Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern und ... · PDF fileA6 - Fachabteilung...

Autor A6 - Fachabteilung Gesellschaft

Fachtagung #unantastbar Prävention von sexualisierter Gewalt an

Kindern und Jugendlichen – wahrnehmen und handeln

Autor A6 - Fachabteilung Gesellschaft

Thomas Schlingmann Buben und Burschen als

Opfer sexualisierter Gewalt

#unantastbar

Buben und Burschen

als Opfer sexualisierter Gewalt

Fachtagung #unantastbar 17./18.10. 2016, Graz

Thomas Schlingmann

mail@tauwetter.de

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Vorstellung Thomas Schlingmann •! seit Kindheit mit dem Thema sex. Gewalt

konfrontiert, seit Anfang 90er mit der Frage der Bearbeitung beschäftigt

•! 1995 Mitbegründer von Tauwetter, Anlaufstelle für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, Berlin

•! Traumafachberater, Psychologe •! Forschung, Fachbeirat UBSKM, BLAG

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Ablauf •! Begriffe

•! Ausmaß, Formen

•! Täter(_innen)

•! Besonderheiten

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Begriffe

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Verschiedene Begriffe A+,*2+/0,-'*%(+",%)90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,'' •! Sexualisierte Gewalt

•! Sexueller Missbrauch

•! Sexuelle Übergriffe

•! Sexuelle Grenzverletzungen

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Sexuelle Grenzverletzungen A+,*2+/0,-'*%(+",%)90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

•! Unangemessenes Verhalten, in Form der Verletzung einer Grenze

•! Unbeabsichtigt oft aufgrund Wissens- oder persönlichen Defiziten (z.B. keine Ahnung von der Notwendigkeit der Wahrung von Schamgrenzen oder kein Empfinden für diese), erfordert Möglichkeit zu lernen.

•! Oder beabsichtigt, Teil von Täterstrategie

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Sexuelle Übergriffe A+,*2+/0,-'*%(+",%)90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

•! Basieren auf eine grundlegenden Missachtung gegenüber den Opfern

•! Respektlosigkeit drückt sich in Haltung und dann in Handlungen aus

•! Handlungen sind nicht zufällig, sondern Resultat dieser Haltung, zwangsläufig

•! Teilweise gezielt als Steigerung im Rahmen einer Täterstrategie

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Sexueller Missbrauch A+,*2+/0,-'*%(+",%)90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

•! Strafbare Handlungen „gegen die sexuelle Integrität“, an Unmündigen, Jugendlichen, Wehrlosen, sex. Nötigung, Vergewaltigung !)

•! Wissen um Strafbarkeit, deshalb Geheimhaltung ! Täterstrategien

•! Beabsichtigte Handlung •! Täter(_in) sucht Gewinn aus Erniedrigung

des Opfers

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Sexualisierte Gewalt A+,*2+/0,-'*%(+",%)90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

•! (Sexuelle) Gewalt = Handlung, die körperlich oder seelisch „verletzt“ ! Situation des Opfers ist im Blick

•! Unterteilung Grenzverletzung, Übergriff, Missbrauch / Straftat guckt von außen und stärker auf Täter(_in), ermöglicht gezieltes Eingreifen

•! Nicht jede Grenzverletzung wird vom Opfer als sexuelle Gewalt erlebt.

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Ausmaß und Formen

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Häufigkeiten A+,*2+/0,-'72-4+82'-'./012)34+/%#)!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

Dunkelfeldstudien: Ca. 3% bis 16% aller Männer waren als Minderjährige von sexuellem Missbrauch betroffen. (Finkelhor 1994, Bange 2007)

Das entspricht zwischen 174.000 und 653.000 Männer in Österreich. (Zum Vergleich: An der Volkskrankheit Diabetes sind 8,9% der Bevölkerung erkrankt, also ca. 387.000 Männer.)

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Formen sexuellen Missbrauchs A+,*2+/0,-'72-4+82'-'./012)34+/%#)!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

Altersverteilung Dunkelfeld

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

!"1–6

Lebensjahre 8%

!"7–9 Lj.

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Lj. 34%

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Lj. 35%

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Orte sexuellen Missbrauchs A+,*2+/0,-'72-4+82'-'./012)34+/%#)!=/24>?+,,2,@'72&#,624"2+/2,''

Buben & Burschen Mädchen

innerfamiliär 15-20% 25-33%

Sozialer Nahbereich 50-60% 40-50%

Fremdtäter 20-25% 20-25%

(Bange, 2007)

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Täter(_innen)

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Täter(_innen) A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'56&%+78"##%#@'72&#,624"2+/2,''

Sexueller Missbrauch: •!80-90% männliche Täter •!10-20% weibliche Täterinnen Sexualisierte Gewalt: 30% durch Minderjährige, gleichaltrige Peers, ältere Kinder und Jugendliche.

(Bange, 2007)

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Jugendliche Täter(_innen) A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'56&%+78"##%#@'72&#,624"2+/2,'' Zwei Drittel der jugendlichen Missbraucher

(-innen) sehen Sexualität nicht als Ausdruck der Liebe und Zuneigung zu einer anderen Person. Für sie ist Sexualität ein Weg, andere zu verletzen, zu erniedrigen, zu bestrafen, Ärger und Wut abzubauen und sich mächtig zu fühlen.

(Enders, 2001)

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Täterinnen A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'56&%+78"##%#@'72&#,624"2+/2,'' Gibt es in allen gesellschaftlichen Schichten.

Üben alle Formen sexualisierter Gewalt aus, auch brutal sadistische. Missbrauchen in ihrem Machtbereich, d.h. tendenziell öfter gegen jüngere Kinder, innerfamiliär und im Nahbereich. Keine fehlgeleitete Liebe sondern Selbstaufwertung durch Herabsetzung

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Werden die betroffenen Buben selber zu Tätern?

A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'56&%+78"##%#@'72&#,624"2+/2,'' Längsschnittstudien zeigen: Die allermeisten

Betroffenen sexuellen Missbrauchs werden nicht zu Tätern. (Widom 1995, Salter et al 2003)

Viele Sexualstraftäter(-innen) behaupten zwar Opfer sex. Missbrauchs gewesen zu sein, das hält einer Überprüfung aber nicht stand!

(Hindman & Peters, 2001)

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Alles „Pädophile“? A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'56&%+78"##%#@'72&#,624"2+/2,''

Problem ist nicht Minderheit der „Pädophilen“ •!Existenz einer unabänderlichen Präferenz-störung „Pädophilie“ ist umstritten Problem sind „normale“ Täter(_innen) •!Größte Täter(_innen)gruppe •!Verübt am meiste sex. Gewalt •!Motiv Selbstaufwertung durch Herabsetzung

(vgl Schlingmann 2015)

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Besonderheiten

A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)'

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Wahrnehmungsblockaden A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)' Umfeld nimmt betroffene Buben & Burschen

kaum wahr: Am ehesten werden sie noch gesehen, wenn sie klein sind, je mehr sie sich dem Mann-sein nähern, desto weniger werden sie als verletzungsanfällig gesehen. Männliche Betroffene bekommen weniger Unterstützung angeboten.

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Die Lage der Buben & Burschen A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)'

Sie erleben unausgesprochen Erwartungen ihres Umfeldes. Wenn sie vorsichtige Andeutungen machen, werden sie ignoriert. Wenn sie Klartext reden, wird bagatellisiert. Wenn sie Gehör finden, bekommen sie noch lange nicht Hilfe. Das ist bei Personen im Hilfesystem leider oft nicht anders! (vgl. Scambor et al 2016)

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Männlichkeit und sex. Gewalt A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)' Insbesondere betroffene Burschen aber auch

schon Buben befürchten nach sex. Gewalt nicht mehr männlich zu sein (bzw. ein Mann werden zu können). Sie versuchen die Gewalt ungeschehen zu machen durch Verstecken, Umdeuten, Ignorieren, Kompensieren (vgl. Schlingmann 2010, Mosser 2009)

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Homosexualität A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)'

Viele Burschen und Buben befürchten durch die sexualisierte Gewalt schwul zu werden: •!kein richtiger Mann im Männerkörper •!homosexuell. Die sexuelle Orientierung ist kein Ergebnis sexualisierter Gewalt. Umgekehrt: Viele homosexuellen Burschen oder prähomosexuellen Buben erleben wegen ihrer Orientierung sex. Gewalt.

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Sex. Gewalt und sex. Erregung A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)' Ca. 30% aller Buben oder Burschen erleben

während der sexualisierten Gewalt eine sex. Erregung, eine Erektion oder eine Ejakulation.

(Bange & Deegener 1996, Kloiber 2002)

Dies sind körperliche Reaktionen, die nicht bedeuten, dass die Betroffenen die sexualisierte Gewalt gewünscht haben.

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Fazit A+,*2+/0,-'72-4+82'90&$%:;'<#4$2,'!=/24>?+,,2,@'*%.4#9%+:%"&%#)' Männliche Betroffene sexualisierter Gewalt

müssen gesehen werden. Ihr Leid und ihre Überlebensleistung müssen anerkannt werden. Ihnen muss gendersensible Unterstützung angeboten werden. Sie dürfen nicht auf das Opfer-gewesen-sein reduziert werden.

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Kontakt, Nachfragen: mail@tauwetter.de

Weitere Informationen:

www.tauwetter.de

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