Über Wolframsulfide und Wolframselenide

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Uber Wolframsulfide und Wolframselen ide

Von OSKAR GLEMSER, HUBERT SAUER und PAUL KONIG

(Mit 2 Abbildungen)

Inhaltsiibersicht Im System Wolfram-Schwefel ist nur thcrmostabilcs WS, existent. Rontgenamorphes

WS,, durch Zersetzung von Ammoniumthiowolframat mit Salzsaure gewonnen, kann nicht kristallisiert erhalten werden. Es zersetst, sich im Vakuum bei 170" C in WS,und Schwefel. Durch Behandlung von Dialhylendiammoniumwolframsulfid mit Salzsiiurc gelingt es, ein neues, kristallisiertes Wolframsulfid WS, darzustellen.

I m System Wolfram-Selen ist ebenfalls nur thermostabiles WSe, bestandig. Es kristallisiert wie MoS, und WS, im C,-Typ niit a = 3,29 A; c = 12,97 8; dR = 9,32;

= 9,22. WSe,, durch verdunnte Schwefelsiiure aus Ksliumselenovolframat gefallt, ist nur in amorphem Zustand erhaltlich, es zersetzt sich bei 220" C.

I m System Wolfram-Schwefel sind WS, und WS,, im System Wolf- ram-Selen WSe, und WSe, bekannt ;. WS, kristallisiert im MoS, (C,)- Typl), ebenso sol1 sich WSe, verhalten, doch sind hieriiber nahere An- gaben nicht zu finden2). WS, und WSe, entstehen nur durch Zersetzung von Thio- bzw. Selenowolframaten, sie sind anscheinend amorph ,). I m AnschlulJ an unsere Arbeiten uber Wolframoxyde 4, haben wir auf ver- schiedene Weise dargestellte Wolframsulfide und -Selenide untersucht ; die Ergebnisse werden im folgenden mitgeteilt .

I. Wolframsulfide SiilPide aus den Elementen

Fiir den Bereich WS,,,, bis WS,,, wurden Mischungen entsprechender Zusamrnensetziing aus Wolfram und Schwefel hergestellt und in abge- schmolzenen Quarzrohren unter reinstem Stickstoff 24 Stunden bei 900" getempert. Metallisches Wolfram wurde aus H,W04 (puriss .

1) A. E. VAN ARKEL, Rec, Trav. chim. Pays-Bas 45, 442 (1926). 2) V. M. GOLDSCHMIDT, Trans. Faraday Soc. 26, 279 (1929). 3) Ausfiihrliche Literatur in Gmelins Handbuch der anorgan. Chemie, 8. Aufl. System

4) 0. GLEMSER u. H. SAUER, 2. anorg. allg. Chem. 252, 144 (1943). Nr. 54 Wolfram S. 185ff.

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242 Zeitschrift fur anorganische Chemie. Band 257. 1948

MERCE) durch 8stundige Reduktion mit Wasserstoff bei 800" erhalten. Schwefel kam in reinster Form (KAHLBACM) zur Verwendung.

Die Rontgenaufnahmen 5, zeigen, dal3 zwischen Wolfram und WS, kein weiteres Sulfid bestandig ist. Von der Zusammemetzung WS,,,, an. sieht man nur noch VIrS,-Linien, doch ist eine Verschiebung der T;VS,-Linien nicht zu beobachten, die Phasenbreite von WS, diirfte gering sein.

Die Linien der Debye-Scherrrerdiagranlme von WS, stimmen niit den Angaben von VAN ARK EL^) iibereirl. WS, kristallisiert irn C,-Typ, die Elementarzelle enthiilt 2 Molekule WS,, die Abmessllngen sind a = 3,18 A ; c = 12,5 A. Die Dichte errechnet sich daraus zu d = 7,55, wir erhielten fur synthetisehes WX, d:' = 7,75.

Aul3er WS, entstand keine weitere Verbindung ; bei den Praparaten mit Iioherem Schwefelgehalt als WS, entspricht, liell sich dieser mit Schwefelkohlenstoff wieder eritfernen und im Rontgenogramm war nur WS, vorhanden. Bei einem Versuch wurde die bei 820" 336 Stund'en lang getemperte Mischung innerhalb von 3 Wochen langsam auf Zimmer- temperatur abgekuhlt, aber auch dies fuhrte nicht zum Ziel. Gleiche Ver- haltnisse Iiegen irn System Rloybdiin-Schwefel vor ; BILTZ und KOCHER~) vermochten nicht, durch Anlagerung von Schwefel an MoS, zu MoS, zu gelangen.

Sulfide durch Schwefelung yon Oxyden

Durch Schwefelung von Wolframoxyden WO,. W40,, und WO,, sowie von H,W04 wurde bei verschiedenen Temperaturen versucht , Sauerstoff gegen Schwefel auszutauschen. Reinster Stickstoff wurde rnit SchwefeIkohlenstoff beladeii und bei Temperaturen zwischen 150 und 620" uber die Praparate geleitet. I n allen Fallen konnte nur WS, nachgewiesen werden, das je nach der Hohe der Reaktionstemperatur mehr oder weniger gut durchkristallisiert war. Die Schwefelung von W40,, fiihrte erst ab 300" mit genugender Schnelligkeit zu WS,. Uriter- halb dieser Temperatur findet die Reaktion, wahrscheinlich infolge des gesinterten Zustandes von W40,,, nur sehr langsam statt.

I) ar s tellun g voii W S3 Nach CORLEIs7) uurde Wolframsaure in Ammoniak gclost und die G s u n g mit

Schwefelwasserstoff geaattigt. Nach einiger Zeit kristallisierte Ammoniumthiowolfritmat in schonen, orangegelben Kristallen aus. Eine konzentrierte Lijsung dieser Verbindung

5 ) Kupfer K,-Strahlung, Kammerradius 28,65 mm, Beliehtungszeit 8 Stunden bei

s, W. BILTZ 11. A. KOCHER, 2. anorg. allg. Chem. ?48, 172 (1941). 7) E. COELEIS, Liebiga Ann. Chem. 282, 261 (1886).

40 kV und 20 mA unter Verwendung einer Al-Folie.

( ~ E M S E R , GAUER u. KONIG, Uber Wolframsulfide und Wolframselenide 243

Tvurde mit verdiinnter Sa,lzsaiire versetzt und WS, als schokoladebraunes P111~rer ge- fiillt. Uas Uebyeogramm war frei von Linien, WS, ist also amorph.

Analyse von WS,: l3s gelingt nicht, den Schwefel durch Rosten drr Substanz im Sauerstoffstrom und Ruffangen des gebildeten SO, und SO, in ammoniakalischer H,O,- Losung zu bestimmen. Wir haben deshslb WS, mit Soda-Salpeter nufgeschlossen, uns aber auch mit Vorteil einer lClikroschrvefelbestimmun~ nach B ~ ~ R G E R s, bedient. Danach wird die Substanz rnit metallischem ICalium geschrnolwn und dau gebildete Kaliunisulfid als H,S mit Jod t,itriert'. Uer Wolframgehalt wurde durah Verbrennen zu WO, errnitbelt.

WS, Berechnet W = 65,6606 Gefunden 65,12 s = 34,359: 3430 (Z 91, = 99,92).

Wir versuchten weiter, WS, in kristalliner Form zii gewinnen. Dazu iwmischten wir WS, mit iiberschiissigem Schwefel und erhitzten in Stickstoffatmosphiire im abgrschmol- mien Quarzrohr auf 500". Nach der Reaktion wurde der iiberschussige Schwefel mit Schwefel- kohlenstoff entfernt. Es hinterblieb aber nur WS, (Analyse, Rontpenaufnahme), trotz dcs hohen Schwefeldi-uckes zerfiel WS, in WS, und Schwefel. LieB man Schwefelkohlenstoff bei 150" imRomben- rohr 8 Tage lang auf WS, einairken. so resultierte danach unverandertes WS,.

Die Zersetzung von amorphem WS, in WS, und Schwefel wurde tensime- trisch verfolgt. TVS, wurde in ein Kolb- chen eingebracht, in das ein Thermo- element bis in das Substanzpulver tauchte, danach wurde evakuiert und das Kolbchen langsam erhitzt. I n be- stimmten Zcitabstanden wurde Tempe-

Abb. 1. Z e r s e t z n n g v o n WS,

ratur und Manometerstand abgelesen. Die Werte sind in AbbiltIung 1 enthalten. WS, zersetzt sich also bei 170" in WS, und Schwefel; im Kolbchen hatte sich Schwefel abgeschieden und der Riickstand zeigte im Rontgenbild nur WS,-Linien. Amorphes WS, ist also unbestandiger alsMoS,; bei dieseni hatte R I L T Z ~ ~ hei 180" noch keinenzerfall beobachtet.

DEBTTCQUET und VELLGZ 9) geben an, durch Zersetzen von Diathylen- diammoniummolybdansulfid mit Salzsaui e entstehe kristallisiertes MoS,. Infolge der xhnlichkeit der Schwefelverbindungen von Molybdan und Wolfram lag die Vermixtung nahe. daB auch beim Zersetzen der ent- sprechenden Wolframverbindung vielleicht kristallisiertes WS, zu er- halten sei. Es wurde desalb das Doppelsulfid von Wolfram und Diathylen- diamin (Piperazin) nach den Angaben der Verfasser dargestellt. Behan-

s, K. B~RGER, Angew. Chem. 54, 479 (1941); Die Chemie 65, 264 (1942). 9, L. DEBUCQUET u. L. VELLUZ, C. R. Bcad. Sci. Paris 193,59 (1931); Bull. Xoc. chim.

France .il, 1671 (1932).

244 Zeitschrift fur anorganische Chemie. Band 257. 1948

delte man die erhaltenen Kristalle mit Salzsaure, so uberzogen sie sich bald mit einer Schicht von braunem WS, und waren dann gegeniiber

einem weiteren Angriff von Salz- saure resistent. Im Debyeogramm waren nur die Linien des Doppel- sulfids zu erkennen. Wurden aber die Kristalle fein gepulvert, in ver- dunnte Salzsiiure gegeben und ge- kdcht, dann entstand ein braunes

~~ ~~ 3o 4o Pulver mit Interferenzen,die Tom -,4ko Ausgangsmaterial, sowie von WS,

Abb.2. W S , u n d WS, verschieden waren.

WS, Berechriet W = 65,65% Gefunden 65,93 s = 34,35% 34,OO (2 % = 99,93)

In der Abbildung 2 sind die Interferenzen dieses Wolframsulfids deneri von WS, gegeniibergestellt.

Im System Wolfram-Schwefel ist nur die thermostabile Phase WS, bestaindig. Daneben sind noch kristallisiertes WS, und rontgenamorphes W8, durch Zersetzung von Verbindungen hijherer Ordnung zu gewinnen.

11. Wolfram selenid e Selenide Bus den Elementen

Metallisches Wolfram, wie oben beschrieben dargestellt, und Selen (reinst KAHL- BAUM) wurden in dem fur WSc, entsprechenden Verhhltnis gemischt und im zugeschmolze- nen Quarzrohr unter Stickstoff zuerst 150 Stundcn bei 950", dann noch 4 Stunden be1 1150' erhitzt und anschlieaend wahrend mehrerer Stunden auf Zimmertemperatur abge- kuhlt. Es resultierte eine graue, metallisch glanzende, graphitartige Substanz. Auf eine -4nalyse konntc im vorliegenden Falle verereichtet werden.

WS, iihnlich.

chung

berechnet wcrden, siehe Tabelle 1.

Das Debyeogramm war in Linienlage und Linieniiitensitat dem von

Alle beobachteten Linien konnen mit IIilfe der quadratischen Glei-

sin2 8j2 = 0,073 (hz + k2 + h k ) + 0.0035P

Die Elementarzelle enthdlt 2 Molekiile WSe,, die Abmessungen sind

a = 3,29 A I' = 12,97A.

Die rontgenographisch ermittelte Dichte ist dR = 9,32, wir fanden experimentell als Mittelwert aus 3 Bestirnmungen d2,0 = 9.22. Da die

GLEMSER, SAUER 11. KONIG, cber Wolframsulfide und Wolframselenide 245

-,-- WSe,,oo wurden aus nietalli- ab schem Wolfram und Selen , c d

sammensetzung hergestellt und Gemische entsprechender Zu- c/a

- Mol.-vol. *3

I xr, j Intcnsitiit I

3,15 ~ 3,18 3,29 12,30 1 12,5 1 12,97

5238 64,7 ~ 1

3,90 3,93 399-1 I

IT- I 2 3 4 5 6

7

8 9

10 11 12 13

14

15 16 1 7

18

19 20 21 22 23 24

.~

sst 5s m

m sst

S

8

s s t

st m m

S

SY

9

s-m

at

m-st

5s

ss s t 5s ss s t st

Tabelle 1 Indiz ie rung von WSe,'O)

sin'8/2 . lo3 gef. I sin28/2 . 103 ber. I Indizes I

14,O 66.4 I 73 77 88

106

127

163 201 219 226 235 246

294

300 308 326

347

359 382 419 424 445 .500

14,O 59 73 77 87

105

{ % 161 200 219 227 233 246 292

298 306 324

f 296

[::: 359 380 41 9 426 444 499

002 004 100 101 102 103

{ E 105 106 110 008 112 107

j 200 \ 201

108 202 203

204 109 205 206

1010 118

1011 -

Intensitiitsabstufungen von WSe, denen von WS, sehr ahnlich sind, kann geschlossen werden, da13 WSe, wie WS, im C,-Typ kristallisiert,. In Tabelle 2 sind zum VergIeich die I)aten d h e r Sulfide ein- Vergleich VOII WSe, nlit MoS, u n d WS,

Tabelle 2

-1 __ -. getragen.

C,-Typ I MoS, , TVS, I WSe, Im Bereich \Wen,,, bis I

lo) Abstufungen: ss t = sehr stark, s t = stark, m-st = mittelstark bis stark, m =

Metall. mittelstark, s-m = schwach bis mittelstark, s = schwach, ss = sehr schwach. Wolfram wurde als Eichsubstanz verwendet.

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auf die beim WSe, erwahnt'e Weise unter Stickstoff in zugeschmolzenen Quarzrohren erhitzt. Aus den Rontgenaufnahmen mu13 man entnehmen, cia13 im System Wolfram-Selen nur WSe, existent ist. Von der Zusammen- setzung WSe,,,5 an, sieht man nur noch WSer-Linien, eine Verschiebung der WSe,-Linien tritt aber nicht ein. Wie beim WS,, diirfte auch beim WSe, die Phasenbreit,e gering sein. Auch bei den Seleniden i n t es nicht rnoglich durch Druckerhitzung aus WSe, und Selen zu WSe, zu gelangen . Eine Anderung der Linienlage van WSe, bei den L4nsatzen mit hiiherem Selengehalt erfolgte nicht ; es kann somit angenommeri werden, daB WSe, kein Selen lost,.

WSe, ist unloslich in konz. Salpetersiiure, konz. Schwefelsiiure, A]- kalilaugen und Ammoniak.

Darstclliing von W-Se, Wolframsaure wird in 20proz. Kalilauge gelost und in diese Losung his zur Sattigung

Selenwasserstoff eingcleitet. Es wird d a m ei.ne Appariltur benutzt, die MOSER und ATYN- SK1l l ) zur Falllung von Metallseleniden veraendet hatt.cn. Selenwasserstoff wird 511s Aluminiurnselenid mit verdiinnter Salzsaure gewonnen. Aluminiumselenid kann bequem dnrch Erhitzen eines Qemisches von dluminiiimpulrer mit rotenl Selen im evakuierten Bombenrohr erhalten werden12).

Xach eiriiger Zeit kristallisiert aus der gelh geftirbten Losung Kaliumselenowolf- ramat, in laugen, gelben SpieIjeri aus, die an der Luft sofort linter Selenabscheidurlg zer- fallen. Die Losung von Kaliuniselcnou~olframat wird nlit verdiinnter Schwefelslure ver- setzt, worauf sofort schwarzes WSe, ausfiiillt. Es wird init Wasser, d a m mit Alkohol ge- waschen und im Exsikkator iiber Phosphorpcntoxyd getrocknet.

WSc, Berechnet W = 43,72% Gefunden 44,25 Se ~2 66,280/: 55,68 (2 06 = 99,93).

Nach der Riintgenaufnahme ist W$e, amorph. Es bleibt beim vor- sicht,igen Trocknen bestandig, zerfiillt aber beirn Erhitzen im zugeschmol- zenen, evakuierten Rohrchen bei 220". Versuche, dureh Erhitzen von WSe, mii; Selen eine Kristallisation herbeizufuhren, gelangen wie beim WS, nicht.

WSe, ist loslich in konz. Ammoniak mit hellbrauner, in Alkalilaugen mitt dunkelbrauner Farbe. Es fiillt jetloch bald, besonders bei Luftzutritt, rotes Selen aus. I n konz. Salzsaure ist es unliislich, wird aber von konz. Sa1pete;sBure ?ngegriffen und zu WO, und SeO, oxydiert. Beirn Er- wBrmen init konz. Schwefelsiiure tritt Zersetzung ein, das gebildete Selen lost sich mit griiner Farbe.

11) 1,. MOSER u. K. A T Y N s m , Xh. Chem. 45, 2/41 (1926). 12) 0. GCEMSER u. T. RISLER, Z. Xatiirforschg. 3, 1 (1948).

Aachen, Institut far anorganische Chemie und Elektrochemie der Rheinisch- Tivest falischen Tachnischen Hochsch.de.

(Bei der Redaktion eingegangcn am 26. August 1948.)

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