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Tschernobyl und Trisomie 21 in Deutschland
31. Oktober 2005
Karl SperlingInstitut für Humangenetik, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Es liegen bisher keine Beweise aus epidemiologischen Studien dafür vor, daß die Exposition einer bestimmten Bevölkerungsgruppezu einer Erhöhung der Häufigkeit von Erbkrankheiten geführt hat...
Es ist auch in absehbarer Zeit, selbst bei einer weiteren Verbesserung epidemiologischer Methodik nicht zu erwarten, daß ein solcher Beweis erbracht werden kann.
DFG Kommission zur Prüfung gesundheitlicher Arbeitsstoffe, 1993
Folgen von Tschernobyl: Schlagzeilen
Der Tagesspiegel: 26.11.1987
„WHO sieht keine gefährlichen Spätfolgen durch Tschernobyl“
„Über ein Jahr lang haben 33 Fachleute für Strahlenschutz ... aus Ost und West, ... die verfügbaren Daten über den Reaktorunfall von Tschernobyl geprüft.
Nach Auffassung der Fachleute spielten psychologische Faktoren die entscheidende Rolle für die panikartige Stimmung in der Bevölkerung nach dem Unfall.
Risiko einer Strahlenexposition
Art der genetischbedingten Erkrankung
Häufigkeitinsgesamt
AnteilNeumutation
Zusätzliche Fälle inder 1. Generation
Autosonal-dominant undX-gebunden 10.000 1.500
Autosomal-rezessiv 2.500 5
ChromosomenanomalienStrukturellnumerisch
4003.400
243.400
15
~ 0
2,4 (vermutlich sehr gering)
Geschätzte Zunahme genetisch bedingter Krankheiten nach Bestrahlung mit 0,01 Gy (1 rem)niedriger Dosisleistung pro Generation bezogen auf 1 Million Lebendgeborene (nach UNSCEAR 1988)
Folgen von Tschernobyl: Schlagzeilen
Ärztliche Praxis: 23.01.1988
„Abreibungen aus Atomangst“„Griechenland: Im Monat nach dem GAU wurden 23 Prozent der Schwangerschaften abgebrochen“
„... Schätzungen der „International Atomic Energy Agency“ sprechen sogar von 100 000 bis 200 000 zusätzlichen Abtreibungen wegen Tschernobyl in ganz Westeuropa ...“
Männlicher Karyotyp mit Trisomie 21: 47,XY,+21
Kind mit Down Syndrom
Skulptur aus der Inka-DynastieZeit: 1438-1525
Mexiko-Museum
Zeitreihenanalyse der monatlichen Prävalenz aller vor- und nachgeburtlichdiagnostizierten Fälle mit freier Trisomie 21 in West-Berlin von 1980 – 1989.Die pränatalen Fälle wurden mit dem Faktor 0,7 gewichtet. Ein mathematisches Modell, das den Daten gut entspricht, ist als gestrichelte Linie widergegeben.(nach Sperling et al. Brit Med J 309: 158-162, 1994)
Oozyte 14 Tage
Minuten
Anaphase I
StundenOvulation
Stunden
Befruchtung
Ovulation
Stunden
Stunden
Zygote
Zeitlicher Ablauf vonEireifung undBefruchtungbeim Menschen
Sperling & Pelz. BJMG, 6: 5-10, 2003
Anteil klinisch erfasster Schwangerschaften mit Aneuploidien in Abhängigkeit vom mütterlichen Alter.(nach Hassold 1986)
10.4 1.6
Zeitlicher Bezug zwischen dem Anstieg der Radioaktivität in Berlin (Steinmetz, 1987) und den anamnestische Daten der Mütter, die im Januar 1987 ein Kind mit dem Down Syndrom geboren habenSperling et al.Biomed & Pharmacother 45: 255-262, 1991
Wohnorte der Mütter mit pränataldiagnostizierten Feten mit einerTrisomie 21 (Kreise) und anderenAneuplodien (Quadrate), die vermutlich während der höchstenStrahlenexposition nach demReaktorunfall von Tschernobylgezeugt wurden. Inset: Belastung der Luft mit J-131 (Kreise) undCs-137 (Quadrate)Sperling et al.Biomed & Pharmacother45: 255-262, 1991.
10.4 1.6
Zeitlicher Bezug zwischen dem Anstieg der Radioaktivität in Berlin(Steinmetz, 1987) und den anamnestische Daten der Mütter, die im Januar 1987 ein Kind mit dem Down Syndrom geboren habenSperling et al.Biomed & Pharmacother 45: 255-262, 1991
Significant increase in trisomy 21 in Berlin ninemonths after the Chernobyl reactor accident: temporal correlation or causal relation ?
On the basis of two assumptions-(a) that maternal meiosis is an error prone process susceptible
to exogenous factors at the time of conception-(b) that owing to the high iodine deficiency in Berlin a large
amount of iodine-131 would have been accumulated over ashort period
it is concluded that the increased prevalence of trisomy 21 in West Berlin in January 1987 was causally related to a shortperiod of exposure to ionising radiation as a result of theChernobyl reactor accident.
Sperling et al. Brit Med J 309: 158-162, 1994
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Zeitreihenanalyse der monatlichen Prävalenz aller vor- und nachgeburtlichdiagnostizierten Fälle mit freier Trisomie 21 in West-Berlin von 1980 – 1995.Die pränatalen Fälle wurden mit dem Faktor 0,7 gewichtet. Ein mathematisches Modell, das den Daten gut entspricht, ist als gestrichelte Linie widergegeben.
Alter des Kindes in Tagen, an dem in West-Berlin die Diagnose Trisomie 21 gestellt wurde.Sperling et al.Biomed & Pharmacother 45: 255-262, 1991
Altersverteilung sämtlicher Mütter in West-Berlin und Anteil derjenigen Frauen, die eine pränatale Diagnostik durchführen ließen (schraffiert)Sperling et al. Med Genet 6: 378 – 385, 1994
Jährliche Prävalenz sämtlicher Trisomie 21 Fälle in West-Berlin mit Angabe des durchschnittlichen mütterlichen Alters. Die pränatal diagnostizierten Fällewurden mit dem Faktor 0,7 gewichtet.Sperling et al. Med Genet 6: 378 – 385, 1994
Durchschnittliches mütterliches Alter in West-Berlin (oben) und prozentualer Anteil der Mütter über 35 Jahre. Die Pfeile weisen auf den Januar 1987 hin.Sperling et al. Med Genet 6: 378 – 385, 1994
Anzahl vorgeburtlicher Untersuchungen in West-Berlin nach Amniozentesebzw. Chorionzottenbiopsie (schraffiert) und Angabe des durchschnittlichen mütterlichen Alters.Sperling et al. Med Genet 6: 378 – 385, 1994
Prozentuale Zunahme an vorgeburtlichen Diagnosen in West-Berlin gegenüber dem jeweiligen Vorjahr.Sperling et al.Biomed & Pharmacother 45: 255-262, 1991
Prozentuale Zunahme an vorgeburtlichen Diagnosen in West-Berlin gegenüber dem jeweiligen Vormonat (Pfeil weist auf Mai 1986). Sperling et al. Med Genet 6: 378 – 385, 1994
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Zunahme von Trisomie 21:
Minsk, Gomel (Laziuk et al Radiats Biol Radioecol 42: 678-683, 2002)
Polen (Jaskowski et al Raport, ISBN-83-900154-2-0, 1992
Schottland (Ramsey et al. Biomed & Pharmacother 45: 267-272, 1991)
Jütland (EUROCAT Working Group 1991)
Schweden (Ericson & Kallen Envrironmental Res 67: 149-159, 1994)
Ungarn (Jan.-März 1987 not significant; Czeizel Hum Genet 82: 359-399, 1989)
Keine Zunahme von Trisomie 21 (Auswahl)
Finnland (Harjulehto-Mervaala et al. Mut Res 275: 81-86, 1992)
Europa, Eurocat Studie (de Wals et al. In J Epidem 17: 230-231, 1988)
Bayern (Schötzau et al. 1994; 1995)
Häufigkeit von Kindern mit Trisomie 21n Bayern. Der höchste Wert betrifftden Dezember 1986 (Schötzau et al., 1994)
Häufigkeit von Kindern mit Trisomie 21n Bayern. Der höchste Wert betrifftden Dezember 1986 (Schötzau et al., 1995)
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Oozyte 14 Tage
Minuten
Anaphase I
StundenOvulation
Stunden
Befruchtung
Ovulation
Stunden
Stunden
Zygote
Zeitlicher Ablauf vonEireifung undBefruchtungbeim Menschen
Sperling & Pelz. BJMG, 6: 5-10, 2003
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Wohnorte der Mütter mit pränataldiagnostizierten Feten mit einerTrisomie 21 (Kreise) und anderenAneuplodien (Quadrate), die vermutlich während der höchstenStrahlenexposition nach demReaktorunfall von Tschernobylgezeugt wurden. Inset: Belastung der Luft mit J-131 (Kreise) undCs-137 (Quadrate)Sperling et al.Biomed & Pharmacother45: 255-262, 1991.
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Absterberate bezogen auf befruchtete Eizellen Chromosomenanomalien
Anteil von Chromosomenanomalien bei Spontanaborten und Totgeburtensowie Absterberate menschlicher Embryonen bei biochemisch nachgewiesenen Schwangerschaften.(aus Sperling, 1984)
Untersuchungen der Nachkommen der Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki
Die Kohorten wiesen eine hohe Mortalität auf, was besonders für Kinder mit autosomalenTrisomien zutrifft, so dass für deren Häufigkeit nur grobe Näherungswerte ermittelt werden konnten
• (Neel Science 213: 1206-1212, 1981)
Korrelationen zwischen niedrigen Strahlendosen und Trisomie 21
Thorium-haltiges Gestein-Indien (Kochupillai et al Nature 262: 60-61, 1976)
-China (High Background Radiation Res Group Science 209: 877-880, 1980)
-BEIR Report, 1990:Von 13 Studien zur Häufigkeit des Down Syndroms nach voraufgegangener Strahlenbelastung mit niedrigen Dosenfand sich in 9 Fällen ein positiver Hinweis, der in vier Studiensignifikant war.
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
Strahlendosis (rad)
Chromosomenverlust
(non-disjunction)
Genmutation
Ere
igni
sse
pro
105
Zelle
n
Die Rate von non-disjunction durchniedrige Strahlendosenmit einem Testsystem, bei dem die mutierten Zellen nicht absterben, ist ca. 200 x höher alsbei konventionellen Tests.
Waldren et al., PNAS 83: 4839-43, 1986
Chromosomenfehlverteilungen in vitro werdendurch niedrige Strahlendosen am empfindlichsten während der Mitose ausgelöst
(Clarke et al. In Chadwick et al. (eds) Molecular mechanismsIn radiation mutagenesis and carcinogenesis. European commission, Luxembourg, 1994)
Oozyten der Maus sind unmittelbar vor der Ovulation am empfindlichsten gegenüber niedrigen Strahlendosen
(Tease and Fisher Mutat Res 173: 211-215, 1986)
Bewertung der in Berlin gefundenen Assoziationvon Trisomie 21und der Strahlenexposition
gemäß der Bradford-Hill Kriterien (1965)
- Stärke der Assoziation- Konsistenz- Spezifität und Zeitbezug- Dosis-Effekt-Beziehung- Biologische Plausibilität- Experimentelle Belege- Analogieschlüsse
1. Es finden sich zahlreiche Korrelationen zwischen endogenen und exogenen Faktorenund der Häufigkeit von Trisomie 21(Übersicht Sperling und Neitzel In Handbuch der MolekularenMedizin, Ganten und Ruckpaul Hrsg. Band 7-2, 2000)
2. Korrelation zwischen Trichlorofon-Expositionund Trisomie 21 zum Zeitpunkt der Konzeption(Czeizel et al Lancet 341: 539-542, 1993)
3. Zunahme frühkindlicher Todesfälle 1987 in Deutschland(Lüning und Schmidt Lancet 1985: 1081-1083)(Körblein und Küchenhoff Radiat Environ Biophys 36:3-7, 1997)(Scherb et al. Environ Health Perspect 108: 159-165, 2000)
Postulierte exogene Risikofaktoren für Trisomie 21
-elterliche Strahlenexposition-orale Kontrazeptiva-Schilddrüsenautoantikörper -Alkohlkonsum-virale Infektion
-Reproduktionsaktivität-saisonale Unterschiede endokrin. Faktoren
Analyse von Risikofaktoren für Trisomie 21im Oman
Zusammenarbeit mit Anna Rajab, Muscat
4049
27
4
20
39 53
5
29N=266
Anzahl erfasster Trisomie 21 Familien aus unterschiedlichen Regionen von Oman
Average number of pregnancies: 9,4 (N=240 families with one Down child)
0
5
10
15
20
25
30
35
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23
N pregnancies
N w
omen
with
one
Dow
n ch
ild
Spontaneous abortions in 2313 pregnancies: 7,6 %
Maternal Age
0
5
10
15
20
25
30
15-20 yrs 21-25 yrs 26-30 yrs 31-35 yrs 36-40 yrs 41-45 yrs
Age groups
% o
f wo
men
wit
h on
e Do
wn c
hild
N=179
Stammbaum einer Familie aus dem Oman mit 10 Kindern, die Trisomie 21 aufweisen
Konsequenzen einer Robertsonschen 14/21 Translokation
Analysis of genetic risk factors for trisomy 21in the United Arab Emirates
Collaboration with Lihad Al Gazali, Al Ain
Pedigree of a family with three trisomy 21 children from the United Arab Emirates (Quaife and Al Gazali: Emirates Med J 12: 150-153, 1994)
Images of cytochalasin B blocked binucleated cells.
Left: Giemsa stained cell; Right: FISH image of a binucleated cell of the mother with non-disjunction of chromosome 21Red signals: chromosome 21Green signals: chromosome 22
Greatgrandmother
Rate of mitotic non-disjunction of chromosomes 21, 22, 18 and X in lymphocytes of members from a United Arab Emirates family with three trisomy 21 children and three controls (C1 – C3). The results are based on the analysis of 1000 binucleated cells each.
Note the significant increase of maternal non-disjunction of chromosome 21.
Grandmother
MotherFather
First Son
Second Son
Daughter C1
C2 C3
1. Es finden sich zahlreiche Korrelationen zwischen endogenen und exogenen Faktorenund der Häufigkeit von Trisomie 21(Übersicht Sperling und Neitzel In Handbuch der MolekularenMedizin, Ganten und Ruckpaul Hrsg. Band 7-2, 2000)
2. Korrelation zwischen Trichlorofon-Expositionund Trisomie 21 zum Zeitpunkt der Konzeption(Czeizel et al Lancet 341: 539-542, 1993)
3. Zunahme frühkindlicher Todesfälle 1987 in Deutschland(Lüning und Schmidt Lancet 1985: 1081-1083)(Körblein und Küchenhoff Radiat Environ Biophys 36:3-7, 1997)(Scherb et al. Environ Health Perspect 108: 159-165, 2000)
Genetisches Risiko durch ionisierende Strahlen
INDIVIDUELL GENERELL
KALKULATION Wiss. Problem
AKZEPTANZPsycholog. Problem
ÄRZTL.HANDELN
PRÄVENTIONGesellsch. Problem
POLIT.HANDELN
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