„Vollkommenere Indikatoren” und einige andere Denkfehler aus dem Gebiete der Maßanalyse

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, ,¥ollkommenere Indikatoren" und einige andere Denk- fehler aus dem (]ebiete der ltIallanalyse.

Yon

i~riedrich L. tIahn.

[Eingegangen am 30. Januar i930.]

Eine kfirzlich in dieser Zeitschrift erschienene Mitteiiung gibt den Artless, eine Reihe yon fehlerhaften Vorstellungen mid Angaben zu berichtigen, die, obwohl lgngst iiberholt urtd widerlegt, immer noch welt verbreitet sind, sogar in bek~nnten und geriihmten Lehrbiichern der an~lytischen Chemiel). D~bei handelt es sich um Dinge, die nicht etwa nur theoretisch interessant, sondern die auch yon erheblicher praktischer Bedeutung sind; ich gebe deshalb auch die t~ichtigstellung nur in den Grenzen der in dieser Hinsicht erforderlichen Genauigkeit.

,,Urn eine Titrat ion genau ~usfiihren zu kJnnen, muss ein Indika tor gewahlt werden, dessen Umschlagspuukt in die Nghe des Xquivalenz- punk te s PH = 7 der zu titrierenden Base oder S/~ure fi~llt." - - Das ist falsch: Der Au s g 1 e ic h (kiirzere und sehr empfehlenswerte Bezeichnung far Xquivalenzpunkt) einer 5Iessung yon Ammoniak und S~Izs~ture liegt nicht bei 7, sondern bei 5,3 (EndlJsung ca. 0 ,05n an Salz; alle Zahlenangaben sind runde N~herungswerte). Der Ausgleich yon Essig- s~ture-Natronlauge liegt bei 8,7.

Einen Indikator , der ,,die grosse Empfindlichkeit (soll wohl heissen : Umschlagsscharfe) des Phenolphth~leins mit der Br~uch'barkeit des Methylor~nge zur Bestimmung schwacher Basen vereinigt", kann es nicht geben. Liegt der Ausgleich einer Basen-Messung bei 3,3, so kann

1) Da es sich nur alarum h~ndelt, ein Fortwirken falscher Angaben zu verhiiten, habe ich bei den im folgenden wJrtlich wiedergegebenen Fehlurteilen vor~ der Nennung der Autorennamen und Stellenangaben abgesehen. Ebenso erscheint es urmJtig, ausfiihrliche Ableigm~gen fiir meine t~ichtigstellung zu geben. Die Unterlagen linden sich km'z in meinem ,,Leitfaden tier quantitativen Analyse" (1922 bei T h e o d o r S t e inkopf f ) , bus- fiihrlicher in vorziiglicher Darstellung (allerdings wirkliches N~charbeiten er- fordernd) bei J. 3{. K o l t h o f f , ,,Die 3/IaBanalyse", I. Tell (t927 bei J u l i u s S p r i n g e r } , oder bei Nie ls B j e r r u m , diese Ztschrft. 56, 13, 81 (19t7). Man vergl, ferner : L. Michae l i s , Die Wasserstoffionen-Konzentration, I, 2. Aufl. (:[922); Praktikum tier Physikalischen Chemie, 3. Anfl. (~926).

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der Umsctilag des Indikators nieht mehr mit t---2 Tropfen 0,i n- LSsung auf i00 c c m Titrierfliissigkeit erfolgen, ganz gleiehgfiltig, ob nun Methylorange oder ein beliebiger anderer, bei dieser S~urestufe umschlagender Indikator verwendet wird.

,,Fiir don mit Indikatoren arbeitenden Analytiker ergibt sich aber die weitere Regel, den Indikator niemals in gr6sserer Menge zu ver- wenden, als zur Erkennung des Farbumschlags unbedingt notwendig ist. Der zugesetzte Indikator muss mittitriert werden, was bei grSsseren Zug~ben zu fehlerhaften Ergebnissen fiihrt, ganz abgesehen davon, dass der Farbenumsehlag mit zunehmender Indikatormenge immer ver- sehwommener wird." - - In dieser Form sind diese Angaben in allen einzelnen Teilen falseh. Der Umschlag jedes ,,einfarbigen" Indikators wird um so s c h g r f e r , j e mehr Indikator vorhanden ist, nur verschiebt sieh der Umschlagspunkt mit wechselnder Indikatormenge; bei ,,zwei- farbigen" Indikatoren liegt die Saehe etwas verwickelter (siehe unten).

Xhnliehes gilt ffir den Fehler, der dutch ,,Mittitrieren" des Indikators entstehen kann.

,,Die meisten Aufgaben in der AlkMimetrie und Acidimetrie k6nnen mit zwei Indikatoren, nimlieh Methylorange und Phenolphthalein gelSst werden." - - Zugegeben: sic kSnnen . Abet: Ffir die Messung yon A m m o n i a k ist Methylrot theoretiseh besser und praktisch an- g e n e h m e r . - Ffir noch schw~chere Basen ist Methylorange richtig; effahrungsgem~B aber ,sehen" vide Beobaehter diesen Umschlag nieht. Sollte ein Lehrbuch der analytisehen Chemie nicht erw~hnen, dass ffir solche F~lle Indikatoren mit ganz gleiehem Umschlagsgebiet aber v611ig anderen Umschlagsfarben zur Verffigung stehen ?

Ein Indikator kann (und neu empfohlene Indikatoren sollten stets) dureh folgende Angaben gekennzeiehnet werden:

Der U m s c h l a g s p u n k t oder besser vielleieht der H a l b w e r t des Indikators ist die S~urestufe (der PH-Wert), bei der beide Formen zu 50~o vorhanden sind; er kann dureh Messung scharf ermittelt werden; yon der ~ngewandten Indikatormenge ist er unabh~ngig. Die bessere Bezeichnung ist H ~ l b w e r t , denn aueh ~ndere Mischungsverhgltnisse der beiden Formen k6nnen in ihrem Farbton (gedichtnismggig oder durch danebengestellte VergleichslSsungen) festgelegt und als Umsehlags- t~rbungen ver.wendet werden, im allgemeinen zwischen 1 : 10 bis 10 : 1 der beiden Formen; dementsloreehend erstreekt sieh das n u t z b a r e Um- s e h l a g s g e b i e t eines Indikators etwa fiber zwei Einheiten der Wasser- stoffskala. Dass eine bestimmte Messung, je naeh der St~rke der ge- messenen S~ure oder Base und der Konzentration der Endl6sung bei

und einige andere Denkfehier aus dem Gebiete der MM3snMyse. 323

einer bestimmten S~m'estufe beendet werden muss, also einen bestimmten Indikator und Einstellung auf einen bestimmten Endton Grfordert, seheint jetzt im Mlgemeinen bekannt zu sein.

Sehlimmer steht es mit dem Begriff der U m s c h l a g s s c h ~ r i e , tier vielfach mit ga,nz anderen Eigenschaften zu einem verwaschenen Sammelbegriff ,,Empfindlichkeit" versponnen wird. - - W i r d nicht das ganze Wesen der Endpunktserkennung geandert (Potentiometrische Analyse!), so kann es keinen Indik~tor geben, der sieh zur ~Iessung yon Essigsaure eignet aber ,,nicht so empfindlich gGgen Kohlens~ure ist, wig P h e n o l p h t h a l e i n " . - Wenn bei einer Titration yon Pyridin mit Salzs~ure Methylorange ganz langsam yon gelb naeh rot geht, so liegt das nieht daran, dass ~ethytorange ,,unempfindlich" ist.

Als MM3 fiir die E m p f i n d l i c h k e i t eines Indikators sei fest- gelegt: de r B e t r a g , u m d e n s i ch d ie S a u r e s t u f e ~ n d e r n m u ss , d a m i t e i ne e r k e n n b a r e F a r b a n d e r u n g e i n t r i t t . Will man iiberlegen, in welchem Grade die so definierte Empfindlichkeit bei ver- schiedenen Indikatoren verschieden sein kann, so muss man folgende Fragen beantworten: ~Vie andert sigh mit tier Sgurestufe das Misehungs- verh~ltnis der beiden Indikatorformen ? Wie weir muss es sich andern, damit die Farb~nderung erkannt werden kann ? ~ D e r Quotient aus den Konzentrationen der beiden Indikatorformen i~:i 2 ~ndert sieh stets proportional der W~sserstoffionenkonzentration, also in geo- metriseher Reihe, wenn die Saurestufe (PH ~ - - l o g C~.) in arithmetiseher geht. (Da log 2----0,3 ist, ents~rieht einer J~nderung der Saurestnfe um drei Einheiten der ersten Dezimale stets eine Verdoppetung, bezw. H~,lftung des Quotienten i 1 :ie). Hier kSnnen also keine Untersehiede in der Empfindlichkeit begriindet liegen. Anders steht es mit der Er- kennbarkeit, die yon dem Farbunterschied der beiden Formen und dem Farbempfinden des Beobachters abhgngt, tIier sind setbstver- st~ndlieh objektive und subjektive Untersehiede m6glieh. Bei ein- f~rbigen Indikatoren ist der Farbgrad der L6sung nur vom Gehalt an der einen Form abhgngig (die andere ist ja farblos), die Farb~nderung also nicht vom Gang des Konzentrationsquotienten, sondern yon einer der Xonzentrationen setbst. D~her gndert sich mit der l~ienge des zugesetzten Indikators ztmgehst einmal der Umschlagspunkt, wenn wir diesen dutch die Sgurestufe festlegen, bei der ein bestimmter Farbton auftritt , z. ]3. gerade deutlieh er- kennbare F~rbung. Ist bei einem Gehalt an fgrbiger Form yon a m g . c m - 3 d i e L6sung gerade erkennbar gef£rbt, und setzen wir bei der Titration ihr 2 a m g . c m - s an Indikator zu, so erfolgt der Umschlag am Halbwert, d. h. beii x :is ~ 1 : t ; setzen wir ihr ~[ 1 a m g ; c m ~ 3

2'1"

324 Fried.rich L. Hahn: ,,Vollkommenere Indikatoren"

zu, so erfolgt der Umschlag, wenn 1/11 der Gesamtmenge an Indikator farbig vorhanden ist, d. h. bei i 1:i 2 = t :10, also um eine volle S~urestufe verschoben; eine Verminderung der Indikatormenge auf t , t a m g . c m - 3 verschiebt den Umschlag um den gleichen Betrag nach der anderen Sei~e. Daher kann mit Phenolphthalein je nach der zugesetzten Menge die erste erkennbare l~6tung zwischen pg = 8 (viel Indikator) und 10u = i0 auftreten. Ferner: es handle sieh um einen einfarbigen Indikator yon der Art des Phenolphthaleins, bei dem also die alkalische L6sung gef~rb~ ist ; zugesetzt seien x rag . c m - 3 , farbig ~ rag . c m - 3 bei der W a s s e r s t o f f - I o n e n k o n z e n t r a t i o n ha; dabei sei die L6sung eben er- kennbar gef~rbt. Bei Ctt = h b und einem Gehalt an der farbigen Form yon b m g . c m - 3 sei die F~rbung noeh nicht erkennbar. Dann ist:

a . ha b. hb - - K j (Dissoziationskonstante des Indikators).

x - - a - - x - - b

hb a x -- b Nun ist abet hb ~ ha, a ~ b, x - - b ~ x - - a; Also ~ = ~ . x - - a "

daraus folgt: Die J~nderung der Wasserstoff-Ionenkonzentration, die erforderlich ist, um die L6sung umzuf~rben, ist proportional dem Quotienten a :b (dieser h~ngt ab yon der Farbst~rke der gef~rbten Form, ist also eine ermittelb~re Konstante jedes einzelnen Indikators

x - - b ffir jeden bestimmten Beobachter) und dem Quotienten , und

X - - ~

dieser wird t f f i r x ~ a und oo fiir x = a , das heisst die zum An- fi~rben efforderliche ~nderung der Wasserstoff-Ionenkonzentration ist kleiner bei reichlichem Indikatorzusatz. Praktische Nutzanwendung: Essigs~ure in 0,1 n-L6sung k6nnte an sich entweder mit wenig a-Naphtholphthalein auf st~rkste Bl~uung oder mit reichlich Phenol- phthalein auf eben erkennbare I~6tung ti tr iert werden, der Umschlag ]iegt in beiden F~llen zwischen 8 und 9; Phenolphthalein ist vortefl- ha~ter.

Ferner: Um ein bestimmtes Volumen L6sung erkennbar anzu- f~rben, muss e ine b e s t i m m t e Menge roten Phenolphthaleins in ihr vorhanden sein, es muss aber n i c h t etwa e in b e s t i m m t e r B r u c h - t e i l d e s i n s g e s a m t v o r h a n d e n e n Pheno]phthaleins umgef~rbt werden. Der Mehrverbrauch an Lauge, der dadurch entsteh~, dass die ungef~rbte und undissozfierte Indikators~ure in die gef~rbte Ionen- form verwandelt werden muss, w~chst also durchaus nicht etwa pro- loortional der angewandten Indika~ormenge.

Etwas schwieriger liegen die Verh~ltnisse bei zweifarbigen Indi- katoren; an beiden Enden des Umschlagsgebietes kann man die in geringer ~¢[enge vorhandene Form als allein in ihrer Konzentration

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ver/~nderlieh betraehten, so dass fiir sie /~hnliches gilt, wie ftir ein= farbige Indikatoren; die andere, praktiseh konzentrationskonstanto Form, kann die Erkennung der Farbgnderung ersehweren, kann aber aueh als Kontrastfilter wirken und die Erkennung kleiner Farbtmter- sehiede erleiehtern. In der Gegend des Halbwerts ~ndern sieh die Kon- zentrationen beider Formen merldieh und ungefghr (am ItMbwert: genau) gleieh stark; sind die beiden Farbformen nahezn komplement/~r gel/~rbt, so ist die Farbgnderung in diesem Goblet besonders auffgllig. Beispiel: Versehiedene SulfonphthMeine, z. B. ]3romphenolblau (Tetra- bromphenolsulfonphthMein) mit dem Umsehlagsgebiet des Methyl- orange aber den Umsehlagsfarben gelb (sauer)-blau. Eine allgemeine Ableitung dafiir, wie bei zweifarbigen Indikatoren die Erkennbarkeit des Umsehlags sieh mit der zugesetzten Menge /indert, kann selbst- verstgndlieh nieht gegeben werden; hier hat die Probe zu entseheiden, nnd as werden versehiedene Beobaehter manehmal merMieh ver- schiedene Ergebnisse finden.

Beispiel: Erprobung des ,,empfindliehsten" Indikators fiir die Titration yon Ammoniak. - - Man bereitet sieh PufferlSsnngen yon ungef~hr der S~urestufe der zu erwartenden Endl6sung in regelmgBigen A b s t ~ n d e n . - 8 c c m ca. 0,5 n-Essigs/ture werden mit Phenolphthalein nnd ca. 0,5 n-Natronlange auf gerade siehtbare RStung titriert; Ver- braueh a c c m Natronlauge. Man miseht nun je a c c m Lauge mit t6, t2, 10 und 9 c c m Sgure; diese LSsungen ha.ben ungef~hr die S~urestufen: 4,6, 4,9, 5,2 nnd 5,5. Man versetzt je 50 c c m destilliertes und dureh Auskoehen yon Coo befreites Wasser mit 2 c c m Pufferl6sung, gibt die zu prfifenden Indikatoren in versehiedenen Mengen hinzu and stellt lest, wo man die st~rksten Untersehiede sieht. -- In B e t r a e h t kommen als Indikatoren: Methylrot, p-Nitrophenol, Bromkresolgrtin, Bromkresolpurpur.

In entspreehender Weise kann man mit alkal~sehen Puffern solehe Indikatoren prtifen (bezw. sieh an solehen Indikatoren prtifen), die sieh zur Titration sehwaeher S/iuren eignen.

Die so ermittelbaren Untersehiede in der ,,Eml0findliehkeit" sind goring und erreiehen bei weitem nieht die Unterschiede der Ums e h l ag s- s eh~r fe , die bei Titrationen beobaehtet werden. Diese beruhen n~im]ieh auf einer ganz anderen Ursaehe. Die l~eagensmenge, die in einem bestimmten Volumen L6sung eine bestimmte J~nderung der S/~urestufe hervorruft, ist gering, wenn wir in der Gegend des Neutral- punktes sind, und w~chst immer mehr, wenn wir ins saure oder alkaHsehe Gebiet kommen. I Tropfen 0,1 n-S/~ure, 100 c c m L6sung zugesetzt, (0,03 c c m 0,1 n-LSsung auf t00 ist 3. t0 -~ royal, c m - ~ ) gndert

326 Friedrich L. Hahn: ,,Vollkommenere Indikatore~"

Ctt" P H Differenz Von au~ v o n [ a u f

10--7 10--6 10--5 10--4 10--3

3 . 1 0 -5 3,1_. iO -5 4,0. lO -5 '1,3. lO -~t 1,03. iO - 3

4,52 4,51 4,40 3,89 2,99

2,48 ~1,49 0,60 O,li 0,01

Oder umgekehrt : Will man die S~urestufe um einen best immten Betrag ~ndern, dann muss man um so mehr Reagens zugeben, je welter man bereits vom Neutra lpunkt entfernt ist, und zwar steigt die erforder- liehe Reagensmenge direkt proportional der Wasserstoffionen-Konzen- t ra t ion h, wenn man im saurenGebiet ist, und der I-Iydroxylionen-Konzen- t rat ion oh im alkalischen. Um h oder oh yon 0,77. t0 - n a u f 1,23. i0 - n zu bringen, also fiber ein Gebiet hinweg, dessen Mitte bei 1.10 - n liegt, sind 0,46.10 - n (retool. c m - a ) an S~ure oder Lauge erforderlieh. Die~nderung der S~urestufe ist gleich dem Logari thmus aus dem Quotienten yon Anfangs- und Endkonzentrat ion A p~ = log (i,23:0,77) = ]og 1,6 = 0,2. Dashe iss t : Eine ~ n d e r u n g d e r S ~ u r e s t u f e u m 0,2 w i r d h e r v o r - g e r u f e n d u r e h e ine Z u g a b e a n R e a g e n s , d ie das 0,46fache, also r u n d d ie H f i l f t e de r in der ~ i t t e des durchlaufenen Gebietes v o r h a n d e n e n M e n g e a n H ' - o d e r O H ' - I o n e n b e t r ~ g t l ) .

Noah gr6ssere Reagenszus~tze sind eriorderlich, wenn die saure oder alkalisehe Reakt ion yon der Hydrolyse eines Salzes herrfihrt. Naeh den Hydrolysen-Gleiehungen

B" ÷ ~ O ~ B O H ÷ H" Basen-Ion Base

Konzentrat ionen: bi b h

s' + ~ o ~ HS ÷ oH' Saure-Ion Saure

KonzentraIGionen: si s oh

entstehenWasserstoff-!onen und undissoziierte Base oder Hydroxyl - Ionen und undissoziierte Si~ure in gleicher l~enge. Wie ich ktirzlich nach- gewiesen habee), ist die Ausgleiehskonzentration der t tydrolysen- produkte, b o = ho, oder s o = oho, mal~geblich fiir den Reagensver- braueh, den eine best immte ~nderung der S~turestufe erfordert. Ziffern- m~Big liegt es so, class hier ffir eine J~nderung der S~urestufe um 0,2

1) Und zwar ist der gr6ssere der beiden Werte, h oder oh, mal~geblieh. 2) Bet. Deutsch. Chem. Ges. 62, 727 (1929).

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nicht die It~lfte, sondern der volle Betrag der im Ivlittelpunkt des Gebietes vorhandenen l~enge erforderlich ist. Nun ist bei gewShn- lichen Titrationen eine Jmderung der S~urestufe um 0,2 wohl das mindeste, was ffir eine deutliche Farb~nderung erforderlich ist (das bedeutet ja, dass man zwisehen ,,saurer" und ,,alkalischer" Farbe des Indikators, die meist nm rund i,5 Einheiten der S~urestufe ausein- under liegen, noch sechs unterscheidbare Zwischenfarben festlegen kann!); daraus folgt: Im Umschlagsgebiet des ~ethylorange, etwa bei p~ ~ 3,5 oder h - - 3 . i 0 -~ , sind ffir eine deutlich erkennbare Farb- ~nderung 3. i0 -'~ ~illimol S~ure oder Lunge fiir jeden Kubikzentimeter t i tr ierter LSsung erforderlich, also 3. l0 - 2 lgillimol = 0,3 ccm 0,1 n- L6sung fiir ein Endvolumen yon 100 ccm. Die geringe Umschlags- sch~rfe des Methylorange liegt nicht an der ,,Unempfindlichkeit" dieses Indikators, sondern an der merklichen Pufferung einer LSsung, die ein Titrationsende so weir yore Neutralpunkt entfernt erfordert. Eine lV[essung yon Ammoniak dagegen, die sachgem~tl3 bei der S~ure- stufc 5 beendet werden soll~ also im Umsehlugsgebiet des Methylrot, kann, gleiche ,,Empfindlichkeit" beider Indikatoren vorausgesetzt, auf i0 - 5 m m o l . c m - 3 , bei i00 ccm Endl6snng daher auf i0 - 3 lVIillimol---- 0,0i ccm 0,1 n-LSsung scharf sein.

V611ig entsprechende ~berlegungen gelten aueh ftir die E n dp u n k t s- d i f f e r e n z , das heisst ftir den Fehler, der nicht dutch die Unsicherheit der Endpunktserkennung, sondern durch die an sich falsche Wahl des Umschlagspunktes entsteht. Es ist ja praktisch unmSglich~ ftir ]ede Messung den theoretisch richtigen Endpunkt zu w~hlen, der dureh die Dissoziationskonstante der t i tr ierten S~ure oder Base und die Konzentrat ion des entstehenden Salzes in der Endl6sung bestimmt ist, gem~g den bekannten Formelnl):

. / Kw - - h : ~ K b b Csalz oder ph -= 1/2 P w - - 1/2 P b - - 1/2 log Csal~

[

oh : Kss CSalz - - 1 1/2

K w ~ Ionenprodukt des W~ssers (10 -1~)

Pw ~ - - l ° g K w ( ~ - i 4 ) K s nnd Ps, 'Kb und Pb -~ Dissoziationskonstante und St£rke-

exponent der t i tr ierten S~nre oder Base.

Der Fehler, der durch eine bestimmte Endpunktsdifferenz ent- steht, ist nm so gr6sser, je welter die S~urestufe des Endpunkts vom

1) Wobei yon der Wirkung wechselnder Konzentrationen an Neutral- salz und ~hnlichen Einfliissen abgesehen ist.

328 Friedrieh L. ttahn: ,,¥ollkommenere Indikatoren"

l~eutrMpunkt entfernt liegt, u n d e r wgchst, genau wie die Umschlags- unsehi~rfe, proportional mit h i m sauren, mit oh im alkalischen Gebiet. Wird eine Messung yon Natronlauge mit Salzs/~ure bei der Siurestufe 6 oder 8 statt 7 beendet, so betr/igt auf 100 c c m EndlSsung der l%hler 0,0i c c m 0,0i n-LSsung. Wird Ammoniak auf 4 oder 6 stat~ auf 5 titriert, so ist der Fehler 0,i c c m 0,1 n-LSsung auf i00; Pyridin wird man mit 2 n-LSsungen auf volle l~Stung yon Methylorange titrieren; ein nut halb. so grosser Fehler irn Endpunkt, S~urestufe 2 odor 3 start 2,5 bewirkt hierbei abet bereits einen Fehler yon 0,9.10 -2 mmol.cm -z , also auf 100 c c m 0,9 Millimol =- 0,45 ccm der angewandten 2 n-Titrier- 15sung. Und wenn man bedenkt, dass bei t00 c c m Endvolumen etwa 45 c c m l%eagens verbraucht sein kSnnen, sieht man sofort, dass die Bestimmung auf 4- i % genau sein kann und dass diese Genauigkeit aueh bei Anwendung wesentlich kleinerer Stoffmengen erhalten bleibt. Titriert man rund 5 c c m ca. 2 n-PyridinlSsung mit ca. 2 n-HC1, so muss der Endpunkt gerade auf 0,05 c c m = I Tropfen seharf sein, der l%hler wird also auch bier 4 - i % nieht iibersteigen. 1) Ein sehr bekanntes Lehrbueh abet bringt noch im Jahre i927 die Angabe: ,,Die Pyridin- basen sind so schwach, dass sie sich nieht unter Anwendung der gewShn- lichen Indikatoren titrieren lassen." Folgt eine unmSgliche Arbeits- vorschrift. Quelle ffir beides: Eine Arbeit aus dem Jahre i887!

Nun ist die Verwendung yon 2 n-TitrierlSsungen allerdings etwas, was dem Analytiker alter Schulnng gerade zur Erreichung grtisst- mSglicher Genauigkeit recht ungewohnt ist. Dies fiihrt zu der letzten tier einsehl~gigen ~'ragen: Wie hingt der Titrierfehler yon der an- gewendeten Stoffmenge, yon der Konzentration tier l~Iaft15sung und yore Endvolumen ab ?

Umsehlagsunsch/~rfe und Endpunktsfehler sind ftir jede Titrations- ar~ angebbar in Millimol auf jeden Kubikzentimeter EndlSsung; sie wachsen also einerseits proportional dem Endvolumen V. Anderseits sind sie proportional der Konzentration der ttydrolysenprodukte, nehmen daher bei bestimmter Stoffmenge mit steigender Verdiinnung der entstehenden SalzlSsung ab, aber nicht linear mit sinkender Kon- zentration an Salz, sondern wie die obigen Formeln zeigen, nut mi~

der Quadratwurzel. Sie wachsen mit V, sie nehmen ab mit I/V, ins- gesam¢ steigen sie daher mit I/V-. Jedes unntitige Verdiinnen der Titrier-

i) Er kann noch kleiner bleiben, denn eine Endpunk~sunsicherheit yon 0,5 S~uresSufen, hier des ¥ergleiehes wegen gew/~hl$, is$ vermeidbar. Bei einer prak$isch erreichbaren Endpunktsdifferenz yon ~ 0,25 Sgure- stufen betr/~gt der Endpunktsfehler nur noeh fund -~ 0,5 ~o.

und einige andere Denkfehler aus dem Gebiete der aMal3analyse. 32 9

15sung ist deshalb sehgdlich. Dazu gehSrt aueh die Anwendung zu verdiinnter Magl6sungen. Wenn die kleinste, mit den angewandter~ Geraten abteilbare und messbare Menge der MaN6sung gerade eben den Umschlag hervorruft (Umschlag-Wechsel zwisehen zwei mSgliehst nahe benachbarten aber deutlich unterscheidbaren FarbtSnen), dann ist eine weitere Steigerung der Genauigkeit niemals durch Anwendung einer verdiinnteren MaglSsung zu erreichen, sondern nur, indem man eine st~rkere Maftl6sung und eine Biirette mit kleinerer TropfengrSsse und feinerer Unterteilung verwendet.

Ein besonders krasses ]3eispiel fiir die Fehlerhaftigkeit gut ein- gebiirgerter Analysenvorsehriften bietet die Titration yon Bors~ure unter Zusatz yon Mannit oder Glycerin. Den Prozess, der zur Bildung yon undissoziierter Sgure nnd yon Hydroxyl-Ionen in der L6sung yon

Salzen einer k°mplexen B°rs/iure der al]gemeinen F°rmel [I~ (O '>R) ] [-I

fiihrt, kann man im wesentliehen dnreh die Gleiehung darstellen:

~ " - " " [ :B ( ~ > R ) 2 1 ' + 4H20 ~- ~" B(OH)3- ~ 21~(0H)2 d- OH'

Komplex-sgure-Ion Saure Alkohol Xonzentrat ionen: si s a oh

Es ist also s. oh. aS -- K oder s = oh = ~ K . Csa]z. si

Hier steigt die Konzentr~tion der ]-Iydrolysenprodukte mit der Quadratwurzel aus der Salzkonzentration nnd nmgekehrt proportional der Konzentration des komplexbildenden Alkohols, bei bestimmtem Mengenverh~Lltnis S~ure: Komplexbfldner Mso nmgekehrt proportional C I/~, mithin direkt proportional V1/2; die Umsehlagsunsehgrfe und der Endpunktsfehler, die ja einerseits dem Endvolumen, anderseits s = oh proportional sind, waehsen demnaeh mit V~/-'I). Trotzdem sehreiben die Lehrbiieher der analytisehen Chemie fiir diese Titration meist ausdriieklich starke Verdiinnung vor. Dass im Gegenteil bei geringster Verdiinnung and nnter Anwendnng stgrkster Titrierlauge mit besonders geringem Glycerinverbrauch ein besonders seharfer Umsehlag erhalten wird, babe ich schon vor Jahren naehgewiesen. ~)

~) Besteht die Komplex-Borsaure aus i Mol Alkohol auf 1 Mol B(Ott)s, was fiir ~[annit denkbar aber nicht wahrscheinlich ist, so wachsen die l~ehler mit VV~; sind beide Formen vorhanden, mit einer Potenz zwischen s/~ und 1/2.

2) Vergl. Ztschrft. f. angew. Chem. 35, 298 (1922).

330 Friedrich L. I-I~hn: ,,Vollkommenere Indikatoren" usw.

Zusammenfassang.

Nicht alle wichtigen Aufgabert der S~uren und Basenmessung k6nnen mit lV[ethylorange oder Phenolphthalein gel6st werden. Wer aber nut diese Indikatoren (und vielleicht noch Lackmus und 1Kethyl- ro~) kennt, der suche nicht nach neuen, vollkommeneren, sondern erprobe zun~chst die li~ngst bekannten, z. ]3. die Reihe der Sulfon- phthaleine nach I-I. A. L u b s und W. IV[. Clark1) ; er wird hier alles finden, was man irgend wiinschen kann. Soil t rotzdem noch ein neuer Indikator beschrieben werden, so gebe man:

U m s c h l a g s g e b i e t , das heisst die S/iurestufen (ph-Werte) 'zwischen denen an der Farb~nderung des Indikators eine ~nderung tier S~urestufe erkannt werden kann2).

E m p f i n d l i c h k e i t , das heisst die Xnderung der S/iurestufe, die eine merkliche Farb/inderung hervorruft. Sie ist nicht nach der Sch/irfe des Umschlags bei Titrationen zu s c h/~ t z e n , sondern dureh Ver- ;suehe mit geeigneten Pufferl6sungen zu m e s s e n. Sie kann an ver- schiedenen Stellen des Umschlagsgebietes verschieden sein und h/ingt yon der Konzentrat ion des Indikators und dem Farbempfinden des Beobachters ab.

Die beobachteten grossen Unterschiede in der U m s e h l a g s s c h / ~ r f e bei Titrationen beruhen zum geringsten Teil auf Verschiedenheiten in der Empfindliehkeit der Indikatoren, vielmehr fiberwiegend auf der gr6sseren oder geringeren Pufferung der t i tr ierten L6sungen.

Unn6tiges Verdiinnen der t i t r ier ten L6sung und Anwendung z u schwacher Mal~16snngen vergr6ssern den Titrierfehler, und zwar um so mehr, je sehw/icher die titrierte S/~ure oder Base ist.

F r a n k f u r t a. M., Chemisches Institut der Universitdit.

1) Vergl. L. Michae l i s , Praktikum der physikalischen Chemie: 3. Aufl., S. 42 (1926); vergl, diese Ztschrft. 68, 292 (1923).

3) Wiinschenswert, wenn auch nicht unbedingt n6tig, isb der I-Ialb- were , das heii3t die S/~urestufe, bei der beide Indikatorformer~ in gleicher Konzentration vorhanden sind.

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