Leitlinien in der Rheumatologie—wie weit sind wir?

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H.-I. Huppertz Leitlinien in der Rheumatologie– wie weit sind wir?

Z Rheumatol 64:351–352 (2005)DOI 10.1007/s00393-005-0653-4

ZfR

h653

QUALITÄTSSICHERUNG

Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz ())Prof.-Hess-KinderklinikKlinikum Bremen-MitteSt.-Jürgen-Straße28205 Bremen, GermanyE-Mail: huppertz.bremen@t-online.de

Leitlinien sind „systematisch ent-wickelte Entscheidungshilfen überdie angemessene ärztliche Vor-gehensweise bei speziellen gesund-heitlichen Problemen“. Leitliniensind Orientierungshilfen im Sinnevon „Handlungs- und Entschei-dungskorridoren“, von denen inbegründeten Fällen nicht nur ab-gewichen werden kann, sondernsogar anders entschieden werdenmuss [1, 2]. Leitlinien können eineHilfe für den behandelnden Arztsein, sein Vorgehen bei einem Pa-tienten zu begründen, sie könnenaber auch Hinweise für Politiker,Verwaltungs- und Ministerial-Be-amte und Krankenkassen geben,wo der Mindeststandard in der Be-treuung eines Patienten liegt, derin jedem Falle zu bezahlen ist.Leitlinien sind juristisch nicht ein-

klagbar, der Arzt sollte aber be-gründen, warum er im Einzelfallvon den Leitlinien abgewichen ist.

Die Arbeitsgemeinschaft Kin-der- und Jugendrheumatologiehat sich der Herausforderung,Leitlinien für rheumatische Er-krankungen im Kindes- und Ju-gendalter zu formulieren, gestelltund die ersten 10 Leitlinien imSeptember 1999 veröffentlicht,weitere 3 Leitlinien folgten im Jah-re 2001. In diesen Leitlinien wur-den sowohl Symptome (UnklaresFieber, Schmerzen am Bewegungs-apparat) als auch das Vorgehen beikinderrheumatologischen Erkran-kungen dargestellt, zum Teil auchmit Algorithmus: Septische Ar-thritis/Osteomyelitis, Infekt-asso-ziierte Arthritiden, Juvenile chro-nische/rheumatoide Arthritis, Ju-venile Spondylarthropathie, Kolla-genosen, Vaskulitiden, Fieber un-klarer Genese, Rheumatische Iri-dozyklitis, Schmerzverstärkungs-syndrome sowie hereditäre Fieber-syndrome. Insgesamt waren fast 30Autoren beteiligt, die in einer klei-neren Gruppe jeweils eine Leitlinieerarbeiteten und in der großenGruppe alle Leitlinien kommen-tierten.

Die Veröffentlichung erfolgtezusammen mit anderen Leitliniender Deutschen Gesellschaft fürKinder- und Jugendmedizin [3].

Damit sind die aktuellen Leit-linien der Kinder- und Jugend-

rheumatologie als Leitlinien derStufe 1 anzusehen, Meinungen ei-ner Expertengruppe. Die Arbeits-gemeinschaft Kinder- und Ju-gendrheumatologie hat sich ent-schlossen, zumindest einige dervorhandenen S1-Leitlinien auf dieStufe S2 anzuheben, bei der eineformale Konsensusfindung, nomi-naler Gruppenprozess oder Del-phimethode, Voraussetzung ist.Bei diesen Leitlinien muss auchder Evidenzgrad anhand der vor-handenen Literatur angegebenwerden. In die Entscheidungsfin-dung sind Elternvertreter, Vertre-ter paramedizinischer Berufe undandere, insbesondere auch kriti-sche Stimmen, mit einzubeziehen.

Schwer zu erreichen sind Leit-linien der Stufe 3, bei der im for-malen Konsensusprozess eine lo-gische Analyse mit Ausbildung ei-nes klinischen Algorithmus erfol-gen muss. Es muss eine Entschei-dungsanalyse auf allen Stufendurchgeführt werden und eineOutcomeanalyse vorhanden sein.Aufgrund der hohen Anforderun-gen an Leitlinien der Stufe S3 be-darf es meist eines hauptamtli-chen Monitors, der die Leitlini-enerstellung methodisch sauberüber einen Zeitraum von mindes-tens einem Jahr begleitet.

Eine wissenschaftliche Arbeits-gemeinschaft wie die Arbeits-gemeinschaft Kinder- und Jugend-rheumatologie ist mit den be-

352 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 64, Heft 5 (2005)© Steinkopff Verlag 2005

grenzten personellen und ins-besondere finanziellen Ressourcenalleine nicht in der Lage, Leitliniender Stufe S3 auszuarbeiten.

Ein weiterer wesentlicher Punktist die Aktualität von Leitlinien,weshalb diese in regelmäßigen Ab-ständen überarbeitet und erneuertwerden müssen, insbesondere imLichte neuerer Literatur und ande-rer verbesserter Erkenntnisse derVersorgung. Die Leitlinien der Ar-beitsgemeinschaft Kinder- und Ju-gendrheumatologie werden zurzeitüberarbeitet.

Die Deutsche Gesellschaft fürRheumatologie hat sich mit ihrer

Kommission für Qualitätssiche-rung bereits frühzeitig entschlos-sen, zum Qualitätsmanagemententsprechende Empfehlungen he-rauszugeben [4]. Die darin nieder-gelegten Empfehlungen sind je-doch nicht im eigentlichen Sinneals Leitlinien anzusprechen. Des-halb hat die Deutsche Gesellschaftfür Rheumatologie eine Leitliniezum „Symptom Gelenkschwel-lung/primärärztliches Problem-management und Überweisungs-indikation“ herausgegeben [5].

Die Leitlinie enthält neben ei-nem klar gegliederten Text einenAlgorithmus bei Gelenkschwel-

lung und einen Anhang mit Defi-nitionen. Sie stellt eine sehr gutgemachte Leitlinie der Stufe 1 dar.

Angesichts der Bedeutung, dieLeitlinien für die Akzeptanz einerwissenschaftlichen Gesellschaftbzw. eines wissenschaftlichen Ge-bietes in der wissenschaftlichenund öffentlichen Diskussion ha-ben, wäre es für die deutscheRheumatologie und die DeutscheGesellschaft für Rheumatologiegünstig, in einem breiten Konsensweitere Leitlinien der Stufe 1 zuentwickeln und zumindest einigedieser Leitlinien zur Stufe 2 wei-terzuentwickeln.

Literatur

1. Bundesärztekammer, KassenärztlicheBundesvereinigung (1997) Beurteilungs-kriterien für Leitlinien in der medizi-nischen Versorgung. Deutsches Ärzte-blatt 94:A2154–2155

2. Arbeitsgemeinschaft der wissenschaft-lichen medizinischen Fachgesellschaf-ten (2001) Das Leitlinienmanual. Zeit-schrift für ärztliche Fortbildung undQualitätssicherung 95(Suppl 1):S1–S84

3. Deutsche Gesellschaft für Kinderheil-kunde und Jugendmedizin (1999) Leit-linien Kinderheilkunde und Jugend-medizin. Kapitel H: Rheumatologie.Urban und Fischer, München

4. Deutsche Gesellschaft für Rheumatolo-gie, Kommission für Qualitätssicherung(1995) Qualitätssicherung in der Rheu-matologie, Steinkopff, Darmstadt

5. Deutsche Gesellschaft für Rheumatolo-gie (2000) Symptom Gelenkschwellung/primärärztliches Problemmanagementund Überweisungsindikationen. Z Rheu-matol 59:151–161

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