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49 SONNABEND/SONNTAG, 14./15. DEZEMBER 2013 nord.thema www.taz-nord.de • [email protected] Jesus, ganz sinnlich: Shipibo-Urwaldkrippe im Lübecker St.-Annen-Museum Foto: dpa gibt es natürlich auch brav christliche Krippen in der Schau – aber welches der „Prototypus“ ist, lässt sich schwer ergründen. Fest steht, dass Weihnachten im Jahr 813 in Deutschland kirchli- cher Feiertag wurde. Und dass Krippen bis heute oft handge- macht sind und dass sie vom 16. Jahrhundert an nach Amerika, Afrika und Ostasien kamen. Durch wen? Durch Missiona- re, und dass die Lübecker Schau das nur am Rande vermerkt, macht ein bisschen missmutig. Denn bis ins 20. Jahrhundert hi- nein haben die missionierten Völker die Krippe wohl nicht ad- aptiert, sonst hätte es nicht bis Mitte der 1960er-Jahre aus- lorit drum herum. Vielleicht war es eine Art Ruhigstellung der Missionare. Zugleich eine verhal- tene Aneignung, und von dieser kulturellen Integration der Weih- nachtskrippe und anderer rituel- ler Requisiten in aller Welt han- delt die Ausstellung im St.-An- nen-Museum. Und dann wird sie sogar ein bisschen politisch, wenn zwi- schen verschiedenen Weih- nachtsmann-Varianten plötzlich Väterchen Frost steht. Er ist quasi ein Weihnachtsmann in Weiß, und das liegt daran, dass die Machthaber der Ex-Sowjetunion die Weihnachtsbräuche der rus- sisch-orthodoxen Kirche verbo- ten, einen Gabenbringer aber ge- Moschee mit Jesuskind INTERRELIGIOSITÄT Die Missionare hätten mit den Zähnen geknirscht, aber eine peruanische Dorfszenen-Krippe war immer noch besser als gar keine Bekehrung: Eine Lübecker Ausstellung zeigt die Aneignung von Weihnachtsriten weltweit – und die wundersame Vermengung jüdischer, muslimischer und christlicher Bräuche In der muslimisch- christlichen Krippe stehen Moschee und der Stall von Bethle- hem einträchtig nebeneinander VON PETRA SCHELLEN Vermutlich hätten die Missiona- re es nur zähneknirschend ertra- gen: dass der Jesus da nackt und bäuchlings zwischen den Ur- waldtieren liegt. Aber immerhin, der Affe nebenan hat Bananen gebracht, ein Tukan zählt auch zu den Gratulanten, und da hinten, auf dem zweiten Floß, haben die Shipibo-Frauen die für das peru- anische Indianervolk typischen geometrisch verzierten Krüge dabei. „Urwaldkrippe“ heißt das Prunkstück der Ausstellung „Was macht das Zebra an der Krippe? Weihnachten weltweit“ im Lübe- cker St.-Annen-Museum, und man kann den Urwald förmlich hören – und die Freude der Natur über die Geburt des Jesuskindes. Es ist eine quasi-theatrale Instal- lation, einem Riesen-Diorama gleich, und dass sie so gar nicht verkrampft ehrfürchtig daher- kommt, macht sie sympathisch. Aber vielleicht ist das auch nur der Blick des adventsmüden Europäers, der sich mal über was Handfestes freut. Andererseits statteten. Pro Forma aber erst an Silvester, und er hieß dann eben Väterchen Frost. Warum aller- dings in Italien die Hexe Befana, die knapp die Geburt Christi ver- passt hat, als Gabenbringerin fungiert, weiß niemand so ge- nau; politische Gründe hatte es vermutlich aber nicht. Und so mäandert die Ausstel- lung munter durch Varianten lo- kaler und globaler Weihnachts- bräuche, präsentiert auch einen Riesenbaum mit Weihnachts- mann-Kugeln aus Lauscha, und da ist dann der deutsche Handy- Weihnachtsmann und der aus- tralische im Tauchanzug; in Großbritannien kommt er gar durch den Kamin. GESCHENKE Seite 49-52 Verlagsseiten der taz.nord zum Thema Doch damit nicht genug: Man will auch interreligiös sein, denn die Mischung verschiedener Kul- te ist ja auch Teil der „Weih- nachtsaneignung“, und deshalb hat man auch Chanukka-Leuch- ter hingestellt. Das ist auch rich- tig so, entstand das jüdische Lich- terfest doch vor dem christli- chen. Trotzdem haben die Juden später die weihnachtliche Be- scherung übernommen, und in den USA mischt sich gar noch mehr: Da kann eine jüdische Kip- pa einen roten Weihnachts- mann-Bommel haben und ein Chanukka-Leuchter die New- York-Skyline oder israelische Ar- mee-Soldaten zeigen. Um aber vollends politisch korrekt zu sein, hat man auch das Kwanzee-Fest hineingenom- men. Die an westafrikanische Erntefeste erinnernde Feier dau- ert vom 26. Dezember bis zum 1. Januar und wurde 1966 für die Afroamerikaner in den USA er- funden. „Können wir nicht alle Freunde sein?“ sagen drei Ku- schelfiguren namens Schlomo Hanukkah, Santa Claus und Kwanzaa Guy. Ja, warum eigentlich nicht? Wo die Kinder es doch längst kön- nen und eifrige Ritualmixer sind. Vor Jahren haben Kuratoren des Altonaer Museums heraus- gefunden, dass etliche muslimi- sche Hamburger Familien durchaus einen Weihnachts- baum haben, weil die Kinder es so wollten. Nur recht und billig also, dass es auch einen Rama- dan-Kalender gibt, der einem Ad- ventskalender verdächtig ähnelt. Tolerante Interreligiosität als Resultat von Migration: Sie ist auch in dieser Lübecker Ausstel- lung zu finden, wo eine riesige, über 35 Jahre von hin- und her- reisenden Moslems gebaute Krippe steht: „Berlin – Istanbul 1966 bis 2000“ steht drüber, und eigentlich ist sie ein arabisches Dorf mit Moschee. Aber für eine Krippe und die Heiligen Drei Kö- nige ist schon noch Platz. Eine Pa- rabel auf die Überflüssigkeit reli- giöser Abgrenzung, im Miniatur- format schon real. Ausstellung „Was macht das Zebra an der Krippe? – Weihnachten welt- weit“: bis 2.2.2014, Lübeck, St.-An- nen-Museum schließlich europäische Import- modelle gegeben. Danach allerdings entwickel- ten sich Krippen mit Lokalkolo- rit, und von ihnen sind in Lübeck viele zu sehen: philippinische Schilf- und afrikanische Holz- krippen, oft mit reichlich Dorf- szenen und überhaupt Lokalko-

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49SONNABEND/SONNTAG, 14./15. DEZEMBER 2013

nord.themawww.taz-nord.de • [email protected]

Jesus, ganz sinnlich: Shipibo-Urwaldkrippe im Lübecker St.-Annen-Museum Foto: dpa

gibt es natürlich auch bravchristliche Krippen in der Schau– aber welches der „Prototypus“ist, lässt sich schwer ergründen.Fest steht, dass Weihnachten imJahr 813 in Deutschland kirchli-cher Feiertag wurde. Und dassKrippen bis heute oft handge-macht sind und dass sie vom 16.Jahrhundert an nach Amerika,Afrika und Ostasien kamen.

Durch wen? Durch Missiona-re, und dass die Lübecker Schaudas nur am Rande vermerkt,macht ein bisschen missmutig.Denn bis ins 20. Jahrhundert hi-nein haben die missioniertenVölker die Krippe wohl nicht ad-aptiert, sonst hätte es nicht bisMitte der 1960er-Jahre aus-

lorit drumherum. Vielleicht wares eine Art Ruhigstellung derMissionare.Zugleicheineverhal-tene Aneignung, und von dieserkulturellen IntegrationderWeih-nachtskrippeundanderer rituel-ler Requisiten in aller Welt han-delt die Ausstellung im St.-An-nen-Museum.

Und dann wird sie sogar einbisschen politisch, wenn zwi-schen verschiedenen Weih-nachtsmann-Varianten plötzlichVäterchenFrost steht. Er ist quasiein Weihnachtsmann in Weiß,und das liegt daran, dass dieMachthaber der Ex-Sowjetuniondie Weihnachtsbräuche der rus-sisch-orthodoxen Kirche verbo-ten, einenGabenbringer aber ge-

Moschee mit JesuskindINTERRELIGIOSITÄT DieMissionare hättenmit den Zähnengeknirscht, abereineperuanischeDorfszenen-Krippewar immer nochbesser als gar keineBekehrung: EineLübeckerAusstellung zeigt dieAneignung vonWeihnachtsritenweltweit – und diewundersameVermengungjüdischer,muslimischer undchristlicher Bräuche

In der muslimisch-christlichen Krippestehen Moschee undder Stall von Bethle-hem einträchtignebeneinander

VON PETRA SCHELLEN

Vermutlich hätten die Missiona-re es nur zähneknirschend ertra-gen: dass der Jesus da nackt undbäuchlings zwischen den Ur-waldtieren liegt. Aber immerhin,der Affe nebenan hat Bananengebracht, einTukanzähltauchzuden Gratulanten, und da hinten,auf dem zweiten Floß, haben dieShipibo-Frauen die für das peru-anische Indianervolk typischengeometrisch verzierten Krügedabei.

„Urwaldkrippe“ heißt dasPrunkstück der Ausstellung „Wasmacht das Zebra an der Krippe?Weihnachten weltweit“ im Lübe-cker St.-Annen-Museum, undman kann den Urwald förmlichhören–unddieFreudederNaturüber die Geburt des Jesuskindes.Es ist eine quasi-theatrale Instal-lation, einem Riesen-Dioramagleich, und dass sie so gar nichtverkrampft ehrfürchtig daher-kommt, macht sie sympathisch.

Aber vielleicht ist das auchnur der Blick des adventsmüdenEuropäers, der sichmal überwasHandfestes freut. Andererseits

statteten. Pro Forma aber erst anSilvester, und er hieß dann ebenVäterchen Frost. Warum aller-dings in Italien die Hexe Befana,die knapp die Geburt Christi ver-passt hat, als Gabenbringerinfungiert, weiß niemand so ge-nau; politische Gründe hatte esvermutlich aber nicht.

Und so mäandert die Ausstel-lungmunter durch Varianten lo-kaler und globaler Weihnachts-bräuche, präsentiert auch einenRiesenbaum mit Weihnachts-mann-Kugeln aus Lauscha, undda ist dann der deutsche Handy-Weihnachtsmann und der aus-tralische im Tauchanzug; inGroßbritannien kommt er gardurch den Kamin.

GESCHENKE Seite 49-52

Verlagsseiten der taz.nord zum Thema

Doch damit nicht genug: Manwill auch interreligiös sein, denndieMischungverschiedenerKul-te ist ja auch Teil der „Weih-nachtsaneignung“, und deshalbhat man auch Chanukka-Leuch-ter hingestellt. Das ist auch rich-tigso, entstanddas jüdischeLich-terfest doch vor dem christli-chen. Trotzdem haben die Judenspäter die weihnachtliche Be-scherung übernommen, und inden USA mischt sich gar nochmehr:Dakanneine jüdischeKip-pa einen roten Weihnachts-mann-Bommel haben und einChanukka-Leuchter die New-York-Skyline oder israelische Ar-mee-Soldaten zeigen.

Um aber vollends politischkorrektzusein,hatmanauchdasKwanzee-Fest hineingenom-men. Die an westafrikanischeErntefeste erinnernde Feier dau-ert vom 26. Dezember bis zum 1.Januar und wurde 1966 für dieAfroamerikaner in den USA er-funden. „Können wir nicht alleFreunde sein?“ sagen drei Ku-schelfiguren namens SchlomoHanukkah, Santa Claus undKwanzaa Guy.

Ja, warum eigentlich nicht?WodieKinderesdochlängstkön-nen und eifrige Ritualmixersind.Vor JahrenhabenKuratorendes Altonaer Museums heraus-gefunden, dass etliche muslimi-sche Hamburger Familiendurchaus einen Weihnachts-baum haben, weil die Kinder esso wollten. Nur recht und billigalso, dass es auch einen Rama-dan-Kalendergibt,dereinemAd-ventskalenderverdächtigähnelt.

Tolerante Interreligiosität alsResultat von Migration: Sie istauch in dieser Lübecker Ausstel-lung zu finden, wo eine riesige,über 35 Jahre von hin- und her-reisenden Moslems gebauteKrippe steht: „Berlin – Istanbul1966bis 2000“ steht drüber, undeigentlich ist sie ein arabischesDorf mit Moschee. Aber für eineKrippe und dieHeiligenDrei Kö-nige ist schonnochPlatz. EinePa-rabel auf dieÜberflüssigkeit reli-giöserAbgrenzung, imMiniatur-format schon real.

Ausstellung „Was macht das Zebraan der Krippe? – Weihnachten welt-weit“: bis 2. 2. 2014, Lübeck, St.-An-nen-Museum

schließlich europäische Import-modelle gegeben.

Danach allerdings entwickel-ten sich Krippen mit Lokalkolo-rit, und von ihnen sind in Lübeckviele zu sehen: philippinischeSchilf- und afrikanische Holz-krippen, oft mit reichlich Dorf-szenen und überhaupt Lokalko-

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50 SONNABEND/SONNTAG, 14./15. DEZEMBER 2013 TAZ.AM WOCHENENDE

hamburg 040 | 38 90 17 452 • bremen 0421 | 96 02 64 42

GESCHENKE | nord

Prinz Williamaus PappeES LEBE DIE QUEEN Eigentlich ist Sandra PetersBildhauerin. Jetzt betreibt sie in Hamburgeinen britischen Laden, der auch dasschottische Nationalgericht Haggis führt

VON ANDREA SCHARPEN

Ein Schwung kalter Luft strömtherein, als eine Kundin die roteHolztür öffnet und den kleinenLaden von Sandra Peters imHamburger Stadtteil Ottensenbetritt. Von außen rinnenRegen-tropfen die Schaufensterschei-ben hinab. Das Licht der bauchi-gen Lampen in Teekannenformspiegelt sich darin.

Drinnen riecht es nach Zimtund Orangen. Aus einer Stereo-anlage neben dem alten Laden-tresenausHolzundGlaserklingtleiseMusik. EineFototapete zeigtein englisches Schloss, davorsteht eine Pappfigur von Prinz

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WilliamundHerzoginKate in Le-bensgröße. Von der Decke hän-genWimpelmit demUnion Jack.Überall stehen und liegen engli-sche Lebensmittel, Kleidungs-stücke oder Parfüms in blumi-gen Flakons. Kein Möbelstückpasst so recht zumanderen. „DerStil ist von der Fernsehserie ‚DerDoktor und das liebe Vieh‘ inspi-riert“, sagt Besitzerin Peters.

Ein Dreivierteljahr hat sie amKonzept für ihren British De-partmentStore „SweetSuburbia“gefeilt, einen Businessplan auf-gestellt, Kontakt zu Lieferantenin England aufgenommen unddie individuellenMöbelaufFloh-märkten und in Antiquitätenge-

schäften inganzDeutschlandzu-sammengesucht. Im Sommer2013 feierte der Laden 10-jähri-ges Jubiläum.

„Ichwollte einKonzept, das zumir und zuHamburg passt“, sagtPeters, die eigentlich gelernteSteinbildhauerin ist. Als sie übereine berufliche Veränderungnachdachte, sei die Ideemit dembritischen Shop ganz logisch ge-wesen, sagt die 40-Jährige. „Da-mit kenne ichmich aus.“

Schonbei einer Sprachreise inder Schulzeit verguckte sich Pe-ters in Land und Leute. Nur fürdas britische Essen konnte sichdie damals 13-Jährige noch nichterwärmen. „Ich und meine

Freundin haben gelitten“, sagtPeters und lacht über die Erinne-rungan sauer eingelegtesGemü-se auf den Schulbroten. „Das Es-sen war schon skurril.“ Dennochzog es Peters in der elften Klasseerneut auf die Insel. „Ich bin dortin Hastings auf ein Internat ge-gangen“, sagt Peters. Nicht nurdie Kultur, der Linksverkehr unddieenglischenLandschaftenhät-ten sie fasziniert, auchdie Super-märkte und die Verpackungender Waren blieben ihr im Ge-dächtnis. „Die sind so farbenfrohund irgendwie altmodisch.“

Nach der Ausbildung zurSteinbildhauerin zog sie mitdem Gesellenbrief in der Tasche

für drei Jahre aufWanderschaft –auch durch England. Zwischender Südküste und Schottlandlernte sie die Facettendes Landeskennen. „Viele Deutsche verbin-denmitEnglandnurdie typischeRosamunde-Pilcher-Romantik“,sagt Peters. Auch das Vorurteilvon ungenießbarem britischemEssen halte sich in Deutschland.Dabei habe sie sich nach ihremersten England-Aufenthalt vomGegenteil überzeugen können.„Backen können die Engländerganz großartig!“, findet die Ge-schäftsfrau.

In ihrem Laden bietet sie des-halb diverse Gebäcksorten an,aber auch Cadbury-Schokolade,

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SONNABEND/SONNTAG, 14./15. DEZEMBER 2013 TAZ.AM WOCHENENDE 51nord | GESCHENKEhamburg 040 | 38 90 17 452 • bremen 0421 | 96 02 64 42

LAMETTAGLANZ UND CHRISTBAUMKUGELN

Feinsinnige Impressionen, ru-hige Momente und Orte, ästhe-tisch ins Bild gesetzt: Genau dasist das Spezifikum des Platt-düütschen Kalenners für dasJahr 2014, und auch diesmalstammen die Fotos von Marian-ne Obst, die Mühlen, Reetdachund Strandkorb fotografierte.DiezujedemMonatsbildgehöri-genGedichteverfassteWolfgangSchütz,der inGrömitzaufwuchsund inzwischen in Neumünsterlebt. „Spegel,SpegelandeWand“,schreibt er, „wat is dat Schöönstein uns Land?“ Wer weiß, viel-leicht ist esdieserKalender.De Plattdüütsche Kalenner 2014,Wachholtz-Verlag, 9,90Euro

Watt,dasaussiehtwieeinFluss-Delta. Strandabschnitte wie Dü-neninderWüste:DieFormenderNatur kehren wieder, und daskostet das Bändchen „WeitesLicht auf stillem Land“ genüss-lich aus. Selbstverständlich gehtes dabei um höchste idyllischeFotos norddeutscher Küsten-landschaften, und selbstver-ständlich sind ebenso karge wiepoetische Kurzverse hinzuge-fügt. Die Fotos machte Martin

Stock,dieTextedazuhatCordulaHennegedichtet.Weites Licht auf stillemLand. Im-pressionen in Wort und Bild,Wachholtz-Verlag, 12,80Euro

Mit zwei Entrümplern ist dieHamburgerAutorinBruniPrass-ke, die über soziale Probleme inallen Erdteilen schrieb und diezugehörigen Menschen porträ-tierte, in Hamburg unterwegsgewesen. Die beiden Männermachen den Job seit vielen Jah-ren,siefreuensichüberdenWei-terbildungs-Effekt und gehenzartfühlend mit Hinterlassen-schaften um, die Angehörigevielleichtnichtverkraftenkönn-ten. Und Dinge einfach ungese-hen wegzuwerfen, ist für sie oh-nehinkeineOption.Bruni Prasske: Die Entrümpler.WasDachbödenundKellerregaleüber das Leben erzählen, Deut-scher Taschenbuch Verlag, 96 S.,14,90Euro

WarenSie schonmal inHanno-vers Pagode? Im Rosencafé, inder Gartenbauschule? Wahr-scheinlichnicht, undwerbeson-dere Orte in einer Stadt finden

will, die das auf den ersten Blickvielleicht nicht vermuten lässt,ist mit dem Buch „111 Orte inHannover, die man gesehen ha-ben muss“ gut bedient. Texteund Fotos sind da wie in einemkleinenReiseführerzusammen-gestellt, der zum Beispiel auchvom jüdischen Friedhof, demHundeloch und dem Pfeffer-haus erzählt.Cornelia Kuhnert: 111 Orte inHannover, die man gesehen ha-ben muss, Emons Verlag, 240 S.,14,95 Euro

„Auf Augenhöhe – Interreligiö-seGesprächeüberKunst“heißtein Band, denMarion Koch,Mit-arbeiterin er Hamburger Kunst-halle, aus ihren InterreligiösenDialogen vor Bildern destillierthat. Hierfür lädt sie regelmäßigVertreter jüdischer, muslimi-scher, christlicher, hinduisti-scher und buddhistischer Glau-bensgemeinschaften ein, umdrei, vier Bilder unter jeweils ei-nem bestimmten Aspekt zu be-sprechen. „Gottesvorstellun-gen“ können das sein, „Initiati-onsriten“, „Gebete“ und „Bestat-tungsrituale“, und zu den Ge-

sprächspartnern zählen unteranderem Imamin Halina Krau-sen und Michael Studemund-Halévy vom Institut für die Ge-schichtederdeutschen Juden.Auf Augenhöhe. InterreligiöseGespräche über Kunst, Hg. Mari-on Koch und die HamburgerKunsthalle, Michael Imhof Ver-lag 2013, 176 S., 19,95 Euro

Gleich zwei Bände mit Hallig-Geschichten und ImpressionenhatderlangjährigeHallig-PastorDietrich Heyde herausgegeben.„DerOrt,andemichlebe, isteineWasserwüste“, schreibt er zumBeispiel und erzählt, wie diesdenAlltag durchschütteln kann.Andere Texte handeln von Be-gegnungen mit Halligbewoh-nern, diekarg, aber treffend ihreAbhängigkeit vom Meer be-schreiben.Dazugibt’sMeer-undHalligfotos.DietrichHeyde:EineHandvollEr-de im Meer. Halliggeschichten,Wachholtz-Verlag 2013, 96 S.,12,80EuroDietrich Heyde: Bilder von Him-melundErde–unterwegsnotiert,Wachholtz-Verlag 2013, 96 S.,12,80Euro

Marmeladen aus Yorkshire, Fül-lungen für den Weihnachtstrut-hahn oder speziellere Delikates-senwiedas schottischeNational-gericht Haggis. Das besteht vor-nehmlich aus Innereien undstand zunächst nur als Deko imSchaufenster. „Danngabeseinenwahnsinnigen Run darauf, undjetzt sind die Haggis-Dosen imSortiment.“

In den Regalen winken aberauch solarbetriebene Wackel-Queens, da liegen Pappgeschirrmit demUnion Jack und Spardo-sen in Telefonzellenform. Imhinteren Zimmer des Ladens ste-hen hohe Kleiderschränke. DieWände zieren bunt gemusterte

Tapeten, und in derwinzigen ab-geteilten Umkleidekabine stehtein alter Plüschsessel mit Blu-menmuster. Kleidung von FredPerry, Ben Sherman oder Duffle-coats von Gloverall hängen anden Kleiderstangen.

„Es ist keine Trendware, son-dern eher Dauerbrenner“, sagtPeters, die momentan im Mut-terschutz ist und deshalb seltenim Laden steht. Vertreten wirdsie durch ihreMutter Margot Pe-ters. Die 63-Jährige holt unterdemTresennocheinenbesonde-ren Klassiker hervor: Bunt ge-streifte Corgi-Socken vom Hof-lieferanten des englischen Kö-nigshauses aus Wales. „Die trägt

auch Prinz Charles“, sagt die 63-Jährige. Die Kundschaft im La-den sei ein bunter Querschnittder Gesellschaft. „Die Hambur-ger sind sehr anglophil“, findetMargot Peters. Viele führen gernimUrlaub nach Großbritannien,andere hätten einen persönli-cheren Bezug zur Insel.

Kundin Kirsten BorchardtzumBeispiel sucht zwischendenRegalen ihre Lieblingsteesorte.„Ich war als Au-Pair in Englandund bin an der Sorte hängen ge-blieben“, sagt sie.ClemensausAl-tona wiederum geht zielstrebigauf die Marmeladengläser zu. Erist Stammkunde im britischenShop. „Wegen der Orangenmar-

melade mit Whisky“, sagt er.Auch er hat einen Bezug zumLand, sein Vater ist Engländer.„Hier im Laden finde ich Lebens-mittel, die ich vermisst habe.“ SogehtesauchAnneausAustralien.„Von meiner Mutter wurde dasBritische immersehrhochgehal-ten“, erzählt sie. Sie selbst kom-me einmal im Monat in den La-den – ebenfalls für ihren Lieb-lingstee. Meist wandere abernoch mehr in ihren Einkaufs-korb. „Hier gibt es einfach so vie-le Sachen zu entdecken.“

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52 SONNABEND/SONNTAG, 14./15. DEZEMBER 2013 TAZ.AM WOCHENENDE GESCHENKE • WIESE | nordtaz.nord | Harkortstraße 81 | 22765 Hamburg | [email protected] | www.taz.de

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gische Geschichte weilt – viel-leicht nicht der echte ist, kommtman in etwa in jener Realitäts-sphäre an, in der sich auch dieLüng-Geschichte bewegt: im Be-reich der Legende, der Mythen –kurz: dessen, was für Identität,auch regionale, über Generatio-nen wichtig ist.

Überliefert wurden Balladenwie die von Pidder Lüng langeZeitmündlich, schöngereimtge-sungenmeist, unddas ist eine ei-gentlich recht zuverlässige Me-thode: Nicht nur, dass VersmaßundReimbeimMemorierenhel-fen; die feste Form macht auchAbweichungen schwer, sodassweitweniger vergessen oder ver-fälschtwerdenkann, alswenn je-

manddenTextmechanisch,viel-leicht unkonzentriert ab-schreibt.

Natürlich sind norddeutscheBalladen und andere Gesängetrotzdem aufgeschrieben wor-den und zum Beispiel in demneuen Bändchen „Heut bin ichüber Rungholt gefahren“ ver-sammelt. „Die schönsten Balla-den aus Nord- und Ostfriesland“hießt das von Helga Ramgeedierte Büchlein, und da ist vielvonMühsal dermit Einsamkeit –zumBeispiel aufderHallig –undNaturgewalten die Rede: DetlefLiliencrons „Trutz, blanke Hans“ist da natürlich vertreten, „AusSturmes Not“ von Julius Wol,„Der Tod in denDünen“ von Wil-helm Lobsien, „Frauke von Bor-kum“ von Georg Ruseler. „EenBoot is noch buten“ von ArnoHolz klingt nur im Titel platt,und überhaupt sind alle Textebrav hochdeutsch geschrieben.

Nach der Lektüre des Bänd-chens ist auch der Zugereiste der

Husumer Theatergruppe„5plus1“ neu ediert worden. Undabgesehen davon, dass sich – bisin den langsamen Erzählrhyth-mushineinangenehmes– Lokal-kolorit findet, transportiert derRoman auch handfest sozialre-formerische Ideen.

Das hängt vermutlich damitzusammen, dass die Autorin,1867 inHusumgeborenund1939in Hamburg gestorben, selbstkeine Duckmäuserin war: Mit 17veröffentlichte sie ihre erste Er-zählung, schrieb Erzählungenund Fortsetzungsromane fürHusumer Zeitungen und konntespäter sogar vom Romanschrei-ben leben.

Den Durchbruch brachte das„Tagebuch einer Verlorenen“, das1905 erschien und vom Abstiegeines jungen Mädchens in dieProstitution handelt. Ganz sodrastisch ergeht es der Protago-nistin von „Sarah Lindholm“nicht. Aber auch ihr, der ChefineinerWerft ander schleswig-hol-steinischen Westküste, geht esum die zu kurz Gekommenen:Gegen viele Widerstände desmännerdominierten Gewerbessetzt sie den Bau einer KoloniefürdieArbeiterdurch,dieWerks-wohnungen, KulturzentrumundGeschäfte enthält.

Der Roman „Die Frauen vonVolderwiek“ vonFriederikeHen-rietteKraze (1870bis 1936) istumeinige Nuancen sanfter, verhan-delt abergleichfallsweiblicheLe-bensentwürfe. Er erzählt vomSchicksal dreier Mädchen auf Ei-derstedt, die verschiedene Vari-anten damals denkbarer Frauen-schicksale durchdeklinierenunddie Jahrhundertwende auchdiesbezüglich als Scharnier be-greifen: Zwischen dem Verwei-len im elterlichenHaushalt nacherfolgloser Partnersuche, demLehrerinnendasein undder Idee,Philosophie zu studieren, chan-gieren die Optionen.

Kraze hat in ihren Romanenund Erzählungen, von denen sie– einst Erzieherin – lebenkonnte,aber nicht nur soziale Problemedurchleuchtet. Ihr wichtigsterRoman „Die magischen Wälder“,1933 unter dem Pseudonym„Heinz Gumprecht“ erschienen,erzählt von deutschen Kriegsge-fangen im ErstenWeltkrieg in Si-birien.

Helga Ramge: Heut bin ich über

Rungholt gefahren. Die schönsten

Balladen aus Nord- und Ostfries-

land, Husum Verlag 2013, 112 S.,

6,95 Euro

Margarete Böhme: Sarah von Lind-

holm, Husum Verlag 2012, 312 S.,

12,95 Euro

Friederike H. Kraze: Die Frauen von

Volderwiek, Husum Verlag 2013,

140 S., 7,95 Euro

Lewwer duad üs SlaavREGIONALLITERATUR

Identität stiftende –oder wiederbelebende –Balladen undRomane überunbeugsameNorddeutsche wiePidder Lüng habenKonjunktur. Und fürZugereiste sind eswichtigeInformationenüberWohl undWeheder vorgefundenenEinheimischen

Die Geschichte vonPidder Lüng und ande-ren Kämpfern – obgegen Obrigkeit oderNatur – stiftet imFriesischen bis heuteIdentität

VON PETRA SCHELLEN

Erinnern Sie sich noch an PidderLüng?DenFischer, derdenZehn-ten nicht zahlen wollte und denAmtmann daraufhin im heißenGrünkohltopf erstickte? Gut istes nicht ausgegangen damals,denn sie haben Lüng trotzdemgeschnappt und umgebracht,aber noch imTod soll er „Lewwerduad üs Slaav!“ gerufen haben,lieber tot als Sklave.

Dasklingt fastwiedieLegendevon Klaus Störtebeker, der sich,nachdemman ihnzumTodever-urteilt hatte, ausbedang, dass soviele Mitstreiter gerettet wür-den,wie erohneKopfwürdepas-sieren können. Sein Rumpfschaffte einige, aber ob seineHamburger Henker Wort hiel-ten, ist nicht überliefert.

Wennman jetztnochbedenkt,dass der Störtebeker-Schädel –der nach einem mysteriös-un-professionellen Diebstahl jetztwieder imMuseumfürHambur-

wichtigsten Regionallegendenkundig – ganz abgesehen davon,dass es auch auf den zugehöri-genZeichnungengewaltigbraustund tost. Denn das Sich-Behaup-ten gegen die stetig bedrohlicheNatur – insbesondere das Meer –ist dieser Landschaft und ihrenMenschen eingefräst.

Deshalb ist es nicht überra-schend, dass auch in der Prosades 19. Jahrhunderts, die der Lite-raturwissenschaftler Arno Bam-mé und das Nordfriesische Insti-tut in den letzten Jahren konzen-triert neu herausgegeben haben,oft starke, unbeugsame Frauenzu finden sind.

MargareteBöhmes„SarahvonLindholm“ ist allerdings von der

Sagenumwobener Ort: Das 1362 überspülte Rungholt auf einer historischen Karte Foto: dpa