Kriminologischer Dienst im Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzuges Suizidgedanken...

Kriminologischer DienstKriminologischer Dienst im Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzugesim Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzuges

Suizidgedanken von Untersuchungsgefangenen in der ersten Haftzeit

(BAGÄP, September 2010)

Suizide von Gefangenen in der BRD

2000 bis 2009

Suizide in Gefängnissen der Bundesrepublik 2000 bis 2009

N= 846 (*2005-2009 n=368)

Haftzeit bis zum Suizid (%)

Haftzeit bis zum Suizid vonUntersuchungs- und Strafgefangenen

n= 455 n= 376

Uhrzeit des Auffindens (%)

N= 839

Zeitpunkt des Auffindens undArt der Unterbringung

Vorstellung beim Psychiater*

In der Vorgeschichte mehr suizidale bzw. parasuizidale Handlungen jeweils in Krisensituationen, auch jetzt hatte Pat. suizidale Absichten geäußert. Im Gespräch zeigt sich, dass diese doch mehr provokant als echt gemeint sind. Keine akute Suizidalität.

Suizidversuch, laut Vermerk der Anstaltspsychologen massive Probleme mit russischen Inhaftierten. Hinzugezogener Psychologe meint, kein ernst zunehmender Versuch, vielmehr Appellcharakter.

Diagnosen (Beispiele)

Nicht suizidgefährdet, keine Behandlung erforderlich

Depressives Syndrom, jedoch nicht suizidal

Akute Suizidalität, Alkoholabhängigkeit, Hirnorganisches Psychosyndrom

Diagnosen

*Einschätzung der Suizidgefahr

•Untersuchungsgefangene•nach der Inhaftierung•während der Nacht

•in Einzelunterbringung

Risikogruppe

Suizidgedanken von Untersuchungsgefangenen

in der ersten HaftzeitN = 196

Teilnahme und Geschlecht196 von 357 Befragten (55%)

Frauen n=93 Männer n=103

Was ist jetzt in der Haft Ihre Hauptbeschäftigung am Tag?

Haben Sie während der derzeitigen Haftzeit mal daran gedacht, sich das Leben zu

nehmen?

Suizidgedanken und GeschlechtFrauen n=93 Männer n=103

Hafterfahrung (%)

0 10 20 30 40 50 60

1x Haft

mehrm Haft

mit Suizidgedanken ohne Suizidgedanken

Was war der Anlass für Selbsttötungsgedanken/-

handlungen?

Anlass für Suizidgedanken (%)

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Familie

Ängste

Erlebnis/Tat

Anlass

„Resignation, Einsamkeit, Verlustangst, Beziehungsende, Enttäuschung über erneutes Versagen, 4 Jahre Cleanzeit weggeworfen, Angst vor der Zukunft, vor erneuter längerer Haftzeit, Perspektivlosigkeit, es nie zu schaffen, ein normales Leben zu führen“

„Weil ich mal wieder in Haft bin und weil ich meinen Sohn im Stich gelassen habe, und ich keinen Bock mehr hatte“

„Zuerst war es, dass ich unbedingt bei Nadine sein wollte, wo auch immer sie jetzt ist. Dann war es die Angst allein zu sein, Zukunftsängste, der Gedanke, dass ich es nicht verdient habe, weiterzuleben. Ganz schlimm war es als ich die Bilder der Tat und der Beiden auf dem Obduktionstisch sah. Ich war so sehr erschüttert über diese Bilder und was ich darauf sah, für einen Moment wollte ich gar nicht mehr, aber der Psychologe hat sich gut um mich gekümmert“

„Angst vor allem, auch vor den Mitgefangenen, weil ich keine Ahnung vom Knast hatte“

„Der nicht ganz ernst zunehmende Gedanke, sich der Verantwortung zu entziehen, war schon reizvoll“

„Der Selbstmord meiner Mutter und Angaben in ihrem Abschiedsbrief und dass mein Exfreund mich belogen und betrogen hat“

„Heimweh“

Was hat Sie davon abgehalten, sich das Leben zu nehmen?

Was hat Sie abgehalten? (%)

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Familie

Leben/Zkunft

Hilfe erhalten

Nichts

Hindernis

„Die Verantwortung zu übernehmen“

„Die zweite Chance wahrnehmen zu können - meinem Leben einen Sinn zu geben - die Nadine

und Anne leider nicht haben“

„Ich habe mich selbst bei den Beamten gemeldet, warum weiß ich nicht“

„Nichts, ich habe den Versuch unternommen und das auch per Antrag kund getan, aber der Antrag

wurde nicht für Ernst genommen und in den Schredder geworfen. Dann habe ich am 09.08.09 mir die Pulsadern mit einer Rasierklinge geöffnet,

wurde von einem Mitgefangenen gefunden“

Gab es Personen, die Ihnen während der derzeitigen Haft eine Hilfe waren?

Als Hilfe wahrgenommenmit Suizidgedanken ohne Suizidgedanken

Anzahl

Niemand

Familie

Partner

Freunde

Rechtsanw alt

Mitgefangene

Psychologe

Seelsorger

Sozialarbeiter

Stationsbedienstete

Anzahl

Niemand

Familie

Partner

Freunde

Rechtsanw alt

Mitgefangene

Psychologe

Seelsorger

Sozialarbeiter

Stationsbedienstete

Anzahl

Sind Sie während der derzeitigen Haftzeit jemals von Mitgefangenen geärgert oder bedroht

worden?

Einschüchterungen durch Mitgefangene

Mit Suizidgedanken

Ohne Suizidgedanken

Nein 85,2 % 91,9 %

Ja, einmal oder mehrmals erlebt

14,8 % 6,8 %

Was macht Ihnen derzeit am meisten zu schaffen?

Aktuelle Belastung (%)

0 10 20 30 40 50 60 70

Haft/Fam

Tat/Ungew iss

Krankheit

Haben Sie sich vorgenommen, für die Zukunft etwas in Ihrem Leben zu verändern?

Etwas ändern wollen (%)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Fam kümmern

Therapie

Arbeit

Leben in den Griff

Gab oder gibt es Hinweise oder Merkmale auf Suizidgefährdung?

Suizidgedanken und Identifizierung durch Bedienstete

Mit Suizidgedanken

Ohne Suizidgedanken

Keine Hinweise 29 (76% der Gruppe

mit SG)

Hinweise 7 6

Im Ergebnis:

•Männliche Gefangene entwickeln in der ersten Haftzeit häufiger Suizidgedanken als weibliche Gefangene.

•In der ersten Haftzeit ist für Dritte eine Suizidgefahr selten wahrnehmbar.

•Suizidale Gefangene schätzen Gespräche mit Fachdiensten - insbesondere mit Seelsorgern und Psychologen - häufiger als hilfreich ein, als nichtsuizidale Gefangene.

•Zur (kritischen) Nachtzeit steht kein Gesprächspartner für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. •

Dr. Bennefeld-Kersten

Telefonseelsorge für Gefangene

Erfahrungen aus der Pilotphase vom 1.3. bis zum 1.8.2010

Dokumentationen der Seelsorger

von 256 Gesprächen

Stand: 4.8.2010

Art des GesprächsN=256

Gesprächsdauer

Zeit der Gespräche je Wochentag

Talk Time in Minuten und Wochentag 9.-30.KW

1000,0

1200,0

1400,0

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag

Talk Time in Minuten und Wochentag 9.-30.KW

Gesprächsthemen (Mehrfachnennungen)

Dokumentation der SeelsorgerN=256

Angesprochenes Thema Anzahl

1. Ängste 2. Sinn 3. Psychische Beeinträchtigung 4. Straftat 4. Schlaflosigkeit 5. Partnerprobleme 6. Sucht 9. Familie10. Geld11. Gesellschaft13. Gewalt 14. Suizid

129838379

73 66655245443938

Gesprächsthemen und Hinweise auf SuizidalitätN=256 Angaben in %

Gesprächsthema

0 10 20 30 40 50 60 70

Straftat

Ängste

mit Suizid ohne Suizid

Gesprächsthemen und Hinweise auf SuizidalitätN=256

Gesprächsthema

0 10 20 30 40

Partner

Familie

mit Suizid ohne Suizid

Gesprächsthemen und Hinweise auf SuizidalitätN=256 Angaben in %

Befindlichkeit der Anruferzu Gesprächsbeginn zum Gesprächsende

N= 256

Befindlichkeit von 23 Seelsorgernin 256 Gesprächen

Fragebogen für Gefangene

Stand: 4.8.2010

Haben Sie während der derzeitigen Haft mal daran gedacht, sich das

Leben zu nehmen?

Sie hatten die Möglichkeit, während der ersten 14 Tage Ihrer Haft nachts mit einer Seelsorgerin

bzw. einem Seelsorger zu telefonieren, haben Sie davon

Gebrauch gemacht?

Telefoniert?

Gruppe ohne Suizidgedanken Gruppe mit Suizidgedanken

Wenn Sie davon Gebrauch gemacht haben, war das Gespräch

eine Hilfe für Sie?

Hilfe?

Wenn Sie keinen Gebrauch davon gemacht haben, was war der

Grund?

1. Ich hatte kein Anliegen 2. ein Gespräch hätte mir auch nicht helfen können 3. Ich wusste nicht, mit wem ich sprechen werde 4. Ich habe andere Gesprächspartner 4. es war immer besetzt

Sind Sie von Mitgefangenen geärgert oder bedroht worden?

nein ja nein ja

Sind Sie das erste Mal in Haft?N=86

Was macht Ihnen derzeit am meisten zu schaffen? (Mehrfachnennungen Gesamt N=132)

1.Trennung und Sorge um Partnerin,um Familie und Kinder

2. Verfahren und Folgen der Straftat

3. Haft

4. Ungewissheit und Verlustängste

Wenn Sie noch etwas mitteilen möchten:

„Ich finde die Idee nicht schlecht, doch die Telefone werden offiziell

von den Gefangenen nicht angenommen, da keiner zugeben möchte,

dass er mit der Haft nicht zurecht kommt, man könnte verletzlich wirken“

"Ich fand das Telefon überhaupt dort gut (auch wenn ich nicht telefoniert habe),

weil, man fühlt sich nicht so einsam"

„Ich finde gut, dass es die Möglichkeit gibt, mit jemandem zu sprechen und das auf seriöse

Weise und dass alles der Schweigepflicht unterliegt und ich meinen Namen nicht nennen muss“

Ein Inhaftierter:„Ich finde das Angebot sehr gut und hilfreich,

es sollte auch in NRW eingeführt werden. Wäre ich länger in B.(in der JVA) geblieben,

hätte ich mir mit Sicherheit was angetan, keiner hatte ein offenes Ohr

und niemand hat sich gekümmert“

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