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§§ 116 - 118

§§ 116 - 118. § 116, geheimer Vorbehalt: Rein empirisch liegt Nichteinigung vor: –Erklärender wollte Rechtsfolgen nicht –Empfänger hingegen schon (erkennt

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§ 116, geheimer Vorbehalt:

• Rein empirisch liegt Nichteinigung vor: – Erklärender wollte Rechtsfolgen nicht– Empfänger hingegen schon

• (erkennt Empfänger den Vorbehalt, liegt falsa demonstratio vor)

• Objektiver Empfängerhorizont führt aber zur Gültigkeit der WE

• Wenn Vorbehalt nicht erkennbar, aus objektiver Sicht unbeachtlich

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§ 117, Scheingeschäft

• Einverständlich nicht gewollte Erklärung gilt nicht– Beiderseitiges Verständnis geht dem objektiven

Anschein vor– Fall der falsa demonstratio

• Statt dessen gilt das wirklich Gewollte – Sofern dieses Geschäft die sonstigen

Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt– Beispiel: Scheinbeurkundung bei

Grundstücksgeschäften

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§ 118 - Scherzerklärung

• Lässt sich in dieses System nicht einordnen– Wenn Empfänger sie ernst nehmen durfte, müsste die

Erklärung eigentlich gültig sein– Mit Anfechtung, wenn Irrtum vorlag

• § 118 geht aber von Ungültigkeit aus– Allerdings mit Rechtsfolge § 122 entsprechend – Insofern kein Unterschied zur Anfechtungslösung

• Insgesamt systemwidrige Ausnahme

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Ausnahmen von falsa – demonstratio - Grundsatz

• Erklärungen an eine Vielzahl von Personen: AGB, manche Gesellschaftsverträge – Hier nur objektives Verständnis maßgeblich– Für AGB Sonderegelung in § 305 c II: Auslegung

gegen den Verwender

• Problem auch bei formbedürftiger Erklärung– Testament, Grundstück– Inwieweit kann Auslegung zu einem nicht formgütig

erklärten Inhalt führen?

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Ergänzende Auslegung

• Ausfüllung von Lücken im Vertrag– Primäre Auffüllung durch Gesetzesrecht– Wenn dort nichts geregelt:

• Bewusste oder unabsichtliche Lücke?• Auffüllung unbewusster Lücken durch mutmaßlichen

Parteiwillen

– Was hätten redlich denkende Dritte vereinbart, wenn sie das Problem erkannt hätten?

– Auch hier Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung

– Real feststellbarer Wille hat aber immer Vorrang– Keine Vertragskorrektur gegen den Parteiwillen

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Abgabe der WE

• Notwendigkeit der Abgabe folgt aus dem Handlungswillen: – Nur die mit Handlungswillen getätigte WE ist gültig

• Fehlt, wenn nicht wissentlich in den Rechtsverkehr gelangt – Sog. abhanden gekommene WE

• Bedeutung auch für § 130: – Eintritt von Tod oder Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe

• Erforderlich ist eine erkennbare Willensäußerung– Bei empfangsbedürftiger WE ein bewusstes Auf- den- Weg-

bringen in Richtung auf den Empfänger

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Beispielsfälle:

• Versehentliches Absenden von Post durch Personal

• Versehentliches Betätigen eines Bestell- Buttons bei Internetgeschäft – Fehlender Handlungswille oder fehlendes

Erklärungsbewusstsein?• Zum Nachlesen: Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839. • Zum Merken: Abgabe der WE liegt vor, wenn die

Erklärung mit Wissen und Wollen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt ist.

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Zugang:

• Gesetz fordert außer einer Abgabe der WE auch den Zugang, § 130– Mit ihm wird die Erklärung verbindlich– Kann nicht mehr widerrufen werden– Wichtig vor allem für fristgebundene

Erklärungen (zB Kündigung) – Hier ist Zugang innerhalb der Frist nötig, um

Rechtsfolgen auszulösen

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Zugang entbehrlich:

• Bei der nicht empfangsbedürftigen WE– Regelfall ist die „gegenüber einem anderen abzugebende“ WE– Vgl. §§ 143, 145– Sog. empfangsbedürftige WE– Hier sind Abgabe und Zugang erforderlich– Auch die meisten einseitigen WE sind empfangsbedürftig:

• zB Anfechtungserklärung, § 143, Widerruf, § 355 • Ausnahmen nur Testament, Auslobung (§ 657) und

Eigentumsaufgabe (§ 959).

• Wenn nicht empfangsbedürftig, genügt die Abgabe der WE (erkennbarer Wille)

• Zugang entfällt.

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Begriff des Zugangs

• Nicht näher definiert

• Erklärungsmöglichkeiten?

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Begriff des Zugangs

• Möglich ist eine Negativabgrenzung: – Bloße Absendung kann nicht gemeint sein

• Das wäre idR dasselbe wie Abgabe

– Auch tatsächliche Kenntnisnahme wohl nicht• Das Gesetz schreibt Kenntnis, wenn es Kenntnis

meint • Vgl. §§ 122, 179 II und III

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Begriff des Zugangs:

• Hinter der Begrifflichkeit steht ein Sachproblem: • Risikoverteilung

– Welche Partei soll Risiko des Erklärungsverlustes tragen?

• Grds. diejenige, die das Risiko besser und mit weniger Aufwand beherrschen kann– Auswahl des Kommunikationsmittels, Organisation

des Kommunikationswegs– Verantwortung endet, wenn Erklärender Verbleib der

Erklärung nicht mehr kontrollieren kann – Dort beginnt Verantwortungsbereich des Empfängers

• Auch dieser muss seine Kommunikation so organisieren, dass eingehende Nachrichten beachtet werden

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Lösung:

• Verteilung des Risikos nach objektiven Kriterien– Unabhängig von einem persönlichen Verschulden

• Abgrenzung nach Verantwortungssphären • „Machtbereichslösung“:

– Tatsächliche Kenntnis führt immer zum Zugang• Gleichgültig, auf welchem Wege die WE der Empfänger

erreicht hat

– Fehlt tatsächliche Kenntnis (oder kommt sie zu spät), kommt es darauf an, ob die WE

• in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, • und zwar so, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen

von ihr Kenntnis nehmen könnte.

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Lösung:

• Führt zur Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen: – Erklärender trägt das Risiko, dass die

Erklärung den Machtbereich des Empfängers nicht oder nicht rechtzeitig erreicht

– Empfänger trägt das Risiko, wenn er die rechtzeitig in den Machtbereich gelangte Erklärung nicht beachtet

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Kenntnisnahme ist zu erwarten:

• Hängt von Verkehrsgewohnheiten ab• Ggf. auch Abrede zwischen den Parteien• Ansonsten gilt:

– Post bei der nächsten zu erwartenden Leerung des Postkastens

• Objektiv zu bestimmen, also auch bei Urlaub, Krankheit etc.

– Bei Nachsendung erst im Machtbereich des Nachsendeorts

– Einschreiben erst bei Abholung (BGHZ 137, 205, 208)

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Elektronische Kommunikation:

• Wann geht E- Mail zu? • Oder ein Telefax?• Oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter? • Beispiel: A übermittelt Mail an Provider 1, dieser

an den Provider 2 (Provider des Empfängers), dieser an den Empfänger B– Wo beginnt der Machtbereich des B? – Genügt Eingang beim Provider des B? – Oder erst Eingang am eigenen PC?

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Zugang an und durch Dritte

• WE muss nicht höchstpersönlich abgegeben werden

• § 164– Natürliche Personen können sich vertreten lassen– Juristische Personen sind als solche

handlungsunfähig, müssen sich vertreten lassen

• Einsetzung von Erklärungsboten und Stellvertretern – Letztere kraft Gesetzes oder rechtsgeschäftlich

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Vertretung auf Seiten des Erklärenden

• Erklärung wirkt für und gegen den Vertretenen, § 164– Gilt für den Boten entsprechend

• Schwieriger ist Vertretung auf Seiten des Empfängers– Handelnde Person muss dem Machtbereich des Empfängers

angehören – Kann sich aus Gesetz ergeben:

• GF, § 37 GmbHG, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, Ladenangestellte (§§ 49 – 56 HGB)

– Ansonsten auch rechtsgeschäftliche Vollmacht (§ 164) möglich– Sog. Empfangsvertreter

• Ihr Handeln wirkt für und gegen den Empfänger• Wird behandelt wie persönliches Handeln des Empfängers

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Empfangsbote:

• Außerhalb der ausdr. Bevollmächtigung • Figur des Empfangsboten:

– Person ohne Vertretungsmacht, aber nach der Verkehrsanschauung geeignet:

• Nähebeziehung zum Empfänger• Und Geeignetheit zur zuverlässigen Weiterleitung der

Nachricht

– Im Geschäftsbereich zB Pförtner, Menschen am Informationsschalter

• Teil des Machtbereichs des Empfängers

– Im Privatbereich Familienangehörige, ältere Kinder • Zweifelhaft für Nachbarn, WG-Genossen, Hausmeister

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Jenseits dessen:

• Liegen die Voraussetzungen des Empfangsboten nicht vor, kann betreffende Person nur Vertreter des Erklärenden sein– Steht dann aber nicht im Lager des

Empfängers– Sein Handeln wird dem Erklärenden

zugerechnet– Kein Zugang, wenn Erklärung nicht

weitergeleitet wird.

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Zugang ggü. Anwesenden

• In § 130 nicht angesprochen• Folgt aber denselben Grundsätzen:

– Bei verkörperter Erklärung Übergabe ausreichend, tatsächliche Kenntnis nicht erforderlich

– Bei mündlichen Äußerungen Kenntnis sofort• Problem: Verständnisschwierigkeiten des

Empfängers• Sprachunkenntnis, Schwerhörigkeit,

Unaufmerksamkeit

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Zugang ggü. Anwesenden

• Behandlung str: – Teil der Lit: Bei unverkörperter Erklärung

Zugang nur bei tatsächlichem Verständnis • Grund: Empfänger kann nicht nachlesen und

prüfen

– Dann aber alle Risiken beim Erklärenden• Daher Regel analog § 130 zu befürworten: • Zugang liegt vor, wenn mit Verständnis zu rechnen

war.

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Zugangsvereitelung:

• Empfänger macht sich bewusst unerreichbar– Verhindert Eingang in den Machtbereich – Ohne dazu berechtigt zu sein (Notwehr-Fälle)

• Damit kein Zugang– Verschulden im hier favorisierten objektiven System nicht

berücksichtigungsfähig– Es kommt nicht darauf an, wer am fehlenden Zugang schuld war

• Ausnahme nach § 242? – BGHZ 137, 205: Nein, nur Frist wird fingiert:

• Erklärender muss Zugang herbeiführen• Notfalls im Wege der öffentlichen Zustellung (§ 192 ZPO) • Eine dadurch ggf. verstrichene Frist ist unbeachtlich, Empfänger ist

es verwehrt, sich auf Fristablauf zu berufen (§ 242)