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Der Expositionsmonolog ist in der Szene Nacht zu finden und Beginn der Gelehrtentragödie. Faust
führt sich hier als verzweifelter Wissenschaftler mit einem unbefriedigten Erkenntnis-, wie auch
Erlebnisdrang selbst ein. Dies leitet ihn zur Magie, durch die er sich Befriedigung erhofft. Seine
Sehnsucht steigert sich die Handlung hindurch, wobei Faust im Zwiespalt zwischen sinnlichen
Erfahrungen und logischer Reflexion steht. Nach dreimaligem, aber scheiterndem Bemühen die
Existenzkrise zu überwinden, - durch den Versuch die lebendige Natur, den Makrokosmos, zu
erfassen, zum anderen der Beschwörung des Erdgeistes und dem geplanten, doch dann
verworfenen Freitod - endet die Szene.
Das Hadern, die Zweifel, Fausts Enttäuschung gegenüber den Mitteln, die ihm als Mensch zur
Verfügung stehen sowie dem Erkenntnisdrang, der damit nicht erfüllt werden kann, bieten
Mephisto später seinen Angriffspunkt und sind Ausgangspunkt für die eigentliche Handlung.
Das Streben nach Erkenntnis und Wissen wird auch in der "Universitätssatire" in Form von
Studienbereichen aufgegriffen: Mephisto in der Rolle des Faust klärt auf höchst satirische Weise
einen Schüler über diese auf, wobei er scheinbar auf dessen Belange eingeht, aber den zu
Lehrenden eigentlich weg von der Wissenschaflichkeit zu sinnlichem, weltlichem Lebensgenuss
führt.
Im ersten Sinnabschnitt (V. 1868-1897) bittet der Schüler Mephisto, der sich als Faust verkleidet
hat, ihm bei der Wahl des Studiums zu helfen. Im Darauffolgenden (V. 1898-2016) erfolgt eine von
Ironie und Satire geprägte Unterweisung in den vier Fakultäten Philosophie, Rechtswissenschaft,
Theologie und Medizin sowie Ausschweife in Naturwissenschaften und andere Bereiche des
Studiums.
Zum Ende des Dialogs verdrängt der Teufel das Streben nach höheren Gefilden, nach Erkenntnis
durch erdenschwere, sinnliche Genüsse (V. 2017-2072), indem er die Medizin, als Möglichkeit zur
Verführung von Frauen, empfielt. Der Student verlässt ihn kurz daraufhin.
Die Einordnung der Szene "Studierzimmer (II)", in der sich die "Universitätssatire" befindet, in die
Gelehrtentragödie bedingt sich aus deren Ähnlichkeit mit der offenen Form des Dramas, wobei sie
sich als Stationendrama erweist: Sie ist durch entsprechende Örtlichkeiten, wie z.B. das
Studierzimmer Fausts, und Fortbewegungsmittel, u.a. Mephistos fliegender Mantel mit
"Feuerluft", gekennzeichnet.
Somit ist unter Betrachtung der Gelehrten-Handlung die Szene lediglich eine Station.
Versucht man nun jedoch den Blickwinkel auf den Gesamtkontext des Dramas auszuweiten, lässt
sich unter Berücksichtung der Gretchen-Handlung trotz der fehlenden Aktangaben eine dem
aristotelischen Drama folgende Struktur erkennen. Obwohl mit dem in der Szene "Studierzimmer
(II)" geschlossenen Pakt bzw. der geschlossenen Wette ein erregendes Moment vorliegt, wobei
die Schülerszene eine eingefügte Variation bildet, die Spielraum für eben solche Momente bietet,
lässt sich die Gelehrtentragödie auch als groß angelegte Exposition verstehen: Faust wird für eine
Reise durch die kleine Welt und für ein Liebeserlebnis, ein klassisches Thema des aristotelischen
Dramas, vorbereitet.
Dennoch findet sich in "Faust - Der Tragödie erster Teil" auch unter dieser Betrachtungsweise
durchgehend das Stationendrama wieder. Es handelt sich also um zwei "komplementäre Stränge",
die an Stelle einer einheitlichen Haupthandlung treten. Die Möglichkeit bietet sich, weil sie an
verschiedene Figuren gebunden sind: Faust, wie auch Mephisto folgen dem Stationendrama,
wobei die gesamte Gretchen-Tragödie letztendlich nur eine Station in dieser Abfolge ist und diese
selbst aber dem aristotelischen Drama folgt.
Die Charakterisierung der beiden Figuren in der Szene ist deutlich durch ihre Position im Dialog
vorgegeben.
Mephisto stellt hierbei als Faust den Lehrer dar und übernimmt damit eine belehrende Rolle, was
klar ersichtlich wird anhand von den Weisheiten und Ratschlägen, die er dem Schüler gibt. So
erklärt er diesem beispielsweise, dass es "nur auf Gewohnheit an[komme]" (V. 1888), Gefallen am
Lernen bzw. dem damit verbundenen Universitätsdasein zu finden und auf die Antwort des
Stundenten zu der Frage nach der Fakultät erklärt Mephisto ihm, er solle sich "nicht zerstreuen"
(V. 1903), also nicht verwirren lassen.
Seiner Rolle als Teufel bzw. ewig verneinender Geist kommt er auch in der "Universitätssatire",
als ein zentraler Punkt dieser, nach. Seine nihilistisch geprägte Einstellung erfährt in den
Unterweisungen, z.B. zur "Metaphysik", die er als sinnlos beschreibt (V. 1949ff.) und den
Empfehlungen, wie die Vorlesung über Logik zu besuchen, wo "der Geist [] wohl dressiert [und] in
spanische Stiefel eingeschnürrt" (V. 1912f.), also gefoltert wird, an den Schülers eine
offensichtliche Darstellung, da diese von Ironie und Sarkasmus geprägt ist.
Der Student, welcher voller "Ergebenheit" (V. 1869) (V. 1871) vor Mephisto tritt, weil dieser als
Faust ein sehr hohes Ansehen genießt und er sich "glücklich [schätzt von ihm] belehrt" (V. 1981)
zu werden, ist ein Hilfe- bzw. Ratersuchender in der Frage der Wahl der Fakultät: "Wollt Ihr mir
von der Medizin [n]icht auch ein kräftig Wörtchen sagen?" (V. 2003f.).
Die Sprechsituation in der "Universitätssatire" ist, wie schon aus der Charakterisierung
hervorgehend, durchgehend asymmetrisch, da Mephisto als Lehrer viel weiter über dem Schüler
als Bittsteller steht.
Die Szene beginnt mit dem Auftreten des Schülers und dessen Bericht, dass er "erst kurze Zeit" (V.
1868) an der Universität und gekommen sei, um Faust bzw. unwissentlich Mephistopheles "zu
sprechen" (V. 1870). Dieser antwortet mit falscher Bescheidenheit, dass er "ein[] Mann wie andre
mehr" (V. 1873) sei. Zudem erfragt Mephisto, ob der Student sich "sonst schon umgetan" (V.
1874) hat, wobei er die Dringlichkeit des Besuchs zu erfahren sucht, worauf der Schüler "mit
allem guten Mut" (V. 1876) und dem Willen "was Rechts" (V. 1879) an der Universität zu lernen
ihn direkt bittet, sich seiner anzunehmen, was dieser auch macht(vgl. V. 1875ff.).
Auf das Äußern von Unwohlsein an diesem Ort (vgl. V. 1881ff.) erklärt ihm Mephisto, dass dies
"nur auf Gewohnheit an[komme]" (V. 1888) und benutzt das Bild eines Säuglings, der Zeit braucht
um Lust an der Ernährung durch die Mutter Brust zu finden (vgl. V. 1888ff.). Der Schüler gibt
Kund, er wolle auch an diesen Punkt des Genusses gelangen und wissen wie er das könne (vlg. V.
1894f.). Es erfolgt die Überleitung zur Unterweisung in den Fakultäten über die Frage
Mephistopheles nach der Wahl eben dieser (vlg. V. 1896f.).
Der Student erklärt, er "wünschte recht gelehrt zu werden" (V. 1898) und "[d]ie Wissenschaft und
die Natur" (V. 1901) zu erfassen, wobei er sich nicht "zerstreuen lassen" (V. 1903) solle.
Mephisto leitet vom hoch sarkastischen Rat zum Besuch der Vorlesung über Logik, um Ordnung in
Gedankengänge zu bringen (vlg. V. 1908ff.) zur ersten Fakultät, der Philosophie, über. Deren
Darstellung ist durch puren Nihilismus geprägt: Die eigentliche durch Bilder umschriebene
Nachricht ist, dass der schaffende Geist das Ganze auf einmal übersieht und handhabt, während
der kleine Geist von der Betrachtung de Einzelnen nie zum Ganzen gelangt. (vlg. V. 1918ff.) Es
erfolgt ein Verseinschub durch den Schüler, in welchem dieser sein fehlendes Verständnis von
Mephistos vortragsähnlicher bisheriger Unterweisung zu erkennen gibt (vlg. V. 1942). Der böse
Geist fährt belehrend damit fort, dass es "nächstens schon besser gehen" (V. 1943) werde, wenn
er "lern[e] alles [zu] reduzieren [u]nd gehörig zu klassifizieren" (V. 1944ff.). Jedoch wird der
Student durch die Worwahl nur noch verwirrter(vgl. V. 1946f.), was Mephisto jedoch nicht davon
abhält seinen Rat zur Philosophie mit der Beschreibung der "Metaphysik" (V. 1949), der
Wissenschaft von den Grundlagen des Seins, und des Studiumablaufs im ersten Semester
fortzuführen. (vgl. V. 1948ff.).
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