Was sollen wir tun? · Brief zu Johanni 24.06.2020 Am Ende des Rilke-Gedichtes über den...

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BriefzuJohanni24.06.2020

Wassollenwirtun?

DieseFrageanJohannesdenTäuferklingtsehraktuellundmodern.Dreimalwirdsievonverschie-denenGruppenanihngestellt(Lukas3,10-14):vomVolk,vondenZöllnernundvondenSoldaten.

JohannesstandalsRuferinderWüsteamJordan,verkündigtedieSinneswandlungundtauReviele,diezuihmkamen.»SchonistdieAxtdenBäumenandieWurzelgelegt,undjederBaum,derkeinegutenFrüchteträgt,wirdgefälltundimFeuerverbrannt.«(Mt.3,10)RadikalklingenseineWorte,dasAlteträgtnichtmehr,ihmmusseinEndegesetztwerdenundzugleichahntJohannesdasKommende,DENKommenden:»ÄndertEurenSinn.Naheherbeigekom-menistdasReichderHimmel.«(Mt.3,2)

UndsoantworteterdemVolkaufdieFrage»Wassollenwirtun«:»WerzweiGewänderhat,dergebedemeines,derkeineshatundwerzuessenhat,derhandleebenso.«SprichthiernichteinGeistderBrüderlichkeit?RegtJohannesdurchdieseWortenichtdasGewisseneinesjedenEinzelnenan?AlsVolksmengehabensiegefragt,abertä^gwerdenkannzunächstnurderEinzelne.

DenZöllnernantworteteraufihreFrage:»HaltetEuchstrengandas,wasEuchaufgetragenistundgehtnichtdarüberhinaus.«AuchhierappelliertJohannesanihreinnereS^mme,demzufolgen,wasgerechtundangemessenist.ErweistsieaufihreinnerstemoralischeInstanzhin.

UndauchdieSoldatenbekommeneineAntwort:»VermeidetjedePlünderungundunnöNgeGewaltundbegnügtEuchmitEuremSold.«DieFreiheitdesanderenzuachtenundzuschützenistGebotundAuRragzugleich.

Dreimalwirdgefragt,vonunterschiedlichenMenschengruppierungen,unddreimalmachtJohannesdeutlich,dasNeuekannabernurderEINZELNEausseinemICHherausergreifenundtun.ErregtmitseinenAntwortendieMoralität,jadasGewissendesMenschenan.DASistdasReichderHimmel,inunseremGewissenoffenbartsichderChristusgeist.Als»Menschlichkeit«lebtErimMenschen.UndwieesSelbstaussagendesChristusgibtwieIchbindasBrot,IchbindieTür,IchbindieAuferstehungunddasLeben,sokönntemansagen:»IchbindasGewissen.«–SeinIchistGewissen.

WieoRfühlenauchwirheutedieseFrage:Wassollenwireigentlichtunangesichtsdergewal^genNötederMenschheit?DiesebrandaktuelleFragekannauchheutenurganzindividuellzuunseremGewissensprechenundunsmehrundmehr»menschlich«undmenschengemäßhandelnlassen.

WirfeiernJohanniundblickenaufden,derals»Weltengewissen«WegbereiterdesChristuswar,derZeugewar,wiebeiderTaufeamJordanderGoeesgeistihnerfüllteundüberihmverblieb.

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BriefzuJohanni24.06.2020

MaehiasGrünewaldschreibtseinemJohannesdasWort,dasersprach,überdenübergroßgemalten,deutendenFinger,deraufdenGekreuzigtengerichtetist:»ERmusswachsen,ichmussabnehmen.«DiesistdieGrundgesinnungdesJohannes.EristzumOpferbereit,bereit,sichzurückzunehmenzugunsteneinesGrößeren.

VieleIkonenstellenihnalsEngeldar.ORhälterseineigenesHauptinHänden,wasunsdaranerinnert,dassHerodesihn,aufWunschvonHerodias,enthauptenließ.BeidieserIkoneausZypernsiehtmanrechtsuntendenBaum,andendieAxtgelegtist.SprechendistindieserBeziehungauch,dass

JohannesdreiTagenachderSommersonnenwendegeborenistunddamitam24.6.dieJohannizeitbeginnt.DerHöhepunktistüberschrieen,dieEnialtungdesäußerenLichtesnimmtwiederabzugunsteneinesinnerenLichtes.DasistdieSprachedesJohannesinderNatur.

AuchOpferisteinMo^v,dasmitderFrage»Wassollenwirtun«verbundenist.VielenMenschenfälltesschwer,mitdiesemBegriffetwasPosi^veszuverbinden.AllzubelastetistdiesesWort.Deshalbmüssenwiresimmerwiederneuverstehenlernen.Esbeinhaltet,dasswirschenkenundhingeben,opfernkönnen,esbeinhaltetdamitaberauch,dasswirunserEgozurücknehmenlernenzugunsteneinesAnderen,einerGemeinschaR,einerIdeeodereinesgemeinsamenZieles.

DeshalbmussheutedarausauchdieFrageentstehen:»WievielOpferbrauchtderWandel?«DennnurdurchOpferistWandlungundVeränderungmöglich.DiesgesellschaRlichzubedenken,istgewissnö^g,abertä^gwerdenkannauchhierzunächstimmernurderEinzelne.

WereinmaldurchdasLabyrinthvonChartresgegangenist,erinnertdievielenWendungen,diemanaufdemWegenachinnenzuvollziehenhat.28Haarnadelkurven,KehrtwendungenundjedesMalgehtderBlickwiederineineandereRichtung.EinWillensimpulsistjedesMalnö^g,dieSchrieeanderszulenkenundneuzusetzen,abernursokommtmanvorwärtsundbleibtaufdemWeg.EinwunderbaresJohannibildwirddarinsichtbar.Undsoistesnaheliegendundverständlich,dassdieKathedralevonChartresnichtnureineMarienkircheist,sondernauchJohannesdemTäufergeweihtist.SieistnichtnurnachOstenorien^ert,sonderngenauzudemPunkthin,wogeradeindieserhochsommerlichenZeitdieSonneaufgeht.

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BriefzuJohanni24.06.2020

AmEndedesRilke-GedichtesüberdenArchaischenTorsoApollos(1908)heißtes:»DenndaistkeineStelle,diedichnichtsieht.DumusstdeinLebenändern.«Interessantist,wieRilkehierzweiDingezusammenbringt,denAufruf,dasLebenzuändern,unddieErfahrung,gesehenundangeschautzuwerden.VielleichtliegtindiesemZusammenspieltatsächlicheinSchlüsselundeineHilfe.Dennsichwievonaußenangeschautzufühlen,sichvondemChristuswahrgenommenzufühlen,kannHilfesein,Schrieezutun,diePerspek^vezuwechseln.EinPerspek^v-WechselistimmerauchmiteinemOpferverbunden,demOpfer,deneigenenStandpunktzuverlassen.

Nunistesinteressant,dasseseinenzweitenTypusvonIkonegibt,diedennachtodlichenJohannesalsEngeldarstellt,dereinenKelchinHändenhält,indemChristus,fastwieineinerKrippe,liegt.IndenGebetenderJohannizeitbieenwirdenTäufer,hinzuschauenaufdieTatvonOpferundWandlungamAltar,diezumSegenfürMenschundErdeimmerwiedervollzogenwird.WiezurWeihnachtszeitdieEngel-hierarchienangerufenwerden,sowirdnunindieserjetzigenFesteszeitJohannesinseinemVerbundenseinmitdemAltargeschehenvergegenwär^gt.DieIkoneausGeorgienkündetdavon,erträgthierdenKelch.

NichtnuralsErdenmenschistJohannesdurchseinePredigtworteunsverbunden,sondernauchalsGeistwesenundHimmelsmenschbegleiteterseitseinemTodedasWirkenderChristus-JüngerdurchalleZeiten.

GiselaThriemer

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