito
5.2.1 Was ist bereits geschaffen? ............................................................................................................. 70 5.2.1.1 die Glaubensreflexion in der chinesischen Welt (Taiwan, China, Hongkong, Macao, …) ..................... 70 5.2.1.2 Die Theologie der theologischen Fakultäten (katholisch und protestantisch) ......................................... 70
5.2.2 Schwerpunkte heutiger christlich-chinesischer Theologie .............................................................. 71 5.2.2.1 Theologie im Kontext des Konfuzianismus und Daoismus: „Einheitskategorie“ und „Yin-Yang-He“
Theologie, mit konkreten theologischen Folgerungen ............................................................................................... 71 5.2.2.2 Theologie im sozio-politischen Kontext: „Homeland Theology“ (Taiwan) und „Theologie der
Lebensqualität“ (ökumenische TARGTI Studiengruppe) .......................................................................................... 71 5.2.3 vier Projekte der „Fu Jen Theological Publications Association“ (seit 1969) ............................... 72
5.2.3.1 das „Theological Dictionary“ (1985-1996): 712 Artikel, von 26 Theologen .......................................... 72 5.2.3.2 das „Theological Lexion“ (1996-2005): Terms and Persons .................................................................. 72 5.2.3.3 „Denzinger” (2005-2010): 43. Auflage, mit protestantischen Credos im Anhang .................................. 72 5.2.3.4 eine „Ein-Band-Bibelenzyklopädie“ (2010-2015): Was ist die Bibel? ................................................... 73
Dogmatik I
- 1 -
0 Prolegomena - zur Prüfung: da die neue Studienordnung leitgebend ist, sind auch die meisten der alten
Studienordnung Nutznießer
o die Zusatzliteratur muss nicht sein (da man ja nur die wenigeren ECTS angerechnet
bekommt), aber Athanasius muss sein
- Athanasius: über die Menschwerdung des Logos
- Dogmen sind Grenzsteine, sie zeigen Wege
- der Logos ist eines Wesens mit dem Vater
o aufgrund der Erfahrung mit Christus wissen wir etwas über Gott, er ist im Grunde –
philosophisch gesprochen – differenziert
o er ist desselben Wesens mit dem Vater
- Jesus ist wahrer Gott und wahrer Mensch
o nicht Vermischung
o authentisch Mensch und authentisch Gott – unvermischt
- das christologische Bekenntnis, Christus sei wahrer Gott und wahrer Mensch; weil es als
Dogma qualifiziert wird, wird es kulturell angefochten, weil das Dogma selbst als
einschränkend wahrgenommen wird
o die Kirche sei dogmatische Kirche, also so etwas wie ein imperialistischer Tyrann
o die Religion wird dämonisiert, die dogmatisch geprägte Religiosität wird als
fundamentalistisch hingestellt
o → fundamentalistische Religiosität ist jene, die ihren Wahrheitsanspruch mit Gewalt
durchsetzen will; hier ist der Terminus „Fundamentalismus“ sinnvoll
o die Ausweitung dieses Begriffes auf alle dogmatischen Wahrheiten bedeuten eine
Verunmöglichung eines sinnvollen Diskurses
o aber Religion wird auch banalisiert, als Konsumgut für Liebhaber
- all das ist in der Gegenwart beheimatet; wir alle fördern undogmatisches Verhalten; die
Kultivierung wurde verdrängt
o das heißt Verhalten im Grunde ohne Grundsätze
o wer Dogmen mit Engstirnigkeit verwechselt sollte Gilbert Chesterton, Ortodoxie,
lesen
o wenn wir von extremen Liberalismus reden (freies Spiel der Kräfte), dann ist das
vielmehr die Herrschaft des Starken
o Autonomie ohne soziale Absicherung, ohne minimalste Schranken ist in kürzester Zeit
ein Todesschlag
- Gegentrends sind notwendig, es muss durchaus von Leitplanken, Wegweisern oder
Schranken geredet werden
o zB Vinzenz von Lerin: Dogma wäre ein Hinweis, ein Wegweiser, verbunden mit
Wegsteinen, mit Grenzsteinen, die die Grenze eines Weges anzeigen
o heute sind wir von Dogmen oft enttäuscht, weil es den Versuch einer axiomatischen
(dh unanzweifelbar, gewiss) Dogmatik gab
war der Versuch, die Glaubenslehre analog zu einem Geometriehandbuch zu
schreiben
ausgehend davon, dass alles mit allem irgendwie verbunden wird, versuchte
man die Grundsätze von den abgeleiteten Sätzen zu unterscheiden
die Bemühung um eine Glaubenslehre, die in sich stimmig ist
aber weil sie in sich stimmig sein sollte, war sie abstrakt und fürs Leben
ungeeignet
weil die Dogmatik abstrakte Wahrheiten erzählte, gab es die spirituelle
Theologie, welche die Dogmen spirituell aufpeppelte
im Buchhandel findet man immer wieder aktualisierte Fassungen von Ott,
Grundliste der Dogmatik
o Vatikanum II hat aber Abschied von dieser Dogmatik genommen, va in Optatam
totius; der Begriff „heilsgeschichtliche Dogmatik“ wurde aufgenommen
Dogmatik I
- 2 -
orientiert an der biblischen Tradition soll das Leben des Volkes Gottes
verbunden werden mit der dogmatischen Wahrheit
kurze Zeit sah es auf den Universitäten so aus, als würde die dogmatische
Kultur aufgelöst
inzwischen geschah wohl die Rehabilitierung des Faches; es braucht diese
Fächer: Geschichten brauchen einen Rahmen, sonst sind sie blind; der
Rahmen der dogmatischen katholischen Tradition ist sehr weit, darin hat sehr
viel Platz → vom Prinzip her ist der Rahmen sehr weit, aber es gibt eben
einen Rahmen
vergleiche auch in diesem Kontext Skriptum Dogmatik III, Ausführung zu
den Bildern von Chagall unter „Prolegomena“
- Rahmen für die Geschichten der biblischen Offenbarung, für die Alltagsgeschichten, für
die Geschichten der Kulturen
o dieser Rahmen wird in IBK mit dem Prädikat „dramatisch“ versehen
o es geht um die Frage, ob Heil und Wahrheit von vornherein festgeschrieben und klar
sind; ist es nicht so in der Geschichte, dass das, was ich als Heil und Wahrheit
bezeichne, sich im Nachhinein als Unheil entpuppt, weil Täuschung, Verführung,
Verschleierung, …?
o man findet zu Heil und Wahrheit nur durch dramatische Auseinandersetzungen, wo
alles Platz haben muss
o Begreifen der systematischen Theologie: IBK versucht es zu betreiben aus der
dogmatischen Zuordnung von LG (über die Kirche) und GS (über die Kirche in der
modernen Welt)
beide sprechen von Wahrheit und Heil
va in GS wird viel davon gesprochen, dass der Mensch gespalten ist, dass
seine Situation alles andere als heil ist
zum Verständnis des Dramas: Institutsprofil der Systematik
1 das Innsbrucker Modell zur Deutung der Auseinandersetzung um Heil und Wahrheit: Darstellung des 5-Akte-Heilsdrama
1.1 inhaltlicher Rahmen zur Einordnung von Lebens- und Glaubensgeschichten: der Rahmen des christlichen Glaubensbekenntnisses und auch des Dogmas
- Gott nimmt in der Geschichte Gestalt an (in der dogmatischen Sprache: Selbstmitteilung des
dreifaltigen Gottes)
o zuerst in der Gestalt seines Sohnes, er wird Mensch, er fällt den Menschen zum
Opfer o in der Gestalt des Heiligen Geistes bleibt er wirkend in der jeweiligen Gegenwart
1.1.1 Problem der Reduktion dieser Botschaft und Auflösung
- der Rahmen um das zu deuten heißt Drama
o nicht Reduzierung auf einen Begriff: Geschichte kann nicht auf einen Begriff
reduziert werden; es geht also um Geschichte, in dieser soll Identifikation oder auch
Distanzierung erfolgen
o auch nicht Auflösung der Botschaft zu einer narrativen Logik von vielen
Geschichten
- in der Theologie der neueren Zeit (20. Jh.) wurde der Begriff Drama von Hans Urs von
Balthasar eingeführt
Dogmatik I
- 3 -
o zuerst Jesuit, der dann den Orden verließ
o sein zentrales Werk heißt „Theodrama“
o Schwager hat den Begriff aber primär von Roland Barth (französischer Strukturalist)
und übernommen als Hilfsmittel zur Deutung des Verhältnisses des Ordensgründers
Ignatius zur Kirche
- Begriffsbestimmung: die Einheit der Kirche vollzieht sich in der Begegnung von Menschen,
zwischen denen alle Momente wie in einem Drama (Entwicklung, Auseinandersetzung,
Spannung, Krise, Niederlage und letztlich Versöhnung) spielen können, ja sogar spielen
müssen
o Tragödie, Vorherbestimmung; Christentum bringt den Aspekt des Dramas; Drama ist
keine Tragödie: wie in der Tragödie gibt es Auseinandersetzung und Konflikt, den
Freiheitsaspekt
o die Dramatik ist keine Tragik sondern belebt von der sicheren Hoffnung auf die
letzte Versöhnung o wo der Mut zu dieser Dramatik fehlt und die Versöhnung vorschnell gesucht wird,
dort dürfte nicht mehr der allumfassende Geist am Wirken sein, sondern eher eine
götzenhafte Verabsolutierung sichtbarer Strukturen sich abzeichnen
1.1.2 die entscheidenden Fragen
- Welche Rollen werden mir (im Leben) aufgedrängt? Zu welchen Rollen werde ich erwählt?
Welche Rollen übernehme ich? …
- befragt man Menschen in ihrem Selbstverständnis wird man von sich als autonomer Täter
ausgehen; der autonome Täter der frei ist und aus dieser Freiheit heraus handelt
- sehr oft, wenn nicht meistens, sind wir jedoch Opfer von Zwängen, anderen Menschen,
Rationalisierungsprozessen, des Bolognaprozesses, …
- wir haben erfahren, dass wir nicht nur die Rollen wählen und uns frei für Rollen entscheiden,
sondern dass uns auch Rollen aufgedrängt werden und wir Rollen übernehmen müssen
o ob dadurch, dass wir von Krankheit heimgesucht werden, einen Unfall haben oder
Konsequenzen von irgend welchen Entscheidungen ausbaden müssen, …
- man kann unser Leben und das unserer Gesellschaft auch in den Kategorien des Dramas sehen
- in Bezug zur biblischen Botschaft:
o zu welcher Rolle wurde ich erwählt → Berufung; Gott hätte für jeden Menschen
eine unverwechselbare Rolle sich ausgedacht (nicht determiniert!)
1.2 das theologische Dilemma der letzten Jahrzehnte - Dilemma bei der Deutung des Bekenntnisses (Ansatz bei der Botschaft von der
Gottesherrschaft oder bei der kirchlichen Erlösungslehre) als Ausdruck intellektualistischer
Verkürzung der komplexen Wirklichkeit der atl und ntl Heilsgeschichte
- in den letzten Jahrzehnten ist dieses Bekenntnis von vornherein in schablonenhaften
Kategorien eingeteilt
Exkurs
- Aufklärung war von einem ungeheuren Optimismus geprägt und von der Kirchenkritik
getragen, das Christentum habe das Leben madig gemacht
o die Erde sei das Jammertal, jenseits sei das wahre Leben
- Vorwurf: Christentum vertröste auf das Jenseits
- statt dieser Vertröstung nun Fortschrittsglaube in der Geschichte; Fortschrittsglaube ersetze
den Glauben an das Heil in Jesus Christus
- diejenigen, die nicht so ohne weiteres Christentum über Bord werfen wollten, versuchten eine
Neudefinition dessen, was Christentum sein sollte und könnte:
o Immanuel Kant: als der Pate des modernen Christentums; er versucht, als Aufklärer,
die irdischen Erwartungen (Fortschritt, sittliche Vervollkommnung, …) mit der
Dogmatik I
- 4 -
Botschaft Jesu zu verbinden und bringt die epochenmachende Antwort auf die Frage
nach dem Reich Gottes: die sittliche Kraft des Reiches Gottes sei das entscheidende,
sprich das Reich Gottes ist in jedem Menschen, meine Fähigkeit zu ethischer
Anstrengung sei der entscheidende Punkt des Christentums
- Kirche auf ihre Ethik zu reduzieren ist ein neuzeitliches Phänomen, eines, dem sich der
Protestantismus fast ganz ausgeliefert hat
- auf diesem Hintergrund ist die liberale Theologie zu sehen, wie sie va im 19. Jh. aufblühte
und im 20. Jh. vollendet wurde; jene, die mit einem Werk auf den Begriff gebracht werden
kann: die Predigt Jesu vom Reiche Gottes
o Christus hat vom Reich Gottes gepredigt, seine Bergpredigt ist eine sittliche
Herausforderung für den Menschen
- der Fortschrittsglaube gerät spätestens im 20. Jh. in die Krise
o der Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde als Krise der liberalen Theologie gesehen
o Karl Barth: eine Theologie die den Krieg unterstützt muss eine falsche sein
danach begründet er eine neue Art des Theologietreibens: dialektische
Theologie
und er setzt beim Kreuz an, nicht bei der Predigt Jesu
- diese Auseinandersetzung, die im dt. Sprachraum unheimlich wichtig war, findet auf ihre Art
und Weise in der katholischen Kirche im 20. Jh. auch statt, als Auseinandersetzung zwischen
den progressiven und konservativen Kräfte (va im Konzil und danach)
- die nachkonziliaren Jahre waren davon bestimmt, wo der Schwerpunkt der christlichen
Verkündigung liege
o Progressive: Christ ist derjenige, der sich der Botschaft von Gottes Herrschaft
(Basileiabotschaft)
ging so weit, dass einzelne Systematiker sagten, das wahre Christentum finde
man nur in den Reden Jesu
o Konservative: immer wieder Erinnerung an das Opfer mit dem Kreuz
Vorwurf: Verkürzung des Christentums durch über Bord werfen des Kreuzes
1.3 das Drama Jesu - der Ernst des Rufes zur ethischen Umkehr
- hat nicht immer die notwendige Konsequenz (überhören, nicht wahrnehmen,
bekehrungsunwillig, …)
- Schwager folgert, dass das Auftreten Jesu einen qualitativen Neubeginn bringt und steht
damit in der Tradition der atl Prophetie
1.3.1 erster Akt: Basileiabotschaft
- 1. Akt: Basileiabotschaft: Botschaft der zuvorkommenden Güte allen Menschen
gegenüber o Konturen des jesuanischen Gottesbegriffes: Gottes Feindesliebe und die daraus
folgenden Konsequenzen fürs menschliche Verhalten: zuvorkommendes Verzeihen,
Ethos und Bergpredigt
- die Botschaft der zuvorkommenden Güte allen Menschen gegenüber
o Gott nimmt einen an wie man ist, egal wer man ist und was man tut und was man über
Gott denkt
o darin zeigt sich geradezu die Vollkommenheit Gottes: in der Bergpredigt sagt Jesus
deutlich, man soll vollkommen sein wie der Vater im Himmel, denn er lässt die Sonne
über Gut und Böse aufgehen → legt Gleichgültigkeit nahe, aber nein, Gott wendet
sich dem Menschen auch in dessen Versagen zu, ohne auf vorauseilende Buße zu
pochen
- der Modus der Liebe Gottes besteht in der Feindesliebe, dh Gott liebt auch den Sünder
- das ist der logische und biographische Zugang zum Glauben
Dogmatik I
- 5 -
o Diskurs über Gott und sein Verhältnis zu den Menschen setzt nicht bei
Unterscheidung gläubig-ungläubig, sündig-gerecht, … an, nein, der logische Diskurs
setzt bei der Integration/Inklusion aller Menschen an
o GS 22: Christus hat sich in seiner Menschwerdung mit allen Menschen vereinigt
o der Ansatzpunkt hier ist der universale Heilswille Gottes; Heilsuniversalismus;
Integration aller (psychologisch: Gott ist kein Konkurrent des Menschen)
- biographischer Zugang o jene Religionspädagogik die mit „pass auf“ anfängt, ein Gott der alles sieht und auch
handeln wird
o wird Gott als Konkurrent zum Menschen und zum Kind eingeführt, wird das dem
jesuanischen Gottesbegriffes nicht gerecht
- aus diesen Zugängen wird der Gottesbegriff Jesu zu schärfen sein
o ein toleranter Gott, dessen Toleranz eine qualitative ist (keine laissez-faire-Toleranz –
Gott ist ein schlechter Fundamentalist)
o was das soll: die jesuanische Pädagogik ist im Unterschied zur prophetischen eine,
die nicht mit Angst arbeitet; die Beziehung wird von ihm her geknüpft und die
Folge dieser Beziehung müsste eigentlich die Aufnahme der Beziehung sein
→ weil ich dich beschenke und weil mein Schenken dir gegenüber dich
kontinuierlich verwandelt, wirst du irgendwann auch selber dazu fähig sein,
dass du schenkst; weil ich dich liebe, müsste meine Liebe dich verwandeln,
sodass du selber liebensfähig bist; weil ich dir bedingungslos vergeben habe,
müsstest du auch dazu fähig sein
man denke an das Gleichnis, wo ein Herr einen Schuldner trifft und die
Schulden verlangt, der Herr aber lässt ihm die Schuld nach weil der nicht
zahlen kann; dann trifft der dem vergeben wurde einen, der ihm weniger
schuldet, den aber wirft er ins Gefängnis und peinigt ihn
o Inklusion soll wachsen
o das Vertrauen, die Zuneigung, das Gute, … pflanzt sich fort
- auf diesem Hintergrund der Ethos der Bergpredigt: Menschen die erfahren haben, dass sie so
von Gott begnadet, angenommen und geliebt werden sollen das weiterschenken
o nach außen mag das nach Verzicht aussehen
o der Hinweis auf das Gleichnis mit dem, der die Schuld nicht nachlässt zeigt deutlich,
dass die jesuanische Gottesverkündigung und Gottespraxis, sein Zugehen auf Sünder,
nicht von Erfolg gekrönt wurde
o Jesus ist mit seiner Predigt gescheitert
o Menschen haben anders reagiert als man es voraussah: sie ließen sich nicht lieben, sie
ließen sich nicht bedingungslos vergeben
nichts ist so schwer im Leben, als die Bedingungslosigkeit zu akzeptieren
Exkurs: zum Papstbrief an die Katholiken in Irland
- die Kirche ist erneuerungsbedürftig; die Sünde in der Kirche ist gegenwärtig
- die einzig relevante Frage jetzt ist nicht mehr die Empörung, sondern wie wir mit Schuld
umgehen
o der Papst hat gesagt, wir müssen mit Schuld vor Gott und den Menschen umgehen,
auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit
o das Problem ist, ob damit die Schuldfrage geklärt wird
o wenn es einen unersetzbaren Wert des Christentums gibt, dann ist dieser Wert nicht
daraus zu ermitteln ob die Kirche eine moralische Anstalt sei oder nicht
o wenn es einen Mehrwert gibt, der durch nichts in der Gesellschaft zu ersetzen ist,
dann liegt der im Umgang mit der Schuld; und ist der nicht verständlich zu machen ist
es schlecht mit der Humanität bestellt
o denn der Umgang mit der Schuld hat mit dem Zentrum der christlichen Botschaft zu
tun
Dogmatik I
- 6 -
- Konturen des jesuanischen Gottesbegriffes → Gottes Feindesliebe und die daraus
folgenden Konsequenzen für das menschliche Verhalten: zuvorkommendes Verzeihen, Ethos
der Bergpredigt
o „Die Zeit ist erfüllt, glaubt an das Evangelium“ – was heißt das?
o ist das Evangelium ein Konsumartikel?
o transkultureller Umgang mit der Schuld: wenn ich schuldig bin und Angst vor
Strafe habe werde ich so lange wie möglich wegerklären; oder ich werden
Umkehrbemühungen zeigen, bereuen, damit mir die Schuld nachgesehen, vergeben
wird; oder ich zahle Restitution
o diese transkulturelle Konstante wird zugespitzt durch die abendländische
Aufklärungstradition, der der Religion nichts anderes als einen praktischen Wert im
Umgang mit Moralität abgewinnen konnte; der Mensch ist der einzige Täter in der
Geschichte, der sich bewusst verschulden kann, und deshalb muss er zur Rechenschaft
gezogen werden
- das zentrale Problem, das das Christentum im Kontext von Religion zu einer
Herausforderung werden lässt ist das Verhältnis Gottes zum Sünder
o der Mensch muss einen Schritt setzen, er muss erkennen, dass er etwas falsch
gemacht hat, er muss ein Opfer bringen, dann wird er von Gott anerkannt und es wird
ihm verziehen → sieht man es so, ist es schwer eine Trennung zu einem Therapeuten
zu finden
man hat sich verfehlt, man muss den ersten Schritt setzen …
diese Strategie hat immer etwas mit Schuldabschiebung und Verleumdung zu
tun (ich hätte anders handeln/sein können …)
o Jesus aber dreht das um: er verkündigt eine schon vollzogene Vergebung
o Gott vergibt bedingungslos – die Vergebung geht zeitlich und logisch der Umkehr
voraus
banal gesagt: wer etwas falsch gemacht hat wird zuerst einmal akzeptiert, es
wird das Vertrauen geschenkt (Integration), annehmen wie man ist
Akzeptanz des Menschen in seinem Versagen
o Jesus wollte die Menschen an seiner eigenen Gotteserfahrung teilhaben lassen;
überall wo Menschen bedingungslose Annahme erfahren, müsste sie zu Selbigem
befähigt werden
Zweck dessen ist, dass ich mich selber annehme wie ich bin
o das ist ein Zusammenhang, von dem unsere Gegenwart nicht genug haben kann
o wenn die Menschen sich also darauf einlassen so geschehen Wunder – ich wurde
bedingungslos angenommen und im Erlebnis dessen findet eine Umkehr/Bekehrung
statt
das transkulturelle Verhältnis: man erwartet von Anderen sie sollen sich
besser damit sie sich bessern; Jesus nimmt an damit es Konsequenzen hat
1.3.2 zweiter Akt: Gericht als Selbstgericht
- der moderne Mensch tut sich schwer mit Bedingungslosigkeit
o wie schwierig es schon ist, sich von jemanden wirklich lieben zu lassen, so wie man
ist
o Opfer sind keine besseren Menschen wenn es darum geht, menschliches
Zusammenleben zu gestalten; gerade auch weil ein Opfer ein Opfer ist, machen sie oft
gleich spiegelbildlich ihre Täter nach („Revolution fängt an ihre Kinder zu fressen.“)
o diese Tatsache lässt daran zweifeln, dass sie sich durch bedingungslose Liebe
integrieren ließen
o Und was ist mit den Jüngern? Petrus versagt schlimmer als Judas, denn Petrus hat tief
verraten – wie schnell zerreißt diese Überzeugung über eigene Stärke, eigene
Selbstgerechtigkeit
o die Botschaft der zuvorkommenden Güte, die eine konkrete Gestalt vor Augen hat
(Jesus von Nazaret), wird meistens erstmals abgelehnt
Dogmatik I
- 7 -
- die Botschaft von der bedingungslosen Anerkennung scheitert, und Jesus reagiert darauf mit
der Gerichtspredigt
o heißt das, wer nicht hören will muss fühlen?
o Ablehnung provoziert gerne Hass – ist das das Modell, das man auf Gott überträgt?
- „Apokalypse“ und „Hölle“ als Folge und Thema des zweiten Aktes
- Jesus predigt das Gericht in der vom AT vorgezeigten Linie, nämlich das Gericht ist
Selbstgericht
o Gott richtet nicht, indem er mit Gewalt die Menschen erniedrigt und den Sünder
zerstört, sondern Gott überlässt die lügnerische Menschheit der Folge ihrer eigenen
Taten (das ist paulinische Rede)
- Gerichtpredigt ist nicht eine solche eines beleidigten Predigers; es ist so etwas wie die
Aufklärungsarbeit eines Therapeuten; Konfrontation mit dem Ausmaß der Verlorenheit
o die Deutung der jesuanischen Predigt als Selbstgericht
o das ethische Subjekt ist überfordert
o man kann sich nicht selber befreien, wenn man nicht fähig ist sich lieben zu lassen,
wird man zu Grunde gehen
o die Ablehnung der zuvorkommenden Güte durch die selbstgerechte Menschheit
(Universalität) der Ablehnung: da in jesuanischer Botschaft und seinem Leben sich
der universale Heilswillen Gottes konkretisiert/verdichtet, steht diese konkrete
Ablehnung für die Universalität der Exklusion Jesu
da sich in jesuanischer Botschaft und in seinem Leben der universale
Heilswille verdichtet, steht diese konkrete Ablehnung der jesuanischen
Predigt symbolisch für die Universalität der Ablehnung; es gibt keinen unter
den Menschen, der sich wirklich auf diese Botschaft eingelassen hätte
Universalität der Exklusion: Jesus der von allen abgelehnt wird; auch da soll
diese Redeweise davor warnen, dass sich einer über den anderen stellt und
von sich sagt, dass er besser sei
o wenn die Sünde als incurvatio des Menschen in sich selbst gedeutet wird (homo
incurvatus), dann ist das Abbruch und Negation der Beziehung
die sündige Situation heißt nichts anderes als zunehmende Zerstörung und
Isolation des Menschen
Vergleich des Sünders mit einer Faust: wer in Sünde verhaftet ist gleicht einer
geballten Faust; er ist dazu verurteilt, sich selbst zu zerstören
das sind Bilder, mit denen Apokalypse und Hölle arbeiten
- Apokalypse heißt Inferno der Gewalt, Kultur der Zerstörung (Offenbarung der faktische
Situation)
o Apokalypse ist eine Botschaft über die faktische Verfasstheit einer lügnerischen
und gewaltverfallenen Welt
o wo ist der Ort der Apokalypse im christlichen Denken? Wenn man sich die
synoptischen Evangelien vergegenwärtigt und die adventlichen Texte bedenkt (Tage,
in denen sich ein Volk gegen das andere erhebt, wo Zerstörungsbilder geschildert
werden), und diese Texte als apokalyptische Texte gedeutet werden (Katastrophen,
Kriege), dann sind das Worte, die in jesuanischen Predigten auftauchen (hier im
zweiten Akt); das sind keine Texte am Ende des Evangeliums
o das Verfallen des Selbstgerichtes ist aber nicht das letzte Wort – der Ort der
Apokalypse ist, das ist der zweite Akt, also inhaltlich vor dem Karfreitag und vor dem
Kreuz
o Inhalt: Predigt sagt gar nichts über Gott aus, denn Gott lässt die Zerstörung zu, die der
Mensch selbst verantwortet; die Menschen die an Lüge und Gewalt verhaftet sind
o Apokalypse ist also mit dem Selbstgericht in Verbindung zu bringen
- Hölle: die Hölle (Sartre: die Hölle sind die Anderen) – diese so verdächtig glaubwürdige
Formulierung schwimmt ein Schuss Selbstgerechtigkeit zurück; wenn ich mich dort finde,
wurde ich quasi als Opfer hingebracht
o Girard mit einer Korrektur dieses Diktums: jeder glaubt sich allein in der Hölle
und das ist die Hölle;
Dogmatik I
- 8 -
o hat Gott die Hölle geschaffen? Nein, Hölle ist Folge des menschlichen Handelns; der
in sich selbst versponnene Mensch, hoch überforderte Mensch, der jede Hilfe und die
Beziehung ablehnt, dieser Mensch bewegt sich kerzengerade auf das zu, was Hölle ist
- der ganze zweite Akt soll sensibilisieren, dass Ethik zwar sehr wichtig ist, aber alleine
immer scheitert o „Der Weg zur Hölle ist mit den besten Vorsätzen gepflastert.“
o weil der Mensch ein gebrechliches Wesen ist, weil er immer in einer konkreten
Situation lebt, in der er von Lüge, Gewalt und Sünde infiziert ist, hilft auch das beste
ethische System nicht, im Gegenteil, Revolutionen die scharf auf die Ethik setzten
verwandeln sich unter der Hand in totalitäre Systeme (Terror der Tugend)
o wer mit Gewalt das Böse vertreiben will ist ok, aber wo ist die Grenze?
o wenn es den Mehrwert der Unersetzbarkeit eines jeden Menschen gibt, dann ist er im
Umgang mit dem konkreten Sünder zu suchen
- scheiternde Ethik? → Ethik als ein Programm, das der Mensch aus eigener Kraft realisieren
müsste;
o die moderne Diskussion, die ständig Ethik betont und auch die Kirche darauf
reduzieren möchte
o Ethik alleine ist aber zu wenig
o der Mensch muss in eine Erfahrungswelt eingebettet werden
o Ethik als Inbegriff von Geboten und Verboten – ich tue genau das Gegenteil von dem
was ich mir vorgenommen habe und frage mich dann warum
o natürlich muss die Kirche ethische Maßstäbe setzen, aber das ist wohl kaum das
Ureigene der Kirche
o das Problem, was sich bei Religionen stellt ist, was passiert, wenn Versagen passiert;
- 1. Akt: bedingungslose Akzeptanz des Menschen; 2. Akt: Konfrontation angesichts der
Ablehnung (Gerichtspredigt als Selbstgericht); demgemäß hieße es, Menschen die sich nicht
lieben lassen, werden sich früher oder später selbst zerstören
o der Mensch, der die Integration durch Gottes Liebe ablehnt wird sich selbst
irgendwann destruieren
1.3.3 dritter Akt: Transformation der Gerichtsbotschaft im Kreuzesgeschehen
- die Menschen sind nicht übereinander hergefallen
- auch der sich systematisch nicht lieben lassende Mensch wendet sich zuvor noch gewaltsam
gegen deinen Dritten
- das Kreuzesgeschehen – ist das Christentum identisch mit der Basileiabotschaft oder mit dem
Kreuz? – beides ist im Christentum drin, weil es ein dramatisches Geschehen ist;
o bedingungslose Annahme als der Zugang, Kreuz als die von Jesus selbst gelebte
Bergpredigt
- Karl Barth: „Der Richter wird gerichtet“; Ablehnung der Wahrzeit
o die Menschen richten sich nicht gegenseitig, zuerst geht dem eine Zusammenrottung
gegen einen Dritten voraus
o das Kreuz ist von außen betrachtet nichts anderes als jeder beliebige
Sündenbockakt o hier gegen ein Opfer, das die Botschaft vom Selbstgericht gepredigt hat
o Was hat das aber mit Gott zu tun? Sind die Menschen Instrumente Gottes? Hat Gott
Menschen erwählt damit sie Jesus kreuzigen? Handelt Gott in der Geschichte
destruktiv?
im Lichte der Akte 1 und 2 muss man „nein“ sagen, denn die Menschen sind
keine Instrumente Gottes; es sind die Menschen, die Jesus ablehnen und ihn
kreuzigen; es ist die Allianz von Gegnern und Feinden und Gleichgültigen;
die Jünger die auch versagen; Jesus wird viktimisiert
Dogmatik I
- 9 -
o Jesus wird im Kreuz zum Opfer iSv victima, er wird zum Opfer gemacht – analog zu
allen victimae in der Geschichte, denn Jesus ist an dieser Viktimisierung eigentlich
unschuldig → äußere Seite des Kreuzes/der Viktimisierung
etwas, das sich ständig und überall ereignet
- entscheidender Punkt: was ist nun die innere Seite? Der spezifische Inhalt der christlichen
Botschaft? Die innere Seite des Kreuzes?
o Polemik der Gegenwart: Kreuze als Symbole der Gewalt; insofern unterscheidet sich
das Kreuz von außen nicht von anderen Viktimisierungen
o Jesus aber lässt sich treffen, er lässt sich zum Opfer machen und als solches steht er
dem Täter gegenüber, wie in jedem Viktimisierungsvorgang
o was sich aber in seinem Sterben ereignet, ist schwer rekonstruierbar: Verwandlung
der Viktimisierung ins Sacrifitium
es gab Menschen, die Folter seelisch unbeschadet überstanden
was der Henker von seinem Opfer will: er will es nicht nur malträtieren, er
will das Opfer qua Opfer total kontrollieren; radikale (Neu)Bestimmung
lässt sich das Opfer darauf ein, so hat der Henker sein Ziel erreicht; zB durch
den Hass, denn auch der Hass ist Kommunikation; es entsteht dann ein
sadomasochistischer Kreis, der nicht mehr durchbrochen werden kann; ein
Kreis in dem auch Rollentausch vorkommt, denn Opfer wird spiegelbildlich
dem Henker in seinem Hass identisch
aber es gibt Opfer, die keine Sekunde mit dem Henker kommunizierten, sie
kommunizierten vielmehr mit dem lebendigen Gott; es gibt ein radikales sich-
Entziehen;
o auf diesem Hintergrund lässt sich das Kreuzesgeschehen von der inneren Seite her
erklären; Jesus ist genauso victima wie es jeder andere Mensch auch ist
o Jesus entzieht sich aber den Tätern, weil er sich als Person, getragen von Gott, dem
Vater hingibt → die Hingabe geht nicht an den Täter, sondern an die lebendige
Gestalt des Vaters
über den Vater bittet er: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie
tun.“; das heißt nicht „ich vergebe dir“, sondern es geht über den Vater
→ solange man den Täter hasst lässt man sich von ihm kontrollieren
Opfer ist kein Identitätsmerkmal; Opfersein ist vergleichbar mit einem
Parasitentum: es lebt an einem und zerstört letzten Endes
in der Gegenwart eine verfängliche Tendenz der Verherrlichung der Opfer
o eigentlich gibt es keinen anderen Weg aus der Opferrolle, außer durch die
Vergebung, aber eben nie direkte Konfrontation
o Christus lässt sich also treffen, als victima steht der den Tätern gegenüber, er entzieht
sich aber denen; wir sprechen vom Opfer als sacrifitium
oft wird die Sakrifizierung in der Kommunikation zwischen Opfer und Täter
gesehen, das ist aber Perversion
- der unersetzbare Wert des Christentums im dritten Akt heißt, dass Opfer nicht sein muss,
freiwillige Viktimisierung nein; aber was ist mit schon vorhandener Viktimisierung?
o wenn Opfer da sind, welche Möglichkeiten haben wir, mit diesem Dasein fertig zu
werden? – Anklagen, Selbstanklage, aber das reicht nicht weit, es gibt nichts, was mir
die verlorene Integrität zurückgeben könnte
o es gibt keinen anderen Weg als den, dass auf krummen Zeilen immer noch gerade
geschrieben werden kann
o Viktimisierung ist eine krumme Zeile; die Hoffnung darauf gerade schreiben zu
können rechtfertigt die Viktimisierung nicht
o → aus der Kraft der Hingabe kann Jesus den Vater um Verzeihung für die Täter
bitten, und zwar weil (was heißt „sie wissen nicht was sie tun“): Jesus als victima
sieht in den Tätern nicht die Henker (was sie auch in ihrem Handeln ihm gegenüber
sind), sondern er sieht in den Tätern auch Opfer: als Opfer sieht er in ihnen letzten
Endes wieder Opfer; Opfer ihrer Tat, Opfer ihrer Umgebung, Opfer ihrer
Lebensgeschichte
Dogmatik I
- 10 -
weil es letzten Endes auch nur victimae sind, wissen sie nicht, was sie tun; sie
„können“ nicht anders handeln
o das ist, was man „Transformation“ nennen kann, Verwandlung der Opferrolle;
eine Verwandlung, die nicht jene Prozesse ersetzt, für die die Gerichtsbarkeit
zuständig ist;
- das ist theologisch wichtig, weil dadurch im Kreuzesgeschehen die apokalyptische Klarheit
von Täter und Opfer stückweise aufgebrochen wird; apokalyptische Klarheit (vgl. Mt 25,
Weltgerichtsgleichnis; die Guten und die bösen) heißt: diese Klarheit fängt an zu wackeln,
schon aufgrund des Ortes wo in der Bibel davon berichtet wird (nicht am Ende des
Evangeliums, sondern es steht unmittelbar vor der Kreuzigung);
o die Folge des Kreuzes für dieses Gleichnis: die Menschen haben sich gegen Jesus
gerichtet, und er hat ihnen über den Vater Vergebung zugesprochen und sah in ihnen
letzten Endes die Opfer ihrer Taten
o Fazit: im Lichte des Kreuzesgeschehen würde es heißen: als Gegner Christi stehe
ich immer im Bereich der für die Täter da steht (ich bin der Bock); sofern sich
Christus mit mir identifiziert (über den Vater), bin ich im Bereich seiner erlösenden
Kraft
christlich gesprochen geht die Trennung zwischen den Böcken und den
Schafen nicht zwischen zwei Lagern, sondern durch den Menschen hindurch
(man ist Gegner Christi [eigener Wille, bedingungsloses Liebenlassen,
Abschieben von Schuld])
- so gesehen ist das Kreuzesgeschehen nicht etwas anderes als der erste Akt, sondern eine
konsequente Fortschreibung desselben durch Jesus selber
o Karfreitag, Karsamstag, Osternacht: ist nicht ein beliebiges Wochenende und ein
beliebiger Feiertag, sondern es steht für Christen als das Fest, das die tiefste Weisheit
über das menschliche Leben andeutet, nämlich es gibt im Leben nie eine Situation, in
der in sich selbst verkrümmte Mensch, hoffnungslos ist; und zwar deswegen, weil
Christus selbst all das transformiert hat, und deshalb betrachten die Christen unerlöste
Situationen mit österlichen Augen: das nimmt den faktischen Viktimisierungen nicht
den Schmerz, aber trotzdem, die Christen erstarren nicht vor der Viktimisierung und
versuchen sie zu bewältigen indem sie neue victimae schaffen, sondern indem sie
immer wieder neu die Sprache von Versöhnung üben
- Christus als Opfer identifiziert sich bedingungslos mit mir sofern ich Opfer bin und
handelt auch an meiner Stelle, selbst dort, wo ich nicht mehr handeln kann
o er stiftet dort Versöhnung, wo ich dazu nicht bereit bin
o dadurch werden die festgefahrenen Fronten aufgebrochen
- das Kreuzesgeschehen ist nicht etwas das zusätzlich zur Basileiabotschaft kommt, es ist die
konsequente Folge der Basileiabotschaft, gelebt und durchgelitten durch Jesus; Jesus und
seine Hingabe sind Verwirklichung der Bergpredigt in der Geschichte
- der Wert der Kirche ist in ihrer Glaubenslogik zu suchen; dh die Kirche sprengt die
Banalität von Aufstieg und Fall, weil sie dieser Banalitäten einen tieferen Sinn verleiht,
indem sie die Passion des menschgewordenen Gottes feiert und diesen Gott auf der Kreuzung
beider Sackgassen verkündet
o dadurch verwandelt sie das in das lebensspendende Kreuz
o wir glauben, dass der menschgewordene Gott (und das ist Inhalt der ersten beiden
Akte) sowohl im Aufstieg wie auch im Fall mit den Menschen verbunden bleibt –
Menschwerdung Gottes als Infragestellung der Einsamkeit des Menschen o im christlichen Glauben ist niemand eine einsame Insel, ja kann niemand so eine sein
– wir leben von Relation
o momentan erliegt unsere Kultur einem Irrtum: man meint die Lebenskraft aus dem
eigenen Aufstieg, dem der Kinder, dem der Stars, … schöpfen zu können; kein
Mensch vermag sein Leben lang den Sinn des Lebens aus der Kraft der Träume und
Skandale zu gewinnen
Dogmatik I
- 11 -
o christlich gesprochen: der Sinn des Lebens liegt darin, und das ist der tiefere Sinn
des Glaubens, zu glauben, dass der lebendige Gott mit mir den Weg des Aufstiegs und
des Falls geht → bedingungslose Zuwendung Gottes
1.3.4 vierter Akt: österliches Urteil des Vaters
- ist Ostern nur eine Wiederbelebung? Offenes Grab? → es ist Wiederaufnahme von
Beziehungen
- Ostern als Urteil im Unterschied zu menschlichen Urteil zugunsten des Sohnes
- verständlich auf Hintergrund des Gleichnisses vom Weinbergbesitzer – nicht so handelte der
himmlische Vater am Ostermorgen
o er sandte den Auferweckten zu denen die versagten mit einem Friedensgruß
o normalerweise sind die Urteile des Opfers immer ident mit einem Urteil zu Ungunsten
der Täter
o hier aber bricht diese Logik: das Opfer wird auferweckt, dem Opfer wird
Gerechtigkeit zuteil, aber auch den Tätern, denen die versagten, wird ihr Recht zuteil,
und zwar in einem Geschehen der Vergebung und der Friedensstiftung
o die Folge davon ist das, was man Schuldfähigkeit des Menschen nennen kann; weil
ich die Schuldvergebung durch das Friedensangebot erfahre oder weil ich mich in der
Dimension des Tätersein angenommen fühle bin ich fähig einzusehen, dass ich Schuld
auf mich geladen habe
o es findet eine systematische Erklärung und Schuldabschiebung statt – weil in einem
Kontext von Aufstieg und Fall Schuldannahme automatisch empfunden wird als etwas
Katastrophales; schuldfähig zu sein vermag nur jener, der sich bewusst ist, dass ihm
Schuld vergeben wird, dass Schuldurteil nicht Auslöschung der Identität ist
o → Bild von El Greco, die Tränen Petri; Petrus lebt in der Dimension des Versagens
(er war unter den Jüngern wohl der größte Versager; er versagte sogar in gewisser
Weise schlimmer als Judas, denn der hat sich nicht eingebildet etwas anderes zu tun,
Petrus dachte das schon, aber er ist der erste der die Treue bricht); auf diesem Bild
schaut er in eine hellere Sphäre, schaut in ein Licht mit österlichen Augen, er sieht mit
seinen Augen das offene Grab, von dem Maria von Magdala am Ostermorgen
weggeht, er sieht die Auferweckung und nimmt sie gewissermaßen vorweg; bei Lk
steht „da schaute Jesus Petrus an“ – was sah Petrus dort? Vorwurf? Spott?
Enttäuschung? Frustration? – all das wären die menschlichen Reaktionen;
zurückgeblendet auf den 1. Akt sah er wohl bedingungslose Annahme (Frieden sei mit
dir), nicht von oben herab; Petrus kann zu seiner Schuld stehen („Er ging und weinte“
– o felix culpa);
- anstatt Selbstdestruktion (besteht auch in der Verdrängung der Schuld; Verhärtung) und
Fremddestruktion (Sündenbockmechanismus) wird die Schuld und das Fragmentarische
angenommen und in die eigene Biographie integriert
o die Kirche entsteht aus der Erfahrung der Schuldvergebung, dh aus der Befähigung
zur Annahme seines eigenes Versagens
o Papst Johannes Paul II. veranstaltete im Jahre 2000 einen Bußgottesdienst; faktisch ist
dieser Gottesdienst eine einzelne Schwalbe gewesen (welche ja bekanntlich keinen
Sommer macht)
- die österliche Schuldvergebung als Punkt, wo der Christ zum Christ wird; aufgrund der
Erfahrung von Ostern wird sich der Christ niemals über sich selbst skandalisieren, dh
bestimmte Dimensionen der Biographie nicht wahrhaben wollen, man erschreckt vor sich
selber
o der Mensch, der in seinem Versagen von Gott angenommen wird, kann sein Versagen
zu einem Teil seiner Biographie machen und damit leben
o die Gestalt des im Guten Verhärteten braucht keine Vergebung, vergibt aber auch die
anderen nicht, jener aber der vergibt wird barmherzig
o auf diesem Hintergrund wäre nachzudenken was es heißt getauft zu sein zur
Vergebung der Sünden und zum Mitsterben und Mitauferstehen in Christus
Dogmatik I
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- Ostern ist damit nichts anderes als Bestätigung des 1. Aktes: der menschgewordene Sohn
Gottes, der Feindesliebe glaubwürdig lebt, sogar durch den Tod hindurch (nicht Divinisierung,
dh Jesus, ein normaler Mensch der durch ethische Vollkommenheit quasi zu Gott wird); und
die inkarnatorische Logik ist somit Befreiung vom ethischen Stress alles selber machen zu
müssen (übersetzte man das in die Divinisierung: Jesus der zu einem übermenschlichen Status
kommt, verwandelt man das Christentum zu einem ethischen und spirituellen Terror)
- Ostern stellt auch die erlösende Antwort auf Apokalypse und Hölle
o das altkirchliche Bekenntnis, Christus ist zur Hölle abgestiegen und hat deren Pforten
gesprengt
er sprengt die Hölle der Isolation aber einfach dadurch, indem er da ist
man kann den homo incurvatus mit Gewalt nicht befreien, nur zerstören
das ganze Drama setzt hier an: Jesus versucht mit bedingungsloser Annahme
einer geballten Faust zu begegnen, aber er wird erschlagen
es gibt nur einen Weg wie man die geballte Faust öffnen kann: die Faust eines
anderen in die eigene Hand nehmen und die eigene Hand darunter legen und
nichts tun; nach einer gewissen Zeit wird der Mensch die Faust zwangsläufig
öffnen (physiologisch: Nerven erschlaffen irgendwann)
mit diesem Bild kann man viel von den fünf Akten wahrnehmen
o was es bedeutet tiefer zu fallen als je ein Mensch: in seinem Kreuz fällt er eine Stufe
tiefer als ein Mensch je in seinem Leben fällt und hält mich dort, er bekehrt mich nicht
mit Gewalt, er ist einfach da (nicht einfach so, er ist haltend da)
o Antwort auf die Hölle: Auferweckung
o Christus steigt in die tiefste Gottlosigkeit und Kommunikationslosigkeit, ist eine
Stufe drunter und hält den isolierten Menschen eine Ewigkeit lang
der tiefste Sinn des Kreuzes ist jene Dimension, es geht um das letzte
Geheimnis des Menschen in seiner Spaltung in Täter und Opfer; die
Versuchung ist, sich in seinem Opfersein zu verschließen, und zum Täter zu
werden der nur noch verletzen kann
o das christliche Erlösungsverständnis: in diese Tiefen steigt Gott hinab um diese
Sackgassen zu sprengen; nicht wie ein deus ex machina; Sprengung der Hölle und
dort Stiftung von Kommunikation
o Antwort auf Apokalypse: selbst die größte Selbstzerstörung kann eingebettet werden
in das Handeln das Christus am Kreuz tat, indem er sich dem Spiel entzog
1.3.5 fünfter Akt: die Erfahrung des Hl. Geistes
- systematischer Mehrwert: Geist heißt Anwalt; der Geist Christi ist der Anwalt, der Anwalt
der Wahrheit, des Mitleides und der Opfer
o jene personale Beziehung die Gott zu mir aufnimmt um mich in meiner
Opferdimension ausdrücklich anzusprechen und mich daraus herauszuführen
o der Geist ist gleichzeitig der Modus der Anwesenheit des Dramas post resurrectum;
Gott wirkt in uns Menschen durch seinen Heiligen Geist
- im Geist geschieht: das Drama wird ausgeweitet aus der engen Dimension des erwählten
Volkes Israels bis an die Grenzen der Erde, wobei diese Ausweitung die gleichen Aspekte
kennt die wir im Drama hatten (guter Wille, Bemühung, Versagen, Verrat); diese Ausweitung
geschieht auch in der Perspektive der Perversion des ganzen Dramas (Offb: die Kirchen sind
lau)
- Martyrium als zugespitzte Haltung des sacrifitiums in einer pervertierten Welt der Lüge und
Gewalt
Dogmatik I
- 13 -
1.3.6 Zusammenfassung der Bedeutung der Akte1
„Die fünf Akte sind mehr als ein historisches Drama. Sie umschreiben die grundsätzlichen
Dimensionen des Heilswirken Gottes, das sich auf offene oder verborgene Weise in allen
Menschen vollzieht. Der Vater Jesu Christi ist von seinem tiefsten Wesen her ein Gott der
Feindesliebe und der Gewaltfreiheit, der seinen Feinden nie mit Zorn begegnet, sondern um
sie wirbt, wie vor allem die Basileia-Botschaft Jesu und Ostern zeigen. Dennoch verliert das
Gericht nichts von seiner Strenge. Niemand darf sich selbstgerecht über jene Menschen
erheben, die Jesus abgelehnt haben. Seine Verwerfung macht deshalb deutlich, wie sehr alle
Menschen dazu neigen, sich in eine Welt des Bösen einzuschließen, eine Welt, die immer
gottferner wird und zur Hölle tendiert. Gerade von dieser gewalttätigen Menschheit hat sich
Jesus aber freiwillig treffen lassen und sich mit seinen Gegnern, insofern sie selber Opfer des
Bösen sind, identifiziert. Er will folglich allen, die bereits auf dem Weg der Verlorenheit sind,
nochmals ganz nahe kommen und um das Herz jener, die einem machtvollen Gott Widerstand
leisten, in der Gestalt eigener Schwäche und Ohnmacht werben. Durch seinen Tod will er den
vom Verderben Bedrohten nochmals einen Weg zum Heil öffnen. Dieses kann auf Erden
beginnen - in der Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander dank des
Pfingstgeistes. Es bleibt hier aber Stückwerk, weil es immer wider auf den Widerstand der
massiven Mächte der Lüge und Gewalt stößt. Zum vollen Heil bedarf es deshalb einer neuen
Schöpfung durch Tod und Auferweckung. Real-symbolisch wird das endgültige Heil dennoch
bereits hier auf Erden gegenwärtig, nämlich in den liturgischen Feiern der Kirche und vor
allem in der Eucharistie, wenn die betende Gemeinde sich der vergangenen Heilsereignisse in
Jesus Christus erinnert und um deren Vergegenwärtigung im Hl. Geist bittet.“
1.4 christologisches Drama als Verdichtung des biblischen Ringens um Heil und Wahrheit
- es gibt einen letzten Horizont für die gesamte Menschheit
o die Geschichte ist nicht nur eine Ansammlung von Partikulargeschichten
o ein allerletzter normativer Horizont für alle – das ist der universale Heilswille Gottes
o dieser Horizont wird aber partikulär vermittelt
o Universalität und Partikularität in einem Atemzug
o geschichtlich partikulär vermittelt erst durch ein Volk, dann durch eine Person
1.4.1 Struktur der dramatischen Geschichte zwischen Jhwh und seinem Volk
- „persona“ ist im Altlateinischen jene Maske, die ein Schauspieler aufsetzte um eine Rolle zu
spielen
o die späteren Rabbiner haben von der „Schechina“ gesprochen, die Gestalt Gottes
- diese biblische Geschichte ist nichts anderes als das Drama: er nimmt Gestalt an, erwählt
Menschen und Gruppen, vergewissert sie der Heilszusage, er bindet sich an das Volk damit
dieses Volk für andere zum Segen wird
o Reaktion darauf: Versagen, Abfall und Katastrophe; die ganze Hl. Schrift ist
geprägt von vielen Schriften des Versagens
und das ist Eigenart der Bibel: die heiligen Schriften anderer Religionen
blenden diesen Aspekt entweder aus oder unterstellen es Anderen
es ist Sondergut bzw. Qualitätszeichen des AT, dass die Propheten auch das
eigene Volk anmahnen
o echte Prophetie ist Mahnen des eigenen Versagens
1 siehe hierzu: S 4, Zusammenfassung der Bedeutung der Akte durch Raymund Schwager
Dogmatik I
- 14 -
o Gott wendet sich nicht ab, nein, er bindet sich an das Volk, und das durch das
Versagen hindurch
deswegen ist das Bild der Hurerei (hat mit Sexualität zunächst nichts zu tun)
öfters anzutreffen
auch das Bild des Propheten der deine Hure heiraten muss
o Gott nimmt also Gestalt an
man kann die Gestaltwerdung Gottes erzählen, man kann bei Abraham
anfangen und irgendwo bei den letzten Propheten aufhören – Geschichten der
Gestaltwerdung Gottes mitten unter Menschen
o aber auch Idolatrie der Menschen (Götzendienst, Abfall, Untreue); Menschen
wurden erwählt um für andere da zu sein, sie interpretieren das aber als Selbstprivileg
Gottes Reaktion: biblische Gerichtspredigt, die aber nichts anderes ist als
Offenbarung des Selbstgerichtes (man selber erleidet die Folgen dessen was
man tat); durch das Gericht hindurch sich immer stärker abzeichnende
Identifizierung Gottes mit dem Volk
Grundnerv der atl Geschichte: Gott wendet sich nicht vom Volk ab iSv
vergessen sondern identifiziert sich noch stärker mit dem idolatrischen Volk,
bis hin zur Menschwerdung
- → das Drama Jesu ist im Grunde eine Anwendung dieses Geschehens auf eine Person
1.4.2 Heils- und Wahrheitsfrage
- sind Heil und Wahrheit identisch?
o die moderne Konsumkultur neigt tatsächlich dazu Wahrheit mit dem zu assoziieren,
was theologisch „Heil“ ist
o wir wissen aber im Rückblick, dass es Erfahrungen gab, die vordergründig
Heilserfahrungen waren, im nachhinein aber Unheilserfahrungen geworden sind
- wir neigen dazu, unmittelbar Guttuendes mit Heil zu identifizieren
- aus der biblischen Geschichte kann man lernen, dass Heil und Wahrheit auch weit
auseinander geraten können
o man nennt diese Logik polytheistische Struktur
o auf weiten Strecken hat die atl Geschichte durchaus eine polytheistische Strukur; eine
die nahelegt, dass Gott sich fast synkretistisch mit den Bedürfnissen des Menschen
verbindet
o die Tatsache, dass der atl Kanon mit den Geschichten der Patriarchen beginnt ist eine
tiefe Weisheit – Gott offenbart sich als einer, der sich ganz konkret an ganz konkrete
Menschen richtet und ihnen hilft
o abstrakt: Bedürfnis nach Heil fast synkretistisch gedacht
- 1. Akt: Identifizierung von Heil und Wahrheit
- 2. Akt: Transformation dieses Zugangs in Individualgeschichten, ganz groß im Exil
(Gefühl, Heil und Wahrheit treten radikal auseinander)
o was bisher als Heil erfahren wurde, wird als Lüge sichtbar, und deshalb
Auseinandersetzung nach den wahren Propheten
o es tritt das Ganze auseinander
o Folge dieses Auseinandertretens: nicht eine Abstraktion (dh zuerst glaubte man,
Besitz des Landes = Heil; jetzt ging das Land verloren; in der Bibel geht man durch
die schmerzhaften Erfahrungen hindurch und findet zu ganz konkreten neuen Bildern
[Themen Land, Nachkommenschaft, werden transformiert wiederaufgenommen])
o pluralistische Theologie der Religionen: geht davon aus: weil wir begrenzte
Erfahrungsmöglichkeiten haben und Gott eine universale Wirklichkeit ist, müssen wir
von unseren begrenzten Erfahrungen immer weiter zurück abstrahieren zu Begriffen,
die keine Anschauungen mehr haben – philosophisch legitim, theologisch
problematisch, weil das ergibt eine Gottesvorstellung, die für eine Frömmigkeit nichts
mehr hergibt
o biblisch wird die Konkretheit der Erfahrung wahrgenommen
Dogmatik I
- 15 -
- das letzte Bild der atl Botschaft: wenn dem letzten glimmenden Docht Gerechtigkeit
widerfahren wird, dann sind Heil und Wahrheit identisch
o wenn Heil nicht auf Kosten von Dritten oder Opfern geschieht, wenn partikulare
Interessen nicht auf Kosten eines anderen erfüllt werden, erst dann sind Heil und
Wahrheit identisch
o nicht der abstrakte Begriff steht am Ende der prophetischen Büchern, sondern eine
Vision universaler Gerechtigkeit: Völkerwallfahrt, Festmahl am Zion, Tränen
werden getrocknet … → es gibt niemanden mehr der leidet, der den Preis zahlen muss
o diese Bilder sind von der eschatologischen Logik her geprägt (vgl. auch Dogmatik III)
- erst bei Deuterojesaja eigentlicher Monotheismus: es gibt einen einzigen Gott für die
gesamte Menschheit; diesen einen Gott gibt es nur, wenn die Menschen zur Proexistenz fähig
sind, wenn sie also für andere da sind
- der Weg der Menschenrechte – was ist das?
o Weg des Anspruchs? – das ist Weg des Bürgertums
o als Weg des Evangeliums heißt, eben denjenigen, denen die Rechte vorgehalten
werden (geknicktes Rohr, glimmender Docht), ihnen zum Recht zu verhelfen
- ∑: Identität von Heil und Wahrheit? → der universale Heilswille Gottes als letzter
normativer Rahmen für die Menschheit
o hat mit universaler Gerechtigkeit zu tun
o ist nur durch Proexistenz möglich (nicht einklagen „meiner“ Rechte [führt zu
Spaltung])
o dächten alle so, löste sich das ganze Rätsel auf
o fällt zusammen in der Idee von Himmel
o wichtig ist die Grundstruktur:
1) Gott identifiziert sich
2) Menschen versagen
3) Gott identifiziert sich stärker bis hin zur Menschwerdung – das ist das ntl
Bekenntnis
1.4.3 Verhältnis von AT zu NT
- in Christus verdichtet sich diese Geschichte Gottes mit Israel
o man kann auch von Gestaltwerdung Gottes in Jesus von Nazaret sprechen
o aber nicht nach dem Prinzip einer Partikularität oder Pluralität (quasi als „Teil
Gottes“)
Offenbarungsreligion erhebt keinen abstrakten Wahrheitsbegriff
AT erzählt Geschichten, das kann plural verstanden werden (jeder erkennt
einen Teil, und das widersprüchlichst)
in der prophetischen Botschaft (vom christlichen Selbstverständnis her) wird
etwas angedeutet, wo verschiedene Perspektiven zusammenkommen
nicht von einer Perspektive dass man von einer Leiter nach unten blickte, in
seiner ganz konkreten Leidenserfahrung erschreibt Deuterojesaja über seine
Erfahrungen darüber, wann diese Geschichten eine einzige werden, und zwar
wenn für alle ein Gott da sein wird (einer und einziger Gott) und wenn
Proexistenz möglich ist
o viele widersprüchliche Erfahrungen mit einem Gott verdichtet zu einer Person
- was ist dann mit der Geschichte mit Israel?
o viele Ansichten ja, nach dem Schema Verheißung-Erfüllung (AT-NT), und mit
Erfüllung ist die Verheißung obsolet
dieses Denkmodell ist eine Anmaßung
die Bundesgeschichte ist dem Zeugnis des NT nach nicht außer Kraft gesetzt:
Jesus selber ist Jude – man kann ihn nicht begreifen, wenn man ihn
aus seinem jüdischen Kontext herausnimmt
er nimmt uns also gem. Lk 2,32 („Ein Licht das die Heiden erleuchtet
und Herrlichkeit für dein Volk Israel“)
Dogmatik I
- 16 -
die Christen sind gem. Röm 11 aufgepfropfte Zweige auf den
erwählten Ölbaum
man kann das AT in Bezug auf Christus interpretieren (unter dem Stichwort
„Verdichtung“)
- NT verdichtet die Logik des AT, es verdichtet sie und wendet sie auf die konkrete Person
Jesus von Nazaret an; Verdichtung der Gestalt- und Menschwerdung Gottes
1.4.4 Verhältnis von Monotheismus und Trinitätslehre
- die Dynamik der biblischen Offenbarung (Gestaltwerdung Gottes in unterschiedlichen
Situationen, die quasipolitheistische Struktur, die sich immer deutlicher abzeichnende
Identifizierung Gottes mit den Menschen) macht das trinitarische Modell möglich
- der Weg der Dogmatisierung ist nicht eine Verfälschung der biblischen Tradition, sondern
dieser Weg bleibt der heilsgeschichtlichen Logik verpflichtet
- der universale Heilswille des einen Gottes wird in der Geschichte konkret vermittelt durch
das Volk Israel oder durch die Person Jesus Christus, durch seine Person und sein Geschick,
und zu seinem Geschick gehören auch die Menschen, die mit ihm leben, ihn umbringen und
durch ihn versöhnt werden (Gestalt des totus Christus, und das ist im Grunde Kirche)
- das Heil wird Wirklichkeit indem sich Gott mit diesen Menschen immer wieder konkret
verbindet, va aber durch Christus selber
- das Bekenntnis zu Jesus impliziert die Vision aller Völker beim messianischen Mahl, auch
die Integration der Toten
o fünf Akte (3. und 4.) – Jesus steigt bis in die Hölle hinab – es gibt niemanden, den die
christologische Vermittlung nicht anrühren würde
o die Christen, und nur Christen, können bekennen: Gott ist die Liebe
ein Jude wird aufgrund des AT sagen können, dass Gott sein Volk liebt, und
deswegen kann er immer wieder Gestalt in diesem Volk annehmen
Christentum geht weiter: Gott selber ist die Liebe, dh Gott ist eine Vielfalt,
und eine diese Personen steigt herab
Fangfrage: banalste Formel von Trinitätsbekenntnis: augustinisch und nach
1 Joh: „Gott ist die Liebe“; Liebe setzt Pluralität voraus; in Gott selbst spielt
sich das Geschehen der Liebe ab
1.4.5 Substitutionsthese – illegitime Auflösung des dramatischen Ringens zu einer statischen Klarheit
- bisher reden wir ständig von einem Prozess; wir sind unterwegs zur Erkenntnis, dass Gott für
alle die Liebe ist
- das gibt es nicht in statischer Klarheit, sondern immer wieder neu, äußerst mühsam
- schon die erste Generation der Christen hat das Ringen aufgelöst mit dem Stichwort
„Substitution“, was „Ersetzung“ heißt
- die dramatische Logik des AT: Erwählung, Versagen, Selbstgericht, noch stärkere
Identifizierung Gottes als Grundmovens des AT angewendet auf das NT; diese dramatische
Logik wurde aufgelöst zu einem statischen Gebilde:
o durch das Kreuz Christi wurde das dramatische Ringen beendet
o das Versagen, Götzendienst, Idolatrie, sei Privileg des Judentums, der Synagoge
o Erwählung, Gnade, sei das Privileg des Christentums und der Kirche
- Substitution heißt, Christentum ersetzt Judentum (Kirche ersetzt Synagoge) in der
Heilsgeschichte
o Augustinus: Juden sind Zeugen ihrer Bosheit und unserer Wahrheit
das ist Sündenbockmechanismus: das ist Selbstgerechtigkeit, Scheinheiligkeit;
dh ein Versuch besser da zu stehen als ich bin, und das durch so schlechte
Darstellung des Anderen, dass meine Fragmentarität nicht mehr sichtbar ist
→ Logik der Negativfolie; das Gericht nur bei den anderen deutlich werden
lassen
Dogmatik I
- 17 -
- die zweite Generation der Kirchenväter erliegt dieser Versuchung, indem sie die biblische
Spannung auflösen und eine Negativfolie postulieren, Juden und nur Juden sind der Inbegriff
der Abkehr von Gott (pervers, sündhaft, …) – wir und nur wir sind heilig
o weil Juden vom Glauben Abrahams abgefallen sind gilt der Synagoge nur das Gericht,
die Erlösung des Kreuzes ist höchstens im Strafmodus greifbar
o Bild des lebenden Kreuzes: Christus selber am Kreuz, darunter zwei Gestalten (eine
auf dem Esel, eine andere auf noblen Tieren [Symbol für Evangelisten]): Interessant
ist, dass aus der Hand Jesu ein Schwert wächst, und mit diesem wird die Krone der
Synagoge heruntergeschlagen (zusammen mit verbundenen Augen), der anderen Seite
wird die Krone aufgesetzt (es gibt auch die Darstellung, da die Synagoge getötet wird)
- diese Erfahrung der Negativfolie, die die Kirche immer wieder neu gelebt hat, die Sünde bei
einem Anderen wahrzunehmen, an einem anderen anzuprangern und sich selbst dadurch in die
Gnadenposition zu positionieren wurde in Vatikanum II radikal verändert
o Substitution wurde radikal verworfen
o das dramatische Ringen um Heil und Wahrheit darf nicht aufgelöst werden
- die Logik der Selbstgerechtigkeit, die durch Verlagerung der Aufmerksamkeit auf Versagen
von Anderen automatisch als gegeben erscheint
- demgegenüber die Botschaft der Propheten: sie beschuldigten nicht die fremden Völker,
sondern sie sagen klar, dass das Volk selber versagt hat
2 dogmengeschichtliche Präzisierung des christologischen Dramas in der jeweiligen Gegenwart
- wie kann Universalismus geschichtlich partikulär verständlich gemacht werden
o natürlich auf dem Weg der Usurpation, der Eroberung – wenn ich genug Gewalt
habe, kann ich das durchsetzten
o das biblische Muster aber heißt Erwählung; Gott erwählt konkret, damit sich diese
Gestalt im Modus der Proexistenz anderen Gestalten nähert
o die meisten Menschen reagieren mit Versagen (Idolatrie)
o Gott bewirkt dann das Heil aller, indem er Mensch wird, und deshalb kann er
unmittelbar die menschliche Geschichte verändern
2.1 das Ringen um Wahrheit des einen Gottes - Vielfalt der Widersprüchlichkeit:
o der Erfahrungen mit Gott; jeder glaubt seinen eigenen Weg zu Gott zu haben, das ist
aber nicht unser Privileg, das hatte auch die alte Kirche
o daraus folgte Vielfalt der Widersprüchlichkeit der Gemeinde: je nach dem in
welcher Kultur die Menschen lebten, thematisierten sie ihre Erfahrungen anders
unterschiedliche Gemeinden; Gemeinden, die durch Vorsteher geleitet
wurden aber auch frei existierenden (gnostische) – ein Wirrwarr sonder
Gleichen – durchaus in Analogie zur Gegenwart
o Widersprüchlichkeit der Schriften
2.1.1 der zornige oder der liebende Gott
- widersprüchliche Aussagen über Gott?
- die alte Kirche wurde zu diesem Prozess herausgefordert durch Markion (85-160 nC), der
Häretiker par excellence
o diese Vielfalt der Aussagen und Geschichten vom liebenden und zornigen Gott kann
doch unmöglich den gleichen Gott meinen, das muss doch zwei Quellen haben
o er hatte die Idee zweier widersprüchlicher Götter
Dogmatik I
- 18 -
o fasziniert durch paulinische Aussagen über die Liebe und Barmherzigkeit
systematisiert er
o AT verkündet einen ganz anderen Gott als Jesus Christus – das war der
Schöpfergott (Demiurg) – nicht besonders intelligent, ungeduldig, kriegerischer,
kleinkariert → ein „kleiner Judengott“ (Markion war schwerer Antisemit!)
o dann erscheint in Christus ein völlig neuer Gott, ein Gott der Liebe, ein ganz anderer
Gott – dieser neue Gott, den Christus bringt, kann vom alten nichts annehmen; da er in
einer materiellen Welt erscheint kann er keinen materiellen Körper haben (welcher ja
wieder auf das Konto des Demiurgen ginge); er befreit vielmehr die Menschheit von
der Bosheit des Demiurgen
o Markion sucht diese Idee in den Schriften mit der Grundannahme, die Jünger hätten
Jesus missverstanden, weshalb sie jesuanische Botschaft mit atl Lehren vermischt
hätten
o Christus hätte die Gefahr natürlich gesehen und Paulus gesehen – er wurde berufen
um das Missverstandene zu korrigieren
Paulus bringt das Ev unverfälscht, indem er es von judaisierenden Tendenzen
befreit
o da Markion annahm, Jesus hätte ein Ev geschrieben, und es wäre am ehesten hinter
Lk greifbar, macht er sich zu dem, was man heute Zensor nennt
er zensiert die im Umlauf befindlichen Schriften
am Ende bleibt ein von ihm gereinigtes Lk-Ev übrig und einige Pauluszitate
o und das ist so etwas wie ein erster „Kanon“ iSe authentischen Auswahl eines
unverfälschten Wissens über Jesus
o die Kirche reagiert: sie kann nicht schweigen;
die erste große Exkommunikation 144 nC, da Markion durch seinen eigenen
Vater exkommuniziert wird (der Bischof war)
die Kirche trennt sich davon indem sie feststellt, dass das ein Irrweg ist (zwei
Götter sind Irrweg, AT vs. NT ist ein Irrweg, authentische Aussagen Jesu in
Reinkultur ist Irrweg)
o Markion gründet dann seine eigene Kirche
o was nennt man markionische Versuchung in der Theologie? –
damit wird immer gemeint die Abwertung des AT, die Abwertung des
Schöpfergottes zu einer zweitrangigen Größe
Polarisierung und klare Aussage, der Gott des AT sei ein Gott des Zornes
und der Gott des NT sei einer der Liebe
antijudaistische Haltung
o Reaktion der Kirche:
Festhalten am AT
Auswahl von Schriften über Jesus – dogmatische Antwort: aufgrund eines
langen Prozesses, indem die Kirche versuchte mit der markionitischen
Versuchung fertig zu werden:
die Vorstellung Dan Browns etwa ist falsch (Kaiser Konstantin usw.)
der Kanon geht zurück auf die Praxis des Vorlesens im Gottesdienst –
jene Schriften die von einer Gemeinde zur anderen gingen und
fortwirkend im Gottesdienst verlesen wurden
die Überzeugung, die Schriften stammen von Aposteln oder
Apostelschülern, spielte mit
noch wichtiger war die Übereinstimmung inhaltlich mit dem, was
man schon in der zweiten Generation Tradition nennen könnte
(Tradition war jene mündlich überlieferte Lehre va in den Kirchen,
die sich auf die Apostel zurückgeführt haben [Rom, Antiochien,
Ephesus])
alles was irgendwie leibfeindlich schmeckte wurde nach und nach
ausgeschieden (zB EvThom; nicht weil solche Schriften „gefährlich“
[→ Sensationsliteratur] wären, sondern weil Abwertung von Materie;
Materie sei durch einen Demiurgen oder Dämon geschaffen; liest man
Dogmatik I
- 19 -
EvThom in Hinblick auf leibfeindliche Tendenzen, merkt man schnell
den Unterschied zu anderen Ev)
o die dramatische Auseinadersetzung um Offenbarung ist im Christentum anders zu
sehen als im Koran oder Mormon (wo von vornherein gesagt wird, das Buch gehe auf
direktes Diktat von Gott zurück oder ähnlich – das sind reine Buchreligionen)
der Unterschied: im Juden- und Christentum liegt dem Buch etwas voraus,
und zwar Erfahrungen; solche von Menschen, die sie mit Gott oder mit
Christus gemacht haben, über diese Erfahrungen gesprochen und reflektiert
haben, durch dieses Reden weitergaben, andere Menschen ansteckten
dann erst kommt es zur Verschriftlichung
deswegen steht die Kirche auf dem Standpunkt, man müsse die Schrift und
den kirchlichen Vollzug (Tradition) gleichermaßen beachten
Luther, der die traditio zugunsten der scriptura zurücksetzte, sieht
auch die vorgelesene Schrift
- hier entscheidet sich die Grundeinstellung zu dem, was man als Christentum und Kirche
sieht: nicht die Fixierung auf einen Buchstaben, sondern ein dramatischer Vorgang lebendigen
Glaubens
o die endgültige Gestalt des Kanons ist eine recht späte Frage (schon bei Athanasius
eine relative Aufzeichnung)
o der katholische Kanon wird eigentlich erst beim Konzil von Trient definiert, vorher
auch beim Konzil von Nizäa (Osterbrief des Athanasius)
2.1.2 Irenäus von Lyon und die Auslegungsmethoden
- die theologische Antwort auf Markion erfolgte durch Irenäus
o Gott des Zorns vs. Gott der Liebe, der ntl Gott besiegt den atl Gott
o Markionitische Versuchung die zwar überwunden wurde, aber die Kirche immer
wieder begleitet
o wie können die verschiedenen Aussagen gedeutet werden?
o es handelt sich um ein Offenbarungshandeln, allerdings eines, das dem
Fassungsvermögen des Menschen angepasst ist – Gott passt sich an
- auch er hält an der Einheit des atl und ntl Gottes fest, weist den Dualismus von Schöpfung
und Erlösung zurück; Gott als allumfassende Wirklichkeit (Monotheismus)
- logische Kohärenz des Ganzen: wenn Gott die höchste Wirklichkeit ist, der allumfassende
Horizont, dann kann er sich selber nicht mehr widersprechen, er muss alle Widersprüche in
sich integrieren (gäbe es noch etwas größeres als Gott, müsste das Gott genannt werden) →
Gott kann per definitionem nicht begrenzt werden
o er versucht Gott analog zur Vernunft zu begreifen, würde man etwas Umfassenderes
als Gott annehmen, ginge das Denken ins Uferlose; deshalb muss Denken doch am
Widerspruchsprinzip festhalten und an einem letzten Maß
o erst in der Postmoderne wurde das Denken populär, dass man hierauf verzichtete
o Irenäus: es braucht das Allumfassende (vgl. Anselm von Canterbury: Gott ist
dasjenige, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann) – der letzte
universale Horizont, dogmatisch: Gottes universaler Heilswille
- die entscheidende Folge dieser Grundannahme: wenn Gott allumfassend ist, dann kann er
nichts Fremdes mehr begehren, und deshalb ist er neidlos
o mit diesem Argument glaubte er, das markionitische Argument von zwei Göttern aus
den Angeln zu heben
- wenn es nun einen Gott gibt, der identisch ist mit Schöpfer und Erlöser, wie sind nun die
unterschiedlichen Geschichten auszulegen (Irenäus als der Pate für typlogische Exegese):
o der eine Gott, die vielen Widersprüche
o Irenäus geht von einer inneren Einheit der Schriften aus, bestehend in der Ausrichtung
auf Christus
o die einzelnen Geschichten sind Typoi (Vorbilder, Schatten, Andeutungen)
Dogmatik I
- 20 -
- Notwendigkeit der Typoi: weil Ökonomie (als Erziehungsprozess) dh Gott der Ewige hat
den Menschen als Kinder erschaffen; und so lernt die Menschheit im Verlauf der Geschichte
und Gott passt sich in seinem Handeln dem Zustand des Menschen an
o plakativ gesprochen: zum Kind spricht er in deren Sprache, mit Pubertierenden flirtet
oder brüllt er, mit Erwachsenen argumentiert er
o Gott passt sich den veränderten Umständen an und erzieht die Menschen – er redet
immer wieder anders, aber immer von demselben um desselben Willen
o die Konsequenz davon ist: Rekapitulation am Ende des Prozesses, und das ist in Jesus
Christus
- so ist das Modell von Irenäus für die nächsten Jh. vorgelegt: ein Gott passt sich in seinem
Sprechen und Handeln dem Zustand des Menschen an und spricht unterschiedlich von
demselben, weshalb man das auch möglicherweise gegeneinander ausspielen kann; um die
Wahrheit zu finden muss ich zum Ende des Prozesses und der ist in Christus
- mit diesem Modell hat Irenäus die Auslegungstradition für die nachfolgende Jh. geprägt
(typogolische Exegese, Ökonomie, Rekapitulation)
- auf die Frage nach dem Zorn Gottes bedeutet das: die Aussagen von Zorn sind zu Aussagen
von Gerechtigkeit umzuinterpretieren
o es ist ein pädagogisches Konzept: Gott zürnt, weil es ihm um Gerechtigkeit geht
o Irenäus depotenziert die Aussagen Markions, aber eine Lösung ist es nicht
o Gott versucht die Menschen in einem pädagogischen Prozess zum Ende zu führen
o weil Gott auf die Sünde der Menschen reagiert, Gerechtigkeit als Begriff für
göttlichen Zorn, müssen sowohl Aussagen über göttlichen Zorn als auch über
göttliche Liebe auf ein und denselben bezogen und auf Christus zentriert werden
- wenn Markion Gott in zwei Teile zerlegt, zerstört er in beiden die Gottheit, so Irenäus
o käme der Tod nicht, würde das die Verewigung der Sünde bedeuten
o Gott des AT begegnet den Menschen mit zeitlichen Strafen, der Gott des NT mit
ewigen Strafen
- Irenäus hat logisch das Problem gelöst, aber was ist mit jenen Aussagen, wo der Zorn Gottes
dem Maßstab der Gerechtigkeit nicht entspricht? Wenn der Zorn der Gerechtigkeit entspricht,
kann er nicht außerhalb des Maßstabes stehen; was ist, wo Gott schlachtet, Kinder und Greise
vernichtet – ist das noch ein gerechter Richter? Gerade unter der Rücksicht der Pädagogik? Ist
das nicht Sadismus?
o das Modell bleibt bei Irenäus statisch, und deshalb verschwindet diese Problematik
aus dem Blick der Kirche
2.1.3 Rückgewinnung der dramatischen Perspektive durch Martin Luther
- erst Martin Luther holt diese Problematik wieder zurück – die „Rückgewinnung des Zornes
Gottes“
- Luther, der in der augustinischen Tradition geschult wurde und die Sünde radikal als Verlust
der Freiheit begreift; wenn der Mensch sich in der Sünde verirrt kann ihn nur ein Zorn Gottes
treffen
- seine Grundfrage war, wie er als sündiger Mensch dem gerechten Gott begegnen kann, denn
wenn Gott gerecht ist muss der Mensch verloren sein
- das Aha-Erlebnis ist die Entdeckung, dass die Gerechtigkeit Gottes keine iustitia distributiva
(ausgleichend) ist sondern eine, die den Menschen gerecht macht
- die Hauptunterscheidung zwischen Deus absconditus (verborgen; das nimmt der Mensch in
seiner Sünde wahr) und Deus revelatus (offenbarend in Christus; macht den Mensch gerecht)
o Deus revelatus: Gottvater überträgt die Sünde vom Sünder auf seinen Sohn (Gott ist
derjenige der überträgt) und am Kreuz entlädt sich der göttliche Zorn über den zur
Sünde gemachten Christus
o gewisse Analogie zum dritten Akt (wer hat die Gewalt auf Christus übertragen? –
Die Menschen; der Vater hält die Treue, die Sünder töten ihn); bei Luther ist es Gott
selber der seinen Zorn entladen und ihn stillen muss
Dogmatik I
- 21 -
o der Mensch der auf Christus schaut, auf die Gerechtigkeit schaut, das ist die
Gerechtigkeit Christi selbst, gilt als iustus, wenn er auf sich selber schaut bleibt er
peccator o der Mensch ist Sünder und Gerechtfertigter zugleich
o mit dieser Denkfigur hat Luther den Zorn Gottes wieder in die Mitte der christlichen
Erfahrung hereingeholt
2.2 der einsame oder kommunikative Gott: begriffliche Präzisierung im konfliktiven Prozess
2.2.1 mittelplatonische und stoische Logoslehre
- ist Gott einsam? Sind Gott und die Welt ein und dasselbe?
- die Sprache des Dogmas – und das ist Zentrum der Christologie – ist am Punkt angelangt,
wo beide Sprachen verbunden werden: philosophische Bibelkritik (unterschiedliche
Aussagen) und die Frage nach der Bedeutung von Jesus Christus
- der Ansatz für diese Problematik ist vor Christus zu suchen, in der Philosophie von Philo von
Alexandrien
o lebte in Alexandrien (Ägypten)
o der aufgeklärte Stoiker und Mittelplatoniker versucht seinen griechischen Freunden zu
beweisen, dass die Schriften des AT nicht widersprüchlich sind, dass Gott den
Mustern der philosophischen Kritik gerecht wird: Leidensunfähigkeit und
Unveränderlichkeit (Apateia)
Veränderung ist wenn eine Möglichkeit zu einem Zustand wird (Bewegung)
o Leidensfähigkeit wird als Bewegung der Seele gedeutet
o Philo versucht, die atl Schriften demgegenüber durchzuziehen und betreibt
philosophische Bibelkritik
o auch er spricht von Anpassungen Gottes an das menschliche Begriffsvermögen
(deshalb spricht Gott in Geschichten)
o er führt jene Figur hinein, die für christliche Spekulationen von entscheidender
Bedeutung sein wird: gemäß Philo geschieht die Offenbarung Gottes in der
Geschichte bereits durch den Logos
o der Logos sei Schöpfungsmittler, dh durch den Logos schafft Gott die Welt
o Philo siedelt den Logos als Grenzscheide zwischen Schöpfer und Geschöpf an;
Logos unterscheidet Geschöpf vom Schöpfer
ist Fürsprecher des Sterblichen, andererseits Abgesandter des Herrschers
weder als ein Ungeschaffener wie Gott noch wie die Menschen geschaffen,
also in der Mitte
o der wahrhafte Gott ist nur einer, der Begriff „Götter“ aber sind mehrere
o deshalb hat auch die Hl. Schrift an der Stelle Gen 31,13 den in Wahrheit existierende
Gott mit dem Artikel bezeichnet und gesagt, „ich bin ‚der’ Gott“; ein Gott, der im
uneigentlichen Sprachgebrauch bezeichnet wird bezeichnet man ohne Artikel
ist eine grammatikalische Spitzfindigkeit
wird zitiert, weil den gleichen hermeneutischen Schluss wird bald darauf
Origenes ziehen zur Auslegung des Johannesprologs
o Philo als der erste vorchristliche Autor, der das mittelplatonische Denkschema zur
Deutung der biblischen Schriften verwendet und darin von einen alexandrinischen
Kirchenvätern fruchtbar benutzt wird
der erste Clemens von Alexandrien zB hat Philo gelesen und kann davon
reden, es gäbe den Logos als Gedanke Gottes, der zu einer
Hypostase/Substanz am Anfang der Schöpfung wird und dann wird dieser
Logos mit jenem Fleisch verbunden, das aus Maria, der Jungfrau, geboren
wird; und damit kann Clemens auf eine philosophische Art und Weise erste
Ansätze einer Inkarnationsthese schaffen
auch Justin und Tertullian denken ähnlich
Dogmatik I
- 22 -
- Origenes von Alexandrien, wohl der größte Gelehrte der damaligen Zeit
o er übernimmt das mittelplatonische Weltbild und liefert als erster ein Schema, in
dem das Christentum fortdauernd die biblische Tradition auslegen kann
o er knüpft an Philo und an den Johannesprolog: er entdeckt, dass es im Prolog einen
doppelten Sprachgebrauch gibt, und nur
1. Erschaffung 3. Erlösung
2. Fall 4. Apostasis
o in aller Ewigkeit, der absolute Ursprung, sonder gleichen, ist , in sich
ruhend, als absolute Einheit, und dieser Gott entlässt in Ewigkeit aus sich heraus in
Gedanken eine Größe die sich von ihm unterscheidet (der Gedanke/das Wort
Gottes), und das ist der , und das ist o durch diesen Logos, und das ist die Grenzscheide; durch den Logos hindurch die
erste Hierarchie der Engel, die zweite Hierarchie der Engel und dann die
menschlichen Seelen; auch die Seele Jesu ist in diesem präexistenten (also vor der
Schöpfung) Raum gegenwärtig
o die mögliche Welt vermittelt durch den ersten Gedanken, abgestuftes Modell
o das hat nur Sinn, wenn die Seelen auf den Logos schauen und der Logos schaut den
Vater
o nun sind die Seelen der Menschen in der Ewigkeit der Anschauung des Logos
überdrüssig geworden oder sie wurden neugierig auf das, was unten ist, und die
Folge war der große Abfall, und das ist der Punkt, wo die Schöpfung kommt, wo die
Materie dazu kommt, wohin sich die Seelen als Seelenfunken hineinverirren
o die Seele Jesu bleibt dem Logos treu
o wir haben jetzt nun die Schöpfung der Materie mit den Seelenfunken aller
Menschen (Erschaffung-Fall), und jetzt setzt Origenes mit seinem Programm der
Erlösung ein: die Erlösung besteht: der Logos, der an der Grenzscheide steht, steigt
herab, verbindet sich mit der Seele Jesu die dort blieb wo sie sein sollte, steigt nun
bewusst in die Materie herab (die präexistente Seele Jesu in Verbindung mit dem
Logos) nimmt Fleisch durch Maria (→ Fleischwerdung) an und sucht die
Seelenfunken in der Materie
o wenn sie die allerletzten Funken gefunden haben ist die Sache beendet, dh sie
suchen bis zur Apokatastasis, dh Wiederherstellung, bis die letzten Funken wieder
zurück auf die Stufe geraten, damit das Bild ist, wie es früher war
1. Hierarchie der
Engel
2. Hierarchie der Engel
Seelen der Menschen
* Seele Jesu
Materie
Dogmatik I
- 23 -
o die Seele Jesu wird für ihre Treue belohnt darin, dass die Verbindung mit dem
Logos seinsmäßig verfestigt wird und die Seele Jesu darf in dieser
wiederhergestellten Ordnung an die Stelle des Logos rücken
o Origenes systematisiert viele biblische Impulse
o dass das Ganze wieder passiert, ist möglich
o dieses Denkmodell qua Denkmodell wurde abgelehnt, genauer die
Wiederholbarkeit des Systems
o das ist ein Präexistenz- und kein Seelenwanderungsmodell
o das ist das Denkmodell, bei dem mit der Grenzscheide des Logos gearbeitet wird, ist
der begriffliche Denkrahmen der Kirchenväter bis in die Mitte des vierten Jh., bis
Athanasius der damit bricht
→ Logos, identifiziert mit Sohn Gottes, sei eine Grenzscheide zwischen Gott
und der Menschheit
- zu einer großen Herausforderung kommt dieses Denkmodell durch einen Priester namens
Arius von Alexandrien o Arius hat das origenische Denkmodell übernommen und als erster die Vorstellung
der Grenzscheide infrage gestellt;
o entweder ist Logos auf Seiten Gottes oder er ist auf Seiten der anderen Geschöpfe;
entweder ungeschaffen und Gott oder ist geschaffen
o Arius brachte das Fass zum überlaufen: „geschaffen“
o es gibt keine Vermittlung, es gibt in alle Ewigkeit nur den wahren Gott, der ist
eine geschlossene Einheit, unkommunikativ, der ungeschaffene Vater
o zwischen dem ungeschaffenen Vater und der Welt gibt es keine Kommunikation
o die Monade (dh das Einfache, nicht zusammengesetzt, unteilbar) entlässt zu
Anbeginn der Zeit den Logos
o Unterschied zu Origenes: bei Origenes ist der Logos ungeschaffen und ewig (wie
auch alle anderen Seelen ungeschaffen und ewig sind, weshalb es ein und derselbe
Prozess ist, Abstieg und Aufstieg), Arius zieht die Grenze und das erste und
vornehmste Geschöpf heißt Logos
o das ungeschaffene Eine, das ungezeugte Ureine sei das Urprinzip von Allem, es
gibt keine Möglichkeit dieses Eine je zu erreichen
o der Logos, der auf Seiten der Schöpfung steht ist kein Mittler und keine
Grenzscheide, weil er geschaffen ist
o das ist, was den Stein ins Rollen bringt
o normalerweise wird Arius als Adoptianist verkauft, als einer, der die wahre
Gottessohnschaft leugnet und nur die adoptive Gottessohnschaft annimmt
der Logos verbindet sich mit dem Fleisch und zur Belohnung wird Christus
von Gott adoptiert
da ist eine gewisse Analogie zu Origenes: die Seinseinheit sei eine Belohnung
für die vorhergehende spirituell-ethische Reinheit
o die große Herausforderung liegt bei der Abschaffung des Grenzmittlers und bei
der klaren Entscheidung, dass der Logos geschaffen sei
- das löst eine Krise aus die das Reich zu zerstören droht und Konstantin beruft das Konzil von
Nizäa ein
o Nizäa eine Stadt nicht weit von Konstantinopel
o das Zentrum der Auseinandersetzung war Ägypten (Ägypten-Konstantinopel)
o dieses Konzil ist das erste und wichtigste Konzil des Christentums, wird von allen
christlichen Kirchen akzeptiert; die begriffliche Grundlage für das wird gelegt, was als
begriffliche Trinitätslehre bezeichnet wird
2.2.2 das Konzil von Nizäa 325 (NR 155f)
- das Konzil nimmt das Apostolicum und legt es aus und ergänzt es durch Formulierungen,
die direkt gegen Arius gerichtet sind:
o gezeugt aus der Wesenheit ↔ geschaffen durch den Willen (Wesensnotwendigkeit
↔ Willensfreiheit): gezeugt, nicht geschaffen; dh alles was gemäß dem Willen
Dogmatik I
- 24 -
geschieht ist frei, kann sein, muss aber nicht; Gott hat die Welt frei geschaffen, dh
es hat eine Zeit gegeben, wo es die Welt nicht gab;
o wahrer Gott vom wahren Gott ↔ untergeordneter Gott (durch den wahren Gott)
er ist nicht hierarchisch untergeordnet, sondern auf derselben Stufe
o gezeugt nicht geschaffen ↔ geschaffen
Arius sagt, der Logos ist geschaffen, also ein freier Akt also eine Zeit da es
den Logos nicht gab
die Welt hingegen ist geschaffen, sie ist das Ergebnis göttlicher Freiheit
zeugen widerspricht dem Axiom der Apateia
Gott entlässt aus seinem Wesen, und dh es gab keine Zeit da es den Logos
nicht gab
„Vater“ ist als Begriff nur sinnvoll, wenn es den Sohn gibt, und deshalb ist
Gott seit aller Ewigkeit Vater
o wesenseins (→ ὁμοοúσιο) → unius substantiae cum Patre; die eine göttliche
Ousia (essentia: Wesen) und Hypostase (substantia) des Vaters und des Sohnes
– , das gleiche): Nizäa identifiziert die
Begriffe essentia/Wesen und /substantia/Substanz, der
Vater
das Anliegen des Konzils ist es, die Identität der beiden auszusagen
Schwierigkeit die Nizäa nicht löst, sondern nach Nizäa einen Kampf mit sich
bringt: wie sind beide zu unterscheiden? Wenn sie selben Wesens und selber
Substanz sind, sind sie identisch?
deswegen auch 325 die Übersetzung mit „wesenseins“; ein paar Jahrzente
später wird ὁμοοúσιο mit „wesensgleich“ übersetz, weil die beiden Begriffe,
die identifiziert werden, in nachträglichen Auseinandersetzungen
unterschieden, ja einander entgegengesetzt werden
325 bedeutet ὁμοοúσιο Substanz, beim Konzil von Chalcedon aber Person;
Person ist Frage von Relation, nicht Frage von Substanz
☧
2.2.3 der Kampf um das Konzil
- → der Vater hat dasselbe numerische Wesen wie der Sohn; wie sind sie zu unterschieden?
– Nizäa vernachlässigt die Differenz, legt deswegen für die Gegner des Konzils den
Verdacht nahe, Nizäa wäre modalistisch (Modalismus, lat. modus, Art und Weise): die
Anschauung – unabhängig von der arianischen Schwierigkeit – wer Vater, Sohn und Geist
sind, nämlich ein und derselbe, nur um der Menschen Willen auf verschiedene Art und
Weise offenbart unter verschiedenen Modi (einmal als Vater, einmal als Sohn, einmal als
Geist)
o modi sind bloß Masken (griech. , lat. personae)
o der uns später gebrauchte Begriff Person zur Bezeichnung einer personalen Identität
ist Ergebnis der christologischen Auseinandersetzung
o was verdankt die Welt christologischer Auseinandersetzung? – den Begriff „Person“
o dh die vorhandenen Worte, die es gab, aber etwas anderes bedeuteten, sind im Laufe
der Zeit so transformiert worden, dass sie der Sache entsprechen, und so kam der
Begriff Person für die personale Identität
- danach: kulturpolitischer Umbruch; nachdem das Konzil Arius exkommuniziert und
dogmatisch gegen ihn vorging und das Konzil zu Ende war, sind alle Bischöfe auf die andere
Seite getreten (zur arianischen Partei), alle bis auf einen einzigen: Athanasius von
Alexandrien
2.2.4 Integrationsfigur: Athanasius von Alexandrien
- als Einziger hielt er am Konzil fest, zT sogar stur
- deswegen der Gegenpartei Öl ins Feuer gegossen hat
Dogmatik I
- 25 -
- Synode von Sardika, heute Sofia: Athanasius hat im fortschreitenden Streit durchgesetzt,
dass beide Begriffe identisch sind und damit den Gegnern des Konzils zur Meinung
verholfen, das Konzil wäre modalistisch gewesen (Gott wäre nur eine Monas die sich in
unterschiedlichen Gestalten zeigt)
- Athanasius hielt am Wortlaut fest, wurde vom Kaiser verfolgt, fünf Mal verbannt bis nach
Trier
- er war fähig einzusehen, dass die Gegner des Konzils ein legitimes Anliegen haben,
nämlich das Konzil hat die Differenz nicht ausgesagt
- wenn man ein Kriterium für kirchliche Wahrheit iSe Dogmas hat, dann ist ein Dogma
dann erst eines, wenn das legitime Anliegen der Gegner in die Formulierung eingeht; also
nicht eine sture Wiederholung der Formel, sondern Integration des Gegners (Vatikanum
II: Wahrheit muss gewaltfrei sein)
- Athanasius als die Integrationsfigur par excellence; das Dogma von Nizäa darf als Dogma
gesehen werden, weil es nach der Formulierung zu Aussagen findet, wo Identität und
Differenz ausgesagt werden
- Eusebius: das neuplatonische Weltbild eignet sich wunderbar als weltliche Herrschaft
o Christus als Grenzscheide zum Vater, der Kaiser als Ikone Christi
- Nizäa stellt eine Weltbildrevolution dar, weil Nizäa+Athanasius das Ende des
neuplatonischen Weltbildes mit sich bringt
o verglichen mit Arius: er dachte so, es gäbe keine Grenzscheide, es gibt den
unkommunikativen ewigen Gott und die Geschöpfe, das vornehmste darunter ist
der Logos
o Nizäa ist in der Logik so, es gibt keine Grenzscheide, es gibt nur die
Unterscheidung geschaffen-ungeschaffen, Christus ist nicht Grenzscheide, aber
Logos/Christus gehört an die Seite des ewigen Vaters
dh es ist ein Versuch, und die richtige Ausformulierung wird noch Jahre
brauchen, Einheit und Vielfalt in einem Atemzug auszusagen
→ beachte: unsere menschliche Sprache erlaubt den Unterschied eigentlich
problemlos so auszusagen: ich unterscheide mich von jemand anderem, weil
ich über oder unter ihm stehe (also hierarchischer Unterschied)
das eine, und bei Arius sehr deutlich festgehalten, ungeteilte Wesen Gottes
zuoberst und die große Vielfalt unten
das christliche Gottesbild, das in Nizäa bezeugt wurde ist ein Versuch, Einheit
und Vielfalt ohne die Hierarchie auszusagen; Gott ist in sich vielfältig, ohne
dass hierarchische Unterschiede festgestellt werden, ja mehr noch, es gibt
keine direkte Kommunikation von unten nach oben (keine Grenzscheide), dh
der dreifaltige Gott kann unmöglich als Legitimationsfigur für irdische
Herrschaft gelten!
das dürfte Kaiser Konstantin bald bemerkt haben, dass das Werk des Konzil
kontraproduktiv für politische Herrschaft war, weswegen er sich dem
Arianismus zuwandte (→ Papst ist NICHT Stellvertreter Gottes [= Häresie],
er vertritt den Menschen Jesus)
- wenn die Moderne von der Gleichheit aller Menschen spricht ist das schwierig, wie kann
gleich und unterschieden gehen? Gleichheit hieße ja es gäbe keine Differenzen
o Trinität heißt, es gibt größte Gleichheit und größte Differenz, aber ohne hierarchische
Zuordnung
- ∑: Leistung von Nizäa: Schluss mit dem platonischen Weltbild (bis dahin gängig);
entweder geschaffen oder ungeschaffen, Verlagerung der Differenz in den Begriff Gottes
selbst
o dh der Sohn/der Logos hat dasselbe Wesen wie der Vater
o der eine Gott und zwei verschiedene gleiche Personen
o wie steht es nun mit dem Geist?
Dogmatik I
- 26 -
2.2.5 die subordinatianistische Logik der Pneumatomachen (Geistbekämpfer)
- haben zwar Nizäa anerkannt, der Geist sei aber nur ein Engel
- das Konzil von Konstantinopel versucht die Problematik zu lösen, es vermeidet die
Einführung von philosophischen Begriffen in das Glaubensbekenntnis sondern umschreibt:
o der Geist wird mit dem Vater und dem Sohn angebetet (die Kultform die einzig Gott
zukommt) und verherrlicht
o er hat durch die Propheten gesprochen
- die Diskussion lautete: ist das Wirken Gottes identisch mit dem Wirkend des Parakleten
oder gibt es Unterschiede?
o die Kirche findet mit der Zeit zu großen Unterschieden
- sie sehen im Geist, was Arius im Logos gesehen hat – ein Geschöpf
o einen der ersten geschaffenen Engel
o das Modell, das die Pneumatomachen zur Deutung der Bibel vorlegen: der Sohn sei
zwar wesensgleich, der Geist aber sei ein Geschöpf
- gegen die Pneumatomachen treten die Kappadozier auf (Basilius der Große, Gregor von
Nyssa und Gregor von Nazianz)
o sie reden vom Geist als Gott
o fordern dieselbe Verehrung: Anbetung
2.2.6 Konstantinopel I 381 (NR 250)
- diese Theologie wird 381 im Konstantinopoletanum I dogmatisiert, analog zu Nizäa wird die
Gottheit des Hl. Geistes ausgesagt
- aufgrund der Erfahrung mit Nizäa führt nun keine philosophische Definition zum Ziel,
sondern die biblisch-liturgische Sprache
o Gottheit des Hl. Geistes wird mit dem Begriff „Herr“, „Lebensspender“ (ein
Geschöpf hat das Leben nur, weil es geschenkt wurde; der Geist ist kein Geschöpf
weil er selber Spender des Lebens ist)
o er geht vom Vater aus; für diesen Ausgang des Geistes vom Vater, für die Beziehung
benutzt nun das Konzil keinen direkten Begriff, es wird nur vom Hervorgang aus
dem Vater gesprochen
o die spätere lateinische Tradition ergänzt es mit dem filioque, also er geht auch vom
Sohn aus
o spiratio, Hauchung (der Geist wird ausgehaucht)
- die entscheidende Aussage zur Festlegung des Status des Geistes: er wird mit dem Vater
und dem Sohn angebetet, dh sie sind auf derselben Ebene zu sehen und seine
Heilgeschichtliche Rolle ist das Sprechen durch die Propheten
- dadurch entsteht das Nizäno-Konstantinopolitanum, das Bestandteil der alten Liturgie war
und auch der neuen Liturgie ist
o das Glaubensbekenntnis dogmatisch gefüttert als Rahmen zur Auslegung der
biblischen Geschichte
o damit ist das dogmatische Ringen um die Wahrheit Jesu Christi, die nicht losgelöst
werden kann von der Wahrheit des Hl. Geistes, abgeschlossen → klassische
Trinitätslehre
2.2.7 Identität und Differenz
- Trinitätslehre ist nicht nur eine Aufzählung, sondern Benennung von Vater, Sohn und Geist
und auch Reflexion, wie sie zusammengehören – Einheit und Differenz
o sie haben das eine göttliche Wesen
o sie sind unterschiedliche göttliche Personen
- Gott der Ungeschaffene einerseits, die Welt geschaffen andererseits
- Gott als der Inbegriff von Einheit und Differenz
Dogmatik I
- 27 -
- Nizäa macht klaren Unterschied zwischen geschaffen und ungeschaffen: das Absolute ist
Einheit und Differenz zugleich
o hier wird sowohl die Sprache als auch die Kulturgeschichte auf neue Bahnen gelenkt
o – : die ursprünglichen Begriffe von Nizäa für die Einheit werden
durch die Einheit der Kappadozier einander entgegengesetzt
o der Begriff , der ursprünglich Substanz bedeutet, also der
Naturphilosophie entspricht, wird durch eine kreative Neubildung jene Inhalte
aufnehmen, die bis dahin der alte Begriff (persona, Maske) hatte
o dieser Begriff wird dann mit dem Begriff verbunden, und der
neue Begriff zur Bezeichnung der göttlichen Personen bedeutet beides:
Selbststand (Beziehung) und auch Erscheinungsweise (Maske nach außen)
o als so verstandene (Hypostase des Vaters, Hypostase des Sohnes und
Hypostase des Geistes) stehen diese drei Begriffe der einen Gottes (dem
einen Wesen) gegenüber
- Gott eine Einheit und Differenz zugleich, und zwar eine Differenz, die unendlich ist, in der
alles Mögliche einen Platz hat
- damit könnte man sagen, sei die erste Auseinandersetzung beendet
o Gott ungeschaffen, Einheit und Vielfalt, der offenbarungstheologisch Beziehung
zur Menschheit aufnimmt und sich durch den Logos offenbart und durch ihn
Mensch wird und durch den Geist spricht
o der Logos ist wesensgleich mit dem Vater, wie steht es aber mit dem
menschgewordenen Sohn? Wie ist die Identität des menschgewordenen Sohnes zu
unterscheiden?
2.3 das Ringen um die Wahrheit des einen Gott-Menschen: begriffliche Präzisierung im konfliktiven Prozess
- was wir hier besprechen mündet im Konzil von Chalcedon, diese Frage betrifft liturgisch das,
was die Kirche am 25.3. oder 25.12. feiert, nämlich Menschwerdung des Logos
o bisher besprachen wir die Verhältnisse in der Ewigkeit
o wir haben jetzt das Wesen des Logos, das hat mit Jesus von Nazaret zuerst gar nichts
zu tun, sondern wie seit aller Ewigkeit das Wesen Gottes zu beschreiben ist (noch vor
der Welt)
o dieser Logos nun verbindet sich in der Geschichte mit einer historischen Existenz,
Jesus von Nazaret
- dass er wahrer Gott ist hat Nizäa bereits definiert
- wahrer Mensch? – die Zeitgenossen hatten damit kein Problem
- wegen der Herausforderung der Gnosis und des Doketismus (von griech. , zum
Schein)
o sehr bald nach Tod und Auferweckung Christi hat es aufgrund gnostischer
Versuchungen die Anschauung gegeben, dass das Sichtbare an Christus ein göttliches
Wesen sei, das zum Schein einen menschlichen Leib angenommen hat (Scheinleib)
o der Doketismus, die Gnosis, extrem leibfeindlich, identifiziert das Unheil, die Sünde
mit Materie und es ist für sie unvorstellbar, dass letzten Endes das Göttliche eine
innere Verbindung mit dem Materiellen (dem Leib) eingehen kann
o dem gegenüber das Bekenntnis des Christentums zur incarnatio, zur Fleischwerdung
- diese Auseinandersetzungen sind sehr dramatisch, es gibt Widersprüche, Feindschaften,
Konkurrenz, Hass, Sackgassen, aber schlussendlich auch Versöhnung
o es geht hier nicht nur um theoretische Begriffe (kein Gelehrtenstreit), sondern um
existentielle Deutungen jener Geschichten die mit Jesus von Nazaret verbunden sind
o die politischen Konsequenzen, das bedeutet, dass die weltlichen und geistlichen
Machtträger um den Vorrang rivalisierten
- die Gegend wo sich das Ganze abspielt ist um das Mittelmeer, und die Zentren heißen
Alexandrien, Antiochien – diese beiden Patriarchate sind wie Hund und Katz – und
Konstantinopel
Dogmatik I
- 28 -
o Alexandrien: der Ort der großen Gelehrsamkeit; Origenes, Arius, Apollinaris; im
heutigen Ägypten; Mönche haben Sehnsucht nach der Gottheit, ihre Perspektive ist
Gottheit → Denken von der Gottheit (Askese, Wüste), Menschheit will man
eigentlich überwinden; alexandrinische Position heißt Einigungschristologie (und es
siegt die Gottheit)
o Antiochien: zweites Patriarchat, heute in der Türkei; hauptsächlich Exegeten; sind
differenziert, versuchen die Menschheit Jesu zu betonen und zu retten, um sich von
den Alexandrinern zumindest zu unterscheiden
o beide Schulen müssen gegen Konstantinopel bestehen: meistens kommt der
Patriarch aus antiochenischen Kreisen; die Alexandriner haben in Konstantinopel
ihre Klöster und Äbte, also die Auseinandersetzung verlagert sich in die Hauptstadt,
und dort haben wir die Machtkonstellation: es gibt die alexandrinischen Äbte und
den meist antiochenischen Patriarch
der Ort der Auseinandersetzung ist entweder in Konstantinopel oder in der
Nähe (Nizäa, Chalcedon)
o dann gibt es noch, weit entfernt, Rom: irgendwann greift er vermittelnd ein; dieser
Eingriff von Rom ist die Sternstunde der Dogmatik
Rom
Konstantinopel
Alexandrien Antiochien
- es geht jetzt nur noch um Jesus Christus: was nach Nizäa wesensgleich mit dem Vater ist wird
aus Maria geboren
2.3.1 alexandrinische vs. antiochenische Tradition: Einheit in Christus aus der Perspektive des göttlichen (fleischgewordenen) Logos vs. Unterschied im Christus (Eigenwert menschlicher Seele Christi)
- die alexandrinische Schulde denkt aus der Perspektive der Einheit, und stärker ist die
Gottheit, also sie denken von der Perspektive der Gottheit
o Kurzformel: es geht um den fleischgewordenen Logos (Betonung auf Logos)
- demgegenüber Antiochien: welche Bedeutung hat der Mensch Jesus von Nazaret?
- NB: wichtige Namen Origenes (neuplatonisches Denkmuster), Arius (der Logos ist
geschaffen), Athanasius (prägt und verteidigt Nizäa), Apollinaris
2.3.1.1 Apollinaris und das Konzil von Ephesus 431 (NR 158f)
- er hat ein Denkschema vorgelegt, dass im Grunde jeder versteht und die Christologie lange
prägte: zB ein Glas Wasser: wenn das Glas voll ist und man gibt noch etwas hinein, dann
schwappt es über – wenn das Gefäß voll ist kann etwas neues nur hinzukommen wenn etwas
anderes geht
- wie kann ein Gottmensch gedacht werden? Nur analog zu dem, wie der Mensch konstituiert
ist, und der Mensch ist dreigliedrig konstruiert: / (Fleisch/Leib), (Seele;
damit ist eine niedere Seele gemeint, was man heute die Sinnempfindungen nennt) und dann
(die höhere Seele, der höhere Geist)
- das Zentrum dessen, was den Menschen ausmacht, ist der höhere Geist, von dem alles
Denken ausgeht, er regiert über die Sinne und das Fleisch, dh der Mensch ist Mensch weil er
die Vernunftseele hat
- wie ist dann Christus zu denken?
o in Christus ist der Logos
o der Logos kann nicht an die Stelle des Fleisches gesetzt werden, denn Christus hat
gelitten und wurde ans Kreuz geschlagen
Dogmatik I
- 29 -
o hatte er, da er leiden musste, er muss auch haben, aber in Christus wird
die menschliche Vernunftseele durch den Logos ersetzt; dh Jesus ist eine Mischung
o also Christus:
menschliche
menschliches
o → später kommen Denker die von Christus als „himmlisches Maultier“ sprechen
o entscheidend ist der göttliche Logos, von dem alles ausgeht
- man hat diese Position später Monophysitismus genannt (eine Natur), und zwar weil vom
Logos sämtliche Tätigkeiten ausgehen, weil Logos die ganze sinnliche Seele und das
Fleisch überblendet, ist Christus nichts anderes als eine fleischgewordene Natur, und zwar
göttliche Natur (Kurzformel des Apollinaris: : eine fleischgewordene Natur)
- diese Position Apollinaris’ erregt Anstoß bei einem Jerusalemer Patriarchen, und diese
Formulierung () wird bei einer partikulären Synode in Rom als häretisch verurteilt
o eine häretische Formel des Apollinaris, im Umkreis der Alexandriner
o NB: bisherige Erzketzer: Markion, Arius, Apollinaris (Monophysitismus)
- die Gegenposition vertreten die Nestorianer
2.3.2 der unglückliche Vermittler Nestorius im Streit der Priester/Mönche und der Eifer des Cyrill von Alexandrien
- Antiochien, große Schule der Exegeten, einer der berühmtesten war Theodor von
Mopsuestia, der einen Schüler Namens Nestorius hat, der dann Patriarch wird, und Theodor
muss Konsequenzen für seinen Schüler tragen
- NB: diese Nestorianische Kirche breitete sich bis in die Mongolei und nach China aus; wäre
die Auseinandersetzung etwas versöhnlicher gelaufen und hätte man Nestorius nicht als
Sündenbock geopfert, wer weiß, wie die Weltkarte heute aussähe
- der Patriarch von Alexandrien, Nestorius, ist konfrontiert mit einem fleißigen Prediger, der
Marienpredigten hält, und darin spricht er ständig davon, dass Maria eine ἄνρωποτόκος
(Menschengebärerin) war
o Nestorius schlägt dem Prediger vor, er soll nicht von ἄρωποτόκος reden, sondern
von (Christusgebärerin)
o wer ist Christus? Wo der ewige Logos mit dem Jesus von Nazaret in Erscheinung
getreten ist
o Maria wäre also nicht Menschen- sondern Christusgebärerin
o Nestorius sagt , der Patriarch von Alexandrien (Cyrill) sagt das sei
Häresie, denn Maria sei vielmehr (Gottesgebärerin)
o → eine fleischgewordene göttliche Natur
- Wie denken wir über Jesus Christus? Eine Natur will sich gegen eine andere durchsetzen?
Das wäre das apollinarische Modell, die göttliche Natur verdrängt etwas vom Menschen. Das
Alexandrinische Modell hat eine subtile Rivaltiätsanfälligkeit; Nestorius versucht zu
vermitteln in einem Streit
- Cyrill drängt auf ein Konzil, die Patriarchen streiten, das Konzil wird nicht in Konstantinopel
einberufen sondern in Ephesus
- es gibt eine Identität des Sohnes, die zurück hinter die Schöpfung geht – dafür bürgt Nizäa,
der ewig wesensgleiche Sohn: er wird in der Zeit geboren, aber geboren auf welche Weise
und als wessen Sohn?
o das Denkmodell das gleich da ist, ist die Frage nach der Mischung: ist es eine
Kreuzung aus Mensch und Gott? Transformation des menschlichen Fleisches?
o die Versuchung die Identität Christi so zu denken hat es gegeben, es gibt sie auch in
verschiedenen Kirchen der alexandrinischen Tradition (→ die alexandrinische
Versuchung);
Kurzformel dieser Vermischung, die als „apollinarisch“ verurteilt wurde, eine
fleischgewordene göttliche Natur
Dogmatik I
- 30 -
o die antiochenische Schule versucht zu unterschieden zwischen Gott und Mensch, die
Gegner unterstellen ihnen eine Trennung, eine zwei-Söhne-Lehre;
o der große Krach zwischen den beiden Schulen war dann die „Räubersynode“, wo sich
dann mit Gewalt die Monophysiten durchsetzen (die eine , die etwas vom
Menschen angenommen hat)
o dann die Reaktion aus Rom: Tomus Adflavianum, der Brief Leos an den abgesetzten
Patriarchen von Konstantinopel
Leo nimmt die Entwicklung auf und versucht zu vermitteln
dieser Brief an Flavian wird zur Grundlage dessen, was wir orthodoxe
christologische Formel der alten Kirche nennen
2.3.3 Konzil von Ephesus 431 (NR 160-163, 167, 172)
- die Alexandriner und Antiochener reisen nach Ephesus, die Alexandriner waren schneller da
- Cyrill mit seinen Getreuen kam an und nutzte die Gunst der Stunde und eröffnete das Konzil
- das Konzil von Ephesus besteht eigentlich aus zwei Versammlungen: die Alexandriner halten
Konzil ohne die anderen, sie exkommunizieren Nestorius und dogmatisieren ihre Position
- vier Tage später kommen die Antiochener an und exkommunizieren die Alexandriner
- aber auf welcher Seite steht nur der Kaiser?
- Ergebnisse: NR 160-162: Maria als , das Wort der hat sich dem
Fleisch nach geeint und es ist eine seinshafte Vereinigung
o die Alexandriner haben die Position als Lehre von zwei Söhnen verstanden, nämlich
den Sohn des Vaters (der in Ewigkeit aus dem Vater geboren ist) und den Sohn Mariä
(der in der Ewigkeit aus Maria geboren wurde)
- → zwei Versammlungen in Ephesus, sich gegenseitig exkommunizierend, jede Partei
verzerrt die gegnerische Position bis zur Unkenntlichkeit
- die Antiochener haben Recht wenn sie den Alexandrinern vorwerfen auf eine häretische
(apollinarische) Weise zu reden, die Alexandriner werden den Antiochener eine zwei-Söhne-
Lehre vorwerfen (was Nestorius nie gelehrt hat!)
o NB: Nestorianismus ist eine häretische Position, aber Nestorius hat das nie gelehrt;
Nestorianismus ist: zwei Söhne, der Sohn des Vaters und der Sohn Mariens, die sich
voneinander nicht nur unterscheiden, sondern getrennt gedacht und nachträglich in
eine Verbindung gebracht werden
2.3.3.1 polemische Dogmatisierung in Ephesus
- Fazit: Cyrill: Maria sei , denn das beseelte Fleisch Jesu hat seine Subsinstenz im
ewigen Logos; Einheit in Christus: gemäß der und gemäß der o Einheit gemäß der Hypostase ist problematisch, weil Hypostase zu der Zeit noch
mit der Physis identisch ist → also zu dieser Zeit monophysitismusverdächtig (ist
also ein Extrem zu dieser Zeit)
o Cyrill dogmatisiert das in Ephesus, die Gegenversammlung wird kaum gehört
o der Kaiser aber pocht auf Versöhnung und zwei Jahre nachher kommt es zu einer
Versöhnung
- Integration der berechtigten Anliegen der Gegner (Versöhnung auf Kosten des
Sündenbocks Nestorius) – man einigt sich auf Termini, und das war möglich, weil man die
lebendige Rivalität ausschloss, im Klartext, dass Nestorius fallen gelassen wurde
o vor der Versöhnung: Antiochener: Jesus sei ein (Maske), in der zwei
Hypostasen und zwei Naturen sind;
o die Rede der Alexandriner war anderes: Christus sei eine Natur und eine Hypostase,
die Fleisch geworden ist
Dogmatik I
- 31 -
Antiochener Alexandriner
1 Prosopon 1 Natur
2 Hypostasen 1 Hypostase
2 Naturen 2 Naturen
- die Antiochener verzichten auf die Redeweise von zwei Hypostasen (menschlich und
göttlich) in Christus, die Alexandriner verzichten auf jene Redeweise, die ausdrücklich als
apollinarisch verurteilt war, nämlich von einer Natur (fleischgewordene Natur)
- auf diese Art entsteht der neue Begriff 1 Hypostase, 1 Prosopon, 2 Naturen
- also, neue Sprache wurde gefunden; man könnte sagen, das Problem sei erledigt – es war eine
politisch korrekte Lösung (und das ist eine sprachliche Regelung, die aber nicht lebendige
Konflikte löst)
2.3.3.2 Eutyches und die Räubersynode 449
- Cyrill ist weg, es kommt Eutyches der meint, die Sache weiter klären zu können und sagt, es
hätte schon zwei Naturen gegeben, aber vor der Einigung, danach sei doch nur eine Natur
übriggeblieben
- er ist derjenige, der ausdrücklich das Bild vom „himmlischen Maultier“ verwendet
- hier wird der Monophysitismus in Reinkultur gelehrt
- → das ist die nächste Generation (erste Generation waren Cyrill und Nestorius)
- hier ist Flavian in Konstantinopel Patriarch (kommt aus Antiochien)
o er verurteilt den Eutyches woraufhin die aufgebrachten Alexandriner die so genannte
„Räubersynode“ in Ephesus veranstalten,
o sie setzen Flavian dort ab, sie rehabilitieren Eutyches
o „Räuber“synode, weil Gewalt ausgeübt wurde, weil Menschen gezwungen wurden
Dinge zu unterzeichnen, die sie nicht wollten
- was klar bleiben muss sind die Positionen: wir sind unterwegs zu Formeln; eine dramatische
Auseinandersetzung zwischen Parteinen die die Gottheit betonen, bzw. die die
Menschheit betonen
- der Patriarch von Konstantinopel wird also abgesetzt, Eutyches wird rehabilitiert (Jesus
Christus ist ein himmlisches Maultier, vermischt)
- auf diese Situation hin greift endlich Rom ein
2.3.4 geglückte Vermittlung aus Rom: Papst Leo I. (NR 173-177)
- dieser Eingriff aus Rom gilt in der Dogmengeschichtsschreibung als das Paradeexempel
einer Vermittlungsaktion durch den Papst, der in einen lokalen Konflikt eingreift und
Erfolgt hat
- der Brief des Papstes Leo an Flavian (tomus Leonis), den abgesetzten Patriarchen von
Konstantinopel, der den Patriarchen unterstützt, ist vermutlich das geglückteste Beispiel der
dogmatischen Literatur
- NR 173-177 ( für die Prüfung alles durchlesen!)
- 173: der ewige Logos ist vom Hl. Geist und der Jungfrau geboren worden; das
antiochenische Zerrbild (zwei Söhne, zwei Geburten) → Leo: ein und derselbe in der
Ewigkeit und in der Zeit
o hier wird das Modell der Rivalität ausgeschlossen
- 174: Eigentümlichkeit beider Naturen, das Eine wird durch das Andere nicht ersetzt
- 177: „Denn es wirkt jede der beiden Naturen in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr
eigen ist“ ( diesen Satz sollte man auswendig kennen)
o nicht gegeneinander, sondern in Kooperation, in Gemeinschaft mit der anderen
o Gretchenfrage: was wirkt das Wort? was verrichtet das Fleisch? Wort = ,
= menschliche Natur
dogmatisch relevant ist, dass er gelitten hat, und zwar das Fleisch (die
menschliche Natur) hat gelitten
Dogmatik I
- 32 -
das Wort, als Logos, ist eigentlich leidensunfähig
o Idiomenkommunikation: ist eine sprachanalytische Regel dogmatischer Art, wie
Eigentümlichkeiten einer Natur ausgesagt werden können über die einer Person –
wer hat gelitten? – Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch? Streng genommen
die menschliche Natur, trotzdem ist es sinnvoll, was die menschliche Natur erfahren
hat von der ganzen Person auszusagen (→ ungetrennt und ungesondert)
Eigentümlichkeiten können konkret ausgesagt werden
- Leo der Große, von Gott erleuchtet:
o ein und derselbe
die ewige Geburt
die zeitliche Geburt
o Eigentümlichkeiten beider Naturen
o in einer Person (persona)
in der vollkommenen Natur eines wahren Menschen
der wahre Gott geboren
o Kooperation jede
in der Gemeinschaft mit der anderen
war ihr eigen ist
o Idiomenkommunikation - der Brief des Papstes an Flavian: Identität und Unterschied von Mensch und Gott in Jesus
Christus; Leo hat gelernt, dass man die Differenzen durch Unterscheidungen und nicht durch
Trennungen aussagen kann
o Antiochener haben Alexandrinern unterstellt sie trennten, sie lehren zwei Söhne
2.3.5 Chalcedonisches Wunder 451 (NR 178)
- NR 178 ( auch diesen Satz auswendig lernen): „Wir bekennen einen und denselben
Christus, den Sohn, den Herrn, den Einziggeborenen, der in zwei Naturen unvermischt,
unverwandelt, ungetrennt und ungesondert besteht.“ → der Eine und Selbe in zwei
Naturen: unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und ungesondert
- Konzil findet statt angesichts der angespannten Lage
- 450 stirbt Kaiser Theodosius, ihm folgt eine Kaiserin – das Konzil von Chalcedon ist das
Werk einer Frau
- es geht um eine neue Formel, eine Versöhnungsformel
- die Formel, die dieses Konzil bringt, sammelt die Ergebnisse theologischer Diskussionen, sie
bezieht nicht Stellung für eine Position; Flavian wird rehabilitiert, auch die antiochenische
Schule (die bei der Räubersynode exkommuniziert wird)
- das Konzil versucht ein Gleichgewicht zwischen Alexandrien und Antiochien zu finden, es
findet also zu einer Formel, die die altkirchliche Christologie auf den Begriff bringt:
hypostatische Union (dh Verbindung gemäß der Hypostase; Hypostase hieß zur Zeit von
Nizäa Substanz [man landet bei den Alexandrien], zur Zeit von Chalcedon aber heißt der
Begriff schon Person)
o die Kurzformel: ein und derselbe in zwei Naturen, unvermischt und ungetrennt,
NR 178
o eine klare dogmatische Formulierung, die die bisherige Entwicklung rekapituliert,
bestimmte Positionen aufsammelt und versucht den Mittelweg zu gehen
o das ist an sich das Zentrum:
gegen Nestorianismus (zu Unrecht mit Nestorius verbunden; eine Häresie die
in den Köpfen der Gegner existiert) betont Chalcedon die Einheit der Naturen
(gegen die Formulierung „einer und ein anderer“)
gegen Monophysitismus (zu Deutsch eine Natur; zuerst Apollinaris, jetzt
Eutyches) klar festgehalten die zwei Naturen (wahrer Gott und wahrer
Mensch)
die ewige Geburt aus Gott, die zeitliche Geburt aus Maria
Dogmatik I
- 33 -
man hat dem Nestorianismus unterstellt es gäbe zwei Personen, der
Unterschied zu Chalcedon: ein und derselbe in zwei Naturen, und die
beiden werden unterschiedlich beschrieben, die eine ewig aus Gott
geboren, zwei verschieden Naturen in ein und demselben
die Eigentümlichkeiten werden nicht vermischt/verwischt
kann man Einheit denken, ohne dass Unterschiede aufgehoben werden?
Chalcedon legt programmatisch ein Modell vor, Einheit ohne das Aufheben
von Unterschieden
unvermischt und unverwandelt gegen Apollinaris/Eutyches
ungetrennt und ungesondert gegen Nestorianismus
- warum das Ganze? → um uns und um unseres Heiles willen
- Gehalt: o aus Nizäa: wahrer Gott und wesensgleich mit dem Vater
o aus der Verurteilung Apollinaris: wahrer Mensch bestehend aus einer
vernünftigen Seele, einem Leib und damit wesensgleich mit dem Mensch
o aus Ephesus: Gottesgebärerin
o aus dem Schreiben Leos: die eine Hypostase, die zwei Geburten, die Bewahrung
der Eigentümlichkeiten der zwei Naturen
- wir haben hier das zentrale Dogma der östlichen und westlichen Kirche, bis auf die
monophysitischen Kirchen; es ist Basis der altkirchlichen kirchlichen Entwicklung
- die Sprache des Dogmas ist die Sprache der Einheit
o man muss bedenken, welche Positionen integriert wurden: Auseinandersetzungen
Alexandrien-Antiochien
- was ist von Chalcedon unberücksichtigt geblieben? Was gab Anlass für Streitigkeiten?
o unberücksichtigt, und damit auch gleich nachfolgend Anlass zu Streitigkeiten und zu
Verführung in Richtung einseitige monophysitische Interpretation, ist jene
Formulierung von Leo „es wirkt jede Natur was ihr eigen ist“
Chalcedon nahm die These von Leo, dass die Eigentümlichkeiten bestehen
bleiben (Mensch: Hunger, Durst, Leid, Begrenzung, …)
Leo sprach nicht nur von den Eigentümlichkeiten, sondern davon, dass jede
Natur „wirkt“ was ihr eigen ist
bei Leo ist ein klarer Hinweis, es geht auch um Wirken und Handeln, und das
hat mit dem Willen zu tun; es gibt einen indirekten Hinweis auf den Willen
Jesu: dass es zwei Naturen gibt, göttlich und menschlich, als Abwehr des
Monophysitismus, aber was beinhaltet die Natur? Wie steht es mit dem
Willen?
bei Leo der Hinweis, dass jede Natur „wirkt“
Chalcedon nimmt das „wirken“ nicht auf, um die extremen Monophysiten
integrieren zu können, denn für sie ist das Stein des Anstoßes: die Angst, das
Heil des Menschen könnte von menschlichem Wirken abhängig sein, und
damit kontingent, erschreckte – es hätte so oder anders geschehen können
die Mönche dachten radikal in der von Athanasius festgelegten Bahn: das
Wort wurde Fleisch damit wir vergöttlicht werden – Gott ist der Handelnde
um diese extremen monophysitischen Kreise zu gewinnen vermied das Konzil
bewusst jene Anspielung, die schon im Text von Leo da ist
die Folgen waren baldige Streitigkeiten
o das Konzil klärt nicht auf, von welcher Art die Hypostase ist
das Konzil hält fest: die beiden Naturen gehen in eine Person oder Hypostase,
sagt aber nicht aus, was diese Hypostase sei
in Chalcedon könnte man die Hypostase als einen formalen Begriff begreifen,
Träger der Natur
das war der Fortschritt: wenn zwei Streitparteien da sind, die einen sagen zwei
Naturen und zwei Personen und die anderen eine Natur und eine Person, war
die Vermittlung einen Begriff ins Zentrum zu stellen („eine“ Hypostase,
„zwei“ Naturen), jeweils von einer der Parteien
für die Beschlüsse des Konzils ist der Begriff Hypostase ein formaler Begriff
Dogmatik I
- 34 -
→ diese Klärung erfolgt beim II. Konstantinopoletanum
- warum ist Chalcedon wichtig?
o stellt eine Richtschnur für die kirchliche und theologische Entwicklung dar, leider
zu wenig beachtet
o Chalcedon ist der Akt, indem mythologisches Denken überwunden wurde
mythologisches Denken vermischt
mythologische Wesen sind Vermischungen, hybride Gestalten
der spezifische Begriff von R. Girard: Mythos iSv Girard ist, sie vergöttlichen
ihre Opfer – der auf dem Höhepunkt des Taumelns getötete Sündenbock (das
Opfer) wird zur Projektionsfläche aggressiver Gewalt einer speziellen Gruppe
(→ mysterium tremendum), kann aber auch Friedensbringer sein (→
mysterium fascinosum)
es ist der Mensch, der durch Projektionen zu göttlichen Attributen kommt
Mythos vergöttlicht – der Mensch, dem göttliche Prädikate (zu Unrecht)
zugeschrieben werden
das wird zurechtgerückt auf der Ebene der Definition: Göttliches und
Menschliches sei in Jesus unvermischt, verbunden und das so, dass es
unverbunden ist
→ das sind alles Negativformulierungen; Richtlinienaussagen, was auf jeden
Fall falsch ist
man kann unterscheiden und doch eine Einheit leben!
o Überwindung des griechischen Denkens: wir sind auf dem Weg das kosmologische
Denken durch das personale Denken zu ersetzen
Christentum inkulturiert sich zwar in die griechische Umwelt, aber dies
Inkulturation geschieht gerade so, dass eine neue, personale, Kultur
herausgebildet wird („Person“ war kein Thema für das alte Denken)
Chalcedon ist ein Meilenstein bei der Entwicklung des personalen Denkens
Christologie und Trinitätslehre als Basis für dieses Denken; Person –
– ergänzt durch relatio (Beziehung; ist für Aristoteles
ein Akzidens, kann also sein, muss aber nicht damit das Seiende seiend ist)
2.3.6 der Monophysitismus und die Faszination des Mythos – II. Konstantinopoletanum (NR 183f, 186)
- die Klöster waren stark, es gelang ihnen immer wieder, die nachfolgenden Kaiser auf ihre
Seite zu ziehen, denn diese waren nur recht lau, sie haben das Konzil nur recht lau unterstützt
- die Gegner werfen dem Konzil vor, es wäre im Grunde nestorianisch gewesen und die Kirche
begegnet dem damit, dass sie die nestorianischen Kirchen an den Rand drängte
- zur Verschärfung kommt es, nachdem Kaiser Justinian an die Macht kommt, er ist so etwas
wie der antike Joseph II.
o er glaubt den Streit zwischen Chalcedonenser und Monophysiten schlichten zu
können, er geht den Monophysiten entgegen, verurteilt selber, weil er sich als
Theologe und Herr der Kirche fühlt, verurteilt die Antiochener deswegen, den
Theodor von Mopsuestia
o der Westen ist entsetzt, aber der Kaiser verschleppt den Papst nach Konstantinopel
und zwingt ihm, der Verurteilung zuzustimmen
o der Kaiser inszeniert nun das Konzil 553
o damit das Konzil Gültigkeit erlangt muss der an sich unabhängige Bischof von Rom
zustimmen, aber Vigilius ist in Konstantinopel
o der Westen ist noch mehr entsetzt, der Kaiser drängt sogar auf die Exkommunikation
des Vigilius, dazu kommt es aber nicht, weil Vigilius sich letzten Endes auf die
Gespräche einlässt
o es wird eine Kirchenversammlung abgehalten mit einer klaren Lehre, die zuerst
Chalcedon aufnimmt, wobei eine Interpretation stattfindet
Dogmatik I
- 35 -
um den Monophysiten entgegen zu kommen wird Schwerpunkt auf die
Einheit in Christus gelegt, dh alles wird gelesen durch die Brille der
ägyptischen Monophysiten
- neu ist der Begriff der Hypostase bei der Hypostatischen Union:
o Hypostase, die Chalcedon nicht definierte: die Hypostase um die es hier geht ist jene
des Sohnes; es gibt keine weitere Hypostase, keine weitere Person
o Hypostatische Union gemäß der Hypostase ist die Hypostase der zweiten Person
in der Trinität
o Klartext: es gibt keine menschliche Hypostase in Jesus Christus, keine
menschliche Person
o man spricht deswegen ab diesem Zeitpunkt von der Anhypostasie der menschlichen
Natur – die menschliche Natur Christi existiert verankert in der göttlichen
Hypostase und es gibt keine menschliche Hypostase
o altkirchliches Modell: göttliche Natur + menschliche Natur → göttliche Person –
diese göttlicher Person des Logos ist der göttlichen Natur identisch zuzuordnen – es
gibt keine menschliche Person
die Nestorianer wurde als zwei Naturen, zwei Personen gedeutet
die orthodoxe altkirchliche Christologie: in der göttlichen Person des Logos
sind unvermischt göttliche und menschliche Natur verbunden
o was ist aber Natur? Erkennen und Wollen; was wir heute mit „Person“ verbinden, ist
im alten Denken mit „Natur“ identisch, erkennen und wollen sind Vollzüge der
Natur → in Christus gibt es menschliches Erkennen und Wollen
o was ist dann die Person? Zur Zeit von Chalcedon ist das nur der Träger, ein formaler
Begriff – ein inhaltsleerer Rahmen? Schon zu diesem Zeitpunkt musste gesagt
werden, dass das Sohn-Sein (subsistierende Beziehung) Person ist
o Rahner: Person Jesus von Nazaret ist die Beziehung vom Vater zu ihm und seine
Beziehung zum Vater – im Unterschied zu uns, die wir fragmentarisch Kinder Gottes
sind, lebte Jesus aus einer exklusiven Beziehung zum Vater
hier ist nicht jener Personenbegriff der modern autonom gedacht ist und auch
nicht jener Begriff, denn dann Boethius auf den Begriff gebracht hat
Person also als Beziehung
o Hypostatische Union heißt Einheit gemäß der Hypostase des Logos
- der zweite Punkt: um den Monophysiten weit entgegen zu kommen beschließt die
Versammlung, dass der Unterschied zwischen beiden Naturen nur theoretisch aufzufassen
sei (NR 186)
o die Vorstellung: es gibt die menschliche Natur in Christus, aber die sei etwa
ähnlich dem Essigtropfen im Ozean: es gibt ihn zwar, aber auswirken tut er sich
nicht
o wenn schon Mensch, dann unwichtig
o Satz von Leo: es wirkt jedes, was das ihrige ist, und es gibt also doch zwei Zugänge
2.3.7 Einigungsversuche angesichts des voranschreitenden Islams
- 630 gelingt zwar der Sieg über die Perser, aber 630 ist das Jahr, indem Mohammed von
Medina nach Mekka zurückkehrt
- dh die alte Kirche ist konfrontiert mit einer neuen geistigen Kraft
- es waren 300 Jahre erbitterte Streitigkeiten zwischen Patriarchaten (Alexandrien, Antiochien,
Konstantinopel, Mönche, …)
o Ägypten als Bollwerk der Mönche die verstritten sind, aber gemeinsam gegen
Konstantinopel vorgehen
o 300 Jahre Streitigkeiten zur Christologie
- die durch die Streitigkeiten ermüdete Kirche Ägyptens und Afrikas vermag der
Herausforderung und der Einfachheit des Islams keinen Widerstand mehr zu leichten – es
findet ein Paradigmenwechsel statt
Dogmatik I
- 36 -
o Islamisierung war nicht friedfertig, es waren Kriege, aber es gibt analoge
Situationen in der Weltgeschichte; starke geistige Strukturen vermochten über
Jahrzehnte geistigen Widerstand zu leisten
o es hat mit der Schwäche des damaligen Christentums zu tun, einer Schwäche durch
Streitigkeiten
- angesichts dieser neuen Kraft gibt es einen letzten unseligen Vermittler, der zwischen den
noch immer starken monophysitischen Kräften und den Chalcedonenser vermitteln will ist
Patriarch Sergius, anders als Justinian
o er knüpft bei jener Problematik an, die den Monophysiten Dorn im Auge war: der
menschliche Wille – gab es in Christus menschlichen Willen oder nicht?
o Sergius bezieht sich auf die Exegese in Mk 14,36 („Nicht mein Wille geschehe
sondern dein Wille geschehe“)
o Sergius liest daraus folgendes Schema ab:
menschlicher Wille : nicht leiden
göttlicher Wille : leiden
menschlich göttlich
deswegen: kein menschlicher Wille
o damit glaubt Sergius die Monophysiten zu ködern: wenn es in Jesus nur den
göttlichen Willen gibt, ist unser Heil allein in der Gottheit verankert und somit
gesichert
o er ist Patriarch von Konstantinopel, schreibt einen Brief nach Rom zu Papst Honorius
und unter der atmosphärischen Stimmung der Bedrohung stimmt Honorius dieser
Formel förmlich zu und der Kaiser Heraklius glaubt die Stunde der Versöhnung
gefunden zu haben, er erhebt die Lehre zur offiziellen Staatslehre
→ Fundamentaltheologie: kann der Bischof von Rom einer dogmatisch
falschen Formel zustimmen?
Papst Honorius ist jener Papst, der eigentlich einen dogmatischen Fehler
begangen hat
o Bedrohung – Vermittlungsversuch des Patriarchen – Zustimmung des Papstes –
Kaiser macht daraus Staatslehre
o es meldet sich ein einziger Zeuge: Maximus Confessor
2.3.8 Entmythologisierung durch Maximus Confessor
- nach Athanasius die zweitgrößte Gestalt der alten Kirche
o Leo ist ein großer Vermittler, muss aber nicht unter Gefahr etwas bekennen –
Athanasius wurde zwar kein Martyrer, aber er bürgte mit seiner Existenz für die
Wahrheit
- lebte 580-662, einer der großen Gelehrtengestalten, beinahe Martyrer
- Maximus meldet gegen das Modell Sergius’ Widerspruch an und ebnet dem nächsten Konzil
den Weg und löst und schließt ab was orthodoxe Christologie wird:
o im Gebet Jesu sind nicht nur zwei Willensäußerungen am Werk, sondern drei; er
formuliert das „ich will nicht“ zu einem vormoralischem Instinkt
vormoralischer Instinkt : nicht leiden
göttlicher Wille : leiden
menschlicher Wille : „Vater, …, aber dein Wille geschehe“
o Maximus stellt die Frage, wer den ganzen Satz ausspricht, und das ist Christus in
seiner menschlichen Natur; Christus als Mensch findet zu einer moralischen
Willensäußerung die abwägt
o Jesus stimmt frei als Mensch dem göttlichen Willen zu, und diese Zustimmung (nicht
einander entgegengesetzt) sei Äußerung des menschlichen Willens Jesu
o das ist ein analoges Denken, was in der Kirche später (explizit in Vatikanum II va bei
Maria – sie stimmt frei zur Inkarnation zu) zur Anwendung kommt
auch hier, schon im Altertum: Gott benutzt den Menschen Jesus nicht wie ein
Instrument (das wäre die Vorstellung von Sergius, die Vorstellung mit der die
Monophysiten gut leben könnten) – Jesus stimmt frei zu
Dogmatik I
- 37 -
- das ist eine Frage die sehr große politische Konsequenzen hat: wie geht Gott mit Menschen
um? – Man kann es an seinem Sohn ablesen? Der Sohn erfüllt die Sendung, aber aufgrund
einer klaren menschlichen Willensentscheidung – und das ist natürlich heikel
o in dem Moment wo Maximus als Mönch diese Lehre verkündet, verstößt er gegen die
offizielle Staatslehre
- es gelingt Maximus Papst Martin (Nachfolger Honorius) zu überzeugen
o Martin beruft eine römische Synode ein und diese beschließt die Lehre, dass es in
Christus zwei Willen gibt, die einträchtig verbunden sind, sodass er durch jede
seiner beiden Naturen durch freie Entscheidung gelitten hat
o Martin wird verschleppt, Maximus wird gefoltert, damit er seine gottlose Lehre nicht
mehr verkünden kann wird ihm die Zunge entfernt und damit er es nicht schreiben
kann werden ihm die Hände abgehackt (→ daher Titel „Confessor“)
o Maximus stirbt dann als Greis in Haft
- die Muslime drängen immer mehr in den Westen, der Nachfolger Heraklius beruft ein
weiteres Konzil ein
2.3.9 III. Konstantinopoletanum
- schließt das Reigen der christologischen Auseinandersetzungen
- qualifiziert die das Gegenteil sagende als „ruchlose Irrlehrer“
o ist das deutlichste Beispiel, wo ein Papst angeprangert wird (Honorius)
- es wird jener Satz zitiert, den wir von Leo kennen und der im II. Konstantinopoletanum
zurückgezogen wurde mit der Begründung, dass es nur hypothetisch sei
- Christus ist eine Person in zwei Naturen und beide Naturen haben ihren je eigenen Willen,
ihre je eigene Wirkweise, sie sind einander nicht entgegengesetzt
- damit ist die klare richtungweisende Deutung der biblischen Tradition vorgegeben: Jesus ist
auch als echter Mensch und die Bedeutung des Menschseins ist nicht Werkzeug zu sein
sondern dass er die göttliche Sendung mit seinem freien Willen übernimmt: er handelt frei!
- mit diesem Konzil ist das dogmatische Ringen um Heil und Wahrheit in der alten Kirche
eigentlich abgeschlossen
- was wurde erreicht:
o mit dem Bekenntnis zu zwei Willen auch ein klares Bekenntnis zur Menschheit
Christi
o Inkulturation des Christentums in die griechische Kultur, gleichzeitig wurde die
Sprache und die Kultur neu geprägt, va in Hinblick auf den Begriff „Person“ und
„Beziehung“
o die dogmatische Sprache ist scheinbar unauflöslich mit Gewalt verbunden
Dogma und Sünde hängen oft zusammen, aber man kann lernen, wann
Wahrheit behauptet werden kann: erst dann, wenn das legitime Anliegen des
Gegners berücksichtigt wurde
- die Tatsache, das der Islam so stark wurde wie er heute ist, geht auf die Schwäche der
damaligen Kirche zurück
o Mohammed kannte nur den Monophysitismus, und das widerte ihn an – er sah darin
nichts anderes als Vergöttlichung eines Menschen
o im Namen einer theologischen Gotteskritik lehnte er das Christentum ab
o die monophysitischen Kreise waren zu schwach, um die islamische Infragestellung
auch auf intellektueller Ebene zu begegnen
2.4 das christologische Drama in der Gegenwart - zur Erinnerung: Christologie als Projektionsflächen
o in der Gegenwart verstärkt sich das Problem: entgegen der Erwartungen der
Religionssoziologen sind wir nicht in einem säkularen Zeitalter angelangt, vielmehr
findet eine Remythologisierung statt
Dogmatik I
- 38 -
o diese Mechanismen sind da, für viele Menschen bietet die christologische Frage
nichts Größeres als alle anderen Heldensagen
o die Projektionsfläche für Ängste und Hoffnungen und die Frage, wie die Kirche
darauf antwortet
o die klassische Antwort, was Jesus Christus ist, ist die hypostatische Union
in Jesus Christus haben wir die Identifizierung Gottes greifbar mit einem ganz
konkreten Menschen, vom Ursprung dieses Menschen an
der Jude Jesus von Nazaret als menschgewordene Zuwendung Gottes, keine
Momentaufnahme sondern eine Lebensgeschichte
darin kommt die ganze Heilsgeschichte
Identifizierung nach dem Muster: ohne Gott gäbe es diesen Menschen nicht
und ohne diesen Menschen gäbe es die Menschwerdung nicht → ungetrennt,
aber auch unvermischt
Menschwerdung Gottes: hineingeboren in die Zeit aus einer Frau ohne, dass
daraus etwas menschliches zu kurz kommen wurde (unterschieden meint nicht
trennen)
- im dogmatischen Kontext nichts Neues mehr bis Vatikanum II
- viele theologische Entwürfe, aber keinen inhaltlichen Impuls mehr
- erst Vatikanum II, und interessanterweise in einem Dokument in dem man es nicht erwartete,
bringt einen neuen Impuls: GS 22 („Christus, der neue Mensch“)
o „… denn er, der Sohn Gottes, …, hat sich mit jedem Menschen vereinigt“ →
Menschwerdung Gottes als Vereinigung mit jedem Menschen
o der entscheidende Punkt: Klärung des Geheimnisses des Menschen, Verbindung
Anthropologie-Christologie, das Geheimnis des Menschen klärt sich erst im Kontext
der Christologie auf
o in GS 9 wird das Geheimnis des Menschen mit den Worten „profundior et
universalior appetitio“ beschrieben, also ein Wesen, das sich mit nichts zufrieden
gibt, und diese appetitio wird in Christus zur Vollendung gebracht, einerseits
Erfüllung der appetitio durch Verbindung durch Gott und homo perfectus aufgrund
seiner Beziehungen
o in der Christologie wird das moderne Beziehungsdenken aufgenommen (alt: Natur,
Wesen, … das sind statische Begriffe; hier wird das moderne Beziehungsdenken
aufgenommen: Relation)
o er ist der perfekte Mensch, weil er sich in seiner Menschwerdung mit jedem
Menschen verbunden hat
Relation zu allen kann nur von Gott ausgesagt werden
o hier wird in der Christologie jene göttliche Relation mit Christus verbunden,
bezogen auf den Menschen
hier werden zaghafte jene Spuren weiterverfolgt, die in der alten Kirche schon
da waren (Gott wurde Mensch damit der Mensch vergöttlicht wird)
die appetitio wird erst erfüllt, wenn der Mensch Gott teilhaftig wird
das sind Kategorien die in den Bereich der Ontologie fallen
o theologisch kann man über den Menschen nicht großartiger sprechen
o Antwort der Kirche auf die Projektionslogik der Gegenwart: Gott nimmt
menschliche Sehnsüchte ernst, macht sie sich zu eigen (auch Beziehungen leben von
Projektionen), mehr noch, er wird zum Opfer menschlicher Wünsche, Sehnsüchte
und Projektionen, denn Projektionen fordern Opfer
o weil der ganze Prozess nicht frei ist von Projektionen folgt nun organisch ein neuer
Akzent: die Aussage über die Wahrheit des Kreuzes als Überwindung von
Projektionsmechanismen
Dogmatik I
- 39 -
3 dogmengeschichtliche Präzisierung der Frage nach dem Heil oder die Wahrheit des Kreuzes
- gerade angesichts des modernen Befunds, dass die Gestalt Jesu den Gläubigen als
Projektionsfläche dient oder aber – nicht nur von den Distanzierten/Gegner – durch andere
Projektionsflächen ersetzt wird
Einstieg: zur Eigengesetzlichkeit der Projektionsmechanismen - man streitet um die Wahrheit und unterstellt dem Gegner das Schlimmste
- es scheint eine Eigengesetzlichkeit zu sein, dass selbst in rationalen Diskursen
Dämonisierung geschieht
- die Dämonisierungen sind kein Privileg der Christen, schon gar nicht jener vergangener
Zeiten, auch heute wird dämonisiert und zwar in alle Richtungen
- Dämonisierung findet auch dann statt, wenn entsprechende Bilder und Begriffe fehlen (die
politisch korrekte Kultur scheitert spätestens hier: zu meinen, wir hätten die Gefahren der
Projektionen dadurch gebannt die entsprechenden Begriffe zu tabuisieren ist ein Trugschluss)
- dramatische Theologie verhilft sich mit einem anthropologischen Modell:
Anknüpfungspunkt stellt GS 9 dar – der Mensch ist ein entgrenztes Wesen, nicht nur ein
Geschöpf mit Leib und Seele, sein Begehren ist zwar instinktiv gesteuert, aber nicht durch
Instinkte begrenzt
- Begehren: unsere akademische Kultur in Europa steht seit Jahrhunderten unter dem Einfluss
von aristotelischem und platonischem Denken, das den Schwerpunkt auf die Vernunft legt,
im Grunde ist der Mensch Vernunftwesen wenn er den Leidenschaften entsagt (denen zu
erliegen wäre eine Panne)
- hier wird bei den Leidenschaften angesetzt, beim Begehren, das schwer zu zügeln ist; nicht
Leidenschaften bedürfen einer Erklärung, sondern die Tatsache, dass Menschen mit einer
appetitio sich nicht gegenseitig umbringen
- der Mensch ist zwar gut erschaffen worden, aber erbsündhaft geschädigt, und deshalb ist
Zivilisation eine Leistung und nicht wie Rousseau meinte etwas den guten Menschen
Verderbendes
- wenn Streit der Alltag ist, wenn Projektionen den Großteil des Lebens ausmachen, warum
bringen wir uns dann nicht um? Wie werden Projektionen überwunden?
Exkurs: mimetische Gesetzmäßigkeiten bei der Kultivierung der profundior et universalior appetitio
- bedeutet Nachahmung, hier aneignende Nachahmung, was begehren die Menschen
- wir begehren körperliche und ökonomische Güter aufgrund dessen, dass die anderen
Menschen das begehren
- das menschliche Begehren, und das meint mimetische Struktur, ist eine Dreiecksstruktur;
nur selten begehrt der Mensch in einem dualen Kontext – wir begehren das was andere
begehren, und deshalb kann es nie befriedigt werden (→ Kultur der Seitenblicke)
- das erklärt auch, warum wir nie zufrieden sind
- das Grundproblem ist nicht die Tatsache der mimetischen Struktur, sondern die damit
gekoppelte Rivalität, die dazu führt, dass die Identität der Konfliktpartner sich verändert,
und zwar hin zu Ähnlichkeit (was ist dann noch meine Identität)
o Streitparteien werden im Streit einander ähnlicher
o sie sind zwar überzeugt der Andere habe völlig unrecht, von außen beobachtet ist das
aber spiegelbildlich gleich
o alle Konflikte die zu Eskalation drängen neigen zu Spiegelbildlichkeit
o mehr noch, man unterschiedet sich bald nicht mehr von der Umgebung
Dogmatik I
- 40 -
o die Identität, das was Menschen unterscheidet, droht in einem Konflikt zu
verschwinden – wer bin ich noch in einem eskalierenden Skandal (Ehe, Partnerschaft,
…)
- ich begehre was andere begehren, ich will sein was der Andere ist → menschliches
Begehren kopiert ein anderes Begehren, und das heißt identisch sein
o unsere postmoderne Kultur: wir haben vordergründig viele Möglichkeiten, die dann
doch irgendwie dasselbe sind
- mimetische Rivalität: das Problem der Moderne: wenn das Begehren entfesselt wird, die
grenzenlose Entfesselung des menschlichen Begehrens, führt nicht zu Differenzierungen
sondern paradoxerweise zu immer größerer Homogenität
o die Menschen leben auch systematisch in einem Rivalitätskonflikt
o das führt zu vielen Aggressionen, zu diffusen Verhaltensweisen, zu
Persönlichkeitsspaltungen, …
o gibt es Versöhnung? Kann es eine Differenz geben?
o Differenzen werden dadurch erzeugt, dass Menschen als Sündenböcke ausgestoßen
werden und fallen
- Versöhnung der Vielen auf Kosten des Sündenbocks
o Sündenbockjagd als Differenzierung
- Entfesslung des mimetischen Begehrens und entfesselte Sündenbockjagd als Ordnung
o es gibt aber Katastrophen, die sich durch Sündenböcke nicht lösen lassen
o das reale Problem kann durch eine Sündenbockjagd nicht gelöst werden, dennoch
ist diese Spannung da
- Ziel dieses Exkurses: Projektionen deren Ursprung oder Verstärkung im Kontext des
mimetischen Verhaltens zu finden sind; Sündenbockjagd führt zu Dämonisierung
o die vielen Dämonisierungen verhindern die Hexenjagd auf Einzelne, sie wird
gebrochen
- trotzdem gibt es auch große Dämonisierungen heute:
o Dämonisierung der Religionen; unsere liberale Öffentlichkeit ist dabei, Religion
ständig zu einem Sündenbock abzustempeln, Abschaffung der Religion würde Gewalt
mindern
o Dämonisierung der Kirche; was teilweise in der Öffentlichkeit entsteht (zB
Missbrauchsskandal) ist nicht frei von Dämonisierung: die Hetze
o Dämonisierung des Christentums wegen des Kreuzes: es sei menschenfeindlich,
gewaltverherrlichend
o → ausdrückliche Dämonisierung in einer Welt, die sich vom Teufel offiziell
verabschiedet hat
eine Kultur die Elektrizität und Aufklärung hat, kann die archaischen
Geschichten nicht mehr tradieren
zum selben Zeitpunkt hat die Unterhaltungsindustrie das Thema entdeckt
es gibt so etwas wie eine Rückkehr des Teufels in die aufgeklärte Gesellschaft
und, und das ist das Schwerste, es gibt die Lebendigkeit des Teufels weltweit
wir haben unsere Augen verschlossen, dass „Hexe“ heute nicht eine
Bezeichnung für eine emanzipierte Frau ist, sondern weltweit findet
Verfolgung statt
o im Kontext der Religiosität werden wohl jene Gruppierungen zunehmen, die diese
Problematik ausdrücklich benennen (keine Banalisierung des Teufels)
die Religiosität der südlichen Hemisphäre denkt hier anders: für viele
christliche Kirchen in Afrika und Asien ist die Frage der Bekämpfung der
Hexenverfolgung ein zentrales pastorales Problem
Dogmatik I
- 41 -
3.1 Relevanz altkirchlicher Motive: Erlösung als Befreiung von der Macht des Teufels
- Jesus in der dramatischen Auseinandersetzung um Heil und Wahrheit, der Rahmen des
chalcedonischen Dogmas (wahrer Gott und wahrer Mensch), Jesus von Nazaret der selber,
obwohl von Gott getragen, angeklagt wird, er sei vom Teufel besessen und handle in dessen
Namen
3.1.1 der Satan in der biblischen Tradition
- der Satan der vom Himmel fällt (Lk 10,18); die Stunde, in der der Herrscher dieser
Weltzeit hinausgeworfen werde (Joh 14,30) → Ankläger, Versucher, Verführer,
Herrscher dieser Weltzeit - eine sehr wichtige Rolle
- man kann diese übersehen und das hat die Theologie der letzten Jahrzehnte getan, indem sie
dies Aussagen als zeitbedingt depotenziert hat
o Inkulturation muss neu gedacht werden, dh man muss alles, was in dieser konkreten
Kultur Aussagekraft hat, berücksichtigen
- Bibel unterscheidet die vielen Dämonen von denen Jesus befreit – sieht man das als einfache
Krankheiten, bleibt doch der Satan übrig
- Ankläger: Satan bei Ijob ist ein Prosopon, eine Maske, das mit Zweifel an einen konkreten
Menschen verbunden ist
o nicht ein Anwalt einer anderen Wahrheit, Satan ist ein Ankläger iSd Anschuldigung;
Zweifel an der Rechtschaffenheit zu wecken, doch die Leiche im Keller suchen
- Versucher: synoptische Evangelien: Jesus wird mimetisch versucht; Satan gebiert sich als
Gott, er ist im Grunde ein Versucher im mimetischen Sinne, er treibt moderne Werbung
- diese Aussagen haben wir en masse in der Bibel, die eine bestimmte Logik der
zwischenmenschlichen Kommunikation umschreiben
- Lk 10,18: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ – eine Aussage, die selbst
die kritischsten Kritiker als jesuanisch bezeichnen; man verbinde dies mit dem Prolog des
Ijob: Sinn der jesuanischen Botschaft von Gott (1. Akt) ist ein Entmythologisierung des
Gottesbildes; nicht einmal in der Umgebung Gottes geschweige denn in Gott selber gibt es
eine satanische Macht (Gott ist kein Schnüffler), Gott ist kein Rivale (Ankläger) des
Menschen, er will die Menschen nicht zu Fall bringen → Klärung des Gottesbildes
o wenn der Satan, der Aspekt der Anschuldigung, vom Himmel wie ein Blitz fiel, wo ist
er dann hingefallen? – Auf die Erde! Gott beschuldigt den Menschen nicht, er ist ihm
kein Rivale, aber der Geist der Rivalität/Verführung ist eine Angelegenheit, die
Menschen bestens beherrschen
- Joh 14,30: „Ich werde nicht mehr viel zu euch sagen; denn es kommt der Herrscher der Welt.
Über mich hat er keine Macht.“; Jesus sagt, in der Passion wird der Herrscher dieser Welt
(Geist der Anschuldigung) bloßgestellt und hinausgeworfen, ja gerichtet
o Jesus selber deutet das Kreuz als Infragestellung dieser Logik
- Fazit dieser Überlegungen: die biblischen Geschichten kennen eine Figur (Prosopon –
persona – Maske; ist noch keine Person – in der Christologie wurde „Person“ gebildet, dass
sich Prosopon mit Hypostasis verband, eine Maske ergänzt durch eine lebendige Beziehung
und ein Selbststand ergibt eine Person)
o es gibt auch andere Prosopa in der Bibel: Ankläger, Beschuldiger – aber ist das
eine Person?
o wenn Joseph Kardinal Ratzinger von einer „Unperson“ sprach, trifft er es genau,
denn Person hat mit Beziehung zu tun
o am deutlichsten greifbar: in der Versuchung? Jein, da ist man stückweise
Inkarnation dieser Maske; Aber wo wird der Versucher am deutlichsten greifbar? –
Dort, wo aus den Mechanismen dieser Versuchung Opfer werden – Verfolgung Jesu –
Jesus wird getötet
gewaltsame Verfolgung
Dogmatik I
- 42 -
o hier geht es um Prozesse, um ein Drama, und da gibt es verschiedene Akteure, es
gibt Masken und Personen; Trugschlüsse und Wirklichkeiten;
die Lüge ist eine Art der Existenz der Wirklichkeit, stürzt aber zusammen,
wenn die Wahrheit kommt
aber die Opfer bleiben
o die Bibel kennt also eine Figur des Anklägers, der sich in der gewaltsamen
Verfolgung Jesu artikuliert, dort aber aus den Angeln gehoben wird (wie auch schon
bei der Versuchung, wo er von Jesus abgelassen hat, weil er nicht ankam)
3.1.2 patristische Lehre
- bringt eine Dramaturgie in diese Sache hinein
- die Väter überliefern Geschichten von Befreiung aus der Macht des Teufels, eine, die auf
unterschiedliche Weisen stattfindet – Täuschung des Teufels (vgl. Cyrill von Jerusalem;
Gregor von Nyssa: während er nach der Menschwerdung schnappte wurde er von der Gottheit
durchbohrt; Luther: Angelhaken des Logos, Wurm der Menschheit)
o tiefer betrachtet: aus der Logik der Kraft der humilitas (Menschwerdung) sei der Satan
der Ankläger und in seiner Anklage der Übermütige zu Fall gebracht
- Jesus steigt nach seinem Tod in die Unterwelt um dort zu predigen, aber auch jenen zu
begegnen die schon gestorben sind und in der Macht des Teufels verhaften
(Glaubensbekenntnis: descendit ad infernum)
o die Laudes des Ostersonntags bringt das auf den Begriff
o der betrogene Betrüger – Betrug oder Abstieg, Christus steigt ab auf die Ebene des
Betrügers und befreit die Menschen
- der gerechte Lösepreis: Gott will dem Menschen einen Lösepreis zahlen, Gott möchte den
Betrüger nicht mit Gewalt überwinden (Gregor von Nyssa)
o der Gewalttäter wird überwunden, indem ihm ein Lösepreis bezahlt wird
o Güte und Gerechtigkeit müssen auch gegenüber dem Gegner ausbalanciert werden
o ein Argument, das sofort Widerspruch erweckt hat, va bei der Frage, wie der
Verführer zu seinem Recht kam
Anselm von Canterbury hat das auf den Begriff gebracht: Wenn der Räuber
nicht nur von Gott sondern sogar Gott selbst als Lösegeld erhält, so ist das
schändlich
3.1.3 Systematik: zum Wesen des diabolos
- lebendige Lüge: verdrehende Wahrheit
o sprachlich: Anschuldigung, Verleumdung, Prosopon des Verleumders
o Lüge ist eine Handlung die mit Verfolgung zu tun hat
o in diesen Zusammenhang gehört auch der Satz: „Das Wesen des Lügner besteht
darin, dass er uns über seine Existenz täuschen will“
o man müsste sagen, das Satanische möchte uns überzeugen, dass es das Wesen der
Verführung des Satanischen nicht gibt; es täuscht uns also, dass alles, was an
Verwirrung, Verleumdung, Verfolgung in unserer Umgebung geschieht, bloß
Ergebnis des bewussten Handelns von Individuen ist, die wir bewusst verfolgen
können → das Wesen des Satanischen besteht darin uns zu verführen zu glauben,
dass alles, gar alles, was in unserem Leben als Verführung/Ungerechtigkeit da
ist, reduzierbar auf das bewusste Handeln von Individuen reduzierbar ist, die
wir deshalb verfolgen können indem wir sie verfolgen, in bestem Wissen und Gewissen, verfallen wir
unsererseits wieder dem Geist der Verfolgung (→ Sündenbock)
das nimmt nichts zurück von der bewussten Verantwortung des Individuums,
aber man kann nicht sagen, dass ein Mensch die Ausgeburt des Bösen ist, dass
ein Mensch mit dem Bösen ident ist (Theologie als Anwalt des
interpersonalen Verführungszusammenhangs)
Dogmatik I
- 43 -
moderne Gesetzgebung, die auch Aspekte und Zurechenbarkeit verfolgt,
durchaus ein kultureller Fortschritt, einer allerdings, der im Kontext der
jüdisch-christlichen Offenbarungskultur entstanden ist (der abendländische
Kontext ist ohne biblische Offenbarung und dort beheimateten
Argumentationsfiguren nicht denkbar!)
o es ist eine teuflische Verführung zu meinen, den eindeutigen Täter erwischt zu haben
und damit „das Böse“ gelöst zu haben
- die lebendige Lüge, man kann sie auch aufziehen indem der zweite theologische Aspekt zur
Sprache kommt: satanischer Geist – Geist des Stolzes (Sein-Wollen wie Gott)
o die biblische Fassung der Ursünde heißt: „ihr werdet sein wie Gott“ (das ist die
Versuchung)
o die Ausführung ist die Sündenbockjagd – kaum hat Adam der Versuchung
nachgegeben schiebt er die Schuld auf Eva, die auf die Schlange – man verweist auf
den Schuldigen und versucht den Kreis zu unterbrechen indem man die Dynamik auf
Einen beschränken möchte
o Sein-Wollen wie Gott, eine Versuchung, die in der konkreten Ausführung sich in der
Sündenbockjagd ausdrückt; auch die moderne Ausführung (Nation von Herren oder
Übermenschen) hat sich nicht anders ausgewirkt als in der Sündenbockjagd
o die apokryphe Tradition hat den Luzifer zum Ursprung des Teuflischen gemacht,
der Lichtträger, der sich von Gott abwendet und seinem eigenen Wesen zuwendet
(Aspekt der incurvatio); mit Gewalt reißt er etwas an sich heran
o dieser satanischen Versuchung (Sein-Wollen wie Gott) setzt die Bibel die humilitas
Christi entgegen → Christus geht nicht hinauf sondern steigt hinunter
kann der satanische Einfluss durch die Botschaft überwunden werden?
o die Aussage „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ heißt, dass es in
Gott nichts Satanisches gibt, wohl aber auf der Erde
o das Problem der Moderne ist: die Moderne hat Satan und Gott mit einem
problemlosen Impetus über Bord geworfen: Gott auf Ebene der Wellness, die
Versuchung (das mimetische Begehren) hingegen zur Tugend gemacht
Frage für das Überleben der Menschheit: werden sich es genug Gegenkräfte
gegen die Teufelskreise wenden oder wird man sich in einem Inferno der
Gewalt zerstören?
die Augen, die mit Gewalt verstellt sind, können nur noch Apokalypse und
Hölle wahrnehmen
um diese – verführerische – Sicht aus den Angeln zu heben, braucht die
Menschheit einen Blick in das Fenster des lieben Gottes
die Faszination des Negativen ist so groß, dass es eine permanente
Gegenposition braucht
die kann nur durch das Wort ausgedrückt werden
- die Kraft des diabolos
o aus dem Durchgang durch die fünf Akte hat man gesehen, dass Christus nicht nur
nicht angekommen ist, sondern sein Wort und Beispiel wurden pervertiert, er selber
wurde angeklagt (er sei satanischer Geist) → zynische Aushöhlung oder
Pervertierung der humilitas
damit hat man im Alltag immer wieder zu tun
wenn der beste Wille von jemandem oder die Zurücknahme der Ansprüche
durch eine Konfliktpartei (Gewaltverzicht) in den Augen des Gegners als
Gewaltprovokation und Täuschung interpretiert wird
die Anwaltskultur unserer Zeit ist so weit, dass man bewusst
Anschuldigungen und Forderungen hochschraubt, während wenn
irgendjemand bewusst zurückrudern will, wird dem unterstellt, nicht mit
sauberen Karten zu spielen
o sowohl im Kontext des Glaubens an seine Macht als auch im Kontext der
Überwindung des Satanischen werden Menschen zu Opfern
Dogmatik I
- 44 -
die Arbeitshypothese hinter dieser VO lautet: Satan ist ein trügerisches
Wesen, womit noch nichts über sein ontologisches Wesen gesagt ist, er ist der
Inbegriff der Lüge (lebendige Lüge)
o wenn wir von Erlösung als Befreiung aus der Macht des Satans reden und
ausdrücklich das Geheimnis des Kreuzes reflektieren ist das der Zusammenhang:
wie ist im Kreuz ein Teufelskreis unterbrochen worden? Kann ein Teufelskreis der
aus der gelebten Lüge, dh dass Menschen zu Opfern gemacht werden, entsteht
aufgelöst werden?
Teufelskreis der gelebten Lüge wird meist nur unterbrochen, indem
irgendjemand den Preis zahlt, also dass der Mangel aufgefüllt wird oder
geradegebogen wird
und das heißt: 3. Akt, dramatisches Erlösungsmodell; Christus unterbricht es
indem er auf frontale Gewalt anders reagiert (→ Entziehen und sich dem
Vater übergeben)
sel. Marianna Popieluszko (polnischer Priester): „Ich kämpfe gegen das Böse
und nicht gegen die Opfer des Bösen“ → im Gegner nicht die Inkarnation des
Bösen zu sehen, höchstens ein Opfer dessen
Jesus wird vorgeworfen, er sei des satanischen Geistes, weil er sich als
Mensch selber zu Gott mache; das trifft aber jemanden, der sich nicht zu Gott
macht, dessen Wesen vielmehr humilitas ist – gerade er wird angegriffen, er
sei stolz; nicht nur beliebig stolz, er habe den Geist des Stolzes – er möchte
sein wie Gott
daraus lesen wir, das ist der geheime Wunsch eines jeden Menschen (deshalb
ist Hochmut auch die erste der Todsünden)
in der Anschuldigung Jesu wird dieser Wunsch greifbar als Anklage; Anklage
gegen jemanden, der Inbegriff der Bodenständigkeit ist
o in einer von Lüge und Gewalt verstellten Situation wird alles pervertiert
o faktische Ablehnung und Tötung: gewaltsame Projektion: ein Akt, der weit über
das individuelle Wollen und erkennen hinausgeht
Jesus lässt es eskalieren (Haltung des Therapeuten der seinen Patienten
konfrontiert): er attestiert seinen Gegnern auch den satanischen Geist:
Joh 8,37-47
- Erlösung im Kreuz
o Überwindung der gewaltsamen Projektion: die Entladung bringt entweder
Erlösung oder verfestigte Fronten
o die Christen glauben, dass die Entladung der Gewalt im Kreuz Jesu Überwindung
dieser gewaltsamen Projektionen war → Überwindung des Teufels im Kreuz
dadurch, dass Christus die auf ihn projizierte Gewalt auf eine bestimmte Art erleidet;
dass durch diese Haltung die lebendige Lüge überwunden wurde
o nicht durch ethisches Verhalten: die Logik von Geboten und Verboten und die
rigorose Logik der Bergpredigt scheitern (→ Übergang 2. zu 3. Akt, Katastrophe der
Ethik); das Geheimnis Erlösung aus den Projektionen, es handelt sich hier nicht um
einen Vorgang der nach ethischen Maßstäben zu beurteilen ist
o gerade weil Ethik versagt hat braucht es eine Radikalisierung einer radikaleren
Antwort, und diese Antwort ist das, was man mit humilitas Christi auf den Begriff
brachte, wobei diese keine Grenzen kennt – Christus lebt die Haltung die er schon
im Leben gelebt hat
o humilitas als Gegenbegriff zum Hochmut; Christus lebt diese humilitas auch im
Sterben
zur Erinnerung an den 3. Akt: weil Jesus von Anfang an den Vater als
Bezugspunkt hat, weil der Sohn seine Identität aus der Geheimnis des Vaters
hat ist Christus nicht auf Projektionszusammenhänge angewiesen
wir alle beziehen unsere Identität durch Projektionszusammenhänge, positiv
durch Nacheifern, negativ durch Ersetzen-Wollen eines Anderen im Sinne der
Rivalität
Dogmatik I
- 45 -
weil Christus seine Identität aufgrund seines Status hat ist er nicht auf
Projektionszusammenhänge angewiesen
der ambivalente Martyrer, der glaubt durch den Akt des Tötens ein Martyrer
zu werden, aber gerade weil er sich töten will ist er in einem
Projektionszusammenhang mit den Henkern – der christliche Martyrer
entzieht sich seinen Henkern
Christentum glaubt, dass es aufgrund einer Gnadengabe möglich ist, und
indem wir einzelne Martyrer verehren bekennen wir, dass es so ist
der Martyrerkult darf nicht seinerseits Quelle des Hasses gegen seine Mörder
werden, denn wenn er Quelle der Vergeltung wird ist etwas falsch daran
o bei Christus glauben wir, dass er sich seinen Gegner entzogen hat und sich dem
Vater im Sterben übergibt
er sieht in seinen Gegnern nicht das Böse sondern nur die Opfer des Bösen
und vergibt ihnen
o hier hat man die Spitze des Eisberges im christlichen Umgang mit Konflikten:
gelebte Feindesliebe angesichts der gewaltsamen Ablehnung, Tötung; gelebte
Feindesliebe als Überwindung der Mechanismen des Teuflischen und der
Projektion o aber nicht nur die Haltung Jesu hat diesen erlösenden Charakter, sondern die Haltung
des Vaters oder das radikal neue Handeln Gottes
Gott vernichtet die Gegner nicht sondern er weckt den Sohn auf, er schafft
neues Leben, und schickt den Sohn mit der Botschaft der Versöhnung zurück
zu jenen die versagt haben
das heißt im Klartext: der Ausstieg oder die Versöhnung im Kontext der
Mechanismen des Bösen die sich ausgetobt und ein konkretes Opfer gebracht
haben
o vom Christentum zu reden, auch von der radikalen Feindesliebe, heißt, das Leben
durch den Tod hindurch zu glauben, und das nicht als billige Vertröstung, dh dass
das Opfer des Bösen eine Zukunft hat, aber nicht eine beliebige, auch nicht eine im
Kontext von Vergeltungsmechanismen, das christliche Geheimnis heißt:
Auferweckung und Zurückschicken in die Geschichte
o → das Urteil des Vaters zugunsten des Sohnes und zugunsten der Gegner
o der Heilige Geist: der Inbegriff der Infragestellung des satanischen Geistes; wenn
der satanische Geist Anklage/Lüge ist, so ist der Hl. Geist der Geist der Wahrheit
und advocatus der zugrunde gegangenen Opfer (vgl. Offb 12,7-9)
die Macht des Satanischen wird durch die Martyrer überwunden
- Wahrheit des Kreuzes
o Wahrheit des Kreuzes: Überwindung der Mechanismen von Lüge und Gewalt,
und das sind Mechanismen die auch die Moderne prägen, dadurch, dass sich die
Macht der Projektionen an konkreten Opfern austobt und diese Opfer aber nicht
zurückschlagen und nicht die lügnerische Situation nochmals eskalieren lassen,
sondern gewaltfrei erleiden, und das heißt auch ohne Hass und ohne Bedürfnis nach
Rache und Vergeltung aus der Kraft des bedingungslos vergebenden gewaltfreien
Gottes
o das mitteleuropäische Christentum hat übersehen, dass weltweit tausende von
Christen tagtäglich ein Martyrium erleiden
o die Tatsache, dass wir im 21. Jh. den Schwerpunkt des Christentums im Süden erleben
werden, wo Dinge wie Dämonisierung am laufenden Band stattfindet lädt ein, hier
mehr nachzudenken
o Papst Johannes Paul II. wurde nie müde zu betonen, was die eigentliche Kraft des
Glaubens sei: Menschen werden zu gewaltüberwindenden Individuen
o das eigentliche religiöse Zeugnis in einer pluralistischen Kultur ist dort, wo aus
Religion Gewaltüberwindung stattfindet
- Befreiung im Kreuz
o wenn das Kreuz auf mich zukommt stellt sich nur die Frage, in welchem Geist ich es
erleide
Dogmatik I
- 46 -
3.2 Relevanz altkirchlicher Motive: Sterblichkeit und das Vergehen - Athanasius: Verteidiger des Konzils von Nizäa, fünf Mal verbannt, ist Person ein Geschöpf
oder Gott, ὁμοοúσιο, dieselbe Wesenheit, dieselbe Substanz ( , ) o er korrigiert seine Position zugunsten: dasselbe Wesen, mehrere Hypostasen
o das war die große theologische Leistung des Athanasius
3.2.1 Über die Menschwerdung des Wortes Gottes
- im Kontext seiner Schrift über die Menschwerdung des Logos (Klassiker der altkirchlichen
Literatur, Pflichtlektüre für die Prüfung)
o vertieft die Erlösungslehre im Hinblick auf die Frage nach Vergänglichkeit und
Sterben o es handelt sich um die Problematik ob das etwas Banales ist, die Banalität des
Alltags?
o moderne Natwi: Vergänglichkeit und Sterben hat mit Evolution zu tun, mit dem
Stoffwechsel, also doch eine naturwissenschaftlich verdichtete Banalität
o er bietet in seiner Schrift so etwas wie Gesamttheologie, er denkt Zusammenhänge
Schöpfung-Sünde-Erlösung-Vollendung in einem geschlossenen Denkmodell
o er lehnt das platonische Mittelwesen ab (der Logos als Grenzscheide)
o die Schöpfung denkt er als creatio ex nihilo, der erste Kirchenvater der diese Formel
systematisch ernst nimmt
sie (die Erde) wird zwar aus dem Nichts geschaffen, wird aber gemäß dem
Logos
Gott, der die Schöpfung ex nihilo gebracht hat, erhält sie im Sein durch die
Kraft des Logos
die Schöpfung aus dem Nichts kann den Bestand nicht in sich selber haben
weil aus dem Nichts entstanden tendiert die Schöpfung ständig zum Nichts
zurück
sie ist aber gemäß dem Logos geschaffen, der Mensch muss sich also erheben
und den Logos schauen
∑: weil die Schöpfung aus dem Nichts da ist, weil sie gemäß dem Logos
geschaffen wurde, weil der Mensch Bild des Logos ist, darf und muss der
Mensch sich über alles Sinnenfällige erheben; tut er es nicht fängt die
Tragödie an
3.2.1.1 Sünde ist Abwendung vom Logos und Zuwendung zum Nichts
- hier hat die Sünde noch keine moralischen Konnotationen (wie bei Anselm von Canterbury:
Sünde als Beleidigung Gottes)
- hier wird Sünde theologisch umfassend beschrieben: Abwendung von der mich tragenden
Kraft
- beschreibt man den Logos als Sonne kann der Mensch nur der Sonne zugewandt leben und nur
in der Zuwendung kann er das Licht erblicken, wenn der Mensch sich vom Logos abwendet
ist er im Schatten
- die Folge der Sünde ist, und das ist die radikalste Logik: weil ich die mich tragende Kraft
des Logos verloren habe, fängt der Verfall, der Tod, ja die Anihilation an
3.2.1.2 Folgen der Sünde
- durch die Sünde des Menschen verwandelt sich die Schöpfung wieder ins Nichts zurück;
Gott kann das nicht zulassen
- der Verfall setzt ein: wenn sich der Mensch über alles Sinnenfällige erheben soll, so erleidet
der Mensch, der dem Nichts zugewandt ist, im Bereich seiner Erkenntnis die Verzehrung
seiner Erkenntnis
Dogmatik I
- 47 -
- die Menschen haben gesündigt, sind dem Zustand der Anihilation verfallen – die moderne
Frage: was erreicht Athanasius mit einer solchen Perspektive?
- er diskutiert die Frage der Sünde auf dem Hintergrund der Schöpfungsproblematik; der
Mehrwert davon: das Übel ist nicht nur ein Problem der Natur; theologisch ist das Übel
zwar mit der Natur verbunden, das Übel stellt aber auch ein Problem der verkehrten
Verantwortung der Menschen auf dem Hintergrund der Hinfälligkeit dar
- falsche Bewertung, Götzendienst, Projektionsvorgänge – die Dynamik des Bösen entfesselt
– der Mensch ist versucht Gott dafür verantwortlich zu machen (das ist wiederum
Projektion)
3.2.1.3 Menschwerdung des Logos (Analyse der Rettung)
- Gott lässt sich auf die verhängnisvolle Rettung ein
- Göttlichkeit in der Schöpfungswirklichkeit (nicht aufgrund menschlicher Anstrengungen)
- Menschwerdung heißt, Gott steigt in jene Wirklichkeit hinein, die vom Menschen durch
seine Abkehr verlassen wurde
- Konsequenz davon: eine größere Abkehr ist nicht mehr möglich
- von Athanasius kann man lernen: weil der Logos Mensch wurde, weil der Logos in die
gefallene Schöpfung hineingekommen ist kann es für die Christen und für die Welt von
morgen keine gottlose Welt geben
o bei Origenes war es theoretisch noch denkbar: neuplatonisches Abstiegsschema
- mit Athanasius haben wir jenen Typus der Erlösungslehre vor uns, der den inhaltlichen
Schwerpunkt bei der Menschswerdung hat, die Rettung geschieht durch die
Menschwerdung - Kreuz ist damit nicht ausgeschlossen, ist aber, streng gedacht, eigentlich nicht mehr
notwendig – das Aufhalten des Verfalls geschieht durch die Menschwerdung des Logos
o jene Erlösungslehre, die den Schwerpunkt bei der Menschwerdung setzt
- warum dann Kreuz und Tod?
o als Beweis für die Überwindung der Macht des Todes
o die Rettung erfolgt durch die Menschwerdung
o das Kreuz, der Tod und die Auferweckung Christi sind nur Erweis dessen, was
schon in der Menschwerdung stattfindet
- sein ganzes theologisches Lebenswerk soll zeigen: durch die Menschwerdung ist der Tod
überwunden und wir können es am Beispiel von Tod und Auferweckung sehen
- er denkt sich nun x Alternativen aus um glaubwürdig zu zeigen, dass der Menschgewordene
die schlimmstmögliche Art des Todes erleiden musste
o deswegen: im besten Alter muss er sterben, unehrenhaft und gewaltsam um durch
diesen Tod zeigen zu können, dass er die Macht über jegliche Art des Todes zu
haben
o am Kreuz muss er sterben weil: Athanasius bedient sich einer Logik, die man
Plausibilitätslogik nennen wird:
Selbsttötung wird ausgeschlossen, weil das nicht nur ethisch unehrenhaft wäre
sondern gar nicht in Frage kommt, denn Logos, das Leben selbst, kann sich
selber nicht töten
zersägen oder enthaupten wäre nicht möglich, denn der Leib Christi muss
ungeteilt sein, denn mit dem Leib Christi ist auch seine Kirche gemeint
(würde der Leib Christi bei seinem Tod geteilt werden, würden die Feinde der
Kirche einen Vorwand darin sehen Kirchenspaltungen zu betreiben)
in der Luft: weil dort die Dämonen zuhause sind (damit die Dämonen
überwunden werden) – hängen geht nicht, denn seine Arme musste er
ausbreiten, weil sein Leib (seine Kirche) sich von einem Ende der Erde bis
zum anderen sich erstreckt
o so schöne Plausibilitätsargumente; er stirbt in der Öffentlichkeit, damit alle sehen
dass er gestorben ist und wird auferweckt am dritten Tag, weil würde er sofort
auferweckt könnte man sagen, er sei gar nicht gestorben; hätte es länger gedauert
Dogmatik I
- 48 -
könnte man behaupten, er wäre in einem anderen Leib auferstanden (die Identität des
Leibes macht es nötig, die kluge Zeitspanne von drei Tagen zu nehmen)
3.2.1.4 soteriologisches Paradigma
- Soteriologie ist die theologische Lehre vom Erlösungswerk Christi
- Überwindung des Todes, weil Logos hereingekommen ist: der Logos wird Mensch, damit
wir vergöttlicht werden
o eines der dicta, die man sich gut einprägen kann: Gott wurde Mensch damit wir
vergöttlicht werden (jener Zustand, der dem Menschen zukäme, hätte er nicht
gesündigt)
3.2.1.5 Martyrium der Christen
- Christen fürchten den Tod nicht, er hat seine erkenntnistheoretische Macht verloren
- Martyrium heißt nicht nur den Tod nicht fürchten sondern auch den Tod nicht begehren
3.3 Relevanz mittelalterliche Motive: Streit um Heil und Wahrheit - Anselm von Canterbury als Inbegriff dessen, was Erlösungslehre ist
3.3.1 Wiederherstellung der rechten Ordnung durch Satisfaktion
- von lat. satis facere, genugtun
o Genugtuung notwendig, damit die rechte Ordnung wiederhergestellt wird
3.3.1.1 Einheit vom Glaubensprimat und Vernunftvertrauen
- er denkt sicher nicht von den Begriffen die in der Moderne Mode sind: anything goes
o wir können unzählige Erzählungen haben, aber es ist wie wenn man auf Wolken malt
o wir brauchen einen festen Grund, und den kann man nur in der Wahrheit haben
- Wahrheit als Zentrum der Erkenntnis
- weil die menschliche Vernunft Abbild Gottes ist, ist sie erkenntnisfähig → ratio als imago
Dei
- wenn wir glauben, können wir den Glauben auch verstehen; Glaubensprimat und
Vernunftdenken – ich glaube um zu verstehen; nicht Irrationalität und auch kein
Rationalismus (Gründe um zu glauben), denn Glaube ist Primat, aber wenn ich glaube muss
ich mich auch um die Vernunft bemühen
- die Einheit von Glaubensprimat und Vernunft kommt va bei seinem Gottesbegriff zur
Sprache
o Gott: id quo maius cogitari nequit (Gott ist das, worüber hinaus nichts Größeres
gedacht werden kann)
Gott als höchster Begriff überhaut
könnte ich etwas Höheres denken wäre das Gott, also der Grenzbegriff
weil zu diesem höchsten Begriff notwendigerweise Existenz gehört glaubt
Anselm damit die Existenz Gottes bewiesen zu haben
o Wahrheit: mit dem Geist allein erfahrbare rectitudo (Geradheit, Richtigkeit)
das ganze Denken muss eine Ordnung haben, ansonsten ist es chaotisch
die Wahrheit sei abgestützt durch rectitudo; sie sei das über den Geist allein
erfahrbare rectitudo
o Gerechtigkeit: Willensrectitudo um ihretwillen
- auf dem Hintergrund dieser harmonischen Erkenntnistheorie, die klar logisch aufgebaut
ist (das Denken darf nicht Widersprüchlich sein) will nun Anselm die notwendigen Gründe
für die Menschwerdung eruieren
Dogmatik I
- 49 -
3.3.1.2 Notwendige Gründe für die Menschwerdung
- man beachte Analogien aber auch Unterschiede zu Athanasius: beide behandeln dieselbe
Fragen, aber zwischen ihnen stehen Welten
o so wie Athanasius aus dem Zugang der Inkarnation steht, so wird Anselm für jene
Soteriologie Pate stehen, die Tod und Kreuz ins Zentrum rücken
- die erste Voraussetzung ist die Grundannahme, dass der Mensch zur Seligkeit berufen ist
o eine Seligkeit, die er im Leben nicht erreichen kann, weil der Zugang dazu durch
die Sünde gestört wurde
- Sünde o bei Athanasius: Abwendung vom Logos und Hinwendung zum Nichts
o bei Anselm: Störung der rechten Ordnung
o was ist die rechte Ordnung?
o für die rechte Ordnung steht der Begriff der Ehre Gottes (die Sünde ist Beleidigung
der Ehre Gottes)
- Gott kann in seiner Ehre an sich nicht beleidigt werden, wohl aber die äußere Ehre
Gottes, die rechte Ordnung
o Gott der die Schöpfung (man denke an den Hintergrund: Wahrheit und rectitudo)
rational erschaffen hat wird „beleidigt“, seine Ehre wird in den Schmutz gezogen
wenn die rechte Ordnung gestört wird
o die Störung der rechten Ordnung legt auch die Logik fest, mit der die Ordnung
repariert werden muss: aut satisfactio aut poena (entweder Genugtuung oder
Strafe)
o wir sind im MA, dieses Denkmodell ist bestens inkulturiert zu dieser Zeit
o der moderne Mensch soll nicht allzu schnell darüber lächeln, denn im Grunde
entspricht das den menschlichen Bedürfnissen (→ ungestraft kommt keiner davon!)
o die große Herausforderung die sich in unserem Kontext stellt: was ist mit der
Predigt der Güte Gottes? Was ist mit dem 1. Akt? Kann man das über Bord werfen?
o Anselm trifft eine folgeschwere Entscheidung: reine Güte ist letzten Endes Gottes
unwürdig, Gott muss über die rechte Ordnung wachen (Quelle einer heute noch
verbreiteten Vorstellung)
3.3.1.3 satisfactio
- der Mensch muss die satisfactio leisten, kann es aber nicht – Gott könnte, muss es aber
nicht
o der Mensch muss, kann nicht
o Gott könnte, muss nicht
o Gott-Mensch: als Gott kann er, als Mensch will er
- deswegen braucht es einen Gottmenschen, der als Gott kann und als Mensch will
o → das wäre Anselm auf einen Satz gebracht
- der Mensch muss es leisten weil er gesündigt hat, er ist derjenige, der die Ehre Gottes
beleidigt hat; er kann aber nicht: Anselm misst die Schwere der Sünde nicht so wie die
spätere Moraltheologie nach der Materie (schwere und leichte Sünde) sondern nach der
Würde desjenigen, dessen Ehre beleidigt ist, und weil Gott unendlich ist, ist alles, was sich
gegen Gott richtet, in einem Ausmaß von unendlicher Schwere zu sehen (→ Sünde als
Verhältnisbegriff)
o der Mensch kann zwar die unendliche Schuld auf sich ziehen, kann aber unmöglich
unendliche Wiedergutmachung leisten
o damit steckt der Mensch in der Sackgasse, nur lösbar dadurch dass Gott, der es
könnte, die Aufgaben des Menschen übernimmt
o Jesus muss aber nicht, denn er hat nicht gesündigt; die Tatsache, dass Jesus
sündenrein ist, ist systemkonstituierend: er muss es nicht tun, aber er will es; und
weil er es will erwirbt er unendliche Verdienste, und deshalb muss er dafür belohnt
werden, und jetzt steckt Gott in der Sackgasse, und Gott muss es ihm ausgleichen,
kann es aber nicht, denn er (Gott) hat ja schon alles
Dogmatik I
- 50 -
- Sünde als Störung der rechten Ordnung
o in die Tradition ging die andere Bezeichnung ein: Sünde als Beleidigung der Ehre
Gottes
o da Anselm, im Unterschied zur späteren Moraltheologie, die Schwere der Sünde nicht
an der Materie, sondern an der Würde des Beleidigten misst, ist im Grunde jede
Störung dieser Ordnung eine unendlich große Sünde, die vom Menschen her der
satisfactio unterworfen werden muss (aut satisfactio aut poena [poena: Anihilation,
ewiger Tod; Gott kann nicht die Schöpfung der Anihilation ausliefern; Ausweg der
Rechtfertigung, satisfactio])
o notwendige Gründe: eine unlösbare Situation, ein Dilemma: da die Sünde
unendlich groß ist muss die Satisfaktion von unendlichem Wert sein
o der Mensch, das Geschöpf ist zu einer solchen Satisfaktion unfähig, er kann sie
nicht leisten o Gott könnte es, da er unendlich ist, er muss es aber nicht, da er die Störung nicht
verantwortete (es ist der Mensch, der verantwortlich ist, deshalb muss er satisfactio
leisten)
o deswegen deduziert (dh fortführen) Anselm in Cur Deus homo: er deduziert einen
Gottmenschen, der als Gott es könnte und als Mensch es nicht machen muss, da
Jesus als Mensch der Einzige ohne Sünde ist
o Anselm ist einer der ersten, der die Sündenfreiheit Jesu als konstitutives Element
berücksichtigt – Jesus ist ohne Sünde, deshalb muss er die Satisfaktion nicht leisten
o er will es aber tun, und diese freie Entscheidung hat einen ungeheuer großen
moralischen Wert: er kann es tun als Gott, er will es als Mensch
o deshalb erwirbt er sich unendliche Verdienste
3.3.1.4 tesaurus ecclesiae (der Gnadenschatz der Kirche)
- Gott muss dem menschgewordenen Sohn diesen unendlichen Verdienst, die freie
Entscheidung zur satisfactio, lohnen, ansonsten wird Gott als ungerecht erscheinen
- er steckt aber in der Sackgasse: was kann der Menschgewordene noch bekommen das er
nicht schon hätte? Ein paar größere Lichtstrahlen? Aber was ist das schon verglichen mit
dem unendlichen Verdienst?
- deshalb deduziert Anselm den tesaurus ecclesiae
o da zwischen Christus und Kirche eine mystisch-organische Einheit besteht,
überträgt Christus, das Haupt, die Dienste die er erworben hat – er gründet eine
„Bank“, diese Verdienste sprudeln bis an das Ende der Menschheitsgeschichte
o aus diesem Gnadenschatz wird nun die Kirche Gnaden austeilen
o entscheidender Wert im MA im Kontext der Ablasslehre; Ablässe zur Verkürzung
oder Beendigung zeitlicher Strafen im Fegefeuer
- Gott überträgt die Verdienste Christi an die Kirche die es dann verteilen darf
- so glaubt Anselm, die Wahrheit des Kreuzes erkannt zu haben (Ausbalancierung der
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit)
o in der Satisfaktionslehre wird die Gerechtigkeit Gottes so gedacht, dass sie nicht
größer gedacht werden kann und auch die Barmherzigkeit Gottes wird so gedacht,
dass sie nicht größer gedacht werden kann
o mit dieser Zuordnung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes stellt sich eine
Analogie zum ontologischen Gottesbeweis (dasjenige, über das hinaus nichts
gedacht werden kann)
o mit der Deduktion des Gottmenschen der Satisfaktion leistet obwohl er nicht muss
– die reine Güte Gottes wäre für Anselm unmoralisch – mit der Satisfaktion ist der
Gerechtigkeit genüge getan
o weil es ein Stellvertretungsgeschehen (Christi anstelle der Menschen) ist, ist es die
Barmherzigkeit, die nicht größer gedacht werden kann
- Akt, den der Gottmensch zu vollbringen hat:
Dogmatik I
- 51 -
o als Mensch ist er ein Geschöpf; als Geschöpf schuldet dieser Gottmensch Gott alles
wie jedes Geschöpf (Gehorsam, Anbetung, Leben in der ordentlichen Art und Weise,
…)
o das Einzige das Jesus Gott nicht schuldet ist der Tod, weil er nicht gesündigt hat →
weil er der Sündenreine ist schuldet er den Tod nicht, müsste ihn nicht erleiden
altes Diktum der Kirchenväter: Tod als Folge der Sünde
o → deshalb leistet der Tod die Satisfaktion
o Erlösung durch den Tod (vgl. Athanasius: die Menschwerdung ist ausschlaggebend;
die Schöpfung, die sich vom Logos abgewandt hat und sich deshalb ontologisch
geschädigt hat, zu Anihilation tendiert, wird durch die Menschwerdung gerettet → bei
Anselm erfolgt die Satisfaktion durch das Kreuz)
o diese beide Traditionen bestehen nebeneinander in der Tradition
Karl Rahner steht mehr im Kontext der athanasianischen Logik; auch wenn er
über Kreuz redet ist für ihn die Erlösung im Kontext der Menschwerdung zu
denken
H.U.v. Balthasar wäre mehr auf der anselmianischen Schiene
Raymund Schwager haut aufgrund der Zuspitzung im deutschen Sprachraum
(Position aus der Exegese, die im Kontext der Inkarnation die christliche
Erlösungslehre sah und die Dimension des Opfers ablehnte) sein ehrgeiziges
Projekt realisiert: er glaubt beide Aspekte in seinem dramatischen Modell zu
verbinden und zu versöhnen (1. Akt mehr Inkarnation, 3. Akt mehr Kreuz)
3.3.1.5 Wahrheit des Heils
- der Vater spricht zum Sünder: „Nimm meinen eingeborenen Sohn und gib ihn für dich“
o eine Aufforderung, die in der Eucharistiefrömmigkeit des MA wichtig wurde
- der Sohn selber: „Nimm mich und erlöse dich“
o das steht fast auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen Theologie, Befreiung der
Freiheit
o was du selber nicht machen konntest habe ich für dich gemacht, ergreife es, sei nicht
untätig sondern erlöse dich
o wenn man den Gandenschatz aus dieser Perspektive betrachtet kommt etwas völlig
anderes heraus als wenn man ihn lutherisch diffamiert (→ „Wenn das Geld im Kasten
klingt …“)
o jene Alternative, die der Westen kaum überwinden konnte: entweder Gott oder
Mensch
o im Stellvertretungsdenken ist ein Versuch der Ausbalancierung: das Göttliche
und Menschliche wirken zusammen, nicht auf Kosten des Anderen
- damit ist die katholische Position bis in die Neuzeit auf den Punkt gebracht
o Thomas zB der im Grunde dieselbe Position hat, nur die ursprüngliche Idee aut
satisfactio aut poena verschiebt er zugunsten von beides ist nötig (Strafe als leiblicher
Tod)
o deswegen ist Anselm durch die Leistung von Trient hindurch in die Volkskatechismen
gegangen und wurde bis Vatikanum II gelehrt, mit all den Verzeichnungen die es
dann gab: Schwerpunktsetzung auf den beleidigten Gott
o dass die Sünde den sozialen Zusammenhang in dem die Menschheit lebt stört, das
geriet in Vergessenheit, im Vordergrund stand der beleidigte Gott; Gott der auf das
Opfer seines Sohnes pocht
3.4 Relevanz mittelalterlicher Motive: die Antwort auf den Gott des Zorns: Luther
- Luther dramatisiert die theologische Diskussion im MA indem er zurück auf Augustinus
geht, die auf Ratio ausgerichtete Scholastik wird von ihm verworfen, und versucht jene
Dogmatik I
- 52 -
Aspekte der Wirklichkeit, die verloren gegangen sind, wiederzufinden und eine Antwort auf
den Gott des Zornes zu finden
o wir haben sowohl in der biblischen als auch in der spirituellen Tradition zwei
Stränge in der Erfahrung mit Gott: Gott der Güte und Gott des Zornes
Markion: löste das durch die gnostische Idee von zwei Göttern (der böse
Schöpfergott wird durch den liebenden Gott Christi überwunden)
der Weg der Spaltung in zwei Götter ist für die Kirche
ausgeschlossen, alles muss von ein und demselben Gott ausgesagt
werden
Irenäus: Einheit von Schöpfer- und Erlösergott; Gott passt sich in seinem
Offenbarungshandeln dem Verstehensvermögen des Menschen an
(); die Wahrheit und damit die Vermittlung beider Aussagen ist
vom Schluss her zu betrachten, daher die Rekapitulation der Heilsgeschichte
in Christus; die Aussagen vom Zorn (und diese Tradition geht bis in die
Gegenwart) sind als Aussagen seiner Gerechtigkeit zu interpretieren, und das
machte auch Anselm
ungenügende Antwort auf Markion mit der Reduktion auf die
Gerechtigkeit; → wie können die Aussagen von der blutigen Rache
Gottes, von einem unterschiedslos niedermetzelndem Gott als
Aussagen von Gerechtigkeit ausgelegt werden → dieser Gott wäre im
Grunde unmoralisch
der Autor der diese Aufgabe zur Hauptaufgabe macht ist Martin
Luther
- Luther, nicht nur Hermeneutiker sondern auch systematischer Theologe, der spirituelle
Erfahrungen in den Griff zu bekommen trachtet, lebt in panischer Angst vor jener
Gerechtigkeit Gottes, die ihn verurteilt
o er erfährt sich als schwacher und sündiger Mensch, erleidet ungeheure Ängste und
findet erst Frieden im Herzen, als er eine neue Vorstellung von der Gerechtigkeit
Gottes bekommt: nicht austeilende Gerechtigkeit sondern eine den Menschen
gerecht machende Gerechtigkeit
3.4.1 erkenntnistheoretischer Horizont
3.4.1.1 Erlösungskonzept
- entschiedene Voraussetzung ist, dass Luther sich angewidert von der rationalistischen
Scholastik abwendet (Misstrauen der Vernunft gegenüber)
- die Vernunft sei eine Hure, die sich instrumentalisieren lässt
- wenn ich mich nicht auf die Vernunft einlassen kann, wo habe ich halt um kritische Urteile
zu fällen? – in der Schrift
- Luther gewichtet: nicht die Auslegung der Schrift im Lichte der Vernunft (= Moderne),
sondern genau umgekehrt: die Schrift kritisiert die Vernunft
- die Schrift ist aber vielfältig und widersprüchlich – kann etwas Sinnvolles ausgesagt
werden?
3.4.1.2 Einheit der Schrift vom Christusgeschehen
- die Schrift spricht immer von ein und demselben in unterschiedlichsten Geschichten, und
das ist das Christusgeschehen selbst
- sowohl das AT als auch das NT sind auszulegen auf Christus hin, mehr noch: Christus
selbst ist der eigentliche Sprecher in der Schrift
- Luther macht das deutlich in der Auslegung der Psalmen: wer ist der Beter? wer spricht? –
immer Christus
o doch was soll es bedeuten, wenn der Psalmenbeter betet „In Sünde bin ich geboren“
Dogmatik I
- 53 -
o die hermeneutische Grundregel: Christus spricht in der Schrift mal in eigenem
Namen, mal im Namen seiner Glieder
o Christus spricht als Haupt oder als die Glieder (in persona ecclesiae), je nachdem was
gesagt wird
o Übertragung zwischen Christus und Kirche
- Luther belebt die Lehre vom vierfachen Schriftsinn und macht sie sich zu eigen: Littera
gesta docet, quid credas allegoria, moralis quid agas, quid speres anagogia (der Buchstabe
lehrt das Geschehene; was zu glauben ist, die Allegorie; der moralische Sinn was zu tun ist;
was zu hoffen ist, die Anagogie)
o zB literarischer Sinn: kommt das Wort „Jerusalem“ vor, ist die Stadt gemeint
o allegorischer (typologischer) Sinn: was es zu glauben gibt; die Stadt Jerusalem ist
allegorisch betrachtet die Kirche (dogmatischer Sinn, andere Ebene)
o moralischer Sinn: bezogen auf die Moral des Menschen, auf die Seele hin, was ergibt
sich aus der Betrachtung des Bildes: Jerusalem als Stadt, als Allegorie für die Kirche
wird tropologisch für die menschliche Seele als moralisches Subjekt
o anagogischer Sinn (Hoffnung): worauf hin zielt das Ganze, welche Hoffnung:
Jerusalem wird zum Inbegriff des himmlischen Reiches (himmlisches Jerusalem)
3.4.1.3 Logik einer sich immer mehr intensivierenden Identifizierung Gottes mit den Menschen vs. radikales Zurückdrängen menschlicher Freiheit
- Luther bedient sich dessen und kann in zwei Richtungen interpretieren: von Christus zur
Kirche und von der Kirche zu Christus
o im Unterschied zu anderen religiösen Traditionen ist der biblische Gott anders, er
identifiziert sich mit konkreten Menschen, mit einem konkreten Volk, und wenn
das Volk versagt wendet er sich nicht ab; durch die Sackgasse des Abfalls wird die
Identifizierung immer mehr gesteigert; die biblische Dynamik und Dramatik stellt
sich als ständig steigende Identifizierung Gottes mit seinem treulosen Volk dar
- aufgrund seines Misstrauens gegenüber der Vernunft, aufgrund seiner Zurückdrängung
der Freiheit: nach Luther ist der Mensch radikal unfrei
o aufgrund der Sünde des Adams werden Menschen entweder von Gott oder vom
Teufel geritten
o der Mensch eigentlich nur noch Werkzeug
- die menschliche Position ist in der lutherischen Theologie bedeutungslos und blass
o Folgen: diese Art von Theologie erliegt leicht der Gefahr der Projektion
- so gesehen wird bei Luther der Mensch, und der Mensch heißt konkret Christus, nur noch zu
einem passiven Werkzeug göttlichen Handelns, denn auch der Mensch Christus hat keine
Freiheit
- damit haben wir ein völlig anderes Konzept als bei Anselm
o bei Anselm ist Christus ein frei handelndes Subjekt als Mensch, er handelt, er
fordert den Menschen auf zu handeln („Nimm mich und erlöse dich“)
o bei Luther ist die menschliche Natur Christi nur noch ein passives Werkzeug, mit
dem Gottvater handelt und wir werden sehen, auch der andere Mensch spielt im
Kontext des Handelns keine Rolle
3.4.1.4 deus absconditus (verborgen) vs. deus revelatus (offenbarend)
- deus absconditus, der verborgene Gott, der Angst und Schrecken verursacht – der Gott der
mich als Sünder eigentlich zerstören müsste
o der Sünder erfährt Gott als den verborgenen Gott, als Gott des Zornes
o dieser Gott ist nichts anderes als Antwort auf die menschliche Schwäche und Sünde
o wenn Christus selber am Kreuz die Gottverlassenheit erfährt, so erfährt er jenen deus
absconditus
o Markion: zwei verschiedene Götter
o Luther: zwei Gesichter ein und desselben Gottes
Dogmatik I
- 54 -
- deus revelatus, ein sich offenbarender Gott, der sich in Christus offenbart und der ermöglicht
es, dass man seine Angst vor dem Zorn Gottes bändigt
o Luther nimmt Paulus beim Wort und spricht ausdrücklich vom dramatischen Kampf
am Kreuz
o das Kreuz als hochdramatisches Geschehen in dem mehrere Akteure beteiligt sind
o am Kreuz nimmt der Vater die Sünden vom sündigen Menschen und überträgt diese
auf den zum Sünder werdenden Sohn – Christus ist eigentlich ein Werkzeug an dem
gehandelt wird, er hat keine Freiheit – der Vater ist der Agierende, er nimmt die
Sünden und überträgt sie auf den damit zur Sünde werdenden Christus – Christus
wird zum Sünder, ja zur Sünde
o göttlicher Zorn: nachdem diese Übertragung stattfindet entlädt sich der göttliche
Zorn über Christus
o Folgen dieses Denkens: der Zorn entlädt sich nun nicht mehr über dem Menschen,
sondern über Christus, man erfährt sich stückweise als gerechtfertigt
o → simul iustus et peccator (Gerechtfertigte und Sünder zugleich)
3.4.1.5 Folgen des Kampfes für den Menschen: simul iustus et peccator
- wenn der Mensch auf Christus schaut kann er sich als iustus erleben, aber nicht weil er
selber gerecht ist, das wird er niemals werden (Grundbild: Mensch unfrei, Inbegriff des
Sünders)
- sofern ich auf mich selber blicke (modern: homo incurvatus der nur auf sich selbst pocht) ist
Sünder und bleibt Sünder
- eine Spannung im Menschen, die eigentlich nie aufgelöst werden kann
- im Blick auf den Gekreuzigten erfährt man sich als gerecht, verliert man diesen Blick
erfährt man sich als Sünder
- warum das Kreuz eine so fundamentale Bedeutung in der evangelischen Tradition hat: das
Kreuz auch als Symbol; am Kreuz spielt sich der dramatische Kampf ab, am Kreuz ereignet
sich der „fröhliche Wechsel und Streit“ zwischen der sündigen Seele des Menschen und dem
unsere Gerechtigkeit seienden Christus
3.4.1.6 Wahrheit des Heils
- bedeutet Vertrauen; in diesem Vertrauen auf Christus erlebe ich meine Gerechtigkeit, selber
bin ich aber vor Gott niemand
- Erlösungslehre heißt im Klartext: Gottvater ist der Agierende, er macht Christus zum
Sünder (erste Stellvertretung), über diese Sünde entlädt sich der göttliche Zorn (zweite
Stellvertretung) und wenn ich auf Christus schaue darf ich an seiner Gerechtigkeit Anteil
haben
o Analogie zum Fünf-Akte-Modell von Raymund Schwager:
der wichtigste Unterschied betrifft die Frage wer handelt: bei Schwager die
Menschen die Christus ausstoßen, ihn zu einem Sündenbock machen, nicht
aber Gott
es ist Christus selber der handelt, getragen durch die Liebe des Vaters
vgl. Maximus Confessor: Mensch Jesus mit einem Freiheitsakt
bei Luther ist das Menschliche ausgeblendet, reduziert auf ein passives
Werkzeug; Gott selber handelt
in Christus ist der Ort des fröhlichen Spiels von Wechsel und Streit
- mit diesem Modell merkt man, dass da ganz andere Weltbilder vorhanden sind, was Gott ist,
was Mensch ist, was Kooperation oder Rivalität ist
o in diesen theologischen Bildern verdichtet sich das, was kulturell selbstverständlich
wurde
Dogmatik I
- 55 -
o trotz des einheitlichen mittelalterlichen Systems ist die Einheit der Ordnung
längst zerbrochen: Menschen leben zwar im selben Gebiet, aber das was Neuzeit ist,
ist längst eingebrochen, Vormarsch der subjektiven Erfahrungen
o Luther findet zu seiner Theologie, weil er sich mit sich selber auseinandersetze (die
scholastischen Gelehrten hingegen lasen andere Werke)
- mit Luther zerbricht die Welt in zwei Weisen des Begreifens von Heil und Wahrheit
- Reformation fokussiert sich auf Sünde, auf Verlust von Freiheit – den Menschen kennt sie
eigentlich nicht
o auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass gerade in der evangelischen Tradition
es mit der Zeit zu einer Infragestellung der Stellvertretung kam
- man verdeutliche sich
o barocke Kirche: wunderschöne aber anders gestaltete Kirchen der Reformation
(düster, konzentriert auf Kanzel, auf die Schrift und sonst nichts)
o verschiedene Zugänge der Welt
3.5 moderne Ablehnung der Wahrheit des Kreuzes
3.5.1 Infragestellung der Stellvertretung im Kontext des Autonomiedenkens
- was wir bisher als Wahrheit des Kreuzes analysierten war immer ein Geschehen, das in der
Logik der Stellvertretung betrachtet wurde
- damit besteht jetzt der Inbegriff des Heils darin, dass jemand für mich etwas tut
- Kant, und damit endet eine Epoche: Autonomie, dh niemand kann an die Stelle eines anderen
treten, das höchste Ideal ist das autonome Subjekt
o er wird zu einer fundamentalen Herausforderung der evangelischen Tradition, weil
er die Wahrheit des Kreuzes vernichtet
o heißt das aber, dass die Wahrheit des Christentums und das Heil in Christus aus den
Angeln gehoben sind? Nein, Kant bleibt Christ
o mit Kant kommt jenes Modell zur Diskussion, das kulturell heute geistert: Heil =
Moral
o als Menschenfreund brachte er das Ideal der moralischen Vollkommenheit
o Christus als der ideale Mensch, als Vorbild, der Autonomie am besten verwirklichte
o weil er das tat, kann er nicht an meiner Stelle etwas verwirklicht haben, das wäre
contradictio in se (Widerspruch in sich selbst)
o es geht um ein gottgefälliges Leben, das im Menschen grundgelegt ist
o er greift auf Lk 17,21: „Das Reich Gottes ist in euch“, im innersten Kern des
moralischen Subjektes
o das neuzeitliche protestantische Christentum, das damit seinen Anfang nimmt,
verwandelt die Religion zu Ethik, es ist ein moralisches Christentum, eines, das
letzten Endes auf neue Art und Weise rationalistisch wird (jene Tradition die sich auf
die Reformation beruft – wenn bei Luther Kreuz und Gekreuzigter im Zentrum stehen
verschwindet das bei Kant; das Kreuz wird zu einem Kultursymbol), Freiheit,
Vervollkommnung des menschlichen Subjektes, das Reich Gottes im Menschen, die
bürgerliche Tugend als Inbegriff sittlicher Religiosität – all das war eine radikale
Revolution der Tradition
o was wir heute als radikale Krise erleben, diese Verunsicherung, ist zuerst Krise des
neuzeitlichen moralisierenden Christentums
- dogmatisch gesehen das entscheidende Stichwort: Infragestellung der Stellvertretung;
das Kreuz hat keine Bedeutung
o was an Christus bedeutsam war muss sich in Kategorien der Ethik übersetzen lassen
o auf diesem Hintergrund der deutsche Protestantismus mit seinen großen Gestalten
(Kant, Fichte, Hegel, … alle diese waren mal Theologen)
o Aufklärung, Auszug aus der Unmündigkeit des Dogmas (va das kirchliche Dogma der
Erlösung in Christus)
Dogmatik I
- 56 -
3.5.1.1 Versagen rationalistischer Theologien im Kontext der Kriege des 20. Jahrhunderts
- dieser Kulturprotestantismus erlebt eine ungeheure Krise mit dem Ausbruch des I.
Weltkrieges
- Karl Barth: eine Theologie, die zu Kriegshetze wird, muss eine falsche Theologie zu sein
o man muss die Kriegsbegeisterung zu Beginn des I. Weltkrieges bedenken
o die deutschen liberalen Theologen waren Kriegshetzer
o Karl Barth bringt den deutschen Protestantismus in eine fundamentale Glaubenskrise
weil er wieder zu Luther zurückkehrt
3.5.1.2 liberale „Abschaffung“ des Opfers, Opferkritik in der katholischen Theologie
- das Kreuz als Fokussierung der Opferhaltung gerät ins Kreuzfeuer der Kritik (68er!)
- politisch gesehen war es eine Zeit da man von Opferminimierung sprach, man hat Opfer
übersehen, minimalisiert
- nach und nach kehrte aber die Opfermentalität zurück
o heutige Problematik: wie oft Opfer auftaucht, da staunt man, wie weit man
gesamtgesellschaftlich verblendet sein kann
o nicht zuletzt Missbrauchsdebatte: geschah genau in einer Zeit, da man glaubte keine
Opfer mehr zu haben; das entsprach nicht dem gängigen Schema (Verurteilung zur
Sprachlosigkeit)
- das ist ein analoger Begriff: unabhängig davon wie man das Opfer bestimmt: Ablehnung
einer Sicht der Wirklichkeit wo man sagt, Stellvertretung habe eine Bedeutung
o der Traum des autonomen Menschen ist es niemanden mehr zu brauchen
- das Problem um das es hier geht: kann es ein Lebens- und Glaubensmodell geben, das nicht
auf Stellvertretung beruht?
o man merkt, dass sich die Kultur zu Ende des 20. Jh. in eine kulturelle Sackgasse
verirrte
3.5.1.3 Suspendierung der Wahrheitsfrage (gerade im Kontext von Leid)
- hinzu kommt, dass auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzung gerade in der Theologie
die Wahrheitsfrage in Misskredit geraten ist
- Wahrheit wurde an den Rand gedrängt, das ist etwas, das die Menschen vernichtet
- Heil hingegen tut dem Menschen gut, und zwar die Mentalität in pluralistischen
Theologien: jedem Menschen seinen eigenen Gott, seinen eigenen Himmel und seinen
eigenen Weg dorthin, es gibt ja mehrere Fenster und keiner kann Anspruch auf den richtigen
haben
o trotzdem die Frage: rechtfertigt das die Suspendierung der Wahrheitsfrage?
Damit ist gemeint, es gäbe keine gemeinsamen Hintergründe, die letzten Endes
einen normativen Charakter zu Gemeinsamkeit haben
o wenn das der Fall ist, ist radikaler Individualismus die Folge und damit verbunden
radikale Einsamkeit o so menschenfreundlich sich pluralistische Modelle auch anhören mögen, man muss
sie bis zum Ende durchdenken, und da landet man immer beim autarken Wesen
das auf Andere nicht angewiesen ist
- Christologie als Horizont, es geht nicht um Macht oder Hegemonie
o Christologie als Denkfigur
o sie sagt nicht mehr, als dass das letzte Geheimnis der Wirklichkeit doch in
Stellvertretung geschehen ist
Christologie heißt: vieles können wir tun, aber das Entscheidende im Leben
widerfährt uns, weil das letzte Geheimnis der Wirklichkeit ein personales
Geheimnis ist, das das Böse wandelt oder erleidet und das tut was wir selber
nicht vermögen
Dogmatik I
- 57 -
3.6 Radikalisierung der Erkenntnis der Wahrheit des Kreuzes in der Theologie des 20. Jahrhunderts: Kreuz als Erlösung von der Hölle
- das heißt nicht, dass die Umwege im evangelischen Kontext über Kant ein Irrtum waren, das
waren geschichtliche Ausprägungen einer bestimmten Lebensweise, trotzdem ist damit
wohl kaum der Wahrheit letzter Schluss erreicht
3.6.1 Karl Barths Kritik an den Extremen
- einer der nicht nur eine Schule begründet hat, sondern das ganze geistige Klima veränderte
- als Gemeindepfarrer war er schockiert über das was im I. Weltkrieg passierte
- er nahm die Bibel, schlug den Römerbrief auf und fing an selber Kommentare zum
Römerbrief zu schreiben
o wurde zu einem solchen Schlager, dass über Nacht Karl Barth zu einem der
herausragendste theologischen Gestalten in der deutschen Kirche wurde
o er hat nie promoviert, er wurde von einer mutigen Universität aufgrund dieses
Kommentars zum Professor berufen, gleich hat ihn die Universität Bonn geholt, da hat
er akademisch sich entfaltet und die Weichen anders gestellt wodurch er gefährlich
wurde
o als Hitler an die Macht kam wurde er aus Deutschland ausgewiesen, hat sein Leben in
Basel weitergelebt
o sicher die größte Gestalt des Protestantismus im 20. Jahrhunderts
- Augustinus, der Vater der Prädestinationslehre hat gerade im Rückgriff auf bestimmte
biblische Aussagen aber auch aufgrund seiner Erfahrung geurteilt: Gott erbarmt sich
wessen er sich erbarmen will und er verstockt diejenigen die er verstocken möchte (Röm 9,18: Aufgriff von Mal, „Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst.“)
o Gott erbarmt sich, und dies grundlos, des Jakob (di ein Teil der Menschheit), wie
Gott Esau (ein anderer Teil der Menschheit) das Erbarmen vorenthält
o Dogmatik III: weil die Menschheit in der massa damnata lebt wird das, was mit
Esau gemeint ist, der Verdammnis anheim fallen
o Gott erbarmt sich in seinem unermesslichen Ratschluss jener Menschen, die er
erwählt, und er erwählt eben nicht alle, sondern nur die Wenigen (es sind die
Wenigen, die den Weg durch das enge Tor schaffen)
o dass diese Aussage des Paulus keine über die ewige Verdammnis ist ist klar, ein
Großteil der Tradition legte Röm auch anders aus, dennoch hat die
Prädestinationslehre von Augustinus eine ungeheure Faszination ausgeübt
in katholischen Kreisen weniger, es war va die Reformation
Luther, ein Augustiner, hat diese Lehre neu belebt, va aber Jean Calvin
Calvin machte diese Lehre geradezu zum Schlüsselbegriff seines
theologischen Systems und spitzte Augustinus sogar zu: wo Augustinus vom
„Nichterwählen“ sprach (nicht aktives Verwerfen), vollzieht Calvin den
Schritt zur aktiven Verwerfung (Gott als absolutes Souverän erwählt einige
und verwirft andere mit einem positiven Willensakt)
überflüssig zu sagen, dass das Prädestinationsdenken nicht nur ein christliches
Privileg ist: der ganze Islam ist im Grunde eine Prädestinationsreligion (Gott
bestimmt den menschlichen Willen vorher)
Calvin: Gott bestimmt die Menschen zur ewigen Seligkeit und zur ewigen
Verdammnis – zu welcher Gruppe gehöre ich?
Augustinus verweigerte sich dieser Logik (auch wenn er überzeugt war
erwählt zu sein)
für Luther: der Mensch ist zwar Sünder und bleibt Sünder, aber mit dem Blick
auf das Kreuz Christi – extra nos liegt unser Heil; jeder Blick auf Christus
kann mich in der gläubigen Gewissheit stärken gerettet zu werden
Dogmatik I
- 58 -
bei Calvin: psychologische Aspekte spielen eine Rolle; einer der Punkte am
Rande ist die Frage des äußeren Erfolgs (Bewähren und Erfolg im Leben) –
dieser Mensch darf diesen Erfolg rückinterpretieren als Zeichen der
Erwählung
eine der berühmtesten Thesen über den Zusammenhang Theologie-Ökonomie
von Max Weber: Calvinismus, der Gedanke der Prädestination, sei der
entscheidende Impuls zur Entwicklung des Kapitalismus (Selbstbestätigung
zu den Erwählten zu gehören) – Max Weber: am Ursprung des Kapitalismus
steht ein theologisches Denkmodell, die calvinistische Prädestinationslehre
- zwei große Herausforderungen der Neuzeit:
o Schwelle zur Neuzeit, und die systematische Theologie präsentiert sich: überlieferter
Glaube und radikale Infragestellung des zentralen Gedankens der Stellvertretung
dieser Gedanke va durch die Aufklärung infrage gestellt (Kant: keiner kann
anstelle eines anderen etwas tun) – was bedeutet dann Jesus Christus
für die evangelische Theologie dann: das Heil Christi ist im Grunde die
Wahrheit der Pädagogik, des Modells; Christus als Modell des sittlichen und
guten Lebens, eine exemplum
Religion und Ethik rücken nahe aneinander, fast zur Unkenntlichkeit
verschmelzen sie
das kantische Erbe zuerst im deutschen Protestantismus, dann auch weltweit:
Religion als Ethik
in diesem Kontext: Stellvertretung ist moralisch unzulässig; der Gedanke der
Erlösung in Christus verblasst, hat keinen kulturpolitischen Stellenwert mehr
o Kritik der Opfermentalität:
Höhepunkt in der 68er-Mentaltiät; unsere Kultur schafft den Sprung
(kultureller Sprung), dass das öffentlich zugemutete Sacrifitium wird nicht
nötig sein, denn wir kommen in einen Zustand, der gerecht sein wird
3.6.1.1 Gnadenwahl durch Gott
- Barth beeinflusst durch Calvin (Vorherbestimmung und Verwerfung)
- Barth, der seine Studien im Kontext der liberalen Theologie macht
- er erlebt den Zusammenbruch: die von ihm gelernte Theologie sei falsch
- Barth, der das klassische Prädestinationsschema aus den Angeln hebt; insofern hat er
konfessionsübergreifend eine Bedeutung
- gehört sicher zu den größten theologischen Gestalten des 20. Jh.
- Bedeutung von Karl Barth: Wiedergewinnung der Dimension der Stellvertretung für die
Theologie
o er setzt dort an, wo Calvin ansetzte, bei der Gnadenwahl Gottes
o das letzte oder erste oder zentrale Wort der Erlösungslehre (evangelisch:
Versöhnungslehre), die zentrale gute Nachricht, ist die Gnadenwahl durch Gott
o alles entscheidet sich bei diesem decretum (Entscheidung) Gottes, die er in alle
Ewigkeit trifft, nur diese Entscheidung wird von Barth radikal mit Jesus Christus
verbunden
o die Gnadenwahl Gottes besteht in der Gnadenwahl Christi: Jesus ist der Mensch,
der von Gott erwählt wird
o in Jesus Christus kommen der erwählende Gott und der erwählte Mensch
zusammen– man erkennt eine gewisse Analogie zum anselmianischen Denken
o es kann deswegen auch keinen verborgenen Willen Gottes geben
Schluss mit der Figur eines deus absconditus – Gott kann nicht anders sein als
jener, der sich uns offenbart
eine analoge Denkfigur hatte zur selben Zeit auch Karl Rahner
die ökonomische Trinität ist die immanente – Gott kann in seinem Wesen
nicht anders sein als der, der sich offenbart
Dogmatik I
- 59 -
o Inhalt der Prädestinationslehre: In der Erwählung Jesu Christi hat Gott den
Menschen die Erwählung und das Leben, sich selbst aber die Verwerfung und
den Tod zugedacht
o in Jesus Christus gilt den Menschen die Erwählung, das Leben; in Jesus Christus gilt
dem menschgewordenen Gott die Verwerfung und der Tod
o damit ist Christus Erwählter und Verworfener zugleich an unserer Stelle
o Barth bringt die Prädestinationsfigur aus ihrer Verankerung: es gibt göttliche
Entscheidung die in alle Ewigkeit von Gott getroffen wurde, aber keine
Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Menschen, sondern zu Gunsten
und Ungunsten des einen Jesus Christus – er ist Erwählter und Verworfener, weil
er stellvertretend für uns die Verwerfung erleidet – und dies wird im Kreuz konkret
o Ursprung jenes Diktums, das in der Vorstellung der fünf Akte im 3. Akt auftauchte:
Christus, der Richter, ist gerichtet o phänomenal bei Barth: er widmet über hundert Seiten der Gestalt des Judas, dieser
wird zum Prototyp Christi, in der Form des Verräters, desjenigen der verwirft (jene
theologischen Gedanken, die in der deutschen Publizistik später Walter Jens
literarisch fruchtbar gemacht hat)
o damit wird die Erwählungslehre zur Lehre von der Rechtfertigung des Sünders
o der Mensch kann diese Art der Rechtfertigung mit seiner Sünde unmöglich
rückgängig machen
o mit diesem Denkschema hat Karl Barth die Dimension der Stellvertretung neu in die
Theologie hineingebracht
3.6.1.2 Widerspruch in Gott
- viele der Arbeiten über Barth ackern sich ab an dem Problem: wird damit der Widerspruch
der Sünde nicht in Gott selbst verlagert?
- hat Barth durch seine Gnadenwahl, eine, die Christus als den Erwählten und Verworfenen
thematisiert, philosophisch nicht den Widerspruch gut-böse, Sünde-Gnade, in Gott selbst
verlagert?
- zugespitzt: wenn de facto das Verwerfen gleich ursprünglich ist wie das Erwählen, wenn
das zwei Seiten ein und derselben Wirklichkeit sind, ist das nicht nur eine neue Auflage jenes
alten Dilemmas, das uns mit dem janusköpfigen Gott begegnet, dass Gott widersprüchlich
ist?
- Barths Dilemma: je stärker man die Inkarnation im Kontext des Kreuzes sieht desto
stärker gerät man in Gefahr, einen Widerspruch in Gott anzunehmen
o die Annahme eines Widerspruchs in Gott wäre aber – so Barth – eine Lästerung
o deswegen hat Barth sich sein Leben lang gesträubt den „Schritt in die Ewigkeit“ zu
tun
o die Gefahr hat er gesehen und zugegeben, aber immer bestritten, dass es einen
Widerspruch in Gott gibt
- diesen Schritt hat aber die reformatorische Theologie nach Barth gemacht, der bekannteste
Autor ist Jürgen Moltmann
o Auschwitzdebatte: man kann nach Auschwitz beten weil in Auschwitz gebetet wurde
o er lies sich davon inspirieren, er war selber Soldat
o er macht diese Diskussion für die systematische Theologie fruchtbar, in dem er jene
Erzählung aufnimmt und auswertet, die wohl die bekannteste theologische
Kurzerzählung in der Auschwitzdebatte ist: Eli Wiesel: „Gott hängt am Galgen“
Christen verstanden das bald christologisch
diese Aussage stammt aber von einem Juden – das sagt eigentlich etwas für
Juden Unmögliches aus
diese Aussage ist für einen Juden fast blasphemisch
o Moltmann verband diese Aussage mit der christlichen Trinitätslehre
- die ganze Tradition hat klar und eindeutig verstanden: dieses Kreuz betrifft die menschliche
Natur Jesu Christi
Dogmatik I
- 60 -
o Christus als Mensch leidet und stirbt am Kreuz, und Gott ist natürlich auf eine Art
und Weise anwesend
- Moltmann spitzt zu und sagt: diese klassische Auslegung war verharmlosend
o nicht was Metz fragte („Wo war Gott in Auschwitz“) ist theologisch relevant, sondern
„Ist Auschwitz in Gott“
o Gott selber leidet → ehe das Kreuz auf Golgota aufgerichtet wurde stand es in
Ewigkeit im Herzen der Trinität
seit Ewigkeit ist das Kreuz, metaphorisch, im Herzen der Trinität
alles Leiden und alle Sünde, die Hölle (und damit auch Auschwitz), ist im
Herzen Gottes integriert
der Vater ist die kreuzigende Liebe, der Sohn die gekreuzigte Liebe und der
Hl. Geist die Kraft
Kritik: sadomasochistisches Projektionsschema
o er hat dann in späteren Werken seine Aussagen abgemildert
- wichtig: es hat im 20. Jh. zugespitzt die Position gegeben, die den Widerspruch in Gott
selber verlagert hat, Leiden in Gott selber
- der Inbegriff des göttlichen Lebens ist Zerrissenheit und Widerspruch
- das war der Schritt Barth (der den Stellvertretungsgedanken neu rettet und eine große
Problematik auftut) und Moltmann (der diesen Sprung nachvollzieht und die Kritik an dieser
Position)
3.6.2 Hans Urs von Balthasar: Kritik an der gängigen Denkform der Theologie
- studiert Germanistik und Literatur in Wien, entscheidet sich nachher in den Jesuitenorden
einzutreten, absolviert die ordensübliche Ausbildung, hat Kontakte zu den großen Geistern der
jesuitischen Tradition des 20. Jh., Karl Rahner ist ein Kollege (nicht unwichtig; Kollege,
Gesprächspartner und lebenslang eine positive Herausforderung)
- er gelangte zur Überzeugung, dass es eine göttliche Berufung gibt (für ihn: einen neuen Weg
einschlagen, einen, wo Priester und Laien zusammen einen christlicheren Weg gehen sollen)
o damit hat er sich seinen Oberen anvertraut
- Skandal für die damalige Zeit: der schon bekannte von Balthasar tritt aus dem Jesuitenorden
aus, ohne kirchenrechtlich abgesichert zu sein (vier Jahre war er kirchlich unbehaust)
o damit löst er eine Debatte aus über Gehorsam und Lebensentwürfe, und das lange vor
Vatikanum II
o nach vier Jahren entscheidet sich der Bischof von Chur ihn aufzunehmen als
Diözesankleriker
o Balthasar als Pendant zu Rahner, beide sind sicher die zwei größten katholischen
Theologen des 20. Jh.
o sein Einfluss in der Kirche nimmt va indirekt über Henri de Lubac seinen Lauf
o Papst Johannes Paul II. ernennt H.U.v. Balthasar zum Kardinal, er stirbt zwei Tage
vorher
- das Revolutionäre für die katholische Theologie:
o auf seine Art und Weise fügt er sich in die Diskussion, was das Heil angesichts einer
entchristlichten Welt bedeutet, angesichts der Übermacht der Sünde
o er ist der Überzeugung, dass die gängige Form der Theologie, die va durch Logik
und Philosophie arbeitet, diese Fragen nicht adäquat zu beantworten vermag, dass
also eine grundsätzlich neue Denkform (Gestalt) notwendig sein
o eine Gestalt, die nicht nur sich einseitig von der philosophischen begrifflichen
Schärfung prägen lässt, sondern durch Literatur, Kunst und Theater beeinflusst wird;
die so etwas wie dramatische Elemente integriert
o „Dramatik“ – wenn in Ibk von der dramatischen Theologie gesprochen wird gibt es
eine Verbindung zu Balthasar
o „Theodramatik“ als eines seiner Werke: denken in dramatischen Kategorien;
wichtig: Rolle, Geschichte, Theater
Dogmatik I
- 61 -
die Vision der Weltgeschichte als ein großes Drama, wo Gott „Rollen“
verteilt
Rollenidentität; der Rollenbegriff vom Theater her: Rolle – Maske – Prosopon
– Persona; wir spielen verschiedene Rollen
die Frage nach der Identität von Person und Rolle
bei Christus ist Rolle und Person identisch; bei allen anderen ist es eine
lebenslängliche Aufgabe seine Rolle zu suchen
o → Vorstellung des Lebens als Drama; Gott als Autor und Regisseur, der aber dem
Schauspieler Freiheit lässt, wie er seine Rolle wahrnimmt und entdeckt
3.6.2.1 Unterwanderung der Sünde durch Gott, „Theologie der drei Tage“
- Balthasar ist der Erste, der die Wahrheit im Kontext der Unterwanderung der Sünde
durch Gott denkt
- Gott nimmt die Sünde ernst, unterwandert aber ihre Logik
- damit glaubt er Augustinus (der von der Faszination der Hölle fasziniert wird) und Origenes
(Traum von Apokatastasis) gerecht zu werden
- konsequent durchdacht und ausgeführt und zum ersten Mal deutlich greifbar in seinem
Aufsatz „Theologie der drei Tage“
o abgedruckt im Entwurf der heilsgeschichtlichen Dogmatik („mysterium salutis“)
o erschien nach dem Konzil
o im Rahmen dieses Werkes: es geht um die liturgischen drei Tage (Karfreitag,
Karsamstag und Ostersonntag)
3.6.2.1.1 hierbei wichtige Punkte
Achtung! Hier handelt es sich um eine Theologie die durch Privatoffenbarung beeinflusst ist!
- Menschwerdung als radikale Kenose (Entäußerung) des Sohnes; wie ist die Entäußerung zu
denken?
o normalerweise wurde der Philipperhymnus so gedacht: Logos wird Mensch, das hat
aber keine Konsequenzen für das Verständnis des Logos
o traditionell wir das christliche Gottesbild gedacht als Inbegriff der Relationen
zwischen Vater und Sohn und Hl. Geist
o der Geist hat seinen Ursprung von Vater und Sohn, ist den beiden quasi
untergeordnet o Menschwerdung: Balthasar denkt bildhaft, räumlich, dramatisch: Menschwerdung
des Sohnes heißt Entäußerung des Sohnes schon im Kontext des trinitarischen
Lebens; bedeutet: der Sohn hinterlegt seine Gottgestalt beim Vater und ordnet sich
dem Geist unter (ontologisch kann er nicht aufhören Sohn zu sein, er verzichtet aber
auf seine Privilegien, auf seine Attribute), dh: der menschgewordene Sohn wird vom
Geist geführt
o das hat seine Bedeutung: der menschgewordene Sohn ist im Hinblick auf die Frage
der Gotteserkenntnis uns allen zuerst gleich
- Menschwerdung als radikale Kenose – Hinterlegung der Gottgestalt beim Vater
o → trinitarische Inversion; Veränderung der Beziehungen in der Trinität
o wichtig weil: man denke an Hippies: sie gingen auf Wiesen, verließen die Familien
aber jeder hatte seine Kreditkarte behalten – die Kritik war: der Menschgewordene
läuft durch die Welt mit dem Rucksack der Gottheit auf dem Rücken
diese Kritik gibt es immer wieder
Balthasar versucht damit aufzuräumen indem er von radikaler Entäußerung
spricht
o er muss sich vom Geist führen lassen, und er lässt sich führen auf die Stunde hin
(johanneischer Begriff), das Kreuz
o es ist nicht so, dass der Menschgewordene von Anfang an weiß wie sein Leben
aussieht, er lässt sich führen auf die Stunde hin, auf das Kreuz
Dogmatik I
- 62 -
- der Menschgewordene schafft durch sein Kreuzesleiden am Karfreitag die Hölle (die
reine Substantialität der Sünde)
o beeinflusst durch den radikalen Existentialismus wagt Balthasar eine These, die auf
den ersten Blick irrsinnig anmutet: am Karfreitag entstand die Hölle
o Balthasar macht aufmerksam, dass gemäß der atl. Offenbarung das Jenseits zwar
Schëol kennt (Menschen die Gott nicht loben können), die Hölle sei theologisch der
Zustand der reinen Negativität o wie ist aber reine Negativität in einer durch den guten Gott erschaffenen Welt
möglich? – Antwort von Balthasar: durch sein Leiden am Kreuz trennt Jesus die
Sünde vom Sünder wir hatten eine analoge Denkfigur bei Luther: der Vater überträgt die Sünde
vom Sünder zu Christus
hier: durch das Kreuzesleiden wird die Sünde vom Sünder getrennt
der Sünder qua Sünder wird gerettet, die reine Sünde, die reine Substantialität
der Sünde ist das, was man Hölle nennen kann
am Karfreitag entsteht also die Hölle als reine Substantialität der Sünde
o damit ist aber das triduum paschale nicht beendet; das eigentliche Drama fängt erst
jetzt an
- am Karsamstag erleidet der „tote Sohn“ die Hölle
o hier greift er auf Visionen von Adrienne von Speyer zurück; er selber schreibt,
Adrienne habe das miterlebt
o Adrienne erlebte am Karsamstag, sie sei mit dem toten Christus in die Hölle
abgestiegen; Ebene, wo Visionen gegeneinander ausgespielt werden
o das sind die 50er, jene Zeit, wo in der katholischen Frömmigkeit die Visionen von
Fatima eine ungeheure Rolle spielen (die Hölle ist bis an den Rand voll und
deswegen ist es um die Welt schlecht bestellt) – das prägt Breiten der katholischen
Bevölkerung
o diese Mystikerin wandert in die Hölle, sie sagt dort sei keiner außer Christus, und –
das ist entscheidend – sie hat in der Hölle all das gesehen, was die Menschen durch
die Sünde verloren haben
dh was Christus in der Hölle findet ist das, was der Mensch von seiner
Personalität im Leben an die Sünde verloren hat (effigien, Abdrücke)
Adrienne begleitet den toten Christus auf seinem Gang durch die Hölle
o Christus erleidet (!) die Hölle, er schaut das Ergebnis seines Leidens; Adrienne
begleitet Christus und Christus löscht diese effigien aus
er durchleidet
der soteriologische Mehrwert: die Sünde ist etwas so radikales und großes,
dass es den Menschgewordenen im Innersten trifft
die Sünde ist nicht etwas banales
der tote Sohn, der erst in diesem Zustand in das Geheimnis seiner Identität
eingeweiht ist – wer er ist, erfährt Christus eigentlich erst nach seinem Tod
o mit diesen modernisierten Bildern/Theorien glaubt Balthasar das altkirchliche
Bekenntnis des Abstiegs zu sehen, aber auch das der Auferstehungsikonen der
Ostkirche (der tote Christus steigt zur Hölle und befreit die Väter)
o die Hölle als reine Substantialität der Sünde, an die sich die Menschen verlieren,
Christus, der Tote, durchwandert und durchleidet die Hölle
- damit fällt der menschgewordene Sohn tiefer als der Sünder je zu fallen vermag
o bei Balthasar ist das Denken sehr stark trinitätstheologisch geprägt: er versucht die
Sackgassen von Barth zu vermeiden
- ∑: spiritueller Mehrwert des Ganzen hier: Glauben und Vertrauen, dass der
menschgewordene Sohn Gottes durch die Kenosis (Entäußerung, Abstieg) existentiell
gesprochen tiefer fällt als der Mensch in seinem Leben je zu fallen vermag
o es gibt keine Situation im Leben, die nicht vom menschgewordenen Sohn Gottes
aufgefangen werden kann, denn er ist immer noch ein Stück tiefer gefallen
Dogmatik I
- 63 -
o wenn Christus Gottverlassenheit erlitten hat, dann hat er es als unsere
Gottverlassenheit erlitten
o Gott kann in alle Ewigkeit die Verdammten tragen und ertragen, im
soteriologischen Sinn, dafür das Bild der geschlossenen Faust
der Mensch gleicht von Natur aus einer offenen Hand
die Sünde ist die ständige Tendenz zur incurvatio, und das heißt sich
verkrampfen und das ist eine geballte Faust
auch diese Fast kommuniziert, indem sie schlägt: Beziehungen der Gewalt
Frage ist, wie Gott, der offene Hände haben will, die geballten Fäuste öffnet,
und das ist die Frage nach der Erlösung – mit Gewalt? Mit Tricks?
es gibt nur eine Methode wie man die offene Faust öffnet: die eigene
Hand (eines anderen Menschen) unter die geballte Faust legen und
tragen – es dauert eine Zeit und dann öffnet sich die Faust von selber,
weil die Faust kein natürlicher Zustand ist
das ist kein liberales Halten, das ist nicht laissez-faire, das ist ein
aufmerksames Tragen
o damit verbunden das Bild der Christologie: alte Bilder sind
Hilfskrückenantworten (Anselm, Athanasius) die den Aspekt andeuten wollen, dass
ein Anderer etwas tut
ein moderner Mensch, der das nicht zulassen will
o die Anwesenheit eine Stufe tiefer, unaufdringlich und doch da
o auf diesem Hintergrund: Erlösung von der Hölle würde heißen, Gott ist göttlich
genug, dass er den Sünder, der sich verschließt, eben liebevoll tragen kann in der
Hoffnung, dass dieser sich irgendwann aufmacht
o damit die göttliche Liebe auch das tun kann, muss sie selber als eine Liebe die ohne
Ambivalenz ist begriffen werden
o Hinweis auf Trinitätslehre: ist die göttliche Liebe eine ambivalente, eine von
Widersprüchen oder eine reine Liebe?
4 trinitarische Liebe als Bedingung der Erlösung von der Hölle (zur Frage nach der Identität von Heil und Wahrheit)
- die Wahrheit des menschlichen Lebens hat fundamental mit Beziehungswahrheit zu tun
o Beziehung (vgl. Aristoteles Kategorien), relatio ist ein Akzidens; Beziehung kann
sein, muss aber nicht sein (modern etwa ein Hobby)
o auch philosophisch: in der großen metaphysischen Reflexion ist Beziehung im
Bereich der Akzidenzien
o wir müssen etwas neu entdecken, was im Christentum lange verdrängt wurde: was ist
das Bild des dreifaltigen Gottes? → Durchkreuzung unserer Rationalität!
o hier ist es nicht Akzidens, hier ist es personenbindend; man steht und fällt als
Person; die Dreifaltigkeit steht und fällt mit ihrer Beziehung
- kulturelle Chance des Christentums in einer Welt die scheinbar alles hat: die Menschen
ersticken am Reichtum und andererseits verhungern und verdursten Menschen
o fundamentaler kultureller Mangel: zunehmende Einsamkeit die durchaus etwas
mit der Philosophie des Singles zu tun hat, und das ist die Zuspitzung des Traumes
von Autonomie
o dem zunehmend an der Einsamkeit erstickenden Menschen des 21. Jh. präsentiert
das Christentum das letzte Geheimnis der Wirklichkeit, nämlich das Geheimnis
Gottes, das identisch mit dem Geheimnis der Liebe ist, das nicht zum Egoismus zu
Zweit degeneriert, weil sich diese Liebe auf andere öffnet, auf göttliche Personen und
auf durch Liebe geschaffene Wesen
o das letzte Geheimnis der Wirklichkeit ist Beziehung und wir haben Anteil daran
Dogmatik I
- 64 -
o wir sind Teil der Geschichte, und das nur deswegen, weil wir geliebt werden
o Kontrast zu gängigen kulturellen Schemata: nicht „ich werde geliebt“, sondern „was
kann ich tun“
4.1 Rückgriff auf die Frage: der einsame oder kommunikative Gott - vgl. Konzil von Nizäa
- die Revolution, die das Christentum in die Welt bringt, Gott sei keine unkommunikative
Einsamkeit sondern eine kommunikative Gemeinschaft, persongewordene
Kommunikation - Gott sei Trinität, und diese trinitarische Beziehung ist Bedingung dessen, dass wir die
Erlösung radikal als Erlösung von der Hölle denken können
o theologisch fokussiert: was ist die Hölle? Jeder glaubt sich allein in der Hölle und
das ist sie; Hölle als absolute Isolation, als Getrenntsein von jeder Beziehung;
Inbegriff des Abbruchs o existentiell gewendet: absolute incurvatio; radikales auf sich selbst bezogen sein das
letzten Endes destruktiv ist
o wie kann eine solche Hölle existentiell, im Leben und auch im Tod, als die radikale
Einsamkeit sein?
o wenn Christentum von Erlösung spricht, Erlösung heißt Beziehung herstellen
o auch die verborgenen Existenzen, auch die incurvati, können Zweckallianzen
herstellen indem sie sich gegen einen Dritten wenden (vgl. 3. Akt)
o Beziehung kann nur entstehen, wenn noch größere Liebe, größere Beziehung da ist
- das christliche Grunddogma im Hinblick auf die Frage nach Kommunikation in Gott: Nizäa,
die Leistung des Athanasius, fundamentale Unterscheidung zwischen Geschaffenem und
Ungeschaffenem, damit eine Schneise in das neuplatonische Weltbild
- die Vermittlung zwischen Einheit und Vielfalt ist nicht Vermittlung zwischen einem Gott
und der vielfältigen Welt, sondern schon der Bereich des Ungeschaffenen ist vielfältig, dh es
gibt keine Reduktion auf Eins, das letzte Geheimnis der Wirklichkeit ist Vielfalt, die
Vielfalt der Personen im Kontext des Ungeschaffenen
o wie soll man das inhaltlich aussagen und begrifflich klar fassen? und
o aus den Begriffen die Substanz und Wesen aussagen und miteinander identifiziert
werden, wird im Zuge der Reflexion über die Bedeutung Christi (wer ist er eigentlich?
Nur Modell? Reicht die Logik seiner Person so tief hinein, dass sie die Grenze bis ins
Ungeschaffene bricht? Wer ist er dort? Legat, Beamter, niederer Gott, Engel? –
Bekenntnis von Nizäa: seine und seine seien identisch mit Gott)
gesprochen
o der Begriff Maske (, persona) scheint hilfreich zu sein
o kreative Verschmelzung der Begriffe und zur Geburt dessen, was wir den
Personenbegriff nennen (unser Personenbegriff ist ein christlicher Begriff! Er wurde
geboren im Zuge der christologisch-trinitarischen Streitigkeiten)
o der Begriffsinhalt kommt aus , und dem was man später als
Relation bezeichnet
o also lateinisch persona zuerst Maske, von kommt Selbststand (nicht nur
Maske die irgendwo lagert, sondern Maske mit Maskenträger,
) und vor allem relatio
o damit ist der Personenbegriff geboren, der die spätere Geschichte prägt: Person ist
konkrete Erscheinung, Selbststand (nicht flüchtig oder ein Gespenst)
o Vielfalt in Gott als Vielfalt von Personen
- Was beinhaltet diese Vielfalt in Gott?
o beinhaltet sie auch Leiden? Ist Leiden etwas das Relation ausdrückt?
o die moderne Zeit hat den Begriff „Opfer“ sehr aufgewertet, und wie ist es mit dem
Opfer? Ist Viktimisierung nicht eine Beziehung? Ist Zufügung von Leiden Relation,
ist Erleiden von Leiden Relation?
Dogmatik I
- 65 -
es hat Zeiten gegeben wo man das selbstverständlich annahm; es gab
Frömmigkeiten: je mehr Leiden desto tiefer die Beziehung zu Christus
4.1.1 Augustinus
- die Vielfalt in Gott kann nur an den Beziehungen abgelesen werden; es sind konstante und
unveränderbare Beziehungen
- Person und Relation sind faktisch identisch
- Augustinus trifft erste klassische Formulierung der Namen mit ihrem Inhalt (Vater und Sohn
angesichts des Bekenntnisses von 1 Joh 4,7-16 „Gott ist Liebe“; Juden können sagen „Gott
liebt sein Volk“; um zu sagen „Gott ist liebe“ muss ich voraussetzen, dass Gott auch ohne
Welt Beziehung sein kann (aber nicht nur die Engel, „Gott ist Liebe“):
o Liebender (Gott), Geliebter (Sohn) und vinculum amoris (Liebensband; Geist)
o der Vater liebt den Sohn und der Sohn lässt sich lieben
o der Geist erhält die Beziehung lebendig und öffnet diese Beziehung
o vinculum amoris ambivalent verstanden: vinculum kann schließen, aber auch öffnen
o dogmatisch: das Einfallstor in die Trinität ist der Hl. Geist (durch ihn sind wir in
die trinitarische Liebe aufgenommen)
4.1.2 Präzisierung des Personenbegriffes durch Richard von St. Victor
- angesichts der nachaugustinischen Herausforderung: Boethius ist Vater des klassischen
Personenbegriffes (persona est naturae rationalis individua substantia; Person als
individuelle Substanz der allgemeinen vernunftbegabten Natur → prägte uns)
- Verbindung zu Augustinus’ Analyse der Liebe, mit dem was christliche Trinitätslehre ist →
man landet beim Tritheismus: drei Substanzen, also drei Götter
o Boethius’ Begriff findet keine Anwendung in der Trinität
o dass die göttlichen Personen keine Hypostasen iSv Substanz ist sagten die
Kappadozier
- angesichts dieser Hersausforderung schafft Richard von St. Victor eine Präzision, die wohl
eine der geeignetste Begriffe ist
o persona divina est divinae naturae incommunicabilis existentia (die unmitteilbare
Existenz der göttlichen Natur)
o existentia wird abgeleitet von ex sistere, also von einem anderen her in sich selbst
sein
ich bin der ich bin weil ich von einem anderen her als das was ich bin gesetzt
worden bin
schlicht und einfach: ich habe mich nicht selber als der ins Dasein gesetzt der
ich bin, sondern ich wurde von einem Anderen her gesetzt
„existentia“ macht darauf aufmerksam, dass das Dasein von woanders gesetzt
ist
o incommunicabilis: weil nicht einmal ich selber über das verfügen kann dass ich ins
Dasein gesetzt wurde, ich kann mich nicht ungeschehen machen (wenn ich meinem
Leben ein Ende mache habe ich den Akt mit dem ich ins Dasein kam nicht
aufgehoben) – der Aspekt der Unvefügbarkeit
nicht einmal ich selber verfüge über das was meine Personalität ist,
geschweige denn die Anderen
das ist unmitteilbar
die tiefste Dimension der Unmittelbarkeit entsteht bei der Implikation des
Gottesbegriffes: wer entscheidet darüber was eine Person ist? Auf dem
Hintergrund Boethius’: wir haben Föten oder Frühgeburten wo man mit 100
Prozent sagen kann, dass die rationalis natura nicht entwickelt werden wird
also ist das keine Person (Personalität wird an die ratio gebunden)
die Bestimmung dessen was Person ist, ist unheimlich brisant
Dogmatik I
- 66 -
nicht die katholische Kirche will den Fortschritt verhindern: es gehört zu den
Grundlagen der christlichen Weltanschauung: Bestimmung des
Personenbegriffes, wo der schwerste Akzent auf der Unverfügbarkeit liegt
Ursprungsbeziehung, Ursprungsrelation als entscheidend für die Bestimmung
dessen was Personsein heißt
weil sich niemand selbst setzen kann, weil sich niemand selbst generieren
kann, kann im Grunde auch niemand darüber entscheiden ob jemand eine
Person ist oder nicht
die Christen halten – unabhängig vom bürgerlichen Gesetzt – daran fest, dass
das unverfügbar ist
4.1.2.1 Plausibilität des Trinitätsdogmas aufgrund der Analyse mitmenschlicher Erfahrungen der Liebe: amor mutuus ↔ condilectio
- er unterscheidet zwei Arten von Liebe: amor mutuus (wechselseitige Liebe) und condilectio
(Mitgeliebtsein)
o Richard von St. Victor korrigiert Augustinus mit seiner Bestimmung (Liebender,
Geliebter und vinculum amoris)
o hier Schwerpunkt auf dem Hl. Geist: vinculum amoris wird verändert zu
condilectus Vater als diligens (Liebender), Sohn als dilectus (Geliebter) und jetzt neu:
condilectus (der Mitgeliebte, oder der liebend Mitgeliebte)
o im Grunde definiert er die Trinität wie eine Dreiecksbeziehung: nicht Rivalität
sondern man liebt sich mit der Liebe, mit der der jeweils andere dich liebt; da das ein
Verschiedener ist, wird der Dritte doppelt verschiedentlich geliebt in der Position des
Anderen – Preisgabe seines eigenen Anspruchs
o ∑: der Vater liebt den Sohn und der Sohn wird vom Vater geliebt (=
wechselseitige Liebe, amor mutuus) → diese wechselseitige Liebe kann immer noch
zu einem Egoismus zu Zweit werden; die Öffnung zum Mitgeliebtsein (condilectio)
geschieht indem der Vater den Geist liebt mit jener Liebe, mit der der Sohn den
Geist liebt und der Sohn den Geist liebt mit jener Liebe, mit der der Vater den
Geist liebt
sich Lieben lassen als Inbegriff dessen was bereits Liebe ist
V
S
G
o Personenbegriff von einem Anderen her
o traditionelle Theologie: sprach immer davon: in aller Ewigkeit zeugt der Vater den
Sohn und der Geist wird in alle Ewigkeit gehaucht
4.1.2.2 beinhaltet diese Liebe auch die Erfahrung des Liedes?
„Wem nie geschah von Liebe Leid,
dem geschah auch Lieb von Liebe nie.
Liebe und Lied, wann ließen die im Lieben je sich scheiden.“
(Gottfried von Straßburg, Tristan und Isolde)
- Erfahrung hiermit: wenn du mich liebst dann leide für mich, dann stirb für mich
o bei Tristan und Isolde, dem mittelalterlichen Epos ist nie klar ob sich die beiden lieben
oder sterben
o Isoldes Liebestod: Ertrinken, versinken, höchste Lust unbewusst – Verschmelzung?
V (diligens)
S (dilectus)
G (condilectus)
Dogmatik I
- 67 -
- die Frage ist: für wen ist das Leiden ein Beweis der Liebe? Es gibt keine größere Liebe als
wenn einer für den Anderen sein Leben hingibt – ist das eine Aussage, die die letzte
trinitarische Wirklichkeit betrifft oder unter der Voraussetzung ob es Sünde gibt? – Streitfrage
der letzten 2.000 Jahre
o Großteil der Tradition: trinitarische Liebe ist eine ohne Ambivalenzen, dass die
göttlichen Personen in alle Ewigkeit sich aufeinander öffnen, dass Liebe in Gott
ewig ist aber das Leiden nicht beinhaltet (→ das Leiden ist nicht verewigt; Leiden
hängt mit der sündhaften geschöpflichen Wirklichkeit zusammen)
o es gibt andere Versuche: Verewigung des Leidens; die romantische Vorstellung
von Liebe wird auch für Gott angenommen, va die Bilder des Gnadenstuhls, wo
Gottvater in seinen Armen das Kreuz Christi trägt; oft werden diese Bilder verstanden
als Bilder vom inneren Wesen Gottes – das Kreuz im inneren Wesen Gottes – ist
das Kreuz ein Thema der Trinitätslehre? – Nein, es ist ein Thema der Christologie,
betrifft die Identität Christi als menschgewordenen Sohn Gottes, die historische
und geschöpfliche Wirklichkeit;
4.2 traditionelle Unterscheidungen - opera trinitatis ad extra (Schöpfung, Menschwerdung, Vollendung der Welt) und opera
trinitatis and intra („generatio“, „spiratio“)
o Zeugung des Sohnes und Hauchung des Geistes als Vorgänge, die
innertrinitarisch zu sehen sind, sind nicht identisch mit dem, wie Gott nach außen
– geschaffene Wirklichkeit – wirkt
o dh die Menschwerdung des Menschen ist nicht mit der generatio identisch (vgl.
Leo d. Große: Geburt des Vaters aus der Ewigkeit verschieden von der Geburt aus
Maria in der Zeit)
Geburt aus dem Vater = generatio, Geburt aus der Zeit = Menschwerdung →
die beiden haben einander nichts weggenommen oder hinzugefügt
- Wert dessen: Verhinderung der Rückprojektion; weil der Menschgewordene am Kreuz
stirbt kann nicht zurückgeschlossen werden, dass das Kreuz den Inhalt dessen ausmacht, was
das Leben der Trinität ausmacht
- Sinn dieser Unterscheidung: trinitarische Liebe existiert bereits vor der Perspektive der
geschöpflichen Begrenzung und noch mehr der Sünde
o letztes Geheimnis der Wirklichkeit sind trinitarische Beziehungen, sie existieren
vor der Perspektive von Begrenzung und Sünde, sind als Liebe beschrieben
o nur wenn man auf diese Art und Weise denkt kann man folgern was von zentraler
Bedeutung ist: weil der Sohn Inbegriff der Liebe ist (ohne Ambivalenzen), weil der
Sohn der Geliebte und der liebend Geliebte (weil er den Geist liebt) ist, weil er
nichts anderes ist als die Erfahrung der Liebe, kann er Mensch werden, kann er in
die geschöpfliche Wirklichkeit herabsteigen, der Erfahrung von Sünde, Gewalt und
Tod ausgesetzt werden
o vgl. 3. Akt: warum kann Jesus mit ihn dämonisierenden Feinden auf dieses Übermaß
an Hass und Ausgrenzung mit einer vergebenden Liebe reagieren, eine über den
Umweg des Vaters? Er kann das tun weil er nicht mimetisch auf die Beziehungen
mit seinen Gegner angewiesen ist, dh weil seine Identität woanders verankert ist
o existentiell gesprochen würde das banal heißen: Menschen die über eine starke
Identität verfügen, Menschen die aufgrund ihrer Lebenserfahrung die Gnade haben,
dass sie sich aufgehoben und getragen fühlen, diese Menschen vermögen in den
höllischen Situationen übermenschliches zu leisten
o der Abstieg in die Hölle, in die reine Sünde, ist nur möglich, weil der Inbegriff der
Identität dieses Sohnes reine Liebe ohne Ambivalenz ist
o aus diesem Grund: das Geheimnis des dreifaltigen Gottes ermöglicht jene Logik,
von der die biblische Botschaft getragen ist (je mehr sich der Mensch in die Sünde
abfällt umso stärker ist die Identifizierung Gottes mit diesen Menschen)
diese Logik kann sadomasochistisch verstanden werden, dann müsste Gott
aber ambivalent sein, dann wäre Liebe und Leiden in alle Ewigkeit identisch,
Dogmatik I
- 68 -
oder diese radikale Identifikation hat gar nichts mit Leiden zu tun sondern ist
vielmehr die Frucht der reinen Liebe, und kann somit durch den Tod hindurch
als Liebe existieren
das ist jene Stelle, die ungemein schwierig ist: aus welcher Motivation steigt
Gott herab? Es gibt das Charisma, es gibt die Gnade and er reinen Liebe
Gottes partizipieren zu können und aus der Kraft dieser Liebe ohne Angst vor
dem Verlust der Identität zu leben
o Hingabe ja, aber nicht Leiden
o Urteil: alle Aussagen über Leiden in Gott sind im Grunde Projektionen
Christus stirbt am Kreuz, er gibt sich seinen Vater hin, der Vater liebt den
Sohn auch oder gerade in seinem Leiben, aber Gott selber bewirkt dieses
Leiden nicht (sondern die Menschen), der Vater rettet den Gekreuzigten (4.
Akt)
o Leid ist eine Wirklichkeitserfahrung, die der geschöpflichen und nicht der
göttlichen Wirklichkeit angehört
o nur so ist es möglich dem christologischen Drama den Stachel der Tragödie zu
nehmen – Christentum sprengt die Tragödie
es gibt auch Leben ohne Leiden, nämlich die communio sanctorum, das
Leben bei Gott
göttliche Liebe öffnet sich zwar auf die geschöpfliche Wirklichkeit,
produziert aber selber kein Leiden
5 Gastvortrag: Auf den Spuren von Matteo Ricci: Ein Blick in die Werkstatt der christlich-chinesischen Theologie, von P. Aloisius Gutheinz SJ
5.1 Auf den Spuren von Matteo Ricci (* 6.10.1552 † 11.5.1610)
5.1.1 die Geschichte des Christentums in China in fünf Phasen
- 1. Phase: Missionare der östlichen Kirche
o geht zurück auf die Missionare der östlichen Kirchen (syrische und koptische Kirche)
die im 8. Jh. nach China kamen
o Beweis ist eine Stele in der alten Hauptstadt Sian (dort wo die Tonsoldaten stehen) auf
der eingeritzt stehen, dass da Missionare kamen und die Botschaft von Jesus und
seiner Mutter Maria gebracht haben, dann wiederum ein gewisser Niedergang des
Christentums in China
- 2. Phase: Franziskanermission im 13. Jh.
o die Missionare kamen in der Mongolenherrschaft (1227-1368), also eine ausländische
Dynastie in China
o als diese Dynastie zusammenfiel verschwindet auch praktisch die Gegenwart der
christlichen Missionare
- 3. Phase: Zeitalter der Entdeckungen
o katholischerweise gestützt von den Arbeiten des Konzils von Trient
o in dieser dritten Phase die Ankunft der katholischen Missionare in der Form von
Jesuitenmissionaren
o Franz Xaver (?) starb vor den Toren Chinas
o in diesem Jahr (1552) wurde Matteo Ricci geboren
o Allessandro Valiniano (?) SJ sah genau, dass nach Franz Xavers Tod China ungemein
intensive intellektuelle Arbeit verlangt und er berief den außerordentlich begabten
Matteo Ricci von Goya (?) über Indien nach Macao
o jetzt beginnt dieser demütige Jesuit Chinesisch zu studieren
Dogmatik I
- 69 -
o Matteo Ricci: „Liebe Mitbrüder, ich hinterlasse euch ein offenes Tor zu China“; mit
diesen Worten starb er
o Schwierigkeiten im Ritenstreit, wo es zwei Grundpositionen gab:
(a) These der offenen Missionare (hauptsächlich Jesuiten, Dominikaner und
Franziskaner): wir können Konfuziusverehrung, Ahnenverehrung und den
Gottesnamen auf chinesische Weise ausdrücken, kein Widerspruch mit dem
Christentum
(b) Konfuzius- und Ahnenverehrung und der chinesische Gottesname sind
nicht vereinbar mit der christlichen Religion
o → These (b) wurde 1742 mit päpstlicher Autorität fixiert, und so mussten alle
Missionare den Eid ablegen, keine Verehrungen durchzuführen und den chinesischen
Gottesnamen nicht zu verwenden
o dieses Dekret von 1742 wurde 1939 erst aufgehoben
- 4. Phase: Kolonialphase im 19. Jh.
o erstmals kommen auch Protestanten auf die chinesische Bühne, und damit eine
Pluralität der christlichen Gegenwart
o Vielfalt ist schön, aber als Missionar ist das ein großer Schmerz, dass die Christen
getrennt sind – der Chinese fragt „Was wollt ihr? Ihr sprecht von einem Christus und
von einer Liebe Gottes, seid untereinander aber getrennt.“ – ein Skandal für das
moderne China
- 5. Phase: Beginn der Volksrepublik 1949
o intensive und beinharte Verfolgung aller Religionen (vorsichtig gesagt wurden bis
heute 50 Mio. Menschen von der kommunistischen Regierung getötet!)
o faszinierend ist, dass in dieser härtesten Verfolgung ein intensives Interesse für das
Christentum da ist, sodass heute etwa 10-12 Mio. Katholiken und 30-40 Mio.
Protestanten gläubig sind
5.1.2 die Pionierarbeit von Matteo Ricci: Grenzgänger zwischen Kulturen
5.1.2.1 „Über die Freundschaft“ – der Weg des Menschen
- Matteo Ricci hatte die Gnade und Demut zu lernen; begabt mit einem außerordentlichen
Gedächtnis: er konnte eine Seite chinesischer Schriftzeichen einmal lesen und dann von hinten
her nochmals rezitieren
o das hat ihm die Herzen der Mandarine geöffnet
- tiefe Freundschaft mit intellektuellen Chinesen hat ihm den Weg nach China geöffnet
5.1.2.2 „Die wahre Idee Gottes“ – ein präevangelischer Dialog mit Konfuzianern
- er versuchte, den chinesischen Freunden die wahre Idee Gottes zu erklären
- das ist ein Versuch, dem suchenden Menschen darzulegen, wie wir Christen Gott sehen
- der Hauptinhalt steht in acht Kapiteln:
1. die Schöpfung und Erhaltung aller Dinge durch Gott
2. Erklärung von falschen Ideen über Gott
3. die menschliche Seele und ihre Unsterblichkeit (verschieden von den Tieren)
4. Widerlegung der Reinkarnation
5. moralische Dimension des Menschen
6. endgültige Belohnung oder Strafe
7. Betonung, dass die menschliche Natur gut ist
8. Beschreibung westlicher Gebräuche, Gesichte des Zölibats, warum der Erlöser nicht
in China geboren ist, Abriss der Heilsgeschichte, Gottheit Christi und Bedingungen
zum Eintritt in die Kirche
Dogmatik I
- 70 -
5.1.3 drei Wahrheiten
- wir lernen aus der ganzen Geschichte drei Wahrheiten:
1. keine Macht in dieser Welt, und sei sie noch so grausam (wie zB kommunistische
Verfolgung) kann das Christentum auf der Erde auslöschen
2. das Reich der Mitte verlangt eine tiefgehende Inkulturation des Christentums
3. wir Christen haben eine heilige Pflicht dem aufsteigenden Riesen China durch das
christliche Zeugnis bleibende Werte des Menschseins zu vermitteln
5.2 ein Blick in die Werkstatt der christlich-chinesischen Theologie - wir versuchen, dass die christlichen Werte langsam einfließen in das moderne China, sodass
man nicht mehr von der „gelben Gefahr“ sprechen muss
5.2.1 Was ist bereits geschaffen?
5.2.1.1 die Glaubensreflexion in der chinesischen Welt (Taiwan, China, Hongkong, Macao, …)
- es vollzieht sich, noch nicht schriftlich sichtbar, eine intensive Glaubensreflexion in den
katholischen Priesterseminaren, in Bibelkursen, in Exerzitien, …
- es vollzieht sich eine vortheologische Reflexion unseres Glaubens
- es vollzieht sich eine tiefgehende Glaubensreflexion in der chinesischen Welt, auch unter den
Auslandschinesen (etwa 30 Mio!)
- es stellt sich die Frage, wie man im heutigen Vakuum der geistlichen Vision, Christentum
einführen kann
- viele Millionen Menschen erleben eine existentielle Angst, weil der Kommunismus, in dem
sie aufgewachsen sind, zerfallen ist und die tiefen Fragen der Menschen nicht mehr
beantworten kann
- in dieses Vakuum hinein möchten wir die christlichen Werte und die Vision der christlichen
Offenbarung einbringen
5.2.1.2 Die Theologie der theologischen Fakultäten (katholisch und protestantisch)
- in Taiwan und China gibt es nicht wenige theologische Fakultäten
- in Taipeh besteht die einzige katholische Fakultät mit Doktoratsgraden seit 1985
- seit 1968 gibt es Theologie in chinesischer Sprache (Mandarin), vorher in Latein und Englisch
5.2.1.2.1 Die „Collectanea Theologica Fu Jen“: bereits mehr als 180 Hefte
- seit 1969 gibt es diese Zeitung
5.2.1.2.2 die Fu Jen Serie „Theologische Monographien“: bereits 78 Bände
Dogmatik I
- 71 -
5.2.2 Schwerpunkte heutiger christlich-chinesischer Theologie
5.2.2.1 Theologie im Kontext des Konfuzianismus und Daoismus: „Einheitskategorie“ und „Yin-Yang-He“ Theologie, mit konkreten theologischen Folgerungen
- da ist die Idee „Einheitskategorie“:
o der Chinese ist Buddhist, weil es von Indien kam
o die ursprünglichen Religionskräfte sind Konfuzianismus und Daoismus
o sie haben eine gemeinsame Tendenz: sie versuchen die gesamte Wirklichkeit als eine
Einheit zu sehen, als ein Ganzes; nicht so sehr Schöpfergott und dann die geschaffene
Welt sondern primär eine Einheitssicht (→ Kategorie der Einheit)
- es geht ganz konkret um Sakramententheologie, insbesondere Ordination
o herkömmlich ist das Wesen des Sakramentes des Priesteramtes in der Handauflegung
des Bischofs und im Weihegebet
o die Kategorie der Einheit sagt, dass wir das vollständiger, der Wirklichkeit
entsprechender sagen müssen, und dh in diesem Weihegeschehen, va der
Weihekandidaten, mit seiner ganz persönlichen Geschichte, muss die Geschichte des
Kandidaten besser zum Ausdruck kommen
- ein anderer Versuch: China denkt sehr wesentlich von früh bis spät im Modell von Yin-Yang-
He
o Yin, das eher Weibliche, das Empfangende, und die chinesische Kultur ist wesentlich
gezeichnet von diesem Yin
o das Yang ist das Gebende und Prägende (menschlich: Frau und Mann)
o und das He ist das Einende
o Idee Chinas: wenn wir das Geheimnis des dreifaltigen Gottes (schenkende,
empfangende und einende Liebe) weitertragen und sehen und glauben, dass im
göttlichen Geheimnis die zweite göttliche Person der vom Vater gesandte ist, der
empfangende Teil (empfangende Liebe), in unserer menschlichen Gesellschaft, in der
Geschichte, eine Gemeinschaft um sich bildet die wir Kirche nennen, dann könnte
doch in dieser Gemeinschaft eine Frau, die das Yin in besonderer Weise vertritt, auch
Jesus Christus in dieser Gemeinschaft vertreten
5.2.2.2 Theologie im sozio-politischen Kontext: „Homeland Theology“ (Taiwan) und „Theologie der Lebensqualität“ (ökumenische TARGTI Studiengruppe)
- „Heimattheologie“: Taiwan, diese kleine Insel, will nicht vom Festland, von der
Volksrepublik, beherrscht werden; die Taiwanesen wollen selbstständig regieren; nicht
unbedingt ein unabhängiger Staat, aber dennoch eigenständig
o kommt aus der protestantischen Sicht
o dazu kommt ein Versuch über die Theologie der Lebensqualität, wo es um ein
menschliches, reifes und schönes Leben auf dieser Insel geht, in dieser Bioregion
Taiwans
o eine Forschungsgruppe (Taiwan Area Research Group on Theological Issues –
TARGTI) ergab zB folgendes Ergebnis: im heutigen Bewusstsein der taiwanesischen
Bevölkerung ist das Individuum sehr stark tragend und im Vordergrund, wohingegen
in China die einzelne Person im Hintergrund stand
heute sieht man, dass der einzelne Mensch in Taiwan sich selber ganz neu
erfährt in seiner Würde
die Volksrepublik wird noch einen langen Weg gehen müssen, weil nach
kommunistischer Ansicht der Einzelne nicht gilt
teilweise geht das aber auch in Individualismus und Egozentrismus
Dogmatik I
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5.2.3 vier Projekte der „Fu Jen Theological Publications Association“ (seit 1969)
- mit dem Ziel gegründet, den christlichen Gemeinschaften theologische Werke in die Hand zu
legen
- zB das „Gesetz Christi“ von Bernhard Häring wurde übersetzt
5.2.3.1 das „Theological Dictionary“ (1985-1996): 712 Artikel, von 26 Theologen
- seit 1985 wurde elf Jahre lang an dem theologischen Wörterbuch gearbeitet
- 712 Artikel über heutige Theologie
- man verteilt diese 712 Artikel auf 26 Autoren, katholisch wie auch evangelisch (auch
buddhistisch)
- da geht es um die Darstellung heutiger Theologie (um 2000) in der weltweiten Kirche, auch
zwei drei Artikel über chinesische Theologie über die Einheitskategorie
- sieben Artikel müssen für die Festlandversion herausgenommen werden, wie etwa
Kommunismus, Sozialismus, Homeland-Theology, also solche, die Kommunismus und
Sozialismus beschreiben
o diese Artikel sind am Festland nicht so notwendig
o was geschieht: wenn man 712 Artikel hat, da bleibt doch ein Vakuum wenn man
sieben Artikel herausnimmt
o Shanghai: der frei gewordene Raum wird genommen, um christliche Bilder
einzufügen
5.2.3.2 das „Theological Lexion“ (1996-2005): Terms and Persons
- über Begriffe und Personen
- dem chinesischen Menschen zu erklären, was zB Gnade, Hl. Schrift zu erklären, wer zB
Bonhoeffer, Ratzinger ist
- es wird erklärt, etwa in einer halben Spalte, Namen, die Hauptarbeit, Konfession,
Schwerpunkte und Hauptwerke
- so hat der chinesische Theologiestudent ein Instrument, das ihm viel Zeit spart, und das war
von Anfang an eine Idee: man muss dem dortigen Student helfen, Zeit zu sparen, dass er diese
Begriffe und Namen auf einem Raum zusammen findet
o diese Suche in Bibliotheken kann ja zermürbend sein
5.2.3.3 „Denzinger” (2005-2010): 43. Auflage, mit protestantischen Credos im Anhang
- Heinrich Denzinger war ein Weltpriester, Ende 19. Jh. in Deutschland, und hatte die Idee, die
wichtigen Dokumente des christlichen Lehramtes zu sammeln, und das in einem Band, weil
viele Studenten suchten und suchten und suchten
- wichtigste Dokumente über Glaube und Moral in Auswahl von den ersten Jh. bis zu den drei
Enzykliken Papst Benedikt XVI.
- zB Hylemorphismus anhand der sieben Sakramente:
o jedes Sakrament hat eine Materie (etwas Greifbares) und eine Form
o Taufe: Wasser über die Stirn gegossen und dazu die Taufformel
o Firmung: Handauflegung mit Chrisam und die Salbungsworte
o Beichte: bekannte Sünden und Lossprechung
o Ehe: freie und bewusste Einstellung eines Partners frei zu sein (Materie) und das
hörbare Bereitsein zur Hochzeit (Form)
o usw.
- um ein ökumenisches Instrument zu haben, sind auch im Anhang wichtige protestantische
Credos beigefügt, zur Information, dass man auch sieht, wie Protestanten ihren Glauben
ausdrücken
Dogmatik I
- 73 -
5.2.3.4 eine „Ein-Band-Bibelenzyklopädie“ (2010-2015): Was ist die Bibel?
- es geht da nicht um Kommentare der einzelnen Bücher der Hl. Schrift, die gibt es in Fülle,
sondern darum, dem Chinesen zu erklären, was die Hl. Schrift eigentlich ist, was das für ein
Buch ist, warum es „Buch der Bücher“ ist, was Inspiration ist, wie das Verhältnis zu den
anderen Traditionen ist, wer authentisch interpretiert, …
- das soll ein Band werden, eine Enzyklopädie, wo man sehen kann, dass dieses Werk, diese
Bibel, in der Geschichte der Religionen der Menschheit seinen einmaligen Platz einnimmt und
dass man mit größerem Vertrauen diese Bibel auch in die Hand nimmt und keine Angst vor
Falschinterpretation hat
- man wird darin auch lesen können, dass die Kirche zum Gesamtverständnis des Wortes Gottes
hilft
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