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BINEI n f o r m a t i o n s d i e n s t Gebäude- und
Anlagensimulation
In den verschiedenen Phasen von Entwurf und Planung kann die
Simulation von Gebäude und Gebäudetechnik wirksam eingesetzt
werden. Das Anwendungsspektrum reicht vom Einfamilienhaus bis
zum repräsentativen Bürogebäude mit Glasfassade und Atrium. Mit
der Simulation können verschiedenste Aspekte mit dem Ziel der ener-
getischen Optimierung untersucht werden – von der einfachen Last-
berechnung für Heizung, Lüftung und Kühlung über spezielle Unter-
suchungen wie z. B. der sommerlichen Erwärmung bis hin zu
Lebenszyklusanalysen baulich und technisch komplexer Gebäude.
Zudem bietet sich die heutige Simulationstechnik zunehmend als
Instrument und Planungsumgebung für das kooperative, integrale
Planen an. Diese Möglichkeiten beruhen wesentlich auf der in den letzten 20 Jahren enorm
gesteigerten, heute allgemein verfügbaren Rechnerleistung.
Trotzdem wird in Deutschland die Gebäude- und Anlagensimulation in der Planungspraxis
erst vereinzelt oder nur in Teilbereichen praktiziert. Zu oft orientiert sie sich lediglich an
speziellen Fragestellungen - die Chancen eines systematischen, die Gewerke übergreifenden
und planungsbegleitenden Bewertungs- und Optimierungswerkzeugs werden kaum genutzt.
Die Gründe dafür sind vielfältig.
Zum einen behindern Berufs- und Planungsrecht sowie technische Normen die breitere und
konsequentere Anwendung von Simulation. Auch hat sich gezeigt, dass die computerge-
stützte Simulation sowie die daraus resultierende neue Dienstleistung von den im Gebäude-
sektor beteiligten Akteuren nicht genügend akzeptiert wird. Tatsächlich bleiben konkreter Leis-
tungsumfang und Nutzen einer Gebäude- und Anlagensimulation oft unklar. Wenn es gelingt,
mehr Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen, wären potentielle Auftraggeber einfacher
zu motivieren, die Simulation als zusätzliche, qualitätssteigernde und kostensenkende Pla-
nungsdienstleistung einzusetzen und angemessen zu vergüten.
Im Rahmen von Arbeiten der Internationalen Energie Agentur (IEA) beschäftigen sich einige
Arbeitsgruppen mit der Verbesserung und Qualifizierung von Simulationssoftware, z. B. mit
der Ergebnisüberprüfung an Testzellen oder Referenzgebäuden. Auf deutscher Seite waren die
Technische Universität Dresden und die Klimasystemtechnik Esdorn Jahn GmbH, Berlin, an
einer Arbeitsgruppe beteiligt, diese Arbeiten wurden von dem Bundesministerium für Wirt-
schaft und Technologie gefördert.
1Die dynamische Simulation als Instrument zurplanungsbegleitenden Energieberatung
Die Gebäude- und Anlagensimulation ist ein wichtiges
Werkzeug für die Planung von Gebäuden. Mit der Simu-
lation können Funktionalität und Komfort von Gebäuden
erhöht und Energie- und Investitionskosten gesenkt werden.
Doch aus verschiedenen Gründen wird die Simulation
in der Planungspraxis hier zu Lande noch nicht in
wünschenswerter Weise genutzt.
Die meisten der heute weit verbreiteten
Gebäudesimulationsprogramme wurden
bereits in den 70er Jahren entwickelt. Ihr
Einsatz erfolgte hauptsächlich zur Berech-
nung des Jahresenergiebedarfes von Gebäu-
den mit mehreren thermischen Zonen. Auf-
grund der üblichen Simulationsschrittweite
von einer Stunde war der zeitliche Rechen-
aufwand und die anfallende Datenmenge
auch mit der damaligen Rechnertechnik zu
bewältigen. Der modulare Aufbau der Pro-
gramme in Verbindung mit einer gemeinsa-
men Datenstruktur (z. B. TRNSYS) erwies
sich schon damals als vorteilhaft, da für den
Anwender die Möglichkeit besteht, eine auf
das konkrete Gebäude und die jeweilige Fra-
gestellung zugeschnittene Programmkonfi-
guration zu erstellen. Auch können die ver-
schiedenen Anwendungsbereiche der
Simulation (z. B. Heizung, Raumlufttechnik,
Beleuchtung etc.) zusammengefügtwerden.
Alle Rechenmethoden, auf denen Simulation
basiert, lassen sich unterscheiden in statische
und dynamische Verfahren:
Statische Berechnungen
Hier werden Bilanzgleichungen im sta-
tionären Zustand eines Systems überprüft,
z. B. Gewinn- und Verlustwärmeströme. Es
kommen relativ einfache Berechnungsver-
fahren zur Anwendung. Nicht berücksich-
tigt werden hier dynamische Vorgänge im
Gebäude oder in der Anlagentechnik
(Erwärmung, Auskühlung etc.). Simula-
tionsprogramme nach diesem Verfahren sind
meist einfach anzuwenden und insbesondere
für weniger komplexe Gebäude geeignet. Pla-
ner können mit solchen Programmen schon
in frühen Planungsphasen wichtige energeti-
sche Gebäudekennwerte abschätzen, nicht
jedoch spezielle Untersuchungen vornehmen,
wie z. B. sommerliche Überhitzung oder nut-
zungs- und raumbezogene Betrachtungen.
Dynamische Simulation
Die heutige Rechnertechnik erlaubt es, mit
numerischen Rechenmethoden das dynami-
sche Verhalten von Gebäuden zu beschrei-
ben. Es können zeitliche Verläufe von Tem-
peraturen, Heiz- oder Kühllasten u. a.
berechnet werden. Dabei werden die ther-
mische Speicherfähigkeit des Gebäudes und
dynamische Effekte der Anlagentechnik
berücksichtigt.
Simulationsmodell
Jede Simulation basiert auf einem Modell als
Abbild des realen oder geplanten Gebäudes.
Das Simulationsmodell besteht aus Teil-
modellen für z. B. das Gebäude, die ver-
schiedenen Gebäudetechniken, die Gebäu-
dedurchströmung etc. Es beschreibt die
wesentlichen Eigenschaften der zu untersu-
chenden Prozesse und deren Wechselwir-
kungen. Sämtliche Ergebnisse einer Simula-
tion beziehen sich ausschließlich auf dieses
Modell. Inwieweit also Simulationsergeb-
nisse auf die originalen Verhältnisse und Pro-
zesse übertragbar sind, hängt entscheidend
davon ab, wie genau die Wirklichkeit durch
Modellstruktur und Modellparameter nach-
gebildet wird.
Das Simulationsmodell kann auf der Grund-
lage
■ theoretischer Betrachtungen
(Masse-, Energie- und Impulsbilanzen,
Wärmeleitungsgleichung, Zustands-
gleichungen) oder
■ empirischer Untersuchungen
(Parameteridentifikation anhand von
Messwerten bestehender Anlagen,
Herstellerunterlagen) oder mit
■ einer Kombination aus beiden Verfahren
erstellt werden.
Anwendungsfelder der Simulation
Simulation kann u. a. für folgende Aufga-
ben eingesetzt werden:
■ Beurteilung von Raumklima und Energie-
verbrauch, Kalkulation solarer Energiege-
winne, sommerlicher Erwärmung und ande-
rer instationärer Effekte bereits in frühen
Planungsphasen
GrundlagenSimulationsprogramme sind zumeist modular aufgebaut, so sind
auch sehr spezielle Berechnungen und die Einbeziehung neuer
Gebäudetechniken möglich.
2 BINE profiinfo
Wetter
Sollwert
Thermostat
Wärme-zähler
Heizkosten
Gebäude
AuswertungTemperaturen
1/s
21
3Heizkostensimulation für ein Gebäude
■ Planung, Beurteilung und Optimierung
von Gebäude und Gebäudetechnik
■ Entwurf, Optimierung und Test von Rege-
lungs- und Gebäudemanagementsystemen
■ Visualisierung von architektonischen Ent-
würfen und Beleuchtungsverhältnissen in den
Räumen
■ Einsatz im laufenden Gebäudebetrieb
zur Fehlererkennung und Fehlerdiagnose
(mittels kontinuierlichem Vergleich von rea-
len und berechneten Gebäude- und Anla-
gendaten) oder
zur vorausschauenden Betriebsweise
(Abstimmung der Regelstrategie auf die pro-
gnostizierte, zeitverzögerte Reaktion des
Gebäudes auf Wetter- oder Nutzungsände-
rungen)
■ Entwicklung neuer Anlagenkomponenten
und (Regel-)Systeme
Erweiterung zur rechner-gestützten Planungsumgebung
Weitere Planungs-, Ergebnisauswertungs-
und Kommunikationsinstrumente (z. B.
CAD, Graphik, e-mail, Internet) können mit
den thermisch-energetischen Simulations-
programmen unter einer Benutzeroberfläche
zu einer umfassenden, rechnergestützten Pla-
nungsumgebung ausgebaut werden. In ver-
schiedenen Arbeitsgruppen wird seit einiger
Zeit entsprechende Software entwickelt
(z. B. RETEx II / INTESOL). Ziel ist es, mit
diesen neuen Instrumenten die integrale
Planung, welche auf einer Gewerke und
Planungsphasen übergreifenden Kooperation
und Kommunikation basiert, zu unterstützen.
Modell = ?Ausgangz. B. Raumluft-temperatur
Störungz. B. Außenlufttemperatur, Solarstrahlung
Experimentz. B. Testraum
Physikalische Grundlagen
Eingangz. B. Heiz-leistung
dJdt
d2J
dx2= a
2Modell als Gegenstand der Simulation
Komponenten der Simulation
Das Gebäude und die Gebäudetechnik (Heizung, Lüftung,Klimatisierung, Regelungssysteme, Beleuchtung etc.) werdenin verschiedenen Software-Komponenten beschrieben.■ GebäudeBei der Erstellung des Gebäudemodells wie z. B. in 2 sindvom Anwender die Stoffeigenschaften sämtlicher Bauteilefestzulegen. Dieser Schritt erfordert einen nicht zu unter-schätzenden Zeitaufwand. Hier ist der Einsatz von Daten-banken und der Datenaustausch mit dem CAD-System desArchitekten sinnvoll. ■ GebäudetechnikDie Beschreibung des Gesamtmodells der Anlage erfolgt mitHilfe von Teilmodellen, die miteinander verknüpft werden.3 zeigt ein einfaches Modellbeispiel für die Heizkosten-simulation. ■ Meteorologische DatenDie auf das Gebäude von außen einwirkenden Größen lie-gen in standardisierten Datensätzen (Testreferenzjahr TRY;typisches meteorologisches Jahr TMY) oder als gemesseneWerte vor.■ GebäudedurchströmungDie Luftbewegung innerhalb eines Gebäudes wird nach derStromfadentheorie als ein Netzwerk aller in einem Gebäudemöglichen Strömungswege betrachtet. Tür- und Fenster-schlitze sind durch entsprechende Druckverluste beachtet,für große Öffnungen, etwa geöffnete Fenster, werden spezi-elle Modelle eingesetzt.■ RaumluftströmungSind für ausgewählte Zonen, etwa einen bestimmten Raumeines Gebäudes, detaillierte Aussagen zur Behaglichkeit er-wünscht, ist die Berechnung der Raumluftströmung erforder-lich. Die dann einzusetzende Komponente Strömungssimu-lation (Computational Fluid Dynamics – CFD) spielt einegewisse Sonderrolle, denn hier ist der zwingende Übergangzu einem geometrischen Modell mit örtlich hoch aufgelöstenDaten erforderlich. ■ Kopplung der SimulationskomponentenDie realen Wechselwirkungen in Gebäude und Anlagen-technik lassen sich abbilden, indem verschiedene Simulati-onskomponenten geeignet verknüpft werden. Die Verknüp-fung kann sich sehr unterschiedlich gestalten: das Spektrumreicht von einer einmaligen Übergabe von Randbedingun-gen (Daten) bis hin zur iterativen, allseitigen Kopplung mitpermanentem wechselseitigen Abgleich zwischen sich be-einflussenden Komponenten.
Vergleichende Tests
Hier werden die Resultate verschiedener Simu-
lationsprogramme miteinander verglichen.
Eine unmittelbare Qualitätsbeurteilung lässt
sich aus dem Vergleich nicht ableiten. Jedoch
können bestimmte Programm- und Modell-
Qualität und GenauigkeitSimulationsmodelle können mit verschiedenen Verfahren über-
prüft, ihre Qualität bestätigt („validiert“) und die Genauigkeit der
Ergebnisse verbessert werden.
Zeit in h
Luftt
empe
ratu
r in
°C
180 10 20 110 120
20
22
24
28
30
( (
(
(
außen: Aktion
innen: Reaktion
zul. Fehlertoleranzlt. Norm
1m
1m 1m
4Simulation der Wärmeleitung durch Wände. Der be-rechnete Temperaturverlauf liegt innerhalb der zulässi-gen Fehlertoleranz.
Zeit in hEm
pfin
dung
stem
pera
tur i
n °C
181 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23
20
22
24
28
30
30
30
minimal zul. Temperaturbereich lt. Norm
maximal
mittel
3,6 m5,5 m
2,8 m
5Berechneter Tagesgang der Empfindungstemperatur.Der berechnete Temperaturverlauf liegt innerhalb derzulässigen Fehlertoleranz.
Zeit in Stunden
Tem
pera
tur i
n °C
140 2 4 6 8 10 14 18 22 26 30 34 38 42 46 48
16
18
20
22
24
26
Raumtemperatur gemessenRaumtemperatur aus Wandtemperatur berechnetFehlerhaftes RaummodellRaummodell nach Validierung
7Gemessene, berechnete und simulierte Temperaturver-läufe in ETNA-Testzelle
Zeit in h (Tag 68 und 69)
Luftt
empe
ratu
r in
°C
120 6 12 18 0 6 12 16 18
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22MeßwerteTRNSYS TUD"blind test"-BedingungenStundenmittelwert derSimulation
6Gemessener und simulierter Verlauf der Lufttemperaturin der ETNA-Testzelle
BINE profiinfo 3
Unter dem Dach der Internationalen Energie
Agentur (IEA) wurden verschiedene Arbeits-
gruppen gebildet, die sich mit der Qualifizie-
rung und Entwicklung von Simulationspro-
grammen beschäftigen:
Solar Heating and Cooling Program
■ „Task 12 - Building Energy Analysis and
Design Tools for Solar Applications“
■ „Task 22 - Building Energy Analysis Tools“
Energy Conservation in Buildings
■ „Annex 21 - Calculation of Energy“
■ „Annex 30 - Bringing Simulation to
Application“
Im Rahmen des Task 22, an dem die Länder
Finnland, Frankreich, Großbritannien, Spa-
nien, Schweden, Schweiz, USA und von deut-
scher Seite die TU Dresden und Klimasy-
stemtechnik Esdorn Jahn, Berlin, teilnehmen,
wurden eine Reihe von Tests vorgeschlagen,
mit denen Modellqualität und Vorhersagege-
nauigkeit beurteilt werden können:
Analytische Überprüfung
Die Ergebnisse der (numerischen) Simulati-
onsrechnung werden mit bekannten analyti-
schen Lösungen verglichen. Dies erfolgt
zumeist anhand gesondert betrachteter Vor-
gänge, z. B. Wärmeübertragung, äußere Ver-
schattung von Fenstern oder einfache Luft-
durchströmungen. Die Ergebnisse der
Simulation müssen eine vorgegebene Fehler-
toleranz einhalten. Eine Zusammenstellung
einiger analytischer Tests ist z.B. in Pr-EN-
ISO 13719 (CEN TC 89 N.244/rev) zu finden.
Eine entsprechende Übersicht enthält auch die
DIN 4108/20.
Das Ergebnis einer Simulationsrechnung zur
Überprüfung der Wärmeleitung durch Wände
zeigt 4 . Bei diesem Test ist per Simulations-
rechnung der zeitliche Verlauf der Lufttem-
peratur im Innern eines fensterlosen Testrau-
mes vorherzusagen, nachdem sich die
Außenlufttemperatur in definierter Weise
sprunghaft ändert.
Der in 5 dargestellte Tagesgang der Emp-
findungstemperatur ist das Ergebnis einer
Simulationsrechnung zur Überprüfung des
gesamten Gebäudemodells. Für einen Test-
raum mit Fenster ist der zeitliche Verlauf der
Empfindungstemperatur im quasistationären,
eingeschwungenen Zustand bei definierter
Außentemperatur und solarer Einstrahlung
zu berechnen. Die inneren Wärmelasten und
der Außenluftwechsel werden variiert. Die
Minimal-, Maximal- und Mittelwerte des
berechneten Temperaturverlaufes müssen
innerhalb des zulässigen Fehlerbereiches lie-
gen.
Empirische Validierung
Die Simulationsergebnisse werden mit Mess-
werten eines realen Gebäudes oder experi-
mentell ermittelten Daten verglichen. Für die
Untersuchungen im Rahmen des IEA Task 22
konnten zwei mit entsprechender Messappa-
ratur ausgestattete Testzellen der EDF (Elec-
tricite´ de France) mit dem Namen ETNA und
GENEC genutzt werden. Anhand einer detail-
lierten Beschreibung der Testräume (Abmes-
sungen, Wandaufbauten, Randbedingungen)
wurden das zugehörige Raummodell erstellt
und die Raumtemperaturen in Abhängigkeit
innerer und äußerer Einflussgrößen (Heiz-
wärmestrom, Außenlufttemperatur, Solar-
strahlung) berechnet. 6 zeigt den Vergleich
von gemessenem und simuliertem Verlauf der
ungeregelten Temperatur in einer solchen
Messzelle für ein fehlerfreies, validiertes
Modell.
Werden die das Raumklima wesentlich beein-
flussenden Effekte, wie Wärmebrücken oder
Luftundichtigkeiten entgegen den tatsächli-
chen Gegebenheiten nicht vollständig berück-
sichtigt, so hat das ebenso wie Eingabefehler
oder falsch gesetzte Randbedingungen eine
stärkere Auswirkung auf die Genauigkeit der
Vorhersagewerte als es die Modellgüte des
verwendeten Simulationsprogramms im
Allgemeinen hat. Die in 7 dargestellten
Temperaturverläufe dienen der Veranschau-
lichung dieses Sachverhaltes. Die Simula-
tionsergebnisse für das fehlerbehaftete Raum-
modell zeigen signifikante Abweichungen zu
den Messwerten, die hier auf einen zu geringen
stationären Wärmeverlust z. B. infolge von
Wärmebrücken zurückzuführen sind. Die mit
einem fehlerfreien Modell berechneten Tem-
peraturen stimmen mit der Messreihe sehr gut
überein.
Die Messwerte müssen in ihrer physikalischen
Definition den Ausgangsgrößen der Simulati-
onsrechnung entsprechen, damit eine Ver-
gleichbarkeit beider Größen sinnvoll ist. Als
problematisch erweist sich oft die umfangrei-
che und aufwendige Messung der unter-
schiedlichsten Größen. In 7 sind der Ver-
lauf der Empfindungstemperatur, die neben
der reinen Lufttemperatur auch die Wärme-
strahlung der umgebenden Wandflächen
berücksichtigt, als direkter Messwert und als
eine aus den einzelnen, gemessenen Tempe-
raturverläufen der Raumluft und Wandober-
flächen ermittelte Größe dargestellt. Zwischen
den direkten Messwerten und dem indirekt
ermittelten Verlauf besteht eine Differenz, die
z. T. größer ist als die Abweichung des Simu-
lationsergebnisses vom mittleren gemessenen
Temperaturverlauf. Dies unterstreicht, wie
wichtig möglichst genaue Messdaten für die
Qualität der Simulationsergebnisse sind.
dellen zeigt 9 . Durch die Gegenüberstellung
zweier Tests werden die Auswirkungen ver-
änderter Modellparameter quantifizierbar.
Aber auch reale Objekte können Gegenstand
vergleichender Betrachtungen sein. Dabei sol-
len die aus Messungen verfügbaren Daten
(Raumtemperaturen, Wärmebedarf, Kühllast
u. ä.) zusätzlich per Simulation berechnet und
mit den Ergebnissen anderer Programme ver-
glichen werden. Für die Arbeit im IEA Task 22
stand die Energy Research Station (ERS), Iowa
(USA), zur Verfügung. Für das Gebäude, das
mit einem zentralen Luftkühler und dezen-
tralen Nachwärmern betrieben wurde, sind
der Kühlenergiebedarf, der Temperaturver-
lauf in den angeschlossenen Räumen sowie
der Wärmebedarf der Nachwärmer zu berech-
nen. Vor Beginn der eigentlichen Tests erfolgte
eine Validierung des Modells anhand von
Messdaten für die Kühllast des Gebäudes. 10zeigt die zeitlichen Verläufe von gemessener
und berechneter Gebäudekühllast als Resultat
einer Modellvalidierung. Die Abweichungen
am ersten Tag des Simulationszeitraumes sind
auf den Einschwingvorgang zurückzuführen.
Das verwendete, recht einfache Bilanzmodell
fehler erkannt werden, indem die Berech-
nungsergebnisse (z. B. Raumtemperaturen)
oder per Sensitivitätsanalyse ermittelte
Größenänderungen betrachtet werden. Hier-
für wurden spezielle Diagnoseverfahren ent-
wickelt, z. B. der Building Energy Simulation
Test (BESTEST). Dabei sind für einen einzel-
nen Raum der Jahresgang der Raumlufttem-
peratur bzw. der jährliche Heiz- und Kühlen-
ergiebedarf mit Hilfe der Simulation zu
bestimmen. 8 zeigt die berechneten Werte
der mittleren jährlichen Raumtemperatur für
verschiedene BESTEST–Untersuchungen (Test
1 bis Test 5). Ausgehend vom Basisfall der
Untersuchung (Test 1) werden unterschiedli-
che Eingangsgrößen bzw. Modellparameter
variiert. Die Ergebnisse der einzelnen Simu-
lationsprogramme stimmen für jeden der Tests
relativ gut überein. Damit wird noch einmal
deutlich, dass die Berechnung weniger von
Qualitätsunterschieden der Simulationspro-
gramme als vielmehr von falschen Modellpa-
rameterangaben oder fehlerhaft gemessenen
Eingangsgrößen beeinflusst wird.
Den Nutzen von Sensitivitätsbetrachtungen
bei der Qualifizierung von Simulationsmo-
ist aufgrund der nur geringen Abweichungen
von Simulation zu Messung für die gestellte
Aufgabe geeignet und konnte zur Simulation
von Anlagenprozessen im Testgebäude einge-
setzt werden. Für eine höhere Vorhersagege-
nauigkeit sind aufwendige Identifikationsme-
thoden oder physikalische Modelle
erforderlich.
Tem
pera
tur i
n °C
0
Test 1 Test 2 Test 3 Test 4 Test 5
5
10
15
20
25
30
35
ESPDOE2SERIRESTRNSYS
BLASTSRES/SUNS3PASTASE
8Vergleich der von verschiedenen Simulationsprogrammen berechnetes Jahresmittelder Raumlufttemperatur; IEA BESTEST
Änd
erun
g de
s Ja
hres
heiz
ener
gieb
edar
fes
in M
Wh
0
Test 7 vs. Test 6 Test 8 vs. 7 Test 10 vs. 9 Test 9 vs. 7 Test 10 vs. 8 Test 11 vs. 10
5
10
15
20
25
30
35
ESPDOE2SERIRESTRNSYSYOUR
BLASTSRES/SUNS3PASTASE
Hohe Sensitivität gegenüber Änderungen der Eingangsgrößen
9Sensitivitätsanalyse für Jahresheizenergiebedarf; IEA BESTEST. Eine hohe Sensitivitätkann als Indiz für Programmfehler gelten.
Zeit
Kühl
ener
gieb
edar
f in
kW
420. Sep 21. Sep 22. Sep 23. Sep 24. Sep 25. Sep 26. Sep
5
6
7
8
10
12
11
9
SimulationMessung
10Vergleich von Messwerten und Simulationsergebnisfür die Kälteleistung; ERS Iowa
Simulation in der AnwendungLohnt sich die Investition in eigene Software oder sollte Simulation
besser als Dienstleistungsangebot spezieller Energieplaner genutzt
werden? Welches Programm ist das Richtige?
Die Auswahl einer geeigneten, auf die jewei-
ligen Bedürfnisse zugeschnittenen Software
ist maßgeblich für ein gutes Aufwand-/Nut-
zen-Verhältnis bei planungsbegleitenden
Simulationsrechnungen. 11 zeigt die Ent-
wicklungsstufen von Software zur Gebäude-
und Anlagensimulation.
Welche Software?
Das Angebot an Simulationssoftware für die
Gebäude- und Anlagensimulation ist sehr
groß. Die Software-Produkte sind entweder
für eine möglichst breite und vielseitige
Anwendung konzipiert 12 oder auf ganz
spezielle Aufgabenfelder zugeschnitten. Viele
der kommerziellen Programme sind vielseitig,
robust, zuverlässig und vergleichsweise ein-
fach handhabbar. Die wichtigsten, für die
breite Planungspraxis verfügbaren Pro-
gramme und die in Forschung und Ausbil-
dung eingesetzten sind in 13 gezeigt. Die
Rechenprogramme unterscheiden sich nach
Anwendungsschwerpunkt und Leistungsni-
veau.
Simulation als Dienstleistung
Simulationsrechnungen setzen einen nicht zu
unterschätzenden Aufwand für die Datenein-
gabe voraus. Sie sind zeit- und kosteninten-
siv und mit Personal-, Lizenz- und Rechner-
kosten verbunden. Ferner sind für die schlüs-
sige Interpretation der Simulationsergebnisse
vertiefte Kenntnisse von Simulationsmodell
und Software-Konzept erforderlich. Nur so
können Simulationsfehler aufgrund mangel-
hafter Objektmodellierung, Objekt- und Aus-
legungsdaten zuverlässig erkannt oder ver-
mieden werden.
Zudem sind sehr gute Kenntnisse in bau-
physikalischen und energietechnischen Fra-
gen unabdingbar, damit die Rechenergeb-
nisse überhaupt richtig und auf die zu
unterstützende Planung bezogen interpretiert
werden können. Hierfür sind umfangreiche
Erfahrungen mit Fachplanung und Simula-
tion nötig.
Zwar könnte sich jedes Planungsbüro die für
die Simulation notwendige Rechnertechnik
und Peripheriegeräte zulegen. Aufwändiger
dagegen ist es, einen Simulationsexperten zu
engagieren oder auszubilden. Es wird wohl
nur einen kleinen Kreis von gut ausgebilde-
4 BINE profiinfo
BINE profiinfo 512Leistungsspektrum und Ergebnisdaten
Typisches Leistungsspektrum von Simulationsprogrammen
■ geometrische Modellierung zur Erzeugung des Gebäudemodells für die Simulation
■ Mehrzonenmodell■ dynamisches Verhalten der Wärmeleitung
(eindimensional) und Speicherung■ Datenbank der Materialien
für die mehrschichtige Wand■ stündliche Bereitstellung (bzw. Stundenanteil)
der Wetterdaten■ zeitliche Verläufe für innere Wärmequellen
(Nutzer, Licht, Maschinen...)■ Luftwechsel, Lasten durch Konvektion, Strahlung,
Wärme- und Feuchtetransport über den Luftwechsel■ Transmission, Absorption und Reflektion der
Sonnenstrahlung und Verteilung im Raum■ Berechnung der Verschattung■ Integration von HVAC–Anlagen und Festlegung
von Sollwerten
Wesentliche Ergebnisdaten der Simulation sind derzeitliche Verlauf von
■ Raumlufttemperatur■ Strahlungstemperatur■ Empfindungstemperatur (operative Temperatur)■ Feuchtigkeit■ Lasten (Heiz-, Kühllast, Befeuchtungs- und
Entfeuchtungslast)
13Übersicht zu Simulationssoftware für die Gebäude-und Anlagensimulation
11Entwicklungsstufen von Software zur Gebäude- undAnlagensimulation
ten Experten geben, welche fortgeschrittene
Software-Produkte zur Gebäude- und Anla-
gensimulation effizient einsetzen können.
Aus diesem Grunde werden künftig in ver-
stärktem Maße Simulationsdienstleister am
Markt aktiv werden. Deren Dienstleistung
kann auch als simulationsgestützte Energie-
beratung verstanden werden. Die sehr nach-
frageorientierte Dienstleistung erfordert zum
einen ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis
und außerdem die hohe kommunikative
Fähigkeit, sich produktiv in die vielfach ver-
zahnten Planungsprozesse einzubinden.
Aufwand und Nutzen
■ KostenFür die Gebäude- und Anlagensimulation als
Dienstleistung werden derzeit je nach
Umfang, Fragestellung und Gebäudekom-
plexität typische Preise zwischen 10.000 und
100.000 DM genannt. Dienstleister oder Pla-
nungsbüros, welche die Simulation in eigener
Regie erbringen, haben die Kosten für geeig-
netes Personal und Hard- und Software
einschließlich der Peripheriegeräte zu tragen.
■ NutzenWie groß der Kosteneinspareffekt durch eine
gezielte, simulationsgestützte Energiebera-
tung ist, hängt relativ stark vom jeweiligen
Gebäude ab. In Veröffentlichungen wird von
Energiekosteneinsparungen von bis zu 50%
berichtet. Typisch sind hier Einsparungen
von 10 bis 30%. Hinzu kommen evtl. ver-
ringerte Investitions- und Wartungskosten,
wenn z. B. bei einer guten Abstimmung von
Gebäudeeigenschaften und natürlicher Lüf-
tung auf eine Klimatisierung verzichtet wer-
den kann. Die Kosten für eine simulations-
gestützte Energieberatung können sich
insbesondere bei größeren Gebäuden zumeist
innerhalb weniger Monate amortisieren.
Hemmnisse
Das mögliche Anwendungspotential für die
Gebäude- und Anlagensimulation wird in
der Planungspraxis hier zu Lande noch nicht
ausgeschöpft. In der gegenwärtig gültigen
HOAI ist die Gebäude- und Anlagensimu-
lation nicht als Grundleistung enthalten. Die
simulationsgestützte Energieberatung kann
als zusätzliche Leistung (auch auf Basis eines
Erfolgshonorars) vereinbart werden. Leider
ist bei Bauherren weithin eine fehlende Moti-
vation festzustellen, in diese (zusätzliche)
Dienstleistung zu investieren. Am ausge-
prägtesten ist die Bereitschaft, Simulation als
planungsunterstützendes Instrument einzu-
setzen, bei Bauherren von repräsentativen
Gebäuden mit neuartigen konstruktiven oder
anlagentechnischen Lösungen, welche auf
ihre Wirksamkeit und Funktionstüchtigkeit
hin untersucht werden sollen.
Bislang fehlte auch eine Anerkennung der
Gebäude- und Anlagensimulation als Stand
der Technik in den technischen Richtlinien
und Normen. Damit ergaben sich u. U.
Rechtsunsicherheiten und ungeklärte
Gewährleistungsfragen, wenn bei der Ver-
wendung von Simulationsergebnissen in der
Gebäude- oder Anlagenplanung von den
anerkannten Regeln der Technik (z. B. DIN
4701 und VDI 2078) abgewichen wurde.
Die im Entwurf vorliegende neue VDI 6020
„Anforderungen an Rechenprogramme für
die Gebäude- und Anlagensimulation“, deren
Veröffentlichung noch 1999 vorgesehen ist,
soll diese Probleme lösen. Zudem ist in Kürze
mit dem Abschluss weiterer Richtlinienar-
beiten zu rechnen, die den Datenaustausch
vereinfachen und damit den Aufwand für
die Simulation reduzieren können (VDI
3805: Produktdatenaustausch; VDI 3814:
Gebäudeautomation; VDI 6021: Datenaus-
tausch Lastberechnung; VDI 6027: Daten-
austausch).
1. Generation ■ Umsetzung bestehender Normen der Wärmebedarfs- und Kühllastberechnung
■ einfache Raum- und Gebäudemodelle
2. Generation ■ Verbesserte Gebäudemodelle und Einbeziehung von Anlagenmodellen
3. Generation ■ Untersuchung realer Schaltungen für Anlage und Gebäude
■ Einbeziehung von Regel- und Steuerprogrammen
4. Generation ■ Objektorientierte Simulation■ Kopplung Anlage / Gebäude■ Integration von Datenbanken und
CAD■ Expertensystem
Programm Hersteller/Anbieter Anwendung Planung Forschung u. Ausbildung
ADELINE Lawrence Berkeley Tageslichtbeleuchtung, elektrische Beleuchtung,National Laboratory vollständige Gebäudesimulation, Zweckbauten,
3-D CAD, ModellierungBLAST University of Illinois Energiebedarf, Planung, Modernisierung,
Forschung, Wohn- und Zweckbauten, Lüftungssysteme, Life Cycle Cost Analysen
BUS ++ VTT Building Energiebedarf, Lüftung, Luftströmung, Technology, Finnland Raumluftqualität, Schallleistung
COMIS Lawrence Berkeley Mehrzonen GebäudedurchströmungCONTAM 93 National Laboratory Energiebedarf, Heizung, Kühlung,
NIST, Gaithersburg, MD thermischer Komfort, Planung , Forschung,Wohn- und Zweckbauten
DEROB-LTH Lund Institute Energiebedarf, Heizung, Kühlung, of Technology thermischer Komfort
DOE-2 Lawrence Berkeley Energiebedarf, Planung, Modernisierung, National Laboratory Forschung, Wohn- und Zweckbauten
ENERGY PLUS Lawrence Berkeley Kopplung von BLAST und DOE-2, National Laboratory Integration COMIS
ESP-r ESRU, University of Energiesimulation, Umweltschutz, kommerzielle Strathclyde Gebäude, Wohngebäude, Visualisierung,
komplexe Gebäude und SystemeHVACSIM+ NIST, Gaithersburg, MD Heizungs- und raumlufttechnische Ausrüstungen,
Systeme, Regelung, Energiemanagementsysteme, komplexe Systeme
IDA Bris Data AB, Stockholm Planung, Energiebedarf, thermischer Komfort, Raumluftqualität, Zweckbauten
SERI-RES Energy Science & Planung, Modernisierung, WohngebäudeTechnology, Software Center, Oak Ridge, TN
SPARK Lawrence Berkeley Objektorientiert, komplexe Systeme, National Laboratory Energiebedarf
TARP NIST, Gaithersburg, MD Energiebedarf, komplexe Systeme, ZweckbautenTAS EDSL Dynamische thermische Gebäudesimulation,
Komfort, CFD, thermische Analysen, Energiesimulation
TRNSYS Solar Energy Laboratory, Planung, Modernisierung, Energiebedarf,University of komplexe Systeme, Zweckbauten, Wisconsin-Madison Kopplung mit COMIS
Nach „Energy Efficiency and Renewable Energy Network“ (EREN), U. S. Department of Energy. Stand November 1999.
Die gekoppelte Simulation eines Einfamili-
enhauses an einem ausgewählten Tag soll
zur Demonstration fortgeschrittener Simu-
lationsmodelle verwendet werden. Beispiel-
haft wird hier eine gekoppelte Simulation
der Komponenten Gebäude, Heizungsan-
lage, Luftströmung durch das Gebäude,
Raumluftströmung, Nutzer und Regelung
gezeigt. Zur Anwendung kommt ein Modell
der neueren Generation, das auf der Basis
von TRNSYS an der TU Dresden zur kom-
plexen Gebäudesimulation entwickelt wurde.
Für die Demonstration der Simulations-
komponenten einschließlich der Wechsel-
wirkungen aller Modelle soll ein Einfamili-
enhaus verwendet werden.
Eingabebeschreibung
Die Eingabebeschreibung beinhaltet Anga-
ben zum Baukörper (geometrische Abmes-
sungen, Baustoffe), Angaben zur Heizungs-
technik (Heizkörper und Rohrparameter,
Reglerparameter, Kesselparameter), Anga-
ben zur Gebäudeaerodynamik (Öffnungen,
Lüftungsanlagen, Windwiderstand) und
Angaben zum Nutzerverhalten.
Gebäude und Randbedingungen
Das zu simulierende Haus besteht aus 17
verschiedenen Räumen, die im weiteren als
Zonen bezeichnet werden sollen. Die Eintei-
lung in einzelne Geschosse und die Numme-
rierung der Zonen ist in 15 sichtbar
gemacht worden. Für die Anwendung eines
geometrischen Raummodells müssen die
Einstrahlzahlen ermittelt werden.
Die Heizungsanlage enthält 15 mit Ther-
mostatventilen ausgerüstete Heizkörper. Das
Heizungsnetz wurde entsprechend des ermit-
telten Heizwärmebedarfes ausgelegt und ent-
spricht im Aufbau der Prinzipskizze in 15 .Die eingestellten Sollraumtemperaturen kön-
nen 14 entnommen werden.
Für die Simulation der Gebäudedurchströ-
mung ist es notwendig, alle relevanten Strö-
mungselemente wie Türen und Fenster als
,,große Öffnungen'' festzulegen. Einige Türen
und Fenster werden im Laufe des dargestell-
ten Tages definiert geöffnet, um die Auswir-
kung der Durchströmung auf den thermi-
schen Zustand der Räume zu untersuchen.
Die festgelegten Strömungswege sind in 15für das Erdgeschoss veranschaulicht.
Beispielhaft wird ein Tagesgang ausgewählt,
in dem die typischen Vorgänge in diesem
Haus dargestellt werden. Dazu ist die Defi-
nition eines speziellen Nutzerverhaltens,
repräsentiert durch den zeitlichen Verlauf
der Wärmeabgabe der Personen, Tiere, Pflan-
zen bzw. technischen Geräte (Waschma-
schine, Fernseher u. ä.) notwendig. Die äuße-
ren Randbedingungen werden durch
Wetterdaten festgelegt.
Am Beispiel dieses Einfamilienhauses wird
auch die Kopplung mit der Raumluftströ-
mung vorgestellt. Ausgewählte Zone zum
Übergang auf das Mikromodell ist dabei das
Wohnzimmer (Zone 9 in 15 ). Dieser Auf-
wand wird im allgemeinen nicht im Pla-
nungsprozess betrieben. Bei Grundsatzent-
scheidungen zur Anordnung der Heizkörper
(über Behaglichkeitskriterien) bzw. zur
Bewertung von Regelstrategien einschließ-
lich der Sensoren sind solche Rechnungen
sehr nützlich. Zum Übergang auf das Mikro-
modell muss das Wohnzimmer geometrisch
vollständig modelliert vorliegen und mittels
Gittergenerator mit einem Netz versehen
werden. Weiterhin ist eine Zeitspanne aus-
zuwählen, in der die zeitlich und örtlich hoch
aufgelösten Informationen vorliegen sollen,
für dieses Beispiel etwa die morgendliche
Aufheizungsperiode. Dazu wurden die Rand-
bedingungen für diese Berechnung insofern
modifiziert, dass für Zone 9, das Wohnzim-
mer, eine Nachtabsenkung auf 18°C von
23.00 bis 7.00 Uhr programmiert war. Wei-
terhin ist das Wohnzimmer für diese Berech-
nung statt mit Heizkörpern mit einer Fuß-
bodenheizung mit verstärkt beheizter
Randzone ausgestattet. Ab 6.00 Uhr mor-
gens (eine Stunde vor Heizungsbeginn) wird
das Modell der vollständigen Durchmi-
schung in Zone 9 durch eine Raumluftströ-
mungsberechnung ersetzt. Starttemperatur
sowie Wandtemperaturen liegen durch die
Gebäudesimulation vor. Die Kopplung zur
Gebäude- und Anlagensimulation wurde
über die Parallelisierungssoftware PVM (Par-
allel Virtual Machines) vorgenommen und
die Berechnung der Strömung mit dem For-
schungscode ParallelNS durchführt.
Simulation
Die Ergebnisse der Simulation ohne Raum-
luftströmung sind für ausgesuchte Zustands-
größen in 16 bis 18 wiedergegeben. 19und 20 zeigen Resultate aus der Berech-
nung mit Raumluftströmung.
Die Raumtemperaturen in den verschiede-
nen Zonen werden durch das Nutzerverhal-
ten ( 14 ) geprägt. Gegen 7.00 Uhr ist die
Nachtabsenkung der Küche (Zone 10) und
des Bades (Zone 7) beendet. Die Temperatur
steigt auf ihren neuen Sollwert. In der Küche
wird ab 11.00 Uhr gekocht. Die dabei frei-
werdende Wärme (700 W) bewirkt folge-
richtig eine sichtbare Temperaturerhöhung.
Das nachfolgende Lüften (12.00 Uhr) ist am
schlagartigen Temperaturabfall erkennbar.
Dieser Effekt ist auch im Bad um 19.30 Uhr
(nach dem Duschen) bzw. in den Zonen 8
(Arbeitszimmer) und Zonen 9 (Wohnzim-
mer) um 19.00 Uhr sichtbar. Die Zone 11
(Esszimmer) folgt im Temperaturverlauf den
Zonen 8 und 9, da dort die jeweiligen Zwi-
schentüren geöffnet gehalten werden.
Die Wärme, die den einzelnen Zonen durch
die Heizungsanlage zugeführt wird, setzt sich
aus der Wärmeabgabe der Heizungsrohre
und der Heizkörper zusammen (vgl. 18 ). Die Vorlauftemperatur des Heizungsnetzes
wird in 16 durch die Heizkurve bestimmt.
Die Heizkurve ist eine Funktion der Außen-
temperatur. Die Rücklauftemperatur des Hei-
zungsnetzes ist vom zeitlichen Verhalten der
Ventile abhängig. Besonders deutlich wird
dies früh um 7.00 Uhr, wo eine Reihe von
Ventilen nach der Nachtabsenkung schnell
wieder öffnen und die abgekühlten Heiz-
körper vom warmen Vorlaufwasser durch-
strömt werden.
Ergebnis der Raumluftströmungsberechnung
sind neben Luftgeschwindigkeiten und Tem-
peraturen (siehe z. B. 20 ) an allen Gitter-
punkten auch die konvektiven Wärmeströme
an allen Begrenzungsflächen, die zur Bilan-
zierung der neuen Wandtemperaturen der
Gebäudesimulation übergeben werden. Die-
ser, Zeitschritt für Zeitschritt ablaufende
Austauschmechanismus sichert die Kopp-
lung der Simulationskomponenten und damit
eine deutlich verbesserte Realitätsnähe.
Interpretation und Anwendungder Ergebnisse
Die Vielzahl der Informationen, die eine
Berechnung mit verschiedenen, untereinan-
der verknüpften Simulationskomponenten
liefert, gestattet eine umfassende energetische
Beurteilung des Gesamtsystems Gebäude –
Anlagentechnik – Nutzer. Es wird erkennbar,
welchen Einfluss etwa das Nutzerverhalten
hat, da die Wechselwirkung des Nutzerein-
griffes mit Gebäude und Anlage unmittelbar
ablesbar ist. Gleichzeitig zeigt die Simulation
deutlich das Verhalten der Regelung auf und
ermöglicht damit auch eine realitätsnahe Ein-
schätzung der nachgebildeten Komponenten.
Falls dazu geometrisch hoch aufgelöste Infor-
mationen benötigt werden, erhält man diese
aus der angekoppelten Strömungssimulation.
Mit örtlich und zeitlich hoch aufgelösten
Daten zu Lufttemperaturen und Strömungs-
geschwindigkeiten oder zu den unterschied-
lichen Formen des Energietransports in Räu-
men (Konvektion / Strahlung) können
detaillierte Aussagen zur Behaglichkeit, zur
Wirkungsweise und Energieeffizienz der
gewählten Heizungs- und Lüftungssysteme
abgeleitet werden.
SimulationsbeispielIn der Planungspraxis wird die Simulation fast ausschließlich für
Zweckbauten eingesetzt. Im folgenden geht es um bauphysikali-
sche Phänomene, die im Rahmen von Forschungsarbeiten am Bei-
spiel eines Einfamilienhauses untersucht wurden.
6 BINE profiinfo
14Sollraumtemperaturen der beheizten Zonen in Abhängigkeit der Tageszeit
15Planungsskizzen mit Zonierung für das Simulationsbeispiel Einfamilienhaus
28.00 0.00 6.00 12.00
Uhrzeit18.00 24.00
30.00 32.00 34.00 36.00 38.00 40.00 42.00 44.00 46.00 48.00 50.00
Tem
pera
tur i
n °C
VorlauftemperaturRücklauftemperatur
16Vor- und Rücklauf des Heizungsnetzes
0.00 6.00 12.00Zeit in h
18.00 24.0017.00
18.00
19.00
20.00
21.00
22.00
23.00
Tem
pera
tur i
n °C
Zone 6Zone 7Zone 8
Zone 9Zone 10Zone 11
17Raumtemperaturen (Erdgeschoss)
0.00 6.00 12.00Zeit in h
18.00 24.000
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
Wär
mes
trom
in W
Zone 6Zone 7Zone 8
Zone 9Zone 10Zone 11
18Zonenwärmeströme (Erdgeschoss)
19Ausschnitt aus dem Oberflächennetz und ausgewählte Wandtemperaturen um 8.00 Uhr (Simulation bei Kopplung mit Raumluftströmung) 20Ausgewählte Lufttemperaturen um 8.00 Uhr (bei Kopplung mit Raumluftströmung)
beheizte Nutzung Heizkörper Solltemperatur AbsenkungZonen tagsüber in °C nachts in K
6 Diele EG 9 20,0 –7 Bad EG 8 24,0 4,08 Arbeiten EG 7 20,0 –9 Wohnzimmer EG 4; 5; 6 20,0 –10 Kochen EG 3 20,0 –11 Essen EG 2 20,0 –12 Kinder DG 14; 15 20,0 –13 Bad DG 13 24,0 4,014 Schlafen DG 11; 12 20,0 2,015 Galerie DG 10 20,0 –16 Treppe Keller 1 20,0 –
BINE profiinfo 7
Zone 9(Wohnzimmer)
Zone 9(Wohnzimmer)
BINEI n f o r m a t i o n s d i e n s t
Fachinformationszentrum KarlsruheMechenstraße 57, 53129 BonnTel. 0228 / 9 23 79 0Fax 0228 / 9 23 79 29eMail bine@fiz-karlsruhe.deInternet: http://bine.fiz-karlsruhe.de
ISSN1436-2066
HerausgeberFachinformationszentrum Karlsruhe, Gesellschaft für wissenschaftlich-technischeInformation mbH, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen
NachdruckNachdruck des Textes nur zulässig mit voll-ständiger Quellenangabe und gegenZusendung eines Belegexemplares. Nachdruckder Abbildungen nur mit Zustimmung desjeweils Berechtigten.
AutorenProf. Gottfried Knabe, Clemens Felsmann, Alf Perschk, Dr. Markus RöslerTU Dresden, Institut für Thermodynamik und TGA (ITT)
RedaktionJohannes Lang
KontaktWeitere Informationen zu diesem Themaerhalten Sie bei dem Informationsdienst BINE.Wenden Sie sich an die untenstehendeAdresse, wenn Sie vertiefende Informationen,spezielle Auskünfte, Adressen etc. benötigen,oder wenn Sie allgemeine Informationen zumenergie- und umweltgerechten Planen undBauen wünschen.
Förderung der VorhabenBundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Godesberger Allee 185, 53175 Bonn
Projektbegleitung im Auftrag des BMWiProjektträger Biologie, Energie, Umwelt (BEO)Forschungszentrum Jülich GmbHJürgen Gehrmann, 52425 Jülich
ProjektadressenKlimasystemtechnik Esdorn Jahn GmbHKeplerstr. 8/10, 10589 BerlinTU Dresden, Institut für Thermodynamik und TGAHelmholtzstraße 14, 01062 Dresden
Förderkennzeichen0329738A
Projektorganisation
Impressum
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Literaturverzeichnis
Bach, H.; Kondermann, T.; Madjidi, M.: Systemsimulation in der Praxis. FIA-Projekt.
Fachinstitut Gebäude-Klima e.V., Stuttgart 1997. 180 S.
Eine ausführliche Literaturliste zum Thema erhalten Sie bei BINE und unter
http://bine.fiz-karlsruhe.de unter „Service/infoplus“
Ergänzende Informationen
Weitere Informationen zu marktverfügbarer Simulationssoftware erhalten Sie unter
http://bine.fiz-karlsruhe.de unter „Service/infoplus“
FazitFür Forschungs- und Entwicklungszwecke gibt es weltweit eine
Vielzahl von gut geeigneter Software zur dynamischen
Simulation von Gebäuden samt Gebäudetechnik. Dieser Bereich
ist gekennzeichnet durch laufend verbesserte und erweiterte
Produkte.
Mit international abgestimmten
Tests – insbesondere basierend auf Verfahren
der analytischen Überprüfung und der Vali-
dierung anhand von empirischen Referenz-
daten – wird man in Zukunft die Software in
ihrer Genauigkeit weiter verbessern und
deren Anwendungsbereiche um neue oder
spezielle Technologien erweitern. Dies kann
z. B. mit der Verknüpfung von bestehenden
Software-Paketen erreicht werden. So wur-
den u. a. BLAST und DOE2 zu ENERGY
PLUS kombiniert, ENERGY PLUS wiederum
mit TRNSYS/SPARK.
Damit das Werkzeug Simulation breiter und
konsequenter in der Planungspraxis einge-
setzt wird, müssen Leistungsfähigkeit und
Zuverlässigkeit von Software-Produkten
geprüft und garantiert werden. Hier könnten
Produkt-Audits und Zertifizierung eine geeig-
nete Strategie sein, um Transparenz und Ver-
trauen zu schaffen. Mit der in Kürze gültigen
VDI 6020 gibt es einen ersten Ansatz zur
Qualitätssicherung. Simulationsprogramme
sollten auch noch komfortabler und fehler-
freundlicher gestaltet werden. Und die
Anbindung an weitere Planungs- und Kom-
munikationsinstrumente, wie das in dem For-
schungsprojekt RETEx/INTESOL prototy-
pisch realisiert und in öffentlich geförderten
Demonstrationsprojekten (SolarBAU)
erprobt wird, wird die Simulation attraktiver
und effektiver machen.
Die simulationsgestützte Energieberatung
wird nur dann nachhaltigen Erfolg haben,
wenn sich die Anbieter dieser Dienstleistung
das Vertrauen und die Akzeptanz aller Bau-
beteiligten erwerben können. Eine Nach-
weispflicht über die Kenntnis und Erfahrung
in der simulationsgestützten Energieberatung
sowie Qualitätsstandards könnten dies
wesentlich befördern. Der Qualitätsnachweis
könnte in Form eines (Dienstleistungs-)Zerti-
fikats oder in Anlehnung an das Verfahren für
öffentlich bestellte Sachverständige erfolgen.
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