Zur kinetik des redoxsystems rongalit/wasserstoffperoxyd I

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Aus dem Institut fur Chemische Technologie der Technischen Hochschule Munchen

Zur Kinetik des Redoxsystems Rongalit/Wasserstoffperoxyd I. Von ROBERT KERBER und ALEXANDER EFFMERT *

(Eingegangen am 29. September 1961)

ZUSAMMENFASSUNG: Es wurden titrimetrische Methoden ausgearbeitet, die die quantitative Bestimmung der

Redoxkomponenten Rongalit und Wasserstoffperoxyd nebeneinander, sowie die Bestim- mung der bei der Redoxreaktion gebildeten Endprodukte Formaldehydbisullit und Sulfat erlauben. Kinetische Untersuchungen uber den Reaktionsablauf beim pH 4 legen einen Reaktionsmechanismus nahe, der die Bjldung der beiden Endprodukte in zwei Parallel- reaktionen formuliert.

SUMMARY: By means of the titrimetric methods worked out the determination of the reactants

- rongalite (formaldehyde sulfoxylate) and hydrogen peroxide - as well as of the products of the redox reaction - formaldehyde sulfite and sulfate - will become practicable. Kinetic investigations of the redox reaction a t pH 4 suggest a mechanism with the final products arising from in two parallel reactions.

1 Einleitung

Bestimmte Redoxsysteme vermogen die Geschwindigkeit von Radikal- polymerisationen erheblich zu steigern und besitzen deshalb, insbeson- dere wegen ihrer Wirksamkeit auch bei tiefen Temperaturen, grol3es tech- nisches Interesse. Es wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Wir- kungsweise dieser Systeme aufzuklaren. Allerdings gelang es bis heute nur in ganz wenigen Fallen, einen tieferen Einblick in den Mechanismus der Redoxkatalyse zu gewinnen, was seinen Grund nicht nur in der kom- plizierten Kinetik, sondern letztlich auch in den zum grol3en Teil schwie- rigen analytischen Problemen haben mag.

Das einzige Redoxsystem, dessen Kinetik als vollstandig aufgeklart gelten darf, ist die Kombination Ferroion/Wasserstoffperoxyd l). Hier

*) Auszug aus der Dissertation A. EFFMERT, TH Munchen 1960. l) F. HABER und J. WEISS, Proc. Roy. SOC. [London] A147 (1934) 332; J. H. BAXEN-

DALE, S. BYWATER und M. G. Evans, Trans. Faraday SOC. 42 (1946) 675; J. H. BAXEN- dale, M. G. Evans und J. K. KILHAM, Trans. Faraday SOC. 42 (1946) 668; J. H. BAXEN- DALE, M. G. EVANS und G. S. PARK, Trans. Faraday SOC. 42 (1946) 155; M. G. EVANS, J. chem. SOC. [London] 1947, 266; W. G. BARB, J. H. BAXENDALE, P. GEORGE und K. R. HARGRAVE, Trans. Faraday SOC. 47 (1951) 462; E. ABEL, Mh. Chem. 79 (1948) 457.

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Zur Kinetik des Redoxsystems Rongaiit/Wasserstoffperoxyd. I.

liegt insofern ein besonders ubersichtliches System vor, als bei der radi- kalliefernden Reaktion nur eine Art von Radikalen entsteht und beim Reaktionspartner Ferroion lediglich ein Wertigkeitswechsel eintritt :

H,O, + Fez+ + OH- + HO. + Fe3+

Bei den meisten anderen Redoxsystemen hingegen sind die Verhaltnisse bei weitem nicht so einfach, und die kinetische Analyse ist deshalb we- sentlich schwieriger, weil uber den Ablauf des Redoxvorgangs an sich, sowie vor allem uber den radikalliefernden Schritt nur Vermutungen an- gestellt werden konnen. Als typisches Beispiel hierfur sei das - besonders von MORGAN 2, und J o s ~ ~ o W 1 T z 3, untersuchte - System Peroxydisulfat / Thiosulfat angefiihrt, bei welchem nicht nur uber den radikalliefernden Vorgang, sondern auch iiber die Art der fur den redoxkatalytischen Effekt verantwortlichen Radikale - 2.B. S,O,-o oder SO,-* - noch Un- klarheit herrscht :

s,o*2- + 2s20,2- + 2S0,Z- + s,o,z

Das Redoxsystem Rongalit / Wasserstoffperoxyd, das in der Industrie als wirksamer Beschleuniger fur die Polymerisation von Styrol, Acryl- nitril, Vinylacetat mit Vinylchlorid, u. a. in saurem Medium Verwendung findet, ist ebenfalls mehrfach untersucht worden. Die ersten eingehenden Untersuchungen des Systems in Gegenwart von Monomerem wurden von K uCHLER4) vorgenommen, nach welchen die Polymerisationsgeschwin- digkeit beim pII 4 ein breites Maximum durchlauft und der Wurzel aus der Wasserstoffperoxyd-Konzentration proportional ist. Eine in letzter Zeit von PATAT u. Mitarbb. veroffentlichte Arbeit5) wies daruber hinaus fur die Polymerisationsgeschwindigkeit, bezogen auf die Acrylnitril- Kon- zentration, die 1,5 te Ordnung nach, wahrend hinsichtlich der Rongalit- Konzentration weitgehende Unabhangigkeit gefunden wurde. Die Brutto- aktivierungsenergie betragt 6.6 kcal/Mol. Der reziproke Polymerisations- grad ist der Wurzel aus der Wasserstoffperoxyd-Konzentration und der Wurzel aus der Konzentration des Acrylnitrils proportional, von der Konzentration des Rongalits aber unabhangig und nimmt mit steigender Temperatur ab. Die Frage der Keimbildung allerdings konnte von den Autoren nicht geklart werden.

2, L. B. MORGAN, Trans. Faraday SOC. 42 (1946) 169. 3, C. D. JOSEFOWITZ und H. MARK, Polymer Bull. 1 (1945) 140.

5, F. PATAT, R. JANCKE und R. KERBER, Makromolekulare Chem. 26 (1958) 252; R. L. KUCELER, personliche Mitteilung.

JANCKE, Dissertation TH Miinchen 1957.

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R. KERBER und A. EFFMERT

Die Kenntnis der bei der reinen Redoxreaktion - d. h. in Abwesenheit polymerisationsfahiger Stoffe - auftretenden Radikale kann in vielen Fallen zu einem besseren Verstandnis des redoxkatalysierten Polymeri- sationsablaufs fuhren. Im folgenden sol1 uber die mit dieser Zielsetzung durchgefuhrten kinetischen Messungen berichtet werden.

2 Versuchsteil 21 Chemikalien

Es wurden durchwegs analysenreine Chemikalien (MERCB) und uber Ionenaustauscher gereinigtes Wasser verwendet. Eine Ausnahme stellte Rongalit dar, das nur als technisches Produkt der BASF (Rongalit C gemahlen) verfiigbar war und deshalb erst durch vorsich- tiges Umkristallisieren aus wabriger Losung gereinigt werden mubte. Folgende Arbeitsweise erwies sich hierfiir als zweckmabig.

75 g Rongalit C gemahlen (BASF) werden in 70 ml destilliertem, unter Stickstoff aus- gekochtem Wasser auf dem Wasserbad bei 45-50°C unter Riihren gelost. Die schwach opaleszierende, charakteristisch riechende Losung wird nach dem Abkuhlen auf etwa 25 O C

filtriert. Aus dem iiber Nacht im verschlossenen Kolben aufbewahrten Filtrat scheiden sich farblose, gut ausgebildete, bis zu einigen Zentimetern lange Kristalle aus, die bis zu zwei Tagen in der Mutterlauge unzersetzt gehalten werden konnen.

Fiir die kinetischen Untersuchungen wurden nur frisch bereitete Rongalit-Losungen verwendet, deren Reinheit und Gehalt durch jodometrische Titration iiberpriift worden war.

Die jodometrische Titration von Rongalit-Losungen gelingt sowohl in saurer

HOCH,SO,- + 2 J, + 2 H,O -+ CH,O + HS0,- + 4 J- + 4 H+ als auch in alkalischer Losung

HOCH,SO,- + 3 J, + 6 OH- +- HCOOH + HS0,- -!- 6 J- + 3 H,O

Beide Titrationen fuhren bei reinen Rangalit-Losungen zu den gleichen Ergebnissen. Man kann deshalb die fjbereinstimmung von saurer und alkalischer Oxydation als ein Rein- heitskriterium werten, werden doch mit Ausnahme von Sulfat alle vorkommenden schwe- felhaltigen Verunreiuigungen und sonstigen organischen Beimengungen des Rongalits, z.B. Aldehyd, bei der alkalischen Oxydation mit erfabt.

Kaufliche Wasserstoffperoxyd-Losungen enthalten als Zersetzungsprodukt in wechseln- den Mengen gelosten molekularen Sauerstoff. Aus diesem Grunde wnrden die benotigten Wasserstoffperoxyd-Losungen vor Gebrauch aus Natriumcarbonatperoxyhydrat, welches durch Bespriihen von Soda (MERCK p a . ) mit Perhydrol (MERCK p...) dargestellt worden war, jedesmal frisch durch Zersetzung mit Essigsaure bereitet. Der Gehalt wurde jodome- triach exmittelt.

Auf Grund der erwahnten p,-Abhgngigkeit der Polyrnerisationsgeschwindigkeit d- ten Pufferlosungen verwendet werden. Der benutzte 2 m Acetatpuffer wurde nach GREEN^) aus Eisessig und Natriumhydroxyd (MERCH p.a.) bereitet und durch Auskochen unter Reinstickstoff von gelostem Sauerstoff befreit.

6 ) A. A. GREEN, J. Amer. chern. SOC. 55 (1923) 2331.

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22 Versuchsanordnung und Versuchsdurchfiihrung Als ReaktionsgefaB wurde ein Dreihalskolben verwendet, der mit einem KPG-Ruhrer

ausgestattet war und sich in einem Thermostatenbad befand. Ein Tubus des Kolbens diente zum Einleiten des Schutzgases (Reinstickstoff), der andere gestattete die Entnahme der Proben im Stickstoffgegenstrom.

Samtliche Messungen wurden beim pH 4 durchgefiihrt. Die Reaktionstemperatur be- trug, soweit es sich nicht um die Bestimmung der Temperaturabhangigkeit handelte, durchwegs 20 "C. Die Beschickung des mit Reinstickstoff gespulten Reaktionskolbens mit den abgemessenen Mengen erfolgte in der Reihenfolge Acetatpnffer, Wasserstoffperoxyd, Rongalit. Die zu verschiedenen Reaktionszeiten entnommenen Proben wurden nach den folgenden Verfahren analysiert.

23 Analytik Die hier angegebenen titrimetrischen Verfahren wurden in umfangreichen Versuchsrei-

hen ausgearbeitet und auf ihre VerlaiBlichkeit und Fehlerbreite uberpriift'). Dabei wurde fur 'jede Einzelbestimmung gesondert untersucht, inwieweit die Anwesenheit der iibrigen Reaktionskomponenten das Analysenergebnis beeinfluot.

231 Rongalit und Wasserstoffperoxyd Zur Bestimmung der Redoxpartner Rongalit und Wasserstoffperoxyd wurden der

Reaktionsmischung zu verschiedenen Zeiten Proben edtnommen, die durch Einpipettie- ren in eine bereitgestellte Vorlage mit ausgekochtem stickstoffgesattigtem Wasser auf etwa 700 ml verdunnt und sodann sofort moglichst rasch mit 0,l n Jodlosung gegen Stirke titriert wurden. Nach der Rongalit-Titration wurde die austitrierte Losung sofort mit 25 ml Schwefelsaure (1:4) und einigen Stuckchen Trockeneis versetzt. Dann wurden 8-10 g festes Kaliumjodid DAB 6 und 3-4 ml 10 %ige Ammoniummolybdatlosung hinzu- gegeben, durch Umschwenken vermischt und nach dem Absublimieren des Kohlendioxyds der Kolben verschlossen. Nach etwa 6stdg. Stehen im Dunkeln wurde das ausgeschiedene Jod mit 0,l n Thiosulfat langsam bis zum Verschwinden der Blauftirbung titriert. DerVer- brauch bei der ersten Titration entspricht der noch vorhandenen Rongalitmenge; bei der zweiten Titration erfaiBt man das Gesamtperoxyd, d. h. auaer der Wasserstoffperoxyd- menge auch noch die wahrend der Redoxreaktion gebildeten Nebenprodukte Oxymethylen- peroxyd (OMP) und Bisoxymethylenperoxyd (BOMP). Bei beiden Titrationen werden wegen des Weiterreagierens der Redoxkomponenten wahrend der Rongalit-Titration etwas zu niedrige Werte gefunden. Die GroiBe des Fehlers und damit die Moglichkeit zur Korrek- tur ergibt sich innerhalb einer kinetischen Messung durch Extrapolation der Konzentra- tion auf die Zeit Null.

Im Falle des Rongalits besteht dariiber hinaus noch die Moglichkeit, durch Einpipet- tieren der Reaktionsprobe in Sulfitlosung - d. h. durch Vernichtung des storenden Per- oxyds - und Maskierung des Sulfitiiberschusses mit Formaldehyd und anschlieaende Titration mit 0, l n Jod zu einem hinreichend genauen Rongalitwert zu kommen.

232 Sulfat und Formaldehydbisulfit Die Anwesenheit von Wasserstoffperoxyd wirkt sich bei der Bestimmung der Reak-

tionsprodukte storend aus. Es mul3 daher vor der Sulfat- und Formaldehydbisulfit-Ana- lyse auf geeignete Weise aus der Reaktionslosung entfernt werden. Folgende Arbeitsvor- scbrift erwies sich hierfiir a l s zweckmal3ig.

7) A. EFFMERT, Dissertation TH Miinchen 1960.

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R. KERBER und A. EFFMERT

Eine abgemessene Probe der Reaktionslosung (50 bzw. 100 ml) wird in iiberschiissige 2 n Bisulfitlosung, deren Titer genau bekannt sein muB, einpipettiert, wobei auf peinlich- sten Ausschld von Luftsauerstoff zu achten ist.

Zur Sulfatbestimmung wird aus dieser Losung, die kein Wasserstoffperoxyd mehr ent- h a t , ein aliquoter Teil entnommen und in vorgelegtes iiberschiissiges Formalin einpipet- tiert. Mit carbonatfreier 2 n Natronlauge wird gegen Phenolphthalein alkalisch gemacht und 5 Min. stehen gelassen. Diese Zeit reicht aus, um das iiberschiissige Bisulfit in Form- aldehydbisulfit zu iiberfiihren, welches die weitere Analyse nicht mehr stort. Das in der Losung noch unverindert vorhandene Sulfoxylat wird nun in saurer Losung durch Jod zu Sulfat oxydiert. Dazu wird die Probe schwach angesauert und mit einem geringen UberschuB an 0,l n Jod versetzt. Der Jod-UberschuB wird rnit 0,l n Thiosulfat ohne Stkkezusatz zuriicktitriert, am besten 1-2 Tropfen iiber den Aquivalenzpunkt hinaus. In der so behandelten Probe kann nun der bulfatgehalt titrimetrisch bestimmt werdens). Dazu wird die Probe mit 10 ml 20%iger NaC1-Losung versetzt und dann mit carbopat- freier 2 n Natronlauge gegen Methylrot neutralisiert. Nun wird mit dem gleichen Volumen Aceton verdunnt; sollte dabei eine Triibung auftreten, so kann sie durch tropfenweises Zugeben von Wasser zum Verschwinden gebracht werden. Nach Zugabe eines geringen Uberschusses von 0 , l n BaC1,-Losung und einiger Tropfen einer frisch bereiteten, gesattig- ten Natriurnrhodizonat-Losung verfarbt sich die Analysenlosung langsam von Braunrot nach Blaurot. Man titriert nun langsam unter intensivem Schutteln der Probe den Uber- schul3 an BaCI, rnit 0, l n K,SO,-Losung zuriick. Unmittelbar vor dem Titrationsende nimmt die Losung eine orangerote Farbung an, die nach Zugabe weiterer 2-3 Tropfen K,SO,-Losung ins Zitronengelbe umschlagt. Die Reaktion verliuft in der Nahe des Aqui- valenzpunkts ziemlich langsam, weshalb die Titration gegen Ende auch entsprechend lang- sam ausgefuhrt werden mu& Die dem BaC1,-Verbrauch entsprechende Gesamtmenge an Sulfat setzt sich aus dem aus der Redoxreaktion unmittelbar resultierenden Sulfatgehalt, sowie aus den Sulfatmengen, die durch die Oxydation von Bisulfit mit Wasserstoffperoxyd und Sulfoxylat mit Jod entstanden sind, zusammen. Da sich Wasserstoffperoxyd und Ron- galit anderweitig quantitativ bestimmen lassen (siehe 231), laRt sich somit das in der Redoxreaktion gebildete Sulfat als Differem( = Sulfatgesamt -(SUlfatH,O, +SulfatRongalit)) ohne weiteres ermitteln.

Zur Formaldehydbisulfit-Bestimmung wird der rnit iiberschiissigem Bisulfit versetzten Probe gleichfalls ein aliquoter Teil entnommen und in einen abgemessenen Jod-UberschuB einpipettiert. Man versetzt mit 2 n Natronlauge bis zur hellen Gelbfirbung nnd laBt die Probe verschlossen etwa 8 Stdn. stehen. Dann wird mit Salzsaure eben angesauert und das ausgeschiedene Jod rnit 0,l n Thiosulfat zuriicktitriert. In alkalischer Losung wird durch Jod neben dem als Endprodukt der Redoxreaktion gebildeten Formaldehydbisulfit auch noch das iiberschiissige Bisulfit, der nicht umgesetzte Rongalitanteil und die im Ver- l a d der Redoxreaktion freigesetzte Menge Formaldehyd oxydiert. Da jedoch deren Kon- zentrationen bekannt sind, bzw. sich auf anderem Wege unabhangig bestimmen lassen, '

kann aus dem Gesamtjodverbrauch der Formaldehydbisulfitgehalt der Probe berechnet werden.

8 ) A. MUTSCHIN und R. POLLAK, Z. analyt. Chem. 106 (1936) 385; 108 (1937) 309.

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Zur Kinetik des Redoxsystems Rongalit IWasserstoffperoxyd. I.

3 Kinetische Untersuchungen

31

Durch die im vorhergehenden angegebenen Analysenmethoden ist es moglich, die Konzentrationen der Reaktionskomponenten Wasserstoff- peroxyd und Rongalit, sowie diejenigen der Endprodukte Formaldehyd-

Der zeitliche Ablauf der Redoxreaktion

- Zril [mi&-

Abb. 1. Logarithmus der relativen Konzentrationen der Redoxpartner [HzOz]~/[HzOzl,, bzw. [Rong.]t/[Rong.]o in Abhiingigkeit von der Reaktionszeit fiir zwei Parallelversuche.

Reaktionstemp. 20,0°C, pH 4,O [HZOz], = 7,60 mMol/l, [Rong.], = 7,52 mMol/Z

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R. KERBER und A. EFFYERT

bisulfit und Sulfat fur jeden Zeitpunkt der Reaktion mit hinreichender Genauigkeit zu bestimmen.

In der Abb. 1 ist als Beispiel der Konzentrationsverlauf von Wasser- stoffperoxyd und Rongalit logarithmisch gegen die Reaktionszeit aufge-

Abb. 2. Vergleich des nach verschiedenen Reaktionszeiten gefundenen Gehalts an den Reaktionsprodukten Formaldehydbisulfit und Sulfat mit den aus dem Rongalit- und Wasserstoffperoxyd-Verbrauch (Abb. 1) errechneten Konzentrationswerten. Reaktions-

temp. 2O,O0C, pH 4,0, [H,O,], = 7,60 mMol/Z, [Rang.],,= 7,52 mMol/Z

tragen. In das Diagramm sind Werte aus zwei Versuchen eingetragen, die unter gleichen Reaktionsbedingungen erhalten wurden. Die uber- einstimmung beider Versuche zeigt die Reproduzierbarkeit sowohl der Redoxreaktion, als auch der analytischen Methoden. Beide Kurven lau- fen bei der Zeit t = 0 nicht zum Wert 1 (entsprechend den vorgegebenen Anfangskonzentrationen), sondern liegen etwas tiefer. Auf diesen Um- stand wurde bereits unter 231 hingewiesen. Dan die MeBwerte fur Was- serstoffperoxyd in der gewahlten Auftragung von log Konzentration ge- gen Reaktionszeit in diesem speziellen Fall eine Gerade ergeben, ist rein zufallig und l a B t keinerlei Riickschliisse auf den Reaktionsverlauf zu.

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Zur Kinetik des Redoxsystems Rongalit IWasserstoffperoxyd. I.

In der Abb. 2 sind die fur die gleichen Parallelversuche ermittelten SuIfat- und Formaldehydbisulfit- Konzentrationen gegen die Zeit aufge- tragen. Gleichzeitig sind in diesem Diagramm auch noch jene Werte ein- getragen, die sich aus dem Rongalit- und Wasserstoffperoxyd-Verbrauch direkt berechnen lassen. Dies ist dadurch moglich, da13 pro gebildetes Formaldehydbisulfit ein und pro Molekul Sulfat zwei Molekule Wasser- stoffperoxyd verbraucht werden. Wie ersichtlich, stimmen die aus der Stoffbilanz resultierenden Werte mit den experimentell ermittelten sehr gut uberein. Lediglich bei weit fortgeschrittenem Umsatz ist eine deut- liche Abweichung festzustellen ; vermutlich ist sie auf Komplikationen zuruckzufuhren, die sieh aus dem Auftreten der Nebenprodukte Oxy- methylenperoxyd und Bisoxymethylenperoxyd nach langeren Reaktions- zeiten ergeben.

2

S O , , S0.08 e z0.06 I

0.04

0,02

0.01

Abb. 3. Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Rongalit-Anfangskonzen- tration, gemessen am Rongalitverbrauch, bei den konstanten Wasserstoffperoxyd-Anfanfangs- konzentrationen (Kurve 1 4 ) : [H,O,lo = 6 mMol/l, 12 mMol/l, 18 mMol/l, 24 mMol/l.

Reaktionstemp. 20,O "C, p H 4,0

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R. KERBER und A. EFFMERT

' 0.08

OD6

0.04

32 Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Konzentrationen der Ausgangsstoffe

Fur die Ermittlung der Konzentrationsabhangigkeit der Reaktions- geschwindigkeit wurde die Anfangskonzentration eines Redoxpartners in einer Versuchsreihe variiert, wahrend die des anderen Partners, wie auch die ubrigen Reaktionsbedingungen (pH 4,0, 20 "C), konstant gehal- ten wurden. Die untersuchten Konzentrationsbereiche lagen dabei fur Rongalit zwischen 2 und 48 mMol/l und fur Wasserstoffperoxyd zwischen 2 und 72 mMol/Z. In analogen Auswertungen wie in den Abb. 1 und 2 wurde dabei die jeweilige Anfangsgeschwindigkeit (als Tangente in den Zeit/Umsatz-Kurven fur die Zeit t = 0) bestimmt. Eine doppelt-logarith- mische Auftragung der Anfangsgeschwindigkeiten gegen die variierte An- fangskonzentration sollte beim Vorliegen ubersichtlicher kinetischer Ver- haltnisse Geraden ergeben, deren Neigungstangens der Reaktionsordnung bezuglich des variierten Reaktionspartners entspricht. Wie aus den fol-

1 2 4 6 8 1 0 20 40 - [Rongalil], [mmol/lJ

Abb. 4. Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Rongalit-Anfangskonzen- tration, gemessen am Wasserstoffperoxyd-Verbrauch bei den konstanten Wasserstoff- peroxyd-Anfangskonzentrationen (Kurve 1 4 ) : [H,O,],= 6 mMol/l, 12 mMol/l, 18 mMol/Z,

24 mMol/l. Reaktionstemp. 2O,O0C, pH 4,O

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genden Abb. 3-6 hervorgeht, laBt sich keine einheitliche Reaktionsord- nung fur die Geschwindigkeiten, mit denen Wasserstoffperoxyd bzw. Rongalit verbraucht werden, angeben. Bei Variation der Rongalit-An- fangskonzentration, aber konstanter Anfangskonzentration des Wasser- stoffperoxyds, ergeben sich zwar Geraden, allerdings ist deren Neigung noch zusatzlich von der gewahlten Wasserstoffperoxyd-Konzentration abhangig (Abb. 3 und 4). Bei analogen Versuchen unter konstanter Ron- galit- und variierter Wasserstoffperoxyd-Anfangskonzentration erhalt man keine Geraden, sondern Kurven. Eine Angabe allgemein giiltiger Reaktionsordnungen ist daher unmoglich.

Auch beziiglich der Bildung der Endprodukte Sulfat und Formaldehyd- bisulfit ergeben sich ahnliche Befunde. In keinem Falle findet man eine fur den ganzen untersuchten Konzentrationsbereich giiltige Reaktions- ordnung.

'

Abb. 5. Abhingigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit yon der Wasserstoffperoxyd-Anfangs- konzentration, gemessen am Wasserstoffperoxyd-Verbrauch, bei den konstanten Rongalit- Anfangskonzentrationen (Kurve 1-4): [Rong.], = 6 mMol/l, 12 mMol/l, 18 mMol/

24 mMol/l. Reaktionstemp. 20,0°C, pH 4,O

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R. KERBER und A. EFFMERT

33 Temperaturabhangigkeit Infolge der Inkonstanz der Reaktionsordnungen kann natiirlich auch

keine allgemein giiltige Geschwindigkeitskonstante abgeleit et werden. Daher mul3te fur die Bestimmung der Aktivitatsenergie die Temperatur- abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit eines Standardversuchs her- angezogen werden. Die Anfangskonzentrationen von Wasserstoffperoxyd und Rongalit waren dabei jeweils 7,5 mMol/Z. Aus den Versuchen, die bei Temperaturen von 20, 30 und 40°C durchgefiihrt worden waren, ergab sich eine Aktivierungsenergie fiir den Wasserstoffperoxyd-Verbrauch von 11,s f 2,O kcal/Mol, wahrend fur den Rongalitverbrauch 13,O f 2,O kcal/ Mol gemessen wurden.

2 4 6 8 1 0 20 40 60 80 - CH202-b [mmd/l/

Abb. 6. Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Wasserstoffperoxyd-Anfanfangs- konzentration, gemessen am Rongalit-Verbrauch, bei den konstanten Rongalit-Anfangs- konzentrationen (Kurve 1-4): [Rong.], = 6 mMol/l, 12 mMol/l, 18 mMol/l, 24 mMol/l.

Reaktionstemp. 2O,O0C, pH 4,O

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4 Diskussion

Der Hauptzweck dieser Arbeit bestand darin, analytische Methoden auszuarbeiten, um die Redoxkomponenten Wassersto Eperoxyd und Ron- galit, sowie die entstehenden Endprodukte Sulfat und Formaldehydbi- sulfit nebeneinander bestimmen zu konnen. Die anschlieaend durchge- fiihrten kinetischen Untersuchungen lassen sich aus den bisher vorlie- genden Ergebnissen noch nicht widerspruchsfrei deuten, insbesondere ist es bisher nicht moglich, ein detailliertes Bild fur den Reaktionsablauf zu geben. Auf einige wesentliche Punkte, die bereits mit Sicherheit festste- hen, soll jedoch hingewiesen werden.

Die Redoxreaktion zwischen Wasserstoffperoxyd und Rongalit liefert als Endprodukte in erster Linie Formaldehydbisulfit, Sulfat und Form- aldehyd. Daneben treten infolge sekundarer Reaktionen zwischen Formal- dehyd und Wasserstoffperoxyd noch Oxymethylenperoxyd und Bis- oxymethylenperoxyd in geringen Konzentrationen auf. Der Schwefel im Rongalit wird also in zwei verschiedene Oxydationsstufen iibergefiihrt, in die vierwertige im Formaldehydbisulfit und in die sechswertige im Sul- fat. Es erhebt sich nun die Frage, ob es dabei um Parallelreaktionen oder um eine Reaktionsfolge nach dem Schema

v1 Va HOCH2S02- --+ HOCH,SO,- --+ HSO, + CH,O

handelt. Die letztere Moglichkeit ist auf Grund der kinetischen Ergebnisse eindeutig auszuschlieBen. Aus Abb. 2 ergibt sich, da13 beide Endprodukte vom Beginn der Reaktion nebeneinander gebildet werden. Weiterhin laBt sich noch experimentell zeigen, daB eine Reaktion zwischen Form- aldehydbisulfit und Wasserstoffperoxyd (vz) unter den angewandten Re- aktionsbedingungen so langsam verlauft, daB selbst nach einer Reaktions- dauer von 2-3 Stunden keine nennenswerte Umsetzung zu beobachten ist. Damit steht fest, daB Sulfat und Formaldehydbisulfit in Parallel- reaktionen gebildet werden. Dariiberhinaus kann man auf Grund der Inkonstanz der gefundenen Reaktionsordnungen folgern, daB die beiden Parallelreaktionen verschiedene Abhangigkeiten von den Konzentratio- nen der Ausgangsstoffe haben, wie sich auch i h e Aktivierungsenergien unterscheiden durften.

ober Versuche, die beiden Parallelreaktionen gesondert kinetisch zu analysieren, soll in einer spateren Arbeit berichtet werden.

Der eine von uns (A. E.) dankt der DECHEMA fur die Gewahrung eines Stipendiums. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. F. PATAT fur sein forderndes Interesse und viele wertvolle Diskussionen.

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