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Industrie 4.0 - Eine Chance für Schweizer KMU

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Thema des Monats

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Das Internet der Dinge soll die Menschen bei ihren Tätigkeiten unmerklich

unterstützen. Steht uns also eine digitale Transformation oder sogar eine digitale

Revolution bevor? Und was heisst das für KMU? Eine Auslegeordnung.

AUTOREN: RENÉ LISI UND ROGER BASLER

Eine

CHANCE für Schweizer

KMU

Industry 4.0 und IoT

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Thema des Monats

D er Begriff «digitale Transfor-mation» ist seit längerer Zeit in aller Leute Munde. Es vergeht (fast) kein Tag, ohne dass dar-über in den Medien geschrie-

ben und berichtet wird. Viele dieser Beiträge befassen sich mit Themen wie Arbeitsplatz-verlust, Verlust von Privatsphäre usw. Jede Veränderung bringt positive Aspekte mit sich, aber auch einige Herausforderungen, welche gemeistert werden müssen.Wichtig ist jedoch ein gemeinsames Ver-ständnis dafür, was digitale Transformation eigentlich ist, oder eben nicht ist. Aus diesem Grunde ein Klärungsversuch der Autoren.Transformation (lat. transformatio, von transformare für umformen) steht gemäss Wikipedia für verschiedene Dinge, je nach Blickwinkel, wie z. B. Mathematik. Hydro-dynamik, Medizin, Genetik, Linguistik u. v. m. Im vorliegenden Kontext trifft am ehesten die Bedeutung aus der Militärwissenschaft zu, welche besagt, dass die Transformation ein grundlegender Wandel einer Strategie bedeutet. Dies bedeutet aber auch, dass man bei einer Transformation klar von einem Anfang und einem Ende resp. Abschluss sprechen kann.Evolution (von lat. evolvere für entwickeln) beschreibt eine allmähliche, stetige Verände-rung eines Zustandes. Benutzt wird er beson-ders in der Medizin und Genetik, respektive im Bereich von mathematischen Algorith-men. In diesem Begriff wird aber auch sicht-bar, dass es sich dabei um eine Veränderung handelt, welche kein Ende aufweisen muss.Eine Revolution ist ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Er kann friedlich oder gewaltsam vor sich gehen. Es gibt Revo-lutionen in Herrschaftssystemen, der Wirt-schaft, der Sozialordnung eines Staates, in der Technik und der Wissenschaft. Im täg-lichen Sprachgebrauch wird dieser Begriff immer dann benutzt, wenn es sich um eine eher drastische, auf einen Schlag erfolgende Veränderung handelt.Handelt es sich nun bei der digitalen Trans-formation nun um einen Vorgang, welcher ein klares Anfangs- und Enddatum aufweist? Oder geht es aber eher um eine kontinuier-

liche Veränderung unseres Verhaltens, eines bestimmten Geschäftsmodells und der tech-nologischen Möglichkeiten?Bei dem Begriff «digitale Transformation» kann es sich sowohl um eine Transformation, wie auch um eine Evolution handeln. Trans-formation beschreibt in diesem Falle die Ver-änderung aus der Perspektive der konkreten Projekte. Ein Projekt wird klar gekennzeich-net durch ein Anfangs- und ein Enddatum. Evolution beschreibt in diesem Falle die Ver-änderungen auf der Ebene des Konsumenten-verhaltens und des Wertewandels, resultie-rend aus dieser zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft und unseres täglichen Lebens. Es gibt jedoch durchwegs Aspekte, welche als Revolution betrachtet werden können, wie zum Beispiel Veränderungen – aufgrund neuer Technologien – einer ganzen Wertschöpfungskette, wie es zum Beispiel die Blockchain-Technologie darstellt.

Die «Bausteine» der digitalen TransformationDigitale Transformation ist keine Frage der Technologie (technology first approach). Es geht vielmehr darum die Perspektiven «Kunde», «Unternehmenskultur/-führung», «Geschäftsmodell» in Einklang zu bringen, indem man Organisation, Prozesse, Informa-tionen und Technologie darauf abstimmt.

Der wohl wichtigste Aspekt ist der Kunde. Es ist von grosser Bedeutung, dass jedes Unternehmen seinen Markt konsequent ver-

KUNDE KULTUR &LEADERSHIP

BUSINESSMODELL OPIT

Identify & DifferentiateAccessEngageCustomizeConnect &Collaborate

Ausbau bestehendesNeuesGeschäftsmodell

MaturitätFehlerkulturFührung

OrganisationProzesseInformationenTechnologie

Die vier Perspektiven der digitalen Transformation. Quelle: Eigene Darstellung.

Die «Bausteine»:Digitale Transformation ist keine Frage der Technologie.

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folgt und analysiert. Daneben wird es immer wichtiger andere oder ähnliche Märkte mit-einzubeziehen, da die bereits angesprochene technologische Entwicklung u. U. Trends und Aktionen im eigenen Markt zur Folge haben, deren Ursprung ausserhalb der eige-nen Industrie anzusiedeln sind.Unternehmen müssen sich heute die Frage stellen «Lösen wir das richtige Problem des Kunden?». Es geht nicht mehr nur darum ein bestehendes Produkt noch besser zu machen, obwohl dieses Geschäftsmodell bis heute sehr erfolgreich war und zum Teil immer noch ist. Es geht vielmehr darum, die gesamte Wertschöpfungskette konsequent aus der Perspektive des Kunden zu betrach-ten (outside-in). Diese Sichtweise beinhaltet nicht nur die richtigen Zielgruppen zu defi-nieren, sondern auch die Fragestellungen: Wie kann ich dem Kunden den Zugang zu meinem Unternehmen erleichtern? Wie kann ich mit meiner Zielgruppe in einen Dialog treten und seine Bedürfnisse und Interessen besser kennenlernen? Wie kann ich meine Produkte und Dienstleistungen noch besser den Wünschen und Bedürfnissen anpassen? Wie kann ich den bestehenden und zukünfti-gen Kunden noch enger miteinbeziehen?Ein weiterer, erfolgsbestimmender Aspekt ist die Unternehmens-/Führungskultur. Es

geht dabei um die Fähigkeit der Unterneh-mensleitung (inkl. VR), das Unternehmen als «digitales Unternehmen» zu sehen. Dazu gehört ein klares Bild über den eigenen Rei-fegrad (Maturity level) u. a. in den Bereichen digitales Wissen, Skills, Fehlerkultur, Orga-nisationsstruktur, Innovationsfähigkeit/ -prozess, aber auch über die grundlegende Fähigkeit digitale Strategien entwickeln und formulieren zu können. Aufgrund dieser strategischen und konzep-tionellen Betrachtungen, gilt es dann die Implementierung detaillierter anzugehen. «OPIT» steht für «Organisation, Prozesse, Informationen und Technologie». Damit ist gemeint, dass die Entwicklung/Verbesserung von bestehenden Produkten und Dienstleis-tungen (d. h. die Lösung eines Kundenprob-lems) entsprechende Anpassungen respektive Erweiterungen notwendig machen. Dazu gehören:Organisation: Hier geht es um notwendige Skills, neue Rollen und relevanten Change Management-Massnahmen.Prozesse: Aufbau, Erweiterung, Anpassen sämtlicher Prozesse aus der Perspektive der Kunden; Implementierung neuer Fertigungs-prozesse; Modularisierung (customization) von Produktion und Dienstleistungen auf-grund der präzisen Ziel-/Anspruchsgruppen.Informationen: Aufbau, Erweiterung, Anpassen der Informations-/Datenstrategie und damit weg von Silos hin zu einem Unter-nehmensweiten Austausch relevanter Daten und Informationen; Privacy Policy.Technologie: Aufbau und/oder Anpassung der technologischen Hilfsmittel – kanalüber-greifend; Design und Implementierung neuer Technologien.Schliesslich geht es darum diese Fragen zu beantworten: «Inwiefern beeinflussen diese neuen Produkte und Dienstleistungen – aber auch die getroffenen Anpassungen – das bis-herige Geschäftsmodell?», «Ergibt sich dar-aus gegebenenfalls ein neues Geschäftsmo-dell?».Aus dieser Betrachtung wird ersichtlich, dass die Frage nach dem Business Modell nicht immer zu Beginn beantwortet werden muss, sondern das Resultat einer Analyse, gefolgt von einem Versuch/Prototypen darstellen kann.

«Digitale Transformation ist keine Frage der Technologie.»

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rers, des Ferienanbieters, des Lieferanten XYZ und des Supermarkts. Wenn einer die-ser Anbieter die Erwartung «wie sieht eine gute Leistung aus» übertrifft, wird der Kunde dasselbe von jedem Unternehmen erwarten.Kunden sind weniger tolerant

Kunden sind heute schneller bereit sich zu beschweren und es wird zunehmend schwie-riger sie zufrieden zu stellen. Dies ist auch ersichtlich aus den unzähligen Zufrieden-heitsumfragen, welche aufzeigen welchen Stellenwert zum Beispiel «die einfache Nut-zung oder der einfache Zugang» zu einer Dienstleistung einnimmt.Der Dialog zwischen Konsumenten

hat zugenommen

Social Media und Kundenforen haben ein enormes Potenzial eine Marke zu stärken oder sogar zu zerstören. Kunden werden heute stark getrieben durch die Meinung von Freunden/Familie oder «Followers», bekräf-tigt durch «likes» und Testimonials. Die Reputation einer Firma wird dementspre-chend erschüttert oder gestärkt.Kunden sind weniger loyal

Kunden akzeptieren nicht länger überhöhte Preise oder schlechten Service und sind eher bereit den Anbieter zu wechseln. Sie erwar-ten einen echten Mehrwert und nicht nur günstige Produkte und Service. Sie erwarten Qualität, sowie ein echtes Kundenerlebnis und sind auch bereit dafür zu bezahlen.

Customer Experience oder die Frage «lösen wir das richtige Problem?»Wie bereits erwähnt geht es je länger desto weniger darum, bestehende Produkte und Dienstleistungen nur zu verbessern. Wir haben es immer mehr mit einem neuen Kun-dentypus zu tun, welchen wir «social custo-mer» nennen.

Der «social customer» ist stärker vernetzt durch seine Präsenz im Internet und auf verschiedenen Social-Media-Plattformen;Der «social customer» ist besser informiert durch den immens vereinfachten Zugang zu Wissen via Internet und dem intensiven Austausch mit anderen Menschen;Der «social customer» beschäftigt sich intensiver mit den für ihn relevanten The-men. Er äussert sich öffentlich zu seinen Sichtweisen, Interessen, Meinungen und kommuniziert offen sein Wissen;Der «social customer» ist anspruchsvoller denn je – in seiner Rolle als Konsument sowie in Bezug auf Transparenz, Kunden-erfahrung und Kundenservice.

Diese Sicht auf den Kunden ist sowohl für den B2C- wie auch den B2B-Markt gültig. Als Unternehmen ist man gut beraten dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und sich dementsprechend anzupassen.Aus dieser Sichtweise ergeben sich neue Chancen für das Unternehmen, wie es mit seinem bestehenden und zukünftigen Ziel-publikum umgehen will. Diese Chancen liegen vor allem im stärkeren Einbezug des Konsumenten oder Unterneh-men in die Geschäftsprozesse wie zum Bei-spiel Produkt-/Service-Entwicklung. Schafft es ein Unternehmen, dass seine beste-henden und zukünftigen Kunden sich über die Produkte und Serviceleistungen äussern, und damit eine «Advocacy-Rolle» einneh-men, ist es in der Lage eine Reichweite zu erlangen, welche sonst nur mit einem immen-sen finanziellen Aufwand erreicht werden könnte.Zusammengefasst hat sich folgendes geän-dert und ist für alle Unternehmen mittler-weile sichtbar und spürbar geworden:Kunden vergleichen Unternehmen nicht

nur mit Mittbewerbern

Die Kunden vergleichen die Leistung eines Unternehmens mit derjenigen des Versiche-

Roger Basler Roger Basler ist Unternehmens-Architekt und Geschäftsführer der Swiss E-Commerce-Academy, welche die erste Praktikerausbildung im E-Commerce für KMU lanciert hat: www.swiss-ecommerce-academy.ch

René F. LisiRené Lisi hat sich mit www.share4you.ch spezialisiert auf die Themen digitale Transformation und Customer Experience Management. Er ist auch Mitglied des Netzwerkes www.adlatus.ch.

Die Autoren

«Social Media und Kundenforen haben ein enormes Poten-zial eine Marke zu stärken oder sogar zu zerstören.»

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Kunden akzeptieren traditionelles Branding

und Marketing von Unternehmen nicht mehr

Wir haben es heute mit einem weiterverbrei-teten Vertrauensschwund gegenüber Main-stream-Informationskanälen zu tun. Nicht zu vergessen die technischen Möglichkeiten Werbung zu unterbinden. Meinungen und kommerzielle Beziehungen werden heute anderswo gebildet.Kunden sind besser informiert

Wie bereits vorgängig erwähnt, hat die tech-nologische Entwicklung den Zugang zu Wis-sen im Allgemeinen, aber auch zu Produkten und Dienstleistungen extrem vereinfacht. Unternehmen haben nicht mehr länger das Monopol über das Produktwissen: Informa-tion und Meinungen, auf welchen Kaufent-scheidungen gefällt werden sind in wenigen Klicks erreichbar.Alle Kunden werden zu Multi-/Omni-Channel

Usern

Kunden – nicht das Unternehmen – entschei-den, welche Kommunikations-/Interaktions-

methoden mehr genutzt werden. Wenn der vom Unternehmen angebotene Kanal, der vom Kunden erwarteten Interaktionsqualität entspricht, wird er erfolgreich sein. Ist dies nicht der Fall, wird daraus schnell ein kost-spieliger Misserfolg.

Industrie 4.0Industrie 4.0, Internet of Things (IoT) und Cloud – diese Begriffe werden oft als Syn-onym verwendet, was jedoch keinem der Begriffe gerecht wird. Oft fehlt zudem ein einheitliches Verständnis darüber, was die einzelnen Begriffe bedeuten, wie sie in der Industrie umzusetzen sind und vor allem, welchen Nutzen die Unternehmen davon haben. Für die einen ist es eine Revolution, für die anderen eine logische Konsequenz der Digitalisierung und Vernetzung durch das Internet. Die vierte industrielle Revolution startete Ende der 90er-Jahre mit dem Durchbruch des Internets. Die Einführung von Internet-

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funktionen in die Produktion, ermöglichte völlig neue Dimensionen: Physische und vir-tuelle Systeme konnten miteinander verbun-den werden. Vernetzte Systeme lassen bereits heute Maschinen miteinander kommunizie-ren, und selbstlernende Software optimiert komplexe Abläufe. Es ist also weniger ein Modebegriff als schon vielerorts Realität. Industrie 4.0 steht jedoch für eine vollstän-dig digitalisierte Wertschöpfungskette einer Firma. Geräte, Maschinen und Materialien kommunizieren miteinander und ermögli-chen so einen reibungslosen Ablauf, und das auf intelligente Weise: Lernfähig und ohne Einflussnahme des Menschen.Aber was bedeutet das nun für Firmen in der Schweiz? Müssen wir anfangen, alles zu roboterisieren? Nein, auch wenn viele denken, dass eine einfache Roboterisierung genügt und dass ein paar Sensoren der Sache Leben einhauchen. Die Integration von Kun-den und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen gewinnt durch Automatisierung und Optimierung eine höhere Bedeutung in Industrieunterneh-men, ähnlich einer vertikalen Integration in der Wertschöpfung.Die Wertschöpfungskette einer Industrie 4.0 Lösung besteht aus fünf Elementen:

Das physischen Produkt, Die Sensoren, Connectivity-Technologien, Einem Cloud-Backend für Analytics und dem digitalen Service.

Der Mehrwert für den Kunden wird durch die intelligente Aggregation der Daten erzeugt. Was im einfachen Haushalt noch funktioniert, zum Beispiel kann durch die Analyse von Beleuchtungsdaten im Haushalt eine Glühbirne über eine App als Alarman-lage dienen, muss in der Industrie über meh-rere Ebenen betrachtet werden.Daneben bieten sich auch zahlreiche Chan-cen dank Optimierung und Individualisie-rung. Durch eine Reduktion der Komplexität kann ein kundenspezifisches, individuelles Produkt geschaffen werden, das identifizier-bare Eigenschaften besitzt und die eigene Fertigung unterstützt. Darüber hinaus kann eine Echtzeitsteuerung der Produktionspro-zesse gezielte Optimierungen der gesam-ten Wertschöpfungskette ermöglichen, was

schliesslich zu fehler- und ausfallrobusten Produktionssystemen führt, welche virtuell und ad-hoc organisiert werden können. Auch für die Ressourceneffizienz gibt es positive Auswirkungen. Die virtuelle Steuerung und Überwachung der Produktionsdaten ermög-licht es, den Ressourcenverbrauch zu optimie-ren und entsprechend schnell anzupassen.Die Chancen für Unternehmen, die mit Industrie 4.0 einhergehen, kann man wie folgt zusammenfassen:

Wirtschaftliche und flexible Produktion (Adaption);Steigerung der Maschinenverfügbarkeit

(Produktionsmaximierung);Steigerung der Ressourceneffizienz (Res-sourcen sparen);

Roboterisierung:Muss nun alles roboterisiert werden? «Nein», sagen die Autoren René F. Lisi und Roger Basler. Der Mehrwert wird durch intelligente Aggregation der Daten erzeugt.

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Effizientere Steuerung von Abläufen (Pro-zessoptimierung);Adaptivere Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen (Flexibilität);Integration von Partnern (Vertikalisie-

rung);Fehlerursachenanalysen und automatische Korrekturen (Optimierung);Vernetzung und kontinuierliches Lernen und verbessern (Intelligenz);Schaffen von neuen Geschäftsmodellen.

Die Smarte Produktion (Smart Factory)Mit der Vereinfachung von Komponenten und der Schaffung von neuen Geschäfts-modellen gewinnt auch die Industrie 4.0 an Fahrt. So können bereits heute ganze Werks-

hallen von vorne bis hinten vernetzt werden, was sie noch nicht intelligenter macht, aber es ist eine Grundlage. Denn das erleichtert nicht nur die Steuerung und Überwachung ganzer Fertigungsstrassen. Möglich sind auch, dank flexibler Robotik und 3D-Druck, schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Produkten, bis hin zu indi-vidualisierten Waren in Form von kleinen Serien oder Einzelstücken. Durch Just-in-time-Herstellung schrumpfen Lager. Die smarte Produktion, auch M2M-Kommuni-kation genannt, unterstützt das komplette Supply Chain Management, inklusive der Lieferantenauswahl.Einige Projekte zeigen, dass schon mit den heute verfügbaren Mitteln vieles umsetz-

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bar ist. Die Technik für die Vernetzung von Produkten, Lieferketten und Lieferanten ist vorhanden. Auf Schwierigkeiten stossen viele Unternehmen bei der Neugestaltung der Pro-zesse, weil neue Abläufe häufig Abteilungs- und Unternehmensgrenzen überschreiten und unterschiedliche Datenquellen anzapfen. Noch schwieriger wird es, wenn unterschied-liche Branchen sich auf Schnittstellen für den Informationsaustausch einigen müssen. Wie aufwendig ein solches Unterfangen wer-den kann, zeigen gerade die Energieversor-gungs- und Automobilindustrie. Bislang ist es ihnen nicht gelungen, die Elektromobilität und die erneuerbare und dezentrale Energie-gewinnung langfristig und effizient zusam-menzuführen.

Schweizer KMU – wie weiter?Wohin führt das nun in der Schweizer Indus-trie? Gibt es Leuchtturmprojekte, an welchen man sich orientieren kann? Gemäss aktuellen Umfragen verschiedener Verbände

setzen sich zwar über 60%t der Firmen sich mit dem Thema Industrie 4.0 auseinander;allerdings befinden sich die Betriebe bisher überwiegend in der Beobachtungs- und Analysephase (36%);und weniger als 20% haben mit Einzel-projekten begonnen. Bei den meisten Pro-jekten handelte es sich dabei um Prozess-optimierungen und -automatisierungen, Systemvernetzung sowie die Implementie-rung neuer Technologien. Strategisch passiert hingegen deutlich weni-ger: Es wird geschätzt, dass nur jedes fünfte Unternehmen eine explizite Strategie hat.

Damit eine Abgrenzung gemacht werden kann zum Thema Internet der Dinge und Industrie 4.0, eine kleine Herleitung. So spricht man zum Beispiel von Industrie 4.0, wenn «Die Teile wissen, wer sie sind». Diese «Smarte Fabrik» ist auch in Fachkrei-sen unter dem Begriff «Open Integrated Factory» bekannt. Dabei geht es um die Ver-netzung von Produktion und Informations-technologie. In dieser Fabrik kommunizie-ren die Werkstücke mit der verarbeitenden Maschine darüber, wie sie zu bearbeiten sind. So kann die Maschine viel mehr ver-schiedene Varianten eines Produktes her-

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stellen. Die entsprechenden Werkstücke tragen aber nicht nur die Information über den Ablauf der Produktion in sich. So kön-nen die Bestandteile immer zur richtigen Station fahren und sind somit autonomer und flexibler. Dabei wird oft auf fahrerlose Transportsysteme (FTS) gesetzt. Diese wer-den heute bereits in zahlreiche Bereichen der Industrie für Montagelinien eingesetzt. Diese führerlosen Systeme sorgen für einen inner-betrieblichen, automatisierten Materialfluss und bilden dabei eine Basis für die flexible Montage. Dabei kann das System die einzel-nen Fahrzeuge, die Energieversorgung, sowie die WLAN-Kommunikation und Fahrzeug-koordination managen. Denn im Boden werden dazu Linienleiter verlegt, welche es ermöglichen eine kontaktlose und damit verschleissfreie und einiges wartungsärmere Übertragung zu gewährleisten. Die Naviga-tion ist induktiv und wird durch im Boden eingelassene RFID-Transponder, sowie via WLAN-Module unterstützt.

Sollte trotzdem einmal etwas schiefgehen, hat die Firma LCA Automation eine Lösung. Die Software von LCA sammelt Daten über die von ihr betreuten Systeme und Maschi-nen. Ist eine Komponente in einer Anlage defekt oder muss bald gewartet werden, wird der Servicetechniker automatisch avisiert und der Servicetechniker betrachtet durch eine Kamera die entsprechenden Bestand-teile. Die Software hinter der Kamera bei LCA erkennt die fehlerhafte Maschine, zeigt auf dem Bildschirm über das Internet direkt die komplette Historie, Liefertermin, Ansprechpartner oder letzter Servicetermin und informiert den Techniker damit über die bisherige Beanspruchung und Verfügbarkeit des Systems, so dass dieser viel schneller und agiler arbeiten kann.

Digitaler WerkzeugkastenEin weiteres Beispiel im Bereich Service, dass Industrie 4.0 nicht nur eine Zukunftsvision ist, zeigt Schindler. Der Lifthersteller hat

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«Unternehmen müssen sich heute die Frage stellen «Lösen wir das richtige Problem des Kunden?».»

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seine über 20 000 Servicemitarbeitern welt-weit mit einem digitalen Werkzeugkasten ausgerüstet. Dank diesem können die Ser-viceleute noch während des Kundenbesuchs Feedback von der Zentrale über die genaue Natur eines technischen Problems oder auch Informationen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen einholen. Aber auch im Bereich Energieverbrauch von Produktionsanlagen gibt es Potenzial für Industrie 4.0. Oft müssen alle Verbrauchs-daten über mehrere Systeme erfasst und analysiert werden. Mit einem durchgängigen Konzept, von der einfachen Installation der Sensoren, der Datenerfassung, der Übertra-gung per Funk und der Visualisierung kann auch der Energieverbrauch abgeleitet werden. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass die Senso-ren einfach in vorhandenen Produktionsan-lagen nachgerüstet werden können. Wäh-rend des Produktionsprozesses werden alle relevanten Verbrauchsdaten erfasst. Hierzu gehört beispielsweise der elektrische Ener-gieverbrauch (Strom, Spannung, Leistung) oder der Verbrauch an Druckluft (Druck, Durchfluss). Zusätzlich können die kabel-losen Sensorsysteme relevante Umgebungs-parameter wie Temperatur, Luftfeuchte und CO2-Gehalt erfassen. Energie, Verbrauch und Wartung, das macht sich auch Volvo Construction Equipment (Volvo CE) zu Nutze und kombiniert es mit einem neuen Geschäftsmodell. So ist der Verkauf der produzierten Nutzfahrzeuge nur noch eine mögliche Variante von vielen. So werden an den Nutzfahrzeugen anhand von Sensoren Daten aufgezeichnet und übermit-telt. Diese werden von Volvo CE analysiert und ausgewertet. Basierend auf den Daten können frühzeitig Ersatzteile organisiert und Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Bezahlt wird nicht mehr das Fahrzeug, son-dern ein zu Beginn ausgehandelter Anteil der erzielten Einsparungen.Hier sieht man bereits: es geht nicht nur um die Optimierung von bestehenden Prozessen, sondern auch um neue Geschäftsmodelle und Service-Ideen. So hat der Schokoladenprodu-zent Frey damit begonnen seine Produktion vollständig zu vernetzen. Eingehende Auf-träge werden auf Datenebene in ihre Bestand-teile zerlegt. Computer steuern den Bedarf an

Roh- und Verpackungsmaterial, die Anlagen-Kapazitäten und die Mitarbeiterplanung, bevor der Auftrag angestossen und automa-tisch überwacht und rückgemeldet wird. Mit dem Digitalisierungsschritt will Chocolat Frey AG die Produktionsqualität steigern, die Auftragsabwicklung beschleunigen und die Produktion individueller und effizienter machen. Einen Schritt weiter geht Choco-latier Aeschbach. Durch den Zukauf eines Startups im Bereich «personalisierte Schoko-lade» können Kapazitäten besser ausgelastet und digitalisiert werden: Kunden können via Internet ihre individuelle Tafel Schokolade gestalten und bestellen. Das Internet als Gateway und Zugang scheint auch allgemein ein wichtiger Schlüsselbe-standteil von Industrie 4.0 sein. Kombiniert man eine Plattform und ein Problem der industriellen Fertigung, nämlich einerseits die Leerzeiten von großen Maschinen und die oft verlangten kleinen Stückzahlen von KMU erhält man das Startup Blexon. Die Firma fertigt individuellen Laser-, Biegeteile und Abkantteile über das Internet und lastet damit andere Maschinen aus. Via Online-Portal können einfache Teile gezeichnet

Service:Es geht nicht nur um die Optimierung von bestehenden Prozessen, sondern auch um neue Geschäftsmodelle und Service-Ideen.

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oder 2D-Daten aus einem CAD importiert werden. Die direkte Anbindung an ein Pro-grammsystem ermöglicht die lückenlose Ver-arbeitung. Auf Knopfdruck werden der Staf-felpreis und der Fertigungstermin berechnet und die Software merzt dabei noch kleinere Fehler aus – ähnlich einer online Druckerei. Mithilfe des Portals lassen sich CNC-bear-beitete Schneid- und Biegeteile vom Einzel-stück bis zu mittleren Serien einfach, schnell und kostengünstig beziehen. Egal ob Kons-trukteure, Metallbauer, Schlosser oder tech-nische Einkäufer, die flexible Blechfertigung kann vielseitig genutzt und Aufträge können prinzipiell immer angenommen werden, first come first serve sagen die Gründer zwar, aber es besteht noch viel Potenzial nach oben – wie bei vielen anderen Industrieunterneh-men, welche sich auf neue Geschäftsmodelle und digitale Potenziale einlassen, sehen die Initianten aller Ideen noch viele Möglichkei-ten in der Zukunft, an welche wir heute noch gar nicht gedacht haben.

FazitDie digitale Transformation bietet auch dem Werkplatz Schweiz enorme Chancen.VR und GL müssen sich mit dem Thema aus-einandersetzen und ein erster Schritt könnte z. B. darin bestehen, die eigene «digitale Maturität» festzustellen. Daraus ergeben sich die Massnahmen, welche dann – aufgrund einer Priorisierung – in Angriff genommen werden können. Der Aufwand für diesen Schritt ist überschaubar und liefert die not-wendige Klarheit für die nächsten Schritte.VR und GL sollten sich auch mit dem Aspekt «Technologie Assessment» auseinanderset-zen resp. sich die entsprechenden Antworten liefern lassen. Ein frühzeitiges Erkennen der anstehenden, technologischen Möglich-keiten (z.B. Blockchain, 3D-Printing usw.) in den daraus resultierenden Optionen in Bezug auf das aktuelle Geschäftsmodell, tra-gen dazu bei, Unsicherheiten abzubauen und zeitgerecht auf relevante Szenarien zugreifen zu können. ●