Wissenschafts- theoretische Überlegungen Zur Empirischen Sozialforschung

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Wissenschafts-theoretische Überlegungen

Zur Empirischen Sozialforschung

Verwendete Hauptquellen

• Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung. – Berlin/New York: de Gruyter, 1995 (8.)

• Hobmair, Hermann (Hrsg.): Pädagogik. – Troisdorf: Bildungsverlag EINS, 2002

Der Wissenschaftsbegriff

• Objekt• Methode• System

Definition:

Wissenschaft: methodisch gewonnenes und in ein System gebrachtes Wissen über einen Bereich der Wirklichkeit.

Erziehungswirklichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven

• Naturwissenschaften: alle Wissenschaften, die Vorgänge und Gesetze der Natur erforschen.

• Geisteswissenschaften: alle Wissenschaften, die sich mit Erzeugnissen des menschlichen Geistes und der Kultur beschäftigen.

Wissenschaftliche Methoden

Wissenschaftliche Methoden sind systematisch geplante Vorgangsweisen oder Verfahren, um Wissen über einen

Objektbereich zu gewinnen.

Naturwissenschaftliche Methoden

Methoden, die der planmäßigen Beobachtung und Beschreibung eines

bestimmten Bereiches der Wirklichkeit und der Gewinnung von intersubjektiv

überprüfbaren Daten zum Zwecke der Erklärung dienen, werden als

erfahrungswissenschaftliche bzw. empirische Methoden bezeichnet.

Geisteswissenschaftliche Methoden

• Methoden, die durch das Herausfinden von Wert- und Sinnzusammenhängen

dem Verstehen dienen, werden als

geisteswissenschaftliche Methoden bezeichnet.

Anwendungsfelder empirischer Sozialforschung

A) Marktforschung und Meinungsforschung für ...1) Medien2) Parteien3) Unternehmen4) Vereinigungen (Gewerkschaften, Kirchen,

Verbände)5) …B) Beantwortung von Fragestellungen in den

Human-, Kultur- und Sozialwissenschaften

Definition von empirischer Sozialforschung

• „Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Tatbestände, d.h. Erscheinungen und Aspekte der gesellschaftlichen Wirklichkeit (in Form von Daten)“

1) Empirisch = erfahrungsgemäß2) Systematisch = Die Erfahrung der Umwelt hat nach

Regeln zu geschehen3) Soziale Tatbestände = z.B. beobachtbares menschliches

Verhalten, von Menschen geschaffene Gegenstände, durch Sprache vermittelte Meinungen, Informationen über Erfahrungen, Einstellungen, Werturteile, Absichten etc.

Methoden der empirischen Sozialforschung

• Beobachtung

• Befragung

• Inhaltsanalyse

• Experimente

• u.a.

Verhältnis quantitative-qualitative Methoden

• Schließen einander keineswegs aus

• Bedingen sich oft gegenseitig

• Einsatz hängt von den theoretischen Annahmen, vom Forschungsziel, der Beschaffenheit des Forschungsgegenstandes und den aktuellen Gegebenheiten/ Ressourcen ab

Gütekriterien

• Objektivität: das Erfassen gesellschaftlicher Daten muss intersubjektiv nachvollziehbar sein

• Reliabilität: ein Befragungsinstrument ist dann verlässlich, wenn es so exakt misst, dass bei Wiederholung unter gleichen Bedingungen identische Ergebnisse erzielt werden

• Validität: ein Messinstrument muss auch tatsächlich das messen, was es messen soll bzw. zu messen vorgibt

• Systematische Beforschung des Forschungsgegenstandes

• Klarlegung der Forschungsbedingungen

Empirizismus

• = „Das bewusste oder unbewusste Ignorieren der Gütekriterien und theoriegeleiteter Forschung“

• Der Forschungsgang muss immer nachvollzogen werden können!

• Nicht die Verwendbarkeit von Methoden darf über den Ausmaß ihrer Anwendung entscheiden, sondern lediglich Forschungsziel und Forschungslogik (Problem der „Verselbständigung“ der Methoden)

3 Kriterien der Bewertung einer Veröffentlichung/Forschung

• Entdeckungszusammenhang

• Begründungszusammenhang

• Verwertungszusammenhang

Erste Beurteilungskriterien für die Qualität von (publizierten) Daten

Offenlegung ...• der Situation, der Motivation und dem Ziel, eventuell des Auftrags

der Forschung)• der theoretischen Grundannahmen• der Definition von Begriffen• des Operationalisierungsvorgangs• des Zusammenhangs der Daten• der angewandten Forschungsregeln• des Einsatzes der Forschungsinstrumente• des Auswertungsverfahrens• der Einschränkungen• der Art der Publikation

Phasen des Forschungsablaufs

• Problembenennung

• Gegenstandsbenennung

• Durchführung (Anwendung von Forschungsmethoden)

• Analyse (Auswertungsverfahren)

• Verwendung von Ergebnissen

Problembenennung

• = „Formulierung sozialer Probleme in wissenschaftlichen Fragestellungen“

• Abgrenzung des Problems

• Nachweis der Erklärungsbedürftigkeit

• Bedarfs empirischer Untersuchung

Hypothesen

= „Erklärungsversuche der unerklärten Umwelt“

(sie helfen, systematisch zu beobachten und zu befragen)

Theorie/Metatheorie

• Theorie = ein System logisch widerspruchsfreier Aussagen über soziale Phänomene.

• Metatheorie = Theorien über Theorien• Theorien müssen sich auf logische

Aussagen beschränken, die empirisch überprüfbar sind (sie sollten möglichst auch neue Problemaspekte beinhalten)

Methodologie/Forschungsablauf

• Methodologie = Vorgehensweise wissenschaftlichen Denkens

• Forschungsablauf = Umsetzung dieses Denkens in einzelne systematisch ausgerichtete und nachvollziehbare Forschungsschritte

Hauptschritte bei Erhebungen

• Hypothesenbildung

• Operationalisierung

• Datenerhebung

Problem und Gefahr

„Tatsachen können Theorien bestätigen oder widerlegen, aber in manchen Fällen können auch Theorien Tatsachen bestätigen oder widerlegen.“

Gefahr des unredlichen Missbrauchs von Daten für manipulative Zwecke!

Gegenstandsbenennung

• Begrenzung des Forschungsgegenstandes• ein Vorgang, bei dem beobachtbare

Erscheinungen, aber auch abstrakte Vorstellungen und Elemente in Zusammenhang, d.h. in eine systematische Ordnung gebracht werden

Beeinflusst durch…• Zeit• Gegenstandsbereich• Feldzugang

Modelle

• „Modelle sind Abbildungen von Gegenständen und Vorgängen.“

Um diese theoretischen Abbildungen zu erhalten, müssen wir uns ein Bild der Gegenstände und Vorgänge machen. Dieses entsteht in unseren Gedanken und hat mit „Begriffen“ und „Erkenntnis“ zu tun.

Begriffe

• Begriffe erlauben Ordnung durch Sprache. Begriffe sind zu definieren und zu explizieren. Ein Begriff enthält eine offengelegte Zuordnung bestimmter Merkmale zu Objekten.

• Ohne Definitionen kann es zu Missverständnissen kommen!

Hypothese

• „Eine Hypothese ist ein mit Begriffen formulierter Satz, der empirisch falsifizierbar ist!“

z.B. In Österreich ist die Arbeitslosenquote bei Personen mit Hochschulabschluss niedriger als bei Personen mit anderen beruflichen Qualifikationen.

Kriterien für eine (streng statistische) Hypothese

• Eine H. ist eine Aussage, keine Frage oder Befehl• Die Aussage enthält immer 2 semantisch gehaltvolle Begriffe (z.B.

Arbeitslosenquote, Hochschulabschluss)• Die Begriffe sind durch den logischen Operator „wenn-dann“

verbunden (z.B. wenn Hochschulabschluss, dann geringere Arbeitslosenquote)

• Die Aussage ist nicht tautologisch• Die Aussage ist widerspruchsfrei• Die empirischen Geltungsbedingungen sind implizit oder explizit im

einzelnen aufgezählt• Die Begriffe sind auf Wirklichkeitsphänomene hin

operationalisierbar• Die Aussage ist falsifizierbar

Variablen - Indikatoren

• Variablen sind unterschiedliche Ausprägungen einer Eigenschaft

• Indikatoren sind direkt beobachtbare (manifeste) Variablen

Operationalisierung

Unter O. versteht man die Schritte der Zuordnung von empirisch erfassbaren, zu beobachtenden oder zu erfahrenden Indikatoren zu einem theoretischen Begriff.

Durch O. werden Messungen der durch einen Begriff bezeichneten empirischen Erscheinung möglich.

Beispiel für Operationalisierung

1) Formulierung der Hypothese:• „Der Studienerfolg hängt nicht nur von der

individuellen Arbeitsintensität ab, sondern auch von der sozialen Integration der Studenten.“

2) Gegenstandsbenennung:• Die Hypothese gilt für alle Studenten in

Österreich3) Definition von Student, relevanten Variablen

und Indikatoren:

Operationalisierungsbeispiel - Fortsetzung

• Begriff: Student: Als Student gilt eine Person, die an einer Hochschule eingeschrieben ist.

• Variablen: a) Hochschulart, b) Fakultät/ Studienrichtung, c) Studiendauer

• Indikatoren:

a) Uni, FH, Akademie

b) WiSo, Phil, Jura, Theolog., Nawi, …

c) Semesterzahl, Studienjahr..

Operationalisierungsbeispiel - Fortsetzung

4) Definition von Studienerfolg:• Begriff: Studienerfolg• Variablen: a) attestierte Leistung, b) Fähigkeit zur

kooperativen Problemlösung (analytisch/ wissenschaftlich, Teamfähigkeit);

• Indikatoren:a) Noten (Einzelprüfungen, Diplomarbeiten,

kommissionelle Prüfungen), Studiendauer, Wiederholungen

b) Hier nicht bedeutsam

Operationalisierungsbeispiel - Fortsetzung

5) Definition von individueller Arbeitsintensität:• Begriff: individuelle Arbeitsintensität• Variablen: a) Vorbereitungszeit für

Lehrveranstaltung (LV), b) Besuch von LV, c) Mitarbeit in LV

• Indikatoren:a) Arbeitszeitb) Teilnahmefrequenzc) Diskussionsbeteiligung, Wortmeldungen

Operationalisierungsbeispiel - Fortsetzung

6) Definition von sozialer Integration:• Begriff: soziale Integration der Studenten• Variablen: a) Kontakthäufigkeit, b) Kontaktart,

c) Kontaktpersonen• Indikatoren:a) Anzahl der Kontakte, Intensität der Kontakteb) LV-bezogen (z.B. Pausen), nicht LV-bezogen

(z.B. privat, Freizeit)c) Lehrpersonen, KollegInnen

Forschungsdesign

• = Vorgang empirischer Überprüfung theoretischer Hypothesen

Unterscheidet sich nach…

• Art der Problem- und Gegenstandsbenennung

• Schwierigkeit des Feldzugangs

• Komplexität der zu prüfenden Hypothese/n

Forschungsprotokolle

• Sind wichtig, besonders in hektischen Phasen der Feldforschung, um die einzelnen Schritte zu dokumentieren und kommentieren.

• Werden bei quantitativen Erhebungen zumeist schon vor dem Feldzugang erstellt

• Für qualitative Fragstellungen und Methoden sind sie – prozessbegleitend - unumgänglich (Forschungstagebücher)

Bedeutung qualitativer/ explorativer Forschung

• Je weniger man über einen Gegenstand weiß, desto wichtiger!

• Manchmal notwendige Vorstufen für quantitative Studien/Methoden

• Sind aber nicht immer nur Vorstufen, sondern haben bei vielen wichtigen Fragstellungen „Selbstzweck“, d.h. vieles kann man nur qualitativ erheben

Probleme und Gefahren teilnehmender Forschung

• Veränderung des „natürlichen“ Feldes durch Anwesenheit des/r Forscher/s

• Übertragung eigener Vorstellungen, Erwartungen, Meinungen

• Wahrung der notwendigen (wissenschaftlichen) Distanz

• „Betriebsblindheit“• Wichtig: systematische Kontrolle und

Dokumentation des gesamten Forschungsverlaufs

Grundlagenforschung (gut?) vs. Bedarfsforschung (schlecht?)

• Diese Etiketten „taugen“ nicht viel• Viele Grundlagenerkenntnisse waren oft

„Nebenprodukt“ von Auftragsforschungen• Viele Auftragsforschungen wären ohne

Grundlagenforschung unmöglich • beide „Sparten“ bedingen einander!• GF = empirische Sozialforschung, die das Gewinnen

allgemeiner Erkenntnisse zum Ziel hat• BF = empirische Sozialforschung, die zum Ziel hat,

vornehmlich Handlungsanweisungen zu entwickeln

Grundlagenforschung - Merkmale

• Gewinnung allgemeiner Erkenntnisse

• Umfassende Erhebung

• Kombinierter Einsatz von Methoden

• Langzeitforschung

Bedarfsforschung - Merkmale

• Gewinnung strategischer Erkenntnisse• Erhebung eingegrenzter Daten• Einzelner Einsatz von Methoden• Momentaufnahmen durch punktuelle Erhebung

In dem Sinn wären Aktionsforschung und forschendes Lernen der Bedarfsforschung zuzurechnen!

Arten der empirischen Forschung

• Exploratives/qualitatives Vorgehen (Fallstudien, Aktionsforschung…)

• Experimentelles Vorgehen (Labor- bzw. Feldexperimente)

• Repräsentatives Vorgehen (Quer- und Längsschnittuntersuchungen)

Qualität empirischer Sozialforschung ist abhängig…

• Von der wissenschaftlichen Qualität der theoretischen Annahmen

• Von der Angemessenheit der Forschungsmethoden

• Vom Zugang zum Objekt• Von materiellen Bedingungen (z.B. Personal,

Geld, Zeit…)• Von der systematischen Kontrolle des

Forschungsablaufes und der Berücksichtigung seiner reaktiven Elemente

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