Über den Methylester der Unterphosphorsäure

Preview:

Citation preview

Uber den Methylester der Unterphosphorsaure

Von ZIEIKRICH REMY und H A N S FALIUS

Frojessor Walter Hieber Z U ~ L 60. Geburlstagc gewidviet

Inhaltsubersicht Nach verschiedenen Verfahren zur Darstellung des Unterphosphorsauretetramethyl-

esters erhaltene Produkte wurden unter Heranziehung ramanspektrographischer Beobach- tungen vergleichend unterencht. Nach dem von ROSENHEIM angewandten Verfahren erhi l t man nicht den Tetramethylester der Unterphosphorsaure (CH,),P,O,, sondern ein Ge- mkch von mehr als 600/, (CH,),HPO, (Molgew. 110,1), etwa 107; (CH,),PO, (Molgew. 140,l) und bis zu 3OCy0 (CH,),P,O, (Molgew. 234,l). Hierdurch erklart sich der niedrige Wert des von ROSENHEIM gefundenen, scheinbar fur die Formel (CH,),PO, sprechenden Molgewichts. Durch eine Abwandlung des von ROSENHEIM angewandten Darstellnngs- verfahrens konnte der Unterphosphorsauretetramethylester dargestellt werden. Er zeigte das der normalen Mcdekularforniel (CH,),P,O, entsprechende Molgewicht.

Auf versckiiedenen Wegen ist nachgewiesen worden, daB die Unter- phosphorsaure nicht als H,PO,, sondern als H,P,O, zu formulieren ist. Auch die Struktur der Verbindung kann heute als sichergestellt gelten 1). Ungeklart blieb aber bis jetzt noch die Frage, ob E s t e r existieren, die sich von der l ia l f t igen Formcl ableiten.

ARB US OW^), KYLI~N 3, und neuerdings BAUDLEK.~) erhielten Ester, die das der Formel P,0,(01Z)4 entsprechende Molgewicht hatten. Da- gegen sind fruher von ROSENHEIM 5, auf anderem Wege Ester dargestellt worden, bei deren ebullioskopischer Untersuchuiig Molgewichte gefun- den wurden, die der halftigen Formel, PO (OR),, entsprachen. Schon ofters ist die Verinutung ausgesprochen worden, ROSENI~EIRI habe keine einheitlichen Stoffe, sondern Gemischc von Estern verschiedener Sauren des Phosphors in Handen gehabt, die zufallig in ihrer Zusammensetzung

l) M. BAUDLER, Z. anorg. allg. Chem. 279, 115 (1955). 2) A. E. ARBUSOW u. B. A. ARBUSOW, J. prakt. Chem. 130, 103 (1931). ,) P. N Y L ~ N u. 0. STELLING, Z. anorg. allg. Chem. 212, 169 (1933). 4, M. RAUDLER, Angew. Chem. 64, 616 (1952); Z. Naturforschg. Sb, 326 (1953); vgl.

auch Z. Naturforsch. 9b , 447 (1954). 5 ) A. ROSENHEIM, W. STADLER u. F. JACOBSOHN, Ber. dtsch chem. Ges. 39, 2837

(1906); A. ROSENHEIM u. M. PRITZKE, Ber. dtsch. chem. Ges. 41, 2708 (1908); A. Ro- SENHEIM u. J. PINSKER. Ber. dtsch. chem. Ges. 43,2003 (19101.

218 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Hand 282. 1955

den Estern der Unterphosphorsaure entsprachen ; jedoch wurde dies .his- her nicht nachgemiesen. Mit der Miiglichkeit, daB au13er Estern mit normalem Molgewicht auch solche mit dem halben Molgewicht. erhalt- licli sind, je nach den Darstel!ungsFedingungerl, rnul3te also gerechnet werd.en. Auch beziiglich der freien S R ure I-T,P,O, haben neuere Beobach- tungen6) gezeigt, daG es zwei isomere Yerbindungen dieser Zusammen- setzung gibt, niiinlich au13er der normaden r:nt,erpliosphorsaure (mit einer P-P-Bindung) auch eine als Kondeiisstionsprodiikt der phosphorigen Saure mit der PhosphorsBure aufzu-fnssende Verbindung mit einer Y-0-P-Bindung. In dieseiii Halle handelt. es sich allerdings uni zwei Verbindungeii mit dem gleichen Molgewicht.

Die Kombination klassischer Untersuchungsmethoden mit ra.man- spektrographischen Beobachtungen schien uns der richtige Weg zur Liisung des Problems. Wir fanden, daB, wenn man. nach den Angaben ROSENHEJMS arbeitet, s ta t t des Tet.ramethylesters der Unterphosphor- saure ein Gemisch erhalten wird, dessen Hauptbestandteil Phosphorig- sauredimethylester (Molgewicht, 110,1) ist. Daneben lagen in den von uns erhaltenen Proclukten etwa 10 Gew.- "/b Phosphorsauretrimethylester (Molgewicht, 140, l ) vor und bis zu 30 ",b einer schwererfluchtigen Sub- stanz, bei der es sich im wesentlichen urn den Tetmmethylester der Pyrophosphorsaure (Molgewicht 234,l) handelte. Hingegen lie13 sich ein Ester der Unterphosphorsaure darin nicht auffinden. ROSENHEIM hat seine Molgewichtsbestimmungen mit dem unzerlegten Geniisch durch- gefuhrt, u.nd zwar ebullioskopisch. Auf dicsem Wege erhielten wir prak- tisch die gleichen Werte wie ROSENIIEIJI, und zwar auch mit dem hiiher- siedenden Anteil. Kryoskopisch dagegen lieferte dieser etwa das doppelte Molgewicht.

Wir haben verschiedene Methoden zur Darstellung des Unterphos- phorsauremethylesters angewandt, um zu prufen, ob man dabei zu dem gleichen Produkt gelangt. Ferner haben wir auch verschiedene von den im Schrifttum angegebenen Verfahren zur Dasstellung von Hypophos- phaten und zur Gewinniirig von reiner IJnterphosphorsaure nachgepruft.

Beschreibung der Versuche Darstellung und Untersuchung des Methylesters

a) D a r s t e l l u n g n a c h BAUDLER. Durch Umsetzung von wasser- freier Unterphosphorsaure mit Diazomethan nach BAIJDLER 7 ) lieB sich der Tetramethylester der Unterphosphorsaure ohne Sehwierigkeiten in reinem Zustande erhalten. Zweckmal3ig arbeitet nian mit nicht ZLI

R, R. BLASER, Angew. Chem. 67, 409 (1955). i , &I. BAUDLER, Z. Naturforschg. Sb, 3'26 (1953).

H. REMY u. H. FALIUS, ohcr den Methylester der Unterphosphorsiure 219

ebullioskop. in Eenzol 1 O i ebullioskop. in Chloroform : 11 9 ebullioskop. in Bthyljodid: 105

Irryoskop. in Benzol: 202 kryoskop. in Eisessig : 193.

H. REMY u. H. FALIUS, ohcr den Methylester der Unterphosphorsiure 219

groldeii Substanzmengen. Das Produkt wurde zweimal im Hochvakuum destilliert und zeigte bei etwa Torr einen Siedepunkt von ungefiihr 70°C. Dichte d&2 = 1,333, Erechungsindex 112 = 1,4402. Molgewichts- bestimmungen ergaben (h!ft,leor, = 218,l) :

I<nM.m-Spektrogrsmme siehe weiter unten; starkste Linie bei 272 cm-1 iii Uhereinstimmung mit BAUDLER.

Ausgeheiid Ion 10 g Unterphosphorsaure und 1 7 g Diazomethan n-nrden 6,5 g des Esters in reinem Zustande erhalten, was einer Aus- 1)eute von 48 yi entspricht.

b) D a r s t e l l u n g n a c h ROSENHEIM. ROSENHEIM (a. a. 0.) hat sich f iir die Darstellung der Methode von SAXGERS) bedient. Wir arbeiteten yeiiau nsch seiner Vorschrift, nur mit dem Unterschiede, da13 wir, um eiiie Oxydation durch Luftsauerstoff auszuschliefien, trockenes CO, als Schutzgas verwaridten. Das von uns erhaltene Produkt enthielt: 21,65%C uiid 5.52%€1. ROSENIIEIMfand 21,22%Cund5,25O/,H, A. SANGICE 21,9%C nnd 5,7%H. Fur (CH,),P,O, berechnet sich 22,03O/C und 5,550;,H. Unser Produlit stinimte also in der Zusamniensetzung rnit den1 von ROSENHE~M erhaltenen uberein. Es zeigte jedoch ramanspektrographisch keine der an UAUDLIXS Methylester beobachteteri Linieii und stininite mit diesem auch weder in der Dichte noch im Brechungsindex uberein. Es lie13 sich durch Hochvakuumdestillation ( Torr) in xwei Frak tioiien zerlegen, \-on denen die erste zwischen 20 und 30°C und die zweite bei etwa 70" uberging. Der nietlrigersiedende Anteil konnte durch fraktionierte Destil- lation bei einem Druek von 10 Torr in zwei Substanzen aufgetrennt werden, die sich als HPO(O.CH,), (Sdp. = 56°C bei 10 Torr, di5 =

1,191, 11;' = 1,4024) und OP(O.CH,), (Sdp. = 74°C bei 10 Torr, dt5 =

1,202. n$ == 1,3961) identifizieren liel3en. Slit dem hohersiedenden Anteil ausgefirhrte Molgewichtsbestinimun-

gen ergahen :

Da auch Dichte und Brechungsindex der hiihersiedenden Substanz nicht mit den Daten des Methylesters iibereinstimmten, wurde diese zweimal im Hochvakuum vorsichtig fraktioniert. Hierbei konnten noch geriiige Anteile der beiden leichterfluchtigen Verbindungen abgetrennt werden. Der Rest wurde durch Bestimniung der Dicbte (da4 = 1,361),

y , A. SAXGER, Liehigs Ann. Chem. 232, 1 (1886).

220 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 282. 1955

des Rrechungsindex (n: = 1,4115) und des Molgewichts (Mgef, =-I 226, M,,,,, = 234,l) als Pyrophosphorsguretetramethylester, (CH,),P,O,, iden tif izier t .

c) Modif ika t ion des SANGER-Verfahrens. Von der Annahme ausgehend, da13 beini Arbeiten nach S ~ N G E R bzw. ROSENI~EIM durch die dabei auftretende Reaktioiisviiirme eine Zersetzung von primar ge- bildetem Unterphosphorsa,ureester erfolgt, ariderten wir das Dar- stellungsverfahren in der Weise ah, daB wjr unter moglichst milden Bedingungen arbeiteten.

Eine Suspension von 36,s g Silberhypophosphat in 150 nil absolutem Ather wurde unter Riihrer. und Erhitzen am RiickfluRkiihler tropfenweise niit 36 g Methyljodid (ber. Menge) versetzt. D a sich nach eineni Tage die Farbe des Silbersalzes iioch kaiim ver- andert hatte, wurden weitere 20 g Methyljodid hinzugegnben. Nachdem das Erhitzen uud Ruhren eine Woche lang fortgesetzt worden war, wurde die Fliissigkeit von dem abge- schiedeuen Silberjodid durch Dekantieren getrenut und ini Hochvakuum Torr) fraktioniert destilliert. Hierbci t ra t nur eine ganz geringe Menge eines leichtfliichtigen Destillats auf. Der Hauptanteil, der im Hochvakuum bei 70°C uberging, wurde noch zweimal im Hochvakuum fraktioniert.

Die so erhaltene Subst'anz ( 3 , 5 g , Sdp. 70°C bei 10-4Torr) hatte die Dichte d:* = 1,338, n g = 1,4274. Molgewichtshestimmungen ergaben :

222 kryoskop. in Benzol: 240 ebullioskop. in Chloroform : 204 i kryoskop. in Eisessig: 220. ebullioskop. in Benzol:

Dic ranianspektrographische Untersuchung ergah stark vorherr- schend die fur den Tetramethylester der Unterphosphorsiiure charakte- ristischen Linien, daneben aber auch andere Linien, die vermutlich bei- gemengtem Pyrophosphors&uretetramethylester zuzuschreiben sind. Im ganzen wurden an der in der angegebenen Weise dargestellten Substanz 31 RnMAN-Linien beobachtet, wiihrend wir an dem nach BAUDLER dar- gestellten Ester 23 RAMAN-Linien beobachten konnten. Die starksten entsprachen folgenden R ~ ~ . 4 ~ - F r e y u e n z e n :

Met h y les t e r , d a r g e s t e 11 t n a c h BAUDLER: RAMAN-Freyiienzen in em-': 260 ( l o ) , 616 (3), 808 (Sh), 1012 (2b) ,

1254 (4), 1458 (6). M e t h y l e s t e r , dargest ,e l l t n a c h d e m modif iz ie r ten SANGER- Verfahren (durch (CHJ4P207 verunreinigt):

RAMAN-Frequenzen in em-': 261 (S), 615 (a), 689 (3), 810 (7b), 1016 (2), 1254 (4) , 1478 (€9, 2216 (2b).

Die in Klammern beigefugten Zahlen bedeuten, wie ublich, die ge- sehatzten Intensitiiten; b bedeutet: breite Linie. Die von uns fur den Methylester gefundenen Frequenzen stimmen innerhalb der von uns er- reichbasen MelSgenauigkeit mit den von BAUDLER gefundenen Werten uberein.

H. REMY u. H. FALIIX, itber den Methylester der UnterphosphorsHnre 221

d) V e r s u c h e ziir D a r s t e l l u i l g d e s E s t e r s n a c h d e m V e r f a h r e n v o n AK- BUSOW. A. E. ARBUSOW u. B. A. ARBUSOW (a. a. 0.) stellten die Verbindung (C,H5)4Pz0, durch Einwirkung von Brom auf Natriumdiiithylphosphit in Ligroin dar :

2 (C,H,O),PONa + Br, = 2 NaBr + (C,H,O),P,O, . Sie nahmen auf Grund des Verhalteus der so dargestellten Verbindung ail, daW es sich dabei um den Tetraathylester eines (mit der Unterphosphorskure isomeren) Kon- densationsprodulrtes der PhosphorsHure rnit der phosphorigen Saure handelte. Diese An- nahnie durfte zutreffend sein. Es lag nns aber daran, auch den nach dem Verfahren von ARBUSOW dargestellteu Methylester init den auf den beiden anderen Wegeii [(a) und (c)] dargestellten Produkten zu vergleichen. Es zeigte sich, daR im Gegensatz zn dem Atbyl- ester, der, wie wit uns uberzeugten, nach dem Verfahren von ARBUSOW leicht darstellbsr ist, sich der Methylester auf diesem Wege uicht erhalten 1aBt. Es liegt dies offenbar daran, daI3 zurn Unterschied von Natriumdiathylphosphit das Natriumdimethylphosphit in Ligroiu (auch bei dessen Siedetemperatur) unloslich ist und daW das feste Natriumsalz mit in Ligroin gelostem Brom nicht reagiert. Durch Einwirkung von unverduunteni Brom auf das Natriumsalz l a B t sich die Bildung des Esters gleichfalls nicht erreichen, da in dieseni Falle eine heftige Reaktion unter Bildung des Dibromids erfolgt, wie fur den Athylester bereits von A. E. und B. A. ARBusow9) festgestellt wurde. Es gelang uns auch nicht, ein geeignetes anderes Losungsmittel zu finden. I n adlen von uns untersuchten organischen Losungsmitteln, die gegen Brom und Natrium resistent sind (Dioxan, Tetrahydrofuran n. a.), ist Natriumdimethylphosphit unloslich.

Aufnahme der RAMAH-Spektren Zur Aufnahme der Spcktren fand ein Steinheil-Universalspektrograph GH mit

RAMAN-Ausrustung, sowie cine RAMAN-Lampe nach J. GOUBEAU der Firma August Fischer, Gottingen, Verwendung. Als Plattenmaterial wurde dic PERUTZ-PERSENSO-Platte mit, einer Empfindlichkeit von 20/lo DIN benutzt.

Da die Substanzen bei der Bestrahlung rnit kurzwelligem Licht starke Fluoreszenz zeigten, wurden e- und c-Filteraufuahmen gemacht. Die Belichtungszeiten lagen zwiahen einer und funf Stundeu. Bei der Auswertung der RAMAN-Spektren wurden diese auf ein gleichzeitig aufgenommenes Eisenspektrum, das mittels einer FEussNER-Funkengebers erzeugt wurde, bezogen. Das Ausmessen der Spelrtren wurde in Ermangelung cines ge- nauere Messungen ermoglichenden Gerates rnit einem am Mikroskop befestigten Inte- grationstisch vorgenommen. Die hierdurch erhaltene Genanigkeit von 10 cm-l reichte fur die vorliegenden Zwecke aus, da die Aufnahme der RAMAN-Spektren lediglich zur Identifizierung der Substanzen erfolgte. Die bei verschiedenen Aufnahmeii erhaltenen Linien konnten niit volliger Sicherhejt einander zugeordnet werden, zumal die Intensi- t i t e n der einzeluen Linien die Moglichkeit einer Kontrolle boten.

Der Deutschen Forschungsgemeiuschaft danken wir fur die Beschaffung der RAMAN- Apparatur, Herrn Prof. Dr. J. GOUBEAU fur die bereitwilligst erteilte Schulung in ihrem Gebrauch.

9 A. E. ARBUSOW u. B. A. ARBUSOW, J. prakt. Cheni. 1.11, 337 (1931).

Hamburg, Wniversitat, Anorgunische Abteilung des Chemischen Staats- instituts.

Bei der Redaktion eingegangen am 24. August 1955.

Recommended