Im Widerstreit der Weltreligionen

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R Ä T S E L | M AG A Z I N

© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 5/2010 (40) | Biol. Unserer Zeit | 351

R Ä T S E L

Im Widerstreit der Weltreligionen

ziell den Teufel mit den Attributenvon Rätseltier 1: mit Hörnern, Fell,Hufen und einem Schwanz. DasHeiligtum des Gegners war zumLeibhaftigen mutiert. Sehr viel spä-ter – im 17. Jahrhundert – ver-schwand Rätseltier 1 aus der freienNatur. Der Mensch hatte es ausge-rottet. Unter seiner Obhut existiertes jedoch in Gefangenschaft undversorgt uns täglich mit einemwichtigen Produkt, welches mög-licherweise (s.o.) von Götterndurchdrungen ist. Wie heißt Rätsel-tier 1 mit wissenschaftlichem Na-men? Der Begriff Bosporus verrätschon die Gattungs-Zugehörigkeit,das Wort Kapital leitet sich von sei-nem Kopf (lateinisch: caput) ab.

Rätseltier 2 hat keine Hörner,gehört jedoch in die selbe Ord-nung wie Rätseltier 1. In verschie-denen Religionen wurde und wirdes äußerst kontrovers eingeschätzt,spielt aber global eine sehr großeRolle.

In Griechenland und Rom standes als Opfertier an erster Stelle unddurfte nahezu jeder Gottheit geop-fert werden. Bis heute gilt es beiuns als Glückssymbol und Glücks-bringer. Allerdings kam es schonim frühen Ägypten in Misskredit.Wer es berührt hatte, musste sichdurch rituelle Waschungen wiedersäubern. Man glaubte, dass die See-

In diesem Rätsel geht es um zweiTierarten, die von Milliarden Men-schen genutzt werden, allerdingsregionenweise und abhängig vonder jeweiligen Religion in sehr un-terschiedlichem Maße. Beide sindzudem in unserem Sprachgebrauchviel tiefer verwurzelt, als den meis-ten Menschen bewusst ist. Werassoziiert schon mit Begriffen wieKapital, pekuniär oder Bosporusein Tier?

Die Zugehörigkeit beider Rät-seltiere zu einer mehrere tausendArten umfassenden Klasse wirdsich BIUZ-Lesern schon beim ers-ten Blick auf die rasterelektronen-mikroskopischen Fotos erschlie-ßen.

Bild a) stammt von Rätseltier 1.Dieses zeichnet sich durch Augenaus, die nach Ansicht der Griechender Antike so schön sein sollten,dass man glaubte, die anmutigeGöttin Hera, Gattin von Zeus, müs-se ähnlich dreingeschaut haben.Heute empfände es – jedenfalls inunserem Kulturkreis – wohl jedeFrau als Beleidigung, wenn manihre Augen mit denen von Rätsel-tier 1 vergliche.

Rätseltier 1 hat in der Ge-schichte des Abendlandes einenbemerkenswerten Abstieg erlebt:vom Pantheon zur Handelsware.Das ist auf dem indischen Subkon-tinent ganz anders. Hier werdendie Tiere verehrt. Millionen vonGöttinnen und Göttern sollen in ih-nen leben. In Kaschmir stand bisAnfang der 1970er Jahre auf ihreTötung die Todesstrafe.

Wieso der Niedergang imchristlichen Abendland? Vermut-lich liegen die Wurzeln im fünftenJahrhundert unserer Zeitrechnung,als in Rom Mithraismus und Chris-tentum in Konkurrenz standen.Ersterem war unser Rätseltier hei-lig, und auf dem Konzil von Toledoim Jahre 447 beschrieb man offi-

len der Verdammten die Gestaltvon Rätseltier 2 annahmen. Heutewird Rätseltier 2 vornehmlich imIslam und im Judentum negativ be-wertet. Sein Fleisch darf von denGläubigen nicht gegessen werden.Ganz anders anderswo: Statistischgesehen verzehrt jeder Erdenbür-ger 10 kg / Jahr von diesem Tier,welches zudem ein Produzent vonluftdurchlässigem Leder ist. DiesesMerkmal hängt mit seinen „Bors-ten“ zusammen, von denen eineauf Abbildung b) in Teilansicht zusehen ist. China ist der Hauptliefe-rant dieser Borsten, die besondersfür die Herstellung von Bürsten be-gehrt sind. Wer von Rätseltier 2und anderen Haustieren (latei-nisch: pecus) viel hat, dem geht espekuniär gut. Wie heißt Rätseltier2 mit wissenschaftlichem Namen?

Volker Storch, Universität Heidelberg

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In Heft 4/2010 suchten wir:1. Kapok2. Ceiba pentandra

Gewonnen haben• R. Hauck, Efringen-Kirchen• A. v. Kiekebusch-Gück, Liestal• S. Darougheh, Köln

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

A B B . Die Rät-seltiere 1 (a) und2 (b) in fokus-sierter Außen-ansicht.

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