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Universität zu Köln Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologie Christian Bosau & Nicole Moiser-Beek Bewerber-Pools: Sinnvoll rekrutieren oder doch eher Image schädigend? Eine Studie zur Einstellung und zum Verhalten von Bewerbern bei der Konfrontation mit modernen Rekruitment-Methoden

Bewerber-Pools: Sinnvoll rekrutieren oder doch eher Image schädigend? - Vortrag DGPs Fachgruppen-Tagung AO-Psychologie Trier 2007

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Universität zu Köln

Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologie

Christian Bosau & Nicole Moiser-Beek

Bewerber-Pools: Sinnvoll rekrutieren oder doch eher Image schädigend?

Eine Studie zur Einstellung und zum Verhalten von Bewerbern bei der

Konfrontation mit modernen Rekruitment-Methoden

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Bosau & Moiser-Beek – Bewerber-Pools 21.09.2007 – 5. Tagung der Fachgruppe AO-Psychologie Seite 2

Ausgangspunkt

Aktuelle Problemfelder:

§  „war of talent“ §  demographischer Wandel §  interdisziplinäre, ganzheitliche Rekrutierungsstrategien

Forschungslage:

§  Unterbelichtung der Bewerberseite im Rekrutierungsprozeß

Praxis im Personalmanagement:

§  unkritische Implementierung von Bewerber-Pools §  keine Überprüfung der Wirksamkeit und Akzeptanz §  vielfach zu technischer Fokus bei Projekt-Umsetzung

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Ausgangspunkt

Aktuelle Beispiele:

§  Unternehmen schicken bei Initiativbewerbungen keine Absagen mehr raus, sondern nehmen vielmehr jeden Bewerber in einen Pool auf §  Bewerber sollen dann selbst ihre Daten aktualisieren §  Unternehmen greifen dann bei passender Gelegenheit auf diese aktuellen Pools zurück

§  Unternehmen erhoffen sich dadurch: - administrative Kostenersparnis - quantitativ (und z.T. auch qualitativ) höherwertigen Bewerberfundus

- vor allem jedoch: kein Abschrecken von Bewerbern durch Absagen und somit auch kein Schaden des Unternehmensimages

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Bisherige Forschungslage

Einfluß der Art des Rekrutierungsprozesses:

§  einzelne Untersuchungen zur Reaktion von Bewerbern auf Ablehnungsschreiben und Personalauswahlverfahren (Hausknecht et al., 2004; Chambers, 2002; Gilliland et al., 2001; Ployhart, Ryan und Bennet, 1999)

è Studien sind jedoch alles ‚Querschnitts-Studien‘, keine Vorher-Nachher-Designs

§  Absageschreiben, die einen Grund für die Absage enthalten, werden positiver wahrgenommen, als Absagen ohne Grund (Gilliland et al. 2001) §  sog. „Eis-Schreiben“ werden positiver wahrgenommen als Standardabsagen (Müller & Moser, 2006)

§  die Wahrnehmung des Auswahlprozesses seitens der Bewerber hat einen entscheidenden Einfluß auf die Einstellung zum Unternehmen (Hausknecht et al., 2004)

§  Beziehungsmanagement steht in Bezug zum Unternehmensimage (Keim & König, 2005)

§  Kommunikation mit Bewerbern ist entscheidend, da Bewerber auch potentielle Kunden sind (Brice & Waung, 1995)

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Die Untersuchung

Ablauf der Untersuchung:

§  Probanden erhielten Beschreibung von Unternehmen §  Bewertung von Unternehmen hinsichtlich Unternehmensimage, Produktbewertung/-kauf und Bewerbungsintention

nach ca. 1½ - 2 Stunden: §  Bewerbungsszenario, daß Personen auf der Jobsuche sind und Initiativbewerbung an das Unternehmen geschickt haben §  Antwortschreiben des Unternehmens mit Aufnahme in Bewerberpool und Zusage weiterer Kontaktaufnahme §  erneute Bewertung von Unternehmen hinsichtlich Unternehmensimage, Produktimage und Bewerbungsintention

§  zusätzlich: Erfassung der Reaktion auf die Antwort des Unternehmens

Fragestellung:

§  Resultiert die Aufnahme in Bewerber-Pools tatsächlich in positiven Konsequenzen oder wird das Image tatsächlich eher abgewertet, da der Bewerber sein Ziel – einen Job zu erhalten – nicht erreicht hat.

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Die Untersuchungsinstrumente

Unternehmensimage:

§  in Anlehnung an vorhandene Skalen und Items in der Literatur wurden Items zum Unternehmensimage bzgl. kognitiver und affektiver Komponenten erstellt Faktorenanalytische Aggregation (PCA mit Varimax):

1) Marktmacht/Bedeutsamkeit des Unternehmens (α = .76, .84) 2) Produktionsimage (α = .70, .79) 3) Organisationsklima/-kultur (α = .77, .79) 4) Attraktivität der Standorte und Tätigkeiten (α = .56, .69) 5) allg. Attraktivität/Sympathie (α = .67, .77)

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Die Untersuchungsinstrumente

Produktbewertung/-kauf:

§  in Anlehnung an vorhandene Skalen und Items in der Literatur wurden Items zur Produktbewertung erstellt:

- Produktimage: „Die Produkte des Unternehmens sind mir bekannt.“ „Ich habe bereits Produkte der Marke gekauft.“ „Ich finde die Produkte qualitativ hochwertig.“

„Die Produkte finde ich unattraktiv.“ - Kaufintention: „Ich werde in Zukunft Produkte der Marke kaufen.“

Bewerbungsintention:

§  in Anlehnung an vorhandene Skalen und Items in der Literatur wurden Items zur Bewerbungsintention und zum Arbeitgeberimage erstellt:

- Bewerbungsintention: „Ich würde mich gerne (erneut) bei dem Unternehmen bewerben.“

- Arbeitgeberimage (α = .71, .86): „Ich kann mir vorstellen, bei dem Unternehmen zu arbeiten.“ „Ich denke, dass ich sehr gut in das Unternehmen passe.“ „Das Unternehmen wäre für mich der perfekte Arbeitgeber.“

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Untersuchungsdesign

Zwei Einflußgrößen (2x2 Design):

§  Faktor 1 - ‚Zeit‘ (meßwiederholt): Vorher-Nachher-Messung von Unternehmensimage, Produktbewertung/-kauf und Bewerbungsintention §  Faktor 2 - Marke: Marken-Unternehmen vs. No-Name-Unternehmen

à Hypothese: Markenstärke federt mögliche Effekte ab

§  zusätzlich: drei verschiedene Branchen, die jeder Befragte selbst auswählen konnte (BMW, L´Oreal, Coca-Cola bzw. Automobil-, Kosmetik-, Nahrungsmittel-Hersteller), um ‚fit‘ zwischen Vorlieben und Unternehmen zu verbessern

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Ergebnisse

Stichprobe:

§  n=270 Studenten §  Wirtschaftsstudenten, die kurz vor ihrem Abschluß standen §  Durchschnittsalter = 25 Jahre §  alle Probanden mit Vorerfahrung in Bewerbungssituationen

Effekte Faktor Marke:

§  fast bei allen abhängigen Variablen (7 Faktoren Unternehmensimage, Items Produktbewertung, Items Bewerbungsintention) konnte ein sign. Haupteffekt gefunden werden

à war zu erwarten à nicht Kern der Untersuchung, daher nur Weiterverfolgung des Haupteffekts des Zeitfaktors und der Interaktionen Zeitfaktor vs. Marke

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4,514,46

3,95

3,86

4,304,23

3,8

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

Ergebnisse - Unternehmensimage

Macht/Bedeutsamkeit:

F(1) = 5,44; p < .05; η² = 0,02

Attraktive Standorte:

4,31

4,24

3,87

4,20

4,03

4,10

3,6

3,8

4

4,2

4,4

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

F(1) = 10,30; p < .01; η² = 0,04

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4,43

3,99

4,35

3,68

4,23

3,88

3,6

3,8

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

Ergebnisse - Unternehmensimage

Allg. Sympathie:

F(1) = 69,19; p < .00; η² = 0,21

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Ergebnisse - Unternehmensimage

Produktionsimage:

4,35

4,25

3,79

4,15

3,6

3,8

4

4,2

4,4

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

Interaktion: F(1) = 17,02; p < .00; η² = 0,06 Haupteffekt: F(1) = 54,54; p < .00; η² = 0,17

Organisationsklima/-kultur:

3,85

3,64

3,46

3,95

3,4

3,6

3,8

4

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

Interaktion: F(1) = 12,59; p < .00; η² = 0,05 Haupteffekt: F(1) = 81,00; p < .00; η² = 0,27

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Bewerbungsintention: Arbeitgeber-Image:

Haupteffekt: F(1) = 25,03; p < .00; η² = 0,09 Interaktion: F(1) = 3,84; p ~ .51; η² = 0,01

3,88

3,17

2,98

4,03

2,8

3

3,2

3,4

3,6

3,8

4

4,2

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

Interaktion: F(1) = 4,52; p < .05; η² = 0,02 Haupteffekt: F(1) = 121,88; p < .00; η² = 0,32

Ergebnisse - Bewerbungsintention

3,43

3,62

3,58

3,33

3,69

3,39

3,2

3,4

3,6

3,8

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

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Ergebnisse - Produktbewertung

3,8

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

3,8

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

3,8

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UN

Bekanntheit: Bisheriger Kauf: Qualität:

Kein sign. Unterschied

Kein sign. Unterschied

Kein sign. Unterschied

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Ergebnisse - Produktbewertung

Kaufintention: Attraktivität:

F(1) = 4,84; p < .05; η² = 0,02 F(1) = 5,79; p < .05; η² = 0,02

4,53

4,40

4,05

4,41

4,16

4,28

4

4,2

4,4

4,6

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

4,07

4,16

4,14

4,07

4,20

4,07

4

4,1

4,2

4,3

vorher nachher

Marken-UN No-Name-UNGESAMT

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Ergebnisse – Bewertung des Schreibens

4,87

1 2 3 4 5

Bewerbung bei anderen Unternehmen

Enttäuschung/Frustration (α = .70); 2 Items

Freude über Reaktion (α = .75); 4 Items

Wut/Verunsicherung wg. Hinhalten (α = .74); 5 Items

Aktives Eintragen der Daten (α = .80); 4 Items

Chance auf Anstellung (α = .75); 4 Items 2,43

3,95

2,82

3,08

3,50

1 2 3 4 5

2,32

1 2 3 4 5

1. Schritt im Bewerbungsprozeß positiv absolviert

hoch niedrig

nein ja

nein ja

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Fazit - I

Reaktion auf die Aufnahme in Bewerber-Pools:

die Aufnahme in solche Pools hat – entgegen der Erwartungen von Unternehmen – negative Konsequenzen:

§  das Unternehmensimage wird abgewertet §  das Arbeitgeberimage wird abgewertet §  die Bewerbungsintention geht zurück §  selbst die Attraktivität von Produkten und die Kaufintention sinken

Pufferfunktion von Marken:

§  Die Stärke der ‚Arbeitgeber-Marke‘ hat so gut wie keinen Einfluß. §  Selbst Unternehmen mit einem starken Markenimage als attraktiver Arbeitgeber sind in gleichem Maße von einer Abwertung betroffen.

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Fazit - II

Der Grund:

§  Bewerber sehen keineswegs die Aufnahme in solche Pools als ersten Schritt im Bewerbungsprozeß an und als eine Chance, bei dem Unternehmen eine Stelle zu bekommen. §  Vielmehr wird eine Bewerberpool-“Zusage“ als „Absage“ interpretiert.

Bewerber-Pools = eher Image schädigend

Bewerber-Pools = sinnvoll rekrutieren

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