Struktur und Eigenschaften des Glases

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1915. .M 8.

A"ALEN DER PHYSIK. VIERTE FOLGtE. BAND 46.

1. S t r u M u r zcnd Eigmschaftem des Glases; vom G. Qu4rccbe.1)

(llierxm Tafel WC-IX.)

$ 20'7. Nach Eberhard Zschimmer2) stellt Glas auch bei gewohnlicher Teniperatur eine unterkiihlte Fliissigkeit dar v m iiuBerst hoher Ziihigkeit, und zwar eine mehr oder weniger homogene Losung BuBerst streng fliissiger Stoffe ineinander.

Dem ersten Teile dieser Definit.ion kann ich vollstiindig, dem meiten bedingt zustimmen. Ich werde im folgenden zeigen, daB Glas nicht homogen ist, und viele unsichtbare Schaumwiinde ent,hSilt, welche sichtbare und unsichtbare Schaumkammern umschliehn.

Gallerte. Viele kleine sichtbare und unsichtbare Schaum- kammern I. und 11. Art mit fliissigem Inhalt, welche durch diinne Schaumwiinde olartiger Fliissigkeit voneinander ge- trennt sind, bilden eine fliissige Gallerte. Die flussige Gallerte geht in eine feste, starre oder steife Gallerte iiber, wenn WSinde und Inhalt der Schaumkammern erstarrene8) Durch die fliis- sigen Schaumwiinde konnen andere Fliissigkeiten diffundieren. Die Schaumkammern konnen ihr Volumen vergrol3er.u oder verkleinern, fliissige Gallerte kann quellen oder schrumpfen.4)

Glas ist eine Gallerte, welche bei hoher Temperatur ent- standen ist und Schaumwiinde von Kieselsliure oder Silikaten enthiilt, welche die mit Alkalisilikaten gefiillten Schaum- kammern umhiillen. Ich habe schon friiher5) diese Behauptung

1) Fortsetzung von Ann. d. Phys. 11. p. 449. 1903; 13. p. 65. 1904;

2) Eberherd Zechimmer, Die Glaaindwtrie in Jem. Ein Werk

3) G. Quincke, Ann. d. Phys. 9. p. 1011. 1902. Internat. Zeitschr.

4) G. Quincke, Ann. d. Phys. 15. p. 45. 1904. 5) G. Quincke, Ann. d. Phys. 7. p. 733. 1902.

14. p. 146. 1904; 18. p. 1. 1905; 86. p. 625. 1908.

von Schott und Abbe. Jena 1909. 4O. p. 93.

f. Metallographie 3. p. 25. 1912. Ann. d. Phys. 43. p. 414. 1914.

Aonnlen der Phpik. IV. Folge. 46. 66

Annnlen rler Pliysilc, I V. E’olge, Band 46.

Glas (+ 1’ = 6 Glas D Fig. 258 B. Fig. 254.

G. Qniiicke.

Trtfel V l l .

v= 20

Glas D Fig. 255.

Glas G Fig. 257.

Ta fel VI'III.

v = 70

T I = 1

Aranalen dcr Pliysilc, IK Folge, Buitd 46.

Glas G Fig. 258 A .

Glas G Fig. 259 A .

Tafel IX .

v = 6

V = 240

1026 G. Quincke.

durch die Anziehung der Ritzen einer Glasplatte auf frisch gebildetes Calciumkarbona t zu stutzen versucht. Das Losungs- mittel der Gallerte ist bei Leinlgallerte Wasser, bei Glas statt Wasser ein geschmolzenes Alkalisilikat, in welchem bei hoher Temperatur die anderen Silikate \-on Ca, Al, Fe, Zn und Kieselsliure (auch Karbona te, bei Jenaer Notmalglas auch Borate) gelost werden und sich beim Abkuhlen periodiscli in kurzen Zwischenraumen nebeneinander ausscheiden in un- sichtbaren Schaumwanden, als dunne Schichten, Membraneii oder Lamellen aus olartiger Flussigkeit B , mit Oberflachen- spannung an der Grenee niit der umgebenden Fliissigkeit A . Beim Abkiihlen bleibt die Fliissigkeit B kiirzere oder liingere Zeit fliissig, wird immer klebriger, schlieBlich fest und erstarrt. Die fliissigen Lamellen wollen infolge der Oberfliichenspannung eine moglichst ldeine Oberflache annehmen, rollen sich zu- sammen zu offenen oder geschlossenen zylindrischen oder kegelformigen, parallelen, radialen oder verzweigten Rohren, hohlen Faden und Fasern, Spharokristallen oder aufquellenden Tannenbaumen, zu Rosenblattern, Schraubenflachen, zu Spiralen wie eine Papierrolle oder ein Hobelspan, zu Schaumwanden I . Art. Diese Schaumwande I. Art umhullen Schaumkamntew I . Art, verwandeln sich allmahlich - in Jahren - in Schauni- zuilnde II. Art, welche ScBaumkamnsern I I . A 4 umhiillen.

Unter dem EinfluB der Oberflachenspannung bilden die olartigen Rohrenwiinde hnschwellungen und Einschniirmgen oder durch kurze Rohren verbundene Blasen und zerfallen schlieBlich in einzelne nebeneinander liegende Hohlkugeln (Schaumwande 11. Art). In welcher dieser Formen die flus- sigen Schaumwande aus Flussigkeit B erstarren, hangt von der Klebrigkeit der Flussigkeiten A und B und der Abkuhlungs- geschwindigkeit ab. Bei groBer Klebrigkeit und schneller Abkuhlung werden Schaumwande I. Art, bei kleiner Klebrig- lieit und langsamer Abkiihlung werden Schaumwande 11. Art erstarren und unverandert erhalten bleiben.

Bei vielen SchaumwIinden I. Art, welche sich senkreclit zur festen Oberflache abscheiden, entstehen viele parallele Rohren oder Fasern senkrecht zur Oberflache. Bei vielen Schaumwanden 11. Art entstehen aneinanderhangencle ge- schlossene Schaunikammern niit KugelflSichenstucken als Scheidewgnden, wie bei Seifenschauni.

Struklur und Zigenschaften des Glases. 1027

Unsichtbare Schaumwande.l) Form und Lage der oft auhrordentlich diinnen und unsichtbaren Schaumwande sind nach dem Erstarren der geschmolzenen Masse zu erkennen:

a) Durch Spriinge oder Bruchflachen an der Oberflache der Schaumwande, wenn W h d e und Inhalt der Schaum- kammern sich bei der Abkiihlung und beim Erstarren ver- schieden stark zusammengezogen oder ausgedehn t haben.

b) Durch Linsen, Schaumflocken oder Luftblaschen, welche in den Schaumwanden hlngen.

c) Durch das Furchen- oder Liniennetz, in welchem un- sichtbare Schaumwande im Innern der erstarrten Masse die Bruchflache treffen.

d) Durch Atzen der natiirlichen oder kiinstlichen Ober- flache, wenn Wande und Inhalt der Schaumkammern ver- schieden schnell chemisch verandert werden.

e) Durch die wellenformige Form der Sprunge oder einer Fremdschicht, auf der die Spriinge entstanden sind, indem in der erstarrenden olartigen Fremdschicht sich neue Schaum- wande ausgeschieden haben. Die Oberflachenspannung dieser neuen Schaumwande hat beide Fliichen der Fremdschicht gegeneinander gezogen. Die Fremdschicht wurde dadurch diinner und langer und hat wellenformige Falten gebildet.

f) Schon die Eigenschaft der weichen gliihenden Glas- masse, beim Auseinanderziehen lange Faden zu bilden, beweis t das Vorhandensein von sichtbaren oder unsichtbaren flussigen oder festen Schaumwanden in der~elben.~)

g) Diinne unsichtbare Schichten oder Lamellen olartiger Fliissigkeit B bilden unter dem EinfluB der Oberflachen- spannung in der Fliissigkeit A ebenso Schaumwande I. und 11. Art, von denselben Formen wie dickere sichtbare Schichten.

Scheidet sich bei der Abkiihlung des geschmolzenen Glases in der Fliissigkeit A die olartige Fliissigkeit B , anstatt in vielen diinnen Schichten, in einer einzigen dicken Schicht ab, so zeigt das erkaltete Glas SchZieren mit anderer Licht- brechung als die Umgebung. Die Schlieren bilden zuweilen Spiralen, dicke Faden mit Anschwellungen oder einzelne runde Linsen, d. h. Schaumkammern I. und 11. Art.

1) G. Quinoke, Ann. d. Phys. 7. p. 638. 1902. 2) G. Quincke, Ann. d. Phys. 10. p. 480. 1903; 11. p. 83. 1903.

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66 *

1028 G. Quinche.

Geschmolzenes Glas bildet bei der Abkiihlung eine flussige Gallerte und venvandelt sioh beim Erstarrem aZlmahZich in eine feste Gallerte. Zwei Brocken flussige Gallerte konnen zusammenfliefien, wie zwei Flocken Seifenschaum, indem die f lussigen Wande benachbarter Schaumkammern zusammen- flieBen, und ebenso die flussigen Kerne.

Mehrere Glasplatten flieBen zu einer einzigen zusammen, wenn sie sich mit frisch polierten reinen Fkchen beriihren. Besonders leicht, wenn das Glas jung ist, frisch aus der Glas- hutte kommt. Junges Glas ist, wie Eisl), fliissige Leim- gallerte, EiweiB und gliihendes Eisen 3, eine flussige Gallerte mit unsichtbaren Schaumliammern, deren flussige Wiinde und fliissiger Inhalt dieselben chemischen Bestandteile, aber in ver- schiedener Konzentration, enthalten. Sind die SchaumwBnde sehr diinn, verglichen mit einer Lichtwelle, so erscheint das Glas optisch homogen und 1aBt sich erhitzen oder abkiihlen, ohne zu zerspringen. Das Glas ist um so haltbarer beim Er- hitzen, je dunner die Schaumwande sind, je ahnlicher ther- mische Ausdehnung und Volumenanderung beim Erstarren fur die beiden Flussigkeiten A und B sind.

Je diinnere Schaumwande aus Fliissigkeit B sich gebildet haben, je kleiner die Schaumkammern sind, um so leichter werden Wande und Inhalt der Schaumkammern bei Abkiihlung in unterkiihltem Zustande fliissig bleiben, wie die Unter- suchungen von Sorby3) und L. Dufour4) beweisen.

Die Oberflachenspannung der Lamellen ist unabhangig von der Dicke, sobald diese grol3er ist als 0,12,u oder 1/5 Licht- welle, und nimmt mit der Dicke ab, wenn diese kleiner wird als 1/6 Lichtwelle.s) StoBen verschieden dicke Teile in der- selben Lamelle aus Flussigkeit B zusammen, so werden die Teile von kleinerer Dicke als 1/5 Lichtwelle nach den dickeren Teilen mit groBerer Oberflachenspannung hingezogen. Die diinneren Lamellen werden verschwinden oder platzen. Nach

1) G. Quinoke, Drude Ann. 18. p. 1. 1905. 2) G. Quincke, Verh. Natur-Med. Vereina Heidelberg, IT. F.

3) H. C. Sorby, Phil. Mag. (4) 18. p. 105. 1859. 4) L. Dufour, Pogg. Ann. 114. p. 534. 1861. 5) G. Quincke, Pogg. Ann. 187. p. 402. 1869; 189. p. 69. 1870.

VIII. p. 355, 365. 1906.

Ann. d. Phys. 2. p. 414. 19UO.

Struktur und Eigenschaften des Glases. 1029

langerer Zeit, werden mehr Schaumwande von gr6Berer Diclie als ' I5 Lichtwelle bestehen bleiben, welche leichter erstarren als die diinneren Schaumwande.

TVerden nacheinander mehrere olartige Flussigkeiten B, , B, USW. beim Abkiihlen des flussigen Glases ausgeschieden, so breitet sich die Fliissigkeit B, in einer diinnen unsichtbaren Fremdschicht (auch von geringerer Dicke als 1/5 Lichtwelle) auf der Fliissigkeit B, aus, sobald dadurch die Oberflachen- spannung von B, verkleinert wird.1) Locher in der diinnen Fremdschicht haben groBere Oberfliichenspannung und ziehen sich sofort wieder zusammen. Die mit der diinnen Fremd- schicht B, bedeckten Schaumwiinde werden dadurch wider- standsfiihiger gegen Verschiebungen, unbeweglicher und halt- barer. ,) Die geschmolzene Glasmasse wird dadurch vie1 klebriger uncl ihre Viskositat scheinbar groBer.

In dieser fliissigen Glasmasse von grol3erer Klebrigkeit wird eine mit der Fremdschicht B, bekleidete Lamelle aus Fliissigkeit B, mit kleinerer Oberfliichenspannung besonders langsam ihre Gestalt andern, sich besonders langsam zu- sammenrollen zu Sohaurnwanden I. Art.

Diese Schaumwande I. Art in der besonders klebrigen benachbarten Fliissigkeit verwandeln sich auch besonders langsam, erst in Jahren, in Schaumwande 11. Art und bilden Hohlkugeln oder aneinander hiingende Schaumkammern 11. Art, mit kugelformigen und ebenen Wanden, wie Seifenschaum.

Bei verschiedener Dicke der Fremdschicht B, auf beiden Seiten der Schaumwand I. und 11. Art liegt die Fremdschicht mit grol3erer Dicke auf der konvexen Seite mit der kleineren 0 berfliichens pannung .

Die Oberflachenspannung und die Form der Schaum- wande I. Art vermehren die Festigkeit des Glases. Um so mehr, je mehr Schaumwande im Volumen 1 enthalten, je kleiner die Schaumhmmern sind. Beim Auswalzen grol3er Glasplatten, beim Aufblasen von Hohlkugeln und Zylindern oder dem Ausziehen von Glasfiiden vor der Lampe werden die olartigen Lamellen aus Fliissigkeit B oder aus den Flussig- keiten B, und B, gestreckt, werden langer und diinner, erhalten eine groBere Oberfliiche' und das Glas groBere Festigkeit. Das

1) G. Quincke, Pogg. Ann. 139. p. 61. 1870. 2 ) G. Quincke, Ann. d. Phys. 43. p. 412. 1914.

1030 G. Quinake.

Glas ist weniger fest, wenn die Schanmwande I. Art sich in Schaumwande 11. Art vemandelt haben, wenn das junge Glas jahrelang gealtert ist.

Wird das Glas im Strecli- oder Temperofen wieder er- hitzt oder geschmolzen, so werden die Schaumwiinde I. Art aus Fliissigkeit B und B,, B, schneller ihre Form andern, oder konnen wieder gelost werden und sich beim Abkiihlen des Glases im Kiihlofen in neuen anderen Formen von Schaum- wanden I. und 11. Art ausscheiden. Die neuen Formen wech- seln mit der Geschwindigkeit der Erwarmung und Abkiihlung.

Sind die diinneren Schaumwande aus Fliissigkeit B in der Fliissigkeit A im Laufe der Jahre zu dickeren unsichtbaren Wanden zusammengeflossen und beide Fliissigkei ten erstarrt, so zerspringt das Glas vor der Lampe, wenn A und B ver- schiedene thermische husdehnung haben. Das alte Glas ist unbrauchbar zum Glasblasen.

An einem Rite der Glasoberflache ist nach Muraokal) die Glasflache zu beiden Seiten des Ritzes gehoben. Ich erklare dies durch die SchaumwBnde, deren Oberflachenspannung die Glasmasse senkrecht zur Ritzrichtung nach beiden Seiten fortzieht.

Wahrscheinlich sind die Schaumwiinde der Schaum- kammern in jungem Glas diinner als 0,12 ,u oder 1/5 Licht- welle.

Beim Schneiclen einer horizontalen Glaspla tte mit dem Diamanten wird die Schneide des harten Diamantkeils unter Druck mit geeigneter Geschwindigkeit in der Richtung der Keilschneide auf der weicheren Glasfliiche verschoben, die Oberflache zerschnitten und zu beiden Seiten des Schnittes durch die Oberflachenspannung der horizontalen Schaum- wande fortgezogen. Gleichzeitig werden durch den Druck des Diamantkeils die horizontalen SchaumwPnde unter der Druckstelle stark gebogen und diinner, bekommen an der diinnsten Stelle die kleinste Oberfliichenspannung und Festig- keit und werden hier zerrissen. Das Glas wird unter dem Diamantschnitt normal zur Oberflache gespalten ; um so tiefer, je groI3er der Druck des Diamantkeils war. Ahnlich wie der Diamantkeil wirkt der Keil des Glasmessers aus hartem Stahl, niit welchem Glasrohren zerschnitten werden. Sltes Glas

1) H. Muraoka, Wed. Ann. -22. p. 251. 1884.

Struktur und Bigenschafien des Glases. 1031

init dicken und erstarrten Schaumwanden liiBt sich schlechter schneiden und spalten als junges Glas.

F. Guthriel ) fand, daB beim Erhitzen voii Glasplatten, in welche mit dem Diamanten konzentrische kreisformige Spriinge geschnitten waren, neue Spriinge entstanden, welche uber die Diamantspriinge kontinuierlich fortliefen, als ob die Diamantspriinge fehlten. Die unsichtbaren, im Glase schon vor dem Schneiden vorhandenen Schaumwande liefen iiber diese Diamantspriinge fort und bestimmten die Bruchflache.

Q 208. Die f reiwilligen Spriinge, welche fehlerhaftelGlas- rohren zeigen, entstehen an den Stellen, wo sich beim Ab- kiihlen des Glases dickere unsichtbare Schichten olartiger Fliissigkeit ausgeschieden und beim Abkiihlen und Erstarren nnders zusammengezogen haben als die benachbarte Glas- masse. Diese freiwilligen Spriinge habe ich bei Glasrohren ron 1,5 em Durchmesser und 2 mm Wanddicke beobachtet als unzahlige feine parallele kreisformige Spriinge in Ebenen senkrecht zur Zylinderachse und zur Glasoberflache, in 1 mm Abstand voneinander. Bei anderen Glasrohren von 4 - 5 cm Durchmesser lief ein Sprung nahezu senkrecht zur Glas- oberflache in Schraubenlinien mit 4-8 cm Ganghohe uber eine Lange von mehreren Metern fort. In beiden Rohren hatten sich die olartigen Lamellen in dem erkaltenden Glase senkrecht an die schon erstarrte Oberflliche angesetzt.

Oft treffen drei Spriinge an einer Stelle mit Winkeln von 120° zusammen, wo drei unsichtbare Lamellen mit gleicher Oberflachenspannung zusammenstieBen. Gelegentlich trifft auch ein Sprung unter anderem Winkel, etwa 45O, auf einen anderen Sprung. Dann hatten die olartigen Lamellen, aus denen beide Spriinge entstanden sind, verschiedene Oberfliichenspannung durch verschieden dicke Fremdschichten, mit denen sie be- deckt waren, oder enthielten KieselsBure und Silikate in ver- schiedener Konzentration in demselben Losungsmittel (ge- schmolzenem Alkalisilikat) gelost, wie bei Lamellen aus o1- artigem Leim oder Kieselsaure niit verschiedeneni Wassergehalt (Ann. d. Phys. 10. p. 489. Fig. 120 f g h), oder bei olartigen Salzlosungen in Eis von geringem Salzgehalt (Ann. d. Phys. 18. p. 1-22). (Vgl. auch unten Q$ 212, 213).

1) F. Guthrie, Phil. Mag. 8. p. 27. 1879.

1032 G. Quincke.

$ 209. Kunstliche Spriinge durch A'tzen des Glases snit kochendem Wasser. Man kann Spriinge in Glasrohren oder Glaskolben auch kiinstlich hervorrufen, wenn man das Glas 5 Tage lang in kochendem Wasser 1aBt und ihm dadurch Wasser zufiihrt oder Alkali entzieht. Die vorher im Glase vorhandenen unsichtbaren Lamellen und Schaumwande quellen oder schrumpfen stiirker oder weniger stark als die Grundmasse des Glases. Es entstehen S2annungen und Spriinge, welche die Lage der vorher vorhandenen unsichtbaren Lamellen aus heterogener Glasmasse bezeichnen.

Die kiinstlichen Spriinge haben hiiufig die Form der frei- willigen Spriinge. Sie bilden Ringe, Kegel- oder Schrauben- flachen, senkrecht oder schief zur Glasoberflache, ein Netz- werk von ebenen oder gewundenen Schaumwiinden mit Neigungs- winkeln von 120, 90 oder 45O. In der Nahe der Spriinge ist das Glas oft negativ doppelbrechencl, mit optischer Aohse normal zur Sprungrichtung, wie bei den Spriingen in Lamellen von Leim, EiweiB usw. (Ann. d. Phps. 10. p. 483,501 ; 16. p. 21). Das Glas ist von den aufgequollenen Schaumwiinden koni- primiert worden.

Eine Glasrohre A yon 50 mm Durchmesser und 1,5 mm Wanddicke zeigte klare, freiwillig entstandene Spriinge, senk- recht zur Rohrenachse und senkrecht zur Glasoberfliiche, welche das Licht total reflektierten, U mm Abstand von- einander hatten und oft eine Schraubenlinie mit vielen Win- clungen (entsprechend einer Schaumwand I. Art) bildeten. An einzelnen Stellen hatten die klaren Spriinge die Form von links oder rechts gewundenen Schraubenfliichen ; sie waren aus Schaumwiinden I. Art entstanden. Das Glas zeigte in der Nahe der freiwilligen Spriinge keine optische Doppel- brechung.

Nach 5 tagigem Atzen rnit kochendem Wasser und jahre- langem TEintrocknen zeigten sich nun feine klare Spriinge nahe der Glasoberfliiohe, parallel zur Rohrenachse in 1 mm Ab- stand voneinander und viele weiBliche Spriinge mit ebenen und gewundenen Flgchen, welche von der inneren zur auBeren Zylinderfliiche gingen und gegen diese unter Winkeln von 45, 75, 90 und 1200 geneigt waren. Die TlreiBlichen Spriinge spalteten das Cflas in vier-, funf- und sechseckige Mare Brocken von 1-2 mm Breite. Fig. 251 (Taf. VII) gibt eine photo-

Struktur und Eigenschaften des Oiases. 1033

graphische Abbildung in 4,5facher Vergroljerung. 8ie gleicht der Pho tographie eines Eisblockes aus langsarn gefrorenem Leitungswasser. (Ann. d. Phys. 18. p. 39, Taf. I. Fig. 225 c. 1905.)

Unter dem Mikroskop zeigte das klare Innere der Brocken feine Spriinge, oft parallel mit 0,1-0,4 mm Abstand, senk- recht zur Glasoberflllche, welche unter Winkeln von 90 oder 45 O zusammentrafen. Derselbe Sprung lieJ3 sich durch mehrere benachbarte Brocken verfolgen, lag also an der Stelle un- sichtbarer Schaumwande, welche schon vorhanden waren vor der Bildung der olartigen Lamellen und Schaumwande, aus denen die weiljlichen Spriinge entstanden sind. Es scheiden sich also in dem geschmolzenen Glase bei der Abkiihlung zu ver- schiedenen Zeiten nacheinander mehrere olartige Fliissigkeiten B,, B, usw. von verschiedener Zusammensetzung und ver- schiedener Oberfliichenspannung aus.

Die weiBliche Oberfliiche der Brocken zeigte unter dem Mikroskop runde und elliptische Locher von 0 , 1 4 2 mm Durchmesser, einzeln oder 4 - 5 in einer Reihe nebeneinander, und Haufen kleiner Kreise von 0,0015 mm Durchmesser, die oft auf groBeren Kreisen oder Kreisbogen lagen ; an einzelnen Stellen Sphiirokristalle von 0,13-0,6 mm Durchmesser mit negativer Doppelbrechung und optischer Achse parallel dem Radius. Durch die Einwirkung des kochenden Wassers sind die unsichtbaren Schaumwiinde an der Oberflache der Brocken gequollen und sichtbar geworden, welche irn geschmolzenen Glase aus olartiger, sehr klebriger Fliissigkeit sich abgeschieden hatten und in denen wieder kleinere, mit flussigem Glase ge- fiillte Hohllinsen hingen oder, wie bei Seifenschauni, am Rande groBerer Blasen sich angesammelt hatten, wo drei Schaum- wiinde in einer Schaumkante zusammenstiehn. Inhalt und Wiinde der Schaumkammern sind dann bei der Abkuhlung erstarrt; die gewundenen Wande, ehe sie die von der Ober- flachenspannung geforderte Gleichgewichtslage erreicht hatten. Die Wande der Schaumkammern enthielten dieselben che- mischen Substanzen, aber in sehr verschiedener Konzentration. Erstere sind vom kochenden Wasser stiirker veriindert worden, als das Innere.

In seltenen Fiillen habe ich neben den Sph~rokristallen rhombisclie oder spitze Kristallplatten ron 0,s-0.1 niiii

1034 G. Quincke.

Breite, rnit geraden Seiten und einein Winkel yon rund 60° beobachtet. Die optische Achse der positiven Doppelbrechung war unter 20-27O gegen die eine Seite geneigt. Mit einem Ba bine tschen Kompensator fand ich den Gangunterschied 6 der interferierenden Strahlen 0,lil. In kaltem Wasser quollen die kleinen Kristallplatten auf. Nach 5 Tagen hatten sich an der Spitze drei braune Kugeln von 0,03 mm gebildet, mit tielen kleinen Schaumkammern von 0,0005 mm. 6 war an der spitzen Hillfte der Platte auf 0,3 il gewachsen; aber die Kompensatorstreifen waren verwaschen, und auf der Platte waren viele schwarze Piinktchen und Blasen von 0,0006 bis 0,0003 mm Durchmesser sichtbar.

Ein iihnliches Aufquellen in Rasser rnit abklingender Doppelbrechung habe ich fruher an Splittern von natiirlichen Cha basitkristallen be0 bachtet .')

Das geatzte Glas zeigt zu beiden Seiten der klaren und der weislichen Spriinge haufig negative, seltener positivs Doppelbrechung, rnit optischer Achse senkrecht zur Sprung- richtung ; hiiufig niit negativer, seltener rnit positiver Dilatation des Glases. Ein von parallelen Spriingen begrenzter Glas- brocken kann an einer Seite negative, an der gegeniiber- liegenden Seite positive Doppelbrechung zeigen, als ob die eine Seite von der durch Wasseraufnahme gequollenen Schaum- wand bleibend komprimiert, die andere Seite von der durch Auflosung von Alkali geschrumpfhn Schaumwand bleibend gedehnt ware.

Aus einer Glasrohre B von 9 mm Durchmesser und 1 mni Wanddicke, von leicht schmelzbarem Thiiringer Glas, war ein Stuck rnit mei kegelformigen und rnit zwei geraden Bruch- flachen parallel der Rohrenachse freiwillig ausgesprungen. Nach 5tiigigem h z e n rnit kochendem Wasser war dies Bruch- stuck eine weiBliche Masse rnit einzelnen klaren Stellen und zahlreichen braunlichen Spriingen parallel der Rohrenachse und senkrecht zur Glasoberflache in 1,6-0,8 mni Abstand voneinander. Fig. 252 (Taf. VII) gibt ein Bild dieses Bruch- stuckes in 4,4facher VergroBerung. In den langen von diesen briiunlichen Spriingen begrenzten Broc ken liegen wieder braun- liche ebene und kreisformige Querspriinge oder wie ein Hobel-

1) G. Quincke, Ann. d. Phys. 14. p. 13. 1904.

Struktur und Eigenschaften des Glases. 1035

span gewundene Bhcler. Unter dem Mikroskop zeigt die Oberfkche der Sprungfliichen viele Spriinge von 0,04 mm Breite in geraden und gewundenen Linien, Kreisbogen und Kreisen, welche unter Winkeln von 120, 90,450 u. a. aufeinander treffen; zahlreiche sehr feine dunkle Linien oder 0,002 bis 0,005 mm breite Fasern parallel der Rohrenachse und zwischen diesen Linien Reihen dickwandiger runder Blasen, welche aus Rohren von 0,002--0,005 mm Durchmesser mit olartigen Wanden entstanden sind. &nliche Reihen runder Blasen habe ich in tauendem salzhaltigen Eise be0bachtet.l)

Das Innere der Glasbrocken zeigte keine Doppelbrechung ; aber auf der Oberflache der Bruchflachen lagen Kalkspat- rhomboeder oder dunne doppeltbrechende Kristalle ohne ebene Begrenzungsfliichen nnd Sphiirokristalle (Klasse IIe, Ann. d. Phys. 7. p. 740), \-on 0,03-0,06 mm Durchmesser, welche mit gekreuzten Nicolschen Prismen und einer Gipsplatte von il rin dunkles Kreuz mit verschieden gefiirbten oder farblosen Quadranten zeigten. Manche Sphiirokristalle hatten breite radiale Fasern mit 3-4 Anschwellungen. Die Sphiirokristalle mit gefarbten Quadranten zeigten negative Doppelbrechung niit optischer Achse parallel dem Radius; ein einziger Spharo- liristall positive Doppelbrechung. h l i c h e Sphkokristalle habe ich bei Einwirkung alkalischer Fliissigkeiten auf Kalk- salze erhalten. 2,

In der 0,3-0,6 imn dicken Wand eines Glaskolbens aus bohmischem Kaliglas C (vom SchloSle bei Pilsen), welche 5 Tage lang innen und aul3en mit kochendem Wasser in Be- riihrung war, entstanden kegelformige , kreisformige und spiralformige Spriinge mit Neigungswinkeln von 120 und 90 O.

Fig. 253 (Taf. VII) gibt eine Photographie des Glaskolbens, Fig. 253 bis u--i Zeichnungen der Spriinge. b l i c h e Spriinge habe ich fruher bei eingetrooknetem EiweiS (Ann. d. Phys. 10. p. 501. Fig. l25), kolloidalem Eisenoxydhydrat (Ann d. Phys. 9, p. 971. Fig. 103 c d ) oder Kieselsiiure (Ann. d. Phys. 9. p. 828. Fig. 99) beschrieben. Die kegelformigen Spriinge hatten die breitere Basis an der AuBenseite des Glaskolbens.

Auch die anderen Sprungfl&chen lagen nicht senkrecht cur Glasoberflache, sondern unter 20-250 gegen die AuBen- -. ~

1) G. Quincke, Am. d. Phys. 18. p. 16, 32, 42. 1905. 2) G. Quincke, -4nn. d. Phys. 7. p. 708. Fig. 46. 1902.

1086 G. Quincke.

fliiche geneigt. Sie zeigten feine Furchen und Hugel parallel der Sprungrichtung von 0,Ol-0,005 mm Breite oder musch- ligen Bmch mit kugelformigen Schaumwanden, zylindrischen und konischen Rohren mit Einschniirungen und Apschwel- lungen von 0,l mm oder mit ebenen und kugelformigen Querwanden senkrecht zur Sprungrichtung. Die feinen Furchen und Hugel entsprachen den von Fore1 und H e i m an Gletscher- kornern beobachteten Streifen (Ann. d. Phys. IS. p. 51).

65 b c * cz

Fig. 283.

Die Formen dieser Spriinge oder Lamellen entsprechen den Schraubenwindungen der Metallsalzmgetationen 1) oder den sogenannten Kristalliten, welche Behrens 2, in Obsidian beobachtet oder kiinstlich mit Canadabalsam, Benzol uncl Pikrinstiure erhalten hat.

Eine mit (unbekannter) Flussigkeit X gefiillte geschlossene Glasrohre D von 17 mm Durchmesser und 2,5 mni Wand- dicke war tagelang in den1 SchieBkasten eines chemischen Laboratoriums erhitzt worden. Nach dem Erkalten war die Innenwand mit einer weialichen Glasschicht von 0,112 mm Dicke uberzogen, auf deren Oberflache viele Ringe lagen, auf parallelen Kreisen in 1-2 mm Abstand voneinander. Unter dem Mikroskop zeigte die diinne Glasschicht lieine Doppel- brechung, aber Spaltflachen oder dunkelbraune, 0,Ol-0,02 inin dicke Schaumwiinde, welche unter Winkeln von 120, 90° u. a. gegeneinander uncl gegen die Glasoberflache geneigt w r e n , nnd Glasbrocken oder Schaumkammern von 0,2-1,6 mm

1) G. Quincke, Ann. d. Phys. 5. p. 640. 1902. 2) H. Behrens, Die Kristdliten. Kiel 1854. Fig. 15. 11. 65;

Figg. 11-13. p. 60.

Struktur und A'igenschaften des Glaaes. 1037

Breite begrenzten' (Fig. 254, Tnf. VII). Die clunkelbraunen SchaumwvHnde waren von klnren, 0,06 mm breiten Streifen eingefaat, welche wieder eine gelbgefiirbte, mit runden Kuppen besetzte F1B;che umschlossen. Auf der gelbgefiirbten Fliiche lagen parallele gerade oder kreisformige Wellenberge in 0,Ol mm Abstand voneinander, oder gewundene Wellenberge, wie die Myelinformen l) ; aber alle ohne Doppelbrechung. An ein- zelnen Stellen lagen im Innern der Glasschicht braune Kugeln von 0,02-0,04 mm Durchmesser, und in der Mitte einzelner hrauner Kugeln eine kleinere klare Kugel oder konzentrische klare Kugelschale. Die braunen Teile dieser Kugeln bestanden wieder aus vielen kleinen Schaumliammern von 0,0005 mm Breite.

AuBerdem zeigte die Oberflache der Brocken viele feine gerade und gewundene Spriinge nebeneinander, senkrecht zu den dicken braunen Sohaurnwanden. Ein ringformiger ellip- tischer Sprung zeigte positive Doppelbrechung oder Dehnung cles Glasringes parallel dem Radius.

In ungefiirbten Stellen der diinnen Glasschicht waren dicke Lamellen mie die Bliitter einer Rose gekrummt oder zu Spiralen zusammengerollt (Fig. 255, Taf. VIII).

Eine Glamohre E von 35 mm Durchmesser und 0,5 mm Wanddicke war durch langes &Zen mit kochendem Wasser und Wasserdampf undurchsichtig, weiBlich und briichig ge- worden. Unter dem Mikroskop zeigten sich zahlreiche Spriinge und auf der Glasoberfliiche viele von Kreisbogen und geraden Linien begrenzte doppeltbrechende Massen, Kristalle und Iiristalldrusen, Kalkspatrhomboeder, sechsseitige oder spitz- winklige Kristallplatten von 0,l mm, Sphiirokristalle I. Klasse mit radial angeordneten Kristallen, einzelne und zusammen- gebackene runde Sphiirokristalle 11. Klasse von 0,s mm. An einer Stelle lag eine einfachbrechende Schraubenlinie oder ein Sprung, wie eine Drahtspirale, mit 25 feinen Windungen \-on 0,06 mm Durchmesser, deren Ganghohe von einem Ende zum anderen kontinuierlich von 0,024-0,012 mm abnahm.

Alle doppeltbrechenden Massen, auch die in den feinen Spalten lagernden, waren unter Gasentwicklung in kalter Salzsiiure loslich bei den Gliisern A B C E . Diese Gliiser ent- hielt,en also Karbonate, was auch durch die Kalkspatkristalle

1) G. Quincke, Wed. Ann. 63. p. 608. Figg. 7 u. 8. Taf. VIII. 1894.

1038 G. Quincke.

auf den geiitzten Sprungflachen der Gliiser B und E bestatigt wird .

Die Gliiser A C E zeigten auf den freiwilligen Spriingen vor dem Ateen mit kochendem Wasser eine wellenformige Bruchfliiche senkrecht zur Glasoberfliiche. Hier hatte sich also bei der Abkiihlung des Glases senkrecht zur Oberfliiche eine diinne unsichtbare Schicht olartiger Flussigkeit B, ge- bildet, in welcher dann bei weiterer Abkiihlung neue Schaum- wiinde von anderer olartiger Fliissigkeit B, ents tanden sind, welche durch ihre Oberfliichenspannung die Dicke der diinnen Schicht verkleinert und die Liinge der diinnen Schicht, ver- groBert haben.

$ 210. Mit Saure geatzte einseitig mattierte Glasplatten, von welchen J. It. Milne l ) mikroskopische Photographien in 800- und lOOfacher VergroBerung gegeben hat, zeigen eben- falls Schaumwiinde I. und 11. Art. In Fig. 1, P1. I dieser Photographien liegt eine groBe kegelformige Spirale init zwei Schraubenwindungen, wie ein Korkzieher. In Fig. 4, P1. I liegen groBe Schaumkammern mit ebenen, kugelformigen und kegelformigen weiBlichen Wanden. Je drei ebene oder kugel- formige Schaumwande stoBen in einer geraden oder kreis- formigen Schaumkante zusammen, zum Teil rnit Randwinkeln von 120°, wie bei Seifenschaum. In diesen Schaumwanden 11. Art hangen runde klare Blasen mit einem weiBen Kern, einer kleineren Blase an der Kuppe oder dem Boden der grijBeren klaren Blase. Ahnliche kleinere weiBe Blasen sieht inan in den Schaumkanten der groBen Schaumkanimern oder am Raiide der klaren Blasen nebeneinander.

In Fig. 5, P1. I1 finden sich weiBe Halbzylinder und Kegel, gewundene Spiralen und kegelformige SchraubenbBnder, wie ein Schneckenhaus.

Viele einzelne Vertiefungen an der geatzten Glasoberfliiche wirken wie Linsen, geben von einem Lichtkreuz einzelne Bilder. Diese Bilder liegen in Fig. 7, P1. I1 auf Kreisbogen, Ellipsen- bogen oder parallelen geraden Linien nebeneinander, wie oben bei Glas B , $ 208. Die Linsen hiingen also in kreisforiiigen oder geraden Schaumkanten von kugelformigen oder ebenen Schaumwiinden.

1) J. R. Milne, Proc. Roy. k c . Edinburgh SXBIII. p. 273. PI. I u. 11. 1913.

Struhtur und Eigenschaften des Glases. 1039

0 211. Rd aurnursches Porzellan. Glas, welches lange Zeit im Hafen einer Glashiitte auf hohe Temperatur erhitzt war, zeigt weiBe Stellen von sog. RBaumurschem Porzellan. Ein Teil des Alkalis ist verdampft, und in der klaren Glasmasse haben sich beim langsamen Abkihlen diinne Schichten oder Lamellen olartiger Flussigkeit abgeschieden, eines Silikats von anderer Zusammensetzung und anderer Lichtbrechung als das benachbarte Glas.

Bei Glas F aus Neustadt a. a. Dosse, einem Geschenk des Herrn D. K. Spl i t tgerber , war in einem Hafen eine 14mm dicke Glasmasse zuruckgeblieben und erstarrt. Der untere Teil ist klar. Daruber liegt eine 2 mm dicke Schicht, deren von Luft begrenzte Oberflache Schaumwiinde zeigt mit Rand- winkeln von 120 O, in seltenen Fallen von 30-45 O. Die Schaum- wande begrenzen Schaumkammern von 1-3 mm Durch- iiiesser mit schwach gewolbten Kuppen auf der Luftseite, und stark gewolbten Kuppen auf der Glasseite. Im oberen Teile der klaren Glasschicht liegen viele weib Kugeln von 1,6-1,8 mm Durchmesser, umgeben von einem Mantel aus doppeltbrechendem Glase. Der Glasmantel ist ein hohler, positiver Spharokristall 11. Klasse, rnit optischen Achsen senk- recht zur Kugeloberfliiche. Der Gangunterschied der ordinaren und extraordinaren Lichtwellen ist nahe der Kugeloberflache 1, l Lichtwelle und nimmt nach auBen langsam ab. Der klare Cflasmantel ist gedehnt in der Richtung des Radius, indem sich die weiBe Schaumkugel bei dem Abkiihlen und dem Er- starren starker msammengezogen hat als das klare Glas der Umgebung. Bei starker VergroSerung zeigt die weiSe Kugel- oberflache viele radiale Rohrchen mit halbkugelformigen Kopfen von 0,0005 mm Durchmesser. An einzelnen Kugeln wollen sich schon ebene Begrenzungsflachen ausbilden, vielleicht Kristall- f lachen.

Neben den weil3en Schaumkugeln werden unsichtbere Lamellen im Innern des klaren Glases durch eingelagerte dunkle Teilchen sichtbar in Form von kugelformigen, mit klarem Glase ge- fullten Blasen von 1,6 mm Durch- messer, kegelformigen Spiralbandern oder gewundenen Kegelflachen, wie ein Schneckenhaus (Fig. 256 a b ) .

PDE Fig. 256.

1040 G. Qukcke.

Bei einem Glase G der Glashiitte Grunenplan, das ich meinem Freunde Dr. Friedrich Koch verdanke, liegen die weiBen Schaummassen in einer iiber 10 em dicken Schicht von klarem Glase (Fig. 257, Taf. VIII). Diese Schaummassen bilden posi- tive Spharokristalle von 5-9 mm Durchmesser, mit radialen Fasern oder radialen Rohren mit Anschwellungen und Ein- schniirungen (Fig. 258a) oder Spiralen (Fig. 258b), oder zylin- drische Spiralen von 5-7 mm Durchmesser und 1-2 mm Hohe, wie ein aufgerolltes Papierband (Fig. 258 c d) oder auch Formen wee Rosenknospen oder wie Fig. 258 e f g.

Fig. 258.

Na.he der Oberflache der Glasmasse liegen die Achsen der flachen Spiralen oder Spharokristalle senkrecht zur Ober- fliiche. Von Glas G wurden Diinnschliffe hergestellt. In ihnen zeigt das klare Glas in der NBhe der weiBen Schaummassen wieder positive Doppelbrechung mit optischer Achse senk- recht zur Oberflache der Schaummassen, entsprechend einer Dehnung des Glases in dieser Richtung. Eine in einer weiBen Schaummasse liegende Kugel von 1,4 mm Durchmesser war ebenfalls ein positiver Spharokristall.

Alle beschriebenen Formen entstehen aus diinnen Lamellen olartiger sehr klebriger Flssigkeit , oder aus er- starrten festen Lamellen, die auf der konkaven Seite eine groBere Oberflachenspannung gegen die umgebende Fliissig- keit hatten, als auf der konvexen Seite. h l i c h e Spiralen habe ich in Kieselsaurelosung und EiweiB beobachtet (Ann. d. Phys. 9. p. 807; 10. p. 501. Fig. 125. 1902), welche auf Glas eingetrocknet waren.

Fig. 258 A (Taf. IX) und Fig. 258 B (Taf. VII) geben die Abbildung eines Diinnschliffes der Formen Fig. 258e und f in 6facher Vergrol3erung. Die einzelnen Ringe der Spiralen sind doppeltbrechend, wie die einzelnen Teile eines positiven Spharokristalls, mi t optischer Achse parallel dem Ringradius. Bei 24Ofacher VergroBerung (Fig. 259 A , Taf. IX) erscheinen sie als Tannenbgume, deren h t e und Nadeln unter 60° gegen

Struktur rind Eigenschaften des Glases. 104 1

den Hauptstamm geneigt sind uncl deren Nadeln aus zylin- drischen oder konischen Rohrchen von 0,015 x 0,005 mm mit runden Kopfen oder mit Querwiinden bestehen. An einzelnen Stellen erscheint die Kuppe der Nadeln durch Quellung kugel- oder birnenforniig erweitert (Fig. 259 a b) .

Beim Erschiittern dieses Griinenplaner Glases G entstehen groSe Spriinge senk- recht zur Glasoberflache mit Neigungs- winkeln von 120O. Das Glas G lieB sich nicht niit kochendeni Wasser atxen.

Ahnliche Formen wie Fig. 258 f uncl 2 5 8 A haben be- obachtet Vogelsangl) bei den Kristalliten der blauen Schlacke von Pont l’hveque, Rosenbusch 2, bei Trichiten des Obsidians von Mexiko, und ich selbst 3, bei Natriumsilikatlosung, welche auf Glas eingetrocknet war. Spharokristalle, wie Fig. 258 a, haben Brauns4) bei trichitischem Schwefel und ich bei Calcium- karbonat5), Sr~miktrisulfid~), Natriumsilikat uncl Kieselsaure ’) beschrieben .

$ 212. SchneZl gekiihltes Glas. Batacisclie Glastranen, welche durch Abbrechen des diinnen Endes zersprungen sind, geben Bruchstucke, welche das Licht einfach brechen. Die kugelfdrmigen oder wellenformigen (faltigen) Bruchflachen sind unter 90 O gegeneinander geneigt. An diesen Bruchflachen lagen unsichtbare Schichten olartiger Flussigkeit B , welche sich an schon erstarrte Schichten von B angesetzt haben. In den Schichten B der wellenformigen Brnchfl2ichen haben sich vor dem Erstarren neue unsichtbare Schaumwande ol- artiger Flussigkeit B, abgeschieden und durch ihre Ober- fliichenspannung heicle Flachen der Schicht B gegeneinander

a *F

Fig. 259.

1) H. Vogelsang, Kristalliten. Bonn. Taf. VII. Fig. 9. 1876. 2) H. Rosenbusch, Mikroskopische Physiographie 1. p. 34. Taf. I.

3) G. Quincke, Ann. d. Phys. 9. p. 834. Fig. 101e. 1902. 4) R. Brauns, N. Jahrb. f. Min. XIII. Taf. VII. Figg. 1 u. 2. 1900. 5) G. Quincke, Ann. d. Phys. 7. p. 726. Fig. 57. 1902. 6) G. Quincke, Ann. d. Phys. 9. p. 985. Fig. 112. 1902. 7) G. Quincke, Ann. d. Phys. 13. p. 226. Fig. 13. 1904; 9. p. 834.

Fig. 5. 1892.

Fig. 101, a, b, d. 1902. Annalen der Physik. IV. Folge. 46. 67

1042 G. Quincke.

gezogen, wodurch diese Schiclit B dkmer nnd lBngcr geworclen ist l) und Falten gebildet hat.

Der gewolbte Boden einer sog. Bologneser Flasche aus schnell gekuhltem Glas zerspringt, menn die innere Oberflache durch einen Feuersteinsplitter geritzt wircl. Die Sprung- fliichen zeigen nahe der lionvexen BuBtwn (am schnellsten gekuhlten) Oberflache und senkrecht zu derselben 0,s-1,2 nim lange Fasern, welche auBen 0,Ol--0,004 nim, im Innern des GlaseB 0,04 mm breit sind. Die Bruchflhche ist iihnlich der Bruchflache von schnell gefrorenem Eis 2, oder von HartguBa), deren Fasern auch von auBen nach innen kontinuierlich breiter werden. Die Fasern sind Schauiiikaminern I. Art, niit Schaum- wanden aus olartiger Flussigkeit, welche sich bei cler Abkih- lung im Innern des Olases in cliinnen Schichten oder Mem- branen ausgeschieden hat. Infolge der Oberflhchenspannung stellen sich die olartigen Menibranen senkrecht zur zuerst erstarrten Oberflache, rollen sich zusamnien und unihullen um so feinere Fasern, je schneller sie entstanden und erstarrt sind.

3 21 3. Allotrope Modifikationen. Im schnell gekuhlten Glase ents tehen Leiiii Ahbrechen

der Spitze oder Ritzen der Oberflhche freiwillige Spriinge langs den Schauniwanden der ganzen Glasmasse. Der Unterschied der Spannungen an der Grenze von Wand und Inhalt der Schaumkammern und der Unterschied der Kontraktion bei Abkuhlung und Erstarruiig der Flussigkeiten A nnd B ist in schnell geliiihlteiii Glase groBer, als in langsain gekuhlten.

In langsaiii und sclinell gekuhltem Glase hat jede der E'lussigkeiten A und B verschiedene chemische Zusammen- setzung und verscliiedene thermische Volumenanderung. Je nach Dauer und Geschwindigkeit rler Erwarinung uncl Ab- kuhlung sind in jeder Plussigkeit zwei oder mehrere allotrope Modifikationen desselben chemischen Bestandteils in ver- schiedener Konzentratioii gelost.

Das reiiiste Wasser2) und die reinsteii Metalle ") zeigen nach Destillation iiii Vakuuni beim Erstanen uin so mehr

1) G. Quincke. Ann. d. Pliys. 7. p. 653. 1902. 2) G. Quincke. Aim. d. PIiys. 16. p. 26, 32, 46. 1906. 3) G. Quincke. Intern. Zcitsclir. f. Metallograpliic 3. p. 86, 92.

Fig. 1. 1912.

Struktur und Eigenschaften des Glases. 1043

Schaunikaniniei-n I. Art, je schneller die Flussigkeit erstarrt ist. Ich habe schon 1906 darauf hingewiesen, da8 geringe Mengen allotroper Modifikationen desselben Metalles mie ein Fremdstoff wirken k0nnen.l) Alle Stoffe der Natur zeigen bei der Abkiihlung von sehr hoher auf sehr tiefe Teinperatur fur bestimmte Temperaturabschnitte eine Reihe allotroper Nodifikationen iiiit verschieden groBen Molekulen, deren Gro13e mit sinkender Teinperatur zunimmt. Die allotropen Modifi- kationen hoher und tiefer Temperatur mogen der Kurze wegen hohe und t iefe Modifikationen verschiedener Ordnung hei13en. Nicht bloB (lie drei Aggregatformen : gasformig , tropfbar fliissig und fest sind solche verschiedenen Modifikationen, sondern es konnen auch in derselben Aggregatform bei sinkender Temperatur mehrere allotrope Modifikationen nacheinander auftreten, welche bei verschiedener Temperatur in rerschiedener Kristallforni oder amorph erstarren und sich durch spezifisches Gewicht, Farbe, niagnetische und andere physikalische und chemische Eigenschaften unterscheiden. Bei S, P, C , B, Fe sind solche allotrope Modifikationen lange belianat, und bei KieselsBure und Silikaten auch ansunehmen.

Bei sehr langsamer Abkuhlung ist jede einzelne allotrope Modifikation fur einen bestimmten Temperaturabschnitt be- standig. Je schneller die Abkuhlung einer Substanz auf eine tiefere Temperatur erfolgt, um so mehr Molekiile hoherer Modifikation bleiben bestehen, gehen erst allmahlich in die tiefere Modifikation uber und bilden mit der nun entstandenen tiefen Modifikation zwei oder mehrere olartige Losungen oder Legierungen, melche dieselben verschiedenen allotropen Modifi- kationen, aber in verschiedener (oft sehr geringer) Konzen- tration enthalten. Umgekehrt werden beini Aufwarmen um so mehr Molekule tiefer Modifikation bestehen bleiben, je schneller das Aufwiirmen erfolgt.

Die hoheren nncl tieferen Modifikationen derselben Sub- stanz bilden wie heterogene Metalle miteinander Olartige Losungen oder Legierungen, welche als Schauniwiinde bei der Abkiihlung ausscheiden und Metalle, Metalloxyde oder andere Frenidstoffe und Spuren voii Freindstoffen in ver- schiedener Konzentration losen und aufspeichern, iihnlich wie

1) G. Quincke, Proc. Roy. 8oc. A. 78. p. 67. 1906. 67 *

- -~

1044 G. Quincke.

Methylenblau von den Schauiiiwiinden in Leimtannatgallerte sufgespeichert wird .')

Pul f r i ch2) hat gefunden, daB die ebenen Endflachen eines Glaszylinders konkav werden bei langerer E r ~ a r m u n g auf 96 O. Der therniische Ausdehnungskoeffizient des aul3en schneller gekiihlten Glases war groSer als in Clem innen lang- sam gekuhlten Glase, nnd nahm kontinuierlich von aul3en nach innen ab. Nach dem Abkuhlen behielten die Endflachen ihre Kriimniung bei. Wieder eben geschliffen, blieben sie in kochendem Wasser eben, bei Erhitzung auf 200° wurdeii sie ]vie der kon ksv .

Sc h o t t 2) hat als wdirscheinlich ausgesprochen, daB mit zunehmender Spannung der thermische Ausdehnungskoeffizien t tles Glases wachse. In mehreren Fallen trifft dies zu. Aber ein Glaszylinder aus eineni alkalifreien Baryt-Borosilikat zeigte seine ebenen Endflachen nach der Erwarmung vollstandig erhalten, obwohl er sich in sehr gespanntem Xustand befand. Ich glaube daher, daB die verschiedene thermische Ausdehnung des Glases nach verschieden langer uncl rerschieden schneller -4bkiihlung oder Erwarmung des Glases herriihrt von der Menge Kieselsauie oder Silikat, welche in eine andere allotlope Modifikation ubergegangen ist.

Ein dicker Glaszylincler mi t polierten ebenen Endflachen wirkt wie eine Zerstre~ungslinse.~) Das schneller gekuhlte Glas nahe der Zylinderflache mit grDSeren Mengen hoher allotroper Kieselsiiuremoclifikation hat einen grd3eren Brechungs- exponenten als clas langswner gekuhlte Glas nahe der Zylinder- achse.

Q 214. Aventuriiiylas 1-011 Salviati in T'enedig zeigt unter ctem Mikroskop iin klaren einfachbrechenden Glase viele schoii ausgebildete Ihpferkristalle init glanzenden OktaederflBcheii von 0,2-0,02 inn1 Breite und kleiner. Ein Teil der Kristalle liegt auf Kreisbogen oder Kreisen \-on 10-0,3 mm Durch- niesser, oder anf einzelnen uncl aneinancler hiingenden Kugel- fliichen von 0,5 nim. Auf geraden Linien liegen drei oder inehr ahnlicli orientierte Oktaeder von kontinuierlich ah-

1 ) G . Quinoke, Ann. d. Phys. (4) 11. p. 62. 1903. 2) H. Hovestadt , Jenaer Glas. Jena 1900. 8 O . p. 236. 3) S. Czapski , Ann. d. Pliys. 42. p. 330. 1891. H. Hoves tad t ,

Jenaer Glas. p. 69.

Striiktur und Eigenschaften des Glases. 1045

nehniender GrOBe nebeneinander (Fig. 260 i) , als ob sie sich aus Flussigkeitsblasen abgeschieden hiitten, welche aus einer konischen Riihre entstanden waren. Ein kurzer Zylinder von 0,33 mni Durchmesser ist an einer Seite durch eine Halbkugel geschlossen, an der anderen Seite scheinbar offen. I n der Oberfliiche der Halbkugel und dem offenen Rande des Zylinders hangen einzelne kleine Kupferkristalle, ineist Oktaeder (Fig. 260 h).

(i/ b c d c f .4

Fig. 260.

In einem Aventuringlasbecher zeigen riele Oktaeder- flachen orientierte negative Kristalle I), mit Glas gefiillte Hohlungen von der Form eines Oktaeders oder Wiirfels oder Sechsecks oder Hohlkugeln (Fig. 260 a-9). Eine Hohlkugel (Fig. 260a) war schon zur Halfte in ein Oktaeder mit ebenen Flachen ubergegangen. Kleine, nicht orientierte Kupferliristalle sind zuweilen auf ein grol3eres Oktaeder anf- gewachsen, sind also durch eine diinne Glashaut von ihni getrennt. Dunkle Punkte oder Kreise liegen auf einer Oktaeder- flache in einer geraden Linie oder auf einem Kreisbogen von 0 , 5 mni (Fig. 260 f ) . Uber einzelnen Kristallen sieht man runde Luftblasen von 0,02 mm. Blasen und Kristalle er- scheinen doppelt, wenn sie von den darunter liegenden Kristall- flachen des Kupfers gespiegelt werden.

Die Kupferkristalle liegen auf den Schaunikanten und cler Oberflache kugelformiger Schaumwtinde aus (vielleicht erstarrter) Flussigkeit B,. Sie haben sich durch langeres Auf- warmen des klaren Glases bei geeigneter Ternperatur aus- geschieden aus Blasen oder Schaumflocken, welche, mit ol- artiger kupferhaltiger Flussigkeit B, gefullt, in den aus d- artiger Flussigkeit B, bestehenden WBnden verteilt waren.

1 ) Franz Leydolt , 8itz.-Ber. Wen. Akad. Nat. Math. K1. 7. 11. 471. 1851. G. Quincke, Verh. D. Phgs. Ges. 5. p. 107. 1903.

1046 G. Quincke.

Das Iiupfer hat sich bei hoher Teniperatnr durch TVirkung der Yeduzierendeii Ofengase gebilde t, beini -4bkihlen in einer olartigen Fliissigkeit B, , einer Legierung ron hoher und tiefer Modifikation der Kieselsiiure, gelost. Die TrOpfchen aus Flussig- keit B1 sind durch Ausbreitung einer neuen olartigen Flussig- keit B,, mit groSerem Gehalt von tiefer KiePelstiuremodifiliatioii auf dsr Oberfliiche von B, zu grol3eren Tropfen und Flocken vereinigt worden.1) Gleicheeitig hat die Flussigkeit B, neue Schaumwande 11. Art - in einzelnen FHllen auch I. Art - gebildet, in denen die Kugeln und Flocken aus kupferhaltiger Fliissigkeit B, hsngen geblieben und nach den Schaunilantrii hingezogen sind.

Zuweilen entstanden in alteni Aventuringlas, das jahrr- lang am Tageslicht gelegen hatte, nach Irurzer Beleuchtung mit Auerlicht ocler Sonnenlicht plotzlich in der scheinbnr klaren Glasmasse neue Kupferkristalle yon 0,06 niin oder kleiner an 1.erschiedenen Stellen, meist vor der Flache eines grol3eren Kristalles.

Die durch Licht bewirkte plotzliche Ausscheidung \-on Kupfer ist eine analoge Erscheinung wie die Ausscheidung von Schaumwiinden rind Beugungsgittern bei Belichtnng vun Leimchromat, Kieselsaure oder Eiwei13.2)

3 215. Rotes Glas. Ich zweifle nicht, (la8 die Goldrubin- gliiser auch auf Schaumflachen uncl Schaumlianten rerteilte Goldkristalle enthalten, welche ebenso wie die Kupferkristalle des Aventuringlases sich aus dem GlasfluS abgeschieden haben.

Das frisch geschmolzene goldhaltige Bleiglas ist imnier farblos und bleibt, aus den1 Hafen geschopft und schnell ab- gekuhlt, farblos. Ein Wiedereiw8rmen bis zum Eiweichen des Glases oder sehr langsanies Abkiihlen bringen die Farbe des Rubinglases hervor. Dieses ,,Anlaufen" des Rubinglases oder die Abscheidung der Kupferkristalle im Ayenturinglas ent- spricht den1 ReifungsprozeB der Bromsilbergelatine in der Photographie.

Die Farbe des Glases und die GrOSe der Goldteilchen hangen von iler Temperatur, Dauer und Geschwindigkeit der

1 ) G. Quincke, Wed. Ann. 35. p. 608. 1888; Snn. d. Pliys. 7-

2) G. Quincke, 9nn. d. Phys. 13. p. 68, 223, 229. 1904. 3) G. Quincke, Ann. d. Phys. 11. p. 1100. 1903.

p. 95. 1902.

8trziRtur uiid Eigenschaften des Glases. 1047

Abkiihlung ~mtl Aufwiirniung n b. Durcli iuanches Goldrubin- ,alas geht Licht von nahezu tler $'arbe des Natriumlichtes hindurch. Bei zu starliein Aufwiirmen rot, grun, wenig blau und t-iole t t . l)

Aventuringlas und Goldrubinglas unteischeiden sich durch die GroBe der ausgeschiedenen Kristalle. Die GroBenbestim- mung der ultramikrosliopischen Goldteilchen von S ieden- topf und Zsigmondy2) (5-250 pp, in verclorbenen Rubin- gliisern 60-800 ,up) halte ich nicht fur zuverlassig, da die Goldteilchen wie die Kupferkristalle sehr verschiedene GroRe haben werden und es unbekannt bleibt, wieviel Gold im GlasfluB sich ausgeschieden hat und wieviel noch aufgelost geblieben ist.

Die rote Farbe der mit Kupferoxydul gefiirbten Gliiser entwickelt sich erst beim Aufwiirmen des klaren Gla~es .~) Das Kupferoxyclul ist, ahnlich wie clas reine Kupfer, in ol- artiger Flussigkeit B, gelijst und scheidet sich wie das Metal1 beim Anlassen des Glases Bus, wenn in der Fliissigkeit B, eine tiefere Modifiliation der Kieselsaure in eine hohere iibergeht.

Farbloses manganhaltiges Glas wird im Sonnenlicht violett. 0 216. Doppelbrechung, Elastizitat, Ermiidunq, elastische

Nachwirkun g. Spriinge in Spiegelglas konnen in 10 Jahren halb so breit

werclen. Das Glas ist allmahlich in 10 Jahren wieder zu- 'sanimengeflossen.

Glas wird \vie klebrige Fliissigkeiten oder wie e k e fliissige Gallerte durch liurzdauernde Dehnung oder Kompression voriibergehend positiv oder negativ doppeltbrechend. Doppel- brechung und Dilatation verschwinden nach einer gewisseri Zeit, der Relaxationszeit.

Relaxationszeit uncl Dilatation lassen sicli mit polari- siertem Licht bestimmen.

Schnell gekiihltes Glas bleibt dauernd doppeltbrechend. Doppelbrechung, Dilatation und Relaxationszeit werden kleiner durch AufwBrmen des Glases. 8 c h o t t 4 ) fand bei f i in f Glas-

1 ) D. C. Splittgerber, Pogg. Ann. 61. p. 148. 1844. 2) H. Siedentopf und R. Zsigmondy, Ann. d. Phys. 10. p. 20.

3) W. Spring, Bull. d. Bruxelles 1900. p. 1022. 4) Schott, Zeitschr. f. Instrumentenk. 11. p. 330. 1891. H. H o v e -

1903. R. Zsigmondy, Zeitschr. phys. Chem. 56. p. 65. 1906.

s tadt , Jenaer Mae. p. 56.

1048 G. Quineke.

arten eine Verminderung der Doppelbrechung, wmii tlieselben 20-24 Stunden lang auf 350-440° erhitzt waren.

Die Relaxationszeit milchst init cler GroBe cler ursprung- lichen Dilatation und der Klebrigkeit cler Fliissigkeiten A und B , hiingt aber auch von cler Dilatation uncl Klebrigkeit der br- nachbarten Flussigkeitsschichten a11 und ron der T'erteilung der Dilatationen in diesen Schichten. Mit der Geschwinclig- keit der Entstehung und Dauer der urspriinglichen Dilatation ilndern sich die Relaxationszei t nnd die abklingenden Dila- tationen, wobei Stelleii niit positiver und negativer Dilatation nebeneinander liegen, in cler Gallerte fortriicken. allmiihlich lileiner werden und abklingen, wie in Leimga1lerte.l)

Die Relaxationszeit kann Bruchteile einer Sebunde, Tag? und Jahre betragen.

Feste IiOrper sind Fliissigkeiten mit sehr groBer Klebrig- keit. Feste Gallerte sind fliissige Gallerte mit groBer Klebrig- keit und groBer Relaxationszeit.

Die Relaxationszeit des Glases ist klein fur kleine Dila- tationen. Sie wird sehr groB (unendlich), sobald dauernde Dehnung oder Verkurzung auftreten, sobald die Vei schiebungen der kleinsten Teilchen nicht mehr auBerordentlich klein sind.

Von der GroBe dieser Verschiebungen und der Geschwindig- keit, mit der sie an einer bestimmten Stelle und in den Nachbar- schichten auftreten, von der Verteilung und Dicke der Schaum- wiinde aus Flussigkeit A und B , hangen Relaxationszeit, Ermudung, elastische und therniische Nachwirkung ab.

Von der Oberfliichenspannung, Anzahl uncl Form der Schaumwiinde aus Fliissigkeit B in der Flussigkeit A hangen GrOBe der Elastizitat und Festigkeit ab. Bei Glas erzeugt die elastische Nachwirkung iihnliche Anderungen der Gestalt und der Dimensionen wie bei Leimgallerte. Die elastische Nach- wirkung h h g t von den Dilatationen der Nachbarschichten ab, und von der Geschwindigkeit, mit der diese Dilatationen auf- getreten sincl.

Die Klebrigkeit und die Relaxationszeit der iilartigen und erstarrten Flussigkeiten A , B , B,, B, sind verschiedeii. In der Tat fand Wieche r t , daB bei der elastischen Nach-

1) G. Quincke, Ann. d. Phys. 14. p. 849; 1.5. p. 32. 1904; Internat. Zeitschr. f. Metallograpliie 3. p. 32. 1912.

Struktur und Eigenschafien des Glases. 1049

wirkung mehrere Zustandsanderungen niit verschiedener Re- laxationszeit gleichzeitig nebeneinander ablaufen.1)

Die themkche Nachwirkung verschiedener Glasarten schwankt bedeutend niit der chemischen Zusanimensetzung des Glases. Sie ist mehrfach gemessen worden durch den Ruckgang der Eispunktdepression a n Thermometern aus ver- fiehiedenen Glasarten nach Erhitzen auf 1000. H. F. Wie be2) fand bei ThermometergefiiBen aus Jenaer Glas, sowie aus franzosischen Glasern das anfiingliche Volunien wieder her- gestellt in 2 - 3 Tagen; bei solchen aus englischem Glase zur Halfte nach 1 Monat; bei Thermometern aus Thuringer Glas, in den siebziger Jahren angefertigt, nach 4-6 Monaten.

Ein durch Wiirme oder Druck ausgedehntes HohlgefiiB ails Glas kann wiihrend des Abklingens der Dilatationen fiir einige Zeit ein kleineres VoIumen haben als vor dem Auftreten der Dilatationen. In der Tat fand H. L a n d o l t l ) bei sehr genauen Wagungen mit einem Wagungsfehler von f 0,002 mg fur ein von 18 auf 58O erhitztes GefaB aus Jenaer Gerateglas, gegen ein iihnliches, nicht erhitztes GlasgefiiB, nach 2 Tagen eine Gewichtsabnahme um -0,092 nig, nach 8-13 Tagen uin - 0,042 mg, und eine geringe Gewichtszmahme um + 0,004 ing , also eine geringe Volumenabnahnie, bis zum 26. Tage.

Bei Voll- und Hohlkugeln aus Glas sind Veriinderungen der Gestalt durch OberflLichenspannung der sehr klebrigen Gallerte am wenigsten zu befiirchten, also diese Formen fur Normal t hermome tergef &Be besonders geeigne t .

Q 21 7. Zusammenf assung. 1. Bei der Abkuhlung des geschmolzenen Glases scheiden

sich periodisch in kurzen Zwischenrhmen in einer Fliissigkei t A nacheinander niehrere kieselsaurereichere olartige Fliissigkeiten B , B,, B, in dunnen unsichtbaren Bchichten oder Lamellen aus. Jede dieser Fliissigkeiten A , B , B,, B, ist sehr klebrig, enthl l t mehrere allotrope Modifikationen Kieselsaure und iiber-

1) E. Wiecher t , Wied. Ann. 60. p. 347. 1893. F. Auerbach in

2) H. F. Wiebe, Sitzungsber. Berl. Akad. 1885. p. 1024. H. Ho-

3) H. Lando l t , Sitzungsber. Bed. Akad. 1908. p. 363. Abh. d.

Winkelmann, Phys. 2. Aufl. 1. p. 814. 1908.

ves t ad t , Jenaer Glas, p. 270. J e m 1900. So.

Ueutschen Bunsen-Ges. 1. p. 34. 1909.

1050 G. Quineke.

haupt clieselben Bestandteile, aber in verschiedener Konzeii- tration. Ihre Klebrigkeit nimmt mit sinkender Temperatur zu.

2. Die Mengen der allotropen Modifikationen Kieselsaure und die physikalischen Eigenschaften der Fliissigkeiten A , B , B,, B, wechseln mit dem Vorleben des Glases, mit Anfangs- und Endteniperatur, mit Dauer und Geschwindigkeit von lbkuhlung und Erwarmung.

3. Infolge der Oberflachenspannung an der Grenze der olartigen Fliissigkeiten A und B rollen sich die Lamellen aus Fliissigkeit B zusammen zu offenen oder geschlossenen, zylindrischen oder kegelformigen, parallelen, radialen odrr 1-erzweigten Rohren , liohlen Faden und Fasern , Sphiiiokri- stallen oder aufquellenclen Tannenbaumen ; zu Rosenblattei 11, Schraubenfliichen, zu Spiralen, wie eine Papierrolle ocler ein Hobelspan, zu Schaumwanden I . Art.

Diese Schaumwande I. Art umhullen Schaumkammerii I. Art, verwandeln sich allmahlich - in Jahren - in Sclzaum- wunde 11. Art, bilden Hohlkugeln oder uinhullen aneinander hangende Schaumkammern 11. Art mit kugelformigen uiicl ebenen Wanden, wie Seifenschaum. Die Verwandlung erfolgt uni so langsamer, je gr08er die Klebrigkeit der Flussigkeiten -4 iincl B ist.

4. Dunne, unsichtbare Lamellen aus Flussigkeit B bilden Schaumwande init denselben Formen, wie dickere sichtbare Laniellen aus derselben Flussigkeit .

5 . Scheidet sicli die olartige Flussigkeit B statt in vielen diinnen Schichten i n eines einzigen dicken Schicht in der Flussigkeit A ab, so zeigt das erkaltete Glas Schlieren iiiit anderer Lichtbiechung als die Umgebung. Die Schlieren konnrii Schaumwande I. und 11. -4rt bilden.

6. Die Flussigkeiten A und B bleiben ini unterkuhlten Zustand bei gewohnlicher Temperatur uin so langer flussig, je d k n e r die Schaumwiinde und je kleiner die von ihnen unihullten Schaunikaiiiiiiern sind.

7. Glas ist eine flussige Gallerte niit unsichtbaren Scliaum- wgnden aus Flussigkeit B, welche unsichtbare, mit Fliissigkeit A gefullte Schaurnkammern umhullen. Die fliissige Gallerte geht in eine feste Gallerte uber, wenn die Flussigkeiten A und B erstarren ; also uin so splter, je kleiner die Schaumkaininem und je dunner die Schauinwande sind.

Struktur und Eigenschaften des Glases. 1051

8. Bei gewohnlicher Temperatur flieBen zwei Stiicke junges Glas zusammen, wie zwei Flocken Seifenschaum oder wie zwei Brocken Leimgallerte, EiweiB, Eis oder gliihendes Eisen.

9. Die Oberfliichenspannung an der Grenze der Fliissig- keiten A und B ist unabhangig von der Dicke der Lamellen B , sobald diese groBer als 0,12 ,u oder 1/5 Lichtwelle ist, und nimmt bei kleinerer Dicke ab mit der Dicke.

Diinnere Teile einer Schaumwand von kleinerer Dicke als 1/5 Lichtwelle werden von den dickeren Teilen verschluckt. Es entstehen oder bleiben Schaumwande von 1/5 Lichtwelle Dicke und groBer, oder grogere Schaumkammern rnit dickeren Wlinden, welche leichter erstarren als die kleineren Schaum- kammern rnit diinneren Wanden.

Oberflachenspannung, Anzahl der Schaumwande im Volumen 1 und die Haken-, Rohren-, Schrauben- oder Spiral- form der Schaumwande I. Art vermehren die Festigkeit und Haltbarkeit des Glases.

Beim Walzen, Aufblasen, Ausziehen des Glases zu Staben und Rohren wird die Grenzflache der Fliissigkeiten A und B vergroBert und die Festigkeit des Glases vermehrt, solange die Schaumwande dicker als 1/5 Lichtwelle bleiben.

11. Beim Aufwurmen des Glases im Streck- oder Temper- ofen werden die Schaumwiinde I. Art schneller ihre Form andern oder wieder gelost und beim Abkiihkn im Kiihlofen in neuen anderen Formen von Schaumwanden I. nnd 11. Art ausgeschieden und spater wieder erstarren.

Die neuen Formen der Schaumwande und die Festigkeit des Glases wechseln rnit Anfangs- und Endtemperatur, Dauer und Geschwindigkeit der Erwarmung und -4bkiihlung.

12. Fremdschichten. 1st die Oberfliichenspannung der Lamellen aus Fliissigkeit B dadurch verkleinert, daB sich eine dunne Fremdschicht aus Flussigkeit B, darauf ausgebreitet hat, so zieht sioh ein Loch in der Fremdschicht rnit groBerer Oberfliichenspannung sofort wieder zusammen. Dadurch sind die rnit einer Fremdschicht B, bedeckten Lamellen oder Schaum- wande widerstandsfahiger gegen Verschiebungen, und helt- barer. Vide rnit Fremdschichten bekleidete Schaumwhde vermehren die Klebrigkeit der ganzen Glasmasse. Je zahl- reicher diese rnit Fremdschichten bedeckten Schaumwande

10.

1052 G. Quineke.

sind, um so langsainer werden die Schaumwiinde I. Art ihre Form iindern und in Schauniwande 11. -4rt iibergehen, uni so langsamer wird das junge Glas altern.

Die Dicke dieser Fremdschichten kann lvenige Milliontel eines Millimeters betragen.

Bei verschiedener Dicke der Fremdschicht auf beiden Seiten einer Schaumwand liegt die dickere Frenidschicht auf der konvexen Seite mit der kleineren Oberflachenspannung.

13. Wahrscheinlich sind die Schauniwiinde in jungem Glas diinner als 0,12 p oder Lichtwelle.

Altes Glas niit dicken Schaumwanden 1aSt sich schlechter schneiden und spalten als junges Glas init diinneren Schaum- wgnden.

14. Spriinge im Glase treten freiwillig oder nach Atzen mit kochendem Wasser oder Sauren auf an der Oberflache dickerer Schaumwilnde aus Fliissigkeit B , welche durch ther- mische Ausdehnung, Erstarrung oder Quellung ihr Volumen starker oder weniger stark geandert haben als die benachbarte Fliissigkeit A . Die Spriinge haben die unter 3. aufgefiihrten Formen.

15. Wellenforniige Spriinge liegen an der Stelle von Schaumwanden aus olartiger Flussigkeit B , in welcher sich spater neue Schaumwande aus einer anderen olartigen Fliissig- keit B, abgeschieden haben.

16. GroBe Schaumkammern und alle in 3. beschriebenen Formen der Schaumwiinde zeigen die weil3en Schaummassen von R6aumurschem Porzellan in den klaren Glasresten, welchr in den Schmelztiegeln, gleichzeitig mit dem Ofen, sehr langsam erkaltet sind.

17. Diese Schaumwande in dem strengfliissigen alkali- armen Glase gleichen den Kristalliten in blauer Schlacke, den Trichiten im Obsidian und Schwefel und den SphHrokristallen von Calciumkarbonat, Natriumsilikat oder Kieselsaure.

18. In Aventuringlas ist bei hoher Temperatur metal- lisches Kupfer gebildet, bei tieferer Temperatur in olartiger Fliissigkeit B, gel6st und gespeichert. Durch Ausbreitung neuer olartiger Fliissigkeit B, an der Oberflache der Tropfchen von B, werden diese zusammengefiihrt und zu gr6Seren Tropfen vereinigt, welche in unsichtbaren Schaumwanden aus Fliissip- keit B, und in deren Schaumkant,en hBngen bleiben. Aus

Struktur und Eigenschaften des Glases. 1053

dem schnell erkalteten klaren Aventuringlas scheiden sich beim Aufwarmen Kupferkristalle in schonen Oktaedern Bus, menn bei hoherer Temperatur die Flussigkeit B, sich andert, indem die tiefere allotrope Modifikation der Kieselsaure wieder in die hohere ubergeht.

Kupferoxydul oder Gold im Goldrubinglas losen sich auch in der olartigen Flussigkeit B,, bilden aber kleinere Tropfchen wie Kupfer, scheiden sich aus dem klaren erkalteten Glase beim Aufwarmen aus als ultramikroskopische Teilchen, wenn sich die Flussigkeit B, andert, und fiirben das Glas rot.

Belichtung wirkt ahnlich wie Aufwarmen. Farbloses Aventuringlas scheidet im Sonnenlicht Kupferkristalle aus, und farbloses manganhaltiges Glas wird im Sonnenlicht violett.

19. Doppelbrechuny, Relaxationszeit, elastische und ther- niische Nachwirkung. Glas wird wie eine flussige Gallerte durch kurz dauernde Dehnung oder Kompression voruber- gehend positiv oder negativ doppeltbrechend. Doppelbrechung und Dilatation verschwinden nach einer gewissen Zeit, der Relaxationszeit. Die Relaxationszeit kann Bruchteile einer Sekunde, Tage und Jahre betragen. Sie ist klein fur kleine Dilatationen ; sehr groB fur groBe, bleibende Verschiebungen der kleinsten Teilchen des Glases.

Von der GroBe der urspriinglichen Verschiebungen und der Geschwindigkeit, mit welcher sie an einer bestimmten Stelle cles Glases und in den Nachbarschichten auftreten, von der Verteilung und Dickr ihrer Schaumwancle aus Fliissig- keit B hangen die Relasationszeit, Ermudung, rlastische und thermische Nachwirkung ab.

He ide lbe rg , clen 5. Marz 1915.

(Eingegangen 9. Miirz 1915.)

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