Auf dem Weg zum agilen Theater

Preview:

DESCRIPTION

Folien des Vortrags auf der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft in Mannheim, 25.01.2014. Der Votragstext dazu ist zu finden auf http://postdramatiker.de/blog/2014/01/25/dg/

Citation preview

www.postdramatiker.de

Auf dem Weg zum agilen Theater

Dr. Ulf SchmidtMannheim, 25.01.2014

www.postdramatiker.de

Prolog: Theater heute

www.postdramatiker.de

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90/9

191

/92

92/9

393

/94

94/9

595

/96

96/9

797

/98

98/9

999

/00

00/0

101

/02

02/0

303

/04

04/0

505

/06

06/0

707

/08

08/0

909

/10

10/1

111

/12

Auslastung Schauspiel in %

72,3%

65,8% 68,8%

Die Lage scheint stabil ...

www.postdramatiker.de

1957/58 1974/75 1990/91 2010/11

5,2496,153

8,356

10,032

Besuchszahlen

BRD BRD

Schauspielbesuche gehen zurück

www.postdramatiker.de

0

225

450

675

900

1957/58

1990/91

2010/1

1

839

480

129

Spielstätten

0

75.000

150.000

225.000

300.000

1957/58

1990/91

2010/1

1

299.031227.312

94.368

Plätze(+550%) (+216%)

BRD

BRD

Plätze und Spielstätten nehmen zu

www.postdramatiker.de

1974/75 1990/91 2010/11

225282

464

Besuche pro Veranstaltung

BRD

Besuche pro Veranstaltung in den letzten 40 Jahren halbiert

www.postdramatiker.de

Es kommen immer weniger Besucher, der Theaterbetrieb bläht sich auf:

Der Stress nimmt zu.

www.postdramatiker.de

90/9

191

/92

92/9

393

/94

94/9

595

/96

96/9

797

/98

98/9

999

/00

00/0

101

/02

02/0

303

/04

04/0

505

/06

06/0

707

/08

08/0

909

/10

10/1

111

/12

Schauspiel: Neuinszenierungen pro Spielzeit1.724

1.2861.474

1.625

1.384

www.postdramatiker.de

0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

Oper(ette)Tanz

Schauspiel

Kinder & Jugend5. Sparte

18.595

13.832

23.301

2.701

7.336 6.5517.729

22.811

2.230

9.185

5. Sparte

Zahl Veranstaltungen 1991/92Zahl Veranstaltungen 2011/12

*1991/92: „Sonstiges; 2010/11: Summe „Sonstiges“ und „theaternahes Rahmenprogramm“ in DBV-Statistik

+ 12.044

www.postdramatiker.de

Theater als neoliberale Institution

Theaterbeschäftigte insgesamt - 14 %Schauspieler - 36 %Schauspielergehalt (inflationsbereinigt) - 50 %Gäste, Abendgäste, Werkverträge* + 238 %

Beschäftigung seit 1990/91

*Summe der Beschäftigtenkategorien „Gäste“, „Abendgäste“ (ab 04/05) und „Werkverträge“ (ab 04/05)

www.postdramatiker.de

Theater als neoliberale Institution

Theaterbeschäftigte insgesamt - 14 %Schauspieler - 36 %Schauspielergehalt (inflationsbereinigt) - 50 %Gäste, Abendgäste, Werkverträge* + 238 %

Beschäftigung seit 1990/91

*Summe der Beschäftigtenkategorien „Gäste“, „Abendgäste“ (ab 04/05) und „Werkverträge“ (ab 04/05)

www.postdramatiker.de

Immer weniger Mitarbeiter müssen unter immer schlechteren Bedingungen immer

mehr produzieren.

www.postdramatiker.de

Fazit zum Theater heute

1. Das Publikum wendet sich ab.2. Das System steht vor dem Burn-Out.3. Das Stadttheater droht zu sterben.

www.postdramatiker.de

Wenn ihr weitermacht wie bisher, ist das deutsche Stadttheater in 10 Jahren verschwunden.

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

Theater ist der Ort der Gesellschaft in der Gesellschaft,

an dem sich in Gesellschaft über Gesellschaft ästhetisch

reflektieren lässt.

Wozu Theater heute und morgen?

www.postdramatiker.de

1. Theater hat die Reflexionskraft über dasGegenwärtige verloren.

2. Theater finden die gesellschaftlich bewe-genden Themen nicht mehr.

3. Theater sind formal zu eingeschränkt.

4. Theater müssen ihre Organisation undArbeitweise ändern.

Vier Thesen

www.postdramatiker.de

1. Theater hat die Reflexionskraft über dasGegenwärtige verloren.

2. Theater finden die gesellschaftlich bewe-genden Themen nicht mehr.

3. Theater sind formal zu eingeschränkt.

4. Theater müssen ihre Organisation undArbeitweise ändern.

Vier Thesen

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

Wir sind auf dem Weg in eine „nächste Gesellschaft“ (D. Baecker):

Die Netzgesellschaft, deren Betriebssystem das Internet ist.

Und wir sind bereits mitten darin.

www.postdramatiker.de

Willkommen in Digitalien.

www.postdramatiker.de

Kollegen

Freunde

Schulfreunde

Kühlschrank

HeizungBank

Nachrichten Werbung

Eltern

Kinder

MusikBücher Einkauf

KundenChef

Handy

LaptopiPad

PC

Auto

All the world‘s a network.

www.postdramatiker.de

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.

www.postdramatiker.de

nähe & distanz zeit & raum

freund & fremdwissen & meinung

privat & öffentlich

mein, unser, dein

arbeit & freizeit

wichtig & unwichtig

macht & ohnmacht

original & kopie

immanenz & transzendenz

moral & gesetz lokal & global

?

www.postdramatiker.de

Digitale Naissance

www.postdramatiker.de

Wir leben in einem revolutionären Umbruch

ohne revolutionäres Subjekt,

ohne revolutionäres Konzept,

ohne revolutionäre Utopie.

www.postdramatiker.de

Das Theater der digitalen Naissance

...

www.postdramatiker.de

... ist das Theater der Netzgesellschaft

www.postdramatiker.de

... braucht Neugier, Entdeckerlust,

Wagemut.

www.postdramatiker.de

Das Theater der nächsten Gesellschaft

... nutzt digitale Mittel künstlerisch und versteht und

reflektiert sich als Teil der entstehenden Netzgesellschaft.

www.postdramatiker.de

1. Theater hat die Reflexionskraft über dasGegenwärtige verloren.

2. Theater finden die gesellschaftlich bewe-genden Themen nicht mehr.

3. Theater sind formal zu eingeschränkt.

4. Theater müssen ihre Organisation undArbeitweise ändern.

Vier Thesen

www.postdramatiker.de

... war die Zeit Leonardos, Raffaels, Michelangelos.

Und die Zeit der Borgia, der Inquisition und der beginnenden Hexenverfolgung.

Die Renaissance

www.postdramatiker.de

... erlebt Terror-Netzwerke, Re-Militarisierung, Clash of Civilizations, Bürgerkriege, soziale Spaltung, explodierende Atomkraftwerke, verheerende Finanzkrisen, Folterdebatten,

raketenbestückte Drohnen und das Horroszenario der Totalüberwachung.

Die Netzgesellschaft

www.postdramatiker.de

... ist ein Theater, das fähig und in der Lage ist, die gegenwärtige Gesellschaft zu reflektieren, Themen zu finden und

künstlerisch zu realisieren.

Theater der Mitweltzerstörung

www.postdramatiker.de

Wir treten aus unseren Rollen heraus.Wir nutzen unsere Tribüne, um zu fordern:

Wir haben ein Recht auf Dialog.

Wir haben ein Recht auf selbständiges Denken und auf Kreativität.

Wir haben ein Recht auf Pluralismus im Denken.

Wir haben ein Recht auf Widerspruch.

Wir haben ein Recht, unsere staatliche Leitung zu überprüfen.

Wir haben ein Recht, neu zu denken.

Wir haben ein Recht, uns einzumischen.

Resolution von Kollegen des Staatsschauspiels Dresden 6.10.1989

Aus der Dresdner Resolution 1989

www.postdramatiker.de

Themen

1. Die Frage nach der Arbeit.2. Der Politische Widerstand in der Kunst.3. Die Frage nach der Mitwelt in Digitalien.

www.postdramatiker.de

1. Theater hat die Reflexionskraft über dasGegenwärtige verloren.

2. Theater finden die gesellschaftlich bewe-genden Themen nicht mehr.

3. Theater sind formal zu eingeschränkt.

4. Theater müssen ihre Organisation undArbeitweise ändern.

Vier Thesen

www.postdramatiker.de

Pressemeldung zur DBV-Theaterstatistik 2010/11

„Uns fällt auf, dass speziell das theaternahe Rahmenprogramm und die sonstigen Veranstaltungen

zugenommen haben.

Eine Erklärung könnte sein, dass die Häuser mehr Informationsveranstaltungen anbieten und sich zudem

mit Vorträgen und Diskussionen am öffentlichen Diskurs beteiligen.“

Rolf Bolwin

Die 5. Sparte wird und muss wachsen

www.postdramatiker.de

... ist ein Theater, das die eigene Formenvielfalt ausspielt und sich

von neuen Formen inspirieren lässt.

Theater der nächsten Gesellschaft

www.postdramatiker.de

... ist ein Theater, das das Erzählen neu entdeckt.

Theater der nächsten Gesellschaft

www.postdramatiker.de

... reduziert gesellschatliche Komplexität durch komplexes

Erzählen.

Theater der nächsten Gesellschaft

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

1. Theater hat die Reflexionskraft über dasGegenwärtige verloren.

2. Theater finden die gesellschaftlich bewe-genden Themen nicht mehr.

3. Theater sind formal zu eingeschränkt.

4. Theater müssen ihre Organisation undArbeitweise ändern.

Vier Thesen

www.postdramatiker.de

Erfindung Produkt-Planung

Produktions-Planung

Ressourcen-Planung Fertigung Produkt-

einführungMassen-

produktion

Autor Spielplan Produktions- plan

Personal & Budgetplan Proben Premiere Repertoire

... ist eine denkbar behäbige Organisation.

Theater als Industriebetrieb ...

www.postdramatiker.de

➡ SCRUM➡ Kanban➡ Rapid Prototyping➡ Extreme Programming➡ Adaptive Software Development➡ Testgetriebene Entwicklung➡ usw.

Agile Planung: Methoden

www.postdramatiker.de

Agile Planung: Kanban

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

www.postdramatiker.de

Agiles Theater➡ versteht, dass die Aufgaben zu komplex sind für einzelne

„Originalgenies“➡ verabschiedet sich vom „Autor“ und arbeitet mit Schreibern➡ macht Dramaturgie zum Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung➡ verabschiedet sich vom linearen (Spielzeit-)Planungsprozess➡ nutzt einen permanenten Planungs- und Realisierungsprozess➡ arbeitet kollaborativ mit Internen und Externen➡ wird kein basisdemokratischer Ringelpiez, sondern arbeitet an einem

gemeinsamen Ziel➡ bedient sich dafür Erfahrungen der Digitalgesellschaft, der Software-

Branche - und des komplexen TV➡ kettet sich nicht an vorhandene Räume, sondern agiert frei➡ kennt „fertig“ nicht bei der Premiere, sondern bei der Derniere

www.postdramatiker.de

Leitungsteam

Agile Planung: Leitungsteam

➡ Thematische Ausrichtung➡ Mittelfristplanung➡ Projektauswahl➡ Projektaufsicht

➡ wöchentliches Meeting für Kurzfrist- und Mittelfristplanung

Intendant

Chefdramaturg

Chefautor

Oberspielleiter

Projektleiter

Technikchef

Digitalchef

X

www.postdramatiker.de

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Agile Planung: Projekteam➡ indviduelle Zusammensetzung

nach Bedarf➡ Vision: Backlog➡ kooperative Planung➡ Priorisierungen➡ jeder arbeitet an seinem

Teilprojekt➡ tägliche Treffen

- führen Teilprojekte zusammen

- benennen Hindernisse + sorgen für Lösung

- definieren nächste Arbeitsschritte

➡ verändert sich nach Projektphasen

www.postdramatiker.de

!"#$%&'%()*

Autoren

Technik

Projektteam

Projekt-leiter

Drama-turgen

!"#$%&'%()*

Musiker

Digitale

Projektteam

Schau- spieler

Bühnen- bild

Leitungsteam

Konferenz

Komplexe Erzählung

Digitale Installation

Interaktiver Parcours

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Leitungsteam

Intendant

Chefdramaturg

Chefautor

Oberspielleiter

Projektleiter

Technikchef

Digitalchef

X

www.postdramatiker.de

!"#$%&'%()*

Autoren<

Technik

Projektteam

Projekt-leiter

Drama-turgen

!"#$%&'%()*

Musiker

Digitale

Projektteam

Schau- spieler

Bühnen- bild

!"#$%&'%()*

Autoren

Technik

Projektteam

Projekt-leiter

Drama-turgen

!"#$%&'%()*

Musiker

Digitale

Projektteam

Schau- spieler

Bühnen- bild

Leitungsteam

Konferenz

Komplexe Erzählung

Digitale Installation

Interaktiver Parcours

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Projektteam

Showrunner

Dramaturg

Autor(en)

Regie

Projektleiter

Techniker

Digitaler

Musiker ...

Leitungsteam

Intendant

Chefdramaturg

Chefautor

Oberspielleiter

Projektleiter

Technikchef

Digitalchef

X

www.postdramatiker.de

Der Übergang Industrie- zum agilen Theater ist selbst ein agiler Prozess

In 5 Jahren komplett agil.

Was ist bis wann machbar? Was ist dafür zu tun?

Welche Teilprojekte sind dafür anzugehen?

Was kommt zuerst, was dann?

Welche Hindernisse müssen überwunden werden?

Woran erkennen wir, dass das Projekt erfolgreich ist?

Wer sitzt im Agilisierungsteam? Wer ist der Project Owner?

Kontinuierlicher kollaborativer Prozess.

Vision

Backlog

Teilprojekte

Priorisierung

Hindernisse

Erfolg

Team

Umsetzung

www.postdramatiker.de

Zusammenfassung

www.postdramatiker.de

Theater der nächsten Gesellschaft1. hat Haltung und kann auf die Frage „Wozu“ in einem Satz antworten.2. ist das Theater der digitalen Naissance 3. versteht digitale Technologie als künstlerische Möglichkeit4. versteht sich als Teil der Netzgesellschaft5. ist wagemuting, neugierig, provozierend6. versichert sich reflektierend der Themen der Gesellschaft7. ist vielformatig und lässt sich von neuen Formen inspirieren8. kann Komplexes komplex erzählen und inszenieren9. verwandelt sich vom Industrietheater zum agilen Theater10. ist kollaborativ und kooperativ, bindet jeden Mitarbeiter künstlerisch

ein11. vernetzt sich mit der Welt und ist Zentrum eines künstlerischen

Netzwerks12. macht die eigene Organisation zu einem künstlerischen Gebilde

www.postdramatiker.de

Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken – und mehr als eine! Auf die Schiffe, ihr Philosophen!

Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft

Recommended