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Stereochemie und Stereoselektive Synthese
OC 09
2
Inhalt1.
Strukturen und Isomerie
1.1.
Konstitution und Konstitutionsisomere1.2.
Konfiguration und Konfigurationsisomere
1.2.1.
Konfiguration von Doppelbindungen1.2.2.
Konfiguration von Ringsystemen
1.2.3.
Konfiguration von stereogenen
C-Atomen1.2.4.
Konfiguration von Molekülen mit mehreren stereogenen
C-Atomen
1.2.5.
Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsachsen1.2.6.
Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsebenen
1.3.
Konformation
und Konformationsisomere1.3.1.
Konformationen
acyclischer
Moleküle
1.3.2.
Konformationen
cyclischer
Moleküle1.4.
Zusammenfassende Klassifikation von Isomeren
2.
Analytik von Stereoisomeren2.1.
Analytik von Diastereomeren
2.2.
Enantiomeranalytik
und Racematspaltung2.2.1.
Analytik von Enantiomeren
in chiraler
Umgebung
2.2.2.
Trennung von Enantiomeren
durch Überführung in Diastereomere2.2.3.
Enantiomeranalytik
mittels NMR-Spektroskopie
2.2.4.
Konfigurationsbestimmung mittels NMR-Spektroskopie2.2.5.
Optische Rotationsdispersion, Circulardichroismus
und Cotton-Effekt
3
3.
Prochiralität
und Heterotopiekonzept3.1
Prochirale
sp3-hybridisierte C-Atome
3.2.
Prochirale
sp2-hybridisierte C-Atome3.3.
Heterotopiekonzept
3.3.1.
Enantiotope
und diastereotope
Gruppen3.3.2.
Enantiotope
und diastereotope
Seiten
3.3.3.
Eigenschaften von homotopen, enantiotopen
und diastereotopen
Gruppen und Seiten
4.
Grundlagen der Stereoselektiven Synthese4.1.
Selektivität
4.1.1.
Chemoselektivität4.1.2.
Regioselektivität
4.1.3.
Stereoselektivität4.1.4.
Stereospezifität
4.1.5.
Klassifikation stereoselektiver Reaktionen nach Izumi und Tai4.2.
Ursachen der Selektivität
4.2.1.
Kinetische und thermodynamische Kontrolle4.2.2.
Kinetische und thermodynamische Kontrolle bei stereoselektiven Reaktionen
4.3.
Möglichkeiten der EPC-Synthese4.3.1.
Chiral
Pool Synthesen
4.3.2.
Chirale
Auxilliare4.3.3.
Chirale
Reagenzien
5.
EPC-Synthese
4
4.3.4.
Chirale
Katalysatoren4.4.
Nicht-Lineare Effelte
4.5.
Kinetische Racematspaltung4.5.1.
Kinetische Racematspaltung
4.5.2.
Parallele Kinetische Racematspaltung4.5.3.
Dynamische Kinetische Racematspaltung
5.
Enantioselektive
Synthese von Alkoholen5.1.
Addition von Organometallverbindungen
an Aldehyde
und Ketone
5.2.
Enantioselektive
Oxidation5.3.
Enantioselektive
Hydroborierung
von Alkenen
5.4.
Enantioselektive
Reduktion von Carbonylverbindungen6.
Enantioseletive
Synthese von Epoxiden
6.1.
Epoxidierung
von elektronenreichen Dobis6.2.
Epoxidierung
von Enantioselektiven
Dobis
7.
Enantioselektive
Aldolreaktionen7.1.
Aldolreaktioj
mit chemiralem
Auxilliar
7.2.
Aldolreaktion
mit chiralem
Katalysator
5
5.1.4.
Hydroxysäuren5.2.
Chirale
Auxilliare
und Liganden
für Metallkatalysatoren
5.2.1.
Aminosäuren5.2.2.
Terpenoide
5.2.3.
Alkaloide5.2.4.
Kohlenhydrate
5.2.5.
Nicht-natürliche Chirale
Auxilliare6.
Stereoselektive Synthese von Alkoholen und Epoxiden
7. Stereoselektive Synthese von Aminen und Aminosäuren
6
Literatur1)
E. L. Eliel, S. H. Wilen, L. N. Mander, Stereochemistry of Organic Compounds, Wiley-VCH, 1994; DIE Bibel der Stereochemie,
gibt´s
auch auf deutsch als abgespeckte Version, Wiley-VCH
20022) Hauptmann/Mann, Stereochemie
Spektrum-Verlag, 19963) Hellwich, Stereochemie
Springer-Verlag, 2007Hellwich, Übungen zur StereochemieSpringer-Verlag, 2007
4) Nogradi, Stereoselective
Synthesis,Wiley-VCH, 1997
5) R. E. Gawley, J. Aube, Principles of Asymmetric Synthesis,Elsevier, 1996
6) Lin/Li/Chan, Principles and Applications of Asymmetric SynthesisWiley, 2001
7) M. Christmann, S. Bräse, Asymmetric Synthesis –
The EssentialsWiley-VCH
20088) H. D. Scharf, H. Buschmann, Stereochemie in der Organischen Synthese
Books
on Demand, 20009)
E. M. Carreira, L. Kvaerno, Classics in Stereoselective
Synthesis, Wiley VCH, 1. Aufl. 200910)
C. Wolf, Dynamic
Stereochemistry
of Chiral
Compounds
RSC Publishing
200811)
P. J. Walsh, M. C. Kozlowski, Fundamentals of Asymmetric
Catalysis
University Science Books
2009
7
1. Strukturen und Isomerie•
Welche Angaben muss man machen, um eine Organische Verbindung exakt zu beschreiben?
•
Summenformel
•
Man erhält die Summenformel einer Verbindung aus Elementaranalyse + Molmasse oder aus hochaufgelösten
Massenspektren (Masse des
Molekülpeaks
auf mindestens vier Nachkommastellen).
•
Konstitution
•
Die Konstitution einer Verbindung lässt sich aus verschiedenen Spektren der Verbindung abgeleitet werden (NMR, MS mit Fragmentpeaks, IR, UV)
•
Konfiguration
•
Die Konfiguration einer Verbindung kann z. T. spektroskopisch oder auch durch Synthese ermittelt werden.
•
Konformation
•
Die Konformation
einer Verbindung kann z. T. spektroskopisch oder durch Molecular
Modelling-Methoden
ermittelt werden.
8
1.1.
Konstitution und Konstitutionsisomere•
Moleküle mit gleicher Summenformel, aber unterschiedlicher Struktur (äußert sich in unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften) nennt man Isomere
(grich. isos
bedeutet „gleich“, meros
bedeutet „Teil“, Isomere
sind also „aus gleichen Teilen zusammen- gesetzt“. (Berzelius
1830)
•
1824 beschieb Liebig eine Verbindung mit der Summenformel CHNO als sehr instabile Verbindung, deren Silber-
und Quecksilbersalz explosiv
sind. 1825 beschieb Wöhler eine Verbindung mit der Summenformel CHNO, deren Silber-
und Quecksilbersalz stabil ist. Der Streit beider
Chemiker um die richtige Summenformel führte zur Entdeckung der Isomerie.
•
Welche Isomere
der Summenformel CHNO sind denkbar?
C N OH“”
C N O“
H”
N C OH
N C OH
Knallsäure
Cyansäure
Isoknallsäure
Isocyansäure
9
•
Knallsäure, Isoknallsäure, Cyansäure
und Isocyansäure
unterscheiden sich durch die Verknüpfung der Atome im Molekül. Die Verknüpfung der Atome im Molekül nennt man Konstitution.
•
Moleküle mit gleicher Summenformel, aber unterschiedlicher Konstitution, nennt man Konstitutionsisomere.
•
Konstitutionsisomere
sind grundsätzlich verschiedene Moleküle mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften.
•
Physikalische Eigenschaften: Schmelzpunkt, Siedepunkt, Dampfdruck, Brechungsindex, Farbe, Viskosität, Löslichkeit
•
Chemische Eigenschaften: Reaktivität gegenüber anderen Verbindungen, pKS
-Werte, Bildungsenergie,
•
Mit zunehmender Zahl von C-Atomen steigt die Zahl der möglichen Konstitutionsisomere
stark an.
•
C10
H22
: 75; C20
H42
: 366.319; C25
H52
: 36.797.580; C40
H82
: 60.491.178.805.831
•
C6
H6
: theoretisch 271, wovon aber einige nicht stabil sind.
10
•
Konstitutionsisomere
Alkohole:
CH4
O C2
H6
O C3
H8
O C4
H10
O C5
H12
O C6
H14
O 1 1 2 4 8 17
•
Konstitutionsisomere
kann man weiter unterteilen, wobei es zwischen den Unterklassen teilweise Überschneidungen gibt.
•
Kettenisomere
treten ab 4 C-Atomen auf.
n-Butan iso-Butan
n-Pentan iso-Pentan
neo-Pentan
•
Stellungsisomere
(=Positionsisomere
= Regioisomere) unterscheiden sich durch die Stellung von Substituenten
oder funktionellen Gruppen im
Molekül.
OHOH OH
OH
n-Butanol sec-Butanol iso-Butanol
tert.Butanol
wichtig: o-, m-, und p-disubstituierte
Aromaten
11
•
Funktionsisomere
unterscheiden sich durch funktionelle Gruppen.
OH
O
O
H
O
H3C O
O
H OCH3
O
HO
OH
•
Tautomere
unterscheiden sich durch die Stellung von Wasserstoff- atomen
im Molekül. Üblicherweise stehen Tautomere
im Gleichgewicht
miteinander.
O OH
N NR R H
HN O
NO H
HN
O
O HO ”
“N
O ”“
12
•
Valenzisomere
gehen nur durch Verschieben von C-C-Einfachbindungen und C=C-Doppelbindungen
ineinander über (keine Wanderung von H-
und/oder C-Atomen).
..... Bullvalen
O O
Norcaradien
Tropyliden
Benzoloxid Oxepin
Prisman Benzvalen
Tectadien
Bicyclopropenyl
Benzol
13
1.2.
Konfiguration und Konfigurationsisomere•
1874 berichtete van´t
Hoff darüber, dass man Strukturen organischer
Verbindungen zwanglos erklären kann, wenn man annimmt, dass Kohlenstoffatome von vier Bindungspartnern tetraedrisch
umgeben sind.
Dann muss man bei C-Atomen, die vier verschiedene Substituenten besitzen, die genaue Anordnung der Substituenten
im Raum angeben,
um die Struktur exakt zu beschreiben. Diese räumliche Anordnung nannte er Konfiguration. Ein C-Atom mit vier verschiedenen Bindungspartnern nannte er asymmetrisches C-Atom. Heute spricht man von stereogenen
C-Atomen
(allgemein: stereogene
Zentren).
•
Moderne Definition: Die Konfiguration
eines Moleküls mit definierter Konstitution beschreibt die räumliche Anordnung der Atome im Molekül.
•
Moleküle mit gleicher Konstitution, aber unterschiedlicher Anordnung der Atome im Raum, nennt man Konfigurationsisomere. Dabei können die Moleküle dreidimensionale oder zweidimensionale Gebilde sein.
•
Konfigurationsisomere
treten auf bei Verbindungen, die stereogene
C- Atome (asymmetrische C-Atome) enthalten oder aus Ringen aufgebaut
sind oder ebene Doppelbindungen besitzen. Diese Aufzählung wird später noch verallgemeinert.
14
1.2.1.
Konfiguration von Doppelbindungen•
Um die Konfiguration von Doppelbindungen zu beschreiben, muss man die räumliche Anordnung der Atome/Substituenten
an der Doppel-
bindung
angeben.
•
Ältere Bezeichnungsweise: cis-Konfiguration
liegt vor, wenn zwei gleiche Substituenten
auf derselben Seite der Doppelbindung liegen. trans-
Konfiguration
liegt vor, wenn zwei gleiche Substituenten
auf den entgegengesetzten
Seiten der Doppelbindung liegen. Cis und trans
kann
man auch verwenden, um die relative Lage zweier beliebiger Substituenten
anzugeben.
COOH COOHHOOC
COOHHOOC COOH
trans-Butendisäure
cis-Butendisäure
trans-Butensäure
cis-Butensäure
Fumarsäure
Maleinsäure Crotonsäure
Isocrotonsäure
15
COOH
COOH
trans-9-Octadecensäure = Elaidinsäure
cis-9-Octadecensaäure = Ölsäure
•
Konfigurationsisomere
treten nicht nur bei C=C-Doppelbindungen
auf, auch z. B. bei C=N-Dopppelbindungen
und N=N-Doppelbindungen.
O
H NH2OHN
H
OH
hν (UV)N
H
HO
HCl (g) NaHCO3N
H
OHH “m.p. 35 °C m.p. 132 °C
•
Wichtig bei Oximen, Iminen
(Schiff´sche
Basen), Hydrazonen, und Azoverbindungen, aber auch bei Enolaten, Enaminen
und Amiden!
16
•
Neue Bezeichnungsweise nach Cahn, Ingold und Prelog
(CIP; Sequenzregel): Man ordnet jedem Substituenten
an der Doppelbindung
eine Rangfolge zu, die sich aus der Ordnungszahl des gebundenen Atoms ergibt. Befinden sich die beiden ranghöchsten Substituenten
der
beiden Atome der Doppelbindung auf derselben Seite, dann liegt Z- Konfiguration vor (Z von zusammen). Liegen die ranghöchsten
Substituenten
auf unterschiedlichen Seiten der Doppelbindung, dann liegt E-Konfiguration vor (E von entgegen).
N
H
OH
HOOC COOH
N
CH3
N
OCH3
E Z E
O”
NH
CH3
“
NH3C
CH3H
CH3
OLi OLi
E E Z E
17
•
Probleme mit der Z/E-Nomenklatur treten bei Ester-Enolaten
auf.
H OLiN
HCH3
O
CH3
LDA
OCH3
O
–78 °CH OLi
N
CH3
H
O
CH3
OLi
OCH3
CH3
OLi
OCH3H3C
ZnCl2 ZnCl2OZnCl
OCH3
CH3OZnCl
OCH3H3C
Streng nach CIP: E-Enolat
Z-Enolat
E-Enolat
Z-Enolat
Masamune: E(O)-Enolat
E(O)-Enolat
Z(O)-Enolat
Z(O)-Enolat
Eliel, Heathcock: trans-Enolat
trans-Enolat
cis-Enolat
cis-Enolat
•
Heute scheint die Masamune-Variante
allgemein akzeptiert. D. h. O-M erhält immer
die höhere Priorität, auch wenn M rangniedriger als C ist.
•
Auch bei Thioester-Enolaten
bekommt O-M die höhere Priorität, obwohl S eine höhere Ordnungszahl als O hat.
Modell zur Deprotonierung
von Carbonyl- verbindungen nach Ireland
18
1.2.2.
Konfiguration von Ringsystemen•
Die Angabe der Konfiguration von Ringsystemen erfordert die dreidimensionale Beschreibung des Rings und die Angabe der Orientierung der Substituenten
relativ zur Ringebene (Hauptebene).
•
Die Stellung der Substituenten
zueinander wird durch die Präfixe cis und trans
beschrieben (nicht Z/E!!!).
R1
R2
R1R1
R2 R2
R1
R2
R1 R1
R2
R2
cis-Konfiguration
R1R2
R1 R1
R2
R2
R1
R2
R1 R1
R2
R2
trans-Konfiguration
19
•
Analoge Verhältnisse liegen bei den anderen Ringsystemen vor.
•
Wichtig bei kondensierten Ringsystemen: die auf den Betrachter zuweisenden Substituenten
werden als β-ständig (oder β-konfiguriert)
bezeichnet, die vom Betrachter wegweisenden Substituenten entsprechend als α-ständig
oder α-konfiguriert. Dabei wird das H oder
der Substituent
am 2. gemeinsamen C-Atom als Referenz genommen.
trans-Decalinsystem
Rβ
αβ
α α
R
β
β
αβα
cis-Decalinsystem
R wird als Referenz festgelegt
•
Diese Art der Konfigurationsangabe wird u.a. bei Steroiden
angewendet.
20
1.2.3.
Konfiguration von Molekülen mit einem stereogenen
C-Atom
Optische Aktivität
•
1811 entdeckte Arago, dass Quarzkristalle die Ebene des linear polarisierten Lichts drehen können. Diese Fähigkeit wurde als optische Aktivität bezeichnet.
•
1815 entdeckte Biot
bei wässrigen Lösungen von Zucker, bei wässrigen Lösungen von Weinsäure und deren Salzen und auch bei Terpentinöl, dass auch organische Verbindungen optisch aktiv sein können.
21
•
Biot
beobachtete bei den untersuchten organischen Substanzen, dass die Größe des Drehwinkels α
von verschiedenen Faktoren abhängt:
1.
Konzentration c der gelösten Substanz (in g/100 ml) 2.
Länge l der durchstrahlten Lösung (Küvettenlänge
in dm)
3.
Wellenlänge λ
des verwendeten Lichts 4.
von der Temperatur T
5.
vom verwendeten Lösungsmittel
•
Um eine substanzspezifische Größe zu erhalten, führte Biot
die Spezifische Optische Rotation
[α]D20
ein (D = Na-D-Linie = 589 nm).
[ ]lcD ⋅⋅
=αα 10020 Biot´sches
Gesetz
•
Eine Substanz ist rechtsdrehend, wenn man den Analysator nach rechts drehen muss, um auf kürzestem Weg zu maximaler Helligkeit zu gelangen. Symbol: (+) (früher: kleines d, führte aber zu Verwechslungen)
•
Eine Substanz ist linksdrehend, wenn man den Analysator nach links drehen muss, um auf kürzestem Weg zu maximaler Helligkeit zu gelangen. Symbol: (−) (früher: kleines l, führte aber zu Verwechslungen)
22
•
Wichtig: man muss zusätzlich zum Wert für [α]D20
auch das Lösungsmittel und die Konzentration angeben!!!
•
Beispiele:
OHH
[α]D20
= +4,8 (c = 0.86, THF)
[α]D20
= +13,0 (c = 1.12, THF)
[α]D20
= −5,2 (c = 1.03, MeOH)
HOOCCOOH
NH2 [α]D20
= +4,4 (c = 0.5, H2
O)
[α]D75
= ±0
(c = 0.5, H2
O)
[α]D94
= −1,9 (c = 0.5, H2
O)
HOOCCOOH
OH
OH
[α]λ25
= +14,2 (c = 10, H2
O); λ
= 578 nm
[α]λ24
= +4,4
(c = 10, EtOH); λ
= 578 nm
[α]λ25
= +0,2 (c = 10, DMF); λ
= 578 nm
[α]λ24
= −9,3 (c = 10, Dioxan); λ
= 578 nm
23
•
Manchmal gibt man statt der spezifischen optischen Rotation auch
die Molare Optische Rotation an.
[ ] [ ]100
2020 MDD ⋅=Φ α M = Molmasse
•
Wichtig: Substanzen, die stereogene
C-Atome enthalten, sind optisch aktiv. Ob eine Substanz linksdrehend oder rechtsdrehend ist, hat
nichts
mit deren Konfiguration zu tun.
•
1848 gelang Pasteur die Trennung von Natriumammoniumtartrat- kristallen
unter dem Mikroskop durch manuelles Auslesen in zwei
Formen. Lösungen dieser getrennten Salze in Wasser drehten die Ebene des linear polarisierten Lichts um denselben Betrag in entgegen gesetzte Richtungen. Ihm fiel zusätzlich auf, dass die getrennten Kristalle spiegelbildliche Formen hatten, die sich nicht zur Deckung bringen ließen. Er bezeichnete diese Kristalle als enantiomorph
(griech. enantios
= Gegenteil und morphos
= Form) und nahm an, dass die enantiomorphen
Kristalle durch enantiomorphe
Moleküle zustande
kommen.
24
Chiralität
und Enantiomere
•
1884 bezeichnete Thomson (später geadelt und fortan Lord Kelvin genannt) Kristalle, die sich nicht mit ihrem Spiegelbild zur Deckung bringen lassen, als chiral
(griech. cheir
= Hand). Chiralität
ist die
Eigenschaft, ein nicht deckungsgleiches Spiegelbild zu besitzen.
•
Der Begriff „Chiralität“
wurde 1965 von Mislow
auf organische Moleküle angewendet und 1966 von Cahn, Ingold und Prelog
fest in das
Stereochemie-Vokabular aufgenommen.
•
Chirale
Moleküle sind asymmetrisch, d.h. sie besitzen keine Symmetrieelemente 2. Art (Spiegelebenen, Inversionszentren und Drehspiegelachsen). Es können jedoch Symmetrieelemente 1. Art auftreten (Drehachsen).
•
Enantiomere
sind Konfigurationsisomere, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, aber nicht zur Deckung zu bringen sind. Es gibt von jedem chiralen
Molekül genau zwei Enantiomere.
•
Enantiomere
sind optisch aktiv. D.h. sie haben betraglich
gleiche spezifische optische Rotation, aber unterschiedlichen Drehsinn.
25
D/L-Nomenklatur nach Emil Fischer
•
Emil Fischer hat sich u.a. intensiv mit der Chemie von Zuckern beschäftigt, u.a. mit der Konfigurationsbestimmung und Synthese von Aldohexosen. Um die Konfiguration von Zuckern in Formeln darstellen zu können, hat er die heute als Fischer-Projektion bezeichnete Darstellungweise
entwickelt.
•
In der Fischer-Projektion wird die Molekülkette vertikal orientiert, so dass das höchst-oxidierte
C-Atom oben steht. Das unterste stereogene
C-
Atom in der Kette bestimmt die Konfiguration des gesamten Moleküls.
•
Für die natürlich vorkommende Glucose bestimmte er die (relative) Konfiguration aller stereogener
C-Atome und ordnete willkürlich die OH-
Gruppe am letzten stereogenen
C-Atom der Kette
rechts von der Kohlenstoffkette an. Diese Anordnung nannte er D-Konfiguration (von lat. dexter
= rechts).
•
Steht die OH-Gruppe am letzten stereogenen
C-Atom
von Zuckern auf der linken Seite der Kohlenstoffkette, dann liegt L-Konfiguration vor (von lat. laevo
= links).
•
Fischer schlug vor, D-Glucose als Bezugssubstanz zur Konfigurations- bestimmung
anderer Verbindungen zu verwenden.
26
•
1906 schlug Rosanoff
vor, Glycerinaldehyd
statt Glucose als Bezugssubstanz zu verwenden.
•
1914 konnte Wohl den Glycerinaldehyd
in die beiden Konfigurations- isomere
(Enantiomere) trennen und zeigen, dass (+)-Glycerinaldehyd
entsprechend der Fischer-Konvention D-Konfiguration hat. Seitdem wurde D(+)-Glycerinaldehyd
einheitlich als Bezugssubstanz für die
Konfigurationsbestimmung von organischen Verbindungen verwendet.
CHOOHH
CH2OHCH2OHH
HO
CHO CHOHHO
CH2OHCH2OHHO
H
CHO
D(+)-Glycerinaldehyd L(−)-Glycerinaldehyd
•
Die Bestimmung von Konfigurationen erfolgte damals auf chemischem Weg. D. h. die Verbindungen wurden in Glycerinaldehyd
umgewandelt
oder in solche, die bereits mit Glycerinaldehyd
korreliert waren, so dass aus dem Drehsinn des erhaltenen Glycerinaldehyds
auf die vorliegende
Konfiguration geschlossen werden konnte.
27
COOH
OH BrNO
COOH
OON hν
COOH
OHON
COOH
OHN
HO
NaHg
COOH
OHH2N
NaNO2
HClCOOH
OHHO
CHOOHH
CH2OH
HgO
•
Beispiel: Welche Konfiguration hat (−)-Milchsäure?
(−)-Milchsäure
(−)-GlycerinsäureD(+)-Glycerin-
aldehyd
COOHOHH
CH3
D(−)-Milchsäure
•
Durch solche Reaktionssequenzen hat man die Konfiguration vieler Verbindungen bestimmt. Die natürlichen Aminosäuren konnten mit L(−)-
Glycerinaldehyd
korreliert werden.
•
Für Aminosäuren wurde daraufhin die Regel zur Konfigurations- bestimmung
modifiziert: steht in der Fischer-Projektion die NH2
-Gruppe auf der linken Seite der Kette, dann liegt L-Konfiguration vor. Dadurch besaßen alle natürlichen Aminosäuren L-Konfiguration.
28
Das Threonin-Problem
•
Die natürliche Aminosäure Threonin
konnte entweder nach der Aminosäure-Konvention oder nach der Zucker-Konvention bezeichnet werden. COOH
H2N HOHH
COOHH2N H
OHH
L-Threonin
D-Threonin(Amniosäurekonvention) (Zuckerkonvention)
•
Dadurch kam es, dass es für natürliches Threonin
in der Literatur zwei Konfigurationsbezeichnungen gab.
•
Dies führte schließlich zur Entwicklung der R/S-Nomenklatur.
•
1951 konnte Bijvoet
(holländischer Chemiker) durch anomale Röntgenbeugung an Na-Rb-Tartrat
die Absolutkonfiguration von (+)-
Weinsäure aufklären. (+)-Weinsäure war bereits mit D(+)- Glycerinaldehyd
korreliert worden, so dass dadurch auch die
Absolutkonfiguration von (+)-Glycerinaldehyd
bekannt war. Zufällig stimmte diese mit der von Fischer willkürlich vorgeschlagenen
Konfiguration überein.
29
R/S-Nomenklatur nach Cahn, Ingold und Prelog
•
Ziel von Cahn, Ingold und Prelog
war es, ein System zur Konfigurations- bezeichnung
zu entwickeln, das unabhängig von Bezugssubstanzen ist.
•
Den Substituenten
an einem stereogenen
C-Atom wird eine Rangfolge zugeordnet, die sich aus der Sequenzregel ergibt.
•
Sequenzregel (vereinfacht): Die Rangordnung eines Atoms, das an ein stereogenes
C-Atom gebunden ist, ist um so größer, je größer seine
Ordnungszahl ist.
•
Konfigurationsbestimmung: Nachdem man die Rangordnungen aller vier Substituenten
bestimmt hat, orientiert man das Molekül so, dass der
rangniedrigste Substituent
vom Betrachter weg weist. Die auf den Betrachter gerichteten Substituenten
bilden einen „Merzedes-Stern“. Man
geht nun vom Substituenten
mit der Rangordnung 1 über denjenigen mit der Rangordnung 2 zu dem Substituenten
mit der Rangordnung 3.
Bewegt man sich dabei im Uhrzeigersinn, dann bezeichnet man die Konfiguration des stereogenen
C-Atoms mit R (lat. rectus
= rechts
herum), bewegt man sich im Gegenuhrzeigersinn, dann liegt S- Konfiguration (lat. sinister = links herum) vor.
30
FHBr
Cl
1
2
34drehen Cl
Br FH
1
2
3R
FBrH
Cl1
2
3
4
drehen Cl
F BrH
1
2
3S
•
Als die Sequenzregel 1951 zum ersten Mal formuliert wurde, waren Substanzen bekannt, die mit der vereinfachten Sequenzregel nicht
klassifiziert werden konnten: a) es gab bereits Moleküle mit mehreren stereogenen
C-Atomen
b) es gab bereits chirale
Moleküle, die keine stereogenen
C-Atome enthalten
c) es gab bereits Moleküle, deren Chiralität
nur auf unterschiedlichen Isotopen beruht
d) es gab bereits Moleküle, deren Chiralität
nur auf unterschiedlichen Konfigurationen konstitutionell gleicher Substituenten
beruht
•
Deshalb musste die Sequenzregel erweitert werden. Zur allgemeinen Anwendung werden Strukturelemente, die dafür verantwortlich sind, dass ein Molekül chiral
ist, als Chiralitätselemente
bezeichnet (manchmal
auch als stereogenes
Element).
31
•
Sequenzregel (erweitert): Die mit einem Chiralitätselement
verknüpften Liganden
werden geordnet, indem man vom Chiralitätselement
ausgehend den aufeinander folgenden Bindungen eines jeden Liganden und an den Verzweigungsstellen der Liganden
den Wegen, die den
betreffenden Liganden
den höchsten Rang erteilen, soweit nachgeht, wie es für vollständiges Ordnen nötig ist, und die Liganden
jedes mal nach
dem Zurücklegen von je einer Bindung vergleicht, wobei man der Reihe nach und soweit notwendig die folgenden Standard-Unterregeln verwendet, und zwar jede weitere nur dann, wenn die erschöpfende Anwendung der vorhergehenden keine Entscheidung ermöglicht hat.
(0)
Das nähere Ende einer Achse hat Vorrang vor dem ferneren Ende einer Achse. Entsprechendes gilt auch für Ebenen.
(1)
Die höhere Ordnungszahl von Atomen hat Vorrang vor der niedrigeren.
(2)
Die höhere Massenzahl hat Vorrang vor der niedrigeren. (3)
Z hat Vorrang vor E.
(4)
Vorrang haben RR oder SS vor RS oder SR; MM oder PP vor MP oder PM; RM oder SP vor RP oder SM; MR oder PS vor MS oder PR; r
vor s. (5)
R hat Vorrang vor S und M hat Vorrang vor P.
32
•
Kompliziertes Beispiel:
H
ClH
Br
H
Br
H
Br
H
HCl
H
F
H
H
H
F
H
ClH
H
I
H H C C
H
ClH
Br
H
Br
H
Br
H
HCl
H
F
H
H
H
F
H
ClH
H
I
H H
1
4
C C
H
Cl C
C
C
C
H
Br
H
Br
H
Br
H
HCl
H
F
H
H
H
F
H
ClH
H
I
H H
1
4
C C
H
Cl C
C
C
C
C
H
BrC
H
Br
H
Br
H
HCl
H
C
F
HC
H
H
F
H
ClH
H
I
H H
1
4
C C
H
Cl C
C
C
C
C
H
BrC
H
Br
H
Br
H
HCl
H
C
F
HC
H
H
F
H
ClH
H
I
H H
1
4
23
C C
Cl
C
C
C
C
C
H
Br CH
Br
H
Br
H
H Cl
H
C
FH
C
H
HF
HCl
H
HI
HH
123
R-Konfiguration
33
1.2.4.
Konfiguration von Molekülen mit mehreren stereogenen
C-Atomen
•
Nach Fischer müsste für jede Substanzklasse mit mehreren C-Atomen eine eigene Bezugssubstanz festgelegt werden ⇒ unpraktisch!
•
Mit Hilfe der Sequenzregel kann unabhängig von der Substanzklasse die Konfiguration jedes einzelnen stereogenen
C-Atoms bestimmt werden.
Moleküle mit n konstitutionell unterschiedlichen stereogenen
C- Atomen (n ≥
1)
•
Beispiel: Hydroxyprolin-Isomere
(nur Konfigurationsisomere!)
N COOH
H
HO
N COOH
H
HO
N COOH
H
HO
N COOH
H
HO
•
Bei 2 konstitutionell verschiedenen stereogenen
C-Atomen gibt es 4 Konfigurationsisomere
(2 Enantiomerenpaare).
34
•
Beispiel: Menthol-Isomere
(nur Konfigurationsisomere!)
(−)-Menthol
(+)-Neomenthol (+)-Isomenthol
(+)-Neoisomenthol
natürliches Menthol
OH OH OH OH
OH OH OH OH
(+)-Menthol (−)-Neomenthol
(−)-Isomenthol
(−)-Neoisomenthol
•
Bei 3 konstitutionell verschiedenen stereogenen
C-Atomen gibt es 8 Konfigurationsisomere
(4 Enantiomerenpaare).
•
Allgemein: bei n konstitutionell verschiedenen stereogenen
C-Atomen gibt es 2n
Konfigurationsisomere.
35
Moleküle mit 2n stereogenen
C-Atomen (n ≥
1), die paarweise konstitutionell gleich sind
•
Beispiel: Weinsäure-Isomere
(nur Konfigurationsisomere!)
HOOCCOOH
OH
OH
HOOCCOOH
OH
OH
HOOCCOOH
OH
OH
HOOCCOOH
OH
OH
Enantiomere
Homomere
= identische Moleküle =
meso-Form
•
Die meso-Weinsäure
besitzt eine Spiegelebene oder ein Inversions- zentrum, ist deshalb also achiral.
•
Analoge Verhältnisse treten auf, wenn man Brom an Fumarsäure
und an Maleinsäure ooder
an Z-
und E-Stilben
addiert.
•
Allgemein: Bei Molekülen mit einer geraden Zahl von konstitutionell gleichen stereogenen
C-Atomen gibt es 2(n-1)
Konfigurationsisomere
und 2(n/2-1)
meso-Formen.
36
•
Auch die Natur produziert meso-Verbindungen, z. B. Myrtucommulon
A
O
OHO
O
OH
OH
HO
O
O OH
O
OHO
O
OH
OH
HO
O
O OH
O
OHO
O
OH
OH
HO
O
O OH
37
Moleküle mit 2n+1 stereogenen
C-Atomen (n ≥
1), wobei n paarweise konstitutionell gleich sind
•
Beispiel: 2,3,4-Trihydroxy-Glutarsäure (nur Konfigurationsisomere!)
COOH
COOH
OHHH OHH OH
R
S
r
COOH
COOH
OHHHO H
H OH
R
S
s
COOH
COOH
HHOH OHH OH
S
S
COOH
COOH
OHHHO HHO H
R
R
Enantiomere Meso-Formen
mit Pseudo-
asymmetriezentrum
Pseudoasymmetriezentrum
Pseudoasymmetriezentrum
38
•
Bei Molekülen mit einer ungeraden Zahl von stereogenen
C-Atomen, wobei immer zwei konstitutionell gleich sind, kann der Fall auftreten, dass das Molekül eine Spiegelebene besitzt, die durch das mittlere C-
Atom hindurchgeht. Solche Konfigurationsisomere
sind meso-Formen und das mittlere C-Atom ist ein Pseudoasymmetriezentrum.
•
Pseudosaymmetriezentren
sind stereogene
C-Atome, durch die eine Spiegelebene geht.
•
Pseudoasymmetriezentren haben vier verschiedene Substituenten, wobei zwei dieselbe Konstitution, aber spiegelbildliche Konfiguration besitzen.
•
Zur Konfigurationsbestimmung von Pseudoasymmetriezentren geht man analog vor wie bei der Konfigurationsbestimmung von Asymmetrie-
zentren, wobei man die Unterregel (5) berücksichtigen muss: R hat Vorrang vor S. Die Konfiguration von Pseudoasymmetriezentren werden jedoch mit kleinen
Buchstaben r und s bezeichnet.
•
Ist n die Zahl der stereogenen
C-Atome (einschließlich Pseudo- asymmetriezentren), dann treten [2(n-1)
−2(n/2-1/2)] Enantiomere
und 2(n/2-1/2)
meso-Formen
auf.
39
N
O
O
OHH
N
O
O
OHH
O
N
O
OO
H+
Br–
•
Beispiele für Moleküle mit Pseudoasymmetriezentren
Atropin
Scopolamin
Buscopan (Medikament gegen Bauchkrämpfe)
RS
RS
RS
40
Moleküle mit abhängigen stereogenen
C-Atomen
•
Abhängige stereogene
C-Atome
sind stereogene
C-Atome, deren Konfiguration man auf Grund struktureller Gegebenheiten nicht unabhängig voneinander ändern kann.
•
Abhängige asymmetrische C-Atome treten of bei polycyclischen Ringsystemen auf.
O
OHO
HO
H
O
CHO
OH
H
•
Durch abhängige stereogene
C-Atome reduziert sich die Zahl der möglichen Konfigurationsisomere
ganz erheblich.
Campher
Mniopetal E Adamantanderivat
CH3
Br
HO
NH2
41
1.2.5.
Konfiguration von Molekülen mit Chiralitäts- achsen
(stereogene
Achsen)
•
Eine Chiralitätsachse
entsteht dadurch, dass man einen Tetraeder streckt.
•
Ein regulärer Tetraeder benötigt vier verschiedene Substituenten, um chiral
zu sein.
•
Ein gestreckter Tetraeder benötigt nur zwei verschiedene Substituenten, damit er chiral
wird.
strecken•
•H
H3CCH3
H
•
Beispiele: Allene, Spiro-Verbindungen, Biphenylderivate, Helices
H
CH3H3C
H
O OH
O2NCH3
COOH
42
Konfigurationsbestimmung für Chiralitätsachsen
•
Nach der Unterregel (0) der Sequenzregel hat das nähere Ende einer Achse Priorität vor dem ferneren Ende einer Achse.
•
Man ordnet den Substituenten
entsprechend der Sequenzregel eine Rangfolge zu und geht analog zur Konfigurationsbestimmung bei stereogenen
C-Atomen vor. Muss man im Uhrzeigersinn umlaufen, dann
liegt R-Konfiguration vor. Muss man im Gegenuhrzeigersinn umlaufen, dann liegt S-Konfiguration vor.
•
Beispiele:
•H
H3CCH3
HH3C H
H
CH3
1 2
3
4
H3C H
CH3
1 2
3
R
•H
H3CCH3
H H
CH3
CH3H
1
234
H
H3CCH3
2
1
3R
43
Konfigurationsbestimmung für Helix-Moleküle
•
Nach der Unterregel (0) der Sequenzregel hat das nähere Ende einer Helix
Priorität vor dem ferneren Ende einer Helix.
•
Kommt man vom vorderen Ende einer Helix
im Uhrzeigersinn zum hinteren Ende einer Helix, dann liegt P-Konfiguration vor (P von „plus“)..
•
Kommt man vom vorderen Ende einer Helix
im Gegenuhrzeigersinn zum hinteren Ende einer Helix, dann liegt M-Konfiguration vor (M von „minus“).
•
Beispiel: Hexahelicen
HH
H
HVon vorn nach hinten in einer Linksschraube ⇒
M-Konfiguration
44
1.2.6.
Konfiguration von Molekülen mit Chiralitäts- ebenen
(stereogene
Ebenen)
•
Eine Chiralitätsebene
ist eine Ebene im Molekül, an der durch Spiegeln des Moleküls das Enantiomer
des Moleküls erzeugt wird.
•
Beispiele: Ansa-Verbindungen, Cyclophane, trans-Cycloalkene,
COOHNO2
H
H
45
Konfigurationsbestimmung für Chiralitätsebenen
•
Man betrachtet zunächst die Atome, die außerhalb der Chiralitätsebene liegen und direkt mit Atomen in der Chiralitätsebene
verbunden sind. Mit
Hilfe der Sequenzregel wird das ranghöchste dieser Atome als Leitatom bestimmt. Von der Seite des Leitatoms wird die Chiralitätsebene
betrachtet (das Leitatom gibt die bevorzugte Seite der Chiralitätsebene an).
•
Dann bestimmt man ausgehend von dem Atom in der Chiralitätsebene, das direkt mit dem Leitatom verbunden ist, die zwei folgenden rang-
höchsten Atome in der Chiralitätsebene. Um vom ranghöchsten Atom zu den beiden nächsten zu gelangen, kann man sich entweder im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn bewegen. Im ersten Fall
liegt
RP
-Konfiguration vor, im zweiten Fall SP
-Konfiguration (P als Index für „planar“).
•
Beispiele:COOH
12
3
CH2
R-Konfiguration
46
COOH
123
RP
-Konfiguration
O
COOH
1 23
SP
-Konfiguration
H
H 1
23
SP
-Konfiguration
H
H
1
2 3
SP
-Konfiguration
47
1.3.
Konformation
und Konformationsisomere•
Molekülteile, die durch Einfachbindungen miteinander verknüpft sind, können gegeneinander verdreht werden.
•
Diese Rotation ist temperaturabhängig!
•
Durch das Verdrehen der Molekülteile ergeben sich theoretisch unendlich viele räumliche Anordnungen der Atome im Raum.
•
Diese räumlichen Anordnungen bezeichnet man als Konformationen
des Moleküls. Moleküle mit festgelegter Konstitution und Konfiguration, die sich nur durch ihre Konformation
unterscheiden, nennt man
Konformationsisomere. Die Umwandlung verschiedener Konformations- isomere
ineinander erfordert das Überwinden von Energiebarrieren.
•
Konformationsisomere, die sich durch ein Energieminimum im Vergleich zu anderen Konformationsisomeren
auszeichnen, nennt man
Konformere. Manchmal findet man die Formulierung: „Konformere sind stabile Konformationsisomere.“
Mit „stabil“
ist hier aber nur relative
Stabilität gemeint. Das bedeutet nicht (unbedingt), dass Konformere isolierbar sind!
48
OH
H3C H
OHH
COOH
H
HO CH3
OHH
COOH
CH3
H OH
OHH
COOHVorderes C-Atomdrehen um 120°
Vorderes C-Atomdrehen um 120°
•
Sind einzelne Konformationen
eines Moleküls durch eine hohe Energiebarriere voneinander getrennt, dann wandeln sich die Konformationsisomere
bei Raumtemperatur nur sehr langsam oder gar
nicht ineinander um.
•
Liegt zwischen den einzelnen Konformationen
eine kleine Energiebarriere, dann findet bei Raumtemperatur eine schnelle Umwandlung der Konformere ineinander statt.
•
Ganz allgemein stehen Konformationsisomere
miteinander in einem dynamischen Gleichgewicht.
•
Konformationen
von Molekülen haben oft unmittelbare Auswirkungen auf Reaktionsverläufe, da viele Reaktionen nur von bestimmten Reaktivkonformationen
aus stattfinden können.
49
•
Zur Bezeichnung von Konformationen
oder der relativen Lage zweier Substituenten
zueinander haben Klyne
und Prelog
die Begriffe
synperiplanar, antiperiplanar, synclinal
und
anticlinal
eingeführt.
sp
+sc
+ac
ap
-ac
-sc
–30° +30°
+90°
+150°–150°
–90°
R1R2
Je nach Größe des Torsionswinkels zwischen zwei Substituenten
bezeichnet
man ihre relative Stellung entsprechend nebenstehendem Diagramm.
Torsionswinkel Bezeichnung
Symbol
-30°
bis +30°
synperiplanar sp
+30°
bis +90°
+synclinal
+sc
(gauche) +90°
bis +150°
+anticlinal
+ac
+150°
bis -150° antiperiplanar
ap
-150°
bis -90°
-anticlinal
-ac -90°
bis -30°
-synclinal
-sc
(gauche)
50
1.3.1.
Konformationen
acyclischer
Moleküle•
Bei acyclischen
Molekülen liegt mehr oder weniger freie Drehbarkeit um
C-C-Einfachbindungen vor.
•
Die Geschwindigkeit der Umwandlung von Konformationsisomeren ineinander hängt von der Höhe der Energiebarriere zwischen den
Konformationsisomeren
ab.
•
Die Lage des Gleichgewichts hängt von den relativen Stabilitäten der Konformationsisomere
ab. Um Konformationsgleichgewichte
zu
untersuchen, muss man daher die relativen Energieinhalte der einzelnen Konformationsisomere
bestimmen (= Konformationsanalyse).
Konformationsisomere
von Ethan
•
Von Ethan existieren eine stabile und labile Konformation
und unendlich viele dazwischenliegende
Konformationen.
H
H H
HH
H
H
H HH
H
H
gestaffelt
auf Lücke
staggered
ekliptisch
auf Deckung
eclipsed
schwarz = vorn rot = hinten
51
Erklärungen für dieses Verhalten
•
Sterische
Hinderung (Van der Waals-Abstoßung
der Wasserstoffe in der ecliptischen
Konformation):
Torsionsbarriere im Ethan: 2,9 kcal/mol
= 12,1 kJ/mol
)3cos1(21
0 ϕ+⋅= EE
ϕ
HH
H HH H
a
a ≈
227 pm; Van der Waals-Radius
von H ≈
111 pm ⇒ Van der Waals-Abstoßung
spielt keine Rolle (max.
10%)
Pitzer-Spannung
52
•
Dipol-Dipol-Wechselwirkung der ekliptischen C-H-Bindungen
Das Dipolmoment einer C-H-Bindung ist sehr gering ⇒ trägt nur wenig zur Destabilisierung der ekliptischen Konformation
bei (max. 10%).
•
Antibindende Wechselwirkung der ekliptischen σ-C-H-Bindungen
H HH H
H H Antibindende Wechselwirkungen zwischen besetzten σ-Orbitalen
tragen deutlich zur
Destabilisierung der ekliptischen Konformation
bei.
•
Bindende Wechselwirkungen zwischen bindenden und antibindenden Bindungsorbitalen
H
H H
H
H
H Bindende Wechselwirkungen zwischen besetzten σ-Orbitalen
und unbesetzten σ*-Orbitalen
tragen
deutlich zur Stabilisierung der gestaffelten Konformation
bei (nach neuesten Rechnungen
deutlich mehr als die antibindenden
WW in der ekliptischen Konformation).
stärkster Effekt
53
Konformationsisomere
von Propan
•
Von Propan existieren eine stabile und labile Konformation
und unendlich viele dazwischenliegende
Konformationen.
H3C
CH3 Torsionsbarriere im Propan: 3,4 kcal/mol
= 14,2 kJ/mol
2 kJ/mol kommen im Vergleich zu Ethan durch zusätzliche Van der Waals-Abstoßung
zwischen CH3
und H dazu.
•
Für 2-Methylpropan erhöht sich die Rotationsbarriere um weitere 2 kJ/mol durch Van der Waals-Abstoßung
54
Konformationsisomere
von n-Butan
•
Für die Rotation um die Bindung C1-C2 ergeben sich praktisch dieselben Verhältnisse wie bei Propan (Ethyl statt Methyl). Der energetische Beitrag der Ethyl-Gruppe ist annähernd gleich wie bei der Methylgruppe. Das gilt auch für alle höheren n-Alkane.
CH2–CH3
H3C–H2C
Torsionsbarriere im Propan: 3,4 kcal/mol
= 14,2 kJ/mol
2 kJ/mol kommen im Vergleich zu Ethan durch zusätzliche Van der Waals-Abstoßung
zwischen CH2
CH3
und H dazu.
55
•
Für die Rotation um die Bindung C2-C3 treten zusätzlich zu den ekliptischen und gestaffelten Konformationen
noch sogenannte gauche-
Konformationen
auf, bei denen zwischen beiden Methylgruppen ein Winkel von 60°
liegt.
Torsionsbarrieren
0,9 kcal/mol = 3,8 kJ/mol
3,6 kcal/mol = 15,1 kJ/mol
5,3 kcal/mol = 22,2 kJ/mol
5.3
•
In Lösung liegen ca. 56% der Butan-Moleküle in der anti-Konformation vor, ca. 44% in der gauche-Konformation.
56
Konformationsisomere
von Propen
•
Während die C=C-Doppelbindung
starr ist, kann Rotation um die CH–CH3
-Bindung stattfinden.
•
Es gibt für Propen zwei charakteristische Konformationsisomere:
eclipsed stabil
bisecting labil
•
Energieunterschied zwischen beiden Konformationen: 2 kcal/mol = 8,4 kJ/mol
H
HH H
H
H
H
H
H
HH
H H
HH H
HH
H
H
HHH
H
57
•
Grund für diesen Energieunterschied: 1) Bindende Wechselwirkungen zwischen dem π*-MO der
Doppelbindung und dem σ-MO der beiden gestaffelten C–H-Bindungen. 2) Bindende Wechselwirkungen zwischen dem σ-MO der C(sp2)–H-
Bindung und der synperiplanar
dazu stehenden C(sp3)–H-Bindung.
H
H H
H
H
H
H
H H
H
H
H
π*-MO σ-MO
σ-MO
σ*-MO
3) Antibindende Wechselwirkungen zwischen dem π-MO der Doppelbindung und dem σ-MO der beiden bissecting
C–H-Bindungen.
4) Antibindende Wechselwirkungen zwischen dem σ-MO der C(sp2)–H- Bindung und der synperiplanar
dazu stehenden C(sp3)–H-Bindung.
H
H H
H
H
H
H
H H
H
H
H
π-MO σ-MO σ-MO
σ-MO
58
H
H H
H
H
H
242 pm
H
H H
H
H
H247 pm
•
Die bindenden Wechselwirkungen stabilisieren die ekliptische Konformation, die antibindenden
Wechselwirkungen destabilisieren die
bisecting-Konformation. Sterische
Wechselwirkungen spielen keine Rolle (Abstand der Hs
zu
groß).
•
Andere, noch denkbare Wechselwirkungen spielen theoretischen Rechungen zufolge nur eine untergeordnete Rolle.
Abstände für sterische
Wechselwirkungen zu groß!
59
Konformationsisomere
von 1-Buten
•
Bei 1-Buten ergeben sich neue Aspekte, wenn man die Rotation um die C2–C3-Bindung betrachtet. Die Rotation um die C3–C4-Bindung entspricht ungefähr den Verhältnissen bei Propan.
•
Theoretische Rechnungen ergeben folgende Verhältnisse:
0 60 120 180
HH
HH3C
H
H
HH
HH
CH3
H
HH
HH
H3C
H HH
H
H
CH3
H
E
0,5 kcal/mol
2,0 kcal/mol2,0 kcal/mol
0,0 kcal/mol
60
CH3H
HH H
H
HH
HH CH3
H
H
HH
H
H3C H H
HH
CH3
H H
272 pm
264 pm
•
Konformation
A: Bindende Wechselwirkungen zwischen den σ-Orbitalen der C-H-Bindungen der CH2
-Gruppe mit dem π*-Orbital
der Doppel- bindung
führt zur Stabilisierung dieser Konformation. Sterische
Hinderung zwischen der Methylgruppe und dem syn-ständigen
H an der Doppelbindung führt zur Destabilisierung. Netto: geringe Destabilisierung
•
Konformation
B: keine sterische
Hinderung zwischen den beiden syn- ständigen
H-Atomen. Stabilisierung durch σ-π*-Wechselwirkung
zwischen Methyl-Gruppe und H einerseits und der Dopopelbindung andrerseits.
•
Konformatiopn
C: Destabilisierung durch σ-π-Wechselwirkung
zwischen Methyl und H sowie der Doppelbindung.
•
Konformation
D: elektronische und sterische
Destabilisierung.
+0,5 kcal/mol 0,0 kcal/mol +2,0 kcal/mol +2,0 kcal/mol A B C D
61
Konformationsisomere
von 3-Methyl-1-Buten
•
Bei 3-Methyl-1-Buten liegen analoge Verhältnisse wie bei 1-Buten vor, nur in verstärkter Form.
CH3H
HH CH3
H
HH
HH CH3
CH3
H
HH
H
H3C CH3 H
HH
CH3
H CH3
•
Stabilisierung
durch Wechselwirkung von σ-MOs
von C-CH3
-
und C-H- Bindungen mit π* der C=C-Doppelbindung.
•
Destabilisierung
durch sterische
Hinderung und abstoßender Wechselwirkung zwischen besetzten π-MOs
der Doppelbindung und
besetzten σ-MOs
von C-CH3
-
und C-H-Bindungen.
•
Allylspannung: Sonderfall der sterischen
Hinderung bei Allylsystemen. Man unterscheidet zwischen 1,3-Allylspannung und
1,2-Allylspannung.
62
Konformationsisomere
von cis-4-Methyl-2-Penten
•
Bei cis-4-Methyl-2-Penten treten im Vergleich zu den vorherigen Molekülen zusätzliche sterische
Hinderungen (Allylspannung) auf.
CH3H3C
HH CH3
H
HH3C
HH CH3
CH3
H3C
HH
H
H3C CH3 H3C
HH
CH3
H CH3
1,3-Allylspannung
1,2-Allylspannung
•
Allylspannung
ist ein wichtiger Effekt bei stereoselektiven Reaktionen von Doppelbindungen.
63
Konformationsisomere
von Aldehyden
und Ketonen
•
Aldehyde
und Ketone können als „Heteroallylsysteme“
aufgefasst werden. Deshalb bestimmen dieselben elektronischen und sterischen
Effekte die Stabilität der verschiedenen Konformationen.
•
Für Acetaldehyd
existieren (analog zu Propen) zwei Konformationen: eclipsed
und bisecting.
OH
H
H
H
OH
HH
H
O
H HH
H
O
H
HH
H
eclipsed stabil
bisecting labil
•
Energieunterschied zwischen beiden Konformationen: 1,2 kcal/mol = 4,9 kJ/mol (geringer als bei Propen wegen polarisierter C=O-Doppelbindung!!!).
OH
H
H
H
σ(C-H)- π*-WW
OH
H
H
H
OH
H
H
H
σ*(C-H)- π(C=C)-WW
und σ(C-H)- σ(C-H)-WW
64
•
Propionaldehyd
existiert prinzipiell in vier Konformationen: eclipsed, gauche
und bisecting, wobei die ersten beiden den größten Anteil im
Konformerengleichgewicht
ausmachen.
OH
H3C
H
H
OH
HH3C
H
O
H HH
CH3 O
H
CH3H
H
O
H CH3H
H
OH
H
CH3
H
OH
CH3
H
H
O
H
HH
H3C
Stabilität nimmt ab
•
Für Ketone ergeben sich entsprechende Verhältnisse, wenn man das Aldehyd-H
durch die jeweilige Alkylgruppe
ersetzt.
65
Konformationsisomere
von Carbonsäurederivaten
•
Carbonsäuren
und Derivate liegen bevorzugt (>> 90%) in der Z- Konformation
vor. Man verwendet hier zur Konformationsbezeichnung
die Konfigurationssymbole Z und E, weil die C-O-Einfachbindung teilweise Doppelbindungscharakter hat.
R OR'
O
R OR'
O+
–
R O
O
R O
O+
–
R' R'
•
Die Z-Konformation
wird durch Dipol-Dipol-WW
und durch n-σ*- Überlappung
stabilisiert, während die E-Konformation
durch Van-der-
Waals-Abstoßung
destabilisiert wird.
•
Die E-Konformation
kann durch Ausbildung von kleinen, normalen und mittleren Ringen erzwungen werden. Bei macrocyclischen
Lactonen
liegt
jedoch wieder Z-Konformation
vor.
E-Konformation
Z-Konformation
66
•
In Amiden
besitzt die C-N-Bindung ebenfalls deutlichen Doppelbindungs- charakter. Die Umwandlung der Konformationsisomere
ineinander erfolgt
so langsam, dass man beide Konformere im 1H-NMR-Spektrum nebeneinander beobachten kann.
•
Die bevorzugte Konformation
ist wie bei den Estern die Z-Konformation. Die Gründe dafür sind analog zu den bei den Estern genannten.
R NR'
O
R NR'
O+
–
R
O
R N
O+
–
R' R'
NH H
H H
•
Carbonsäuren
und Anhydride
verhalten sich wie Ester.
•
Carbonsäurehalogenide
verhalten sich wie Aldehyde.
67
Konformationsisomere
von Biphenylderivaten
•
Biphenylderivate
mit mindestens zwei verschiedenen ortho- Substituenten
besitzen eine Chiralitätsachse, sind aber
Konformationsisomere. Je größer die Substituenten
sind, um so eingeschränkter ist die Rotation.
•
Bei zwei oder mehr sehr großen Substituenten
können die beiden enantiomeren
Konformationsisomere
isoliert werden.
•
Bei vier verschiedenen Substituenten
können die Enantiomere
immer getrennt werden, ausser
wenn zwei Substituenten
Fluor sind.
•
Isolierbare Konformationsisomere
bezeichnet man als Atropisomere.
•
Beispiele:
O2NCOOH
NO2
HOOCCOOH
NO2HOOC O2N
OHOH
H HOH
OHH H
68
1.3.2.
Konformationen
cyclischer
Moleküle•
Baeyer nahm 1885 an, dass alle cyclischen
Verbindungen eben sind.
Dann sollten alle Ringe außer Cyclopentanderivaten
gespannt sein (Baeyer-Spannung), weil der Innenwinkel der Ringe mehr oder weniger stark vom Tetraederwinkel abweicht. Im 5-Ring betragen die Innenwinkel 108°, wodurch sich eine praktisch spannungsfreie Anordnung ergibt.
•
Bereits 5 Jahre später konnte Sachse zeigen, dass die Baeyersche Annahme exakt nur für Cyclopropan
gilt.
Konformationsisomere
von Cyclopropan
•
Cyclopropan
ist eben und stark gespannt. Allerdings sind Cyclopropane stabiler, als sie auf Grund der hohen Bayer-Spannung sein dürften.
•
Erklärung mit Hilfe des Walsh-Modells. Die C-Atome sind sp2-hybridisiert.
2 sp2-Hybridorbitale an jedem C binden die Wasserstoffe. Die C-C-
Bindungen werden durch p-Orbitale gebildet und das nicht benötigte sp2- Hybridorbital überlappt mit den anderen in der Mitte des Rings.
H H
H
HHH
69
Konformationsisomere
von Cyclobutan
•
Cyclobutan-Derivate
sind nicht eben. Sie liegen in der sogenannten Butterfly-Konformation
vor. Der Knickwinkel beträgt ca. 28°.
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
HH
H
H
H
H
H
28 °
•
Durch dieses Umklappen werden die einzelnen Beiträge zur Ringspannung minimiert (Pitzer-Spannung
+ Baeyer-Spannung).
•
Die ebene Form stellt einen „Übergangszustand“
dar im Maximum der Rotationsbarriere, die für Cyclobutan
ca. 6,0 kJ/mol beträgt.
•
Der Umklappvorgang findet permanent statt und ist ein sehr schneller Prozess.
70
Konformationsisomere
von Cyclopentan
•
Cyclopentan-Derivate
sind nicht ganz eben. Sie liegen in der sogenannten Envelope-Konformation
vor, wodurch auch hier die
Ringspannung minimiert wird.
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H H
H
H
H
H
H
H
H
HH
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
•
Die einzelnen Positionen bezeichnet man als axial a, equatorial
e und isoclin
(gleicher Winkel).
•
Für unsubstituiertes Cyclopentan
spielt diese Unterscheidung keine Rolle, da das Umklappen ein sehr schneller Prozess ist. NMR-
spektroskopisch beobachtet man bei Raumtemperatur nur eine Sorte
von H-Atomen.
i
i
i
i
e
a
e
a
a
e
71
Konformationsisomere
von Cyclohexan
•
Sachse konnte 1890 zeigen, dass Cyclohexan
und höhere Ringe praktisch ringspannungsfrei werden, wenn man eine nicht-ebene
Konformation
annimmt.
•
Cyclohexan
kommt in verschiedenen Konformationen
vor: Sessel, Halbsessel, Twist und Wanne. Diese Konformationen
werden
durchlaufen, wenn ein Sessel in den spiegelbildlichen umklappt.
72
•
In monosubstituierten
Cyclohexaanderivaten
nimmt der Ring immer diejenige Konformation
an, in der der Substituent
eine equatoriale
Position besetzt (Minimierung der 1,3-diaxialen Wechselwirkung).
•
Bei mehrfach substituierten Cyclohexanderivaten
stellt sich immer die stabilste Konformation
ein (kleine Substituenten
axial, große
Substituenten
equatorial).
•
Größere Ringe verhalten sich analog zu Cyclohexan
und nehmen wenn immer möglich eine „Zick-Zack-Konformation“
ein. Generell sind größere
Ringe fast so flexibel wie offenkettige Moleküle.
•
Cyclohexen
liegt in der Halbsesselkonformation
vor. 4 C-Atome in einer Ebene, eine CH2
-Gruppe über der Ebene, eine CH2
-Gruppe darunter.
73
Isomere
Konstitutions-
isomere
Konfigurations-
isomere
Konformations-
isomere
Konstitutions-
isomere
Enantiomere Diastereomere
Stereoisomere
Isomere
1.4.
Zusammenfassende Klassifikation von Isomeren
74
HOOC HCH3
OH
COOHHCH3
OH Enantiomere
speziell: Konfigurationsisomere
H
H H
H
HH
H
HH
H
HH
Enantiomere
speziell: Konformationsisomere
COOH
HOOC HOOC COOH Diastereomere
speziell: Konfigurationsisomere
H
H H
H
HH
H
H HH
H
H Diastereomere
speziell: Konformationsisomere
Beispiele zur Übersicht
75
Wichtige Eigenschaften von Stereoisomeren
•
Stereoisomere sind entweder Enantiomere
oder Diastereomere.
•
Enantiomere
haben dieselben skalaren
Eigenschaften: Bildungsenergie, Löslichkeit, Siedepunkt, NMR-Spektren usw.
•
Diastereomere
haben grundsätzlich unterschiedliche Eigenschaften: Bildungsenergie, Löslichkeit, Siedepunkt, NMR-Spektren usw.
•
In chiraler
Umgebung verhalten sich Enantiomere
wie Diastereomere, weil sie z.B. mit chrialen
Lösungsmitteln wechselwirken
und dadurch
kurzlebige Diastereomere
mit unterschiedlichen Eigenschaften entstehen.
•
1:1-Mischungen von Enantiomeren
nennt man Racemate. Racemate werden vor dem Namen der Verbindung durch (±) oder rac. oder (RS)
gekennzeichnet.
•
Zur Quantifizierung von Mischungen von Enantiomeren
gibt man „ee“ (enantiomeric
excess) oder „er“
(enantiomeric
ratio; von UPAC bevor-
zugt!) an. %ee
= %(Enantiomer
1) –
%(Enantiomer
2)
er = %(Enantiomer
1) :
%(Enantiomer
2)
76
2.
Analytik von Stereoisomeren
2.1.
Analytik von Diastereomeren•
Da Diastereomere
prinzipiell unterschiedliche Moleküle sind, mit
unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften, sind sie in achiraler
Umgebung unterscheidbar.
•
Es gibt es theoretisch immer die Möglichkeit, Diastereomere
zu trennen.
•
Unterschhiedliche
Löslichkeit ⇒ Umkristallisation
oder Verteilungschromatographie
•
Unterschiedliche Wechselwirkung mit Kieselgel, Aluoxid usw. ⇒ Adsorptionschromatographie
•
Unterschiedliche Siedepunkte ⇒ Destillation oder Gaschromatographie
•
Unterschiedliche chemische Verschiebung im NMR ⇒ NMR- Spektroskopie
77
2.2.
Enantiomeranalytik
und Racematspaltung•
Enantiomere
sind in achiraler
Umgebung nicht unterscheidbar.
•
Enantiomere
sind nur in chrialer
Umgebung unterscheidbar.
•
Man kann Enantiomere
auf zwei Arten analysieren oder trennen: a) in chiraler
Umgebung oder
b) durch Überführung in Diastereomere.
2.2.1.
Analytik von Enantiomeren
in chiraler Umgebung
•
Die Unterscheidbarkeit von Enantiomeren
in chiraler
Umgebung basiert darauf, dass sich intermediär Diastereomere
bilden, die sich in ihren
Eigenschaften unterscheiden.
•
Die chirale
Umgebung kann durch chirale
Lösungsmittel, chirale Stationärphasen in der Chromatographie, chirale
Zusätze zu achiralen
Lösungen von Enantiomeren
usw. realisiert werden.
78
Trennung von Enantiomeren
durch Chirale
Stationärphasen
•
Durch Wechselwirkungen von Enantiomeren
mit chiralen Stationärphasen in der Chromatographie bilden sich kurzfirstig
diastereomere
Aggregate mit unterschiedlichen Eigenschaften.
E + S SS S
E EE
+ S SS S
E
E und sind die zu analysierenden Enantiomere S S ist die chirale Stationärphase
•
Wenn die diastereomeren
Aggregate unterschiedliche Stabilitäten haben (unterschiedliche Gleichgewichtskonstanten der obigen Gleichgewichte), dann findet entlang der chiralen
Stationärphase eine Trennung der
Enantiomere
statt.
•
Im Laufe der Zeit sind zahlreiche chirale
Stationärphasen entwickelt worden. Sie werden in der GC, HPLC, CE usw. eingesetzt. Die wichtigsten chiralen
Stationärphasen sind inzwischen kommerziell
erhältlich.
79
Peptidphasen (Gil-Av, Bayer)
80
Cyclodextrinphasen
(Schurig, König)
81
Pirkle-Pasen
(Pirkle)
82
Cellulose-Phasen
•
Die chromatographische Enantiomerentrennung
wird eher selten zur präparativen
Gewinnung von einzelnen Enantiomeren
verwendet. Sehr
oft benutzt man analytische HPLC an enantiomerenreinen Stationärphasen zur Bestimmung von ee-Werten
oder er-Werten.
83
2.2.2.
Trennung von Enantiomeren
durch Überführung in Diastereomere
COOH
Cl
COOH
ClDCC / DMAP
CO
Cl
CO
Cl
HO O
O
•
Umgekehrt kann man Mischungen von enantiomeren
Alkoholen durch Verestern
mit enantiomerenreinen
Säuren in diastereomere, trennbare
Ester umwandeln.
•
Durch enantiomerenreine
Reagenzien lassen sich Diastereomere erzeugen, die dann auf herkömmliche Art und Weise getrennt werden
können. Nach Abspaltung des enantiomerenreinen
Reagenz erhält man die getrennten Enantiomere.
•
Mischungen von enantiomeren
Säuren können mit enantiomerenreinen Alkoholen zu diastereomeren
Estern umgesetzt werden, die dann
destillativ, durch Umkristallisieren oder durch Chromatographie getrennt werden können.
84
•
Alternativ kann man Mischungen von enantiomeren
Säuren auch durch enantiomerenreine
Basen in diastereomere
Salze überführen, die man
dann z.B. durch Kristallisation trennen kann.
COOH
Cl
COOH
Cl
COO–
Cl
COO–
Cl
NH2NH3
+
NH3+
•
Racemische
Amine lassen sich entsprechend mit enantiomerenreinen Säuren trennen. Eine häufig verwendete Säure ist die Mosher-Säure.
COOH
MeO CF3
COOH
F3C OMe
R-Mosher-Säure
S-Mosher-Säure
85
•
Enantiomere
sind NMR-spektroskopisch nicht unterscheidbar
wenn sie nicht miteinnander
wechselwirken.
•
Wenn Wechselwirkungen zwischen Enantiomeren
der gleichen Konfiguration auftreten, kann man sie ebenfalls nicht unterscheiden.
•
Treten Wechselwirkungen zwischen den Enantiomeren
mit entgegengesetzter
Konfiguration auf, dann besitzt
a) ein Racemat
(ee
= 0) andere chemische Verschiebungen als die reinen Enantiomeren
(ee-Bestimmung
mit NMR unmöglich) und
b) eine Mischung der Enantiomeren
mit ee
> 0 zeigt zwei Sätze von Signalen, aus deren Intensitätsverhältnis man den ee
berechnen kann.
•
Treten keine Wechselwirkungen zwischen den Enantiomeren
auf, dann kann man durch Zusatz enantiomerenreiner
NMR-Shiftreagenzien
intermediär Diastereomere
erzeugen, die ee-Bestimmungen
mittels NMR möglich machen.
2.2.3.
Enantiomeranalytik
mittels NMR- Spektroskopie
86
•
Für secundäre
Alkohole kann man die Absolutkonfiguration bestimmen, indem man eine Probe des Alkohols mit der Konfiguration X mit dem R-
Enantiomer
eines geeigneten Säurederivats in den Ester mit der Konfiguration RX und eine zweite Probe des Alkohols mit dem S-
Enantiomer
des Säurederivats in den Ester mit der Konfiguration SX überführt.
•
Geeignete Säurederivate sind R-
und S-Mosher-Säure
(Methoxy-triflour- phenyl-acetic
acid
MTPA) oder R-
und S-Mandelsäure (Methoxy-phenyl-
acetic
acid
MPA) neben vielen anderen seltener verwendeten Phenylessigsäurederivaten.
COOH
MeO CF3
COOH
F3C OMe
COOH
MeO H
COOH
H OMe
•
Dann bestimmt man für jede Gruppe von H-Atomen Hi
die Werte
ΔδRS(Hi) = δRX(Hi) –
δSX(Hi)
2.2.4.
Konfigurationsbestimmung mittels NMR- Spektroskopie
87
•
Es ergeben sich generell Werte für ΔδRS(Hi) die für bestimmte H positiv sind, für andere H negativ.
•
Die synthetisierten Ester haben in Lösung eine definierte Konformation, in der der Phenylring
für anisotrope
chemische Verschiebungen in den
Substituenten
links und rechts vom Chiratitätszentrum
sorgt.
H
OH
XH
O
OH
MeO
XR
H
O
OH
OMe
X S
ΔδR(Hi) = δRX(Hi) –
δX(Hi) > 0
ΔδR(Hi) = δRX(Hi) –
δX(Hi) < 0
ΔδS(Hi) = δSX(Hi) –
δX(Hi) < 0
ΔδS(Hi) = δSX(Hi) –
δX(Hi) > 0
ΔδRX(Hi) = δR(Hi) –
δS(Hi) > 0
ΔδSX(Hi) = δR(Hi) –
δS(Hi) < 0
•
Analog verhalten sich auch die MTPA-Ester.
88
•
Wenn man im Ester vom Chiralitätszentrum
der Säure zum Chiralitätszentrum
des Alkohols schaut, dann befinden sich alle H-Atome
mit ΔδRS(Hi) > 0 rechts im Molekül. Alle H-Atome mit ΔδRS(Hi) < 0 befinden sich links im Molekül.
•
Analoges gilt für primäre Alkohole, bei denen das Chiralitätszentrum
das direkt benachbarte C-Atom ist und entsprechend für primäre und secundäre
Amine.
•
Beispiel: 2-Pentanol mit unbekannter Konfiguration
OH
1 3 5 S-MPA
DCC / DMAP O–S-MPA
1 3 5R-MPA
DCC / DMAPO–R-MPA
1 3 5
89
H1: Δδ
= +0,13 H3: Δδ
= –0,09 H4: Δδ
= –0,23 H5: Δδ
= –0,14
H
OH1
35
135
HO H
Es liegt also (R)-2-Pentanol vor.
•
Wichtig: Wenn die Vorzeichen von Δδ-Werten
innerhalb des linken oder rechten Substituenten
am Chiralitätszentrum
sowohl positiv als auch
negativ
sind, dann funktioniert die Methode nicht!!!
•
Deshalb muss man so viele Δδ-Werte
wie möglich bestimmen, um möglichst sicher zu sein.
90
2.2.5.
Optische Rotationsdispersion, Circular- dichroismus
und Cotton-Effekt
•
Chirale
Moleküle sind optisch aktiv (vgl. Kap. 1.2.3), d.h. sie drehen die Ebene von linear polarisiertem Licht um einen bestimmten Winkel.
•
Linear polarisiertes Licht kann in zwei circular
polarisierte Lichtwellen zerlegt werden.
Er El
91
•
Optische Aktivität kommt durch unterschiedliche Wechselwirkung von links-
und rechtscircular
polarisiertem Licht mit einer Enantiomerensorte
chiraler
Moleküle zustande. Dies zeigt sich in unterschiedlichen Brechungsindizes nl
und nr
für links-
und rechtscircular
polarisiertes Licht in einantiomerenreinen
Substanzen.
Er
+ R-Enantiomer
„ist diastereomer“
zu El
+ R-Enantiomer
•
Auf Grund dieser unterschiedlichen Wechselwirkung breiten sich links- und rechtscircular
polarisiertes Licht in enantiomerenreinen
Szubstanzen
unterschiedlich schnell aus, was in der Summe zu einer Drehung der Ebene des linear polarisierten Lichts führt, das sich durch Überlagerung der beiden circular
polarisierten Lichtwellen bildet.
•
Man kann die Wechselwirkung der circular
polarisierten Lichtstrahlen mit enantiomerenreinen
Substanzen quantenmechanisch berechnen. Damit
sind prinzipiell auch Werte für die spezifische optische Rotation berechenbar.
•
Die spezifische optische Rotation ist von der Wellenlänge abhängig. Diese Abhängigkeit nennt man normale Optische Rotationsdispersion
ORD.
92
•
Die ORD-Kurven
sind für chirale
Substanzen ohne Chromophor entweder monoton fallend oder monoton steigend.
Normale ORD-Kurve
z.B. für R-Enantiomer
Normale ORD-Kurve
z.B. für S-Enantiomer
20][ Dα
λ
•
Bei chiralen
Molekülen mit Chromophor
werden links-
und rechtscircular polarisiertes Licht unterschiedlich stark absorbiert. εl
(λ) und εr
(λ) sind verschieden. Die Differenz der Extinktionskoeffizienten
in Abhängigkeit
von der Wellenlänge nennt man Circulardichroismus
CD.
•
Die unterschiedliche Absorption von links-
und rechtscircular polarisiertem Licht führt dazu, dass im Bereich von Absorptionsbanden
des chiralen
Moleküls das ursprünglich linear polarisierte Licht nun elliptisch polarisiert ist.
93
•
Man misst bei CD-Spektren entweder Δε
= εl
− εr
oder die Elliptizität
Θ des
Lichts, nachdem es die optisch aktive Substanz verlassen hat.
Praktisch alle CD-Spektrometer
rechnen die Elliptizität
automatisch in die spezifische Elliptizität
[Θ]Tλ
um.
rl
rl
EEEE
ab
+
−=⎟
⎠
⎞⎜⎝
⎛=Θ arctan
lc ⋅Θ
=Θ][
94
•
CD-Spektren von chiralen, enantiomerenreinen
Substanzen zeigen einen s-förmigen Verlauf.
-25-20-15-10
-505
1015202530
190 240 290Wavelength (nm)
CD
(mde
g)
-30
-20
-10
0
10
20
30
40
190 240 290Wavelength (nm)
DC
(mde
g)
•
Liegt das Maximum der CD-Kurve bei größeren Wellenlängen als das Minimum, dann spricht man von positivem CD. Liegt das Minimum bei größeren Wellenlängen, dann spricht man von negativem CD.
O O O
OO
O
O
OH
O O O
OO
O
O
OH
95
•
ORD-Spektren
von chiralen, enantiomerenreinen
Substanzen stellen die Überlagerung von normalen ORD-Kurven
und den CD-Kurven dar.
•
Man spricht dann von anomaler Optischer Rotationsdispersion oder
von Cotton-Effekt.
Liegt das Maximum bei gößerer Wellenlänge als das Minimum:
positiver Cotton-Effekt.
Liegt das Maximum bei kleinerer Wellenlänge als das Minimum: negativer-Cotton-Effekt.
•
Aus empirisch aufgestellten Regeln (Helizitätsregel, Quadrantenregel, Oktantenregel usw.) über den Zusammenhang von Struktur und Cotton-
Effekt
hat man früher (teilweise heute noch) die Absolutkonfiguration von Molekülen abgeleitet. Allerdings ist diese Art der Konfigurations-
bestimmung
nicht immer zuverlässig.
96
•
Moderne Methoden berechnen die CD-Spektren oder die Cotton-Effekte mit Hilfe von quantenmechanischen Verfahren und vergleichen die
erhaltenen Kurven mit den experimentellen Werten.
•
Beispiel: Welche Absolutkonfiguration hat Isoplagiochin
C? Man berechnet die CD-Spektren für verschiedene
Konfigurationen und vergleicht mit dem experimentellen Spektrum.
97
3.
Prochiralität
und Heterotopiekonzept•
Bisher: Betrachtung chiraler
Substanzen (Enantiomere
und
Diastereomere)
•
Nun: Betrachtung der Vorstufe chiraler
Substanzen: prochirale Substanzen.
•
Prochirale
Substanzen sind Substanzen, die in einem Schritt in chirale Substanzen umgewandelt werden können.
•
Analog zur Existenz von stereogenen
Elementen gibt es auch prostereogene
Elemente.
3.1.
Prochirale
sp3-hybridisierte C-Atome•
Prochirale
sp3-hybridisierte C-Atome besitzen nur drei verschiedene
Substituenten
(also sind zwei identisch!). Man spricht von einem Prochiralitätszentrum.
bdd
a
bde
a
prochiral
chiral
Substitution
d durch e
oder
Umwandlung
d in e
98
3.2.
Prochirale
sp2-hybridisierte C-Atome•
Prochirale
sp2-hybridisierte C-Atome besitzen genau drei verschiedene
Substituenten.
a b
dbd
e
a
prochiral
chiral
Addition von e
•
Prochirale
sp2-hybridisierte C-Atome treten bei Aldehyden, Ketonen, Carbonsäurederivaten
und Alkenen
auf.
3.3.
Heterotopiekonzept•
Mit Hilfe des Heterotopiekonzepts
beschreibt man das Verhalten von
Substituenten
innerhalb eines prochiralen
Moleküls zueinander.
•
Zwei
chirale
Moleküle verhalten sich zueinander wie Enantiomere
oder Diastereomere. Analog können sich auch Substituenten
oder Seiten
innerhalb eines prochiralen
Moleküls verhalten.
99
3.3.1.
Enantiotope
und diastereotope
Gruppen•
Enantiotope
und diestereotope
Gruppen treten in prochiralen
Molekülen
mit sp3-hybridisiertem Prochiralitätszentrum
auf.
•
Um zu bestimmen, ob zwei gleiche Substituenten
an einem Prochiralitätszentzrum
enantiotop
oder diastereotop
sind, kann man das
Testverfahren
oder das Symmetrieverfahren anwenden.
•
Symmetrieverfahren: kann man die beiden gleichen Substituenten sowohl durch Symmetrieoperationen 1. Art als auch durch Symmetrie-
operationen
2. Art ineinander überführen, dann sind die beiden Substituenten
homotop.
Kann man die beiden Substituenten
nur
durch Symmetrieoperationen 2. Art ineinander überführen, dann sind die beiden Substituenten
enantiotop. Gibt es keine
Symmetrieoperation, mit der die beiden Substituenten
ineinander überführt werden können, dann sind die beiden Substituenten diastereotop.
100
•
Testverfahren: man ersetzt erst den einen der beiden gleichen Substituenten
durch eine Testgruppe T, dann den anderen der beiden
gleichen Substituenten
durch dieselbe Testgruppe T und vergleicht beide neu erhaltenen Moleküle miteinenander. Sind die beiden Moleküle identisch, dann sind die ersetzten Substituenten
homotop.
Verhalten sich die beiden neuen Moleküle wie Enantiomere, dann sind die Substituenten
enantiotop
Verhalten sich die beiden neuen Moleküle wie Diastereomere, dann sind die Substituenten
diastereotop.
Wichtig: die Testgruppe T hat immer eine höhere Priorität als das andere der beiden gleichen Substituenten. Man kann auch die Konfiguration der stereogenen
C-Atome bestimmen,
nachdem man einen der beiden gleichen Substituenten
durch T ersetzt hat. Erhält man R-Konfiguration, dann handelt es sich bei dem ersetzten Substituenten
um den pro-R-Substituenten. Der andere Substituent
ist
dann der pro-S-Substituent
(nur sinnvoll für enantiotope
oder distereotope
Substituenten).
•
Enantiotope
oder diastereotope
Substituenten
werden durch pro-R
und pro-S
bezeichnet.
101
•
Beispiel: Methylengruppe
mit zwei Substituenten
R R
Ha Hb
R R
T Hb
R R
Ha T
R R
HaHb
Identische Moleküle ⇒
Ha
und Hb
homotop
σ
σ
C2
R R'
Ha Hb
R R'
T Hb
R R'
Ha T
Enantiomere
⇒
Ha
und Hb
enantiotop
R R'
HaHb
σ
R R*
Ha Hb
R R*
T Hb
R R*
Ha T
R R*
HaHb
Diastereomere
⇒
Ha
und Hb
diastereotopKein Symmetrieelement
R, R‘
sind achiral, R* ist chiral.
102
3.3.2.
Enantiotope
und diastereotope
Seiten•
Enantiotope
und diestereotope
Seiten treten in prochiralen
Molekülen mit
sp2-hybridisiertem Prochiralitätszentrum
auf.
•
Um zu bestimmen, ob die beiden Seiten des sp2-hybridisierten Prochiralitätszentzrums
enantiotop
oder diastereotop
sind, kann man nur
das Symmetrieverfahren anwenden.
•
Symmetrieverfahren: kann man die beiden Seiten eines ebenen Moleküls sowohl durch Symmetrieoperationen 1. Art als auch durch Symmetrieoperationen 2. Art ineinander überführen, dann sind die beiden Seiten homotop.
Kann man die beiden Seiten nur
durch Symmetrieoperationen 2. Art ineinander überführen, dann sind die beiden Seiten enantiotop.
Gibt es keine
Symmetrieoperation, mit der die beiden Seiten ineinander überführt werden können, dann sind die beiden Seiten diastereotop.
•
Ordnet man den drei Substituenten
eine Rangfolge zu, dann kann man auch die beiden Seiten des prochiralen
Moleküls klassifizieren. Als
Symbole verwendet man Si und Re.
103
•
Beispiel: Keton R–CO–R
R R
Oσ
σ
C2
homotope
Seiten
R R'
O
enantiotope
Seiten
R R*
O
diastereotope
Seiten
O1
23
Si-Seite
O1
23
Re-Seite
O1
23
CH3H
Si-Seite
Re-Seite
O1
23
HH3C
104
3.3.3.
Eigenschaften von homotopen, enantiotopen und diastereotopen
Gruppen und Seiten
•
Homotope
Gruppen
kann man chemisch und auch NMR- spektroskopisch nicht unterscheiden.
•
Enantiotope
Gruppen
kann man chemisch und auch NMR-spektros- kopisch
in achiraler
Umgebung nicht unterscheiden. Aber man kann
solche Gruppen chemisch und NMR-spektroskopisch in chiraler Umgebung
unterscheiden.
•
Diastereotope
Gruppen
kann man chemisch und NMR-spektroskopisch prinzipiell immer unterscheiden.
•
Homotope
Seiten
eines Moleküls kann man nicht unterscheiden.
•
Enantiotope
Seiten
eines Moleküls kann man chemisch in achiraler Umgebung nicht unterscheiden. In chiraler
Umgebung kann man
enantiotope
Seiten unterscheiden.
•
Diastereotope
Seiten
eines Moleküls kann man immer unterscheiden.
•
Wie gut die Unterscheidung von Gruppen oder Seiten bei einer Reaktion gelingt, hängt von der Selektivität
der Reaktion ab.
105
4.
Grundlagen der Stereoselektiven Synthese•
Zentraler Begriff: Selektivität. Selektivität bedeutet: wie gut
wird bei einer
Reaktion zwischen Molekülen, funktionellen Gruppen und enantiotopen oder diastereotopen
Gruppen oder Seiten unterschieden.
4.1.
Selektivität•
Selektivität kann prinzipiell unterteilt werden in Substratselektivität
(=
Eduktselektivität) und Produktselektivität. Zur Klassifizierung einer Reaktion ist der Begriff Substratselektivität jedoch nicht notwendig, da jede substratselektive Reaktion auch produktselektiv ist, aber nicht jede produktselektive Reaktion ist substratselektiv. Deshalb versteht
man in
der Organischen Chemie unter Selektivität allgemein Produktselektivität. Die Begriffe Substratselektivität und Substratspezifität
werden meist in
der Biochemie zur Klassifizierung von Enzymen verwendet.
•
Produktselektivität wird weiter unterteilt in Chemoselektivität, Regioselektivität
und
Stereoselektivität.
•
Stereoselektivität wird weiter unterteilt in Enantioselektivität
und Diastereoselektivität.
106
Selektivität
Chemoselektivität
Regioselektivität
Stereoselektivität
Unterscheidung zwischen ver- schiedenen
funktionellen
Gruppen
Unterscheidung zwischen ver- schiedenen
Positionen an einer
funktionellen Gruppe
Unterscheidung zwischen ver- schiedenen
räumlichen
Orientierungen
4.1.1.
Chemoselektivität•
Enthält eine Substanz mehrere funktionelle Gruppen, die prinzipiell reagieren können, dann ist eine Reaktion chemoselektiv, wenn eine dieser Gruppen bevorzugt vor den anderen umgesetzt wird.
•
Ein Reagenz, das bei einer solchen Reaktion eingesetzt wird, wird ebenfalls als chemoselektiv
bezeichnet.
107
•
Beispiel: chemoselektive Reduktion eines Ketons in Gegenwart eines Esters mit NaBH4
OO O(+)Menthyl
H
H
O
OTBDPS NaBH4 / MeOH
RT / quant.
OO O(+)Menthyl
H
H
HO
OTBDPS
•
Beispiel: chemoselektive cis-Hydroxylierung
einer elektronenreichen Doppelbindung in Gegenwart einer elektronenarmen Doppelbindung
OO O(+)Menthyl
H
H
CHO cat. OsO4 / NMO
Aceton / H2O / 0 °C
OO O(+)Menthyl
H
H
CHO
1 Woche / 69%
HOHO
OO O(+)Menthyl
H
H
CHOOHOH
3
+
: 1
Weitere Beispiele: Luche-Reduktion, Hydroborierung
von En-Inen, …
108
4.1.2.
Regioselektivität•
Enthält eine Substanz eine funktionelle Gruppe, die mit einem Reaktions-
partner
oder mit einem Reagenz zwei verschiedene Konstitutionsisomere (speziell Regioisomere) ergeben kann, dann ist die Reaktion bzw. das
Reagenz regioselektiv, wenn sich eines der Regioisomeren
bevorzugt bildet.
•
Beispiel: Hydroborierung
von endständigen Doppelbindungen
BH
B
B
99,5 : 0,5
THF / 0 °C
BB
80 : 20
THF / 0 °C
BH3
R
RRR
109
•
Beispiel: Übergangsmetallkatalysierte allylische
Alkylierung
MeOOCONaCH(COOMe)2
cat. Rh(PPh3)3Cl
MeOOC COOMe COOMe
COOMe+
97 : 3
MeOOCONaCH(COOMe)2
cat. Pd(PPh3)4
MeOOC COOMe COOMe
COOMe+
5 : 95
•
Beispiel: Synthese von Nitrilen
und Isonitrilen
IKCN
DMFCN
IAgCN
DMFNC
Kolbe-Nitril-Synthese
Gautier-Isonitril-Synthese
Generell reagieren ambidente
Nucleophile
immer regioselektiv.
110
4.1.3.
Stereoselektivität•
Enthält eine Substanz eine funktionelle Gruppe, die mit einem Reaktions-
partner
oder mit einem Reagenz zwei verschiedene Stereoisomere bilden kann, dann ist die Reaktion bzw. das Reagenz stereoselektiv, wenn sich eines der Stereoisomeren
bevorzugt bildet.
•
Handelt es sich bei dem bevorzugt gebildeten Stereoisomer
um eines von zwei Enantiomeren, dann ist die Reaktion enantioselektiv. Handelt es sich bei dem bevorzugt gebildeten Stereoisomer
um eines
von mehreren
Diastereomeren, dann ist die Reaktion diastereoselektiv.
Enantioselektivität
•
Bei enantioselektiven
Reaktionen wird eine prochirale
Substanz in unterschiedlichen Mengen in die beiden Enantiomere
überführt. Die
prochirale
Substanz kann enantiotope
Gruppen oder enantiotope
Seiten enthalten.
•
Ein „Maß“
für die Enantioselektivität
einer Reaktion sind die ee-Werte (%Enantiomer1-%Enantiomer2) oder er-Werte
(%Enantiomer
1 :
%Enantiiomer2) der Produkte. Nach UPAC sollte die Enantioselektivität nur noch durch den er-Wert
beschrieben werden.
111
•
Beispiel: Enantioselektive
Reduktion von Ketonen mit enantiomeren- reinen
Reduktionsmitteln
OOO
AlH
OMe
”Li“
OH HH HO
97
+
: 3
•
Beispiel: Enantioselektive
Hydroborierung/Oxidation
mit enantiomeren- reinen
Hydroborierungsreagenzien
O
BH
THF / – 25 °C / 82%
1)
2) NaOH / H2O2
O
OH
O
OH
+
99,5 : 0,5
112
Diastereoselektivität
•
Bei diastereoselektiven Reaktionen entsteht eines von mehreren Diastereomeren
bevorzugt. Die entstehenden Diastereomere
können
enantiomerenrein, enantiomerenangereichert
(= nicht racemisch
= scalemisch, dieser Begriff sollte jedoch nicht mehr verwendet werden!) oder racemisch
entstehen (je nach Ausgangsmaterialien).
•
Ein „Maß“
für die Diastereoselektivität einer Reaktion sind die de-Werte (%Diastereomer1-%Diastereomer2) oder dr-Werte
(%Diastereomer1 :
%Diastereomer2) der Produkte. Zusätzlich gibt es noch die sogenannte Diastereoselektivität ds, die nur den prozentualen Anteil des Hauptprodukts angibt. Nach UPAC sollte die Diastereoselektivität nur noch durch den dr-Wert
beschrieben werden.
H
O OLi
OOH
OOH
OOH
OOH
•
Beispiel: Diastereoselektive Aldol-Reaktion
113
4.1.4.
Stereospezifität•
Eine Reaktion ist stereospezifisch, wenn aus einem Stereoisomer
des
Edukts
nur ein einziges Stereoisomer
des Produkts werden kann und wenn aus einem anderen Stereosisomer
des Edukts
nur ein anderes
Stereoisomer
des Produkts werden kann.
•
M. a. W.: Bei stereoselektiven
Reaktionen findet eine Bevorzugung eines von mehren möglichen stereoisomeren
Produkten statt. Bei
stereospezifischen
Reaktionen gibt es keine Auswahlmöglichkeit.
•
Beispiel: Brom-Addition an cis-
und trans-StilbenH H
Br2H H H H
BrBr BrBr
H
H
Br2
H
HBrBr
=̂H H
BrBr
Racemat
meso
114
•
Eine stereospezifische Reaktion ist immer zu 100% stereoselektiv
(im Beispiel entsteht zu 100% aus cis-Stilben
das Racemat
und aus trans-
Stilben
zu 100% die meso-Form).
•
Eine stereoselektive Reaktion ist aber nicht
stereospezifisch!
•
Weitere Beispiele: SN
2-Reaktionen, Prileshaev-Reaktion, Carben- Additionen
an Doppelbindungen, Hydroborierungen, pericyclische
Reaktionen usw.
115
4.1.5.
Klassifikation stereoselektiver Reaktionen nach Izumi und Tai
•
Nach Izumi und Tai
können stereoselektive Reaktionen auch entsprech- end
den Gruppen oder Seiten, die bei der Reaktion unterschieden
werden, eingeteilt werden. Es gibt zwei verschiedene Klassen von stereoselektiven Reaktionen, die je drei Untergruppen enthalten:
•
Enantio-differenzierende
Reaktionen Enantiotope
Seiten-differenzierende
Reaktionen
O
O
OO
AlH
OMe
”Li“
O
H OH(S)
Si
(Si, S) = lk
Je nach dem, wie (mit welchen Topizitäten) die Reaktionspartner miteinander reagieren, wird die Reaktion mit like
(lk) oder unlike
(ul)
bezeichnet.
116
Enantiotope
Gruppen-differenzierende
Reaktionen
O
O
O
H
H
OCH3
HO
PhH
cat. Ph2BOTf
R
S
R
(S, R) = u
COOH
COO
H
H
H
PhOCH3
Enantiomer-differenzierende
Reaktionen (= kinetische Racematspaltung)
Et
PhHCOCl Et
PhCOClH
Me
tBuOHHS R R
(R,R) = l
Et
PhCOH
tBu
MeOH
Werden enantiotope
Gruppen bei der Reaktion unterschieden, dann verwendet man für like
nur ein kleines l
und für unlike
nur ein kleines u.
117
•
Diastereo-differenzierende
Reaktionen Diastereotope
Seiten-differenzierende
Reaktionen
O N
O
Me Ph
LiOCH3
H
PhCH2Br
Re
R
lk-1,4O N
O
Me Ph
OCH3
PhH
Diastereotope
Gruppen differenzierende Reaktionen
O
H
H
LDA / TMSCl
OTMS
SRe
Si ul-1,2H
Diasterereomer-differenzierende
Reaktionen
PhPh
Cl
ClPh
PhCl
Cl
Py / 200 °C
– HClPh
Ph
ClPh
PhCl
Cl+ +
118
4.2.
Ursachen der Selektivität •
Reaktionsthermodynamik und Reaktionskinetik liefern die Gründe für selektiv verlaufende Reaktionen.
•
Bei reversibel verlaufenden Reaktionen ist die Bildungsenthalpie
der verschiedenen Produkte für unterschiedliche Mengen isomerer
Produkte
verantwortlich.
•
Bei irreversibel verlaufenden Reaktionen spielen die Aktivierungs- energien
eine entscheidende Rolle.
4.2.1.
Kinetische und thermodynamische Kontrolle•
Eine Reaktion ist kinetisch kontrolliert, wenn sie so durchgeführt wird, dass das Produkt als Hauptprodukt isoliert wird, das sich am schnellsten bildet.
•
Eine Reaktion ist thermodynamisch kontrolliert, wenn sie so durchgeführt wird, dass sich das stabilste Produkt als Hauptprodukt bildet.
•
Kinetisch und thermodynamisch kontrollierte Reaktionen lassen sich in einem Reaktionsprofil veranschaulichen.
119
•
Reaktionsprofil für kinetische und thermodynamische Kontrolle:
E
PK
PT
ÜZT
ÜZK
#KΔG
#TΔG
KΔG
TΔG
#ΔΔG
ΔΔG
•
Unter thermodynamischer Kontrolle (reversible Reaktion) ist die Produktverteilung nur
abhängig von ΔΔG der Reaktion und damit von der
Gleichgewichtskonstante K.
•
Unter kinetischer Kontrolle (irreversible Reaktion) ist die Produktver- teilung
nur
abhängig von ΔΔG#.
120
•
Reaktionen, die sich entweder unter kinetischer oder unter
thermo- dynamischer Kontrolle durchführen lassen, sind nicht der Regelfall.
•
Nach dem Bell-Evans-Polanyi-Prinzip
besitzt eine Teilreaktion eine Aktivierungsenthalpie, die der Reaktionsenthalpie
proportional ist. Dies
ist bei den meisten Reaktionen der Normalfall. Aber auch hier
wird das Produktverhältnis bei irreversiblen Reaktionen durch ΔΔG#
bestimmt, während bei reversibler Reaktion ΔΔG maßgeblich ist.
E
P1
P2
ÜZ2
ÜZ1
#1ΔG
#2ΔG
1ΔG2ΔG
#ΔΔG
ΔΔG
Führt die schnellere Reaktion auch zum stabileren Produkt, dann spricht man von „Product
Development
Control“
121
4.2.2.
Kinetische und thermodynamische Kontrolle bei stereoselektiven Reaktionen
Diastereoselektive Reaktionen
•
Diastereoselektive Reaktionen können sowohl unter thermodynamischer Kontrolle als auch unter kinetischer Kontrolle durchgeführt werden. Bei irreversiblen Reaktionen entscheidet die Differenz der Aktivierungs-
energien
über die Produktverteilung (kinetische Kontrolle)
Reaktionsprofil bei diastereoselektiven Reaktionen. Das Produktverhältnis wird entweder durch ΔΔG oder durch ΔΔG#
bestimmt.
E
PK
PT
ÜZT
ÜZK
#KΔG
#TΔG
KΔG
TΔG
#ΔΔG
ΔΔG
122
•
Prinzipiell gibt es drei verschiedene Typen von diastereoselektiven Reaktionen:
a) Bei Reaktionen mit einfacher Diastereoselektivität
(engl.: simple diastereoselektivity)
reagieren zwei prochirale
Reaktionspartner
miteinander, wobei (mindestens) zwei Stereozentren gebildet werden, die zu zwei Diastereomeren
in unterschiedlicher Menge führen. Jedes
Diastereomer
entsteht als Racemat.
H
O OLi
OOH
OOH
OOH
OOH
•
Beispiel: Aldol-Reaktion
mit einfacher Diastereoselektivität
Hauptprodukt
123
b) Bei Reaktionen mit induzierter Diastereoselektivität
(engl.: single asymmetric
induction)
reagiert ein prochiraler
Reaktionspartner mit
einem chiralen
Reaktionspartner, wobei (mindestens) zwei Stereozentren gebildet werden, die zu zwei Diastereomeren
in
unterschiedlicher Menge führen. Jedes Diastereomer
kann als Racemat entstehen, wenn der chriale
Reaktionspartner als Racemat
eingesetzt
wird. Wird der chirale
Reaktionspartner enantiomerenrein
eingesetzt, dann entstehen die Produkte auch enantiomerenrein, sofern keine Racemisierung
unter den Reaktionsbedingungen abläuft.
•
Beispiel: Aldol-Reaktion
mit induzierter Diastereoselektivität
Reagenz-kontrolliert
H
OOLi
OTMS
Ph
OOTMS
OH
Ph
OOTMS
OH
Ph+
78 : 22
124
H
OOLi
OTMSO
OTMSOH O
OTMSOH
+
73 : 27
Substrat-kontrolliert
c) Bei Reaktionen mit doppelter Stereodifferenzierung
(engl.: double asymmetric
induction)
reagieren zwei chriale
Reaktionspartner
miteinander, wobei (mindestens) zwei Stereozentren gebildet werden, die zu zwei Diastereomeren
in unterschiedlicher Menge führen.
Werden die chiralen
Reaktionspartner enantiomerenrein
eingesetzt, dann entstehen die Produkte auch enantiomerenrein, sofern keine Racemisierung
unter den Reaktionsbedingungen abläuft.
125
Die „Chiralitäten“
der beiden Reaktionspartner können „zueinander passen“, d.h. die Diastereoselektivität wird durch die doppelte asymmetrische Induktion im Vergleich zur einfachen asymmetrischen Induktion verbessert. Dann spricht man vom matched-Fall.
Die „Chiralitäten“
der beiden Reaktionspartner können aber auch „nicht zueinander passen“, d.h. die Dieastereoselektivität
wird durch die
doppelte asymmetrische Induktion im Vergleich zur einfachen asymmetrischen Induktion verschlechtert. Dann spricht man vom mismatched-Fall.
Wird neben zwei enantiomerenreinen
Reaktionspartnern zusätzlich noch ein enantiomerenreiner
Katalysator verwendet, dann spricht man von
dreifacher Stereodifferenzierung
oder triple
asymmetric
induction.
H
O OLi
OTMS
Ph
OOTMS
OH OOTMS
OH
+
89 : 11
Ph Ph
•
Beispiel: Aldol-Reaktion
mit doppelter Stereodifferenzierung: matched-Fall
126
mismatched-Fall
H
O OLi
OTMSPh
OOTMS
OH
Ph
OOTMS
OH
Ph+
40 : 60
Reaktionsprofile:
E
PK
PT
ÜZT
ÜZK
Induzierte Diastereoselektivität
Matched-Fall
Mismatched-FallDoppelte Dia-
stereodifferenzierung
127
dc
ba
ktNebenproduktHauptprodu
⋅=
Für den mismatched-Fall
gilt dann: cd
ba
dc
ba
ktNebenproduktHauptprodu
⋅=÷=
•
Für das vorhergehende Beispiel ergeben sich folgende Werte:
matched: (78:22)⋅(73:27) = 105:11 (experimentell: 89:11)
mismatched: (73:27):(78:22) = 40:52 (experimentell: 40:60)
•
Die Übereinstimmung mit den experimentellen Werten ist akzeptabel.
Für den matched-Fall
gilt dann:
•
Man kann die Produktverteilung bei Reaktionen mit doppelter asymmetrischer Induktion aus den Produktverteilungen mit einfacher asymmetrischer Induktion näherungsweise
berechnen.
Produktverteilung bei substratkontrollierter einfacher asymmetrischer Induktion: a : b
Produktverteilung bei reagenzkontrollierter einfacher asymmetrischer Induktion: c : d
128
Enantioselektive
Reaktionen
•
Beispiel: Grignard-Addition
an Benzaldehyd
H
OMe-Mg-Br
Et2O / RT
H
O
H
O
H3CMgBr
H3CMgBr
OHH
CH3
OH
CH3
H
ÜZ 1
ÜZ 2
E
P1
ÜZ1
P2
ÜZ2
P1
P2
Warum entsteht hier ein Racemat?
Weil die Übergangszustände enantiomer
zueinander sind
und dieselbe Energie haben und ΔΔG = ΔΔG#
= 0 sind.
129
•
Für enantioselektive
Reaktionen braucht man deshalb ein enantiomerenreines
Reagenz, eine enantiomerenreine
Hilfsgruppe
(Auxilliar) oder einen enantiomerenreinen
(hier gibt es Ausnahmen!) Katalysator, damit die Übergangszustände, die zu den verschiedenen Enantiomeren
führen, diastereomer
werden. Ohne die chriale
Zusatzinformation wären die Übergangszustände enantiomer, hätten also dieselbe Energie und es würde ein Racemat
entstehen.
•
Enantioselektive
Reaktionen sind im entscheidenden Schritt immer diastereoselektiv!
E
E
ER*
R*
E
E
E /RT#ΔΔGeE −=∃#ΔΔG 0ΔΔG=
R* ist ein enantiomerenreines
Reagenz, ein enantiomerenreiner
Katalysator o.ä.
EE
130
•
Abhängigkeit von ee
oder de von der Temperatur und ΔG#
131
4.2.3.
Asymmetrische Induktion•
Das Prinzip, dass man durch bereits vorhandene „chirale
Information“
Enantiomere
und/oder Diastereomere
erzeugen kann, nennt man asymmetrische Induktion.
•
Ist die „chirale
Information“
im Substrat enthalten, dann spricht man von substratkontrollierter asymmetrischer Induktion
oder von interner
asymmetrischer Induktion. Diese Art der asymmetrischen Induktion kann auch durch eine vorübergehend eingeführte chirale
Gruppe (chirales
Auxilliar) erreicht werden. Dann spricht man gelegentlich auch von auxilliarkontrollierter
asymmetrischer Induktion. Je nach dem, wie viele
Atome zwischen dem induzierenden Zentrum und dem reaktiven Zentrum liegen, spricht man von 1,2-
oder 1,3-oder allgemein 1,n-
asymmetrischer Induktion.
•
Wird die „chirale
Information“
von einem Reagenz oder einem Katalysator auf das Substrat übertragen, so dass man ein chirales
Produkt erhält, dann spricht man von reagenzkontrollierter bzw. katalytischer asymmetrischer Induktion
oder externer asymmetrischer
Induktion.
132
1,2-asymmetrische Induktion bei nucleophilen
Additionen an Aldehyde
mit α-Stereozentren
(Felkin-Anh)
•
Das bereits vorhandene Stereozentrum an C2 induziert bevorzugt eine Konfiguration am neuen Stereozentrum an C1.
•
Man spricht auch von acyclischer
Stereokontrolle.
•
Ist einer der Substituenten
an C1 ein stark elektronenziehender Substituent
mit niedrig liegendem σ*-Orbital, so übernimmt dieser die
Rolle von RL
. (polares Fekin-Anh-Modell).
RL
O
H
RM RS
O
H
OH
H
RL
RM
RS
Nu
=̂ RL H
RM RS
NuHO
=̂ RL H
RM RS
OHNuRM
RS
RL
Nu
Nu
H
HO
RM
RS
RL
O
H
RL
RS
RM
Nu
133
1,2-asymmetrische Induktion bei nucleophilen
Additionen an Aldehyde
mit α-Stereozentren
(Cram-Chelat)
•
Das bereits vorhandene Stereozentrum an C2 induziert bevorzugt eine Konfiguration am neuen Stereozentrum an C1.
•
Die acyclische
Stereokontrolle
erfolgt hier im Chelatkomplex. Deshalb muss ein Substituent
an C1 zur Ausbildung eines Chelatkomplexes
mit
dem Carbonyl-O
fähig sein.
RL
O
H
RO RS
O
H
HRL
OR
RS
HONu
OH
H
RL
RO
RS
Nu
=̂ RL H
RO RS
OHNu
=̂ RL H
RO RS
OHNuRO
RS
RL
Nu
Nu
M
M = Mg2+; Zn2+; Al3+; Ce3+; Ti4+
O
H
RO
RS
RL
M
134
1,3-asymmetrische Induktion bei der Prasad-Narasaka-Reduktion
•
Bei β-Hydroxyketonen
induziert das Stereozentrum an C1 bei der Reduktion mit NaBH4
und Et2
BOMe ein neues Stereozentrum, so dass ein syn-1,3-Diol entsteht.
R1 R2
OH O
Et2BOMe
NaBH4
O
BO
R2
R1Et
EtHBHH
HH
”
“”
O
BO
R2
R1Et
EtH
”
H
H3O+
R1 R2
OH OH
•
Reduziert man β-Hydroxyketone
mit Me4
NBH(OAc)3
, kann kein Chelat auftreten und man erhält anti-1,3-Diole.
135
R1 R2
OH O BH(OAc)3–
H
BO
R2
R1OAc
OAcH
”O
BO
H
R1OAc
OAcHR2
H3O+
R1 R2
OH OH
O”
•
Weiteres Beispiel: Addition von Nucleophilen
an die Aldehydgruppe
von β-Hydroxyaldehyden.
136
1,4-asymmetrische Induktion bei Evans-Alkylierung
N O
OO
R1N O
OO
R1
LDALi
R2 XN O
OO
R1
R2
•
Eine gemischte 1,4-
und 1,5-Induktion tritt bei Evans-Aldolreaktionen
auf.
•
Das stereogene
Zentrum im Evans-Auxiliar
induziert das neue Stereozentrum am α-C zu Carbonylgruppe.
N O
OO
R1
1) Bu2BOTf
2) R2 H
O N O
OO
R1R2
OHEt3N
OO
B
R1
N
OO
Bu
Bu
137
Stereokontrolle bei cyclischen
Verbindungen
•
Um stereoseletive
Reaktionen bei Cyclohexanderivaten
zu untersuchen, braucht man im Cyclohexanderivat
eine „Ankergruppe“, die bewirkt, dass
nur eine von zwei stabilen Konformationen
eingenommen wird. Als Ankergruppe wird meist tBu
verwendet.
tBu
O
O
tBu
•
Bei Reaktionen an der Carbonylgruppe
von Cyclohexanonen
laufen reagenzkontrollierte Reaktionen ab. Je nach Größe des Reagenz erhält man entweder das thermodynamisch kontrollierte Produkt oder das kinetisch kontrollierte Produkt. Das thermodynamisch kontrollierte Produkt entsteht durch Angriff aus axialer Richtung, während das kinetisch kontrollierte Produkt durch Angriff aus equatorialer
Richtung
entsteht.
tBu
OH
H
HH
H
BH
H HH
tBu
H
H
HH
HOH
HH H
138
tBu
OH
H
HH
H
BH tBu
H
H
HH
HOH
HH H
•
Für α-substituierte
Cyclohexanone
führt die Anwendung der Cram´schen Regel oder die Betrachtung nach Flekin-Anh
zu falschen Ergebnissen.
Besser geeignet: Betrachtung der sterischen
Hinderung bei Angriff aus axialer oder equatorialer
Position.
OH
CH3
HH
H
AlH
H HH
”
H
CH3
HH
HOH
HH H
OCH3
H
HH
HH3C
H3C BH
O
OO
CH3
H
HH
HOH
HH3C
H3C
”H H
139
•
Für Cyclohexanepoxide
gilt generell: Angriff erfolgt selektiv an dem C, das ein bis-axiales
Produkt über einen sesselförmigen ÜZ ergibt
(kinetische Kontrolle), das dann zum bis-equatorialen
Produkt umklappt (falls möglich!!!).
E
PK
PT
ÜZT
ÜZK
tBuO =̂
tBuH
Nu”Nu
H
tBu
tBuH
Nu”
a
bHO
Nu
tBu
H
c
H
tBu
HO
Nu
O OH
O
140
4.3.
Möglichkeiten zur EPC-Synthese•
EPC-Synthese
= Synthese von Enantiomerically
Pure Compounds
•
Um enantioselektive
Reaktionen mit einem prochiralen
Molekül durchführen zu können, benötigt man „chirale
Information“
in Form
enantiomerenreiner
Hilfsgruppen (Chirale
Auxilliare) oder enantiomeren- reiner
Katalysatoren (Achtung! Es gibt Ausnahmen!!!).
•
Um diastereoselektive Reaktionen mit prochiralen
Molekülen durchführen zu können, benötigt man keine enantiomerenreinen
Hilfsgruppen oder Katalysatoren. Diastereoselektive Reaktionen funktionieren auch racemisch! Will man aber diastereoselektive Reaktionen durchführen, die zu enantiomerenreinen
Produkten führen,
dann muss man entweder von einem bereits enatiomerenreinen
Edukt ausgehen oder enantiomerenreine
Hilfsgruppen oder enantiomerenreine
Katalysatoren verwenden.
•
Um enantiomerenreine
Verbindungen zu erhalten, kann man auch ein Racemat
in Enantiomere
auftrennen. Dies kann entweder durch
klassische Trennverfahren erreicht werden oder durch kinetische Racematspaltung.
141
•
Übersicht über die Möglichkeiten, enantiomerenreine
Verbindungen herzustellen
katalytisch
EPC- Synthese
Racemische
Synthese und Racemattrennung
Chiral-Pool-
Synthese
Asymmetrische
Synthese
stöchiometrisch
Chirale
Liganden
und Katalysatoren
Chirale
Auxilliare
142
4.3.1. Chiral
Pool-Synthese•
Zur Synthese von enantiomerenreinen
Substanzen greift man auf
Naturstoffe (Chiral
Pool oder Chiralitiy
Pool) zurück, die Ähnlichkeit mit einer Teilstruktur der zu synthetisierenden Substanz aufweisen und dieselbe Konfiguration besitzen!
•
Durch diastereoselektive Reaktionen wandelt man dieses Ausgangs- material in das Zielmolekül um.
Terpenoide
•
Gelegentlich sind die Chiral-Pool-Chemikalien
nicht ganz enantiomeren- rein. Deshalb muss man in der Praxis die Enantiomerenreinheit
der
verwendeten Substanz überprüfen, bevor man sie für eine Totalsynthese einsetzt!
R-Citronellol
S-Citronellol
R-Citronellal
S-Citronellal
R-Linalool
S-Linalool
Zitronenöl Rosenöl Zitronenöl Rosenöl Lavendel Koriander
OH OH
HO OH
CHOCHO
143
(–)-Menthol (–)-Menthon
R-Limonen S-Limonen R-Pulegon
R-Carvon
S-Carvon
Pfefferminze Pfefferminze
Orangen Mandarinen Pfefferminze Pfefferminze
Kümmel
α-Pinen
(+)-Verbenon
3-Caren Campher
exo-Borneol
endo-Borneol
Kümmel Fichtennadeln Pfeffer Campherbaum
Lavendel Lavendel
OH O
O
O
O
OOH
OHO
•
Für einige Terpene
existiert nur ein natürliches Enantiomer, so dass man nicht immer alle benötigten Ausgangssubstanzen aus Terpenen
gewinnen kann.
•
Gelegentlich sind Terpene
„zu groß“, d.h. man muss sie durch gezielte Abbaureaktionen anpassen.
144
•
Beispiel 1 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von (+)-Juvabion
B. A. Pawson
et al., J. Am. Chem. Soc.
92, 336-343 (1970).
COOMe
HO
H
1) Sia2BH
2) NaOH / H2O2
OH
1) TsCl / Py
2) NaCN
CN
Li
THF / –78°C
H H
H
H
H
H
H
O
1) O2 / hν
Sens.
2) KI / AcOH
H
H
O
OH CrO3 / H2SO4
AcOH / PhH
CHO
H
H
O
1) Ag2O / NaOH
2) CH2N2
COOMe
H
H
O
44% 86%76%
25%33%
10%
145
•
Beispiel 2 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von Rapamycin
•
K. C. Nicolaou
et al. Chem. Eur. J.
1, 318-333 (1995).
OH1) NaH / CS2
MeI
2) 240 °C
1) mCPBA
2) H2O / H+
OHOH
1) Pb(OAc)4
2) Jones
O OH
OH
OMe
O
OH
N
O
O
OH
O
O
OH
OMe
OH
H
Stille
Stille
Amid-Knüpfung
Veresterung Aldol
Aldol
OMe
OH
146
D-Erythrol
D-Threitol
D-Xylitol
D-Mannitol
O
HO OH
HO OHO
HO OH
HO OHO
HO OH
HO OH
D-Xylose
D-Arabinose
D-Ribose
Kohlenhydrate
O
HO OH
HO
HO
OHO
HO OH
HO
HO
OHO
HO OH
HO OHO
HO OH
HO OH
OH
D-Glucose D-Galactose
L-Rhammnose
D-Fructose
•
Nachteil bei Zucken: oft „überfunktionalisiert“, so dass man im Laufe der Synthese funktionelle Gruppen entfernen muss.
HO OHOH
OH
OHHO
OH
OH
OH
HOOH
OH
OH
HOOH
OHOH
OH
OH
1) AcetonZnCl2
2) Pb(OAc)4 O
OOH
D-Glycerin-
aldehyd-
acetonid
147
•
Beispiel 3 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von Rapamycin
•
K. C. Nicolaou
et al. Chem. Eur. J.
1, 318-333 (1995).
OH
OHOH
OH OH
OH
1) Ph-CHO / H+
2) NaH / MeI
3) H2 / Pd/C
4) TPSCl / ImH
OTPS
OMeOH
MeO OH
TPSO
Pb(OAc)4OTPS
OMe
O
H
OH
OMe
O
OH
N
O
O
OH
O
O
OH
OMe
OH
H
OH
OHOH
OH OH
OH
Stille
Stille
Amid-Knüpfung
Veresterung Aldol
Aldol
OMe
148
L-Alanin
L-Valin
L-Leucin
L-Isoleucin
L-Serin
L-Threonin
L-Tryptophan
L-Prolin
Aminosäuren
L-Glutaminsäure L-Asparaginsäure
L-Hydroxyprolin
L-Phenylalanin
L-Thyrosin
•
Bei Aminosäuren tritt gelegentlich auch „Überfunktionalisierung“
auf.
COOH
NH2
COOH
NH2
COOH
NH2
COOH
NH2
COOH
NH2
HOCOOH
NH2
OH
COOH
NH2
N COOH
H
HO
COOHHOOC
NH2
COOHHOOC
NH2
COOH
NH2HO
N COOH
HNH
COOH
NH2
•
Problem: die entsprechenden D-Aminosäuren sind meist nicht erhältlich.
149
•
Beispiel 4 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von (S)-Ipsenol
K. Mori
et al. Tetrahedron
Lett.
35, 933-940 (1979).
OH
COOH
NH2
COOH
NH2
NaNO2 / HCl
H2O / 0 °C
COOH
OH
DHP / H+COOH
OTHP
EtOH / DCC
DMAP
COOEt
OTHP
1) LiAlH4
2) TsCl/Py OTHPOTs
1) H+ / H2O
2) KOHO
BrMg
OH
•
Beispiel 5 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von Biotin
(Vitamin H)
N N
S
O
COOH
HHCOOH
NH
SH
H
•
E. G. Baggiolini
et al. J. Am. Chem. Soc. 104, 6460-6466 (1982).
150
COOHHOOC
OH
OH
COOHHOOC
OH
COOH
OHCOOH
OH
Weinsäure Äpfelsäure Milchsäure Mandelsäure
Hydroxysäuren
•
Beispiel 6 für Chiral-Pool-Synthese: Totalsynthese von (-)-Lasonolid
A
O
OHO
OH
O
O
O
OH
O
Julia-Lythgoe Wittig
Julia-Lythgoe
Still-GennariStille
HO COOH
O
OH
•
E. Lee et al. J. Org. Chem.
68, 8080-8087 (2003).
151
COOEt
EtOOC
HO BH3-SMe2
NaBH4 EtOOC
HOOH 1) Bu2SnO
Δ / –H2O
2) BnBr nBu4NI EtOOC
HOOBn
Me3Al
MeNHOMe
HOOBn
O
NOMe
MgBr1)
2) Et3B / MeOHNaBH4
HOOBn
HO
1) MeOOMe
OMe
CSA
2) DIBALH
HOOBn
PMBO
COOEt1)NEt3
2) DDQ / CH2Cl2 H2O
OOBn
HOEtOOC Br SiMe2Br
Et3N / DMAP
OOBn
OEtOOC
SiBr
Bu3SnH
AIBN
1) LiBH4
2) PivCl / DMAP
3) H2O2 / KF
O
OHHO
OBn
H
O
BnO
E
O
H
Si
•
OEtOOC OBn
OSi
PivO
•
E. Lee et al. J. Org. Chem.
68, 8080-8087 (2003).
152
•
E. Lee et al. J. Org. Chem.
68, 8080-8087 (2003).
HOOCCOOH
OHO1) / BF3OEt2
2) BH3-SMe2
3) TBDMSCl / ImH
OO
OOTBDMS
OH
NaHMDS
1)
2) TBDMSCl / ImH
3) Py-HF
O
O
OTBDMS
OHNN
NN
PhSH
1)
PPh3 / DIAD2) (NH4)6Mo7O24
H2O2
O
O
OTBDMS
S
N NN
N
PhO O
153
4.3.2. Chirale
Auxilliare•
Will man aus prochiralen
Verbindungen enantiomerenreine
Verbindungen synthetisieren, dann kann man durch die geeignete Einführung eines enantiomerenreinen
chiralen
Auxilliars
die prochiralen
Edukte
vorübergehend
chiral
machen, so dass man mittels distereoselektiver
Reaktionen ein neues Stereozentrum (allgemein eine
neues stereogenes
Element) aufbauen kann. Danach kann man das chirale
Auxilliar
wieder abspalten.
•
Chirale
Auxilliare
leiten sich oft von Substanzen aus dem Chiral
Pool ab, es gibt aber auch chirale
Auxilliare, die sich nicht von natürlichen
Verbindungen ableiten.
•
Wichtig: Chirale
Auxilliare
sollten in beiden Konfigurationen
erhältlich sein, so dass man je nach Wunsch die Reaktion in die eine oder andere Richtung lenken kann.
•
Chirale
Auxilliare
werden oft auch als Liganden
für chirale Metallkatalysatoren eingesetzt. Für metallkatalysierte asymmetrische
Synthesen werden jedoch zunehmend nicht-natürliche Liganden „massgeschneidert“.
154
Chirale
Auxilliare
aus Aminosäuren
•
Viele wichtige chirale
Auxilliare
leiten sich von Aminosäuren ab, z.B. Evans-Auxilliare
oder Enders-Auxilliare.
Ala Phe
Val tLeu
Norephedrin
•
Evans-Auxilliare
werden bevorzugt für Enolat-Alkylierungen
und Aldol- Reaktionen
eingesetzt, aber auch α-Hydroxylierungen
von Enolaten
oder
α-Halogenierungen
werden durchgeführt.
Evans-
Oxazolidinone
Aminosäure-
vorstufe
O N H
O
O N H
O
O N H
O
O N H
O
O N H
O
Ph
O NH2
HO
O NH2
HO
O NH2
HO
O NH2
HO
HO NH2
Ph
155
•
Synthese von Evans-Auxilliaren
O NH2
HO
BF3·OEt2
BH3·SMe2
HO NH2 EtO–COOEt
K2CO3
O N H
O
Analog funktionieren die Synthesen der anderen Evans-Auxilliare.
•
Verbesserungen von Crimmins: Thioderivate
HO NH2 Cl2C=S
NEt3 / CH2Cl2
O N H
S
HO NH2 5 eq. CS2
KOH / H2O
S N H
S
156
•
Beispiel Evans-Auxilliare: Totalsynthese von Ionomycin
•
D. A. Evans et al. J. Am. Chem. Soc.
112, 5290-5313 (1990).
OOHHH
OH
OH
OH OHO
O
OO
N O
O LDA / THF / –78 °C
Ph Br
O
N O
O
Ph
99% ee
O
N O
O LDA / THF / –78 °C
Ph Br
O
N O
O
Ph1) LiAlH4 / THF
2) MeSO2Cl / Et3N
3) NaI / Aceton99% ee
IPh
O
N
LiO
K
Ph
O
N
OH
157
•
Enders-Auxilliare
leiten sich von Prolin
(S) bzw. von Glutaminsäure (R) ab.
NH
OCH3
NH
OCH3
NNH2
OCH3
NNH2
OCH3
SMP RMP SAMP RAMP
Synthese von SAMP aus S-Prolin
Analog kann man RAMP aus R-Prolin
erhalten.
NH
COOH
1) LiAlH4
2) HCOOMe NCHO
OH 1) NaH / MeI
2) KOH / H2O NH
OMe
1) KOCN
2) KOCl / KOH NNH2
OMe
EtONO
NNO
OMeLiAlH4
158
Synthese von RAMP aus R-Glutaminsäure
HOOC COOH
NH2 H2O
100 °C
NH
O COOH
1) CH2N2
2) LiAlH4NH
OH
EtONO
NNO
OH 1) NaH / MeI
2) LiAlH4NNH2
OMe
•
Beispiel Enders Auxilliare: Totalsynthese von Callystatin
A
O
O
O OH
O
HOTBDMS BnO
O O
H
D. Enders et al. Chem. Eur. J.
8, 4272-4284 (2002).
aus
SAMP aus
SAMP
159
Chirale
Auxilliare
aus Terpenoiden
•
Die wichtigsten chiralen
Auxilliare
in der Terpen-Reihe
sind Menthol und Phenylmenthol. Phenylmenthol
leitet sich von Pulegon
ab. Menthol und
Phenylmentol
sind brauchbare chirale
Auxilliare
für viele Diels-Alder- Reaktionen.
OH OH
Ph
HO
Ph
HO
•
Beispiel 1 Terpen-Auxilliare: Totalsynthese von Mniopetal E
OO OH
CHOHO
HO
H
O
O
OTBDPSO
OH
(+)-Menthol (-)-Menthol (-)-Phenylmenthol
(+)-Phenylmenthol
J. Jauch et al. Synlett
87-89 (2001).
Feringa-Butenolid
160
•
Beispiel 2 Terpen-Auxilliare: Feringa-Butenolide
OO OH(-)-Menthol
cat. TsOH OO O(-)-Menthol OO O(-)-Menthol+
Umkristallisieren aus Hexan
OO OH(+)-Menthol
cat. TsOH OO O(+)-Menthol OO O(+)-Menthol+
Umkristallisieren aus Hexan
•
Die jeweils weniger stabilen Feringa-Butenolide
sind unter bestimmten Bedingungen „schaltbar“.
OO O(+)-Men
Reaktion 1
OO O(+)-Men
R1 R2 Konfiguration
"umschalten" OO O(+)-Men
R1 R2Reaktion 2
OO O(+)-Men
R1 R2R3
R4
161
Chirale
Auxilliare
aus Hydroxysäuren
•
Als chirale
Auxilliare
werden häufig Milchsäure, Äpfelsäure, Mandelsäure oder Weinsäure und davon abgeleitete Verbindungen eingesetzt.
COOH
OH
COOH
OH
COOH
OHHOOC
COOH
OHHOOC
HO
Milchsäure Mandelsäure Äpfelsäure Weinsäure
•
Beispiel: chirale
Essigsäureester mit HYTRA (HYdroxy-TRiphenyl-Acetat) für enantioselektive
Aldoladditionen.
O
O
Ph
OH
PhPh
1) LDA
2) MgBr2
O
O
Ph
OH
PhPh
BrMgR1 H
OO
O
Ph
OH
PhPhR1
OH
–135 bis –120 °C
HYTRA lk-Angriff
•
(+)-
und (-)-Diethyltartrat
für Sharpless-Epoxidierung! (vgl. OC 07).
162
Chirale
Auxilliare
aus Kohlenhydraten
•
Prinzipiell werden ähnliche Kohlenhydrate eingesetzt, wie sie auch für Chiral-Pool-Synthesen
eingesetzt werden.
•
Bei chiralen
Auxiliaren
auf Kohlenhydratbasis spielt die Überfunktionali- sierung
keine Rolle, weil das chirale
Auxiliar
ja nicht im Molekül verbleibt.
O
OO
O
OOH O
OH
OAc
AcOAcO
AcOO
OO
O
O
O
O
O
O
O
HOH
O
abgeleitet von:
D-Fructose D-Glucose D-Glucose
D-Galactose
163
•
Beispiel 1 Zucker-Auxilliare: asymmetrische Ugi-Reaktion
O NH2OPiv
OPivPivO Ph-CHO
tBu–NC
HCOOHZnCl2 / THF–25 °C
O NHOPiv
OPivPivO
NHtBu
O
PhOHC
dr
= 93 : 7
•
Beispiel 2 Zucker-Auxilliare: asymmetrische Enolatalkylierung
O
OO
O
O
O
tBu
O
LDA / THF
–90 °C
O
OO
O
O
O OLi
tBu HCH3I
CH3I
–95 °C
O
OO
O
O
O
tBu
O
HH3C
164
4.3.3. Chirale
Reagenzien•
Chirale
Ausgangsverbindungen aus dem „Chiral
Pool“
und Chirale
Auxilliare
ermöglichen substratkontrollierte stereoselektive Reaktionen, bei denen intramolekular neue stereogene
Zentren induziert werden
(interne asymmetrische Induktion).
•
Chirale
Reagenzien übertragen Chiralität
von außen auf das Substrat. Sie ermöglichen reagenzkontrollierte stereoselektive Reaktionen, bei denen intermolekular
neue stereogene
Zentren induziert werden (externe
asymmetrische Induktion).
Chirale
Reduktionsmittel
•
Es gibt zahlreiche Reagenzien, die als chirale, enantiomerenreine Reduktionsmittel in stöchiometrischer
Menge eingesetzt werden.
Vorteilhaft dabei ist, dass sich einige dieser Reagenzien recyclen
lassen.
OO
AlOEt
H
”Li“O
OAl
H
H
”Li“OH
OH
LiAlH4EtOH
BINAL-H (Noyori)
165
•
Alpine-Boran
(engl. Alpha-Pinene
= Alpine) ist sehr gut geeignet für die Reduktion von Propargylketonen.
Alpin-Boran
(Midland-Reduktion)
•
Diisopinocampheylchlorboran
ist gut für die Reduktion aller Ketone geeignet.
DIP-Cl
(Diisopinocampheylchlorboran
Ipc2
BCl)
1) BH3–SMe2
2) HCl
Me
B
H
Cl
H Me
H
MeH
Me
B
H
9-BBN
M
H
Man kann damit auch chemoselektiv Aldehyde
neben anderen reduzier- baren
Gruppen (Ketone, Ester, Säurechloride, Alkylhalogenide, Alkene
und Alkine) reduzieren.
166
Chirale
Oxidationsmittel
Davis-Oxidation•
Bei der Davis-Oxidation werden Enolate
in α-Hydroxy-Carbonyl-
verbindungen
überführt. a) Achirale
Variante:
•
Chirale
Varianten (Oppolzer):
R1R2
O
LDA
oder LiHMDS
R2R1
OLi
N
O
SO2Tol PhR2
R1
O
N
O
SO2 TolPh
Li
NSO2 TolPh
O Li
R2
R1 O
H3O+ R1 R2
HO ON
SO2 TolPh
N
O
N
O
Cl
ClN
O
OMe
OMeN N N
SO2 SO2 SO2
167
4.3.4. Chirale
Katalysatoren•
Chirale
Reagenzien werden zunehmend durch chirale
Katalysatoren
ersetzt.
•
Chirale
Katalysatoren übertragen ihre Chiralität
in diastereomeren Übergangszuständen bei enantioselektiven
Reaktionen auf prochirale
Ausgangsmaterialen (externe
asymmetrische Induktion).
Lewis-Säure-Katalysatoren•
Chirale, enantiomerenreine
Lewis-Säure-Katalysatoren werden häufig für
Diels-Alder-Reaktionen, En-Reaktionen, Mukaiyama-Aldol-Reaktionen, Michael-Additionen usw. eingesetzt. Allgemein häufig bei Reaktionen, an denen Carbonylverbindungen
(als Lewis-Base zur Koordination mit der
Lewis-Säure) beteiligt sind.2+
OO
AlH3C
TBDPS
TBDPS
NN
O O
N
Ph PhCu
2 SbF6”
O
O
Ph
Me OTi
O
Ph Ph
Ph Ph
Cl
Cl
BINOL-Komplex
PyBOX-Komplex
TADDOL-Ti-Komplex
168
Brönstedt-Säure-Katalysatoren•
Chirale, enantiomerenreine
Brönstedt-Säure-Katalysatoren
werden
häufig für Diels-Alder-Reaktionen, Aldol-Reaktionen, Michael-Additionen usw. eingesetzt. Allgemein häufig bei Reaktionen, an denen Carbonylverbindungen
(als Brönstedt-Base
zur Ausbildung von
Wasserstoffbrückenbindungen mit der Brönstedt-Säure) beteiligt sind.
OO
PO
HON
MeO
OH
NHH “ Cl ” Ph N
ON N
Ph
H H
S
Brönstedt-Base-Katalysatoren•
Chirale, enantiomerenreine
Brönstedt-Base-Katalysatoren
werden häufig
für Aldol-Reaktionen, Michael-Additionen, Epoxid-Öffnungen, enantioselektive
Deprotonierungen
usw. eingesetzt. Allgemein häufig bei
Reaktionen, an denen ein Substrat in deprotonierter
Form eingesetzt wird.
Ln
O
OO
O
O O
LiLi
Li
*
**
N N
Li N N
169
Organo-Katalysatoren
•
Chirale, enantiomerenreine
Organo-Katalysatoren
werden häufig für Aldolreaktionen, Michael-Additionen, Friedel-Crafts-Alkylierungen
usw.
eingesetzt.
NH
COOHNH OTMS
PhPh
N
N
O
Ph
Me
H
•
Zu den am häufigsten eingesetzten Oragno-Katalysatoren
zählen Prolin- Derivate
(Jørgensen), Imidazolinone
(McMillan), aber auch die chiralen
Bröntedt-Säuren, Brönstedt-Basen
und einige synthetische Peptide.
•
Viele Organokatalysatoren
wurden nach dem Vorbild von Thiamin (Vitamin B1
) entwickelt: N-Heterocyclische
Carbene
NHC.
N
SH
HO
N
N
“
Cl”
– HCl
N
S
HO
N
N
N N
NPh
Ph
Ph
Thiamin
Enders-Carben
170
Übergangsmetall-Katalysatoren•
Chirale, enantiomerenreine
Übergangsmetall-Katalysatoren werden
häufig für asymmetrische Hydrierungen, asymmetrische Kreuzkupplungen, asymmetrische Olefinmetathese, asymmetrische Hydroformylierungen, asymmetrische Oxidationen usw. eingesetzt.
•
Die Übergangsmetall-Komplexe werden durch enantiomerenreine Liganden
chiral! (Das Metall ist nicht asymmetrisch substituiert!)
•
Wichtigste Liganden
für Übergangsmetallkatalysatoren:
N
O
N
O NN
O O
N
BOX-Liganden
•
BOX-Liganden
(BisOXazoline) z.B. für metallkatalysierte Michael- Additionen und Diels-Alder-Reaktionen.
171
OHNMe2
OHN O
O
O PPh2
PPh2
H
H
PPh2
PPh2
PPh2
PPh2 PPh2
PPh2
BINAP Chiraphos
DIOP Norphos
DIPAMP DAIB MIB
P P
OMe
MeO
HO NBu2
Ph Me Ph Me
HO NMe2
NN
OH HO
DBNE NME Salen
172
4.4. Nicht-lineare Effekte NLE•
Kangan
et al. führten 1986 Sharpless-Epoxidierungen
mit nicht
enantiomerenreinem
(+)-Diethyltartrat
(0%<eeDET
<100%) durch. Das erhaltene Epoxid
entstand mit ee-Werten, die größer waren als der ee
des eingesetzten Diethyltartrats.
•
Positiver Nicht-Linearer Effekt (+)-NLE: ee(Produkt) > ee(Kat.)
•
Negativer Nicht-Linearer Effekt (-)-NLE: ee(Produkt) < ee(Kat.)
•
NLEs
sind ein Spezialfall von Diastereomeren
Wechselwirkungen. Diese treten auf, wenn Enantiomere
homochirale
und/oder heterochirale
Dimere
oder Oligomere
bilden.•
Dies führt dazu, dass Racemate
und enantiomerenreine
Verbindungen
oft (nicht immer) unterschiedliche skalare
physikalische Eigenschaften haben (z.B. Schmelzpunkt, Siedepunkt, Löslichkleit, Dampfdruck usw.).
•
Racemate
haben oft auch andere Kristallstrukturen als enantiomeren- reine
Verbindungen. Dadurch ergeben sich verschiedene
Kristallisationsmöglichkeiten: Racemate
kristallisieren als Mischkristalle oder als Mischung von enantiomerenreinen
Kristallen
(vgl. Pasteur oder
(-)-Menthol-Synthese von Haarmann & Reimer).
173
•
Beispiel: Sublimation von α-Trifluormethyl-Milchsäure
COOH
OHH3C
F3C
Sublimation
1 bar / RT COOH
OHH3C
F3CCOOH
OHH3C
F3C
80% ee
(S) Rückstand: > 99% ee
(S) Sublimat: 0% ee
Schmelzp. 110 °C Schmelzp. 88 °C
•
Erklärung: RS-Dimere
(Wasserstoffbrückenbindungen!, heterochiral) sind leichter flüchtig als SS-Dimere
(homochiral). RS und SS sind
Diastereomere, die unterschiedliche Eigenschaften haben und sich trennen lassen.
•
Deshalb muss man zur Erklärung von NLEs
die Bildung heterochiraler und homochiraler
Dimere
oder Oligomere
des Katalysators
berücksichtigen.
•
NLE bei der Sharpless-Epoxidierung
OH
R1
R2
R3
Ti(OiPr)4 / L(+)-DET / tBuOOH
OH
R1
R2
R3O
174
Zur Erklärung des (+)-NLE muss man annehmen, dass der heterochirale
dimere
Ti-Komplex
stabiler
und weniger reaktiv ist
als der homochirale
dimere
Ti-
Komplex. Dann wird die Reaktion überwiegend durch den homochiralen
Komplex katalysiert,
was zu höheren ee-Werten
führt, als man auf Grund des ee-Werts
vom Tartrat
annehmen sollte.
Ti
iPrO
O
O OiPrO O
EtO H
Ti OO
O
E
H
H
E
tBu
R2
R3
Ti
iPrO
O
O OiPrO O
EtO H
Ti OO
O
H
E
E
H
tBu
R2
R3
homochiraler
dimerer
Ti-Komplex heterochiraler
dimerer
Ti-Komplex
175
•
Die Erklärung für den NLE bei der Sharpless-Epoxidierung
konnte mittlerweile durch Berechnungen der Komplexe gestützt werden.
•
Inzwischen wurden NLEs
bei vielen katalytischen Reaktionen beobachtet, z.B. bei Michael-Additionen, Allylierungsreaktionen
von
Aldehyden, Aldol-Reaktionen, Mannich-Reaktionen, Diels-Alder- Reaktionen, Pd-katalysierte
allylische
Substitutionen, Cyanhydrin-
Bildungen, Epoxidöffnungen, Sulfid-Oxidationen, Scheffer-Weitz- Reaktionen, katalytische Hydrierungen, in der Organokatalyse, Julia-
Colonna-Epoxidierungen, und viele weitere Reaktionen. Vgl. hierzu H. B. Kagan
et al. Angew. Chem. 121, 464-503 (2009).
176
4.5. Kinetische Racematspaltung
•
Bei einer kinetischen Racematspaltung
(engl. kinetic
resolution) reagieren die zwei Enantiomere
eines Racemats
unterschiedlich schnell
mit einem Reagenz.
A und A‘
sind Enantiomere und bilden ein Racemat. B ist
eine achirale
Verbindung. Ergebnis nach ≈
50% Umsatz:
A ist (fast) vollständig in B überführt und A‘
kann als (fast)
reines Enantiomer
isoliert werden.
A und A‘
sind Enantiomere und bilden ein Racemat. C
und C‘
sind Enantiomere. Ergebnis nach ≈
50% Umsatz:
A ist (fast) vollständig in C überführt und A‘
kann als (fast)
reines Enantiomer
isoliert werden.
4.5.1. Kinetische Racematspaltung
•
Es gibt drei Arten von kinetischer Racematspaltung: a) (einfache) kinetische Racematspaltung, b) dynamische kinetische Racematspaltung
und c) parallele kinetische Racematspaltung.
kAB
>> kA‘BkAC
>> kA‘C‘
A
A'
kACC
kA'C' C'
A
A'
kABB
kA'BB
177
•
Kinetische Racematspaltungen
werden nur bis ca. 50% Umsatz durchgeführt. Eines der enantiomeren
Edukte
A und A‘
geht
verloren. Maximale Ausbeute: 50%.
•
Die Effizienz einer kinetischen Racematspaltung
wird durch den Selek- tivitätsfaktor
s beschrieben, der den Quotienten der Geschwindigkeits-
konstanten der beiden konkurrierenden Reaktionen darstellt. Brauchbare kinetische Racematspaltungen
sind meist erst ab s > 100 möglich.
•
Beispiel: Lipase-katalysierte
kinetische Racematspaltung
von Propargylalkoholen.
OH OAc
Lipase / H2O
OH OAc
47%, 93% ee
53%, 82% ee
A. L. M. Porto et al., Tetrahedron
Asymm. 2004, 15, 3117-3122.
•
Lipasen
oder Esterasen können auch zur kinetischen Racematspaltung von Carbonsäuren, Estern, Diolen, Lactamen, Aminoalkoholen
und auch
Aminen verwendet werden.
178
•
Nach dem Erfolg der enzymatischen
kinetischen Racematspaltung wurden auch zahlreiche nicht-enzymatische
Methoden entwickelt.
•
Klassisches Beispiel: Sharpless-Epoxidierung
OH Ti(OiPr)4
(+)-DIPT
tBuOOH
OH OHO
53%, 80% ee
47%, >98% ee
K. B. Sharpless
et al., J. Am. Chem. Soc. 1988, 110, 2978-2979.
•
Es sind inzwischen zahlreiche weitere Methoden entwickelt worden, um nicht-enzymatisch
Racemate
zu spalten.
•
Weiteres Beispiel: kinetische Racematspaltung
von Epoxiden.
O
ClCH2
(R,R)-(salen)CrN3
0,5 eq. TMS-N3
OO
ClCH2ClCH2
TMSO N3
E. N. Jacobson
et al., Tetrahedron
Lett. 1999, 40, 7303-7306.
47%, 95% ee
179
•
Problem bei der einfachen kinetischen Racematspaltung: man kann nicht den ee
beider
Produkte gleichzeitig optimieren. Der ee
des entstehenden
Produkts ist um so größer, je kleiner der Umsatz ist und wird kleiner, je mehr sich der Umsatz der 50%-Grenze nähert. Der ee
des zurück-
bleibenden
Edukts
ist um so größer, je größer der Umsatz wird und wird größer, je weiter der Umsatz über die 50%-Grenze hinaus geht.
•
Bei einer parallelen kinetischen Racematspaltung
(engl. parallel kinetic resolution) reagieren die zwei
Enantiomere
eines Racemats
etwa gleich
schnell
zu zwei nicht-enantiomeren
Produkten.
4.5.2. Parallele Kinetische Racematspaltung
A
A'
kAB BkA'C C
kAB
≈
kA‘C
•
Wichtige Voraussetzung: 1) man muss zwei
Reagenzien X und Y finden, von denen X (fast) nur mit A und Y (fast) nur mit A‘
reagiert oder 2) man
muss ein Reagenz finden, das jedes einzelne Enantiomer
in ein anderes Produkt überführt (= stereospezifische Reaktionen durchführt).
180
•
Beispiel für 1): Parallele kinetische Racematspaltung
mit zwei pseudoenantiomeren
Reagenzien
E. Vedejs
et al., J. Am. Chem. Soc. 1997, 119, 2584-2585.
OH
N
N
OOCl3C
tBu
OMe“ Cl”
O
O
O CCl3
O
O
O
N
N
OO
tBu
OBn“ Cl”
49 %
88 % ee
49 %
95 % ee
a) s = 41
b) s = 42
matched
mismatched
181
•
Beispiel für 2): Parallele kinetische Racematspaltung
mit einem einzigen Reagenz
O
O
Acinetobacter
TD63
OO
OO
•
Hier wird das S,S-Enantiomer
in ein anderes Regioisomer
überführt als das R,R-Enantiomer
(regiodivergente
stereospezifische Reaktionen).
R. J. Furstoss
et al., J. Org. Chem. 1992, 57, 1306-1309.
182
•
Nachteil von einfacher kinetischer Racematspaltung
und paralleler kinetischer Racematspaltung: die Ausbeute am gewünschten Enantiomer
beträgt maximal 50%.
•
Bei der dynamischen kinetischen Racematspaltung
racemisieren
die beiden enantiomeren
Edukte
schneller
als sie zu enantiomeren
Produkten abreagieren. Außerdem reagiert ein Enantiomer
des Edukts schneller ab als das andere. Auf diese Weise sind 100% des
gewünschten Produktenantiomers
mit (theoretisch) 100% ee
erhältlich.
4.5.3. Dynamische Kinetische Racematspaltung
A
A'
kAC C
kA'C' C'
krac
s ≥
30 (kAC
≥
30 kA‘C‘
)
krac
> kAC
(besser: krac
≥
10 kAC
)
•
Die Kunst besteht darin, Reagenzien zu finden, die eines der Enantio- mere
unter den Bedingungen des Racemisierungsgleichgewichts
schneller umsetzten als das andere Enantiomer.
183
•
Beispiel 1. Dynamische kinetische Racematspaltung
Hier verläuft die Reaktion zusätzlich noch diastereoselektiv. K. Noyori
et al. Bull. Chem. Soc. Jpn. 1995, 68, 36-55.
OH O
O
NHBz
[R-BINAP]Ru(OAc)2
NaOH / H2
OH O
O
NHBz
OH O
O
NHBz
O O
O
NHBz
O O
O
NHBz
[R-BINAP]Ru(OAc)2
NaOH / H2
OH O
O
NHBz
schnell
langsam
96%; 99% ee 4%; 99% ee
wird nicht gebildet
184
•
Beispiel 2. Dynamische kinetische RacematspaltungMgCl
MgCl
Br
Br
NiCl2 / L*
NiCl2 / L*
L* =Me2N PPh2
tBu H
95% Ausbeute
schnell
langsam
90%
10%
T. Hayashi
et al., Chem. Commun. 1989, 495-496.
•
Inzwischen sind vielfältige Kombinationsmöglichkeiten von Racemisierungsbedinungen
und kinetischer Racematspaltung
entwickelt
worden. Häufig werden metallorgansiche
Katalysatoren für die Racemisierung
und Enzyme für die Racematspaltung
eingesetzt.
Ausführliche Zusammenfassungen siehe Lit. 10 und 11.
185
4.6. Desymmetrisierung•
Von Desymmetrisierung
spricht man, wenn eine prochirale
Verbindung
schnell in ein Enantiomer, aber nur langsam in das andere Enantiomer überführt werden. Dabei enthält A ein sp3-hybridisiertes Prochiralitäts-
zentrum. Die Chiralität
entsteht durch Differenzierung von enantiotopen Gruppen (vgl. Izumi-Tai-Klassifikation). Enthält A ein sp2-hybridisiertes C-
Atom, dann liegt eine enantiotope
Seiten-differenzierende
Reaktion vor, die üblicherweise nicht
als Desymmetrisierung
bezeichnet wird.
A
B
B'
kAB
kAB'
kAB
>> kAB‘A = achirale
Verbindung
B, B‘
= Enantiomere
•
Eine Desymmetrisierung
kann auch bei achiralen
meso-Verbindungen durchgeführt werden, wenn es gelingt, nur eines der beiden enantiotopen
C-Atome anzugreifen.
•
Führt man eine Synthese eines komplexen chiralen
Moleküls so durch, dass man gezielt eine achirale
meso-Verbindung
synthetisiert, die zu
einem späteren Zeitpunkt desymmetrisiert
wird, dann spricht man von meso-Trick.
186
•
Beispiel 1. Desymmetrisierung
bei enantioselektiver
Horner-Emmons- Reaktion
OO
H HOTBDMS
OO
P
COOMeO
LDA / THF / – 30 °C
O
HOTBDMS
COOMe
Diastereomere
Übergangszustände führen zur Induktion eines neuen Stereozentrums parallel zur Knüpfung einer neuen Doppelbindung.
OO
H H
OTBDMS
OO
P
COOMe
O OO
H H
OTBDMS
OO
P
MeOOC
O
80%; ee>95%
187
•
Beispiel 2. Desymmetrisierung
von meso-Epoxiden
Komplizierter Übergangszustand, bei dem der Angriff auf das Epoxid
nur an einem der beiden enantitopen
C-Atome möglich ist.
B. W. McCleland
et a., J. Org. Chem. 1998, 63, 6656-6666.
•
Meso-Ester
können durch enzymkatalysierte Hydrolyse in enantiomeren- reine
Monoester überführt werden.
•
Gute Übersicht in Lit. 11.
86%; 91% ee
O
Me3SiN3 / I
OSiMe3
I
O
ZrO
N O
HH
O
Zr
OH
N
H
O
HO
F3CH
O
O
188
OH(+)-DIPT
Ti(OiPr)4
tBuOOH
OH
O
OH
O
OH
OO–25 °C
•
Beispiel 3. Desymmetrisierung
von enantiotopen
Doppelbindungen
Hier liegt eine Kombination aus Desymmetrisierung
und
kinetischer Racematspaltung
vor, die zu besonders hohen ee-Werten
führt.
S. L. Schreiber et al., Tetrahedron
1990, 46, 4793-4808.
•
Weitere Beispiele zu Desymmetrisierungsreaktionen: M. E. Maier, Nachr. Chem. Tech. Lab. 1993, 41, 314-330.
80%; >99%ee
189
4.7. Selbstregeneration von Stereozentren•
Das Prinzip der Selbstregeneration von Stereozentren basiert darauf, dass die Chiralität
eines bereits vorhandenen Stereozentrums auf ein
neues, vorübergehend im Molekül installiertes Stereozentrum übertragen wird. Dann kann man das ursprünglich vorhandene Stereozentrum z.B. durch Enolatbildung
entfernen und dann das Enolat
z.B. alkylieren.
Dabei wird die chirale
Information vom vorübergehend installierten Chiralitätszentrum
wieder zurück übertragen, so dass das ursprünglich
vorhandene Chiralitätszentrum
–nun in modifizierter Form-
wieder hergestellt wird. Zum Schluss kann das vorübergehend installierte Chiralitätszentrum
wieder entfernt werden.
HO O
HO R1
CHO
ca.t H+ / – H2OO
O O
R1
LDA / THF
– 78 °C O
O OLi
R1
Ursprüngliches Stereozentrum
vorübergehendes Stereozentrum
190
OO
HOLi
R1
E+
O
O O
R1
EH2O
H+
HO O
HOR1E
regeneriertes Stereozentrum
•
Diese Strategie kann angewendet werden, um z.B. α-Hydroxycarbon- säuren
mit quartärem α-C-Atom
zu erzeugen.
•
Funktioniert auch mit Aminosäuren. Als Produkt erhält man α-dialkylierte enantiomerenreine
Aminosäuren mit quartärem α-C-Atom.
Lit.: D. Seebach et al., Helv. Chim. Acta
1985, 68, 1592-1616.
•
Die Methode von Seebach geht auf zwei ähnliche Reaktionen zurück:
a) Schöllkopf-Bislactimether-Methode
zur Synthese von Aminosäuren
b) Meyers´
Oxazolin-Methode
191
•
Schöllkopf-Bislactimether-Methode
NH2
OHO – 2H2O
N
NO
OH
H
Me3O+BF4
– N
NMeO
OMe 1 eq. nBuLi
N
NMeO
OMeLi
E+ N
NMeO
OMe
E
H2O / H+ NH2
OHO
E
Diketopiperazin Bislactimether
Erweiterte Methode:
NH2
OHO
1) COCl2
2) Glycin
N
NO
OH
H
Me3O+BF4
– N
NMeO
OMe 1 eq. nBuLi
N
NMeO
OMeLi
E+ N
NMeO
OMe H2O / H+ NH2
OHO
E
E
192
•
Meyers´
Oxazolin-Methode
HO
H2N
Ph
OH
OEt
NH2+Cl–
N
O Ph
OH
NaH
MeI N
O Ph
OMe
LDA
– 78 °C N
O Ph
OMeLi
R–X
R
X
N
O Ph
OMeHR
COOHH
R
193
5. Enantioselektive
Synthese von Alkoholen•
Enantiomerenreine
Alkohole können durch asymmetrische Addition von
Organometallverbindungen
an Aldehyde
(→ secundäre
Alkohole)
oder Ketone (→ tertiäre Alkohole) oder durch asymmetrische Reduktion von prochiralen
Ketonen (→ secundäre
Alkohole) erhalten werden.
5.1. Addition von Organometallverbindungen
an Aldehyde
und Ketone
•
Erste Versuche zur enantioselektiven
Addition von Alkyllithium- Verbindungen
und Dialkylmagnesiumverbindungen
stammen von
Mukaiyama
(JACS 1979, 101, 1455-1460). Als Standardaldehyd
wurde immer Benzaldehyd
verwendet (warum?).
O
H
Li
(MeO)2CH2 / Me2O
– 123 °C
4 chiraler LigandHO H
NCH3
N
HO
6 chiraler Ligand
77% 95% ee
194
•
In der Zwischenzeit wurden zahlreiche andere chirale
Liganden
für die Addition von R-Li und R2
Mg an Aldehyde
entwickelt.
OO
Li
Li O
O OH
OH
Ar Ar
Ar Ar
H
HOPhN
H
Ph
•
Reaktion erfordert tiefste Temperaturen (T << −100 °C).
•
Reaktion erfordert stöchiometrische
Mengen an chiralem
Ligand.
•
RLi
und R2
Mg sind nur zu wenigen anderen funktionellen Gruppen kompatibel.
•
Man braucht > 2 eq. RLi
oder R2
Mg oder RMgBr.
•
Deshalb: Entwicklung anderer Reagenzien, die man ebenfalls an Aldehyde
oder Ketone addieren kann.
195
•
Besser geeignet: Organozink-Reagenzien. R2
Zn addiert nur langsam bei 0 °C bis RT an Aldehyde. Die Addition wird durch katalytische Mengen von 1,2-Aminoalkoholen drastisch beschleunigt. Verwendet man chirale, enantiomerenreine
1,2-Aminoalkohole, dann findet eine enantioselektive
Addition von R an Aldehyde
statt.
•
Als chirale
Liganden
werden bevorzugt Dimethylaminoisoborneol
DAIB oder Morpholinoisoborneol
MIB eingesetzt (jeweils in beiden
Enantiomeren
erhältlich). Die Liganden
zeigen einen starken (+)-NLE.
OHNMe2
Me2NHO OH
N NHO
OO
(-)-DAIB (+)-DAIB (-)-MIB (+)-MIB
Et2Zn (2 eq.)
4 mol% (-)-DAIBmit 100% ee
Et
HO H
H
O
98% ee
Et2Zn (2 eq.)
4 mol% (-)-DAIBmit 15% ee
Et
HO H
H
O
95% ee
196
Aus dem Ligand
und Et2
Zn bildet sich unter Abspaltung von Ethan ein monomerer
Komplex, der in einer Gleichgewichtsreaktion dimerisiert.
Dabei bildet sich bevorzugt das heterochirale
Dimer. Das übrigbleibende Enantiomer
bildet homochirale
Dimere, aus denen das Monomere bei
Überschuss von Et2
Zn zurückgebildet wird und mit dem Aldehyd abreagiert.
OHNMe2
Me2NHO
Et2Zn
– C2H6
ON
Zn
Me Me
NOZn
Me Me
ON
Zn
Me Me
Zn N
O
Me Me
PhCHOEt2Zn
ON
Zn
Me Me
Zn
O
H
Ph
Et
HO H
heterochirales
Dimer
ist katalytisch inaktiv
bevorzugter Übergangszustand
197
•
Neben DAIB und MIB gibt es noch zahlreiche andere chirale
Liganden für die Addition von R2
Zn an Aldehyde
und Ketone.
•
Soai
hat als Ligand
DBNE (Dibutylnorephedrin) entwickelt, das in beiden enantiomeren
Formen erhältlich ist. DBNE zeigt starke asymmetrische
Induktion.
HO NBu2
Ph Me
HO NBu2
Ph Me
(-)-DBNE (+)-DBNE
Der Mechanismus der Soai-Reaktion dürfte analog zu den Reaktionen mit
DAIB und MIB sein.
H
O
TBDPSOEt2Zn
(-)-DBNE
TBDPSOEt2Zn
(+)-DBNE
TBDPSO
OH OH
DBNE dirigiert stärker als das interne Chiralitätszentrum!
N
ZnO
PhMe Bu
Bu
ZnEt
Et
OR
H
Übergangszustand
198
•
Seebach et al. entwickelten Ti-TADDOL-Komplexe
als Katalysatoren für die Addition von R2
Zn an Aldehyde
und Ketone. Wichtig: Reaktion funktioniert nur gut in Anwesenheit von überschüssigem Ti(OiPr)4
.
H
OEt2Zn / Ti(OiPr)4 (1,2 eq.)
Ti(TADDOLat)2 5 mol%
OHO
TiO O
O
Ph Ph
Ph Ph
Ph Ph
Ph Ph
O
OO
O
OTi
O O
O
Ph Ph
Ph Ph
Ph Ph
Ph Ph
O
OO
OTi (OiPr)4 O
TiO OiPr
OiPr
Ph Ph
Ph Ph
O
O= O O
Ph
Ph
Ph
Ph
OiPr
OiPr
RO
H
O O
Ph
Ph
Ph
Ph
O
OiPr
+ Et2ZnTi (OiPr)4 Ti (OiPr)3Et
R
HTi
EtiPrOiPrO
OiPr
Et
HOH
R OiPr
Ti
Ti
199
•
Ohno
et al. verwendet ein chirales
Bis-Sulfonamid
als Ligand
für enantioselektive
Dialkylzinkadditionen.
OTIPS1) Et2BH
2) Et2Zn
NNCF3SO2 SO2CF3
Ti(OiPr)4 / R–CHORZn
OTIPS
OTIPSOTIPS
OHH H
•
Nachteil von R2
Zn: addiert nur gut an Aldehyde, eher schlecht bis gar nicht an Ketone.
•
Allerdings kann man Ketone in Gegenwart von Al(OiPr)3
oder Ti(OiPr)4
als Lewis-Säuren mit R2
Zn umsetzen.
•
Auch für solche Reaktionen sind spezielle Liganden
entwickelt worden.
N NS S
OH HO
H H
OO O O
N
HO
OH
ArAr
Bn
200
Ph
OKat. 10 mol%
1,2 eq. Ti(OiPr)4
1,6 eq. (iPr–CH2–CH2–CH2)2Zn
RT / 72 h 86% / 93%ee
Ph
HO
•
Mit den bisher genannten Liganden
gelingen auch enantioselektive Additionen von Alkenyl-Zn-Reagenzien
an Aldehyde
und Ketone.
•
Wichtig: Alkenyl-Zn-Reagenzien
werden am besten hergestellt aus Grignard-Reagenzien
und Transmetallierung
mit ZnCl2
oder aus Alkinen durch Hydroborierung
und Transmetallierung
oder aus Alkinen
durch
Hydrozirkonierung
und Transmetallierung.
•
Corey
entwickelte einen Oxazaborolidin-Katalysator
für die Addition von Alkinylboranen
an Aldehyde.
O
H Toluol / –78 °C
0,25 eq. chiraler LigandHO H
OB
N
Ph
chiraler Ligand
72% 97% ee
R BMe2
H
Ph Ph
N BO
PhPh Ph
BMe Me
O
H
PhR
201
•
Carreira
entwickelte N-Methyl-Ephedrin
(in beiden Enantiomeren erhältlich) als chiralen
Liganden
für die Addition von Acetyliden
an
Aldehyde. (+)-NME ergibt den Alkohol mit R-Konfiguration, (−)-NME liefert den S-Alkohol.
R1 H
O
R2 H
Zn(OTf)2
Ph Me
HO NMe2
R1
R2
OH
•
Für katalytische asymmetrische Allylierungen
entwickelten Yamamoto und Mitarbeiter Chirale
Acyloxyborane
CAB, die gut geeignet für die
Addition von γ-substituierten
Allylsilanen
und Allylstannanen
an Aldehyde sind.
O
H
SiMe3R
iPrO
OiPr
O
O OBO
O
H
O OH
20 mol%
OH
R
Wichtig! Sowohl cis-
als auch trans-Allylsilane
ergeben das syn-Addukt, was auf einen offenen Übergangszustand
hindeutet.
202
•
Generell findet man für Allylierungen
folgende stereochemischen Verhältnisse:
O MR
HR'
R'
OH
R
O MH
R'
R'
OH
RR
E → anti
und Z → syn
für M = BR2
, BX2
und B(OR)2
sowie SnX3
und SiX3
O
R' H
LA*M
H
R
O
R' H
LA*M
R
H
R'
OH
R
E und Z → syn
für M = SnBu2
und SiMe3
O MR
HR'
R'
OH
R
O MH
R'
R
E und Z → anti
für M = CrCl2
, Cp2
TiX und Cp2
ZrX
203
•
Diisopinocampheylallyl-Borane
zur Synthese von Homoallylalkoholen
O
H
Me
B
H
Me
HNH
nBuLiKOtBu
K1) Ipc2BOMe
2) BF3-OEt2O
H
OH
H
H
•
H. C. Brown et al. Tetrahedron
46, 4463-4472 (1990).
204
5.2. Enantioselektive
Oxidation•
Davis-Oxidation
•
Bei der Davis-Oxidation werden Enolate
in α-Hydroxy-Carbonyl- verbindungen
überführt.
•
Achirale
Variante:
R1R2
OR2
R1
OK
N
O
SO2Tol PhR2
R1
O
N
O
SO2 TolPh
K
NSO2 TolPh
O K
R2
R1 O H3O+
R1 R2
HO O
NSO2 TolPh
KHMDS
205
TMSO
H
HTBDMSO
TBDMSOOH
O
HOO
1) KHMDS
NO
SO2Tol Ph
2)
TMSO
H
HTBDMSO
TBDMSOOH
O
HOO
OH
•
Beispiel: Totalsynthese von Quassinoiden
•
J. Polonsky
et al. Tetrahedron
43, 3471-3480 (1987).
•
Man kann auch Moleküle, die chirale
Auxilliare
enthalten (z.B. Evans- Auxilliar), in α-Position
zu Ketonen hydroxylieren.
•
Beispiel: Totalsynthese von Macbecin
I
•
J. L. Castro et al. Perkin
I 1990, 47-65.
OMe
OMe
NO
N O
OOMe 1) NaHMDS
2) N
O
SO2Tol Ph
OMe
OMe
NO
N O
OOMe
HO
206
•
Chirale
Varianten (Oppolzer):
•
eignen sich für die enantioselektive
α-Hydroxylierung
von prochiralen Enolaten.
•
Beispiel: Totalsynthese von Anthracyclinen
•
F. A. Davis et al. Tetrahedron
Lett. 32, 867-870 (1991).
MeO
MeO
O
OMe
O1) KHMDS
2)
NO
OMe
OMe
MeO
MeO
OOMe
O
OH
OH
OH
O
OMeO O
O
NH2HO
OH
OHO
NSO2
N
O
N
O
Cl
ClN
O
OMe
OMeN N N
SO2 SO2 SO2
207
• Vedejs-Oxidation
•
Bei der Vedejs-Oxidation
werden Enolate
mit MoO5
-Py-HMPT (MoOPH) in α-Hydroxy-Carbonylverbindungen
überführt.
MoO
O O
O
O
N O
P
Me2NNMe2
NMe2
R1R2
O
LDAR2
R1
OLiTHF / –78°C
MoOPH
THF / –78°C
R1R2
O
OH
•
Weitere Methoden zur α-Hydroxylierung
von Ketonen:
• Rubottom-Oxidation
•
Bei der Rubottom-Oxidation
werden Trimethylsilylenolether
in α-Hydroxy- Carbonylverbindungen
überführt.
R1R2
O
LDAR2
R1
OLiTHF / –78°C
TMSCl
THF / –78°C
R2R1
OTMS
mCPBA
CH2Cl2 / RTR1
R2
O
TMSO
208
•
Achtung! α-Hydroxyketone
und α-Hydroxyaldehyde
können Dimere bilden! α-Hydroxyaldehyde
können sich auch in α-Hydroxketone
umwandeln (Lobry-De
Bruyn-van
Ekenstein-Umlagerung).
O
Et3N / TMSCl
AcetonitrilPentan / RT
OTMS
mCPBA
CH2Cl2 / RTO
OH
RTSchmelzen
OO
OHOH
O
Et3N / TMSCl
AcetonitrilPentan / RT
OTMS
mCPBA
CH2Cl2 / RT O
OH
OO
OH
HO
209
5.3. Enantioselektive
Hydroborierung
•
Chirale
Hydroborierungsreagenzien:
IpcBH2 (Ipc)2
BH DMB
Me
Me Me
HB
H
H
Me
Me Me
HB
H
Me
Me
Me
H B
Me
Me
H
O
BH
THF / – 25 °C / 82%
1)
2) NaOH / H2O2
O
OH
O
OH
+
99,5 : 0,5
210
•
katalytisches Verfahren: Rh-Katalysator + BINAP + Catecholboran
•
Wichtig: durch die Rh-Katalyse kehrt sich die Regioselektivität
um!!!
1) [Rh(COD)2]BF4
BINAP / Catecholboran
2) NaOH / H2O2
H OH
L2Rh+H–BR2
Rh+LL BR2
H R
Rh+LL BR2
HR
Rh+LL BR2
R
•
Mechanismus:
er: 98:2
211
5.4. Enantioselektive
Reduktionen von Carbonyl- grupppen
•
Mittlerweile Standardmethode: CBS-Reduktion
•
Beispiel für CBS-Reduktion: Totalsynthese von Rapamycin
OH
OMe
O
OH
N
O
O
OH
O
O
OH
OMe
OH
H
Stille
Stille
Amid-Knüpfung
Veresterung Aldol
Aldol
OMe
OTBDPS
OMeOHC
•
K. C. Nicolaou
et al. Chem. Eur. J.
1, 318-333 (1995).
212
•
Beispiel für CBS-Reduktion: Totalsynthese von Rapamycin
•
K. C. Nicolaou
et al. Chem. Eur. J.
1, 318-333 (1995).
OBr
NO
B
Ph PhH
Me
(10 mol%)
BH3•SMe2 / – 15 °C
99% / 96% eeOH
Br
Li / THF
tBuOH / ΔOH
BO
H B
NO
PhPhH
H
HMe
Br
1) mCPBACH2Cl2 / RT
2) NaH / BnBr
nBu4NI / THFOBn
O CSA / MeOH
RTOBn
OH
OMe
OTBDPS
OMeOHC
Wichtig: α,β-ungesättigte
Ketone ergeben nur dann gute ee-Werte, wenn ein „Dummy-Substituent“
in α-
Position
eingeführt wird, der entweder weiter umgesetzt wird (Kreuzkupplung) oder reduktiv
entfernt werden kann.
213
O
O
1) EtOH / cat. TsOH / PhHΔ / – H2O
2a) OHCl / MeMgI
2b) Mg / Δ 2h
3) TsCl / CH2Cl2 / Et3N / DMAP
– 10 °C / 18 h
O
OTs
1) Br2 / CH2Cl2– 78 °C→ RT
2) Et3N / RT
O
OTs
Br
NO
B
Ph PhH
Me
(10 mol%)
BH3•THF / – 15 °C
90% / 87% ee
HO
OTs
Br1) Ac2O / Et3N
DMAP
2) nBu3SnHAIBN
AcO
OTs
O
ON
OMeHO
H
BO
H B
NO
PhPhH
H
HMeTsO
BrB
•
Beispiel für CBS-Reduktion: Totalsynthese von Cephalotaxin
•
L. F. Tietze et al. J. Am. Chem. Soc. 121, 10264-10269 (1999).
Wichtig: α,β-ungesättigte
Ketone ergeben nur dann gute ee-Werte, wenn ein „Dummy-Substituent“
in α-
Position
eingeführt wird, der entweder weiter umgesetzt wird (Kreuzkupplung) oder reduktiv
entfernt werden kann.
214
•
BINAL-H eignet sich gut zur Reduktion von Ketonen, deren Reste sich elektronisch deutlich unterscheiden, z.B.
R'
O
R R'
O
RR'
O
R
Aryl-Alkyl-Ketone
α,β-ungesättigte
Ketone Propargylketone
•
Dialkylketone
ergeben nur schlechte Enantioselektivitäten.
•
Übergangszustände:
HOLiO
Al
O
O
Et
R'
HOLiO
Al
O
O
Et
R'
günstig ungünstig
Elektronische
Abstoßung
215
•
Alpine-Boran
(engl. Alpha-Pinene
= Alpine) ist sehr gut geeignet für die Reduktion von Propargylketonen.
•
Man kann damit auch chemoselektiv Aldehyde
neben anderen reduzierbaren Gruppen (Ketone, Ester, Säurechloride, Alkylhalogenide, Alkene
und Alkine) reduzieren.
Me9-BBN
MeH
HB
RL RS
O Alpin-Boran
Me
HB O RL
RSRL RS
O HR2B NaOH
H2O2RL RS
HO H
216
•
Diisopinocampheylchlorboran
ist gut für die Reduktion aller möglichen Ketone geeignet.
Me
1) BH3–SMe2
2) HCl
Me
B
H
Me
H
ClH
H
•
Beispiel: Synthese von R-Fluoxetin
(Antidepressivum)
•
H. C. Brown et al. J. Org. Chem. 53, 2916-2920 (1988).
Me
B
H
MeH
Cl
Cl
O Ipc2BClO
Cl
Cl
HO H
NHMe•HCl
H O
CF3
H
H
217
6. Enantioselektive
Synthese von Epoxiden
6.1. Epoxidierung
von elektronenreichen Dobis•
Sharpless-Epoxidierung
(vgl. OC 07)
•
Jacobsen-Epoxidierung. Bei der Jacobson-Epoxidierung
werden cis-1,2- disubstituierte Alkene
mit NaOCl
in Gegenwart eines chiralen
Salen-Mn-
Komplexes
epoxidiert.
•
Prinzipielle Unterscheidung: Oxidation von elektronenreichen Doppelbindungen und Oxidation von elektronenarmen Doppelbindungen.
R1 R2
NaOCl
Kat.* R1 R2
O
NN
O OMn
Cl
NaOCl NN
O OMn
O
218
•
Die Shi-Oxidation
ist für trans-1,2-disubstituierte Alkene
gut geeignet. Dabei wird in situ
aus einem chiralen
Fructosederivat und Oxon
(KHSO5
, KHSO4
und K2
SO4
) ein chirales
Dioxiran
erzeugt, das wie bei der Adams-Epoxidierung
Alkene
in Epoxide
überführen kann.
R1 R2
OxonNaHCO3
Kat.*R1 R2
O
OO O
OO OH
1) PCC
2) Oxon
OO O
OO O
O
D-Fructosebisacetonid
OOHOH
OHOH
HO
1) Me2C(OMe)2
SnCl22) MsCl / Py
O OO
OMsO
O1) H2SO4
2) NaOH
3) H2SO4
OOHOH
OHOH
HO
2) PCC
3) Oxon
1) Me2C(OMe)2O
O O
OO O
O
L-Sorbose L-Fructose
•
Das Shi-Reagenz
ist aus D-Fructose und L-Sorbose
in beiden enantiomeren
Formen erhältlich.
219
OH
OH
HO
OH
OO O
OO O
O
(0,3 eq.)
Oxon / NaHCO3
OH
OH
HO
OH
O O
O O
•
Beispiel: Totalsynthese von Glabrescol
•
E. J. Corey
et al. J. Am. Chem. Soc. 122, 9328-9329 (2000).
220
a) dreiphasig: poly-L-Leu
/ Toluol / H2
O2
, NaOH, H2
O
b) zweiphasig: poly-L-Leu
/ Harnstoff-H2
O2
, DBU, THF
c) einphasig: PEG-poly-L-Leu, Harnstoff-H2
O2
, DBU, THF
Mechanismus: poly-L-Leu
hat α-Helix-Struktur. Auf der Helix-Oberfläche wird das elektronenarme α,β-ungesättigte
Keton über Wasserstoff-
brücken
gebunden. Dadurch wird die Rückseite der Doppelbindung abgeschirmt, so dass das Hydroperoxidanion
nur von vorn angreifen
kann.
•
Scheffer-Weitz-Epoxidierung
(vgl. OC04 und OC07).
•
Julia-Colonna-Roberts-Reaktion: man setzt poly-L-Leucin
(oder poly-D- Leucin) als chiralen
Katalysator ein. Je nach Reaktionsführung
unterscheidet man drei Varianten:
6.2. Epoxidierung
von elektronenarmen Dobis
221
7. Enantioselektive
Aldol-Reaktionen
7.1. Aldol-Reaktionen
mit chiralen
Auxiliaren•
Sehr häufig verwendet: Evans-Auxilliare
•
Häufig verwendet: chirale
Auxilliare, um chirale
Enolate
zu erzeugen.
•
Neuere Entwicklungen: chirale
Katalysatoren, die in den Überganszustand eingreifen.
•
Varianten von Aldolreaktionen
mit Evans-Auxilliaren:
a) Evans-Aldol-Reaktion
mit B-Enolaten
(Standard)
N O
OO
R1
1) Bu2BOTf
2) R2 H
O N O
OO
R1R2
OHEt3N
OO
B
R1
N
OO
Bu
Bu
Evans-syn
222
b) Evans-Aldol-Reaktion
mit Ti-Enolaten
(1 eq. TiCl4
)
Evans-synN O
OO
R1
1) TiCl4
2) R2 H
O N O
OO
R1R2
OHEt3N(1 eq.)
O
TiCl4
R1
N
OO
TiCl4O
R2
H
c) Evans-Aldol-Reaktion
mit Ti-Enolaten
(>2 eq. TiCl4
, Heathcock)
non-Evans-syn
(nach Abspalten des Auxilliars
erhält man
das Enantiomer
zu Fall b))
N O
OO
R1
1) TiCl4
2) R2 H
O N O
OO
R1R2
OHEt3N(>2 eq.)
OO
TiCl3
R1
OO
R2
H
OO
TiCl4
R1
N
OO
223
d) Evans-Aldol-Reaktion
mit Ti-Enolaten
(>2 eq. TiCl4
, Crimmins)
N O
SO
R1
1) TiCl4
2) R2 H
O N O
SO
R1R2
OHDIPEA(>2 eq.)
OO
TiCl3
R1
OS
R2
H N
non-Evans-syn
(nach Abspalten des Auxilliars
erhält man
das Enantiomer
zu Fall b) mit verbesserter Selektivität im Vergleich zu c))
e) Evans-Aldol-Reaktion
mit Mg-Enolaten
(0,2 eq. MgCl2
, Evans)
N O
O
R1
1) MgCl2
2) R2 H
O N O
OO
R1R2
OHNEt3 / TMSCl(0,2 eq.)
O
O
MgCl2
R1
OO
H
R2
O
N
Evans-anti
224
f) Evans-Aldol-Reaktion
mit Mg-Enolaten
(0,1 eq. MgBr2
, Evans, Nagao)
N S
O
R1
1) MgBr2
2) R2 H
O N S
SO
R1R2
OHNEt3 / TMSCl(0,1 eq.)
O MgBr2
O
H
SS
R1
S
R2
N
non-Evans-anti
(nach Abspalten des Auxilliars
erhält man
das Enantiomer
zu Fall e))
225
•
Beispiel für Evans-Auxilliar: Totalsynthese von Rapamycin
•
K. C. Nicolaou
et al. Chem. Eur. J.
1, 318-333 (1995).
N O
O
Me
Ph
O
OTBDPS
OMe
O
1) nBu2BOTf / CH2Cl2– 78 °C
2) Et3N / –78°C→0°C
3)
–78°C→–10°C4) H2O2
N O
O
Me
Ph
O
OTBDPS
OMe
OH LiBH4 / H2O / Et2O
0°C→RT
OTBDPS
OMe
OH
HO
1) TsCl / Et3N / DMAP
CH2Cl2 / 0°C
2) LiEt3BH / THF
0°C→RT
OTBDPS
OMe
OH
226
•
Paterson-Boran
für asymmetrische Aldolreaktionen.
Me
1) BH3–SMe2
2) HCl
Me
B
H
Me
H
Cl
R1O
R2
DIPEAR1
O
R2
B(Ipc)2 R3 H
O
OO
B(Ipc)2
R1R3
HR2
R3
OH
R1
O
R2
H
H
H
227
•
Chirale
Essigsäureester mit HYTRA (HYdroxy-TRiphenyl-Acetat) für enantioselektive
Aldoladditionen
speziell für Essigsäure-Enolate
(M.
Braun).
O
O
Ph
OH
PhPh
1) LDA
2) MgBr2
O
O
Ph
OH
PhPh
BrMgR1 H
OO
O
Ph
OH
PhPhR1
OH
–135 bis –120 °C
HYTRA lk-Angriff
7.2. Aldol-Reaktionen
mit chiralen
Katalysatoren•
Katalytische Aldolreaktionen
können mit vielen verschiedenen chiralen
Katalysatoren durchgeführt werden. Oft verwendete Katalysatoren sind die CAB-Katalysatoren
von Yamamoto. Dabei werden Silylenolether
als
Nucleophile
eingesetzt.
228
O
H
iPrO
OiPr
O
O OBO
O
H
O OH
20 mol% CAB
OH
R2
R
OTMS
R2
R1 O
CAB =
•
Mit den Yamamoto-Katalysatoren bilden sich immer die syn- Aldolprodukte, unabhängig von der Konfiguration des Silylenolethers
(offener Übergangszustand wie bei Allylierungen).
•
Keck und Mikami
verwenden für Aldolreaktionen
mit Silylketenthio- acetalen
BINOL / Ti(OiPr)4
als Katalysator.
R1
O
H S-BINOL (20 mol%)Ti(OiPr)4 (20 mol%)
OTMS
StBu
R1
O
StBu
OHOO
TiOiPrOiPr
229
•
Evans setzt für analoge Reaktionen Cu(II)-Bisoxazolin-Katalysatoren
ein, die mit Aldehyden, die einen Donorsubstituenten
in α-Position
besitzen,
sehr gute Ergebnisse liefert.
BnOO
H
OTMS
StBuR
NO
N
O
NPh PhCu
2 (SbF6)2–
BnOOH O
StBuR
Statt Cu(II) kann auch Sn(II), Sc(III) und Zn(II).
Statt Silylthioketen- acetalen
kann man auch
Silylenolether
einsetzen.
PyBOX
•
Moderne Entwicklung: Organokatalyse
mit Prolin-Derivaten
R1 R2O
NH
COOH
R1R2
N COOHR3 H
O
R3 R1
O
R2
OH
N
HO
OOH
R3
R1
R2
230
•
Beispiel: Hajos-Parrish-Eder-Wiechert-Sauer-Reaktion
O
O
O 0,3 eq. L-Prolin
DMF / RT / 82%OH
O
O
er 96 : 4
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