2
Führungsinspirationen I 19 Geschäftsmodell-Innovation: Differenzieren statt verlieren? Fachbeitrag von Martin Engeler und Roland Schegg «Was vorstellbar ist, ist auch machbar», sagte Albert Einstein. Damit spielte er auf die zentrale Rolle von Modellen in der Physik an. Diese erlauben es, Wirkungszusammenhänge abzubilden und zu er- kennen. Denken in Modellen ist auch in der Unternehmensführung eine bewährte Technik, gerade in der Innovationsarbeit. Innovation im Sinne von Erneuerung stellt eine Grundvoraussetzung für den unternehmerischen Fortbestand und Erfolg dar. Das bestreitet kaum jemand. Dabei denken wir ins- besondere an Wettbewerbsvorteile dank neuer Produkte oder Verfahren. Doch greift das im immer schnelleren Wettlauf um Produktevorteile nicht zu kurz? Bietet das Denken in Geschäftsmodellen neue, interessante Differenzierungsmöglichkeiten? Was bedeutet Geschäftsmodell-Innovation und wie kann diese erarbeitet werden? Weit genug gehen, um im Markt zu bestehen Das heute sehr dynamische Wettbe- werbsumfeld fordert enorm. Wer stehen bleibt, wird gnadenlos über- rollt. Innovation und Weiterentwick- lung stehen mehr denn je im Fokus einer nachhaltigen Unternehmens- führung. Wer das nicht tut, verlässt sich darauf, dass Erfolgsfaktoren der Vergangenheit auch in Zukunft be- stand haben. Dies ist heute zweifellos eine wenig weitsichtige Grundhal- tung. Innovationsmanagement befasst sich mit der systematischen Planung, Steuerung und Kontrolle von techni- schen und/oder organisatorischen Neuerungen im Unternehmen. Sinn- gemäss konzentriert sich Innovation traditionell vor allem auf Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Ganz klar: neue und innovative Angebote, welche sich eindeutig von jenen der Wettbewerber abheben, erlauben eine entsprechende Preisgestaltung und legen den Grundstein für wirtschaftli- chen Erfolg. Prozess-Innovation er- gänzt das, indem die Leistungserstel- lung kostengünstiger oder in besserer Qualität erfolgt. Im Idealfall können damit zumindest aus kurzfristiger Perspektive Wettbewerbsvorteile begründet werden. Doch wie lange hält ein solcher Vorsprung? Leistun- gen, die heute noch differenzieren, können morgen schon ausgetauscht werden. Schmilzt die Differenzierung zum Wettbewerb, folgt meist der Kampf um Kunden über den Preis. Gerade in «reifen» Märkten können Margen dann oft auch kostenseitig nicht mehr über optimierte Prozesse und tiefere Herstellkosten gehalten werden. In der Praxis ist daher deut- lich erkennbar, dass langfristiger Unternehmenserfolg und nachhaltige Wettbewerbsvorteile klar über die Innovation in Produkten und Prozes- sen hinausgehen. Das Geschäftsmo- dell als Ganzes rückt damit in den Fokus. Die Logik, wie ein Unternehmen Geld verdienen will Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen Wert generiert, diesen zum Kunden transportiert und dabei einen Überschuss aus Einnah- men und Ausgaben erwirtschaftet. Im Kern kann ein Geschäftsmodell ziel- führend mit vier Bausteinen darge- stellt werden. Im Zentrum steht das Wertangebot des Unternehmens, sprich die eigent- lichen Produkte und Leistungen und der damit verbundene Nutzen. Dieses Wertangebot muss vom Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zunächst erbracht, und dann an die Kunden weitergegeben werden. Aus Wertschöpfungskette und Kundendi- mension können Kosten und Ein- nahmen abgeleitet werden, welche in Kombination das Ertragsmodell, das vierte Element des Geschäftsmodells, begründen. Der Schlüssel eines er- folgreichen Modells liegt dabei erst im Mix der einzelnen Elemente. Nur Wertschöpfungskette Welche Kernprozesse tragen zur Leistungserstellung bei? • Welche Schlüsselressourcen sind für das Wertangebot erforderlich? Welches sind wichtigste Lieferanten und Kooperationspartner? Wertangebot Welcher Wert und Nutzen wird dem Kunden vermittelt? Welche Kundebedürfnisse werden erfüllt? Welche Produkte und Dienstleistun- gen werden angeboten? Kundendimension Welches sind die wichtigsten Kundengruppen? Über welche Kanäle werden die Kundengruppen erreicht? Wir werden Kundenbeziehungen gepflegt? Ertragsmodell • Welche Kostenstrukturen ergeben sich aus der Wertschöpfungskette? Welche Einnahmen werden aus den Kundengruppen generiert? Wie stehen Kosten und Einnahmen im Verhältnis? Kernelemente eines Geschäftsmodells

Geschäftsmodell-Innovation: Differenzieren statt verlieren?

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Geschäftsmodell-Innovation: Differenzieren statt verlieren?

Führungsinspirationen I 19

Geschäftsmodell-Innovation: Differenzieren statt verlieren? Fachbeitrag von Martin Engeler und Roland Schegg «Was vorstellbar ist, ist auch machbar», sagte Albert Einstein. Damit spielte er auf die zentrale Rolle von Modellen in der Physik an. Diese erlauben es, Wirkungszusammenhänge abzubilden und zu er-kennen. Denken in Modellen ist auch in der Unternehmensführung eine bewährte Technik, gerade in der Innovationsarbeit. Innovation im Sinne von Erneuerung stellt eine Grundvoraussetzung für den unternehmerischen Fortbestand und Erfolg dar. Das bestreitet kaum jemand. Dabei denken wir ins-besondere an Wettbewerbsvorteile dank neuer Produkte oder Verfahren. Doch greift das im immer schnelleren Wettlauf um Produktevorteile nicht zu kurz? Bietet das Denken in Geschäftsmodellen neue, interessante Differenzierungsmöglichkeiten? Was bedeutet Geschäftsmodell-Innovation und wie kann diese erarbeitet werden? Weit genug gehen, um im Markt zu bestehen Das heute sehr dynamische Wettbe-werbsumfeld fordert enorm. Wer stehen bleibt, wird gnadenlos über-rollt. Innovation und Weiterentwick-lung stehen mehr denn je im Fokus einer nachhaltigen Unternehmens-führung. Wer das nicht tut, verlässt sich darauf, dass Erfolgsfaktoren der Vergangenheit auch in Zukunft be-stand haben. Dies ist heute zweifellos eine wenig weitsichtige Grundhal-tung. Innovationsmanagement befasst sich mit der systematischen Planung, Steuerung und Kontrolle von techni-schen und/oder organisatorischen Neuerungen im Unternehmen. Sinn-gemäss konzentriert sich Innovation traditionell vor allem auf Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Ganz klar: neue und innovative Angebote, welche sich eindeutig von jenen der Wettbewerber abheben, erlauben eine entsprechende Preisgestaltung und

legen den Grundstein für wirtschaftli-chen Erfolg. Prozess-Innovation er-gänzt das, indem die Leistungserstel-lung kostengünstiger oder in besserer Qualität erfolgt. Im Idealfall können damit zumindest aus kurzfristiger Perspektive Wettbewerbsvorteile begründet werden. Doch wie lange hält ein solcher Vorsprung? Leistun-gen, die heute noch differenzieren, können morgen schon ausgetauscht werden. Schmilzt die Differenzierung zum Wettbewerb, folgt meist der Kampf um Kunden über den Preis. Gerade in «reifen» Märkten können Margen dann oft auch kostenseitig nicht mehr über optimierte Prozesse und tiefere Herstellkosten gehalten werden. In der Praxis ist daher deut-lich erkennbar, dass langfristiger Unternehmenserfolg und nachhaltige Wettbewerbsvorteile klar über die Innovation in Produkten und Prozes-sen hinausgehen. Das Geschäftsmo-dell als Ganzes rückt damit in den Fokus.

Die Logik, wie ein Unternehmen Geld verdienen will Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen Wert generiert, diesen zum Kunden transportiert und dabei einen Überschuss aus Einnah-men und Ausgaben erwirtschaftet. Im Kern kann ein Geschäftsmodell ziel-führend mit vier Bausteinen darge-stellt werden. Im Zentrum steht das Wertangebot des Unternehmens, sprich die eigent-lichen Produkte und Leistungen und der damit verbundene Nutzen. Dieses Wertangebot muss vom Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zunächst erbracht, und dann an die Kunden weitergegeben werden. Aus Wertschöpfungskette und Kundendi-mension können Kosten und Ein-nahmen abgeleitet werden, welche in Kombination das Ertragsmodell, das vierte Element des Geschäftsmodells, begründen. Der Schlüssel eines er-folgreichen Modells liegt dabei erst im Mix der einzelnen Elemente. Nur

Wertschöpfungskette

• Welche Kernprozesse tragen zur Leistungserstellung bei?

• Welche Schlüsselressourcen sind für das Wertangebot erforderlich?

• Welches sind wichtigste Lieferanten und Kooperationspartner?

Wertangebot

• Welcher Wert und Nutzen wird dem Kunden vermittelt?

• Welche Kundebedürfnisse werden erfüllt?

• Welche Produkte und Dienstleistun-gen werden angeboten?

Kundendimension

• Welches sind die wichtigsten Kundengruppen?

• Über welche Kanäle werden die Kundengruppen erreicht?

• Wir werden Kundenbeziehungen gepflegt?

Ertragsmodell

• Welche Kostenstrukturen ergeben sich aus der Wertschöpfungskette?

• Welche Einnahmen werden aus den Kundengruppen generiert?

• Wie stehen Kosten und Einnahmen im Verhältnis?

Kernelemente eines Geschäftsmodells

Page 2: Geschäftsmodell-Innovation: Differenzieren statt verlieren?

20 I PwC

wenn diese sinnvoll zusammenspie-len, resultiert ein Einnahmen-Über-schuss nach Abzug der Ausgaben – sprich es wird Geld verdient. Ge-schäftsmodell-Innovation setzt nun einerseits an den einzelnen Elemen-ten, aber gerade auch an deren Zu-sammenspiel an: Ein Unternehmen wird durch neue Ausprägungen oder Kombinationen der Elemente Wert-angebot, Wertschöpfungskette, Kun-dendimension und Ertragsmodell verändert, und so am Markt neu aus-gerichtet.

Alternativen entwickeln und den richtigen Mix finden Die Grundlage bildet zunächst ein Konsens darüber, wie das heutige Modell denn genau funktioniert. Die-ser Schritt scheint einfach und noch wenig innovativ. Erfahrungsgemäss zeigt sich aber, dass innerhalb eines Unternehmens doch ganz unter-schiedliche Auffassungen bestehen können. Im zweiten Schritt erfolgt eine kriti-sche Einschätzung und Beurteilung des heutigen Geschäftsmodells. Diese kann zum Beispiel anhand bewährter Schlüsselfragen erfolgen. Ein Ge-samturteil zeigt auf, wie zufriedenstel-lend ein Modell funktioniert, und ob dieses daher eher in kleinen Schritten optimiert oder doch etwas radikaler innoviert werden sollte. Drittens – und hier liegt die eigentli-che Kunst in der Geschäftsmodell-Innovation – müssen konkrete Ansät-ze für Veränderungen erarbeitet wer-

den. Verschiedene Techniken bieten Hilfestellung: So kann z.B. ein Ge-schäftsmodell gedanklich in verschie-dene Extreme «gedehnt» werden. Wie würde das Modell aussehen, wenn radikal auf laufend neu entwickelte Produkte und Dienstleistungen ge-setzt würde? Der Fokus liegt in die-sem Beispiel auf dem Element des Wertangebots. Wie müssten die ande-ren Elemente in der Konsequenz an-gepasst werden? Wie wirkt sich das auf Einnahmen und Ausgaben aus? Wie verändert sich das Modell, wenn als Ausgangspunkt auf radikal mini-mierte Kosten gesetzt wird? Oder auf eine besonders intensive Kundenbe-ziehung? Weitere Ansätze oder Inspirationen zur Innovation könnten zudem aus verwandten, oder gerade auch aus komplett losgelösten Industrien abge-leitet werden. Interessant ist es zu-dem, entlang der Wertschöpfungsket-te auch ausserhalb des eigenen Hau-ses zu denken. Das kann dazu führen, dass marktseitige Rivalen in vorgela-gerten Prozessen sogar als mögliche Kooperationspartner erkannt werden. Der Kreativität sind somit eigentlich keine Grenzen gesetzt.

In Szenarien denken, entscheiden und umsetzen In der Folge gilt es, erarbeitete Ansät-ze zu sinnvollen und in sich konsis-tenten Alternativen und Szenarien zu verdichten. Diese können dann wie-derum bewertet, eingeschätzt und vor allem laufend weiterentwickelt und

verfeinert werden, bis der richtige Zeitpunkt für die Transformation und eigentliche Umsetzung gekommen ist. Eine Anpassung des Geschäftsmodells erfolgt in der Praxis häufig eher itera-tiv und in Teilschritten als radikal. Kurzfristig wird in vielen Einzelschrit-ten optimiert, langfristig resultiert aber doch ein grundsätzlich modifi-ziertes Modell.

Frischzellenkur als Chance Mittelständler und KMU sind von Veränderungen und Herausforderun-gen am Markt oft besonders betrof-fen. Dies weil Grössenvorteile fehlen und sie daher besonders auf Differen-zierung setzen müssen. Aufgrund eingeschränkter Risikofähigkeit (we-gen fehlender Grösse) können strate-gische Fehlentscheide zudem rasch die Existenz des Unternehmens be-drohen. Allerdings stellt Grösse in der Physik auch Masse dar, und Masse ist be-kanntlich träge. Folglich stehen dem vermeintlichen Grössennachteil Agili-tät und Flexibilität als entscheidende Vorteile gegenüber. Aufgrund ihrer oftmals schlanken Strukturen verfü-gen Mittelständler und KMU über ausgezeichnete Voraussetzungen bezüglich Wandelfähigkeit und Tem-po. Dies wiederum sind entscheiden-de Vorteile, um sich das Potential aus Geschäftsmodell-Innovationen auch tatsächlich und gezielt zu erschlies-sen.

Wertschöpfungs-kette

Wertangebot

Kundendimension

Ertragsmodell

• Sind die eigentlichen Kernprozesse für Wettbewerber schwer zu kopieren?

• Können die Kernprozesse kosteneffizient erbracht werden?

• Werden Partner (z.B. Outsourcing) angemessen und zielführend einbezogen?

• Reduziert das Leistungsangebot Kosten, Zeiteinsatz oder Risiken beim Kunden?

• Sind Produkte und Dienstleistungen aufeinander abgestimmt, gibt es Synergien?

• Ist eine hohe Kundenzufriedenheit feststellbar? Gibt es Beschwerden?

• Können laufend Neukunden akquiriert werden? Wächst der Kundenstamm?

• Sind die Vertriebskanäle zielführend auf die Kundensegmente abgestimmt?

• Werden Kunden z.B. durch eine starke Marke oder hohe Wechselkosten gebunden?

• Können wiederkehrende Einnahmen und Wiederholungskäufe generiert werden?

• Können Sie in der Leistungserstellung von Grössenvorteilen profitieren?

• Decken die Einnahmen die Vollkosten, und verbleibt ein angemessener Gewinn?

Beispielhafte Schlüsselfragen zur Einschätzung des Geschäftsmodells