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Die Macht des Wissens

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Mit dem Begriff »Enterprise 2.0« um-schrieb Andrew McAffee bereits 2006 die durch Social Media entstehenden neuen Managementmöglichkeiten, die eine Antwort auf die geschilderten Heraus-forderungen darstellen sollten. Don Tapscott und Anthony D. Williams gaben im gleichen Jahr ihrem Business-Bestseller den Titel »Wikinomics – How Mass col-laboration changes everything«: Techno-logien, die partizipative Kommunikation, Kollaboration und das ungehinderte Teilen von Wissen in großen, dezentralen Or-ganisationen ermöglichen, schienen ein neues Wirtschaftszeitalter einzuläuten. Doch folgte mittlerweile Ernüchterung: Statt Social-Media-Technologien zu nut-zen, um Transparenz und damit Vertrauen in ökonomische Abläufe zu stärken, sank die Zuversicht vieler Menschen in das wirtschaftliche Gesamtsystem und damit auch der Glaube an die Lösungsfähigkeit unternehmerischer Herausforderungen durch das eigene Unternehmen.

Mobilität fordert Agilität

Mitarbeiter arbeiten dezentral und mobil; der Ort der Leistungserbringung kann lau-fend wechseln und die Zusammenarbeit zwischen den Kollegen und über Hierar-chieebenen hinweg ist von einer »Instant Feedback« Erwartung geprägt. Arbeit und Freizeit sind nicht mehr trennscharf auseinanderzuhalten. Das Management kann per Mausklick Tausende von Mitar-beitern gleichzeitig erreichen. Genauso aber ist es dem einzelnen Mitarbeiter möglich, an den gleichen Empfängerkreis unmittelbar seine Kommentare abzuge-ben. Agilität ist gefordert, also die Fähig-keit von Unternehmen, in immer kürzeren Abständen ihre Ziele zu definieren, zu revidieren und anzupassen, ohne dass die Strategie ihre stabilisierende Funktion ver-liert. Veränderungsfähigkeit wird zur zen-tralen Voraussetzung für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen durch Wissen.

Die Einheit von Technologie, Wissen und Kommunikation ist in einem solchen Umfeld Grundlage für erfolgreiches Wirt-schaften. »Wissenslogistik« löst die »Me-dienkompetenz« des 20. Jahrhunderts ab.

Die Macht des WissensDie Rolle von Social Media für Kollaboration und Wissensmanagement in Unternehmen

Enterprise 2.0: Diagnose erfolgt – Therapie gescheitert

Ein Blick auf die aktuellen Herausforderun-gen von CEOs weltweit verrät, dass das Management von Unsicherheit und Komplexität als Nummer 1 auf der Tages-ordnung vieler Konzerne steht. Um sich dieser Aufgabe zu stellen, setzen große Unternehmen oft auf technologische Lö-sungen – neue Schlagwörter wie Industrie 4.0 oder Big Data belegen diesen Trend.

Was jedoch nützen diese Innovationen, wenn sich das Management an sich, also die konkrete Organisation von Auf-gaben und Abläufen, nicht verändert? Es erscheint schnell offensichtlich, dass hier noch einiges zu tun ist: Noch be-herrschen in den meisten Großunterneh-men Top-down-Strategien das Geschehen, anstatt auf eine offene Zusammenarbeit der am Wertschöpfungsprozess beteiligten Menschen zu setzen. Noch dominiert in vielen Konzernen eine Excel-getriebene Organisation des »Humankapitals« unter Vernachlässigung von Kreativität und Urteilsvermögen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Um auf Unsicherheit und Komplexität der digitalisierten, global-vernetzten Speed-Ökonomie reagieren zu können, müssen Unternehmen aber schneller denn je agieren, die Konsequenzen ihres Handelns am Markt unmittelbar erkennen, auswer-ten und passende Veränderungsprozesse ohne Zeitverzögerung umsetzen. Massen an Informationen zu allen nur denkbaren Themen aus allen Teilen der Welt sind nur einen Klick weit entfernt. Die Nutzbar-machung dieses Wissens ist nicht mehr optional, sondern Voraussetzung für un-ternehmerische Wettbewerbsvorteile.

Informationen müssen horizontal und vertikal möglichst schnell und ungehindert gesammelt, ausgewertet und weitergege-ben werden können. Es geht nicht nur um das »Gewusst wo« die richtigen Informati-onen zu finden sind, sondern immer mehr [und immer schneller] um das »Wie«: Wie lässt sich aus Informationen Wissen ablei-ten, verbreiten und kapitalisieren?

Sebastian Schmidt Partake AG

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Doch stellt der Einsatz der Social-Media-Plattform in deutschen Großunternehmen oftmals noch eine Managementinnovation bzw. eine Kommunikationsinnovation dar. Die damit einhergehende Veränderung des beruflichen Verhaltens muss gelernt und verankert werden.

Social Media bietet sicherlich eine wichtige Chance, den Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften zu verbessern; insbesondere, wenn Führung in dezentralen Strukturen erfolgt. Jedoch stehen Entscheidungsträger, die sich weiterhin an Richtlinien einer klassischen Führungskultur orientieren, oftmals der gewünschten Selbstorganisation der sozia-len Medien sowie dem Imperativ Transpa-renz mit Vorbehalten gegenüber.

Ein Grund dafür liegt darin, dass es ins-besondere den mittleren Führungskräften schwer fällt, eine Vorbildfunktion für offene, unmittelbare und authentische Kommunikation zu übernehmen: zu we-nig Zeit, zu viele Themen und monetäre Zielvorgaben schränken den Spielraum ein, den Mehrwert von Social Media aus-zuschöpfen.

Zudem verändert die Anwendung dieser Tools die Prozesse der Mitarbeiterführung.Social Media unterstützt kulturellen Wan-del. Offene und öffentliche Diskussion von Geschäftserfahrungen oder -strategien übt Druck auf Führungskräfte aus, sich an Gesagtes und Geschriebenes zu halten. Mitarbeiter, die ihre Erfahrungen aus dem Betriebsalltag reflektieren und somit Erfah-rungswissen zeigen, treten damit in Kom-petenzwettstreit mit frisch gebackenen Team- oder Abteilungsleitern. Social Media Tools werden als zusätzliche Kanäle inter-pretiert – Wissen, das dort entsteht, muss verstanden, selektiert und weiterbearbeitet werden. Solange E-Mails und Meetings nicht an Bedeutung verlieren, müssen sich Führungskräfte somit in einem weiteren Kanal profilieren.

Dennoch können Tools wie Wikis oder Blogs willkommene Plattformen sein, um Standpunkte der Unternehmensführung

»In der Realität mangelt es vor allem an veränderungsfördernden Prozessen und Strukturen, die die gewünschte transpa-rente Informations- und Fehler-Lernkultur sowie die erforderlichen Freiheitsgrade ermöglichen und damit den Rahmen für Mitarbeiter bilden, um Veränderungen aktiv umzusetzen.« So lautet 2010 eine Erkenntnis einer Studie der PA Consulting in Zusammenarbeit mit der GfO. Die An-passungsfähigkeit und -geschwindigkeit der Unternehmen an veränderte Verhält-nisse muss wachsen, um den zukünftigen Herausforderungen eines erhöhten Wett-bewerbsdrucks sowie der zunehmenden Komplexität und wirtschaftlichen Unsi-cherheit entsprechen zu können.

Welchen Beitrag können Social Media An-wendungen im Unternehmen leisten, um die Wettbewerbsfähigkeit von Organisa-tionen zu erhöhen? Können Social Media Tools Unternehmen helfen, Wissen einfa-cher und schneller nutzbar zu machen?

Die mit S-L-A-T-E-S abgekürzte Erklärungs-struktur von Social Media nach Nutzungs-dimensionen ließe diesen Schluss zu:

S Search: Beiträge sind einfach auffindbar.

L Links: Zusätzliche Inhalte und Metada-ten sind durch Verlinkung und maschi-nenlesbare Annotationen bereitgestellt. Dadurch, dass diese Verlinkungen von den Nutzern gesetzt werden, belegen sie die Relevanz der Inhalte.

A Authoring: Das Veröffentlichen von Beiträgen sowie das Bearbeiten von Inhalten ist so einfach wie möglich.

T Tagging: Anwender kategorisieren Inhalte mit frei definierbaren Stich-worten. Diese Stichworte dienen als Lesezeichen und machen Inhalte leicht wieder auffindbar.

E Extensions: Die Anwendungen sind modular aufgebaut; die benötigten Anwendungsprogramme und -daten werden zentral gehalten und ihre Funktionalitäten werden je nach indivi-duellem Bedarf zur Verfügung gestellt.

S Signals: Neue Inhalte können abonniert werden.

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zu diskutieren. Social Media Tools sind aber keine Allheilmittel in der modernen Unternehmensführung. Denn bei aller Freude über die neuen medialen Möglich-keiten wird Technik niemals Führung erset-zen. Klare Ziele und Werte müssen durch das Management gesetzt und verfolgt werden. Diese Führungsverantwortung kann nicht sozialisiert werden. Persönliche Kommunikation wird auch zukünftig das ausschlaggebende Moment sein, um Mit-arbeiter zu motivieren und zu führen.

Neben unternehmenskulturellen Anpas-sungsnotwendigkeiten existieren recht-liche Einschränkungen, die Barrieren bei der Nutzung von Social Media für das Wissensmanagement in der mobilen und dezentralen Arbeitswelt bilden.

Digitalen Darwinismus vermeiden

Ausschlaggebend hierbei ist, dass ein großer Anteil von Mitarbeitern in großen Konzernen keinen Internetzugriff am Arbeitsplatz hat. Eine weitere Gruppe von Mitarbeitern ist hochmobil und nutzt ganz unterschiedliche Endgeräte, um sich an der internen Kommunikation des Unternehmens zu beteiligen. Die private Nutzung des häuslichen Computers oder mobiler Möglichkeiten wie Smartphones wird durch Datenschutz, Betriebsverfas-sung oder Rechtsunsicherheit erschwert.

So müssen beispielsweise Mitarbeiter in Großunternehmen explizit einwilligen, dass deren Inhalte zu innerbetrieblichen Diskussionen auf Fremdgeräten außerhalb des IT-Netzes des Konzerns sichtbar wer-den dürfen. Keine leichte Aufgabe, geht man von tausenden Nutzern in global agierenden Konzernen aus. Noch heikler wird die Frage hinsichtlich der Inhalte von ausgeschiedenen Mitarbeitern. Müssen diese Beiträge gelöscht werden oder wer-den »nur« personenbezogene Daten ent-fernt? Die technische und organisatorische Herausforderung dieser Aufgabenstellung wird schnell ersichtlich.

Der externe Zugriff auf Konzern-IT muss nicht nur dem Schutz der eigenen Per-

sönlichkeit genügen, sondern auch den Datenschutzbestimmungen der Unter-nehmen. Diese Anforderung beansprucht einen sicheren, passwortgeschützten Log-in. Daraus ergibt sich Kosten- und Zeitaufwand für beispielsweise gesonderte Hardware oder Administrationsprozesse zur kontinuierlichen Sicherung von Social Media Tools.

Eine weitere Einschränkung der internen Kommunikation über »Fremdrechner« stellen die unterschiedlichen technischen Plattformen sowie deren Softwarekon-figurationen dar. Ob PC oder Apple, ob Windows 7 oder OS X – die jeweilige Computerausstattung kann zu massiven Unterschieden der Benutzerfreundlichkeit der Social Media Anwendung führen.

Der Wissensaustausch zwischen Führungs-kräften und Mitarbeitern sowie die daraus folgende horizontale Kommunikation der Mitarbeiter untereinander darf keine Zielgruppe im Unternehmen ausschließen. Ansonsten wird sich die Kommunikation ohne die Möglichkeiten einer Moderation auf externe Wege des Web 2.0 verlagern. Das wiederum lässt ganz neue Bedenken, vor allem bezüglich Daten- und Persönlich-keitsschutz, entstehen.

Rechtsunsicherheit findet sich bei der Bewertung der Zeit, die Mitarbeiter für das Lesen und Kommentieren von Un-ternehmensinformationen im häuslichen oder mobilen Zusammenhang aufwenden. Ist diese Zeit als Arbeits- oder als Freizeit einzuschätzen? Regelungen hierzu sind zwischen Betriebsrat und leitenden Mitar-beitern zu finden.

Bereitschaft der Mitarbeiter, Wissen zu teilen

Nach jahrelangem Durchregieren im Sinne des Shareholder Values ist das Vertrauen der Mitarbeiter in die neue Beteiligungs-kommunikation häufig erst in Ansätzen vorhanden. Die Unternehmenshistorie prägt die Organisationskultur. Damit hängt die Intensität des Wissensaustauschs mit

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Social Media Tools von der gelebten Un-ternehmenskultur ab.

Durch Kontinuität bei der Einführung der Social Media Tools sowie durch die Zuteilung von personellen und finanziellen Ressourcen müssen die Unternehmen beweisen, dass sie es mit dem Wandel der internen Kommunikation ernst meinen.

So können Mitarbeiter mit der Zeit Medi-enkompetenz sammeln und ein Verständ-nis der Mechaniken der Wissenslogistik entwickeln. Mit etwas Ausdauer werden Mitarbeiter so befähigt, sich aktuell, un-ternehmensorientiert und kompetent über Erfahrungen, Methoden und Fachwissen auszutauschen. Der Aspekt des Selbstmar-ketings ist dabei nicht zu unterschätzen.Insbesondere bei einer heterogenen Nut-zerschaft lässt sich die Akzeptanz einer Social-Media-Plattform nur schrittweise erreichen. Ohne ein kontinuierliches Einwerben lässt sich kaum eine kritische Menge an Teilnehmern gewinnen. Diese ist aber notwendig, um später hinzukom-mende Anwender vom Nutzen des Wis-sensaustauschs zu überzeugen.

Eine reine »Selbststeuerung« der Akteure scheint unternehmensübergreifend nur bei Themen möglich, die intrinsisch motiviert diskutiert werden. Oftmals geht es dabei dann nicht um die große Unternehmens-strategie, sondern eher um die Qualität des Kantinenessens oder die neuesten Tipps zum iPhone 6.

Erste Erfolge ermutigen

Moderierte Anwenderkreise können zu Mitarbeiterengagement und Fachwissen auf Social-Media-Plattformen und damit zu neuen, emergenten Mehrwerten für Fachleute und Unternehmen führen. Aber Achtung: halbherzige Versuche und Strohfeuer wirken eher kontraproduktiv. Die Bereitschaft, eigene Meinungen und eigenes Wissen im Unternehmen offen zu legen, hängt jedoch immer stark von der Brisanz des Themas sowie vom Involve-ment der Personen ab.

Mitarbeiter, die sich aktiv und freiwillig für den Wissensaustausch über Social-Media-Plattformen im beruflichen Alltag entschei-den, stehen mit Freude und Engagement für »ihren« Bereich oder »ihr« Unterneh-men ein. Die entstehenden Freiheitsgrade lassen unentdeckte Leistungspotenziale aufblühen. Eine höhere Arbeitszufrieden-heit kann die Folge sein.

Social-Media-Technologien bewirken aber alleine noch gar nichts. Entscheidend ist die Person, die die Einführung vorantreibt, und die Ernsthaftigkeit, mit der das Unter-nehmen die Einführung von Social Media voranbringt. Die Vorbildfunktion des Managements kann in diesem Zusammen-hang nicht stark genug betont werden.

Nichts verändert sich von selbst. Gerade in großen Konzernen wirken starke Ver-harrungskräfte, die es auch bei Verände-rungen eingeübter Verhaltensweisen im Wissensmanagement zu überwinden gilt.

»Wissen ist Macht« gilt so lange, wie der individuelle Nutzen des Teilens von Infor-mationen, Wissen und Meinungen nicht klar erkennbar ist. Langfristig steht die Notwendigkeit der schnelleren Wissens-aufnahme und -verarbeitung als Voraus-setzung der Wettbewerbsfähigkeit jedoch außer Frage.

Allerdings wird es auch weiterhin Mitar-beiter geben, die die Beteiligung an den öffentlichen Diskussionen im Unterneh-men ablehnen. Ist zudem das potenzielle Publikum bei einer Diskussion in Social Networks groß, beteiligen sich oftmals nur wenige Mitarbeiter. Denn nach wie vor herrscht eine große Unsicherheit über die soziale Erwünschtheit eines offenen Erfahrungsaustauschs. Viele Unternehmen schaffen daher aktuell Klarheit über die Form und den zulässigen Zeiteinsatz für die Nutzung von innerbetrieblichen Social Networks. Durch Guidelines werden Ziele der Einführung von Web 2.0 Instrumenten und die gewünschte Tonalität der Beiträge formuliert, über Konsequenzen bei Regel-verstößen wird aufgeklärt.

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Als erfolgversprechender Start in den partizipativen internen Wissensaustausch haben sich Pilotprojekte in kleinen Arbeits-gruppen erwiesen. Es kann dabei sinnvoll sein, als geschlossene Benutzergruppe zu starten, die auf Basis von Weiterempfeh-lungen wächst. Bei diesem Vorgehen ist dennoch Vorsicht geboten. Denn elitäre Debattierclubs widersprechen dem Gedan-ken der Informationstransparenz sozialer Medien.

Social-Media-Erfolgsgeschichten, die den Wissensaustausch in großen Unternehmen vorantreiben, lassen sich insbesondere in genau definierten Themenbereichen sch-reiben, die strategische Relevanz besitzen sowie möglichst viele positive Auswirkun-gen für den einzelnen beteiligten Mitar-beiter haben.

Beispielsweise können dies Wertediskus-sionen über die Wikiplattform sein. Der asynchrone Charakter der Kommunikation sorgt für die kontinuierliche Möglichkeit, sich als Mitarbeiter jederzeit mit den Aussagen des Managements auseinander-zusetzen. Diskussionen zwischen den Mit-arbeitern untereinander sowie zwischen Mitarbeitern und Management schaffen eine zeitlich unabhängige Transparenz über Sinn und Notwendigkeit der durch die Unternehmenswerte erwarteten Verhaltensweisen. Die Werte werden verstanden und durch die Diskussion wei-tergetragen. Die individuell geschilderten positiven, aber auch negativen Beispiele der Werteumsetzung im Konzern sorgen für Identifikation des Einzelnen mit dem Prozess der Veränderung.

Unternehmen, deren Strategien und Unter-nehmenswerte von Wachstums-, Innova-tions- und Mitarbeiterorientierung geprägt sind, haben erkannt, dass ein Wettbewerb auf den globalen Märkten nicht mehr ohne die Vernetzung von Fach- und Erfah-rungswissen der Mitarbeiter zu gewinnen ist. Sie haben mit der Einführung von Social-Media-Plattformen wie Jive oder MS Sharepoint einen Prozess in Gang gesetzt, der sich nicht mehr aufhalten lässt.

Fazit

Der Erfolg von Social Media bei der Sammlung, Selektion und Verbreitung von Wissen ist abhängig von der Bereitschaft der Führungskräfte, eine Kommunikation entsprechend der Social-Media-Regeln zu unterstützen. Entschließt sich das Top Ma-nagement, die Angst vor »unkontrollierter Kommunikation« zu überwinden, verän-dert Technologie kollektives Verhalten:

• Wissen, Informationen und Meinungen stehen zeitlich, räumlich und von ein-zelnen Wissensträgern unabhängig zur Verfügung.

• Motivierte Mitarbeiter setzen sich für ihr Unternehmen verstärkt ein.

• Einstellungen und Bedürfnisse von Kun-den und Mitarbeitern werden schneller erkannt.

• Interne und externe Handlungsnotwen-digkeiten können zeitlich angemessen ergriffen werden. Feedback auf Aktivi-täten erfolgt unmittelbar.

• Unterschiedlichste Mitarbeiter- und Kundenperspektiven stehen zur Beseiti-gung von Unzulänglichkeiten oder zur Weiterentwicklung bestehender Lösun-gen zur Verfügung.

Entscheidend für die Einführung von So-cial-Media-Plattformen sind insbesondere jedoch die Mitarbeiter, die sich freiwillig engagieren und für ihre Standpunkte in offenen Diskussionen einstehen.

Eine konstruktive Feedbackkultur trägt zur Verstärkung des Vertrauens in der gesam-ten Mitarbeiterschaft bei. Sie erhöht die Bereitschaft, Erfahrungen zu teilen auch bei Mitarbeitern, deren Kommunikations-verhalten eher durch »digitale Schüchtern-heit« geprägt ist.

Um die Social-Media-Affinität der mit her-kömmlicher Kommunikationskultur und -technologie sozialisierten Mitarbeiter zu erhöhen, müssen diese in ihrem traditio-nellen Kommunikationsverhalten abgeholt werden.

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Ausblick

Der Erfolg eines Veränderungsprozesses im Wissensmanagement hängt stark von der unternehmensinternen Kommunikation ab. Erfolgsfaktoren, wie das Bekenntnis aller Betroffenen zu den Unternehmenszielen, die Strukturierung und Transparenz des Pro-zesses des Wissensaustauschs, Kommuni-kation von Projekterfolgen, das rechtzeitige Erkennen von Risiken, eine schnelle Reak-tion auf Störungen, werden sich durch den gezielten Einsatz partizipativer Technologie in der internen Unternehmenskommunika-tion besser entfalten können.

Noch immer besteht ein hoher Optimie-rungsbedarf bei der Gestaltung und Um-setzung solcher Kommunikationssysteme. Ein verklärter Blick auf eine schöne neue Welt der »sozialen« Medien ist sicher-lich nicht angebracht. Der Nutzen von Social Media wird nur dann zum Tragen kommen, wenn organisatorische Grund-voraussetzungen geschaffen werden. Ein offenes Arbeitsklima, eine konstruktive Feedbackkultur und das Vertrauen zwi-schen Mitarbeitern über alle Ebenen sind die notwendigen Bedingungen für den erfolgreichen Einsatz von Social Media.

»The link is more important than the thing«. Diese Vision des Miteinanders in der vernetzten, globalisierten Wirtschaft bekommt spätestens mit der nächsten Ge-neration von Kommunikationstechnologie eine neue Bedeutung: Big Data Anwen-dungen, die digitale Inhalte und Dienste bedarfsgerecht zusammenführen, Peer-to-Peer-Kommunikation zwischen Rechnern bzw. Endgeräten, die emergente Business Prozesse ermöglichen oder Produkte, die ihre Nutzungsdaten eigenständig kommunizieren.

Was technisch möglich ist, muss betrieb-liche Abläufe verändern. Der Erfolg eines Unternehmens hängt davon ab, wie es als soziotechnisches System funktioniert. Diese Erkenntnis der Organisationstheorie aus den 50er Jahren des letzten Jahrhun-derts bekommt heute eine ganz neue Dringlichkeit.

Handlungsempfehlungen

• Bringen Sie das Top-Management hundertprozentig hinter die Philosophie von Social Media. Es geht um mehr als um die Einführung zeitgemäßer Kommunikationsmedien. Es geht um Offenheit und Öffentlichkeit sowie um Wertschätzung und Authentizität.

• Beweisen Sie den Mitarbeitern, dass Sie mit der Einführung von Social Media langfristige Ziele verfolgen, denen personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen zugeteilt werden. Geben Sie Verhaltens-Guidelines heraus, um Unsicherheiten abzubauen.

• Nehmen Sie alle Mitarbeiter mit. Den-ken Sie an die Mitarbeiter, die nicht die Infrastruktur des Headquarters nutzen können. Gewähren Sie mobilen und häuslichen Zugriff oder richten Sie Info-Terminals ein. Regen Sie die Mitarbeiter an, regional relevanten Inhalt zu disku-tieren. Fragen Sie die Mitarbeiter nach Informations- und Kommunikationsbe-dürfnissen und nicht nach Wünschen bezüglich Technik Tools.

• Aktivieren Sie Social-Media-Missionare. Ermächtigen Sie Lead User als Floor-walker, veranstalten Sie Barcamps in Eigenregie der Mitarbeiter. Durch den persönlichen Austausch lässt sich der Wert emergenter Teams vs. hierarchi-scher Organisationsstrukturen am bes-ten kommunizieren.

• Lockern Sie die Zügel. Der Wissensaus-tausch muss horizontal im Unterneh-men starten. Hierbei ist die systemati-sche Moderation wichtiger als die reine Information.

• Berichten Sie über Erfolge: von per-sönlichen Vorteilen der Nutzung, von internationalen Einsatzszenarien, Erfolgsstorys aus der externen Kom-munikation. Berichten Sie aber auch über Tools, die aufgrund von Web 2.0 Anwendungen überflüssig und daher abgeschaltet wurden.

• Und seien Sie letztlich geduldig. Digital Natives treffen auf Digital Immigrants, gelernte Arbeits- und Kommunikati-onsprozesse treffen auf das Prinzip der Selbstorganisation. Veränderungen brauchen Zeit.

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Können die überlebenswichtigen Fragen, vor denen Unternehmen der Bankenwelt, der Energieversorgung oder des Gesund-heitssystems stehen, in einer von forma-listischen Hierarchien geprägten Organi-sation gelöst werden? Oder erschöpft sich nicht die klassische Top-down-Führung durch die Möglichkeiten partizipativer Kommunikationstechnologien in sich selbst? Ist es nicht bereits heute so, dass wegweisende unternehmerische Impulse eher von vernetzten, agilen Game Chan-gern stammen, als von Konzernen der ehemaligen »Deutschland AG«?

Es ist höchste Zeit, mit fadenscheinigen Social-Media-Aktivitäten in Unternehmen Schluss zu machen. Sie dienen meist nur der Selbstdarstellung medienkompetenter Mitarbeiter. Um den vollen Nutzen der technischen Möglichkeiten zu realisieren, müssen Hierarchien endlich mehr Durch-lässigkeit bekommen bzw. aufgegeben werden. Ansonsten wird es kaum möglich sein, ein immenses Wissenspotenzial zu heben – und damit steht und fällt der Mehrwert, den ein Unternehmen über-haupt zur Wirtschaftsleistung beitragen kann.