ments Wismut, Ein stabiles Nuklid weniger - pro-physik.de · Fällen bestehen die Kalorimeter aus...

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�Ein stabiles Nuklid wenigerDas schwerste bislang als stabil ein-gestufte Isotop 209Bi ist radioaktivund instabil bezüglich Alpha-ZerfallSeit der Entdeckung der Radioakti-vität durch Becquerel (1896) unter-scheidet man stabile und instabileIsotope. Auf der bekannten Karls-ruher Nuklidkarte sind die stabilenIsotope durch schwarze Quadratedargestellt, die instabilen je nachZerfallsart durch rote und blaue(Beta-Zerfall), gelbe (Alpha-Zer-fall) oder grüne Quadrate (sponta-ne Kernspaltung). Als schwerstesstabiles Nuklid in dieser Darstel-lung war bisher das einzige natür-lich vorkommende Isotop des Ele-

ments Wismut, 209Bi, ausgewiesen.Zwar wurde schon länger vermutet,dass 209Bi instabil sein könnte, daaufgrund der bekannten Werte fürden Massenüberschuss von 3,137MeV der Kern 209Bi unter Emissioneines a-Teilchens in 205Tl übergehensollte. Der experimentelle Nachweisdafür blieb jedoch bisher aus, zumeinen deswegen, weil wegen der ge-ringen Alpha-Energie und der des-wegen verschwindend kleinen Tun-nelwahrscheinlichkeit durch dieBarriere aus Zentrifugal-, Coulomb-und Kernpotential eine extrem lan-ge Lebensdauer erwartet wird, undzum anderen, weil die Reichweiteder a-Teilchen von weniger als 10mm deren Nachweis mit konventio-nellen Detektoren wie z. B. Halb-leiterzählern geradezu unmöglichmacht.

Durch Zufall gelang es nun einerfranzösischen Arbeitsgruppe unterLeitung von Pierre de Marcillacvom Institut d’Astrophysique Spa-tiale der Universität Paris Sud, dievom Isotop 209Bi ausgesandte Al-pha-Strahlung eindeutig zu regis-trieren und aus der Häufigkeit derauftretenden Ereignisse die Halb-wertszeit zu bestimmen [1]. Sie ver-wendeten dazu ein so genanntesTieftemperatur-Kalorimeter, wie esseit langem in Experimenten einge-setzt wird, die nach Dunkler Mate-rie im Kosmos suchen, speziellnach Weakly Interacting MassiveParticles, kurz WIMPS. Zu diesenExperimenten gehören neben demfranzösisch-spanischen ROSEBUD-Experiment (Rare Objects Searchwith Bolometers Underground) ineinem Tunnel unter den Pyrenäen,an dem Pierre de Marcillac beteiligtist, auch das deutsch-italienisch-bri-tische CRESST-Experiment (Cryo-genic Rare Event Search with Su-perconducting Thermometers) imGran-Sasso-Labor [2]. In beidenFällen bestehen die Kalorimeter auseinem szintillierenden Kristall, deres ermöglicht, sowohl die bei einemTeilchenzerfall deponierte Wärmeals auch das dabei erzeugte Licht zudetektieren. Das besondere an demROSEBUD-Detektor ist nun, dassals Szintillator ein BGO-Kristall(Bi4Ge3O12) verwendet wird, derdurch seinen Anteil an dem nun-mehr als radioaktiv ausgewiesenenIsotop 209Bi zugleich als Probe fun-giert (Abb. 1). Der Detektor wurdebei einer Temperatur von 20 mKbetrieben, um niederenergetische a-Teilchen und Restkerne möglichsteffektiv von hochenergetischen und

hochionisierenden Photonen undTeilchen aus der kosmischen Strah-lung diskriminieren zu können.Während bisher von den WIMPSnoch keine Spur zu entdecken war,gibt es jetzt das zitierte überra-schende kernphysikalische Ergeb-nis. Die hohe Empfindlichkeit desDetektors ermöglichte die Messungdes Alpha-Zerfalls von 209Bi sogarebenerdig im Labor in Orsay.

Indem sowohl die vom a-Teil-chen und dem Restkern deponierteWärme als auch das dabei erzeugteLicht detektiert wird, erhalten dieAutoren eindeutig die beim radio-aktiven Zerfall freigesetzte Energie.Aus der vollständig nachgewiese-nen gesamten kinetischen Energieder freiwerdenden niederenergeti-schen Alpha-Strahlung (Ea =3,077 MeV) und der Rückstoß-energie des Tochterkerns Tl (ETl =60 keV) lässt sich ein beeindrucken-des Spektrum rekonstruieren(Abb. 2). In einer Messzeit von nurfünf Tagen gelang es, 128 Zerfällezu beobachten. Dieser experimen-telle Befund wurde von derselbenGruppe durch Einsatz eines zwei-ten BGO-Kalorimeters mit unter-schiedlichem 209Bi-Gehalt verifi-ziert.

Aus der Intensität unterhalb derLinie im Alpha-Spektrum bei einerEnergie von E = (3,137 ± 1 ± 2) keV– wobei der erste Fehler der statisti-sche und der zweite der systemati-sche ist – ergibt sich die Halbwerts-zeit von 209Bi zu T1/2 = (1,9 ± 0,2)× 1019 Jahren, das ist etwa eineMilliarde Mal das Alter des Univer-sums! Damit ist nicht mehr 209Bi,sondern der doppelt magische Kern208Pb der schwerste stabile, in derNatur vorkommende Kern. Solltees wieder eine Neuauflage derKarlsruher Nuklidkarte geben, somüsste das bisher tiefschwarze209Bi-Quadrat als Zeichen dafür,dass 209Bi nach irdischen Maßstä-ben als quasi-stabil zu betrachtenist, schwarz-gelb dargestellt wer-den.

Harald Genz und Achim

Richter

[1] P. de Marcillac, N. Coron, G. Dam-bier, J. Leblanc und J.-P. Moalic,Nature 422, 876 (2003)

[2] J. Jochum und F. von Feilitzsch,Phys. Blätter, März 2000, S. 65)

Physik Journal2 (2003) Nr. 616

Im Brennpunkt

Dr. Harald Genz undProf. Dr. AchimRichter, Institut fürKernphysik, Techni-sche UniversitätDarmstadt, Schloss-gartenstraße 9,64289 Darmstadt

Abb. 1:Herzstück des Experiments ist ein runderBGO-Kristall (Durchmesser 2 cm), der anfeinen Drähten aufgehängt ist (rechts).Die beim Alpha-Zerfall eines 209Bi-Isotops deponierte Energie erwärmt denKristall, dessen Temperaturänderunggemessen wird. Das Szintillationslichtfällt auf eine nur 100 mmm dünne Germa-nium-Scheibe (links), deren Temperatur-erhöhung ebenfalls gemessen wird.

Abb. 2:Die Spannung am Szintillationsdetektor als Funktion der aa-Teil-chen-Energie wird dominiert von der Linie einer 241Am-Quelle,die zur Kalibrierung verwendet wird und leicht mit den Isoto-pen 233U, 220Rn und 212Po kontaminiert war. Diese Nuklide sindalle aa-instabil. Das Inset links oben zeigt eine nahezu unter-grundfreie Linie bei 3,137 MeV, die auf Grund der Eichung derbeim Alpha-Zerfall von 209Bi freiwerdenden Energie zugeordnetwerden kann.

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