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- DIE GEHEIMWISSENSCHAFT

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Anthroposophische Weltanschauung

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RUDOLF STEINER

DIE GEHEIMWISSENSCHAFT

IM UMRISS

VERLAG FREIES GEISTESLEBEN STUTTGART 1948

1. - 10. Tausend der deutschen Ausgabe 1948Mit Genehmigung von Frau Marie Steiner

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzungin fremde Sprachen, bleiben dem Autor vorbehalten

Veröffentlicht unter Zulassung US-W- 1115der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung

Verfasser: Dr. Rudolf Steiner, geh. Kraljevec 27. 2. 1861,gest. Dornach 30. 3. 1925

Druck: Union Druckerei GmbH. Stuttgart

INHALT

Vorrede zur zwanzigsten Auflage ...................................……......... IX

Charakter der Geheimwissenschaft ..............................…................ 1

Wesen der Menschheit ....................................................…............. 22

Schlaf und Tod ................................................................…............. 52

Die Weltentwickelung und der Mensch .......................................... 113

Die Erkenntnis der höheren Welten(Von der Einweihung oder Initiation) ......................….................... 286

Gegenwart und Zukunft der Welt-und Menschheits-Entwickelung ................................…................... 391

Einzelheiten aus dem Gebiete der GeisteswissenschaftDer Ätherleib des Menschen .................................…................... 414Die astralische Welt ..............................................…................... 417Vom Leben des Menschen nach dem Tode ..........…................... 418Der Lebenslauf des Menschen ...................................….............. 421Die höheren Gebiete der geistigen Welt ....................….............. 423Die Wesensglieder des Menschen .............................….............. 425Der Traumzustand ....................................................…............... 426Zur Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse ................…............ 427

Beobachtung besonderer Ereignisse und Wesen der Geisteswelt.... 428Besondere Bemerkungen ........................................................…..... 430Vorrede zur fünfzehnten Auflage ............................................…... 437Vorbemerkungen zur vierten Auflage ....................................….... 438Vorbemerkungen zur ersten Auflage ....................................…....... 447

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Vorrede zur zwanzigsten Auflage

(1) Jetzt, nachdem fünfzehn Jahre seit dem ersten Erscheinen dieses Buches verflossen sind,darf ich wohl vor der Öffentlichkeit einiges sagen über die Seelenverfassung, aus der herauses entstanden ist.

(2) Ursprünglich war mein Plan, seinen wesentlichen Inhalt als letztes Kapitel meinem langevorher erschienenen Buche „Theosophie“ anzufügen. Das ging nicht. Dieser Inhalt rundetesich damals, als die „Theosophie“ ausgeführt wurde, nicht in der Art in mir ab wie derjenigeder „Theosophie“. Ich hatte in meinen Imaginationen das geistige Wesen des Einzelmenschenvor meiner Seele stehen und konnte es darstellen, nicht aber standen damals schon diekosmischen Zusammenhänge, die in der „Geheimwissenschaft“ darzulegen waren, ebenso vormir. Sie waren im einzelnen da, nicht aber im Gesamtbild.

(3) Deshalb entschloß ich mich, die „Theosophie“ mit dem Inhalte erscheinen zu lassen, denich als das Wesen im Leben eines einzelnen Menschen erschaut hatte, und die„Geheimwissenschaft“ in der nächsten Zeit in aller Ruhe durchzuführen.

(4) Der Inhalt dieses Buches mußte nach meiner damaligen Seelenstimmung in Gedankengegeben werden, die für die Darstellung des Geistigen geeignete weitere Fortbildungen der inder Naturwissenschaft angewendeten Gedanken sind. Man wird es den hier, wiederabgedruckten „Vorbemerkungen zur ersten Auflage“ anmerken, wie stark ich mich mit allem,was ich damals über Geisteserkenntnis schrieb, vor der Naturwissenschaft verantwortlichfühlte.

(5) Aber man kann in solchen Gedanken allein nicht das zur Darstellung bringen, was sichdem geistigen Schauen als Geistwelt offenbart. Denn diese Offenbarung geht in einen bloßenGedankeninhalt nicht ein. Wer das Wesen solcher Offenbarung erlebend, kennen gelernt hat,der weiß, daß die Gedanken des gewöhnlichen Bewußtseins nur geeignet sind, das sinnlichWahrgenommene, nicht aber das geistig Geschaute, auszudrücken.

(6) Der Inhalt des geistig Geschauten läßt sich nur in Bildern (Imaginationen) wiedergeben,durch welche Inspirationen sprechen, die von intuitiv erlebter geistiger Wesenheit herrühren.(Über das Wesen von Imagination, Inspiration und Intuition findet man das Notwendige indieser „Geheimwissenschaft“ selbst und in meinem Buche: ;Wie erlangt man Erkenntnisse derhöheren Welten?“.)

(7) Aber der Darsteller der Imaginationen aus der Geistwelt kann gegenwärtig nicht bloßdiese Imaginationen hinstellen. Er stellte damit etwas dar, das als ein ganz andererBewußtseinsinhalt neben dem Erkenntnisinhalt unseres Zeitalters, ohne allen Zusammenhangmit diesem, stünde. Er muß das gegenwärtige Bewußtsein mit dem erfüllen, was ein anderesBewußtsein, das in die Geistwelt schaut, erkennen kann. Dann wird seine Darstellung dieseGeistwelt zum Inhalte haben; aber dieser Inhalt tritt in der Form von Gedanken auf, in die erhineinfließt. Dadurch wird er dem gewöhnlichen Bewußtsein, das im Sinne der Gegenwartdenkt, aber noch nicht in die Geistwelt hineinschaut, voll verständlich.

(8)Diese Verständlichkeit bleibt nur dann aus, wenn man sich selbst Hindernisse vor sie legt.Wenn man die Vorurteile, die die Zeit aus einer falsch aufgefaßten Naturanschauung von„Grenzen der Erkenntnis“ sich gebildet hat, zu den eigenen macht.

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(9) Im Geist-Erkennen ist alles in intimes Seelenerleben getaucht. Nicht nur das geistigeAnschauen selbst, sondern auch das Verstehen, das das nichtschauende gewöhnlicheBewußtsein den Ergebnissen des Schauenden entgegenbringt.

(10) Von dieser Intimität hat keine Ahnung, wer in dilettantischer Art davon spricht, daß der,der zu verstehen glaubt, sich das Verständnis selbst suggeriert.

(11) Aber es ist so, daß, was innerhalb des Begreifens der physischen Welt bloß in Begriffenals Wahrheit oder Irrtum sich auslebt, der geistigen Welt gegenüber Erlebnis wird.

(12) Wer in sein Urteil nur leise empfindend die Behauptung einfließen läßt, das geistigGeschaute sei von dem gewöhnlichen, noch nicht schauenden Bewußtsein – wegen dessenGrenzen – nicht erfaßbar, dem legt sich dieses empfindende Urteil wie eine verfinsterndeWolke vor das Erfassen; und er kann wirklich nicht verstehen.

(13) Aber dem unbefangenen nichtschauenden Bewußtsein ist das Geschaute vollverständlich, wenn es der Schauende bis in die Gedankenform hineinbringt. Es istverständlich, wie dem Nichtmaler das fertige Bild des Malers verständlich ist. Und zwar istdas Verständnis der Geistwelt nicht das künstlerisch-gefühlsmäßige wie bei einemKunstwerke, sondern ein durchaus gedankenmäßiges wie der Naturerkenntnis gegenüber.

(14) Um aber ein solches Verständnis wirklich möglich zu machen, muß der Darsteller desgeistig Geschauten seine Schauungen bis zu einem richtigen Hineingießen in dieGedankenform bringen, ohne daß sie innerhalb dieser Form ihren imaginativen Charakterverlieren.

(15) Das stand alles vor meiner Seele, als ich meine „Geheimwissenschaft“ ausarbeitete.

(16) 1909 fühlte ich dann, daß ich mit diesen Voraussetzungen ein Buch zustande bringenkönne, das: erstens den Inhalt meiner Geistesschau bis zu einem gewissen, aber zunächstgenügenden Grade, in die Gedankenform gegossen, brachte; und das zweitens von jedemdenkenden Menschen, der sich keine Hindernisse vor das Verständnis legt, verstandenwerden kann.

(17) Ich sage das heute, indem ich zugleich ausspreche, daß damals (1909) mir dieVeröffentlichung des Buches als ein Wagnis erschien. Denn ich wußte ja, daß die geforderteUnbefangenheit gerade diejenigen nicht aufbringen können, die Naturwissenschaft beruflichtreiben, und ebensowenig alle die zahlreichen Persönlichkeiten, die in ihrem Urteile vondiesen abhängig sind.

(18) Aber es stand gerade die Tatsache vor meiner Seele, daß in der Zeit, in der sich dasBewußtsein der Menschheit von der Geisteswelt am weitesten entfernt hatte, die Mitteilungenaus dieser Geistwelt einer allerdringendsten Notwendigkeit entsprachen.

(19) Ich zählte darauf, daß es auch Menschen gibt, die mehr oder weniger die Entfernung vonaller Geistigkeit so schwer als Lebenshindernis empfinden, daß sie zu Mitteilungen aus derGeistwelt mit innerer Sehnsucht greifen.

(20) Und die folgenden Jahre haben das ja voll bestätigt. Die „Theosophie“ und„Geheimwissenschaft“ haben als Bücher, die im Leser guten Willen voraussetzen, auf eineschwierige Stilisierung einzugehen, weite Verbreitung gefunden.

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(21) Ich habe ganz bewußt angestrebt, nicht eine „populäre“ Darstellung zu geben, sonderneine solche, die notwendig macht, mit rechter Gedankenanstrengung in den Inhalthineinzukommen. Ich habe damit meinen Büchern einen solchen Charakter aufgeprägt, daßderen Lesen selbst schon der Anfang der Geistesschulung ist. Denn die ruhige, besonneneGedankenanstrengung, die dieses Lesen notwendig macht, verstärkt die Lebenskräfte undmacht sie dadurch fähig, der geistigen Welt nahe zu kommen.

(22) Daß ich dem Buche den Titel „Geheimwissenschaft“ gegeben habe, hat sogleichMißverständnisse hervorgerufen. Von mancher Seite wurde gesagt, was „Wissenschaft“ seinwill, darf nicht „geheim“ sein. Wie wenig bedacht war ein solcher Einwand. Als ob jemand,der einen Inhalt veröffentlicht, mit diesem „geheim“ tun wolle. Das ganze Buch zeigt, daßnichts als „geheim“ bezeichnet, sondern eben in eine solche Form gebracht werden sollte, daßes verständlich sei wie nur irgendeine „Wissenschaft“. Oder will man, wenn man das Wort„Naturwissenschaft“ gebraucht, nicht andeuten, daß es sich um Wissen von der „Natur“handelt? Geheimwissenschaft ist Wissenschaft von dem, was sich insofern im „geheimen“abspielt, als es nicht draußen in der Natur wahrgenommen wird, sondern da, wohin die Seelesich orientiert, wenn sie ihr Inneres nach dem Geiste richtet.

(23) „Geheimwissenschaft“ ist Gegensatz von „Naturwissenschaft“.

(24) Meinen Schauungen in der geistigen Welt hat man immer wieder entgegengehalten, sieseien veränderte Wiedergaben dessen, was im Laufe älterer Zeit an Vorstellungen derMenschen über die Geistwelt hervorgetreten ist. Man sagte, ich hätte mancherlei gelesen, esins Unterbewußte aufgenommen und dann in dem Glauben, es entspringe aus dem eigenenSchauen, zur Darstellung gebracht. Aus gnostischen Lehren, aus orientalischenWeisheitsdichtungen usw. soll ich meine Darstellungen gewonnen haben.

(25) Man ist, indem man dieses behauptet hat, mit den Gedanken ganz an der Oberflächegeblieben.

(26) Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewußt, sind Ergebnisseeigenen Schauens. Ich hatte jederzeit bei allen Einzelheiten und bei den großen Übersichtenmich streng geprüft, ob ich jeden Schritt im schauenden Weiterschreiten so mache, daßvollbesonnenes Bewußtsein diese Schritte begleite. Wie der Mathematiker von Gedanke zuGedanke schreitet, ohne daß Unbewußtes, Autosuggestion usw. eine Rolle spielen, so – sagteich mir –, muß geistiges Schauen von objektiver Imagination zu objektiver Imaginationschreiten, ohne daß etwas anderes in der Seele lebt als der geistige Inhalt klar besonnenenBewußtseins.

(27) Daß man von einer Imagination weiß, sie ist nicht bloß subjektives Bild, sondernBildwiedergabe objektiven Geistinhaltes, dazu bringt man es durch gesundes inneres Erleben.Man gelangt dazu auf geistigseelische Art, wie man im Bereich der Sinnesanschauung beigesunder Organisation Einbildungen von objektiven Wahrnehmungen richtig unterscheidet.

(28) So hatte ich die Ergebnisse meines Schauens vor mir. Sie waren zunächst„Anschauungen“, die ohne Namen lebten.

(29) Sollte ich sie mitteilen, so bedurfte es der Wortbezeichnungen. Ich suchte dann späternach solchen in älteren Darstellungen des Geistigen, um das noch Wortlose in Wortenausdrücken zu können. Ich gebrauchte diese Wortbezeichnungen frei, so daß wohl kaum einederselben in meinem Gebrauch zusammenfällt mit dem, was sie dort war, wo ich sie fand.

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(30) Ich suchte aber nach solcher Möglichkeit, mich auszudrücken, stets erst, nachdem mirder Inhalt im eigenen Schauen aufgegangen war.

(31) Vorher Gelesenes wußte ich beim eigenen forschenden Schauen durch dieBewußtseinsverfassung, die ich eben geschildert habe, auszuschalten.

(32) Nun fand man in meinen Ausdrücken Anklänge an ältere Vorstellungen. Ohne auf denInhalt einzugehen, hielt man sieh an solche Ausdrücke. Sprach ich von „Lotosblumen“ in demAstralleib des Menschen, so war das ein Beweis, daß ich indische Lehren, in denen man denAusdruck findet, wiedergäbe. Ja, sprach ich nur von „Astralleib“, so war dies das Ergebnisdes Lesens mittelalterlicher Schriften. Gebrauchte ich die Ausdrücke: Angeloi, Archangeloiusw., so erneuerte ich einfach die Vorstellungen christlicher Gnosis.

(33) Solches ganz an der Oberfläche sich bewegende Denken fand ich immer wieder mirentgegengehalten.

(34) Auch auf diese Tatsache wollte ich gegenwärtig beim Wiedererscheinen der„Geheimwissenschaft“ in neuer Auflage hinweisen. Das Buch enthält ja die Umrisse derAnthroposophie als eines Ganzen. Es wird daher vorzüglich betroffen von denMißverständnissen, denen diese ausgesetzt ist.

(35) Ich habe seit der Zeit, in der in meiner Seele die Imaginationen, die das Buchwiedergibt, in ein Gesamtbild zusammengeflossen sind, unausgesetzt das forschende Schauenin den Menschen, in das geschichtliche Werden der Menschheit, in den Kosmos usw.fortgebildet; ich bin im einzelnen zu immer neuen Ergebnissen gekommen. Aber, was ich inder „Geheimwissenschaft“ vor fünfzehn Jahren als Umriß gegeben habe, ist für mich in nichtserschüttert worden. Alles, was ich seither sagen konnte, erscheint, wenn es an der rechtenStelle diesem Buche eingefügt wird, als eine weitere Ausführung der damaligen Skizze.

Goetheanum, 10. Januar 1925 Rudolf Steiner

Vorrede zur fünfzehnten Auflage

(1) Für diese Neuauflage meiner „Geheimwissenschaft im Umriß“ habe ich den erstenAbschnitt „Charakter der Geheimwissenschaft“ fast ganz neu gestaltet. Ich glaube, daßdadurch nun weniger zu den Mißverständnissen Anlaß sein wird, die ich aus der früherenFassung dieses Abschnittes heraus habe entstehen sehen. Von vielen Seiten konnte ich hören:Andere Wissenschaften beweisen; was hier als Wissenschaft sich gibt, sagt einfach: dieGeheimwissenschaft stellt dies oder jenes fest. Ein solches Vorurteil stellt sich naturgemäßein, da ja das Beweisende der übersinnlichen Erkenntnis sich durch die Darstellung nicht soaufdrängen kann wie bei der Darlegung von Zusammenhängen der sinnenfälligenWirklichkeit. Daß man es aber nur mit einem Vorurteil zu tun hat, wollte ich durch dieUmarbeitung des ersten Abschnittes dieses Buches deutlicher machen, als es mir in früherenAuflagen gelungen zu sein scheint. In den andern Teilen des Buches habe ich durchErgänzungen des Inhaltes manches Dargestellte schärfer herauszuarbeiten gesucht. Durch dasGanze hindurch habe ich mich bemüht, an zahlreichen Stellen Änderungen in der Einkleidungdes Inhalts vorzunehmen, die mir das wiederholte Durchleben des Dargestellten notwendigerscheinen ließ.

Berlin, Mai 1920, Rudolf Steiner

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Vorbemerkungen zur vierten Auflage

(1) Wer es unternimmt, geisteswissenschaftliche Ergebnisse solcher Art darzustellen, wie siein diesem Buche aufgezeichnet sind, der muß vor allen Dingen damit rechnen, daß diese Artgegenwärtig in weitesten Kreisen als eine unmögliche angesehen wird. Werden doch in denfolgenden Ausführungen Dinge gesagt, von welchen ein in unserer Zeit als streng geltendesDenken behauptet, daß sie „für menschliche Intelligenz vermutlich überhaupt unentscheidbarbleiben“. – Wer die Gründe kennt und zu würdigen weiß, welche manche ernstePersönlichkeit dazu führen, solche Unmöglichkeit zu behaupten, der möchte immer wiedervon neuem den Versuch machen, zu zeigen, auf welchen Mißverständnissen der Glaubeberuht, daß dem menschlichen Erkennen ein Eindringen in die übersinnlichen Welten versagtsei.

(2) Denn zweierlei liegt vor. Erstens wird sich Auf die Dauer keine menschliche Seele beitieferem Nachdenken vor der Tatsache verschließen können: daß ihre wichtigsten Fragen nachSinn und Bedeutung des Lebens unbeantwortet bleiben müßten, wenn es einen Zugang zuübersinnlichen Welten nicht gäbe. Man kann sich theoretisch über diese Tatsachenhinwegtäuschen; die Tiefen des Seelenlebens gehen aber mit dieser Selbsttäuschung nicht mit.– Wer auf diese Seelentiefen nicht hinhören will, der wird Ausführungen über dieübersinnlichen Welten naturgemäß ablehnen. Doch gibt es eben Menschen, deren Zahlwahrhaft nicht gering ist, welche unmöglich sich taub gegen die Forderungen dieser Tiefenverhalten können. Sie müssen stets an die Pforten klopfen, welche nach der Meinung deranderen das „Unfaßbare“ verschließen.

(3) Zweitens, es sind die Darlegungen des „strengen Denkens“ keineswegs gering zu achten.Wer sich mit ihnen beschäftigt, der wird da, wo sie ernst zu nehmen sind, diesen Ernstdurchaus mitfühlen. Der Schreiber dieses Buches möchte nicht als ein solcher angesehenwerden, der leichten Herzens sich hinwegsetzt über die gewaltige Gedankenarbeit, dieaufgewendet worden ist, um die Grenzen des menschlichen Intellektes zu bestimmen. DieseGedankenarbeit läßt sich nicht abtun mit einigen Redensarten über „Schulweisheit“ unddergleichen. So wie sie in vielen Fällen auftritt, hat sie ihren Quell in wahrem Ringen derErkenntnis und in echtem Scharfsinn. – Ja, es soll noch viel mehr zugegeben werden: es sindGründe dafür vorgebracht worden, daß diejenige Erkenntnis, welche gegenwärtig alswissenschaftlich gilt, nicht in die übersinnlichen Welten vordringen kann, und diese Gründesind in gewissem Sinne unwiderleglich.

(4) Weil dies von dem Schreiber dieses Buches ohne weiteres selbst zugegeben wird, deshalbkann es manchem ganz sonderbar erscheinen, daß er es nun doch unternimmt, Ausführungenzu machen, die sich auf übersinnliche Welten beziehen. Es scheint ja fast ausgeschlossen zusein, daß jemand die Gründe für, die Unerkennbarkeit der übersinnlichen Welten in gewissemSinne gelten läßt und dennoch von diesen übersinnlichen Welten spricht.

(5) Und doch kann man sich so verhalten. Und man kann zugleich begreifen, daß diesesVerhalten als widerspruchsvoll empfunden wird. Es läßt sich eben nicht jedermann auf dieErfahrungen ein, welche man macht, wenn man mit dem menschlichen Verstande an dasübersinnliche Gebiet heranrückt. Da stellt sich heraus, daß die Beweise dieses Verstandeswohl unwiderleglich sein können; und daß sie trotz ihrer Unwiderleglichkeit für dieWirklichkeit nicht entscheidend zu sein brauchen. Statt aller theoretischenAuseinandersetzungen sei hier versucht, durch einen Vergleich eine Verständigungherbeizuführen. Daß Vergleiche selbst nicht beweisend sind, wird dabei ohne weitereszugegeben; doch hindert dies nicht, daß sie oft verständlich machen, was ausgedrückt werdensoll.

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(6) Das menschliche Erkennen, so wie es im alltäglichen Leben und in der gewöhnlichenWissenschaft arbeitet, ist wirklich so beschaffen, daß es in die übersinnlichen Welten nichteindringen kann. Dies ist unwiderleglich zu beweisen; allein dieser Beweis kann für einegewisse Art des Seelenlebens keinen anderen Wert haben als derjenige, welchen jemandunternehmen wollte, um zu zeigen, daß das natürliche Auge des Menschen mit seinemSehvermögen nicht bis zu den kleinen Zellen eines Lebewesens oder bis zur Beschaffenheitferner Himmelskörper vordringen kann. So richtig und beweisbar die Behauptung ist: dasgewöhnliche Sehvermögen dringt nicht bis zu den Zellen, so richtig und beweisbar ist dieandere, daß das gewöhnliche Erkennen nicht in die übersinnlichen Welten eindringen könne.Und doch entscheidet der Beweis, daß das gewöhnliche Sehvermögen vor den Zellenhaltmachen muß, nichts gegen die Erforschung der Zellen. Warum sollte der Beweis, daß dasgewöhnliche Erkenntnisvermögen vor den übersinnlichen Welten haltmachen muß, etwasgegen die Erforschbarkeit dieser Welten entscheiden?

(7) Man kann die Empfindung fühlen, welche mancher bei diesem Vergleiche haben muß.Man kann selbst mitempfinden, wenn gezweifelt wird, daß jemand den ganzen Ernst dererwähnten Gedankenarbeit auch nur ahnt, der dieser Arbeit mit einem solchen Vergleichentgegentritt. Und doch ist derjenige, welcher dieses schreibt, von diesem Ernste nicht nurdurchdrungen, sondern er ist der Ansicht, daß diese Gedankenarbeit zu den edelstenLeistungen der Menschheit zählt. Zu beweisen, daß das menschliche Sehvermögen nicht ohneBewaffnung zu den Zellen gelangen könne, wäre allerdings ein unnötiges Beginnen; instrengem Denken sich der Natur dieses Denkens bewußt werden, ist notwendigeGeistesarbeit. Daß derjenige, welcher sich solcher Arbeit hingibt, nicht bemerkt, daß dieWirklichkeit ihn widerlegen kann, ist nur allzu verständlich. So wenig in denVorbemerkungen zu diesem Buche der Platz sein kann, auf manche „,Widerlegungen“ derersten Auflagen von seiten solcher Persönlichkeiten einzugehen, denen alles Verständnis fürdas Erstrebte abgeht oder welche ihre unwahren Angriffe auf die Person des Verfassersrichten, so sehr muß betont werden, daß in dem Buche eine Unterschätzung ernsterwissenschaftlicher Denkerarbeit nur der vermuten kann, der sich vor der Gesinnung derAusführungen verschließen will.

(8) Das Erkennen des Menschen kann verstärkt, erkraftet werden, wie das Sehvermögen desAuges verstärkt werden kann. Nur sind die Mittel zur Erkraftung des Erkennens durchaus vongeistiger Art; sie sind innere, rein seelische Verrichtungen. Sie bestehen in dein“ was indiesem Buche als Meditation, Konzentration, Kontemplation beschrieben wird. Dasgewöhnliche Seelenleben ist an die Werkzeuge des Leibes gebunden; das erkrafteteSeelenleben macht sich davon frei. Es gibt Gedankenrichtungen der Gegenwart, für welcheeine solche Behauptung ganz unsinnig erscheinen muß, für welche sie nur aufSelbsttäuschung beruhen muß. Solche Gedankenrichtungen werden es von ihremGesichtspunkte aus leicht finden, nachzuweisen, wie „alles Seelenleben“ an dasNervensystem gebunden sei. Wer auf dem Standpunkte steht, von dem aus dieses Buchgeschrieben ist, der versteht durchaus solche Beweise. Er versteht die Menschen, welchesagen, es könne nur Oberflächlichkeit behaupten, daß man irgend ein vom Leibeunabhängiges Seelenleben haben könne. Welche ,ganz davon überzeugt sind, daß für solcheSeelenerlebnisse ein Zusammenhang mit dem Nervenleben vorliegt, den„geisteswissenschaftlicher Dilettantismus“ nur nicht durchschaut.

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(9) Hier stehen demjenigen, was in diesem Buche geschildert wird, gewisse – durchausbegreifliche – Denkgewohnheiten so schroff gegenüber, daß mit vielen eine Verständigunggegenwärtig noch ganz aussichtslos ist. Man steht hier eben vor dem Punkte, an welchem sichder Wunsch geltend machen muß, daß es in der Gegenwart dem Geistesleben nicht mehrentsprechen sollte, eine Forschungsrichtung sogleich als Phantasterei, Träumerei usw. zuverketzern, die schroff von der eigenen abweicht. – Auf der andern Seite steht aber dochschon gegenwärtig die Tatsache, daß für die übersinnliche Forschungsart, wie sie auch indiesem Buche dargestellt wird, eine Anzahl von Menschen Verständnis, haben. Menschen,welche einsehen, daß der Sinn des Lebens sich nicht in allgemeinen Redensarten über Seele,Selbst usw. enthüllt, sondern nur durch das wirkliche Eingehen auf die Ergebnisse derübersinnlichen Forschung sich ergeben kann. Nicht aus Unbescheidenheit, sondern infreudiger Befriedigung wird von dem Verfasser dieses Buches tief empfunden dieNotwendigkeit dieser vierten Auflage nach verhältnismäßig kurzer Zeit.

(10) Um in Unbescheidenheit dies zu betonen, dazu fühlt der Verfasser nur allzudeutlich, wiewenig auch die neue Auflage dem entspricht, was sie als „Umriß einer übersinnlichenWeltanschauung“ eigentlich sein sollte. Noch einmal wurde zur Neuauflage das Ganzedurchgearbeitet, viele Ergänzungen wurden an wichtigen Stellen eingefügt, Verdeutlichungenwurden angestrebt. Doch fühlbar wurde dem Verfasser an zahlreichen Stellen, wie spröde sichdie Mittel der ihm zugänglichen Darstellung erweisen gegenüber dem, was die übersinnlicheForschung, zeigt. So konnte kaum mehr als ein Weg gezeigt werden, um zu Vorstellungen zugelangen, welche in dem Buche für Saturn-, Sonnen-, Mondenentwickelung gegeben werden.Ein wichtiger Gesichtspunkt ist in dieser Auflage auch auf diesem Gebiete in Kürze neubehandelt worden. Doch weichen die Erlebnisse in bezug auf solche Dinge so sehr von allenErlebnissen auf dem Sinnesgebiete ab, daß die Darstellung ein fortwährendes Ringen nacheinem nur einigermaßen genügend scheinenden Ausdruck notwendig macht Wer auf den hiergemachten Versuch der Darstellung einzugehen willens ist, wird vielleicht bemerken, daßmanches, was dem trockenen Worte zu sagen unmöglich ist, durch die Art der Schilderungerstrebt wird. Diese ist anders zum Beispiel bei der Saturn-, anders bei der Sonnen- usw.Entwickelung.

(11) Viele dem Verfasser des Buches wichtig erscheinende Ergänzungen und Erweiterungenerfuhr in der neuen Auflage der zweite Teil des Buches, welcher von der „Erkenntnis derhöheren Welten“ handelt. Es lag das Bestreben vor, die Art der inneren Seelenvorgängeanschaulich darzustellen, durch welche die Erkenntnis von ihren in der Sinnenweltvorhandenen Grenzen sich befreit und sich für das Erleben der übersinnlichen Welt geeignetmacht.. Versucht wurde zu zeigen, daß dieses Erleben, obwohl es durch ganz innerliche Mittelund Wege erworben wird, doch nicht eine bloß subjektive Bedeutung für den einzelnenMenschen hat, der es erwirbt. Es sollte aus der Darstellung hervorgehen, daß innerhalb derSeele deren Einzelheit und persönliche Besonderheit abgestreift und ein Erleben erreicht wird,das jeder Mensch in der gleichen Art hat, der eben in rechter Art die Entwickelung aus seinensubjektiven Erlebnissen heraus bewirkt. Erst wenn die „Erkenntnis der übersinnlichenWelten“ mit diesem Charakter gedacht wird, vermag man sie zu unterscheiden von allenErlebnissen bloß subjektiver Mystik usw. Von solcher Mystik kann man wohl sagen, daß siemehr oder weniger doch eine subjektive Angelegenheit des Mystikers ist. Diegeisteswissenschaftliche Seelenschulung, wie sie hier gemeint ist, strebt aber nach solchenobjektiven Erlebnissen, deren Wahrheit zwar ganz innerlich erkannt wird, die aber dochgerade deshalb in ihrer Allgemeingültigkeit durchschaut werden. – Auch hier ist ja wieder einPunkt, an dem eine Verständigung mit manchen Denkgewohnheiten, unserer Zeit rechtschwierig ist.

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(12) Zum Schlusse möchte der Verfasser des Buches die Bemerkung machen, daß auch vonWohlmeinenden diese Ausführungen als das hingenommen werden mögen, als was sie, sichdurch ihren eigenen Inhalt geben. Es herrscht heute vielfach das Bestreben, dieser oder jenerGeistesrichtung diesen oder jenen alten Namen zu geben. Dadurch scheint sie manchem erstwertvoll. Es darf aber gefragt werden: was sollen die Ausführungen dieses Buches dadurchgewinnen, daß man sie als „rosenkreuzerisch“ oder dergleichen bezeichnet? Worauf esankommt, ist, daß hier mit den Mitteln, welche in der gegenwärtigen Entwickelungsperiodeder Seele möglich und dieser angemessen sind, ein Einblick in die übersinnlichen Weltenversucht wird, und daß von diesem Gesichtspunkte aus die Rätsel des menschlichenSchicksals und des menschlichen Daseins über die Grenzen von Geburt und Tod hinausbetrachtet werden. Es soll sich nicht handeln um ein Streben, welches diesen oder jenen altenNamen trägt, sondern um ein Streben nach Wahrheit.

(13) Auf der andern Seite sind auch in gegnerischer Absicht. Bezeichnungen für die in demBuche dargestellte Weltanschauung gebraucht worden. Abgesehen davon, daß diejenigen, mitwelchen man den Verfasser hat am schwersten treffen und diskreditieren wollen, absurd undobjektiv unwahr. sind, charakterisieren sich solche Bezeichnungen in ihrer Unwürdigkeitdadurch, daß sie ein völlig unabhängiges Wahrheitsstreben herabsetzen, indem sie es nichtaus sich selbst beurteilen, sondern die von ihnen erfundene oder grundlos übernommene undweiter getragene Abhängigkeit von dieser oder jener Richtung andern als Urteil beibringenwollen. So notwendig diese Worte angesichts mancher Angriffe gegen den Verfasser sind, sowiderstrebt es diesem doch, an diesem Orte auf die Sache weiter einzugehen.

Geschrieben im Juni 1913 Rudolf Steiner

Vorbemerkungen zur ersten Auflage

(1) Wer ein Buch wie das vorliegende der Öffentlichkeit übergibt, der soll mit Gelassenheitjede Art von Beurteilung seiner Ausführungen stellen können, welche in der Gegenwartmöglich ist. Da könnte z.B. jemand die hier gegebene Darstellung dieses oder jenes Dinges zulesen beginnen, welcher, sich Gedanken über diese Dinge gemäß den Forschungsergebnissender Wissenschaft gemacht hat. Und er könnte zu dem folgenden Urteil kommen: „Man isterstaunt, wie dergleichen Behauptungen in unserer Zeit nur überhaupt möglich sind. Mit deneinfachsten naturwissenschaftlichen Begriffen wird in einer Weise umgesprungen, die aufeine geradezu unbegreifliche Unbekanntschaft mit selbst elementaren Erkenntnissen schließenläßt. Der Verfasser gebraucht Begriffe, wie z. B. „Wärme“, in einer Art, wie es nur jemandvermag, an dem die ganze moderne Denkweise der Physik spurlos vorübergegangen ist. Jeder,der auch nur die Anfangsgründe dieser Wissenschaft kennt, könnte ihm zeigen, daß, was er'da redet, nicht einmal die Bezeichnung Dilettantismus verdient, sondern nur mit demAusdruck: absolute Ignoranz belegt werden kann ...“ Es könnten nun noch viele solche Sätzeeiner derartigen, durchaus möglichen Beurteilung hingeschrieben werden. Man könnte sichaber nach den obigen Aussprüchen auch etwa folgenden Schluß denken: „Wer ein paar Seitendieses Buches gelesen hat, wird es, je nach seinem Temperament lächelnd oder entrüstetweglegen und sich sagen: „Es ist doch sonderbar, was für Auswüchse eine verkehrteGedankenrichtung in gegenwärtiger Zeit treiben kann. Man legt diese Ausführungen ambesten zu mancherlei anderem Kuriosen, was einem jetzt begegnet.“ – Was sagt aber nun derVerfasser dieses Buches, wenn er etwa wirklich eine solche Beurteilung erfahren würde? Mußer nicht einfach, von seinem Standpunkt aus, den Beurteiler für einen urteilsunfähigen Leserhalten oder für einen solchen, der nicht den guten Willen hat, um zu einem verständnisvollenUrteile zu kommen? – Darauf soll geantwortet werden: Nein, dieser Verfasser tut dasdurchaus nicht immer.

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Er vermag sich vorzustellen, daß sein Beurteiler eine sehr kluge Persönlichkeit, auch eintüchtiger Wissenschafter und jemand sein kann, der sich ein Urteil auf ganz gewissenhafte Artbildet. Denn dieser Verfasser ist in der Lage, sich hineinzudenken in die Seele einer solchenPersönlichkeit und die Gründe, welche diese zu einem solchen Urteil führen können. Um nunkenntlich zu machen, was der Verfasser wirklich sagt, ist etwas notwendig, was ihm selbst imallgemeinen oft unpassend scheint, wozu aber gerade bei diesem Buche eine dringendeVeranlassung ist: nämlich über einiges Persönliche zu reden. Allerdings soll in dieserRichtung nichts vorgebracht werden, was nicht mit dem Entschlusse zusammenhängt, diesesBuch zu schreiben. Was in einem solchen Buche gesagt wird, hätte gewiß kein Daseinsrecht,wenn es nur einen persönlichen Charakter trüge. Es muß Darstellungen enthalten, zu denenjeder Mensch kommen kann, und es muß so gesagt werden, daß keinerlei persönliche Färbungzu bemerken ist, soweit dies überhaupt möglich ist. In dieser Beziehung soll also dasPersönliche nicht gemeint sein. Es soll sich nur darauf beziehen, verständlich zu machen, wieder Verfasser die oben gekennzeichnete Beurteilung seiner Ausführungen begreiflich findenkann und dennoch dieses Buch schreiben konnte. Es gäbe ja allerdings etwas, was dieVorbringung eines solchen Persönlichen überflüssig machen könnte: wenn man, inausführlicher Art, alle Einzelheiten geltend machte, welche zeigen, wie die Darstellung diesesBuches in Wirklichkeit doch mit allen Fortschritten gegenwärtiger Wissenschaftübereinstimmt. Dazu wären nun aber allerdings viele Bände als Einleitung zu dem Buchenotwendig. Da diese augenblicklich nicht geliefert werden können, so scheint es demVerfasser notwendig, zu sagen, durch welche persönlichen Verhältnisse er sich berechtigtglaubt, eine solche Übereinstimmung in befriedigender Art für möglich zu halten. – Er hätteganz gewiß alles dasjenige niemals zu veröffentlichen unternommen, was in diesem Buche z.B. mit Bezug auf Wärmevorgänge gesagt wird, wenn er sich nicht das Folgende gestehendürfte: Er war vor nunmehr dreißig Jahren in der Lage, ein Studium der Physikdurchzumachen, welches sich in die verschiedenen Gebiete dieser Wissenschaft verzweigte.Auf dem Felde der Wärmeerscheinungen standen damals die Erklärungen im Mittelpunktedes Studiums, welche der sogenannten „mechanischen Wärmetheorie“ angehören. Und diese„mechanische Wärmetheorie“ interessiere ihn sogar ganz besonders. Die geschichtlicheEntwickelung der entsprechenden Erklärungen, die sich an Namen wie Julius Robert Mayer,Helmholtz, Joule, Clausius usw. damals knüpfte, gehörte zu seinen fortwährenden Studien.Dadurch hat er sich in der Zeit seiner Studien die hinreichende Grundlage und Möglichkeitgeschaffen, bis heute alle die tatsächlichen Fortschritte auf dem Gebiete der physikalischenWärmelehre verfolgen zu können und keine Hindernisse zu finden, wenn er versucht,einzudringen in alles das, was die Wissenschaft auf diesem Felde leistet. Müßte sich derVerfasser sagen: er kann das nicht, so wäre dies für ihn ein Grund, die in dem Buchevorgebrachten Dinge ungesagt und ungeschrieben zu lassen. Er hat es sich wirklich zumGrundsatz gemacht, nur über solches auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft zu reden oderzu schreiben, bei dem er in einer ihm genügend erscheinenden Art auch zu sagen wüßte, wasdie gegenwärtige Wissenschaft darüber weiß. Damit will er durchaus nicht etwas aussprechen,was eine allgemeine Anforderung an alle Menschen sein soll. Es kann jedermann sich mitRecht gedrängt fühlen, dasjenige mitzuteilen und zu veröffentlichen, wozu ihn seineUrteilskraft, sein gesunder Wahrheitssinn und sein Gefühl treiben, auch wenn er nicht weiß,was über die betreffenden Dinge vom Gesichtspunkt zeitgenössischer Wissenschaft aus zusagen ist. Nur der Verfasser dieses Buches möchte sich für sich an das oben Ausgesprochenehalten. Er möchte z.B. nicht die paar Sätze über das menschliche Drüsensystem oder dasmenschliche Nervensystem machen, welche in diesem Buche sich finden, wenn er nicht in derLage wäre, über diese Dinge auch den Versuch zu machen, in den Formen zu sprechen, indenen ein gegenwärtiger Naturgelehrter vom Standpunkte der Wissenschaft aus über dasDrüsen- oder Nervensystem spricht.

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Trotzdem also das Urteil möglich ist, derjenige, welcher so, wie es hier geschieht, über„Wärme“ spricht, wisse nichts von den Anfangsgründen der gegenwärtigen Physik, ist dochrichtig, daß sich der Verfasser dieses Buches vollberechtigt glaubt zu dem, was er getan hat,weil er die gegenwärtige Forschung wirklich zu kennen bestrebt ist, und daß er es unterlassenwürde, so zu sprechen, wenn sie ihm fremd wäre. Er weiß, wie das Motiv, aus dem heraus einsolcher Grundsatz ausgesprochen wird, recht leicht mit Unbescheidenheit verwechselt werdenkann. Es ist aber doch nötig, gegenüber diesem Buche solches auszusprechen, damit des,Verfassers wahre Motive nicht mit noch ganz anderen verwechselt werden. Und dieseVerwechslung könnte eben noch weit schlimmer sein als diejenige mit der Unbescheidenheit.

(2) Nun wäre aber auch eine Beurteilung von einem philosophischen Standpunkte ausmöglich. Sie könnte sich folgendermaßen gestalten. Wer als Philosoph dieses Buch liest, derfragt sich: „Hat der Verfasser die ganze erkenntnistheoretische Arbeit der Gegenwartverschlafen? Hat er nie etwas davon erfahren, daß ein Kant gelebt hat und daß, nach diesem,es einfach philosophisch unstatthaft ist, derlei Dinge vorzubringen?“ – Wieder könnte indieser Richtung fortgeschritten werden. Aber auch so könnte die Beurteilung schließen: „Fürden Philosophen ist derlei unkritisches, naives, laienhaftes Zeug unerträglich, und ein weiteresEingehen darauf wäre Zeitverlust.“ – Aus demselben Motiv, das oben gekennzeichnet wordenist, möchte trotz aller Mißverständnisse, die sich daran schließen können, der Verfasser auchhier wieder Persönliches vorbringen. Sein Kantstudium begann in seinem sechzehntenLebensjahre; und heute glaubt er wahrhaftig, ganz objektiv alles das, was in dem vorliegendenBuch vorgebracht wird, vom Kantschen Standpunkte aus beurteilen zu dürfen. Er würde auchvon dieser Seite her einen Grund gehabt haben, das Buch ungeschrieben zu lassen, wüßte ernicht, was einen Philosophen dazu bewegen kann, es naiv zu finden, wenn der kritischeMaßstab der Gegenwart angelegt wird. Man kann aber wirklich wissen, wie im Sinne Kantshier die Grenzen einer möglichen Erkenntnis überschritten werden; man kann wissen, wieHerbart „naiven Realismus“ finden würde, der es nicht zur „Bearbeitung der Begriffe“gebracht hat usw. usw.; man kann sogar wissen, wie der moderne Pragmatismus James,Schillers usw. das Maß dessen überschritten finden würde, was „wahre Vorstellungen“ sind,welche „wir uns aneignen, die, wir geltend machen, in Kraft setzen und verifizieren können.[* Man kann sogar die Philosophie des „Als ob“, den Bergsonismus und die „Kritik derSprache“ in ernste Erwägung gezogen und studiert haben. ]Man kann dies alles wissen und trotzdem, ja eben deshalb sich berechtigt finden, diese hiervorliegenden Ausführungen zu schreiben. Der Verfasser dieses Buches hat sich mitphilosophischen Gedankenrichtungen auseinandergesetzt in seinen Schriften„Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“, „Wahrheit und Wissenschaft“,„Philosophie der Freiheit“, „Goethes Weltanschauung“, „Welt- und Lebensanschauungen imneunzehnten Jahrhundert“, „Die Rätsel der Philosophie“.

(3) Viele Arten von möglichen Beurteilungen könnten noch angeführt werden. Es könnteauch jemanden geben, welcher eine der früheren Schriften des Verfassers gelesen hat, z. B.„Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert“ oder etwa dessen kleinesSchriftchen: „Haeckel und seine Gegner“. Ein solcher könnte sagen: „Es ist geradezu un-erfindlich, wie ein und derselbe Mensch diese Schriften und auch, neben der bereits von ihmerschienenen „Theosophie“, dieses hier vorliegende, Buch schreiben kann. Wie kann maneinmal so für Haeckel eintreten und dann wieder allem ins Gesicht schlagen, was als gesunder„Monismus“ aus Haeckels Forschungen folgt? Man könnte begreifen, daß der Verfasserdieser „Geheimwissenschaft“ mit Feuer und Schwert“ gegen Haeckel zu Felde ziehe; daß erihn verteidigt hat, ja daß er ihm sogar „Welt- und Lebensanschauungen im neunzehntenJahrhundert“ gewidmet hat, das ist wohl das Ungeheuerlichste, was sich denken läßt.

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Haeckel hätte sich für diese Widmung wohl „mit nicht mißzuverstehender Ablehnung“bedankt, wenn er gewußt hätte, daß der Widmer einmal solches Zeug schreiben werde, wie esdiese „Geheimwissenschaft“ mit ihrem mehr als plumpen Dualismus enthält.“ – DerVerfasser dieses Buches ist nun der Ansicht, daß man ganz gut Haeckel verstehen kann unddoch nicht zu glauben braucht, man verstünde ihn nur dann, wenn man alles für Unsinn hält,was nicht aus Haeckels eigenen Vorstellungen und Voraussetzungen fließt. Er ist aber fernerder Ansicht, daß man zum Verständnis Haeckels nicht kommt, wenn man ihn mit „Feuer undSchwert“ bekämpft, sondern wenn man auf dasjenige eingeht, was er der Wissenschaftgeleistet hat. Und am allerwenigsten glaubt der Verfasser, daß die Gegner Haeckels im Rechtesind, gegen welche er z.B. in seiner Schrift „Haeckel und seine Gegner“ den großenNaturdenker verteidigt hat. Wahrhaftig, wenn der Verfasser dieser Schrift über HaeckelsVoraussetzungen hinausgeht und die geistige Ansicht über die Welt neben die bloß natürlicheHaeckels setzt, so braucht er deshalb mit des letzteren Gegnern nicht einer Meinung zu sein.Wer sich bemüht, die Sache richtig anzusehen, wird den Einklang von des Verfassersgegenwärtigen Schriften mit seinen früheren schon bemerken können.

(4) Auch ein solcher Beurteiler ist dem Verfasser völlig verständlich, der ganz imallgemeinen ohne weiteres die Ausführungen dieses Buches als Ergüsse einer wildgewordenen Phantastik oder eines träumerischen Gedankenspiels ansieht. Doch ist alles, wasin dieser Beziehung zu sagen ist, in dem Buche selbst enthalten. Es ist da gezeigt, wie invollem Maße das vernunftgemäße Denken zum Probierstein des Dargestellten werden kannund soll. Wer auf dieses Dargestellte die vernunftgemäße Prüfung ebenso anwendet, wie siesachgemäß z.B. auf die Tatsachen der Naturwissenschaft angewendet wird, der erst wirdentscheiden können, was die Vernunft bei solcher Prüfung sagt.

(5) Nachdem so viel über solche Persönlichkeiten gesagt ist, welche dieses Buch zunächstablehnen können, darf auch ein Wort an diejenigen fallen, welche sich zu demselbenzustimmend zu verhalten Anlaß haben. Für sie ist jedoch das Wesentlichste in dem erstenKapitel „Charakter der Geheimwissenschaft“ enthalten. Ein weniges aber soll noch hiergesagt werden. Obwohl das Buch sich mit Forschungen befaßt, welche dem an die Sinnenweltgebundenen Verstand nicht erforschbar sind, so ist doch nichts vorgebracht, was nichtverständlich sein kann unbefangener Vernunft und gesundem Wahrheitssinn einer jedenPersönlichkeit, welche diese Gaben des Menschen anwenden will. Der Verfasser sagt esunumwunden: er möchte vor allem Leser, welche nicht gewillt sind, auf blinden Glauben hindie vorgebrachten Dinge anzunehmen, sondern welche sich bemühen, das Mitgeteilte an den

Erkenntnissen der, eigenen und an den Erfahrungen des eigenen Lebens zu prüfen*.[*Gemeint ist hier nicht etwa nur die geisteswissenschaftliche Prüfung durch die übersinnlichenForschungsmethoden, sondern vor allem die durchaus mögliche vom gesunden, vorurteilslosen Denken und

Menschenverstand aus.]

Er möchte vor allem vorsichtige Leser, welche nur das logisch zu Rechtfertigende geltenlassen. Der Verfasser weiß, sein Buch wäre nichts wert, wenn es nur auf blinden Glaubenangewiesen wäre; es ist nur in dem Maße tauglich, als es sich vor der unbefangenen Vernunftrechtfertigen kann. Der blinde Glauben kann so leicht das Törichte und Abergläubische mitdem Wahren verwechseln. Mancher, der sich mit dem bloßen Glauben an „Übersinnliches“gerne begnügt, wird finden, daß in diesem Buche dem Denken zu viel zugemutet wird. Doches handelt sich wahrlich bei den hier gegebenen Mitteilungen nicht bloß darum, daß etwasmitgeteilt werde, sondern darum, daß die Darstellung so ist, wie es einer gewissenhaftenAnschauung auf dem entsprechenden Gebiete des Lebens angemessen ist. Es ist ja das Gebiet,wo sich die höchsten Dinge mit gewissenloser Scharlatanerie, wo sieh auch Erkenntnis undAberglaube im wirklichen Leben so leicht berühren und wo sie, vor allem, auch so leichtverwechselt werden können.

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(6) Wer mit übersinnlicher Forschung bekannt ist, wird beim Lesen des Buches wohl merken,daß versucht worden ist, die Grenzen scharf einzuhalten zwischen dem, was aus dem Gebieteder übersinnlichen Erkenntnisse gegenwärtig mitgeteilt werden kann und soll, und dem, waszu einer späteren Zeit oder wenigstens in anderer Form dargestellt werden soll.

Geschrieben im Dezember 1909 Rudolf Steiner

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Charakter der Geheimwissenschaft

(1) Ein altes Wort: „Geheimwissenschaft“ wird für den Inhalt dieses Buchesangewendet. Das Wort kann Veranlassung werden, daß sogleich bei denverschiedenen Menschen der Gegenwart die entgegengesetztestenEmpfindungen wachgerufen werden. Für viele hat es etwas Abstoßendes; es ruftSpott, mitleidiges Lächeln, vielleicht Verachtung hervor. Sie stellen sich vor,daß eine Vorstellungsart, die sich so bezeichnet, nur auf einer müßigenTräumerei, auf Phantasterei beruhen könne, daß sich hinter solcher„vermeintlichen“ Wissenschaft nur der Drang verbergen könne, allerleiAberglauben zu erneuern, den mit Recht meidet, wer „wahreWissenschaftlichkeit“ und „echtes Erkenntnisstreben“ kennengelernt hat. Aufandere wirkt das Wort so, als ob ihnen das damit Gemeinte etwas bringenmüsse, was auf keinem andern Wege zu erlangen ist und zu dem sie, je nachihrer Veranlagung, tief innerliche Erkenntnissehnsucht oder seelisch verfeinerteNeugierde hinzieht. Zwischen diesen schroff einander gegenüberstehendenMeinungen gibt es alle möglichen Zwischenstufen der bedingten Ablehnungoder Annahme dessen, was sich der eine oder der andere vorstellt, wenn er dasWort „Geheimwissenschaft“ vernimmt. – Es ist nicht in Abrede zu stellen, daßfür manchen das Wort „Geheimwissenschaft“ deshalb einen zauberhaften Klanghat, weil es seine verhängnisvolle Sucht zu befriedigen scheint nach einem aufnaturgemäßem Wege nicht zu erlangenden Wissen von einem „Unbekannten“,Geheimnisvollen, ja Unklaren. Denn viele Menschen wollen die tiefstenSehnsuchten ihrer Seele nicht durch das befriedigen, was klar erkannt werdenkann. Ihre Überzeugung geht dahin, daß es außer demjenigen, was man in derWelt erkennen. könne, noch etwas geben müsse, das sich der Erkenntnisentzieht. Mit einem sonderbaren Widersinn, den sie nicht bemerken, lehnen siefür die tiefsten Erkenntnissehnsuchten alles ab, was „bekannt ist“, und wollendafür nur etwas gelten lassen, wovon man nicht sagen könne, daß es durchnaturgemäßes Forschen bekannt werde. Wer von „Geheimwissenschaft“ redet,wird gut daran tun, sich vor Augen zu halten, daß ihm Mißverständnisseentgegenstehen, die von solchen Verteidigern einer derartigen Wissenschaftverursacht werden; von Verteidigern, die eigentlich nicht ein Wissen, sonderndas Gegenteil davon anstreben.

(2) Diese Ausführungen richten sich an Leser, welche sich ihre Unbefangenheitnicht dadurch nehmen lassen, daß ein Wort durch verschiedene UmständeVorurteile hervorruft. Von einem Wissen, das in irgendeiner Beziehung als ein„geheimes“, nur durch besondere Schicksalsgunst für manchen zugängliches,gelten soll, wird hier nicht die Rede sein. Man wird dem hier gemeintenWortgebrauche gerecht werden, wenn man an dasjenige denkt, was Goethe imSinne hat, wenn er von den „offenbaren Geheimnissen“ in denWelterscheinungen spricht. (2)

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Was in diesen Erscheinungen „geheim“, unoffenbar bleibt, wenn man sie nurdurch die Sinne und den an die Sinne sich bindenden Verstand erfaßt, das wird

als der Inhalt einer übersinnlichen Erkenntnisart angesehen.*

[*Es ist vorgekommen, daß man den Ausdruck „Geheimwissenschaft“ - wie er von dem Verfasserdieses Buches schon in früheren Auflagen gebraucht worden ist - gerade aus dein Grunde abgelehnthat, weil eine Wissenschaft doch für niemand etwas „Geheimes“ sein könne. Man hätte Recht, wenndie Sache so gemeint wäre. Allein das ist nicht der Fall. So wenig Naturwissenschaft eine„natürliche“ Wissenschaft in dem Sinne genannt werden kann, daß sie jedem „von Natur eigen“ ist,so wenig denkt sich der Verfasser unter „Geheimwissenschaft“ eine „geheime“ Wissenschaft, sonderneine solche, welche sich auf das in den Welterscheinungen für die gewöhnliche ErkenntnisartUnoffenbare, „Geheime“ bezieht, eine Wissenschaft von dem „Geheimen“, von dem „offenbarenGeheimnis“. Geheimnis aber soll diese Wissenschaft - für niemand sein, der ihre Erkenntnisse auf denihr entsprechenden Wegen sucht.] –

Wer als „Wissenschaft“ nur gelten läßt, was durch die Sinne und den ihnendienenden Verstand offenbar wird, für den kann selbstverständlich das hier als,„Geheimwissenschaft“ Gemeinte keine Wissenschaft sein. Ein solcher müßteaber, wenn er sich selbst verstehen wollte, zugeben, daß er nicht aus einerbegründeten Einsicht heraus, sondern durch einen seinem rein persönlichenEmpfinden entstammenden Machtspruch eine „Geheimwissenschaft“ ablehnt.Um das einzusehen, hat man nur nötig, Überlegungen darüber anzustellen, wieWissenschaft entsteht und welche Bedeutung sie im menschlichen Leben, hat.Das Entstehen der Wissenschaft, dem Wesen nach, erkennt man nicht an demGegenstande, den die Wissenschaft ergreift; man erkennt es an der imwissenschaftlichen Streben auftretenden Betätigungsart der menschlichen Seele.

(3) Wie sich die Seele verhält, indem sie Wissenschaft sich erarbeitet, daraufhat man zu sehen. Eignet man sich die Gewohnheit an, diese Betätigungsart nurdann ins Werk zu setzen, wenn die Offenbarungen der Sinne in Betrachtkommen, dann gerät man leicht auf die Meinung, diese Sinnesoffenbarung seidas Wesentliche. Und man lenkt dann den Blick nicht darauf, daß ein gewissesVerhalten der menschlichen Seele eben nur auf die Sinnesoffenbarungangewendet worden ist. Aber man kann über diese willkürlicheSelbstbeschränkung hinauskommen und, abgesehen von dem besonderen Falleder Anwendung, den Charakter der wissenschaftlichen Betätigung ins Augefassen. Dies liegt zugrunde, wenn hier für die Erkenntnis nichtsinnlicherWeltinhalte als von einer „wissenschaftlichen“ gesprochen wird. An diesenWeltinhalten will sich die menschliche Vorstellungsart so betätigen, wie sie sichim andern Falle an den naturwissenschaftlichen Weltinhalten betätigt.Geheimwissenschaft will die naturwissenschaftliche Forschungsart undForschungsgesinnung, die auf ihrem Gebiete sich an den Zusammenhang undVerlauf der sinnlichen Tatsachen hält, von dieser besonderen Anwendungloslösen, aber sie in ihrer denkerischen und sonstigen Eigenart festhalten. Siewill über Nichtsinnliches in derselben Art sprechen, wie die Naturwissenschaftüber Sinnliches spricht.

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Während die Naturwissenschaft im Sinnlichen mit dieser Forschungsart undDenkweise stehenbleibt, will Geheimwissenschaft die seelische Arbeit an derNatur als eine Art Selbsterziehung der Seele betrachten, und das Anerzogene aufdas nichtsinnliche Gebiet anwenden. (4) Sie will so verfahren, daß sie zwar nichtüber die sinnlichen Erscheinungen als solch spricht, aber über dienichtsinnlichen Weltinhalte so, wie der Naturforscher über die sinnenfälligen.Sie hält von dem naturwissenschaftlichen Verfahren die seelische Verfassunginnerhalb dieses Verfahrens fest, also gerade das, durch welchesNaturerkenntnis Wissenschaft erst wird. Sie darf sich deshalb als Wissenschaftbezeichnen.

(4) Wer über die Bedeutung der Naturwissenschaft im menschlichen LebenÜberlegungen anstellt, der wird finden, daß diese Bedeutung nicht erschöpft seinkann mit der Aneignung von Naturerkenntnissen. Denn diese Erkenntnissekönnen nie und nimmer zu etwas anderem führen als zu einem Erlebendesjenigen, was die Menschenseele selbst nicht ist. Nicht in dem lebt dasSeelische, was der Mensch an der Natur erkennt, sondern in dem Vorgang desErkennens. In ihrer Betätigung an der Natur erlebt sich die Seele. Was sie indieser Betätigung lebensvoll sich erarbeitet, das ist noch etwas anderes als dasWissen über die Natur selbst. Das ist an der Naturerkenntnis erfahreneSelbstentwickelung. Den Gewinn dieser Selbstentwickelung will dieGeheimwissenschaft betätigen auf Gebieten, die über die bloße Natur hinausliegen., Der Geheimwissenschafter will den Wert der Naturwissenschaft nichtverkennen, sondern ihn noch besser anerkennen als der Naturwissenschafterselbst. Er weiß, daß er ohne die Strenge der Vorstellungsart, die in derNaturwissenschaft waltet, keine Wissenschaft begründen kann. Er weiß aberauch, daß, wenn diese Strenge durch ein echtes Eindringen in den Geist desnaturwissenschaftlichen Denkens erworben ist, sie festgehalten werden kanndurch die Kraft der Seele für andere Gebiete. (5)

(5) Etwas, was bedenklich machen kann, tritt dabei allerdings auf. In derBetrachtung der Natur wird die Seele durch den betrachteten Gegenstand ineinem viel stärkeren Maße geleitet als in derjenigen nichtsinnlicher Weltinhalte.In dieser muß sie in einem höheren Maße aus rein inneren Impulsen heraus dieFähigkeit haben, das Wesen der wissenschaftlichen Vorstellungsart festzuhalten.Weil sehr viele Menschen – unbewußt – glauben, daß nur an dem Leitfaden derNaturerscheinungen dieses Wesen festgehalten werden kann, sind sie geneigt,durch einen Machtspruch sich dahin zu entscheiden: sobald dieser Leitfadenverlassen wird, tappt die Seele mit ihrem wissenschaftlichen Verfahren imLeeren. Solche Menschen haben sich die Eigenart dieses Verfahrens nicht zumBewußtsein gebracht; sie bilden sich ihr Urteil zumeist aus den Verirrungen, dieentstehen müssen, wenn die wissenschaftliche Gesinnung an denNaturerscheinungen nicht gefestigt genug ist und trotzdem die Seele sich an dieBetrachtung des nicht sinnlichen Weltgebietes begeben will.

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Da entsteht selbstverständlich viel unwissenschaftliches Reden übernichtsinnliche Weltinhalte. Aber nicht deswegen, weil solches Reden seinemWesen nach nicht wissenschaftlich sein kann, sondern weil es, im besonderenFalle, an der wissenschaftlichen Selbsterziehung, durch die Naturbeobachtunghat fehlen lassen.

(6) Wer von Geheimwissenschaft reden will, muß allerdings mit Rücksichtauf das eben Gesagte einen wachsamen Sinn haben für alles Irrlichtelierende,das entsteht, wenn über die offenbaren Geheimnisse der Welt etwas ausgemachtwird ohne wissenschaftliche Gesinnung. Dennoch führte es zu etwasErsprießlichem nicht, wenn hier, gleich im Anfange geheimwissenschaftlicherAusführungen, über alle möglichen Verirrungen gesprochen würde, die in derSeele vorurteilsvoller Personen jedes Forschen in dieser Richtung inMißachtung bringen, weil solche Personen aus dem Vorhandensein wahrlichrecht zahlreicher Verirrungen auf das Unberechtigte des ganzen Strebensschließen. (6) Da aber zumeist bei Wissenschaftern oder wissenschaftlichgesinnten Beurteilern die Ablehnung der Geheimwissenschaft doch nur auf demoben gekennzeichneten Machtspruch beruht und die Berufung auf dieVerirrungen nur – oft unbewußter – Vorwand ist, so wird eineAuseinandersetzung mit solchen Gegnern zunächst wenig fruchtbar sein. Nichtshindert sie ja, den gewiß durchaus berechtigten Einwand zu machen, daß vonvornherein durch nichts festgestellt werden kann, ob denn bei demjenigen, derandere in Verirrung befangen glaubt, der oben gekennzeichnete feste Grundvorhanden ist. Daher kann der nach einer Geheimwissenschaft Strebende nureinfach vorführen, was er glaubt sagen zu dürfen. Das Urteil über seineBerechtigung können nur andere, aber auch nur solche Personen sich bilden,welche unter Vermeidung aller Machtsprüche sich einzulassen vermögen auf dieArt seiner Mitteilungen über die offenbaren Geheimnisse des Weltgeschehens.Obliegen wird ihm allerdings zu zeigen, wie sich das von ihm Vorgebrachte zuanderen Errungenschaften des Wissens und des Lebens verhält, welcheGegnerschaften möglich sind und inwieferne die unmittelbare äußeresinnenfällige Lebenswirklichkeit Bestätigungen bringt für seine Beobachtungen.

(7) Aber er sollte niemals darnach streben seine Darstellung so zu halten, daßdiese statt durch ihren Inhalt durch seine Überredungskunst wirke.

(8) Man kann gegenüber geheimwissenschaftlichen Ausführungen oftmals denEinwand hören: diese beweisen nicht, was sie vorbringen; sie stellen nur daseine oder das andere hin und sagen: die Geheimwissenschaft stelle dieses fest.Die folgenden Ausführungen verkennt man, wenn man glaubt, irgend etwas inihnen sei in diesem Sinne vorgebracht. Was hier angestrebt wird, ist, das in derSeele am Naturwissen Entfaltete sich so weiter entwickeln zu lassen, wie es sichseiner eigenen Wesenheit nach entwickeln kann, und dann darauf aufmerksamzu machen, daß bei solcher Entwickelung die Seele auf übersinnliche Tatsachenstößt.

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Es wird dabei vorausgesetzt, daß jeder Leser, der auf das Ausgeführteeinzugehen vermag, ganz notwendig auf diese Tatsachen stößt. Ein Unterschiedgegenüber der rein naturwissenschaftlichen Betrachtung liegt allerdings in demAugenblicke vor, in dem man das geisteswissenschaftliche Gebiet betritt. In derNaturwissenschaft liegen die Tatsachen im Felde der Sinneswelt vor; derwissenschaftliche Darsteller betrachtet die Seelenbetätigung als etwas, dasgegenüber dem Zusammenhang und Verlauf der Sinnes-Tatsachen zurücktritt.Der geisteswissenschaftliche Darsteller muß diese Seelenbetätigung in denVordergrund stellen; denn der Leser gelangt nur zu den Tatsachen, wenn erdiese Seelenbetätigung in rechtmäßiger Weise zu seiner eigenen macht. DieseTatsachen sind nicht wie in der Naturwissenschaft – allerdings unbegriffen –auch ohne die Seelenbetätigung vor der menschlichen Wahrnehmung; sie tretenvielmehr in diese nur durch die Seelenbetätigung. (8) Der geistes-wissenschaftliche Darsteller setzt also voraus, daß der Leser mit ihm gemeinsamdie Tatsachen sucht. Seine Darstellung wird in der Art gehalten sein, daß er vondem Auffinden dieser Tatsachen erzählt und daß in der Art, wie er erzählt, nichtpersönliche Willkür, sondern der an der Naturwissenschaft heranerzogenewissenschaftliche Sinn herrscht. Er wird daher auch genötigt sein, von denMitteln zu sprechen, durch die man zu einer Betrachtung des Nichtsinnlichen –des Übersinnlichen – gelangt. – Wer sich in eine geheimwissenschaftlicheDarstellung einläßt, der wird bald einsehen, daß durch sie Vorstellungen undIdeen erworben werden, die man vorher nicht gehabt hat. So kommt man zuneuen Gedanken auch über das, was man vorher über das Wesen des„Beweisens“ gemeint hat. Man lernt erkennen, daß für die naturwissen-schaftliche Darstellung das „Beweisen“ etwas ist, was an diese gewissermaßenvon außen herangebracht wird. Im geisteswissenschaftlichen Denken liegt aberdie Betätigung, welche die Seele beim naturwissenschaftlichen Denken auf denBeweis wendet, schon in dem Suchen nach den Tatsachen. Man kann diese nichtfinden, wenn nicht der Weg zu ihnen schon ein beweisender ist. Wer diesenWeg wirklich durchschreitet, hat auch schon das Beweisende erlebt; es kannnichts durch einen von außen hinzugefügten Beweis geleistet werden. Daß mandieses im Charakter der Geheimwissenschaft verkennt, ruft vieleMißverständnisse hervor.

(9) Alle Geheimwissenschaft muß aus zwei Gedanken hervorkeimen, die injedem Menschen Wurzel fassen können. (9) Für den Geheimwissenschafter, wieer hier gemeint ist, drücken diese beiden Gedanken Tatsachen aus, die manerleben kann, wenn man sich der rechten Mittel dazu bedient. Für vieleMenschen bedeuten schon diese Gedanken höchst anfechtbare Behauptungen,über die sich viel streiten läßt, wenn nicht gar etwas, dessen Unmöglichkeit man„beweisen“ kann.

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(10) Diese beiden Gedanken sind, daß es hinter der sichtbaren Welt eineunsichtbare“ eine zunächst für die Sinne und das an die Sinne gefesselte Denkenverborgene Welt gibt, und daß es dem Menschen durch Entwickelung vonFähigkeiten, die in ihm schlummern, möglich ist, in diese verborgene Welteinzudringen.

(11) Solch eine verborgene Welt gibt es nicht, sagt der eine. Die Welt, welcheder Mensch durch seine Sinne wahrnimmt, sei die einzige. Man könne ihreRätsel aus ihr selbst lösen. Wenn auch der Mensch gegenwärtig noch weit davonentfernt sei, alle Fragen des Daseins beantworten zu können, es werde schon dieZeit kommen, wo die Sinneserfahrung und die auf sie gestützte Wissenschaftdie, Antworten werden geben können.

(12) Man könne nicht behaupten, daß es nicht eine verborgene Welt hinter dersichtbaren gebe, sagen andere; aber die menschlichen Erkenntniskräfte könnennicht in diese Welt eindringen. Sie haben Grenzen, die sie nicht überschreitenkönnen. Mag das Bedürfnis des „Glaubens“ zu einer solchen Welt seineZuflucht nehmen: eine wahre Wissenschaft, die sich auf gesicherte Tatsachenstützt, könne sich mit einer solchen Welt nicht beschäftigen.

(13) Eine dritte Partei ist die, welche es für eine Art Vermessenheit ansieht,wenn der Mensch durch seine Erkenntnisarbeit in ein Gebiet eindringen will, inbezug auf welches man auf „Wissen“ verzichten und sich mit dem „Glauben“bescheiden soll. (10) Wie ein Unrecht empfinden es die Bekenner dieserMeinung, wenn der schwache Mensch vordringen will in eine Welt, die einzigdem religiösen Leben angehören könne.

(14) Auch das wird vorgebracht, daß allen Menschen' eine gemeinsameErkenntnis der Tatsachen der Sinneswelt möglich sei, daß aber in bezug auf dieübersinnlichen Dinge einzig die, persönliche Meinung des einzelnen in Fragekommen könne und daß von einer allgemein geltenden Gewißheit in diesenDingen nicht gesprochen werden sollte.

(15) Andere behaupten vieles andere.

(16) Man kann sich klar darüber werden, daß die Betrachtung der sichtbarenWelt dem Menschen Rätsel vorlegt, die niemals aus den Tatsachen dieser Weltselbst gelöst werden können. Sie werden auch dann auf diese Art nicht gelöstwerden, wenn die Wissenschaft dieser Tatsachen so weit wie nur irgend möglichfortgeschritten sein wird. Denn die sichtbaren Tatsachen weisen deutlich durchihre eigene innere Wesenheit auf eine verborgene Welt hin. Wer solches nichteinsieht, der verschließt sieh den Rätsel n, die 'überall deutlich aus denTatsachen der Sinneswelt hervorspringen. Er will gewisse Fragen und Rätsel garnicht sehen; deshalb glaubt, er, daß alle Fragen durch die sinnenfälligenTatsachen beantwortet werden können.

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Diejenigen Fragen, welche er stellen will, sind wirklich auch alle durch dieTatsachen zu beantworten, von denen er sich verspricht, daß man sie im Laufeder Zukunft entdecken werde. Das kann man ohne weiteres zugeben. (11) Aberwarum sollte der auch auf Antworten in gewissen Dingen warten, der gar keineFragen stellt? Wer nach Geheimwissenschaft strebt, sagt nichts anderes, als daßfür ihn solche Fragen selbstverständlich seien und daß man sie als einenvollberechtigten Ausdruck der menschlichen Seele anerkennen müsse. DieWissenschaft kann doch nicht dadurch in Grenzen eingezwängt werden, daßman dem Menschen das unbefangene Fragen verbietet.

(17) Zu der Meinung, der Mensch habe Grenzen seiner Erkenntnis, die er nichtüberschreiten könne und die ihn zwingen, vor einer unsichtbaren Welthaltzumachen, muß doch gesagt werden: es kann gar kein Zweifel obwalten, daßman durch diejenige Erkenntnisart, welche da gemeint ist, nicht in eineunsichtbare Welt eindringen könne. Wer diese Erkenntnisart für die einzigmögliche hält, der kann gar nicht zu einer andern Ansicht als zu der kommen,daß es dem Menschen versagt sei, in eine etwa vorhandene höhere Welteinzudringen. Aber man kann doch auch das Folgende sagen: wenn es möglichist, eine andere Erkenntnisart zu entwickeln, so kann doch diese in dieübersinnliche Welt führen. Hält man eine solche Erkenntnisart für unmöglich,dann kommt man zu einem Gesichtspunkte, von dem aus gesehen alles Redenüber eine übersinnliche Welt als der reine Unsinn erscheint. Gegenüber einemunbefangenen Urteil kann es aber für eine solche Meinung keinen andern Grundgeben als den, daß dem Bekenner derselben jene andere Erkenntnisartunbekannt ist. Wie kann man aber über dasjenige überhaupt urteilen, von demman behauptet, daß man es nicht kenne? (12) Unbefangenes Denken muß sichzu dem Satze bekennen, daß man nur von demjenigen spreche, was man kennt,und daß man über dasjenige nichts feststelle, was man nicht kennt. SolchesDenken kann nur von dem Rechte sprechen, daß jemand eine Sache mitteile, dieer erfahren hat, nicht aber von einem Rechte, daß jemand für unmöglich erkläre,was er nicht weiß oder nicht wissen will. Man kann niemand das Rechtbestreiten, sich um das Übersinnliche nicht zu kümmern; aber niemals kann sichein echter Grund dafür ergeben, daß jemand nicht nur für das sich maßgebenderklärte, was er wissen kann, sondern auch für alles das, was „ein Mensch“ nichtwissen kann.

(18) Denen gegenüber, welche es als Vermessenheit erklären, in dasübersinnliche Gebiet einzudringen, muß eine geheimwissenschaftlicheBetrachtung zu bedenken geben, daß man dies könne und daß es eineVersündigung sei gegen die dem Menschen gegebenen Fähigkeiten, wenn er sieveröden läßt, statt sie zu entwickeln und sich ihrer zu bedienen.

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(19) Wer aber glaubt, die Ansichten über die übersinnliche Welt müssen ganzdem persönlichen Meinen und Empfinden angehören, der verleugnet dasGemeinsame in allen menschlichen Wesen. Es ist gewiß richtig, daß die Einsichtin diese Dinge ein jeder durch sich selbst finden müsse, es ist auch eineTatsache, daß alle diejenigen Menschen, welche nur weit genug gehen, überdiese Dinge nicht zu verschiedenen, sondern zu der gleichen Einsicht kommen.Die Verschiedenheit ist nur solange vorhanden, als sich die Menschen nicht aufeinem wissenschaftlich gesicherten Wege, sondern auf dem der persönlicheWillkür den höchsten Wahrheiten nähern wollen. (13) Das allerdings muß ohneweiteres wieder zugestanden werden, daß nur derjenige die Richtigkeit desgeheimwissenschaftlichen Weges anerkennen könne, der sich in dessen Eigenarteinleben will.

(20) Den Weg zur Geheimwissenschaft kann jeder Mensch in dem für ihngeeigneten Zeitpunkte finden, der das Vorhandensein eines Verborgenen ausdem Offenbaren heraus erkennt oder auch nur vermutet oder ahnt, und welcheraus dem Bewußtsein heraus, daß die Erkenntniskräfte entwickelungsfähig seien,zu dem Gefühl getrieben wird, daß das Verborgene sich ihm enthüllen könne.Einem Menschen, der durch diese Seelenerlebnisse zur Geheimwissenschaftgeführt wird, dem eröffnet sich durch diese nicht nur die Aussicht, daß er fürgewisse Fragen seines Erkenntnisdranges die Antwort finden werde, sondernauch noch die ganz andere, daß er zum Überwinder alles dessen wird, was dasLeben hemmt und schwach macht. Und es bedeutet in einem gewissen höherenSinne eine Schwächung des Lebens, ja einen seelischen Tod, wenn der Menschsich gezwungen sieht, sich von dem Übersinnlichen abzuwenden oder es zuleugnen. Ja es führt unter gewissen Voraussetzungen zur Verzweiflung, wennein Mensch die Hoffnung verliert, daß ihm das Verborgene offenbar werde.Dieser Tod und diese Verzweiflung in ihren mannigfaltigen Formen sindzugleich innere, seelische Gegner geheimwissenschaftlichen Bestrebung. Sietreten ein, wenn des Menschen innere Kraft dahinschwindet. Dann muß ihm alleKraft des Lebens von außen zugeführt werden, wenn überhaupt eine solche inseinen Besitz kommen soll. (14) Er nimmt dann die Dinge, die Wesenheiten undVorgänge wahr, welche an seine Sinne herantreten; er zergliedert diese mitseinem Verstande. Sie bereiten ihm Freude und Schmerz; sie treiben ihn zu denHandlungen, deren er fähig ist. Er mag es eine Weile so weiter treiben: er mußaber doch einmal an einen Punkt gelangen, an dem er innerlich abstirbt. Dennwas so aus der Welt für den Menschen herausgezogen werden kann, erschöpftsich. Dies ist nicht eine Behauptung, welche aus der persönlichen Erfahrungeines einzelnen stammt, sondern etwas, was sich aus einer unbefangenenBetrachtung alles Menschenlebens ergibt. Was vor dieser Erschöpfung bewahrt,ist das Verborgene, das in der Tiefe der Dinge ruht. Erstirbt in dem Menschendie. Kraft, in diese Tiefen hinunterzusteigen, um immer neue Lebenskraftheraufzuholen, so erweist sich zuletzt auch das Äußere der Dinge nicht mehrlebenfördernd.

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(21) Die Sache verhält sich keineswegs so, daß sie nur den einzelnenMenschen, nur dessen persönliches Wohl und Wehe anginge. Gerade durchwahre geheimwissenschaftliche Betrachtungen wird es dem Menschen zurGewißheit, daß von einem höheren Gesichtspunkte aus das Wohl und Wehe deseinzelnen innig zusammenhängt mit dem Heile oder Unheile der ganzen Welt.Es gibt da einen Weg, auf dem der Mensch zu der Einsicht gelangt, daß er derganzen Welt und allen Wesen in ihr einen Schaden zufügt, wenn er seine Kräftenicht in der rechten Art zur Entfaltung bringt. (15) Verödet der Mensch seinLeben dadurch, daß er den Zusammenhang mit dem Übersinnlichen verliert, sozerstört er nicht nur in seinem Inneren etwas, dessen Absterben ihn zurVerzweiflung zuletzt führen kann, sondern er bildet durch seine Schwäche einHemmnis für die Entwickelung, der ganzen Welt, in der er lebt.

(22) Nun kann sich der Mensch täuschen. Er kann sich dem Glaubenhingeben, daß es ein Verborgenes nicht gäbe, daß in demjenigen, was an seineSinne und an seinen Verstand herantritt, schon alles enthalten sei, was überhauptvorhanden sein kann. Aber diese Täuschung ist nur für die Oberfläche desBewußtseins möglich, nicht für dessen Tiefe. Das Gefühl und der Wunsch fügensieh diesem täuschenden Glauben nicht. Sie werden immer wieder inirgendeiner Art nach einem Verborgenen verlangen. Und wenn ihnen diesesentzogen ist, drängen sie den Menschen in Zweifel, in Lebensunsicherheit, jaeben in die Verzweiflung hinein. Ein Erkennen, welches das Verborgeneoffenbar macht, ist geeignet, alle Hoffnungslosigkeit, alle Lebensunsicherheit,alle Verzweiflung, kurz alles dasjenige zu überwinden, was das Leben schwächtund es unfähig zu dem ihm notwendigen Dienste im Weltganzen macht.

(23) Das ist die schöne Frucht geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse, daß siedem Leben Stärke und Festigkeit und nicht allein der Wißbegierde Befriedigunggeben. Der Quell, aus dem solche Erkenntnisse Kraft zur Arbeit, Zuversicht fürdas Leben schöpfen, ist ein unversieglicher. Keiner, der einmal an diesen Quellwahrhaft herangekommen ist, wird bei wiederholter Zuflucht, die er zudemselben nimmt, ungestärkt hinweggehen.

(24) Es gibt Menschen, die aus dem Grunde von solchen Erkenntnissen nichtswissen wollen, weil sie in dem eben Gesagten schon etwas Ungesundes sehen.Für die Oberfläche und das Äußere des Lebens haben solche Menschendurchaus recht. (16) Sie wollen das nicht verkümmert wissen, was das Leben inder sogenannten Wirklichkeit darbietet. Sie sehen eine Schwäche darin, wennsich der Mensch von der Wirklichkeit abwendet und sein Heil in einerverborgenen Welt sucht, die für sie ja einer phantastischen, erträumten,gleichkommt. Will man bei solchem geisteswissenschaftlichen Suchen nicht inkrankhafte Träumerei und Schwäche verfallen, so muß man das teilweiseBerechtigte solcher Einwände anerkennen.

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Denn sie beruhen auf einem gesunden Urteile, welches nur dadurch nicht zueiner ganzen, sondern zu einer halben Wahrheit führt, daß es nicht in die Tiefender Dinge dringt, sondern an deren Oberfläche stehenbleibt. Wäre einübersinnliches Erkenntnisstreben dazu angetan, das Leben zu schwächen undden Menschen zur Abkehr zu bringen von der wahren Wirklichkeit, dann wärensicher solche Einwände stark genug, dieser Geistesrichtung den Boden unter denFüßen wegzuziehen.

(25) Aber auch diesen Meinungen gegenüber würden geheimwissenschaftlicheBestrebungen nicht den rechten Weg gehen, wenn sie sich im gewöhnlichenSinne des Wortes „verteidigen“ wollten. Auch da können sie nur durch ihren fürjeden Unbefangenen erkennbaren Wert sprechen, wenn sie fühlbar machen, wiesie Lebenskraft und Lebensstärke dem erhöhen, der sich im rechten Sinne in sieeinlebt. Diese Bestrebungen können nicht zum weltfremden Menschen, nichtzum Träumer machen; sie erkraften den Menschen aus denjenigenLebensquellen, aus denen er, seinem geistig-seelischen Teil nach, stammt.

(26) Andere Hindernisse des Verständnisses noch legen sich manchemMenschen in den Weg, wenn er an geheimwissenschaftliche Bestrebungenherantritt. (17) Es ist nämlich grundsätzlich zwar richtig, daß der Leser in dergeheimwissenschaftlichen Darstellung eine Schilderung findet vonSeelenerlebnissen, durch deren Verfolgung er sich zu den übersinnlichenWeltinhalten hinbewegen kann. Allein in der Praxis muß sich dieses doch alseine Art Ideal ausleben. Der Leser muß zunächst eine größere Summe vonübersinnlichen Erfahrungen, die er noch nicht selbst erlebt, mitteilungsgemäßaufnehmen. Das kann nicht anders sein und wird auch mit diesem Buche so sein.Es wird geschildert werden, was der Verfasser zu wissen vermeint über dasWesen des Menschen, über dessen Verhalten in Geburt und Tod und imleibfreien Zustande in der geistigen Welt; es wird ferner dargestellt werden dieEntwickelung der Erde und der Menschheit. So könnte es scheinen, als ob dochdie Voraussetzung gemacht würde, daß eine Anzahl vermeintlicher Erkenntnissewie Dogmen vorgetragen würden, für die Glauben auf Autorität hin verlangtwürde. Es ist dies aber doch nicht der Fall. Was nämlich von übersinnlichenWeltinhalten gewußt werden kann, das lebt in dem Darsteller als lebendigerSeeleninhalt; und lebt man sich in diesen Seeleninhalt ein, so entzündet diesesEinleben in der eigenen Seele die Impulse, welche nach den entsprechendenübersinnlichen Tatsachen hinführen. Man lebt im Lesen vongeisteswissenschaftlichen Erkenntnissen auf andere Art, als in demjenigen derMitteilungen sinnenfälliger Tatsachen. Liest man Mitteilungen aus dersinnenfälligen Welt, so liest man eben über sie. Liest man aber Mitteilungenüber übersinnliche Tatsachen im rechten Sinne, so lebt man sich ein in denStrom geistigen Daseins. (18) Im Aufnehmen der Ergebnisse nimmt manzugleich den eigenen Innenweg dazu auf. Es ist richtig, daß dies hier Gemeintevon dem Leser zunächst oft gar nicht bemerkt wird.

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Man stellt sich den Eintritt in die geistige Welt viel zu ähnlich einemsinnenfälligen vor, und so findet man, daß, was man beim Lesen von dieser Welterlebt, viel zu gedankenmäßig ist. Aber in dem wahren gedankenmäßigen Aufnehmen steht man in dieser Welt schon drinnen und hat sich nur noch klardarüber zu werden, daß man schon unvermerkt erlebt hat, was man vermeinte,bloß als Gedankenmitteilung erhalten zu haben. – Man wird über die echteNatur dieses Erlebten dann volle Klarheit erhalten, wenn man praktischdurchführt, was im zweiten (letzten) Teil dieses Buches als „Weg“ zu denübersinnlichen Erkenntnissen geschildert wird. Man könnte leicht glauben, dasUmgekehrte sei richtig: dieser Weg müsse zuerst geschildert werden. Das istaber nicht der Fall. Wer, ohne auf bestimmte Tatsachen der übersinnlichen Weltden Seelenblick zu richten, nur „Übungen“ macht, um in die übersinnliche Welteinzutreten, für den bleibt diese Welt ein unbestimmtes, sich verwirrendesChaos. Man lernt sich einleben in diese Welt gewissermaßen naiv, indem mansich über bestimmte Tatsachen derselben unterrichtet, und dann gibt man sichRechenschaft, wie man – die Naivität verlassend – vollbewußt selbst zu denErlebnissen gelangt, von denen man Mitteilung erlangt hat. Man wird sich, wennman in geheimwissenschaftliche Darstellungen eindringt, überzeugen, daß einsicherer Weg zu übersinnlicher Erkenntnis doch nur dieser sein kann. (19) Manwird auch erkennen, daß alle Meinung, es könnten die übersinnlichenErkenntnisse zuerst als Dogmen gewissermaßen durch suggestive Macht wirken,unbegründet ist. Denn der Inhalt dieser Erkenntnisse wird in einem solchenSeelenleben erworben, das ihm jede bloße suggestive Gewalt benimmt und ihmnur die Möglichkeit gibt, auf demselben Wege zum andern zu sprechen, auf demalle Wahrheiten zu ihm sprechen, die sich an sein besonnenes Urteil richten.Daß der andere zunächst nicht bemerkt, wie er in der geistigen Welt lebt, dazuliegt nicht der Grund in einem unbesonnenen suggestiven Aufnehmen, sondernin der Feinheit und dem Ungewohnten des im Lesen Erlebten. – So wird mandurch das erste Aufnehmen der Mitteilungen, wie sie im ersten Teile diesesBuches gegeben sind, zunächst Mit-Erkenner der übersinnlichen Welt; durchdie praktische Ausführung der im zweiten Teile angegebenenSeelenverrichtungen wird man selbständiger Erkenner in dieser Welt.

(27) Dem Geiste und dem wahren Sinne nach wird auch kein echterWissenschafter einen Widerspruch finden können zwischen seiner auf denTatsachen der Sinnenwelt erbauten Wissenschaft und der Art, wie dieübersinnliche Welt erforscht wird. Jener Wissenschafter bedient sich gewisserWerkzeuge und Methoden. Die Werkzeuge stellt er sich durch Verarbeitungdessen her, was ihm die „Natur“ gibt. Die übersinnliche Erkenntnisart bedientsich auch eines Werkzeugs. Nur ist dieses Werkzeug der Mensch selbst. Undauch dieses Werkzeug muß für die höhere Forschung erst zugerichtet werden.

(28) Es müssen in ihm die zunächst ohne des Menschen Zutun ihm von der„Natur“ gegebenen Fähigkeiten und Kräfte in höhere umgewandelt werden. (21)Dadurch kann sich der Mensch zum Instrument machen für die Erforschung derübersinnlichen Welt.

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Wesen der Menschheit

(1) Bei der Betrachtung des Menschen vom Gesichtspunkte einerübersinnlichen Erkenntnisart tritt sogleich in Kraft, was von dieser Erkenntnisartim allgemeinen gilt. Diese Betrachtung beruht auf der Anerkennung des„offenbaren Geheimnisses“ in der eigenen menschlichen Wesenheit. DenSinnen und dem auf sie gestützten Verstande ist nur ein Teil von demzugänglich, was in übersinnlicher Erkenntnis als menschliche Wesenheit erfaßtwird, nämlich der physische Leib. Um den Begriff von diesem physischen Leibzu beleuchten, muß zunächst die Aufmerksamkeit auf die Erscheinung gelenktwerden, die wie das große Rätsel über alle Beobachtung des Lebens ausgebreitetliegt: auf den Tod und, im Zusammenhang damit, auf die sogenannte lebloseNatur, auf das Reich des Mineralischen, das stets den Tod in sich trägt. Es istdamit auf Tatsachen hingewiesen, deren volle Aufklärung nur durchübersinnliche Erkenntnis möglich ist und denen ein wichtiger Teil dieser Schriftgewidmet werden muß. Hier aber sollen vorerst nur einige Vorstellungen zurOrientierung angeregt werden.

(2) Innerhalb der offenbaren Welt ist der physische Menschenleib dasjenige,worinnen der Mensch der mineralischen Welt gleich ist. Dagegen kann nicht alsphysischer Leib das gelten, was den Menschen vom Mineral unterscheidet. (22)Für eine unbefangene Betrachtung ist vor allem die Tatsache wichtig, daß derTod dasjenige von der menschlichen Wesenheit bloßlegt, was, wenn der Todeingetreten ist, mit der mineralischen Welt gleicher Art ist. Man kann auf denLeichnam als auf das vom Menschen hinweisen, was nach dem Tode Vorgängenunterworfen ist, die sich im Reiche der mineralischen Welt finden. Man kann dieTatsache betonen, daß in diesem Gliede der Menschenwesenheit, demLeichnam, dieselben Stoffe und Kräfte wirksam sind wie im mineralischenGebiet; aber nötig ist, nicht minder stark zu betonen, daß mit dem Tode fürdiesen physischen Leib der Zerfall eintritt. Berechtigt ist aber auch, zu sagen:gewiß, es sind im physischen Menschenleibe dieselben Stoffe und Kräftewirksam wie im Mineral; aber ihre Wirksamkeit ist während des Lebens in einenhöheren, Dienst gestellt. Sie wirken erst der mineralischen Welt gleich, wennder Tod eingetreten ist. Da treten sie auf, wie sie ihrer eigenen Wesenheit gemäßauf treten müssen, nämlich als Auflöser der physischen Leibesgestaltung.

(3) So ist im Menschen scharf zu scheiden das Offenbare von demVerborgenen. Denn während des Lebens muß ein Verborgenes einenfortwährenden Kampf führen gegen die Stoffe und Kräfte des Mineralischen imphysischen Leibe. Hört dieser Kampf auf, so tritt die mineralische Wirksamkeitauf. – Damit ist auf den Punkt hingewiesen, an dem die Wissenschaft vomÜbersinnlichen einsetzen muß. Sie hat dasjenige zu suchen, was denangedeuteten Kampf führt. Und dies eben ist für die Beobachtung der Sinneverborgen. Es ist erst der übersinnlichen Beobachtung zugänglich. (23)

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Wie der Mensch dazu gelangt, daß ihm dieses „Verborgene“ so offenbar werde,wie es den gewöhnlichen Augen die sinnlichen Erscheinungen sind“ davon wirdin einem späteren Teile dieser Schrift gesprochen werden. Hier aber sollbeschrieben werden, was sich der übersinnlichen Beobachtung ergibt.

(4) Es ist schon gesagt worden: nur dann können die Mitteilungen über denWeg, auf dem man zum höheren Schauen gelangt, dem Menschen von Wertsein, wenn er sich zuerst durch die bloße Erzählung bekanntgemacht hat mitdem, was die übersinnliche Forschung enthüllt. Denn begreifen kann man ebenauch das auf diesem Gebiete, was man noch nicht beobachtet. Ja es ist der guteWeg zum Schauen derjenige, welcher vom Begreifen ausgeht.

(5) Wenn nun auch jenes Verborgene, das in dem physischen Leibe denKampf gegen den Zerfall führt, nur für das höhere Schauen zu beobachten ist: inseinen Wirkungen liegt es für die auf das Offenbare sich beschränkendeUrteilskraft klar zutage. Und diese Wirkungen drücken sich in der Form oderGestalt aus, in welcher während des Lebens die mineralischen Stoffe und Kräftedes physischen Leibes zusammengefügt sind. Diese Form entschwindet nachund nach, und der physische Leib wird ein Teil der übrigen mineralischen Welt,wenn der Tod eingetreten ist. Die übersinnliche Anschauung aber kanndasjenige als selbständiges Glied der menschlichen Wesenheit beobachten, wasdie physischen Stoffe und Kräfte während, des Lebens hindert, ihre eigenenWege zu gehen, welche zur Auflösung des physischen Leibes führen. Es seidieses selbständige Glied der „Ätherleib“ oder „Lebensleib“ genannt. – (24)Wenn sich nicht sogleich, von Anfang an, Mißverständnisse einschleichensollen, so muß gegenüber diesen Bezeichnungen eines zweiten Gliedes dermenschlichen Wesenheit zweierlei berücksichtigt werden. Das Wort „Äther“wird hier in einem anderen Sinne gebraucht, als dies von der gegenwärtigenPhysik geschieht. Diese bezeichnet z.B. den Träger des Lichtes als Äther. Hiersoll aber das Wort in dem Sinne benutzt werden, der oben angegeben wordenist. Es soll angewendet werden für dasjenige, was dem höheren Schauenzugänglich ist und was sich für die Sinnesbeobachtung nur in seinen Wirkungenzu erkennen gibt, nämlich dadurch, daß es den im physischen Leibevorhandenen mineralischen Stoffen und Kräften eine bestimmte Form oderGestalt zu geben vermag. Und auch das Wort „Leib“ soll nicht mißverstandenwerden. Man muß zur Bezeichnung der höheren Dinge des Daseins eben dochdie Worte der gewöhnlichen Sprache gebrauchen. Und diese drücken ja für dieSinnesbeobachtung nur das Sinnliche aus. Im sinnlichen Sinne ist natürlich der„Ätherleib“ durchaus nichts Leibliches, wie fein man sich ein solches auch

vorstellen mag.*

[* Daß mit der Bezeichnung „Ätherleib“, „Lebensleib“ nicht einfach die Anschauung von der alten,naturwissenschaftlich überwundenen Lebenskraft“ erneuert werden soll, darüber hat )ich derVerfasser dieses Buches in seiner Theosophie“ ausgesprochen.] (25)

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(6) Indem man in der Darstellung des Übersinnlichen bis zur Erwähnungdieses „Ätherleibes“ oder „Lebensleibes“ gelangt, ist schon der Punkt erreicht,an dem solcher Darstellung der Widerspruch mancher gegenwärtigen Ansichtbegegnen muß. Die Entwickelung des Menschengeistes hat dahin geführt, daß inunserer Zeit das Sprechen von einem solchen Gliede der menschlichenWesenheit als etwas Unwissenschaftliches angesehen werden muß. Diematerialistische Vorstellungsart ist dazu gelangt, in dem lebendigen Leibe nichtsanderes zu sehen als eine Zusammenfügung von physischen Stoffen undKräften, wie sie sieh in dem sogenannten leblosen Körper, in dem Mineral, auchfindet. Nur sei die Zusammenfügung in dem Lebendigen komplizierter als indem Leblosen. Man hat auch in der gewöhnlichen Wissenschaft vor nichtallzulanger Zeit noch andere Ansichten gehabt. Wer die Schriften manchenernsten Wissenschafters aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhundertsverfolgt, dem wird klar, wie da auch „echte Naturforscher“ sich bewußt waren,daß in dem lebendigen Leibe noch etwas anderes vorhanden ist als in demleblosen Mineral. Man sprach von einer „Lebenskraft“. Zwar wird diese„Lebenskraft“ nicht als das vorgestellt, was oben als „Lebensleib“gekennzeichnet ist; aber der betreffenden Vorstellung liegt doch eine Ahnungdavon zugrunde, daß es dergleichen gibt. Man stellte sich diese „Lebenskraft“etwa so vor, wie wenn sie in dem lebendigen Leibe zu den physischen Stoffenund Kräften hinzukäme auf ähnliche Art, wie die magnetische Kraft zu dembloßen Eisen in dem Magneten. Dann kam die Zeit, in welcher diese„Lebenskraft“ aus dem Bestande der Wissenschaft entfernt wurde. Man wolltefür alles mit den bloßen physischen und chemischen Ursachen ausreichen.Gegenwärtig ist in dieser Beziehung bei manchem naturwissenschaftlichenDenker wieder ein Rückschlag eingetreten. (26) Es wird von mancher Seitezugegeben, daß die Annahme von etwas der „Lebenskraft“ Ähnlichem dochkein völliger Unsinn sei. Doch wird auch derjenige „Wissenschafter“, der sichzu solchem herbeiläßt, mit der hier dargestellten Anschauung in bezug auf den„Lebensleib“ nicht gemeinsame Sache machen wollen. Es wird in der Regel zukeinem Ziele führen, wenn man sich vom Gesichtspunkte übersinnlicherErkenntnis mit solchen Ansichten in eine Diskussion einläßt. Es sollte vielmehrdie Sache dieser Erkenntnis sein, anzuerkennen, daß die materialistischeVorstellungsart eine notwendige Begleiterscheinung des großennaturwissenschaftlichen Fortschrittes in unserer Zeit ist. Dieser Fortschrittberuht auf einer gewaltigen Verfeinerung der Mittel. zur Sinnesbeobachtung.Und es liegt einmal im Wesen des Menschen, daß er innerhalb der Entwickelungjeweilig einzelne Fähigkeiten auf Kosten anderer zu einem gewissenVollkommenheitsgrade bringt. Die genaue Sinnesbeobachtung, die sich in einemso bedeutungsvollen Maße durch die Naturwissenschaft entwickelt hat, mußtedie Pflege derjenigen menschlichen Fähigkeiten in den Hintergrund tretenlassen, welche in die „verborgenen Welten“ führen. Aber eine Zeit ist wieder da,in welcher diese Pflege notwendig ist.

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Und das Verborgene wird nicht dadurch anerkannt, daß man die Urteilebekämpft, welche aus dem Ableugnen dieses Verborgenen ja doch mit logischerFolgerichtigkeit sich ergeben, sondern dadurch, daß man dieses Verborgeneselbst in das rechte Licht setzt. Anerkennen werden es dann diejenigen, fürwelche die „Zeit gekommen ist“. (27)

(7) Es mußte dies hier nur gesagt werden, damit man nicht Unbekanntschaftmit den Gesichtspunkten der Naturwissenschaft voraussetzt, wenn von einem„Ätherleib“ gesprochen wird, der doch in manchen Kreisen für etwas völligPhantastisches gelten muß.

(8) Dieser Ätherleib ist also ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit.Ihm kommt für das übersinnliche Erkennen ein höherer Grad von Wirklichkeitzu als dem physischen Leibe. Eine Beschreibung, wie ihn das übersinnlicheErkennen sieht, kann erst in den folgenden Teilen dieser Schrift gegebenwerden, wenn hervortreten wird, in welchem Sinne solche Beschreibungen zunehmen sind. Vorläufig mag es genügen, wenn gesagt wird, daß der Ätherleibden physischen Körper überall durchsetzt und daß er wie eine Art Architekt desletzteren anzusehen ist. Alle Organe werden in ihrer Form und Gestalt durch dieStrömungen und Bewegungen des Ätherleibes gehalten. Dem physischenHerzen liegt ein „Ätherherz“ zugrunde, dem physischen Gehirn ein„Äthergehirn“ usw. Es ist eben der Ätherleib in sich gegliedert wie derphysische, nur komplizierter, und es ist in ihm alles in lebendigemDurcheinanderfließen, wo im physischen Leibe abgesonderte Teile vorhandensind.

(9) Diesen Ätherleib hat nun der Mensch so mit dem Pflanzlichen gemein, wieer den physischen Leib mit dem Mineralischen gemein hat. Alles Lebendige hatseinen Ätherleib.

(10) Von dem Ätherleib steigt die übersinnliche Betrachtung auf zu einemweiteren Gliede der menschlichen Wesenheit. Sie deutet zur Bildung einerVorstellung von diesem Gliede auf die Erscheinung des Schlafes hin, wie siebeim Ätherleib auf den Tod hingewiesen hat. – (28) Alles menschliche Schaffenberuht auf der Tätigkeit im Wachen, so weit das Offenbare in Betracht kommt.Diese Tätigkeit ist aber nur möglich, wenn der Mensch die Erstarkung seiner er-schöpften Kräfte sich immer wieder aus dem Schlafe holt. Handeln und Denkenschwinden dahin im Schlafe, aller Schmerz, alle Lust versinken für das bewußteLeben. Wie aus verborgenen, geheimnisvollen Brunnen steigen beim Erwachendes Menschen bewußte Kräfte aus der Bewußtlosigkeit des Schlafes auf. Es istdasselbe Bewußtsein, das beim Einschlafen hinuntersinkt in die dunklen Tiefenund das beim Aufwachen wieder heraufsteigt. Dasjenige, was das Leben immerwieder aus dem Zustand der Bewußtlosigkeit erweckt, ist im Sinneübersinnlicher Erkenntnis das dritte Glied der menschlichen Wesenheit. Mankann es den Astralleib nennen.

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Wie der physische Leib nicht durch die in ihm befindlichen mineralischen Stoffeund Kräfte seine Form erhalten kann, sondern wie er, um dieser Erhaltungwillen, von dem Ätherleib durchsetzt sein muß, so können die Kräfte desÄtherleibes sich nicht durch sich selbst mit dem Lichte des Bewußtseinsdurchleuchten. Ein Ätherleib, der bloß sich selbst überlassen wäre“ müßte sichfortdauernd in dem Zustande des Schlafes befinden. Man kann auch sagen: erkönnte in dem physischen Leibe nur ein Pflanzensein unterhalten. Einwachender Ätherleib ist von einem Astralleib durchleuchtet. Für dieSinnesbeobachtung verschwindet die Wirkung dieses Astralleibes, wenn derMensch in Schlaf versinkt. Für die übersinnliche Beobachtung bleibt er nochvorhanden; nur erscheint er von dem Ätherleib getrennt oder aus ihmherausgehoben. (29) Die Sinnesbeobachtung hat es eben nicht mit demAstralleib selbst zu tun, sondern nur mit seinen Wirkungen in dem Offenbaren.Und solche sind während des Schlafes nicht unmittelbar vorhanden. Indemselben Sinne, wie der Mensch seinen physischen Leib mit den Mineralien,seinen Ätherleib mit den Pflanzen gemein hat, ist er in bezug auf seinenAstralleib gleicher Art mit den Tieren. Die Pflanzen sind in einem fortdauerndenSchlafzustande. Wer in diesen Dingen nicht genau urteilt, der kann leicht in denIrrtum verfallen, auch den Pflanzen eine Art von Bewußtsein zuzuschreiben, wiees die Tiere und Menschen im Wachzustande haben. Das kann aber nur dann ge-schehen, wenn man sich von dem Bewußtsein eine ungenaue Vorstellung macht.Man sagt dann, wenn auf die Pflanze ein äußerer Reiz ausgeübt wird, dannvollziehe sie gewisse Bewegungen wie das Tier auch. Man spricht von derEmpfindlichkeit mancher Pflanzen, welche z.B. ihre Blätter zusammenziehen,wenn gewisse äußere Dinge auf sie einwirken. Doch ist es nicht dasBezeichnende des Bewußtseins, daß ein Wesen auf eine Wirkung eine gewisseGegenwirkung zeigt, sondern daß das Wesen in seinem Innern etwas erlebt, waszu der bloßen Gegenwirkung als ein Neues hinzukommt. Sonst könnte man auchvon Bewußtsein sprechen, wenn sich ein Stück Eisen unter dem Einflusse vonWärme ausdehnt. Bewußtsein ist erst vorhanden, wenn das Wesen durch dieWirkung der Wärme z. B. innerlich Schmerz erlebt.

(11) Das vierte Glied seiner Wesenheit, welches die übersinnliche Erkenntnisdem Menschen zuschreiben muß, hat er nun nicht mehr gemein mit der ihnumgebenden Welt des Offenbaren. (30) Es ist sein Unterscheidendes gegenüberseinen Mitwesen, dasjenige, wodurch er die Krone der zunächst zu ihmgehörigen Schöpfung ist. Die übersinnliche Erkenntnis bildet eine Vorstellungvon diesem weiteren Gliede der menschlichen Wesenheit, indem sie daraufhinweist, daß auch innerhalb der wachen Erlebnisse noch ein wesentlicherUnterschied besteht. Dieser Unterschied tritt sofort hervor, wenn der Menschseine Aufmerksamkeit darauf lenkt, daß er im wachen Zustande einerseitsfortwährend in der Mitte von Erlebnissen steht, die kommen und gehen müssen,und daß er andererseits auch Erlebnisse hat, bei denen dies nicht der Fall ist. Estritt das besonders scharf hervor, wenn man die Erlebnisse des Menschen mitdenen des Tieres vergleicht.

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Das Tier erlebt mit großer Regelmäßigkeit die Einflüsse der äußeren Welt undwird sich unter dem Einflusse der Wärme und Kälte, des Schmerzes und derLust, unter gewissen regelmäßig ablaufenden Vorgängen seines Leibes desHungers und Durstes bewußt. Des Menschen Leben ist mit solchen Erlebnissennicht erschöpft. Er kann Begierden, Wünsche entwickeln, die über das alleshinausgehen. Beim Tier würde man immer nachweisen können, wenn man weitgenug zu gehen vermöchte, wo außer dem Leibe oder in dem Leibe dieVeranlassung zu einer Handlung, zu einer Empfindung ist. Beim Menschen istdas keineswegs der Fall. Er kann Wünsche und Begierden erzeugen, zu derenEntstehung die Veranlassung weder innerhalb noch außerhalb seines Leibeshinreichend ist. Allem, was in dieses Gebiet fällt, muß man eine besondereQuelle geben. Und diese Quelle kann man im Sinne der übersinnlichenWissenschaft im „Ich“ des Menschen sehen. (31) Das „Ich“ kann daher als dasvierte Glied der menschlichen Wesenheit angesprochen werden. – Wäre derAstralleib sich selbst überlassen, es würden sich Lust und Schmerz, Hunger- undDurstgefühle in ihm abspielen; was aber dann nicht zustandekäme, ist die Emp-findung: es sei ein Bleibendes in alle dem. Nicht das Bleibende als solches wirdhier als „Ich“ bezeichnet, sondern dasjenige, welches dieses Bleibende erlebt.Man muß auf diesem Gebiete die Begriffe ganz scharf fassen, wenn nichtMißverständnisse entstehen sollen. Mit dem Gewahrwerden eines Dauernden,Bleibenden im Wechsel der inneren Erlebnisse beginnt das Aufdämmern des„Ichgefühls“. Nicht daß ein Wesen z. B. Hunger empfindet, kann ihm ein Ich-gefühl geben. Der Hunger stellt sich ein, wenn die erneuerten Veranlassungenzu ihm sich bei dem betreffenden Wesen geltend machen. Es fällt dann überseine Nahrung her, weil eben diese erneuerten Veranlassungen da sind. DasIchgefühl tritt erst ein, wenn nicht nur diese erneuerten Veranlassungen zu derNahrung hintreiben, sondern wenn bei einer vorhergehenden Sättigung eine Lustentstanden ist und das Bewußtsein dieser Lust geblieben ist, so daß nicht nur dasgegenwärtige Erlebnis des Hungers, sondern das vergangene der Lust zu demNahrungsmittel treibt. – Wie der physische Leib zerfällt, wenn ihn nicht derÄtherleib zusammenhält; wie der Ätherleib in die Bewußtlosigkeit versinkt,wenn ihn nicht der Astralleib durchleuchtet, so müßte der Astralleib dasVergangene immer wieder in die Vergessenheit sinken lassen, wenn dieses nichtvom „Ich“ in die Gegenwart herübergerettet würde. (32) Was für den physischenLeib der Tod, für den Ätherleib der Schlaf, das ist für den Astralleib dasVergessen. Man kann auch sagen: dem Ätherleib sei das Leben eigen, demAstralleib das Bewußtsein und dem Ich die Erinnerung.

(12) Noch leichter als in den Irrtum, der Pflanze Bewußtsein zuzuschreiben,kann man in denjenigen verfallen, bei dem Tiere von Erinnerung zu sprechen.Es liegt so nahe, an Erinnerung zu denken, wenn der Hund seinen Herrnwiedererkennt, den, er vielleicht ziemlich lange nicht gesehen hat. Doch inWahrheit beruht solches Wiedererkennen gar nicht auf Erinnerung, sondern aufetwas völlig anderem. Der Hund empfindet eine gewisse Anziehung zu seinemHerrn. Diese geht aus von der Wesenheit des letzteren.

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Diese Wesenheit bereitet dem Hunde Lust, wenn der Herr für ihn gegenwärtigist. Und jedesmal, wenn diese Gegenwart des Herrn eintritt, ist sie dieVeranlassung zu einer Erneuerung der Lust. Erinnerung ist aber nur dannvorhanden, wenn ein Wesen nicht bloß mit seinen Erlebnissen in der Gegenwartempfindet, sondern wenn es diejenigen der Vergangenheit bewahrt. Man könntesogar dieses zugeben und dennoch in den Irrtum verfallen, der Hund habeErinnerung. Man könnte nämlich sagen: er trauert, wenn sein Herr ihn verläßt,also bleibt ihm die Erinnerung an denselben. Auch das ist ein unrichtiges Urteil.Durch das Zusammenleben mit dem Herrn wird für den Hund dessen GegenwartBedürfnis, und er empfindet dadurch die Abwesenheit in ähnlicher Art, wie erden Hunger empfindet. Wer solche Unterscheidungen nicht macht, wird nichtzur Klarheit über die wahren Verhältnisse des Lebens kommen. (33)

(13) Aus gewissen Vorurteilen heraus wird man gegen diese Darstellungeinwenden, daß man doch nicht wissen könne, ob beim Tiere etwas dermenschlichen Erinnerung Ähnliches vorhanden sei oder nicht. Solcher Einwandberuht aber auf einer ungeschulten Beobachtung, Wer wirklich sinngemäßbeobachten kann, wie sich das Tier im Zusammenhange seiner Erlebnisseverhält, der bemerkt den Unterschied dieses Verhaltens von dem des Menschen.Und er wird sich klar, daß das Tier sich so verhält, wie es demNichtvorhandensein der Erinnerung entspricht. Für die übersinnlicheBeobachtung ist das ohne weiteres klar. Doch, was dieser übersinnlichenBeobachtung unmittelbar zum Bewußtsein kommt, das kann an seinenWirkungen auf diesem Gebiete auch von der sinnlichen Wahrnehmung undderen denkender Durchdringung erkannt werden. Wenn man sagt, der Menschwisse von seiner Erinnerung durch innere Seelenbeobachtung, die er doch beimTiere nicht anstellen könne, so liegt einer solchen Behauptung einverhängnisvoller Irrtum zugrunde. Was sich der Mensch über seineErinnerungsfähigkeit zusagen hat, das kann er nämlich gar nicht einer innerenSeelenbeobachtung entnehmen, sondern allein dem, was er mit sich in demVerhalten zu den Dingen und Vorgängen der Außenwelt erlebt. Diese Erlebnissemacht er mit sich und mit einem andern Menschen und auch mit den Tieren aufdie ganz gleiche Weise. Es ist nur ein Schein, der den Menschen blendet, wenner glaubt, er beurteile das Vorhandensein der Erinnerung nur an der innerenBeobachtung. (34) Was der Erinnerung als Kraft zugrunde liegt, mag innerlichgenannt werden; das Urteil über diese Kraft wird auch für die eigene Persondurch den Blick auf den Zusammenhang des Lebens an der Außenwelterworben. Und diesen Zusammenhang kann man wie bei sich auch bei demTiere beurteilen. In bezug auf solche Dinge leidet unsere gebräuchlichePsychologie an ihren ganz ungeschulten, ungenauen, im hohen Maße durchBeobachtungsfehler täuschenden Vorstellungen.

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(14) Für das „Ich“ bedeuten Erinnerung und Vergessen etwas durchausÄhnliches wie für den Astralleib, Wachen und Schlaf. Wie der Schlaf dieSorgen und Bekümmernisse des Tages in ein Nichts verschwinden läßt, sobreitet Vergessen einen Schleier über die schlimmen Erfahrungen des Lebensund löscht dadurch einen Teil der Vergangenheit aus. Und wie der Schlafnotwendig ist, damit die erschöpften Lebenskräfte neu gestärkt werden, so mußder Mensch gewisse Teile seiner Vergangenheit aus der Erinnerung vertilgen,wenn er neuen Erlebnissen frei und unbefangen gegenüberstehen soll. Abergerade aus dem Vergessen erwächst ihm Stärkung für die Wahrnehmung desNeuen. Man denke an Tatsachen wie das Lernen des Schreibens. AlleEinzelheiten, welche das Kind zu durchleben hat, um schreiben zu lernen,werden vergessen. Was bleibt, ist die Fähigkeit des Schreibens. Wie würde derMensch schreiben, wenn beim jedesmaligen Ansetzen der Feder alle dieErlebnisse in der Seele als Erinnerung aufstiegen, welche beim Schreibenlernendurchgemacht werden mußten.

(15) Nun tritt die Erinnerung in verschiedenen Stufen auf. Schon das ist dieeinfachste Form der Erinnerung, wenn der Mensch einen Gegenstandwahrnimmt und er dann nach dem Abwenden von dem Gegenstande dieVorstellung von ihm wieder erwecken kann. (35) Diese Vorstellung hat derMensch sich gebildet, während er den Gegenstand wahrgenommen hat. Es hatsich da ein Vorgang abgespielt zwischen seinem astralischen Leibe und seinemIch. Der Astralleib hat den äußeren Eindruck von dem Gegenstande bewußtgemacht. Doch würde das Wissen von dem Gegenstande nur so lange dauern,als dieser gegenwärtig ist, wenn das Ich nicht das Wissen in sich aufnehmen undzu seinem Besitztume machen würde. – Hier an diesem Punkte scheidet dieübersinnliche Anschauung das Leibliche von dem Seelischen. Man spricht vomAstralleibe, solange man die Entstehung des Wissens von einem gegenwärtigenGegenstande im Auge hat. Dasjenige aber, was dem Wissen Dauer gibt,bezeichnet man als Seele. Man sieht aber zugleich aus dem Gesagten, wie engverbunden im Menschen der Astralleib mit dem Teile der Seele ist, welcher demWissen Dauer verleiht. Beide sind gewissermaßen zu einem Gliede dermenschlichen Wesenheit vereinigt. Deshalb kann man auch diese Vereinigungals Astralleib bezeichnen. Auch kann man, wenn man eine genaue Bezeichnungwill, von dem Astralleib des Menschen als dem Seelenleib sprechen, und vonder Seele, insofern sie mit diesem vereinigt ist, als der Empfindungsseele.

(16) Das Ich steigt zu einer höheren Stufe seiner Wesenheit, wenn es seineTätigkeit auf das richtet, was es aus dem Wissen der, Gegenstände zu seinemBesitztum gemacht hat. Dies ist die Tätigkeit, durch welche sich das Ich von denGegenständen der Wahrnehmung immer mehr loslöst, um in seinem eigenenBesitze zu arbeiten. (36) Den Teil der Seele, dem dieses zukommt, kann man alsVerstandes- oder Gemütsseele bezeichnen. –

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Sowohl der Empfindungsseele wie der Verstandesseele ist es eigen, daß sie mitdem arbeiten, was sie durch die Eindrücke der von den Sinnenwahrgenommenen Gegenstände erhalten und davon in der Erinnerungbewahren. Die Seele ist da ganz hingegeben an das, was für sie ein Äußeres ist.Auch dies hat sie ja von außen empfangen, was sie durch die Erinnerung zuihrem eigenen Besitz macht. Sie kann aber über all das hinausgehen. Sie istnicht allein Empfindungs- und Verstandesseele. Die übersinnliche Anschauungvermag am leichtesten eine Vorstellung von diesem Hinausgehen zu bilden,wenn sie auf eine einfache Tatsache hinweist, die nur in ihrer umfassendenBedeutung gewürdigt werden muß. Es ist diejenige, daß es im ganzen Umfangeder Sprache einen einzigen Namen gibt, der seiner Wesenheit nach sich vonallen andern Namen unterscheidet. Dies ist eben der Name „Ich“. Jeden andernNamen kann dem Dinge oder Wesen, denen er zukommt, jeder Mensch geben.Das „Ich“ als Bezeichnung für ein Wesen hat nur dann einen Sinn, wenn diesesWesen sich diese Bezeichnung selbst beilegt. Niemals kann von außen an einesMenschen Ohr der Name „Ich“ als eine Bezeichnung dringen; nur das Wesenselbst kann ihn auf sich anwenden. „Ich hin ein Ich nur für mich; für jedenandern bin ich ein Du; und jeder andere ist für mich ein Du.“ Diese Tatsache istder äußere Ausdruck einer tief bedeutsamen Wahrheit. Das eigentliche Wesendes „Ich“ ist von allem Äußeren unabhängig; deshalb kann ihm sein Name auchvon keinem Äußeren zugerufen werden. (37) Jene religiösen Bekenntnisse,welche mit Bewußtsein ihren Zusammenhang mit der übersinnlichen An-schauung aufrechterhalten haben, nennen daher die Bezeichnung „Ich“ den„unaussprechlichen Namen Gottes“. Denn gerade auf das Angedeutete wird ge-wiesen, wenn dieser Ausdruck gebraucht wird. Kein Äußeres hat Zugang zujenem Teile der menschlichen Seele, der hiermit ins Auge gefaßt ist. Hier ist das„verborgene Heiligtum“ der Seele. Nur ein Wesen kann da Einlaß gewinnen, mitdem die Seele gleicher Art ist. „Der Gott, der im Menschen wohnt, spricht,wenn die Seele sich als Ich erkennt.“ Wie die Empfindungsseele und dieVerstandesseele in der äußeren Welt leben, so taucht ein drittes Glied der Seelein das Göttliche ein, wenn diese zur Wahrnehmung ihrer eigenen Wesenheitgelangt.

(17) Leicht kann demgegenüber das Mißverständnis entstehen, als ob solcheAnschauungen das Ich mit Gott für Eins erklärten. Aber sie sagen durchausnicht, daß das Ich Gott sei, sondern nur, daß es mit dem Göttlichen von einerleiArt und Wesenheit ist. Behauptet denn jemand, der Tropfen Wasser, der demMeere entnommen ist, sei das Meer, wenn er sagt: der Tropfen sei derselbenWesenheit oder Substanz wie das Meer. Will man durchaus einen Vergleichgebrauchen, so kann man sagen: wie der Tropfen sich zu dem Meere verhält, soverhält sich das „Ich“ zum Göttlichen. Der Mensch kann in sich ein Göttlichesfinden, weil sein ureigenstes Wesen dem Göttlichen entnommen ißt. So alsoerlangt der Mensch durch dieses ein drittes Seelenglied, ein inneres Wissen vonsich selbst, wie er durch den Astralleib ein Wissen von der Außenwelt erhält.

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Deshalb kann die Geheimwissenschaft dieses dritte Seelenglied auch dieBewußtseinsseele nennen. (38) Und in ihrem Sinne besteht das Seelische ausdrei Gliedern: der Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele,wie das Leibliche aus drei Gliedern besteht, dem physischen Leib, demÄtherleib und dem Astralleib.

(18) Psychologische Beobachtungsfehler, ähnlich denjenigen, die schon fürdie Beurteilung der Erinnerungsfähigkeit besprochen worden sind, machen auchdie rechte Einsicht in die Wesenheit des „Ich“ schwierig. Man kann manches,das man glaubt einzusehen, für eine Widerlegung des oben in dieser BeziehungAusgeführten halten, während es in Wahrheit eine Bestätigung darstellt.Solches, ist der Fall, zum Beispiel, mit den Bemerkungen, die Eduard vonHartmann auf S. 55 f. seines „Grundrisses der Psychologie“ über das „Ich“angibt: „Zunächst ist das Selbstbewußtsein älter als das Wort Ich. Diepersönlichen Fürwörter sind ein ziemlich spätes Produkt derSprachentwickelung und haben für die Sprache nur den Wert von Abkürzungen.Das Wort Ich ist ein kurzer Ersatz für den Eigennamen des Redenden, aber einErsatz, den jeder Redende als solcher von sich braucht, gleichviel mit welchemEigennamen die anderen ihn benennen. Das Selbstbewußtsein kann sich beiTieren und bei ununterrichteten taubstummen Menschen sehr hoch entwickeln,selbst ohne an einen Eigennamen anzuknüpfen. Das Bewußtsein desEigennamens kann vollständig den fehlenden Gebrauch des Ich ersetzen. Mitdieser Einsicht ist der magische Nimbus beseitigt, mit dem für viele dasWörtchen Ich umkleidet ist; es kann dem Begriff des Selbstbewußtseins nichtdas mindeste hinzusetzen, sondern empfängt seinen ganzen Inhalt lediglich vondiesem.“ (39) Man kann mit solchen Ansichten ganz einverstanden sein; auchdamit, daß dem Wörtchen Ich kein magischer Nimbus verliehen werde, der diebesonnene Anschauung über die Sache nur trübt. Aber für das Wesen einerSache entscheidet nicht, wie allmählich die Wortbezeichnung für diese Sacheherbeigeführt wird. Eben darauf kommt es an, daß die wirkliche Wesenheit desIch im Selbstbewußtsein „älter ist als das Wort Ich“. Und daß der Menschgenötigt ist, dieses mit seinen nur ihm zukommenden Eigenschaften behafteteWörtchen für das zu gebrauchen, was er im Wechselverhältnis zur Außenweltanders erlebt, als es das Tier erleben kann. So wenig irgend etwas über dieWesenheit des Dreiecks erkannt werden kann dadurch, daß man zeigt, wie das„Wort“ Dreieck sich gebildet hat, so wenig entscheidet über die Wesenheit desIch, was man wissen kann darüber, wie aus anderem Wortgebrauch der des Ichin der Sprachentwickelung sich gestaltet hat.

(19) In der Bewußtseinsseele enthüllt sich erst die wirkliche Natur des „Ich“.Denn während sich die Seele in Empfindung und Verstand an anderes verliert,ergreift sie als Bewußtseinsseele ihre eigene Wesenheit. Daher kann dieses „Ich“durch die Bewußtseinsseele auch nicht anders als durch eine gewisse innereTätigkeit wahrgenommen werden.

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Die Vorstellungen von äußeren Gegenständen werden gebildet, so wie dieseGegenstände kommen und gehen; und diese Vorstellungen arbeiten imVerstande weiter durch ihre eigene Kraft. (40) Soll aber das „Ich“ sich selbstwahrnehmen, so kann es nicht bloß sich hingeben; es muß durch innereTätigkeit seine Wesenheit aus den eigenen Tiefen erst heraufholen, um einBewußtsein davon zu haben. Mit der Wahrnehmung des „Ich“ – mit derSelbstbesinnung – beginnt eine innere Tätigkeit des „Ich“. Durch dieseTätigkeit hat die Wahrnehmung des Ich in der Bewußtseinsseele für denMenschen eine ganz andere Bedeutung als die Beobachtung alles dessen, wasdurch die drei Leibesglieder und durch die beiden andern Glieder der Seele anihn herandringt. Die Kraft, welche in der Bewußtseinsseele das Ich offenbarmacht, ist ja dieselbe wie diejenige, welche sich in aller übrigen Welt kundgibt.Nur tritt sie in dem Leibe und in den niederen Seelengliedern nicht unmittelbarhervor, sondern offenbart sich stufenweise in ihren Wirkungen. Die untersteOffenbarung ist diejenige durch den physischen Leib; dann geht es stufenweisehinauf bis zu dem, was die Verstandesseele erfüllt. Man könnte sagen, mit demHinansteigen über jede Stufe fällt, einer der Schleier, mit denen das Verborgeneumhüllt ist. In dem, was die Bewußtseinsseele erfüllt, tritt dieses Verborgenehüllenlos in den innersten Seelentempel. Doch zeigt es sich da eben nur wie einTropfen aus dem Meere der alles durchdringenden Geistigkeit. Aber der Menschmuß diese Geistigkeit hier zu nächst ergreifen. Er muß sie in sich selbsterkennen; dann kann er sie auch in ihren Offenbarungen finden.

(20) Was da wie ein Tropfen hereindringt in die Bewußtseinsseele, das nenntdie Geheimwissenschaft den Geist. So ist die Bewußtseinsseele mit dem Geisteverbunden, der das Verborgene in allem Offenbaren ist. Wenn der Mensch nunden Geist in aller Offenbarung ergreifen will, so muß er dies auf dieselbe Arttun, wie er das Ich in der Bewußtseinsseele ergreift. (41) Er muß die Tätigkeit,welche ihn zum Wahrnehmen dieses Ich geführt hat, auf die offenbare Welthinwenden. Dadurch aber entwickelt er sich zu höheren Stufen seinerWesenheit. Er setzt den Leibes- und Seelengliedern Neues an. Das nächste ist,daß er dasjenige auch noch selbst erobert, was in den niederen Gliedern seinerSeele verborgen liegt. Und dies geschieht durch seine vom Ich ausgehendeArbeit an seiner Seele. Wieder Mensch in dieser Arbeit begriffen ist, das wirdanschaulich, wenn man einen Menschen, der noch ganz niederem Begehren undsogenannter sinnlicher Lust hingegeben ist, vergleicht mit einem edlenIdealisten. Der letztere wird aus dem ersteren, wenn jener sich von gewissenniederen Neigungen abzieht und höheren zuwendet. Er hat dadurch vom Ich ausveredelnd, vergeistigend auf seine Seele gewirkt. Das Ich ist Herr gewordeninnerhalb des Seelenlebens. Das kann soweit gehen, daß in der Seele keineBegierde, keine Lust Platz greift, ohne daß das Ich die Gewalt ist, welche denEinlaß ermöglicht. Auf diese Art wird dann die ganze Seele eine Offenbarungdes Ich, wie es vorher nur die Bewußtseinsseele war. Im. Grunde besteht allesKulturleben und alles geistige Streben der Menschen aus einer Arbeit, welchediese Herrschaft des Ich zum Ziel hat.

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Jeder gegenwärtig lebende Mensch ist in dieser Arbeit begriffen: er mag, wollenoder nicht, er mag von dieser Tatsache ein Bewußtsein haben oder nicht.

(21) Durch diese Arbeit aber geht es zu höheren Stufen derMenschenwesenheit hinan. Der Mensch entwickelt durch sie neue Glieder seinerWesenheit. (42) Diese liegen als Verborgenes hinter dem für ihn Offenbaren. Eskann sich der Mensch aber nicht nur durch die Arbeit an seiner Seele vom Ichaus zum Herrscher über diese Seele machen, so daß diese aus dem Offenbarendas Verborgene hervortreibt, sondern er kann diese Arbeit auch erweitern. Erkann übergreifen auf den Astralleib. Dadurch bemächtigt sich das Ich diesesAstralleibes, indem es sich mit dessen verborgener Wesenheit vereinigt. Dieserdurch das Ich eroberte, von ihm umgewandelte Astralleib kann das Geistselbstgenannt werden. (Es ist dies dasselbe, was man in Anlehnung an diemorgenländische Weisheit „Manas“ nennt.) In dem Geistselbst ist ein höheresGlied der Menschenwesenheit gegeben, ein solches, das in ihr gleichsamkeimhaft vorhanden ist und das im Laufe ihrer Arbeit an sich selbst immer mehrherauskommt.

(22) Wie der Mensch seinen Astralleib erobert dadurch, daß er zu denverborgenen Kräften, die hinter ihm stehen, vordringt, so geschieht das im Laufeder Entwickelung auch mit dem Ätherleibe. Die Arbeit an diesem Ätherleibe istaber eine intensivere als die am Astralleibe; denn was sich in dein ersterenverbirgt, das ist in zwei, das Verborgene des Astralleibes jedoch nur in einenSchleier gehüllt. Man kann sich einen Begriff von dem Unterschiede in derArbeit an den beiden Leibern bilden, indem man auf gewisse Veränderungenhinweist, die mit dem Menschen im Verlaufe seiner Entwickelung eintretenkönnen. Man denke zunächst, wie gewisse Seeleneigenschaften des Menschensich entwickeln, wenn das Ich an der Seele arbeitet. Wie Lust und Begierden,Freude und Schmerz sich ändern können. Der Mensch braucht da nurzurückzudenken an die Zeit seiner Kindheit. (43) Woran hat er da seine Freudegehabt; was hat ihm Leid verursacht? Was hat er zu dem hinzugelernt, was er inder Kindheit gekonnt hat? Alles das aber ist nur ein Ausdruck davon, wie dasIch die Herrschaft erlangt hat über den Astralleib, Denn dieser ist ja der Trägervon Lust und Leid, von Freude und Schmerz. Und man vergleiche damit, wiewenig sich im Laufe der Zeit gewisse andere Eigenschaften des Menschenändern, z.B. sein Temperament, die tieferen Eigentümlichkeiten seinesCharakters usw. Ein Mensch, der als Kind jähzornig ist, wird gewisse Seiten desJähzorns auch für seine Entwickelung in das spätere Leben hinein oftbeibehalten. Die Sache ist so auffallend, daß es Denker gibt, welche dieMöglichkeit ganz in Abrede stellen, daß der Grundcharakter eines Menschensich ändern könne. Sie nehmen an, daß dieser etwas durch das Leben hindurchBleibendes sei, welches sich nur nach dieser oder jener Seite offenbare. Einsolches Urteil beruht aber nur auf einem Mangel in der Beobachtung. Wer denSinn dafür hat, solche Dinge zu sehen, dem wird klar, daß sich auch Charakterund Temperament des Menschen unter dem Einflusse seines Ich ändern.

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Allerdings ist diese Änderung im Verhältnis zur Änderung der vorhingekennzeichneten Eigenschaften eine langsame. Man kann den Vergleichgebrauchen, daß das Verhältnis der beiderlei Änderungen ist wie das Vorrückendes Stundenzeigers der Uhr im Verhältnis zum Minutenzeiger. Nun gehören dieKräfte, welche diese Änderung von Charakter oder Temperament bewirken, demverborgenen Gebiet des Ätherleibes an. Sie sind gleicher Art mit den Kräften,welche im Reiche des Lebens herrschen, also mit den Wachstums-,Ernährungskräften und denjenigen, welche der Fortpflanzung dienen. Auf dieseDinge wird durch die weiteren Ausführungen dieser Schrift das rechte Lichtfallen. – Also nicht, wenn sich der Mensch bloß hingibt an Lust und Leid, anFreude und Schmerz, arbeitet das Ich am Astralleib, sondern wenn sich dieEigentümlichkeiten dieser Seeleneigenschaften ändern. Und ebenso erstrecktsich die Arbeit auf den Ätherleib, wenn das Ich seine Tätigkeit an eineÄnderung seiner Charaktereigenschaften, seiner Temperamente usw. Auch andieser letzteren Änderung arbeitet jeder Mensch: er mag sich dessen bewußtsein oder nicht. Die stärksten Impulse, welche im gewöhnlichen Leben auf dieseÄnderung hinarbeiten, sind die religiösen. Wenn das Ich die Antriebe, die ausder Religion fließen, immer wieder und wieder auf sich wirken läßt, so bildendiese, in ihm eine Macht, welche bis in den Ätherleib hineinwirkt und diesenebenso wandelt, wie geringere Antriebe des Lebens die Verwandlung desAstralleibes bewirken. Diese geringeren Antriebe des Lebens, welche durchLernen, Nachdenken, Veredelung der Gefühle usw. an den Menschenherankommen, unterliegen, dem mannigfaltig wechselnden Dasein; diereligiösen Empfindungen drücken aber allem Denken, Fühlen und Wollen etwasEinheitliches auf. Sie breiten gleichsam ein gemeinsames, einheitliches Lichtüber das ganze Seelenleben aus. Der Mensch denkt und fühlt heute dies, morgenjenes. Dazu führen die verschiedensten Veranlassungen. (45) Wer aber durchsein wie immer geartetes religiöses Empfinden etwas ahnt, das sich durch allenWechsel hindurchzieht, der wird, was er heute denkt und fühlt, ebenso auf dieseGrundempfindung beziehen wie die morgigen Erlebnisse seiner Seele. Dasreligiöse Bekenntnis hat dadurch etwas Durchgreifendes im Seelenleben; seineEinflüsse verstärken sich im Laufe der Zeit immer mehr, weil sie infortdauernder Wiederholung wirken. Deshalb erlangen sie die Macht, auf denÄtherleib zu wirken. – In ähnlicher Art wirken die Einflüsse der wahren Kunstauf den Menschen. Wenn er durch die äußere Form, durch Farbe und Ton einesKunstwerkes die geistigen Untergründe desselben mit Vorstellen und Gefühldurchdringt, dann wirken die Impulse, welche dadurch das Ich empfängt, in derTat auch bis auf den Ätherleib. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, sokann man ermessen, welch ungeheure Bedeutung die Kunst für alle menschlicheEntwickelung hat. Nur auf einiges ist hiermit hingewiesen, was dem Ich dieAntriebe liefert, auf den Ätherleib zu wirken. Es gibt viele dergleichen Einflüsseim Menschenleben, die dem beobachtenden Blick nicht so offen liegen wie diegenannten. Aber schon aus diesen ist ersichtlich, daß im Menschen ein weiteresGlied seiner Wesenheit verborgen ist, welches das Ich immer mehr, und mehrherausarbeitet.

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Man kann dieses Glied als das zweite des Geistes, und zwar als den Lebensgeistbezeichnen. (Es ist dasselbe, was man mit Anlehnung an die morgenländischeWeisheit „Buddhi“ nennt.) Der Ausdruck „Lebensgeist“ ist deshalb derentsprechende, weil in dem, was er bezeichnet, dieselben Kräfte wirksam sindwie in dem „Lebensleib“; nur ist in diesen Kräften, wenn sie als Lebensleib sichoffenbaren, das menschliche Ich nicht tätig. Äußern sie sich aber alsLebensgeist, so sind sie von der Tätigkeit des Ich durchsetzt. (46)

(23) Die intellektuelle Entwickelung des Menschen, seine Läuterung undVeredelung von Gefühlen und Willensäußerungen sind das Maß seinerVerwandlung des Astralleibes zum Geistselbst; seine religiösen Erlebnisse undmanche anderen Erfahrungen prägen sich dem Ätherleibe ein und machendiesen zum Lebensgeist. Im gewöhnlichen Verlaufe des Lebens geschieht diesmehr oder weniger unbewußt, dagegen besteht die sogenannte Einweihung desMenschen darin, daß er durch die übersinnliche Erkenntnis auf die Mittelhingewiesen wird, wodurch er diese Arbeit im Geistselbst und Lebensgeist ganzbewußt in die Hand nehmen kann. Von diesen Mitteln wird in späteren Teilendieser Schrift die Rede sein. Vorläufig handelte es sich darum, zu zeigen, daß imMenschen außer der Seele und dem Leibe auch der Geist wirksam ist. Auch daswird sich später zeigen, wie dieser Geist zum Ewigen des Menschen, imGegensatz zu dem vergänglichen Leibe, gehört.

(24) Mit der Arbeit am Astralleib und am Ätherleib ist aber die Tätigkeit desIch noch nicht erschöpft. Diese erstreckt sich auch auf den physischen Leib.Einen, Anflug von dem Einflusse des Ich auf den physischen Leib kann mansehen, wenn durch gewisse Erlebnisse z.B. Erröten oder Erbleichen eintreten.Hier ist das Ich in der Tat der Veranlasser eines Vorganges im physischen Leib.Wenn nun durch die Tätigkeit des Ich im Menschen Veränderungen eintreten inbezug auf seinen Einfluß im physischen Leibe, so ist das Ich wirklich vereinigtmit den verborgenen Kräften dieses physischen Leibes. (47) Mit denselbenKräften, welche seine physischen Vorgänge bewirken. Man kann dann sagen,das Ich arbeitet durch eine solche Tätigkeit am physischen Leibe. Es darf dieserAusdruck nicht mißverstanden werden. Die Meinung darf gar nicht aufkommen,als ob diese Arbeit etwas Grob-Materielles sei. Was am physischen Leibe alsdas Grob-Materielle erscheint, das ist ja nur das Offenbare an ihm. Hinterdiesem Offenbaren liegen die verborgenen Kräfte seines Wesens. Und diese sindgeistiger Art. Nicht von einer Arbeit an dem Materiellen, als welches derphysische Leib erscheint, soll hier gesprochen werden, sondern von dergeistigen Arbeit an den unsichtbaren Kräften, welche ihn entstehen lassen undwieder zum Zerfall bringen. Für das gewöhnliche Leben kann dem Menschendiese Arbeit des Ich am physischen Leibe nur mit einer sehr geringen Klarheitzum Bewußtsein kommen. Diese Klarheit kommt im vollen Maße. erst, wennunter dem Einfluß der übersinnlichen Erkenntnis der Mensch die Arbeit bewußtin die Hand nimmt. Dann aber tritt zutage, daß es noch ein drittes geistiges Gliedim Menschen gibt.

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Es ist dasjenige, welches der Geistesmensch im Gegensatze zum physischenMenschen genannt werden kann. (In der morgenländischen Weisheit heißt dieser„Geistesmensch“ das „Atma“.)

(25) Man wird in bezug auf den Geistesmenschen auch dadurch leichtirregeführt, daß man in dem physischen Leibe das niedrigste Glied desMenschen sieht und sich deswegen mit der Vorstellung nur schwer abfindet, daßdie Arbeit an diesem physischen Leibe zu dem höchsten Glied in derMenschenwesenheit kommen soll. (48) Aber gerade deswegen, weil derphysische Leib den in ihm tätigen Geist unter drei Schleiern verbirgt, gehört diehöchste Art von menschlicher Arbeit dazu, um das Ich mit dem zu einigen, wassein verborgener Geist ist.

(26) So stellt sich der Mensch für die Geheimwissenschaft als eine ausverschiedenen Gliedern zusammengesetzte Wesenheit dar. Leiblicher eher Artsind: der physische Leib, der Ätherleib und der Astralleib. Seelisch sind:Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele. In der Seele breitetdas Ich sein Licht aus. Und geistig sind: Geistselbst, Lebensgeist undGeistmensch. Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß dieEmpfindungsseele und der Astralleib eng vereinigt sind und in einer gewissenBeziehung ein Ganzes ausmachen. In ähnlicher Art sind Bewußtseinsseele undGeistselbst ein Ganzes. Denn in der Bewußtseinsseele leuchtet der Geist auf undvon ihr aus durchstrahlt er die andern Glieder der Menschennatur. Mit Rücksichtdarauf kann man auch von der folgenden Gliederung des Menschen sprechen.Man kann Astralleib und Empfindungsseele als ein Glied zusammenfassen,ebenso Bewußtseinsseele und Geistselbst und kann die Verstandesseele, weil siean der Ich-Natur Teil hat, weil sie in einer gewissen Beziehung schon das „Ich“ist, das sich seiner Geistwesenheit nur noch nicht bewußt ist, als „Ich“schlechtweg bezeichnen, und bekommt dann sieben Teile des Menschen:

1. Physischer Leib;

2. Ätherleib oder Lebensleib;

3. Astralleib;

4. Ich;

5. Geistselbst;

6. Lebensgeist;

7. Geistmensch. (49)

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(27) Auch für den an materialistische Vorstellungen gewöhnten Menschenwürde diese Gliederung des Menschen im Sinne der Siebenzahl nicht das„unklar Zauberhafte“ haben, das er ihr oft zuschreibt, wenn er sieh genau an denSinn der obigen Auseinandersetzungen halten würde und nicht von vornhereindieses „Zauberhafte“ selbst in die Sache hineinlegen würde.

In keiner andern Art, nur vom Gesichtspunkte einer höheren Form derWeltbeobachtung aus, sollte von diesen „sieben“ Gliedern des Menschengesprochen werden, so wie man von den sieben Farben des Lichtes spricht odervon den sieben Tönen der Tonleiter (indem man die Oktave als eineWiederholung des Grundtones betrachtet). Wie das Licht in sieben Farben, derTon in sieben Stufen erscheint, so die einheitliche Menschennatur in dengekennzeichneten sieben Gliedern. So wenig die Siebenzahl bei Ton und Farbeetwas von „Aberglauben“ mit sich führt, so wenig ist das mit Bezug auf sie beider Gliederung des Menschen der Fall. (Es ist bei einer Gelegenheit, als dieseinmal mündlich vorgebracht worden ist, gesagt worden, daß die Sache bei denFarben mit der Siebenzahl doch nicht stimme, da jenseits des „Roten“ und des„Violetten“ doch auch noch Farben liegen, welche das Auge nur nichtwahrnimmt. Aber auch in Anbetracht dessen stimmt der Vergleich mit denFarben, denn auch jenseits des physischen Leibes auf der einen Seite undjenseits des Geistesmenschen anderseits setzt sich die Wesenheit des Menschenfort; nur sind für die Mittel der geistigen Beobachtung diese Fortsetzungen„geistig unsichtbar“, wie die Farben jenseits von Rot und Violett für dasphysische Auge unsichtbar sind. Diese Bemerkung mußte gemacht werden, weilso leicht die Meinung aufkommt, die übersinnliche Anschauung nehme es mitdem naturwissenschaftlichen Denken nicht genau, sie sei in bezug auf dasselbedilettantisch. (50) Wer aber richtig zusieht, was mit dem Gesagten gemeint ist,der kann finden, daß dies in Wahrheit nirgends in einem Widerspruch steht mitder echten Naturwissenschaft; weder wenn naturwissenschaftliche Tatsachen zurVeranschaulichung herangezogen werden, noch auch wenn mit den hiergemachten Äußerungen auf ein unmittelbares Verhältnis zu der Naturforschunggedeutet wird.) (51)

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Schlaf und Tod

(1) Man kann das Wesen des wachen Bewußtseins nicht durchdringen ohne dieBeobachtung desjenigen Zustandes, welchen der Mensch während des Schlafensdurchlebt; und man kann dem Rätsel des Lebens nicht beikommen, ohne denTod zu betrachten. Für einen, Menschen, in dem kein Gefühl lebt von derBedeutung der übersinnlichen Erkenntnis, können sich schon daraus Bedenkengegen diese ergeben, wie sie ihre Betrachtungen des Schlafes und des Todestreibt. Diese Erkenntnis kann die Beweggründe würdigen, aus denen solcheBedenken entspringen. Denn es ist nichts Unbegreifliches, wenn jemand sagt,der Mensch sei für das tätige, wirksame Leben da und sein Schaffen beruhe aufder Hingabe an dieses. Und die Vertiefung in Zustände wie Schlaf und Todkönne nur aus, dem Sinn für müßige Träumerei entspringen und zu nichtsanderem als zu leerer Phantastik führen. Es können leicht Menschen in derAblehnung einer solchen „Phantastik“ den Ausdruck einer gesunden Seele sehenund in der Hingabe an derlei „müßige Träumereien“ etwas Krankhaftes, das nurPersonen eignen mag, denen es an Lebenskraft und Lebensfreude mangelt unddie nicht zum „wahren Schaffen“ befähigt sind. Man tut Unrecht, wenn man einsolches Urteil ohne weiteres als unrichtig hinstellt. (52) Denn es hat einengewissen wahren Kern in sich; es ist eine Viertelwahrheit, die durch die übrigendrei Viertel, welche zu ihr gehören, ergänzt werden muß. Und man machtdenjenigen, der das eine Viertel ganz gut einsieht, von den andern drei Viertelnaber nichts ahnt, nur mißtrauisch, wenn man das eine richtige Viertel bekämpft.– Es muß nämlich unbedingt zugegeben, werden, daß eine Betrachtung dessen,was Schlaf und Tod verhüllen, krankhaft ist, wenn sie, zu einer Schwächung, zueiner Abkehr vom wahren Leben führt. Und nicht weniger kann man damiteinverstanden sein, daß vieles, was sich von jeher in der WeltGeheimwissenschaft genannt hat und was auch gegenwärtig unter diesemNamen getrieben wird, ein ungesundes, lebensfeindliches Gepräge trägt. Aberdieses Ungesunde entspringt durchaus nicht aus wahrer übersinnlicherErkenntnis. Der wahre Tatbestand ist vielmehr der folgende. Wie der Menschnicht immer wachen kann, so kann er auch für die wirklichen Verhältnisse desLebens in seinem ganzen Umfange nicht auskommen ohne das, was ihm dasÜbersinnliche zu geben vermag. Das Leben dauert fort im Schlafe, und dieKräfte, welche im Wachen arbeiten und schaffen, holen sich ihre Stärke und ihreErfrischung aus dem, was ihnen der Schlaf gibt. So ist es mit dem, was derMensch in der offenbaren Welt beobachten kann. Das Gebiet der Welt ist weiterals das Feld dieser Beobachtung. Und was der Mensch im Sichtbaren erkennt,das muß ergänzt und befruchtet werden durch dasjenige, was er über dieunsichtbaren Welten zu wissen vermag. (53) Ein Mensch, der sich nicht immerwieder die Stärkung der erschlafften Kräfte aus dem Schlafe holte, müßte seinLeben zur Vernichtung führen; ebenso muß eine Weltbetrachtung zur Verödungführen, die nicht durch die Erkenntnis des Verborgenen befruchtet wird. Undähnlich ist es mit dem „Tode“.

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Die lebenden Wesen verfallen dem Tode, damit neues Leben entstehen könne.Es ist eben die Erkenntnis des Übersinnlichen, welche klares Licht verbreitetüber den schönen Satz Goethes: „Die Natur hat den Tod erfunden, um vielLeben zu haben.“ Wie es kein Leben im gewöhnlichen Sinne geben könnte ohneden Tod, so kann es keine wirkliche Erkenntnis der sichtbaren Welt geben ohneden Einblick in das Übersinnliche. Alles Erkennen des Sichtbaren muß immerwieder und wieder in das Unsichtbare untertauchen, um sich entwickeln zukönnen. So ist ersichtlich, daß die Wissenschaft vom Übersinnlichen erst dasLeben des offenbaren Wissens möglich macht; sie schwächt niemals das Leben,wenn sie in ihrer wahren Gestalt auftaucht; sie stärkt es und macht es immerwieder frisch und gesund, wenn es sich, auf sich selbst angewiesen, schwachund krank gemacht hat.

(2) Wenn der Mensch in Schlaf versinkt, dann verändert sich derZusammenhang in seinen Gliedern. Das, was vom schlafenden Menschen aufder Ruhestätte liegt, enthält den physischen Leib und den Ätherleib, nicht aberden Astralleib und nicht das Ich. Weil der Ätherleib mit dem physischen Leibeim Schlafe verbunden bleibt, deshalb dauern die Lebenswirkungen fort. Denn indem Augenblicke, wo der physische Leib sich selbst überlassen wäre, müßte erzerfallen. (54) Was aber im Schlafe ausgelöscht ist, das sind die Vorstellungen,das ist Leid und Lust, Freude und Kummer, das ist die Fähigkeit, einenbewußten Willen zu äußern, und ähnliche Tatsachen des Daseins. Von alledemist aber der Astralleib der Träger. Es kann für ein unbefangenes Urteilennatürlich die Meinung gar nicht in Betracht kommen, daß im Schlafe derAstralleib mit aller Lust und allem Leid, mit der ganzen Vorstellungs- undWillenswelt vernichtet sei. Er ist eben in einem andern Zustand vorhanden. Daßdas menschliche Ich und der Astralleib nicht nur mit Lust und Leid und all demandern Genannten erfüllt sei, sondern davon auch eine bewußte Wahrnehmunghabe, dazu ist notwendig, daß der Astralleib mit dem physischen Leib undÄtherleib verbunden sei. Im Wachen ist er dieses, im Schlafen ist er es nicht. Erhat sich aus ihm herausgezogen. Er hat eine andere Art des Daseinsangenommen als diejenige ist, die ihm während seiner Verbindung mitphysischem Leibe und Ätherleib zukommt. Es ist nun die Aufgabe derErkenntnis des Übersinnlichen, diese andere Art des Daseins im Astralleib zubetrachten. Für die Beobachtung in der äußeren Welt entschwindet derAstralleib im Schlafe; die übersinnliche Anschauung hat ihn nun zu verfolgen inseinem Leben, bis er wieder Besitz vom physischen Leibe und Ätherleibe beimErwachen ergreift. Wie in allen Fällen, in denen es sich um die Erkenntnis derverborgenen Dinge und Vorgänge der Welt handelt, gehört zum Auffinden derwirklichen Tatsachen des Schlafzustandes in ihrer eigenen Gestalt dieübersinnliche Beobachtung; wenn aber einmal ausgesprochen ist, was durch.diese gefunden werden kann, dann ist dieses für ein wahrhaft unbefangenesDenken ohne weiteres verständlich. Denn die Vorgänge der verborgenen Weltzeigen sich in ihren Wirkungen in der offenbaren. (55)

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Ersieht man, wie das, was die übersinnliche Betrachtung angibt, diesinnenfälligen Vorgänge verständlich macht, so ist eine solche Bestätigungdurch das Leben der Beweis, den man für diese Dinge verlangen kann. Wernicht die später anzugebenden Mittel zur Erlangung der übersinnlichenBeobachtung gebrauchen will, der kann die folgende Erfahrung machen. Erkann zunächst die Angaben der übersinnlichen Erkenntnis hinnehmen und dannsie auf die offenbaren Dinge seiner Erfahrung anwenden. Er kann auf diese Artfinden, daß das Leben dadurch klar und verständlich wird. Und er wird zu dieserÜberzeugung um so mehr kommen, je genauer und eingehender er dasgewöhnliche Leben betrachtet.

(3) Wenn auch der Astralleib während des Schlafes keine Vorstellungenerlebt, wenn er auch nicht Lust und. Leid und ähnliches erfährt: er bleibt nichtuntätig. Ihm obliegt vielmehr gerade im Schlafzustande eine rege Tätigkeit. Esist eine Tätigkeit, in welche er in rhythmischer Folge immer wieder eintretenmuß, wenn er eine, Zeitlang in Gemeinschaft mit dem physischen und demÄtherleib tätig war. Wie ein Uhrpendel, nachdem er nach links ausgeschlagenhat und wieder in die Mittellage zurückgekommen ist, durch die bei diesemAusschlag gesammelte Kraft nach rechts ausschlagen muß, so müssen derAstralleib und das in seinem Schoße befindliche Ich, nachdem sie einige Zeit indem physischen und dem Ätherleib tätig waren, durch die Ergebnisse dieserTätigkeit eine folgende Zeit leibfrei in einer seelisch-geistigen Umwelt ihreRegsamkeit entfalten. (56) Für die gewöhnliche Lebensverfassung desMenschen tritt innerhalb dieses leibfreien Zustandes des Astralleibes und des IchBewußtlosigkeit ein, weil diese eben den Gegensatz gegenüber dem imWachzustande durch Zusammensein mit physischem und Ätherleib entwickeltenBewußtseinszustand darstellt: wie der rechte Pendelausschlag den Gegensatz deslinken bildet. Die Notwendigkeit, in diese Bewußtlosigkeit einzutreten, wird vondem Geistig-Seelischen des Menschen als Ermüdung empfunden. Aber dieseErmüdung ist der Ausdruck dafür, daß Astralleib und Ich während des Schlafessich bereit machen, im folgenden Wachzustande am Physischen und Ätherleibwieder zurückzubilden, was in diesen, solange sie frei vom Geistig-Seelischenwaren, durch rein organische – unbewußte – Bildetätigkeit entstanden ist. Dieseunbewußte Bildetätigkeit und dasjenige, was im Menschenwesen während desBewußtseins und durch dieses geschieht., sind Gegensätze. Solche Gegensätze,die in rhythmischer Folge sich abwechseln müssen. Es kann dem physischenLeib die ihm für den Menschen zukommende Form und Gestalt nur durch denmenschlichen Ätherleib erhalten werden. Aber diese menschliche Form desphysischen Leibes kann nur durch einen solchen Ätherleib erhalten werden, demseinerseits wieder von dem Astralleibe die entsprechenden Kräfte zugeführtwerden. Der Ätherleib ist der Bildner, der Architekt des physischen Leibes. Erkann aber nur im richtigen Sinne bilden, wenn er die Anregung zu der Art, wieer zu bilden hat, von dem Astralleibe erhält. In diesem sind die Vorbilder, nachdenen der Ätherleib dem physischen Leibe seine Gestalt gibt.

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Während des Wachens ist nun der Astralleib nicht mit diesen Vorbildern für denphysischen Leib erfüllt oder wenigstens nur bis zu einem bestimmten Grade.(57) Denn während des Wachens setzt die Seele ihre eigenen Bilder an die Stelledieser Vorbilder. Wenn der Mensch die Sinne auf seine Umgebung richtet, sobildet er sich eben durch die Wahrnehmung in seinen Vorstellungen Bilder,welche die Abbilder der ihn umgebenden Welt sind. Diese Abbilder sindzunächst Störenfriede für diejenigen Bilder, welche den Ätherleib anregen zurErhaltung des physischen Leibes. Nur dann, wenn der Mensch aus eigenerTätigkeit seinem Astralleibe diejenigen Bilder zuführen könnte, welche demÄtherleibe die richtige Anregung geben können, dann wäre eine solche Störungnicht vorhanden. Im Menschendasein spielt aber gerade diese Störung einewichtige Rolle. Und sie drückt sich dadurch aus, daß während des Wachens dieVorbilder für den Ätherleib nicht in ihrer vollen Kraft wirken. SeineWachleistung vollbringt der Astralleib innerhalb des physischen Leibes; imSchlafe arbeitet er an diesem von außen.*

[* Über das Wesen der Ermüdung vgl. man die am Schlusse dieses Buches angefügten „Einzelheitenaus dein Gebiete, der Geisteswissenschaft“.]

(4) Wie der physische Leib z. B. in der Zufuhr der Nahrungsmittel dieAußenwelt braucht, mit der er, gleicher Art ist., so ist etwas Ähnliches auch fürden Astralleib der Fall. Man denke sich einen physischen Menschenleib aus derihn umgebenden Welt entfernt. Er müßte zugrunde gehen. Das zeigt, daß erohne die ganze physische Umgebung nicht möglich ist. In der Tat muß die ganzeErde so sein, wie sie ist, wenn auf ihr physische Menschenleiber vorhanden seinsollen. In Wahrheit ist nämlich dieser ganze Menschenleib nur ein Teil derErde“ ja in weiterem Sinne des ganzen physischen Weltalls. (58) Er verhält sichin dieser Beziehung wie z. B. der Finger einer Hand zu dem ganzenmenschlichen Körper. Man trenne den Finger von der Hand., und er kann keinFinger bleiben. Er verdorrt. So auch müßte es dem menschlichen Leibe ergehen,wenn er von demjenigen Leibe entfernt würde, von dem er ein Glied ist; von denLebensbedingungen, welche ihm die Erde liefert. Man erhebe ihn einegenügende Anzahl von Meilen über die Oberfläche der Erde, und er wirdverderben, wie der Finger verdirbt, den man von der Hand abschneidet. Wennder Menschgegenüber seinem physischen Leibe diese Tatsache weniger beachtetals gegenüber Finger und Körper, so beruht das lediglich darauf, daß der Fingernicht am Leibe herumspazieren kann wie der Mensch auf der Erde, und daß fürjenen daher. die Abhängigkeit leichter in die Augen springt.

(5) Wie nun der physische Leib in die physische Welt eingebettet ist, zu der ergehört, so ist der Astralleib zu der seinigen gehörig. Nur wird er durch dasWachleben aus dieser seiner Welt herausgerissen. Man kann das, was davorgeht, mit einem Vergleiche sich veranschaulichen. Man denke sich ein Gefäßmit Wasser. Ein Tropfen ist innerhalb dieser ganzen Wassermasse nichts für sichAbgesondertes. Man nehme aber ein kleines Schwämmchen und sauge damit,einen Tropfen aus der ganzen Wassermasse heraus.

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So etwas geht mit dem menschlichen Astralleibe beim Erwachen vor sich.Während des Schlafes ist er in einer mit ihm gleichen Welt. Er bildet etwas ineiner gewissen Weise zu dieser Gehöriges. (59) Beim Erwachen saugen ihn derphysische Leib und der Ätherleib auf. Sie erfüllen sich mit ihm. Sie enthaltendie Organe, durch die er die äußere Welt wahrnimmt. Er aber muß, um zu dieserWahrnehmung zu kommen aus seiner Welt sich herausscheiden. Aus dieserseiner Welt aber kann er nur die Vorbilder erhalten, welche er für den Ätherleibbraucht. – Wie dein physischen Leibe z. B. die Nahrungsmittel aus seinerUmgebung zukommen, so kommen dem Astralleib während desSchlafzustandes die Bilder der ihn umgebenden Welt zu. Er lebt da in der Tataußerhalb des physischen und des Ätherleibes im Weltall. In demselben Weltall,aus dem heraus der ganze Mensch geboren ist. In diesem Weltall ist die Quelleder Bilder, durch die der Mensch seine Gestalt erhält. Er ist harmonisch diesemWeltall eingegliedert. Und er hebt sich während des Wachens heraus aus dieserumfassenden Harmonie, um zu der äußeren Wahrnehmung zu kommen. ImSchlaf kehrt sein Astralleib in diese Harmonie des Weltalls zurück. Er führtbeim Erwachen aus dieser so viel Kraft in seine Leiber ein, daß er das Verweilenin der Harmonie wieder für einige Zeit entbehren kann. Der Astralleib kehrtwährend des Schlafes in seine Heimat zurück und bringt sich beim Erwachenneugestärkte Kräfte in das Leben mit. Den äußeren Ausdruck findet der Besitz,den der Astralleib beim Erwachen mitbringt, in der Erquickung, welche eingesunder Schlaf verleiht. Die weiteren Darlegungen der Geheimwissenschaftwerden ergeben, daß diese Heimat des Astralleibes umfassender ist alsdasjenige, was zum physischen Körper im engeren Sinne von der physischenUmgebung gehört. Während nämlich der Mensch als physisches Wesen einGlied der Erde ist, gehört sein Astralleib Welten an, in welche noch andereWeltkörper eingebettet sind als unsere Erde. (60) Er tritt dadurch – was, wiegesagt, erst in den weiteren Ausführungen klar werden kann – während desSchlafes in eine Welt ein, zu der andere Welten als die Erde gehören.

(6) Es sollte überflüssig sein, auf ein leicht sich einstellendes Mißverständnisin bezug auf diese Tatsachen hinzuweisen. Es ist aber nicht unnötig in unsererZeit, in der gewisse materialistische Vorstellungsarten vorhanden sind. VonSeiten, auf denen solche herrschen, kann natürlich gesagt werden, es sei einzigwissenschaftlich, so etwas wie den Schlaf nach seinen physischen Bedingungenzu erforschen. Wenn auch die Gelehrten über die physische Ursache desSchlafes noch nicht einig seien: das eine stehe doch fest, daß man bestimmtephysische Vorgänge annehmen müsse, welche dieser Erscheinung zugrundeliegen. Wenn man aber doch anerkennen wollte, daß die übersinnlicheErkenntnis durchaus nicht mit dieser Behauptung im Widerspruch steht! Sie gibtalles zu, was von dieser Seite gesagt wird, wie man zugibt, daß für die physischeEntstehung eines Hauses ein Ziegel auf den andern gelegt werden muß, und daß,wenn das Haus fertig ist, aus rein mechanischen Gesetzen seine Form und seinZusammenhalt erklärt werden könne. Aber daß das Haus entsteht, dazu ist derGedanke des Baumeisters notwendig.

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Ihn findet man nicht, wenn man lediglich die physischen Gesetze untersucht. –So wie hinter den physischen Gesetzen, welche das Haus erklärlich machen, dieGedanken seines Schöpfers stehen, so hinter dem, was die physischeWissenschaft in durchaus richtiger Weise vorbringt, dasjenige, wovon durch dieübersinnliche Erkenntnis gesprochen wird. (61) Gewiß, dieser Vergleich wirdoft vorgebracht, wenn von der Rechtfertigung eines geistigen Hintergrundes derWelt die Rede ist. Und man kann ihn trivial finden. Aber in solchen Dingenhandelt es sich nicht darum, daß man mit gewissen Begriffen bekann t ist,sondern darum, daß man ihnen zur Begründung einer Sache das richtigeGewicht beilegt. Daran kann man einfach dadurch verhindert sein, daßentgegengesetzte Vorstellungen eine zu große Macht über die Urteilskrafthaben, um dieses Gewicht in der richtigen Weise zu empfinden.

(7) Ein Zwischenzustand zwischen Wachen und Schlafen ist das Träumen.Was die Traumerlebnisse einer sinnigen Betrachtung darbieten, ist das bunteDurcheinanderwogen einer Bilderwelt, das aber doch auch etwas von Regel undGesetz in sich birgt. Aufsteigen und Abfluten, oft in wirrer Folge, scheintzunächst diese Welt zu zeigen. Losgebunden ist der Mensch in seinemTraumleben von dem Gesetz des wachen Bewußtseins, das ihn kettet an dieWahrnehmung der Sinne und an die Regeln seiner Urteilskraft. Und doch hatder Traum etwas von geheimnisvollen Gesetzen, welche der menschlichenAhnung reizvoll und anziehend sind und welche die tiefere Ursache davon sind,daß man das schöne Spiel der Phantasie, wie es künstlerischem Empfindenzugrunde liegt, immer gern mit dem „Träumen“ vergleicht. Man braucht sichnur an einige kennzeichnende Träume zu erinnern, und man wird das bestätigtfinden. (62) Ein Mensch träumt z. B., daß er einen auf ihn losstürzenden Hundverjage. Er wacht auf und findet sich eben noch dabei, wie er unbewußt einenTeil der Bettdecke von sich abschiebt, die sich an eine ungewohnte Stelle seinesKörpers gelegt hat und die ihm deshalb lästig geworden ist. Was macht da dasTraumleben aus dem sinnlich wahrnehmbaren Vorgang? Was die Sinne imwachen Zustande wahrnehmen würden, läßt das Schlafleben zunächst völlig imUnbewußten liegen. Es hält aber etwas Wesentliches fest, nämlich die Tatsache,daß der Mensch etwas von sich abwehren will. Und um dieses herum spinnt eseinen bildhaften Vorgang. Die Bilder als solche sind Nachklänge aus demwachen Tagesleben. Die Art, wie sie diesem entnommen sind, hat etwasWillkürliches. Ein jeder hat die Empfindung, daß ihm der Traum bei derselbenäußeren Veranlassung auch andere Bilder vorgaukeln könnte. Aber dieEmpfindung, daß der Mensch etwas abzuwehren hat, drücken sie sinnbildlichaus. Der Traum schafft Sinnbilder; er ist ein Symboliker. Auch innere Vorgängekönnen sich in solche Traumsymbole wandeln. Ein Mensch träumt, daß einFeuer neben ihm prasselt; er sieht im Traume die Flammen. Er wacht auf undfühlt, daß er sich zu stark zugedeckt hat und ihm zu warm geworden ist. DasGefühl zu großer Wärme drückt sich sinnbildlich in dem Bilde aus. Ganzdramatische Erlebnisse können sich im Traume abspielen. Jemand träumt z. B.,er stehe an einem Abgrunde. Er sieht, wie ein Kind heranläuft.

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Der Traum läßt ihn alle Qualen des Gedankens erleben: wenn das Kind nur nichtunaufmerksam sein möge und in die Tiefe stürze. Er sieht es fallen und hört dendumpfen Aufschlag des Körpers unten. Er wacht auf und vernimmt, daß einGegenstand, der an der Wand des Zimmers hing, sich losgelöst hat und beiseinem Auffallen einen dumpfen Ton gegeben hat. (63) Diesen einfachenVorgang drückt das Traumleben in einem Vorgange aus, der sich in spannendenBildern abspielt. – Man braucht sich vorläufig gar nicht in Nachdenken darübereinzulassen, wie es komme, daß in dem letzten Beispiele sich der Augenblickdes dumpfen Aufschlages eines Gegenstandes in eine Reihe von Vorgängenauseinanderlegt, die sich durch eine gewisse Zeit auszudehnen scheinen; manbraucht nur ins Auge zu fassen, wie der Traum das, was die wacheSinneswahrnehmung darbieten würde, in ein Bild verwandelt.

(8) Man sieht: sofort, wenn die Sinne ihre Tätigkeit einstellen, so macht sichfür den Menschen ein Schöpferisches geltend. Es ist dies dasselbeSchöpferische, welches im vollen traumlosen Schlafe auch vorhanden ist undwelches da jenen Seelenzustand darstellt, der als Gegensatz der wachenSeelenverfassung erscheint. Soll dieser traumlose Schlaf eintreten, so muß derAstralleib vom Ätherleib und vom physischen Leibe herausgezogen sein. Er istwährend des Träumens vom physischen Leibe insofern getrennt, als er keinenZusammenhang mehr hat mit dessen Sinnesorganen; ,er hält aber mit demÄtherleibe noch einen gewissen, Zusammenhang aufrecht. Daß die Vorgängedes Astralleibes in Bildern wahrgenommen werden können, das kommt vondiesem seinem Zusammenhang mit dem Ätherleibe. In dem Augenblicke, indem auch dieser Zusammenhang aufhört, versinken die Bilder, in das Dunkelder Bewußtlosigkeit, und der traumlose Schlaf ist da. (64) Das Willkürliche undoft Widersinnige der Traumbilder rührt aber davon her, daß der Astralleibwegen seiner Trennung von den Sinnesorganen des physischen Leibes seineBilder nicht auf die richtigen Gegenstände und Vorgänge der äußerenUmgebung beziehen kann. Besonders klärend ist für diesen Tatbestand dieBetrachtung eines solchen Traumes, in dem sich das Ich gewissermaßen spaltet.Wenn jemanden z.B. träumt, er könne als Schüler eine ihm vom Lehrervorgelegte Frage nicht beantworten, während sie gleich darauf der Lehrer selbstbeantwortet. Weil der Träumende sich der Wahrnehmungsorgane seinesphysischen Leibes nicht bedienen kann, ist er nicht imstande, die beidenVorgänge auf sich, als denselben Menschen, zu beziehen. Also auch um siehselbst als ein bleibendes Ich zu erkennen, gehört für den Menschen zunächst dieAusrüstung mit äußeren. Wahrnehmungsorganen. Nur dann, wenn sich derMensch die Fähigkeit erworben hätte, auf andere Art als durch solcheWahrnehmungsorgane sich seines Ich bewußt zu werden, wäre auch außerseinem physischen Leibe das bleibende Ich für ihn wahrnehmbar. SolcheFähigkeiten hat das übersinnliche Bewußtsein zu erwerben, und es wird in dieserSchrift von den Mitteln dazu im weiteren die Rede sein.

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(9) Auch der Tod tritt durch nichts anderes ein als durch eine Änderung imZusammenhange der Glieder des Menschenwesens. Auch dasjenige, was inbezug darauf die übersinnliche Beobachtung ergibt, kann in seinen Wirkungenin der offenbaren Welt gesehen werden; und die unbefangene Urteilskraft wirddurch die Betrachtung des äußeren Lebens auch hier die Mitteilungen derübersinnlichen Erkenntnis bestätigt finden. (65) Doch ist für diese Tatsachen derAusdruck des Unsichtbaren im Sichtbaren weniger offenliegend, und man hatgrößere Schwierigkeiten, um das Gewicht dessen voll zu empfinden, was in denVorgängen des äußeren Lebens bestätigend für die Mitteilungen derübersinnlichen Erkenntnis auf diesem Gebiete spricht. Noch näher als fürmanches in dieser Schrift bereits Besprochene liegt es hier, diese Mitteilungeneinfach für Phantasiegebilde zu erklären, wenn man sich der Erkenntnisverschließen will, wie im Sinnenfälligen der deutliche Hinweis auf dasÜbersinnliche enthalten ist.

(10) Während sich beim Übergang in den Schlaf der Astralleib nur aus seinerVerbindung mit dem Ätherleibe und dem physischen Leibe löst, die letzterenjedoch verbunden bleiben, tritt mit dem Tode die Abtrennung des physischenLeibes vom Ätherleib ein. Der physische Leib bleibt seinen eigenen Kräftenüberlassen und muß deshalb als Leichnam zerfallen. Für den Ätherleib ist abernunmehr mit dem Tode ein Zustand eingetreten, in dem er während der Zeitzwischen Geburt und Tod niemals war, – bestimmte Ausnahmezuständeabgerechnet, von denen noch gesprochen werden soll. Er ist nämlich jetzt mitseinem Astralleib vereinigt, ohne daß der physische Leib dabei ist. Denn nichtunmittelbar nach dem Eintritt des Todes trennen sich Ätherleib und Astralleib.Sie halten eine Zeitlang durch eine Kraft zusammen, von der leicht verständlichist, daß sie vorhanden sein muß. Wäre sie nämlich nicht vorhanden, so könntesich der Ätherleib gar nicht aus dem physischen Leibe herauslösen. Denn erwird mit diesem zusammengehalten: das zeigt der Schlaf, wo der Astralleib,nicht imstande ist, diese beiden Glieder des Menschen auseinanderzureißen.Diese Kraft tritt beim Tode in Wirksamkeit. Sie löst den Ätherleib aus demphysischen heraus, so daß der erstere jetzt mit dem Astralleib verbunden ist. (66)Die übersinnliche Beobachtung zeigt, daß diese Verbindung für verschiedeneMenschen nach dem Tode verschieden ist. Die Dauer bemißt sich nach Tagen.Von dieser Zeitdauer soll hier vorläufig nur mitteilungsweise die Rede sein. –Später löst sich dann der Astralleib auch von seinem Ätherleib heraus und gehtohne diesen seine Wege weiter. Während der Verbindung der beiden Leiber istder Mensch in einem Zustande, durch den er die Erlebnisse seines Astralleibeswahrnehmen kann. Solange der physische Leib da ist, muß mit der Loslösungdes Astralleibes von ihm sogleich die Arbeit von außen beginnen, um dieabgenutzten Organe zu erfrischen. Ist der physische Leib abgetrennt, so fälltdiese Arbeit weg. Doch die Kraft, welche auf sie verwendet wird, wenn derMensch schläft, bleibt nach dem Tode, und sie kann jetzt zu anderem verwendetwerden. Sie wird nun dazu gebraucht, um die eigenen Vorgänge des Astralleibeswahrnehmbar zu machen.

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(11) Eine am Äußeren des Lebens haftende Beobachtung mag immerhinsagen: das sind alles Behauptungen, die dem mit übersinnlicher AnschauungBegabten einleuchten; für einen andern Menschen sei aber keine Möglichkeitvorhanden, an ihre Wahrheit heranzudringen. Die Sache ist doch nicht so. Wasdie übersinnliche Erkenntnis auch auf diesem dem gewöhnlichen Anschauenentlegenen Gebiete beobachtet es kann von der gewöhnlichen Urteilskraft,nachdem es gefunden ist, erfaßt werden. Es muß diese Urteilskraft nur dieLebenszusammenhänge, die im Offenbaren vorliegen, in der rechten Art vorsich hinstellen. (67) Vorstellen, Fühlen und Wollen stehen unter sich und mitden an der Außenwelt von dem Menschen gemachten Erlebnissen in einemsolchen Verhältnis, daß sie unverständlich bleiben, wenn die Art ihreroffenbaren Wirksamkeit nicht als Ausdruck einer unoffenbaren genommen wird.Diese offenbare Wirksamkeit heilt sich für das Urteil erst auf, wenn sie in ihremVerlauf im physischen Menschenleben als Ergebnis dessen angesehen werdenkann, was die übersinnliche Erkenntnis für das nicht-physische feststellt. Manbefindet sich dieser Wirksamkeit gegenüber ohne die übersinnliche Erkenntniswie in einem finstern Zimmer ohne Licht. Wie man die physischen Gegenständeder Umgebung erst im Lichte sieht, so wird, was durch das Seelenleben desMenschen sich abspielt, erst erklärbar durch die übersinnliche Erkenntnis.

(12) Während der Verbindung des Menschen mit seinem physischen Leibetritt die äußere Welt in Abbildern ins Bewußtsein; nach der Ablegung diesesLeibes wird wahrnehmbar, was der Astralleib erlebt, wenn er durch keinephysischen Sinnesorgane mit dieser Außenwelt verbunden ist. Neue Erlebnissehat er zunächst nicht. Die Verbindung mit dem Ätherleibe hindert ihn daran,etwas Neues zu erleben. Was er aber besitzt, das ist die Erinnerung an dasvergangene Leben. Diese läßt der noch vorhandene Ätherleib als einumfassendes, lebensvolles Gemälde erscheinen. Das ist das erste Erlebnis desMenschen nach dem Tode. Er nimmt das Leben zwischen Geburt und Tod alseine vor ihm, ausgebreitete Reihe von Bildern wahr. Während dieses Lebens istdie Erinnerung nur im Wachzustand vorhanden, wenn der Mensch mit seinemphysischen Leib verbunden ist. Sie ist nur insoweit vorhanden, als dieser Leibdies zuläßt. Der Seele geht nichts verloren von dem, was im Leben auf sieEindruck macht. (68) Wäre der physische Leib dazu ein vollkommenesWerkzeug: es müßte in jedem Augenblick des Lebens möglich sein, dessenganze Vergangenheit vor die Seele zu zaubern. Mit dem Tode hört diesesHindernis auf. Solange der Ätherleib dem Menschen erhalten bleibt, besteht einegewisse Vollkommenheit der Erinnerung. Sie schwindet aber in dem Maßedahin, in dem der Ätherleib die Form verliert, welche er während seinesAufenthaltes im physischen Leibe gehabt hat und welche dem physischen Leibähnlich ist. Das ist ja auch der Grund, warum sieh der Astralleib vom Ätherleibnach einiger Zeit trennt. Er kann nur so lange mit diesem vereint bleiben, alsdessen dem physischen Leib entsprechende Form andauert. –

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Während des Lebens zwischen Geburt und Tod tritt eine Trennung desÄtherleibes nur in Ausnahmefällen und nur für kurze Zeit ein. Wenn derMensch z.B. eines seiner Glieder belastet, so kann ein Teil des Ätherleibes ausdem physischen sich abtrennen. Von einem Gliede, bei dem dies der Fall ist,sagt man, es sei „eingeschlafen“. Und das eigentümliche Gefühl, das man dannempfindet, rührt von dem Abtrennen des Ätherleibes her. (Natürlich kann einematerialistische Vorstellungsart auch hier wieder das Unsichtbare in demSichtbaren leugnen und sagen: das alles rühre nur von der durch den Druckbewirkten physischen Störung her.) Die übersinnliche Beobachtung kann ineinem solchen Falle sehen, wie der entsprechende Teil des Ätherleibes aus demphysischen herausrückt. Wenn nun der Mensch einen ganz ungewohntenSchreck oder dergleichen erlebt, so kann für einen großen Teil des Leibes füreine ganz kurze, Zeit eine solche Abtrennung, des Ätherleibes erfolgen. (69) Esist das dann der Fall, wenn der Mensch sich durch irgend etwas plötzlich demTode nahe sieht, wenn er z.B. am Ertrinken ist oder bei einer Bergpartie ihm einAbsturz droht. Was Leute, die solches erlebt haben, erzählen, das kommt in derTat der Wahrheit nahe und kann durch übersinnliche Beobachtung bestätigtwerden. Sie geben an, daß ihnen in solchen Augenblicken ihr ganzes Leben wiein einem großen Erinnerungsbilde vor die Seele getreten ist. Es mag von vielenBeispielen, die hier angeführt werden könnten, nur auf eines hingewiesenwerden, weil es von einem Manne, herrührt, für dessen Vorstellungsart alles,was hier über solche Dinge gesagt wird, als eitel Phantasterei erscheinen muß.Es ist nämlich für den, welche einige Schritte in die übersinnliche Beobachtungtut, immer sehr nützlich, Wenn er sich mit den Angaben derjenigen bekanntmacht, welche diese Wissenschaft für Phantasterei halten. Solchen Angabenkann nicht so leicht Befangenheit des Beobachters nachgesagt werden. (DieGeheimwissenschafter mögen nur recht viel von denen lernen, welche ihreBestrebungen für Unsinn halten. Es braucht sie nicht irre zu machen, wennihnen von den letzteren in solcher Beziehung keine Gegenliebeentgegengebracht wird. Für die übersinnliche Beobachtung selbst bedarf esallerdings solcher Dinge nicht zur Bewahrheitung ihrer Ergebnisse. Sie will mitdiesen Hinweisen auch nicht beweisen, sondern erläutern.) (70) Derausgezeichnete Kriminalanthropologe und auf vielen anderen Gebieten derNaturforschung bedeutsame Forscher Moritz Benedict erzählt in seinenLebenserinnerungen den von ihm selbst erlebten Fall, daß er einmal, als er demErtrinken in einem Bade nahe war, wie in einem einzigen Bilde sein ganzesLeben in der Erinnerung vor sich gesehen habe. – Wenn andere die bei ähnlicherGelegenheit erlebten Bilder anders beschreiben, ja sogar so, daß sie mit denVorgängen ihrer Vergangenheit scheinbar wenig zu tun haben, so widersprichtdas dem Gesagten nicht, denn die Bilder, welche in dem ganz ungewohntenZustande der Abtrennung von dem physischen Leibe entstehen, sind manchmalin ihrer Beziehung zum Leben nicht ohne weiteres erklärlich. Eine richtigeBetrachtung wird diese Beziehung aber immer erkennen. Auch ist es keinEinwand, wenn jemand z. B. dem Ertrinken einmal nahe war und dasgeschilderte Erlebnis nicht gehabt hat.

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Man muß eben bedenken, daß dieses nur dann eintreten kann, wenn wirklich derÄtherleib von dem physischen getrennt ist und dabei der erstere mit demAstralleib verbunden bleibt. Wenn durch den Schreck auch eine Lockerung desÄtherleibes und Astralleibes eintritt, dann; bleibt das Erlebnis aus, weit dannWie im traumlosen Schlaf völlige Bewußtlosigkeit vorhanden ist.

(13) In einem Erinnerungsgemälde zusammengefaßt erscheint in der erstenZeit nach dem Tode die erlebte Vergangenheit. Nach der Trennung von demÄtherleib ist nun der Astralleib für sich allein auf seiner weiteren Wanderung.Es ist unschwer einzusehen, daß in dem Astralleib alles das vorhanden bleibt,was dieser durch seine eigene Tätigkeit während seines Aufenthaltes imphysischen Leibe zu seinem Besitz gemacht hat. Das Ich hat bis zu einemgewissen Grade das Geistselbst, den Lebensgeist und den Geistesmenschenherausgearbeitet. (71) Soweit diese entwickelt sind, erhalten sie ihr Dasein nichtvon dem, was als Organe in den Leibern vorhanden ist, sondern vom Ich. Unddieses Ich ist ja gerade dasjenige Wesen, welches keiner äußeren Organe zuseiner Wahrnehmung bedarf. Und es braucht auch keine solchen, um im Besitzedessen zu bleiben, was es mit sich selbst vereint hat. Man könnte einwenden: jawarum ist im Schlafe keine Wahrnehmung von diesem entwickelten Geistselbst,Lebensgeist und Geistesmenschen vorhanden? Sie ist deswegen nichtvorhanden, weil das Ich zwischen Geburt und Tod an den physischen Leibgekettet ist. Wenn es auch im Schlafe mit dem Astralleibe sich außerhalb diesesphysischen Leibes befindet, so doch mit diesem eng verbunden. Denn dieTätigkeit seines Astralleibes ist diesem physischen Leibe zugewandt. Dadurchist das Ich mit seiner Wahrnehmung an die äußere Sinnenwelt verwiesen, kannsomit die Offenbarungen des Geistigen in seiner unmittelbaren Gestalt nichtempfangen. Erst durch den Tod tritt diese Offenbarung an das Ich heran, weildieses durch ihn frei wird von seiner Verbindung mit physischem und Ätherleib.In dem Augenblicke kann für die Seele eine andere Welt aufleuchten, in dem sieherausgezogen ist aus der physischen Welt, die im, Leben ihre Tätigkeit an sichfesselt. – Nun gibt es Gründe, warum auch in diesem Zeitpunkte für denMenschen nicht alle Verbindung mit der äußeren Sinnenwelt aufhört. Es bleibennämlich gewisse Begierden vorhanden, welche diese Verbindungaufrechterhalten. Es sind Begierden, welche sich der Mensch eben dadurchschafft, daß er sich seines Ich als des vierten Gliedes seiner Wesenheit bewußtist. (72) Diejenigen Begierden und Wünsche, welche aus der Wesenheit der dreiniedrigen Leiber entspringen, können auch nur innerhalb der äußeren Weltwirken; und wenn diese Leiber abgelegt sind, dann hören sie auf. Hunger wirddurch den äußeren Leib bewirkt; er schweigt, sobald dieser äußere Leib nichtmehr mit dem Ich verbunden ist. Hätte das Ich nun keine weiteren Begierdenals diejenigen, welche seiner eigenen geistigen Wesenheit entstammen, sokönnte es mit dem Eintritt des Todes volle Befriedigung aus der geistigen Weltschöpfen, in die es versetzt ist. Aber das Leben hat ihm noch andere Begierdengegeben.

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Es hat ein Verlangen in ihm entzündet nach Genüssen, die nur durch physische,Organe befriedigt werden können, trotzdem sie selbst gar nicht aus dem Wesendieser Organe selbst herkommen. Nicht nur die drei Leiber verlangen durch diephysische Welt ihre Befriedigung, sondern das Ich selbst findet Genüsseinnerhalb dieser Welt, für welche in der geistigen Welt überhaupt keinGegenstand zur Befriedigung vorhanden ist. Zweierlei Wünsche gibt es für dasIch im Leben. Solche, die aus den Leibern herstammen, die, also innerhalb derLeiber befriedigt werden müssen, die aber auch mit dem Zerfall der Leiber ihrEnde finden. Dann solche, die aus der geistigen Natur des Ich stammen. Solangedas Ich in den Leibern ist, werden auch diese durch die leiblichen Organebefriedigt. Denn in den Offenbarungen der Organe des Leibes wirkt dasverborgene Geistige. Und in allem, was die Sinne wahrnehmen, empfangen siezugleich ein Geistiges. Dieses Geistige ist, wenn auch in anderer Form, auchnach dem Tode vorhanden. (73) Alles, was das Ich vom Geistigen innerhalb derSinnenwelt begehrt, das hat es auch, wenn die Sinne nicht mehr da sind. Kämenun zu diesen zwei Arten von Wünschen nicht noch eine dritte hinzu, es würdeder Tod nur einen Übergang bedeuten von Begierden, die durch Sinne befriedigtwerden können, zu solchen, welche in der Offenbarung der geistigen Welt ihreErfüllung finden. Diese dritte Art von Wünschen sind diejenigen, welche sichdas Ich während seines Lebens in der Sinnenwelt erzeugt, weil es an ihrGefallen findet auch insofern, als sich in ihr nicht das Geistige offenbart. – Dieniedrigsten Genüsse können Offenbarungen des Geistes sein. Die Befriedigung,welche die Nahrungsaufnahme dem hungernden Wesen gewährt, ist eineOffenbarung des Geistes. Denn durch die Aufnahme von Nahrung wird daszustande gebracht, ohne welches das Geistige in einer gewissen Beziehung nichtseine Entwicklung finden könnte. Das Ich aber kann hinausgehen über denGenuß, der durch diese Tatsache notwendig geboten ist. Es kann nach derwohlschmeckenden Speise Verlangen tragen, auch ganz abgesehen von demDienste, welcher durch die Nahrungsaufnahme dem Geiste geleistet wird.Dasselbe tritt für andere Dinge der Sinnenwelt ein. Es werden dadurchdiejenigen Wünsche erzeugt, die in der Sinnenwelt niemals zum Vorscheingekommen wären, wenn nicht das menschliche Ich in diese eingegliedertworden wäre. Aber auch aus dem geistigen Wesen des Ich entspringen solcheWünsche nicht. Sinnliche Genüsse muß das Ich haben, solange es im Leibe lebt,auch insofern es geistig ist. Denn im Sinnlichen offenbart sich der Geist; undnichts anderes genießt das Ich als den Geist, wenn es sich in der Sinnenwelt demhingibt, durch das des Geistes Licht hindurchleuchtet. (74) Und es wird imGenusse dieses Lichtes, bleiben, auch wenn die Sinnlichkeit nicht mehr dasMittel ist, durch das die Strahlen des Geistes hindurchgehen. Für solcheWünsche aber gibt es keine Erfüllung in der geistigen Welt, für die nicht schonim Sinnlichen der Geist lebt. Tritt der Tod ein, dann ist für diese Wünsche dieMöglichkeit des Genusses abgeschnitten. Der Genuß an einerwohlschmeckenden Speise kann nur dadurch herbeigeführt werden, daß diephysischen Organe da sind, welche bei der Zuführung der Speise gebrauchtwerden: Gaumen, Zunge usw.

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Diese hat der Mensch nach Ablegung des physischen Leibes nicht mehr. Wennaber das Ich noch Bedürfnis nach solchem Genuß hat, so muß solches Bedürfnisunbefriedigt bleiben. Sofern dieser Genuß dem Geiste entspricht, ist er nur solange vorhanden, als die physischen Organe da sind. Sofern ihn aber das Icherzeugt hat, ohne damit dem Geiste zu dienen, bleibt er nach dem Tode alsWunsch, der vergeblich nach Befriedigung dürstet. Was jetzt im Menschenvorgeht, davon läßt sich nur ein Begriff bilden, wenn man sich vorstellt, jemandleide, brennenden Durst in einer Gegend, in der weit und breit kein Wasser zufinden ist. So geht es dem Ich, insofern es nach dem Tode die nichtausgelöschten Begierden nach Genüssen der äußeren Welt hegt und keineOrgane hat, sie zu befriedigen. Natürlich muß man den brennenden Durst, derals Vergleich mit dem Zustande. des Ich nach dem Tode dient, sich ins Maßlosegesteigert denken und sich vorstellen, daß er ausgedehnt sei auf alle dann nochvorhandenen Begierden, für die jede Möglichkeit der Erfüllung fehlt. Dernächste Zustand des Ich besteht darin, sich frei zu machen von diesemAnziehungsband an die äußere, Welt. (75) Das Ich hat in sich eine Läuterungund Befreiung in dieser Beziehung herbeizuführen. Aus ihm muß allesherausgetilgt werden, was an Wünschen von ihm innerhalb des Leibes erzeugtworden ist und was in der geistigen Welt kein Heimatrecht hat. – Wie einGegenstand vom Feuer erfaßt und verbrannt wird, so wird die geschilderteBegierdenwelt nach dem Tode aufgelöst und zerstört. Es eröffnet sich damit derAusblick in jene Welt, welche die übersinnliche Erkenntnis als das „verzehrendeFeuer des Geistes“ bezeichnen kann. Von diesem „Feuer“ wird eine Begierdeerfaßt, welche sinnlicher Art ist, aber dieses so ist, daß das Sinnliche nichtAusdruck des Geistes ist. Man könnte solche Vorstellungen, wie sie in bezug aufdie Vorgänge die übersinnliche Erkenntnis geben muß, trostlos und furchtbarfinden. Erschreckend könnte es erscheinen, daß eine Hoffnung, zu derenBefriedigung sinnliche Organe nötig sind, nach dem Tode sich inHoffnungslosigkeit, daß ein Wunsch, den nur die physische Welt erfüllen kann,dann in brennende Entbehrung sich wandeln muß. Man kann eine solcheMeinung nur so lange haben, als man nicht bedenkt, daß alle Wünsche undBegierden, die nach dem Tode von dem „verzehrenden Feuer“ erfaßt werden, imhöheren Sinne nicht wohltätige, sondern zerstörende Kräfte im Leben darstellen.Durch solche Kräfte knüpft das Ich mit der Sinnenwelt ein festeres Band, alsnotwendig ist, um aus dieser selben Sinnenwelt alles dasjenige in sichaufzunehmen, was ihm frommt. Diese Sinnenwelt ist eine Offenbarung deshinter ihr verborgenen Geistigen. (76) Das Ich könnte den Geist niemals in derForm genießen, in der er sich nur durch leibliche Sinne offenbaren kann, wennes diese Sinne nicht benutzen wollte, zum Genusse des Geistigen im Sinnlichen.Doch entzieht sich das Ich auch so viel von dem wahren geistigen Wirklichen inder Welt, als es von der Sinnenwelt begehrt, ohne daß der Geist dabei spricht.Wenn der sinnliche Genuß als Ausdruck des Geistes Erhöhung, Entwickelungdes Ich bedeutet, so derjenige, der ein solcher Ausdruck nicht ist, Verarmung,Verödung desselben. Wird eine derartige Begierde in der Sinnenwelt befriedigt,so bleibt ihre verödende Wirkung auf das Ich deshalb doch vorhanden.

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Nur wird vor dem Tode diese zerstörende Wirkung für das Ich nicht sichtbar.Deshalb kann im Leben der Genuß nach solcher Begierde neue gleichartigeWünsche erzeugen. Und der Mensch wird gar nicht gewahr, daß er durch sichselbst sich in ein „verzehrendes Feuer“ hüllt. Nach dem Tode wird nur sichtbar,was ihn auch schon im Leben umgibt und durch das Sichtbarwerden erscheintdieses zugleich in seiner heilsamen, wohltätigen Folge. Wer einen Menschenlieb hat, wird doch nicht allein zu dem an ihm hingezogen, was durch diephysischen Organe empfunden werden kann. Nur von diesem aber darf gesagtwerden, daß es mit dem Tode der Wahrnehmung entzogen wird. Gerade dasaber wird dann sichtbar an dem geliebten Menschen, zu dessen Wahrnehmungdie physischen Organe nur das Mittel waren Ja das einzige, was diese volleSichtbarkeit hindert, ist dann das Vorhandensein derjenigen Begierde, die nurdurch physische Organe befriedigt werden kann. Würde diese Begierde abernicht ausgetilgt, so könnte die bewußte Wahrnehmung des geliebten Menschennach dem Tode gar nicht eintreten. (77) So betrachtet, verwandelt sich dieVorstellung des Furchtbaren und Trostlosen, das für den Menschen dieEreignisse nach dem Tode haben könnten, wie sie die übersinnliche Erkenntnisschildern muß, in diejenige des tief Befriedigenden und Trostreichen.

(14) Die nächsten Erlebnisse nach dem Tode sind nun in noch einer Beziehungdurchaus verschieden von denen während des Lebens. Während der Läuterunglebt der Mensch gewissermaßen nach rückwärts. Er macht alles dasjenige nocheinmal durch, was er im Leben seit der Geburt erfahren hat. Von denVorgängen, die dem Tode unmittelbar vorausgingen, beginnt er und erlebt allesnochmals bis zur Kindheit in rückwärtiger Reihenfolge. Und dabei tritt ihm allesgeistig vor Augen, was nicht aus der geistigen Natur des Ich während desLebens entsprungen ist. Nur erlebt er auch dieses alles jetzt in umgekehrter Art.Ein Mensch, der z.B. im sechzigsten Jahre gestorben ist und der aus einerzornigen Aufwallung heraus in seinem vierzigsten Jahr jemand körperlichenoder seelischen Schmerz zugefügt hat, wird dieses Ereignis noch einmal erleben,wenn er bei seiner rückgängigen Daseinswanderung, nach dem Tod an der Stelleseines vierzigsten Jahres angelangt ist. Nur erlebt er da nicht die Befriedigung,die ihm im Leben geworden ist durch den Angriff auf den andern, sondern dafürden Schmerz, der durch ihn diesem andern zugefügt worden ist. Aus demObigen kann man aber auch zugleich ersehen, daß nur dasjenige von einem sol-chen Vorgange nach dem Tode als peinvoll wahrgenommen werden kann, wasaus einer Begierde des Ich entsprungen ist, die nur der äußeren physischen Weltentstammt. (78) In Wahrheit schädigt das Ich nämlich nicht nur den anderndurch die Befriedigung einer solchen Begierde, sondern sich selbst; nur bleibtihm diese eigene Schädigung während des Lebens unsichtbar. Nach dem Todeaber wird diese ganz schädigende Begierdenwelt dem Ich sichtbar. Und zujedem Wesen und jedem Dinge fühlt sich dann das Ich hingezogen, an demsolch eine Begierde entzündet worden ist, damit sie in „verzehrendem Feuer“ebenso wieder ausgetilgt werden kann, wie sie entstanden ist.

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Erst wenn der Mensch bei seiner Rückwärtswanderung in dem Zeitpunkte seinerGeburt angelangt ist, sind alle derartigen Begierden durch das Läuterungsfeuerhindurchgegangen, und nichts hindert ihn von jetzt ab an der vollen Hingabe andie geistige Welt. Er betritt eine neue Daseinsstufe. Wie er im Tode denphysischen Leib, bald danach den Ätherleib abgelegt hat, so zerfällt jetztderjenige Teil des astralischen Leibes, der nur im Bewußtsein der äußerenphysischen Welt leben kann. Für die übersinnliche Erkenntnis gibt es somit dreiLeichname, den physischen, den ätherischen und den astralischen. DerZeitpunkt, in dem der letztere von dem Menschen abgeworfen wird, ist dadurchgekennzeichnet, daß die Zeit der Läuterum, etwa das Drittel von derjenigen be-trägt, welche zwischen Geburt und Tod verflossen ist. Später, wenn auf Grundder Geheimwissenschaft der menschliche Lebenslauf betrachtet werden wird,kann erst die Ursache deutlich werden, warum dies so ist. Für die übersinnlicheBeobachtung sind in der menschlichen Umwelt fortwährend Astralleichnamevorhanden, die abgeworfen sind von Menschen, welche aus dem Läute-rungszustande in ein höheres Dasein übergehen. (79) Es ist dies genau so, wiefür die physische Wahrnehmung dort physische Leichname entstehen, woMenschen wohnen.

(15) Nach der Läuterung tritt für das Ich ein völlig neuer Bewußtseinszustandein. Während ihm vor dem Tode die äußeren Wahrnehmungen zufließenmußten, damit auf sie das Licht des Bewußtseins fallen könne, strömt jetztgleichsam von innen eine Welt, die zum Bewußtsein gelangt. Auch zwischenGeburt und Tod lebt das Ich in dieser Welt. Nur kleidet sich letztere da in dieOffenbarungen der Sinne; und nur da, wo das Ich mit Außerachtlassung allerSinneswahrnehmung sich selbst in seinem „innersten Allerheiligsten“wahrnimmt, kündigt sich das in unmittelbarer Gestalt an, was sonst nur in demSchleier des Sinnlichen, erscheint. So wie die Wahrnehmung des Ich im Innernvor dem Tode vor sich geht, so von innen heraus offenbart sich die geistige Weltin ihrer Fülle nach dem Tode und nach der Läuterung. Eigentlich ist dieseOffenbarung, schon sogleich nach dem Ablegen des Ätherleibes da; doch legtsich vor sie hin wie eine verfinsternde Wolke die Welt der Begierden, welchenoch der äußeren Welt zugekehrt sind. Es ist da, wie wenn sich in eine seligeWelt geistigen Erlebens die schwarzen dämonischen Schatten mischten, welcheaus dort im „Feuer sich verzehrenden“ Begierden entstehen. Ja nicht bloßSchatten, sondern wirkliche Wesenheiten sind jetzt diese Begierden; das zeigtsich sofort, wenn die physischen Organe vom Ich entfernt sind und diesesdadurch wahrnehmen kann, was geistiger Art ist. Als Zerrbilder und Karikaturendessen erscheinen diese Wesen, was dem Menschen vorher durch die sinnlicheWahrnehmung bekanntgeworden ist. (80) Die übersinnliche Beobachtung hatvon dieser Welt des Läuterungsfeuers zu sagen, daß sie bewohnt ist von Wesen,deren Aussehen dem geistigen Auge grauenhaft und schmerzerregend sein kann,deren Lust die Vernichtung zu sein scheint und deren Leidenschaft auf ein Bösessich richtet, gegen welches das Böse der Sinnenwelt unbedeutend wirkt.

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Was der Mensch an den gekennzeichneten Begierden in diese Welt mitbringt,das erscheint für diese Wesenheiten wie eine Nahrung, durch welche ihreGewalten stets aufs neue Kräftigung und Stärkung erhalten. Das Bild, das so voneiner für die Sinne unwahrnehmbaren Welt entworfen wird, kann demMenschen weniger unglaublich erscheinen, wenn er einmal mit einemunbefangenen Blicke einen Teil der Tierwelt betrachtet. Was ist für dengeistigen Blick ein grausam herumziehender Wolf? Was offenbart sich in dem,was die Sinne an ihm wahrnehmen? Nichts anderes als eine Seele, die inBegierden lebt und sich durch diese betätigt. Man kann die äußere Gestalt desWolfes eine Verkörperung dieser Begierden nennen. Und hätte der Menschkeine Organe, um diese Gestalt wahrzunehmen, er müßte das Dasein desentsprechenden Wesens doch anerkennen, wenn sich dessen Begierdenunsichtbar in ihren Wirkungen zeigten, wenn also eine für das Auge unsichtbareGewalt herumschliche, durch welche alles das geschehen könnte, was durch densichtbaren Wolf geschieht. Nun, die Wesen des Läuterungsfeuers sind zwarnicht für das sinnliche, sondern nur für das übersinnliche Bewußtseinvorhanden; ihre Wirkungen liegen aber offenkundig da: sie bestehen in derZerstörung des Ich, wenn ihnen dieses Nahrung gibt. (81) Diese Wirkungenwerden deutlich sichtbar, wenn sich der begründete Genuß zu Unmäßigkeit undAusschweifung steigert. Denn was den Sinnen wahrnehmbar ist, würde auch dasIch nur insoweit reizen, als der Genuß in seiner Wesenheit begründet ist. DasTier wird nur durch dasjenige in der Außenwelt zum Verlangen getrieben,wonach seine drei Leiber begehren. Der Mensch hat höhere Genüsse, weil zuden drei Leibesgliedern noch das vierte, das Ich, hinzukommt. Wenn aber nundas Ich nach einer solchen Befriedigung verlangt, die seinem Wesen nicht zurErhaltung und, Förderung, sondern zur Zerstörung dient, so kann ein solchesVerlangen weder die Wirkung seiner drei Leiber noch diejenige seiner eigenenNatur sein, sondern nur diejenige von Wesenheiten, welche den Sinnenverborgen bleiben ihrer wahren Gestalt nach, die aber gerade an die höhereNatur des Ich sieh heranmachen können und es zu Begierden zu reizenvermögen, die nicht mit der Sinnlichkeit zusammenhängen, doch aber nur durchdiese befriedigt werden können. Es sind eben Wesen vorhanden, welcheLeidenschaften und Begierden zu ihrer Nahrung haben, die von schlimmerer Artals alle tierischen sind, weil sie nicht im Sinnlichen sich ausleben, sondern dasGeistige ergreifen und dieses in das sinnliche Feld herunterziehen. Die Gestaltensolcher Wesen sind deshalb für den geistigen Blick häßlicher, grauenhafter alsdie Gestalten der wildesten Tiere, in denen sich doch nur Leidenschaftenverkörpern, welche im Sinnlichen begründet sind; und die zerstörenden Kräftedieser Wesen überragen maßlos alle Zerstörungswut, welche in der sinnlichwahrnehmbaren Tierwelt vorhanden ist. (82) Die übersinnliche Erkenntnis mußauf diese Art den Blick des Menschen weiten als auf eine Welt von Wesen, diein gewisser Beziehung niedriger steht als die sichtbare zerstörungbringendeTierwelt.

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(16) Wenn der Mensch nach dem Tode durch diese Welt hindurchgegangenist, dann findet er sich einer Welt gegenüber, welche Geistiges enthält und dieauch nur ein Verlangen in ihm erzeugt, das im Geistigen seine Befriedigungfindet. Aber auch jetzt unterscheidet der Mensch zwischen dem, was zu seinemIch gehört, und dem, was die Umgebung dieses Ich – man kann auch sagendessen geistige Außenwelt – bildet. Nur strömt ihm das, was er von dieserUmgebung erlebt, so zu, wie während seines Aufenthaltes im Leibe ihm dieWahrnehmung seines eigenen Ich zuströmt. Während also die Umgebung desMenschen im Leben zwischen Geburt und Tod durch die Organe seiner Leiberzu ihm spricht, dringt nach Ablegung aller Leiber die Sprache der neuenUmgebung unmittelbar in das „innerste Heiligtum“ des Ich. Die ganzeUmgebung des Menschen ist jetzt erfüllt von Wesenheiten, welche gleicher Artsind mit seinem Ich, denn nur ein Ich hat zu einem Ich den Zutritt. So wieMineralien, Pflanzen und Tiere den Menschen in der Sinnenwelt umgeben unddiese zusammensetzen, so ist er nach dem Tode von einer Welt umgeben, die,aus Wesenheiten geistiger Art zusammengesetzt ist. – Doch bringt der Menschetwas, was in ihr nicht seine Umgebung ist, in diese Welt mit; es ist dasjenige,was das Ich innerhalb der Sinnenwelt erlebt hat. Zunächst trat die Summe dieserErlebnisse unmittelbar nach dem Tode, solange der Ätherleib noch mit dem Ichverbunden war, als ein umfassendes Erinnerungsgemälde auf. (83) DerÄtherleib selbst wird dann zwar abgelegt, aber von dem Erinnerungsgemäldebleibt etwas als unvergänglicher Besitz des Ich zurück. Wie wenn man aus allenErlebnissen und Erfahrungen, die zwischen Geburt und Tod an den Menschenherangetreten sind, einen Extrakt, einen Auszug machen würde, so nimmt sichdas aus, was da zurückbleibt. Es ist dies das geistige Erträgnis des Lebens, dieFrucht desselben. Dieses Erträgnis ist geistiger Art. Es enthält alles, was sichGeistiges durch die Sinne offenbart. Aber ohne das Leben in der Sinnenwelthätte es nicht zustande kommen können. Diese geistige Frucht der Sinnenweltempfindet nach dem Tode das Ich als das, was jetzt seine eigene, seineInnenwelt ist und womit es die Welt betritt, die ans Wesen besteht, die sichoffenbaren, wie nur sein Ich sieh selbst in seinem tiefsten Innern offenbarenkann. Wie ein Pflanzenkeim, der ein Extrakt der ganzen Pflanze ist, sich abernur entfaltet, wenn er in eine andere Welt, in die Erde, versenkt wird, so entfaltetsich jetzt dasjenige, was das Ich aus der Sinnenwelt mitbringt, wie ein Keim, aufden die geistige Umgebung wirkt, die ihn nunmehr aufgenommen hat. DieWissenschaft des Übersinnlichen kann allerdings nur Bilder geben, wenn sieschildern soll, was in diesem „Geisterland“ vorgeht; doch können diese Bildersolche sein, welche dem übersinnlichen Bewußtsein sich als wahre Wirklichkeitdarstellen, wenn es die entsprechenden, dem sinnlichen Auge unsichtbarenEreignisse verfolgt. Was da zu schildern ist, kann durch Vergleiche mit derSinnenwelt anschaulich gemacht werden. Denn trotzdem es ganz geistiger Artist, hat es Ähnlichkeit in gewisser Beziehung mit der sinnlichen Welt. (84) Wiez.B. in dieser eine Farbe erscheint, wenn dieser oder jener Gegenstand auf dasAuge wirkt, so stellt sich vor das Ich im „Geisterlande“ ein Erlebnis wie dasdurch eine Farbe hin, wenn auf dasselbe ein Wesen wirkt.

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Nur wird dieses Erlebnis so hervorgebracht, wie innerhalb des Lebens zwischenGeburt und Tod nur die Wahrnehmung des Ich im Innern bewirkt werden kann.Es ist nicht, wie Wenn das Licht von außen herein in den Menschen fiele,sondern so, wie wenn ein anderes Wesen unmittelbar auf das Ich wirkte unddieses veranlaßte, sich diese Wirkung in einem Farbenbilde vorzustellen. Sofinden alle Wesen der geistigen Umgebung des Ich in einer farbenstrahlendenWelt ihren Ausdruck. Da sie eine andere Art der Entstehung haben, sindselbstverständlich diese Farbenerlebnisse der geistigen Welt auch von etwasanderem Charakter als die an den sinnlichen Farben. Auch für andere Eindrücke,welche der Mensch von der Sinnenwelt empfängt, muß Ähnliches gesagtwerden. Am ähnlichsten den Eindrücken dieser Sinnenwelt sind nun aber dieTöne der geistigen Welt. Und je mehr sich der Mensch einlebt in diese Welt,desto mehr wird sie für ihn ein in sich bewegtes Leben, das sich mit den Tönenund ihrer Harmonie in der sinnlichen Wirklichkeit vergleichen läßt. Nur fühlt erdie Töne nicht als etwas, das von außen an ein Organ herankommt, sondern wieeine Macht, die durch sein Ich in die Welt hinausströmt. Er fühlt den Ton, wie inder Sinnenwelt sein eigenes Sprechen oder Singen; nur weiß er in der geistigenWelt, daß diese Töne, die aus ihm strömen, zugleich die Kundgebungen andererWesenheiten sind, die durch ihn sich in die Welt ergießen. (85) Eine nochhöhere Kundgebung im „Geisterland“ findet statt, wenn der Ton zum „geistigenWort“ wird. Dann strömt durch das Ich nicht nur das bewegte Leben einesandern geistigen Wesens, sondern ein solches Wesen selbst teilt sein Inneresdiesem Ich mit. Und ohne das Trennende, das ein jedes Beisammensein in derSinnenwelt haben muß, leben dann, wenn das Ich von dem „geistigen Wort“durchströmt wird, zwei Wesen ineinander. Und in dieser Axt ist wirklich dasBeisammensein von dem Ich mit andern geistigen Wesen nach dem Tode.

(17) Vor das übersinnliche Bewußtsein treten drei Gebiete des Geisterlandes,welche sich vergleichen lassen mit drei Teilen der physischen Sinnenwelt. Daserste Gebiet ist gewissermaßen das „feste Land“ der geistigen Welt, das zweitedas „Meeres- und Flußgebiet“ und das dritte der „Luftkreis“. – Was auf der Erdephysische Formen annimmt, so daß es durch physische Organe wahrgenommenwerden kann, das wird seiner geistigen Wesenheit nach in dem ersten Gebiet des„Geisterlandes“ wahrgenommen. Von einem Kristall z.B. kann da die Kraftwahrgenommen werden, welche seine Form bildet. Nur verhält sich dasjenige,was sich da offenbart, wie ein Gegensatz dessen, was in der Sinnenwelt auftritt.Der Raum, welcher in der letzteren Welt von der Gesteinsmasse ausgefüllt ist,erscheint für den geistigen Blick wie eine Art Hohlraum; aber rings um diesenHohlraum wird die Kraft gesehen, welche die Form des Steines bildet. EineFarbe, welche der Stein in der Sinnenwelt hat, erscheint in der geistigen wie dasErlebnis der Gegenfarbe; also ein rot gefärbter Stein ist vom Geisterland ausgesehen wie grünlich, ein grüner wie rötlich erlebt usw. Auch die anderenEigenschaften erscheinen in ihrem Gegensatze. (86)

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Wie Steine, Erdmassen und dergleichen das feste Land – das Kontinentalgebiet– der sinnlichen Welt bilden, so setzen die dargestellten Gebilde das „festeLand“ der geistigen zusammen. Alles, was innerhalb der Sinnenwelt Leben ist,das ist Meeresgebiet im Geistigen. Dem sinnlichen Blick erscheint das Leben inseinen Wirkungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen,. Dem geistigen Auge istdas Leben ein strömendes Wesen, das wie Meere und Flüsse das Geisterlanddurchsetzt. Besser noch ist der Vergleich mit dem Kreislauf des Blutes im Leibe.Denn während sich die Meere und Flüsse in der Sinnenwelt als unregelmäßigverteilt darstellen, herrscht in der Verteilung des strömenden Lebens imGeisterland eine gewisse Regelmäßigkeit, wie im Blutkreislauf. Ebendieses„strömende Leben“ wird gleichzeitig, wie ein geistiges Tönen wahrgenommen.– Das dritte Gebiet des Geisterlandes ist dessen „Luftkreis“. Was in derSinnenwelt als Empfindung auftritt, das ist im Geistgebiet so allesdurchdringend vorhanden, wie die Luft auf der Erde vorhanden ist. Ein Meervon strömender Empfindung hat man sich da vorzustellen. Leid und Schmerz,Freude und Entzücken strömen in diesem Gebiete wie Wind und Sturm imLuftkreis der sinnlichen Welt. Man denke an eine Schlacht, die auf Erdengeschlagen wird. Da stehen einander nicht bloß Gestalten der Menschengegenüber, die das sinnliche Auge sehen kann, sondern Gefühle stehen gegenGefühle, Leidenschaften gegen Leidenschaften; Schmerzen erfüllen dasSchlachtfeld ebenso wie Menschengestalten. (87) Alles, was da lebt anLeidenschaft, an Schmerz, an Siegesfreude, das ist nicht nur vorhanden, insofernes sich in sinnlich-wahrnehmbaren Wirkungen offenbart; es kommt demgeistigen Sinne zum Bewußtsein als Vorgang des Luftkreises im Geisterland.Ein solches Ereignis ist, im geistigen wie ein Gewitter in der physischen Welt.Und die Wahrnehmung dieser Ereignisse läßt sich vergleichen mit dem Hörender Worte in der physischen Welt. Deshalb sagt man: wie die Luft dieErdenwesen einhüllt und durchdringt, so die „wehenden geistigen Worte“ dieWesen und Vorgänge des Geisterlandes.

(18) Und weitere Wahrnehmungen sind noch möglich in dieser geistigen Welt.Auch das ist hier vorhanden, was sich mit der Wärme und mit dem Lichte derphysischen Welt vergleichen läßt. Was wie die Wärme die irdischen Dinge undWesen alles im Geisterlande durchdringt, das ist die Gedankenwelt selbst. Nursind die Gedanken da als lebende, selbständige Wesen vorzustellen. Was derMensch in der offenbaren Welt als Gedanken erfaßt, das ist wie ein Schattendessen, was als Gedankenwesen im Geisterlande lebt. Man denke sich denGedanken, wie er im Menschen vorhanden ist, herausgehoben aus diesemMenschen und als tätiges, handelndes Wesen mit einem eigenen Innenlebenbegabt, so hat man eine schwache Verbildlichung dessen, was das vierte Gebietdes Geisterlandes erfüllt. Was der Mensch als Gedanken in seiner physischenWelt zwischen Geburt und Tod wahrnimmt, das ist nur die Offenbarung derGedankenwelt, so wie sie durch die Werkzeuge der Leiber sich bilden kann.

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Aber alles, was der Mensch an solchen Gedanken hegt, die eine Bereicherungin der physischen Welt bedeuten, das hat aus diesem Gebiete heraus seinenUrsprung. (88) Man braucht bei solchen Gedanken nicht bloß an die Ideen dergroßen Erfinder, der genialen Personen zu denken; sondern man kann bei jedemMenschen sehen, wie er „Einfälle“ hat, die er nicht bloß der Außenweltverdankt, sondern durch die er diese Außenwelt selbst umgestaltet. Soweit Ge-fühle, Leidenschaften in Betracht kommen, zu denen die Veranlassung in deräußeren Welt liegt, so weit sind diese Gefühle usw. in das dritte Gebiet desGeisterlandes zu versetzen; alles das aber, was in der Menschenseele so lebenkann, daß der Mensch ein Schaffender Wird, daß er umgestaltend undbefruchtend auf seine Umwelt wirkt: das wird in seiner ureigenen, wesenhaftenGestalt offenbar im vierten Felde der geistigen Welt. – Was in der fünftenRegion vorhanden ist, darf mit dem physischen Licht verglichen werden. Es istin seiner ureigenen Gestalt sich offenbarende Weisheit. Wesen, WelcheWeisheit in ihre Umgebung ergießen, wie die Sonne Licht auf physische Wesen,gehören diesem Gebiete an. Was beschienen wird von dieser Weisheit, das zeigtsieh in seinem Wahren Sinn und seiner Bedeutung für die geistige Welt, wie einphysisches Wesen seine Farbe zeigt, wenn es vom Lichte beschienen wird. – Esgibt noch höhere Gebiete des Geisterlandes; sie werden ihre Darstellung an einerspäteren Stelle dieser Schrift finden.

(19) In diese Welt wird nach dem Tode das Ich eingesenkt mit dem Erträgnis,das es aus dem sinnlichen Leben mitbringt. Und dieses Erträgnis ist nochvereinigt mit jenem Teile des Astralleibes, der am Ende der Läuterungszeit nichtabgeworfen wird. Es fällt ja nur jener Teil ab, welcher nach dem Tode mitseinen Begierden und Wünschen dem physischen Leben zugewandt war. (89)Die Einsenkung des Ich mit dem, was es aus der sinnlichen Welt sich zugeeignethat, in die geistige Welt, läßt sich mit dem Einbetten eines Samenkorns in diereifende Erde vergleichen. Wie dieses Samenkorn die Stoffe und Kräfte ausseiner Umgehung heranzieht, um sieh zu einer neuen Pflanze zu entfalten, so istEntfaltung und Wachstum das Wesen des in die geistige Welt eingesenkten Ich.In demjenigen, was ein Organ wahrnimmt, liegt auch die Kraft verborgen, durchwelche dieses Organ selbst gebildet wird. Das Auge nimmt das Licht wahr. Aberohne das Licht gäbe es kein Auge. Wesen, welche ihr Leben im Finsternzubringen, bilden an sich keine Werkzeuge zum Sehen aus. So aber ist der ganzeleibliche Mensch herausgeschaffen aus den verborgenen Kräften dessen, wasdurch die Glieder der Leiber wahrgenommen wird. Der physische Leib ist durchdie Kräfte der physischen Welt, der Ätherleib durch diejenigen der Lebensweltauferbaut, und der Astralleib ist aus der astralen Welt herausgestaltet. Wenn nundas Ich in das Geisterland versetzt ist, so treten ihm eben jene Kräfte entgegen,die für die physische Wahrnehmung verborgen bleiben. Was im ersten Gebietdes Geisterlandes sichtbar wird, das sind die geistigen Wesenheiten, welche denMenschen immer umgeben und die seinen physischen Leib auch aufgebauthaben.

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In der physischen Welt nimmt der Mensch also nichts anderes wahr als dieOffenbarungen derjenigen geistigen Kräfte, welche seinen eigenen physischenLeib auch gestaltet haben. Nach dem Tode ist er eben mitten unter diesengestaltenden Kräften selbst, die sich ihm jetzt in ihrer eigenen, vorherverborgenen Gestalt zeigen. (90) Ebenso ist er durch die zweite Region inmittender Kräfte, aus denen sein Ätherleib besteht; in der dritten Region strömen ihmdie Mächte zu, aus denen sein Astralleib herausgegliedert ist. Auch die höherenGebiete des Geisterlandes lassen ihm jetzt das zufließen, aus dem er im Lebenzwischen Geburt und Tod aufgebaut ist.

(20) Diese Wesenheiten der geistigen Welt wirken nunmehr zusammen mitdem, was der Mensch als Frucht aus dem vorigen Leben mitgebracht hat undwas jetzt zum Keime wird. Und durch dieses Zusammenwirken wird derMensch zunächst als geistiges Wesen aufs neue aufgebaut. Im Schlafe bleibender physische Leib und der Ätherleib bestehen; der Astralleib und das Ich sindzwar außerhalb dieser beiden, aber noch mit ihnen verbünden. Was diese insolchem Zustande an Einflüssen aus der geistigen Welt empfangen, kann nurdienen, die während des Wachens erschöpften Kräfte wiederherzustellen.Nachdem aber der physische Leib und der Ätherleib abgelegt sind und nach derLäuterungszeit auch jene Teile des Astralleibes, die noch durch ihre Begierdenmit der physischen Welt zusammenhängen, wird nun alles, was aus der geistigenWelt dem Ich zuströmt, nicht nur zum Verbesserer, sondern zum Neugestalter.Und nach einer gewissen Zeit, über welche in späteren Teilen dieser Schrift zusprechen ist, hat sich um das Ich herum ein Astralleib gegliedert, der wieder ineinem solchen Ätherleib und physischen Leib wohnen kann, wie sie demMenschen zwischen Geburt und Tod eigen sind. Der Mensch kann wieder durcheine Geburt gehen und in einem erneuten Erdendasein erscheinen, das nun insich eingegliedert hat die Frucht des früheren Lebens. Bis zu der Neugestaltungeines Astralleibes ist der Mensch Zeuge seines Wiederaufbaues. (91) Das ichihm die Mächte des Geisterlandes nicht durch äußere Organe, sondern von innenaus offenbaren, wie das eigene Ich im Selbstbewußtsein, so kann er dieseOffenbarung wahrnehmen, solange sein Sinn noch nicht auf eine äußereWahrnehmungswelt gerichtet ist. Von dem Augenblicke an, wo der Astralleibneugestaltet ist, kehrt sich dieser Sinn aber nach außen. Der Astralleib verlangtnunmehr wieder einen äußeren Ätherleib und physischen Körper. Er wendet sichdamit ab von den Offenbarungen des Innern. Deshalb gibt es jetzt einenZwischenzustand, in dem der Mensch in Bewußtlosigkeit versinkt. DasBewußtsein kann erst wieder in der physischen Welt auftauchen, wenn die zurphysischen Wahrnehmung notwendigen Organe gebildet sind. In dieser Zeit, inwelcher das durch innere Wahrnehmung erleuchtete Bewußtsein aufhört,beginnt sich nun der neue Ätherleib an den Astralleib anzugliedern, und derMensch kann dann auch wieder in einen physischen Leib einziehen.

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An diesen beiden Angliederungen könnte sich mit Bewußtsein nur ein solchesIch beteiligen, welches von sich aus die im Ätherleib und physischen Leibverborgen schaffenden Kräfte, den Lebensgeist und den Geistesmenschen,erzeugt hat. Solange der Mensch nicht soweit ist, müssen Wesenheiten, dieweiter in ihrer Entwickelung sind als er selbst, diese Angliederung leiten. DerAstralleib wird von solchen Wesenheiten zu einem Elternpaare geleitet, so daßer mit dem entsprechenden Ätherleibe und physischen Leibe begabt werdenkann. – Bevor die Angliederung des Ätherleibes sich vollzieht, ereignet sich nunetwas außerordentlich Bedeutsames für den wieder ins physische Daseintretenden Menschen. (92) Dieser hat ja in seinem vorigen Leben störendeMächte geschaffen, die sich bei der Rückwärtswanderung nach dem Todegezeigt haben. Man nehme das früher erwähnte Beispiel wieder auf. DerMensch habe aus einer Zornaufwallung heraus in dem vierzigsten Jahre seinesvorigen Lebens jemand Schmerz zugefügt. Nach dem Tode trat ihm dieserSchmerz des andern als eine störende Kraft für die Entwickelung des eigenenIch entgegen. Und so. ist es mit allen solchen Vorfällen des vorigen Lebens.Beim Wiedereintritt in das physische Leben stehen nun diese Hindernisse derEntwickelung wieder vor dem Ich. Wie mit dem Eintritte des Todes eine ArtErinnerungsgemälde vor dem menschlichen Ich gestanden hat, so jetzt einVorblick auf das kommende Leben. Wieder sieht der Mensch ein solchesGemälde, das jetzt all die Hindernisse zeigt, welche der Menschhinwegzuräumen hat, wenn seine Entwickelung weitergehen soll. Und das, waser so sieht, wird der Ausgangspunkt von Kräften, welche der Mensch ins neueLeben mitnehmen muß. Das Bild des Schmerzes, den er dem andern zugefügthat, wird zur Kraft, die das Ich, wenn es nun wieder ins Leben eintritt, antreibt,diesen Schmerz wieder gut zu machen. So wirkt also das vorgängige Lebenbestimmend auf das neue. Die Taten dieses neuen Lebens sind durch jene desvorigen in einer gewissen Weise verursacht. Diesen gesetzmäßigenZusammenhang eines früheren Daseins mit einem späteren hat man als dasGesetz des Schicksals anzusehen; man ist gewohnt geworden, es mit dem ausder morgenländischen Weisheit entlehnten Ausdruck „Karma“ zu bezeichnen.(93)

(21) Der Aufbau eines neuen Leibeszusammenhanges ist jedoch nicht dieeinzige Tätigkeit, welche dein Menschen zwischen dem Tode und einer neuenGeburt obliegt. Während dieser Aufbau geschieht, lebt der Mensch außerhalbder physischen Welt. Diese schreitet aber während dieser Zeit in ihrerEntwickelung weiter. In verhältnismäßig kurzen Zeiträumen ändert die Erde ihrAntlitz. Wie hat es vor einigen Jahrtausenden in den Gebieten ausgesehen,welche gegenwärtig von Deutschland eingenommen werden? Wenn der Menschin einem neuen Dasein auf der Erde erscheint, sieht diese in der Regel niemalswieder so aus, wie sie zur Zeit seines letzten Lebens ausgesehen hat. Während ervon der Erde abwesend war, hat alles mögliche sich geändert. In dieserÄnderung des Antlitzes der Erde wirken nun auch verborgene Kräfte. Sie wirkenaus derselben Welt heraus, in welcher sich der Mensch nach dem Tode befindet.

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Und er selbst muß an dieser Umgestaltung der Erde mitwirken. Er kann es nurunter der Anführung von höheren Wesenheiten, so lange er sich durch dieErzeugung von Lebensgeist und Geistesmenschen nicht ein klares Bewußtseinüber den Zusammenhang zwischen dem Geistigen und dessen Ausdruck imPhysischen angeeignet hat. Aber er schafft mit an der Umwandlung derirdischen Verhältnisse. Man kann sagen, die Menschen gestalten während derZeit vom Tode bis zu einer neuen Geburt die Erde so um, daß derenVerhältnisse zu dem passen, was sich in ihnen selbst entwickelt hat. Wenn wireinen Erdenfleck betrachten in einem bestimmten Zeitpunkt und dann nachlanger Zeit wieder in einem völlig veränderten Zustande, so sind die Kräfte,welche diese Veränderung herbeigeführt haben, bei den toten Menschen. (94) Insolcher Art stehen diese auch zwischen dem Tode und einer neuen Geburt mitder Erde in Verbindung. Das übersinnliche Bewußtsein sieht in allemphysischen Dasein die Offenbarung eines verborgenen Geistigen. Für diephysische Beobachtung wirkt auf die Umgestaltung der Erde das Licht derSonne, die Wandelungen des Klimas usw. Für die übersinnliche Beobachtungwaltet in dem Lichtstrahl, der von der Sonne auf die Pflanze fällt, die Kraft dertoten Menschen. Dieser Beobachtung kommt zum Bewußtsein, wieMenschenseelen die Pflanzen umschweben, wie sie den Erdboden wandeln undähnliches. Nicht bloß sich selbst, nicht allein der Vorbereitung zu seinemeigenen neuen Erdendasein ist der Mensch nach dem Tode zugewandt. Nein, erist da berufen, an der äußeren Welt geistig zu schaffen, wie er im Lebenzwischen Geburt und Tod physisch zu schaffen berufen ist.

(22) Es wirkt aber nicht nur das Leben des Menschen vom Geisterlande ausauf die Verhältnisse der physischen Welt ein, sondern umgekehrt auch dieTätigkeit im physischen Dasein hat ihre Wirkungen in der geistigen Welt. EinBeispiel kann veranschaulichen, was in dieser Beziehung geschieht. Es bestehtein Band der Liebe zwischen Mutter und Kind. Von der Anziehung zwischenbeiden, die in Kräften der Sinnenwelt wurzelt, geht diese Liebe aus. Aber siewandelt sich im Laufe der Zeiten. Aus dem sinnlichen Bande wird immer mehrein geistiges. Und dieses geistige Band wird nicht nur für die physische Weltgewoben, sondern auch für das Geisterland. (95) Auch mit andern Verhältnissenist es so. Was in n der physischen Welt durch Geistwesen gesponnen wird, dasbleibt in der geistigen Welt bestehen. Freunde, die sich im Leben innigverbunden haben, gehören auch im Geisterlande zusammen, und nach Ablegungder Leiber sind sie noch in einer viel innigeren Gemeinschaft als im physischenLeben. Denn als Geister sind sie so füreinander da, wie das oben bei denOffenbarungen geistiger Wesen an andere durch das Innere beschrieben wordenist. Und ein Band, das zwischen zwei Menschen gewoben worden ist, führt sieauch in einem neuen Leben wieder zusammen. Im wahrsten Sinne des Wortesmuß daher von einem Wiederfinden, der Menschen nach dem Tode gesprochenwerden.

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(23) Was sich einmal mit dem Menschen vollzogen hat, von der Geburt biszum Tode und von da bis zu einer neuen Geburt, das wiederholt sich. DerMensch kehrt immer wieder auf die Erde zurück, wenn die Frucht., die er ineinem physischen Leben erworben hat, im Geisterlande zur Reife gekommen ist.Doch besteht nicht eine Wiederholung ohne Anfang und Ende, sondern derMensch ist einmal aus anderen Daseinsformen in solche übergetreten, welche inder gekennzeichneten Art verlaufen, und er wird in der Zukunft zu andernübergehen. Der Ausblick auf diese Übergangsstufen wird sich ergeben, wenn imSinne des übersinnlichen Bewußtseins im folgenden die Entwickelung desWeltalls im Zusammenhang mit dem Menschen geschildert wird.

(24) Die Vorgänge zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sind für dieäußere sinnliche Beobachtung natürlich noch verborgener als dasjenige, wasdem offenbaren Dasein zwischen Geburt und Tod als Geistiges zugrunde liegt.Diese sinnliche Beobachtung kann für diesen Teil der verborgenen Welt dieWirkungen nur da sehen, wo sie ins physische Dasein eintreten. (96) Es muß fürsie die Frage sein, ob der Mensch, der durch die Geburt ins Dasein tritt, etwasmitbringt von dem, was die übersinnliche Erkenntnis von Vorgängen zwischeneinem vorigen Tode und der Geburt beschreibt. Wenn jemand einSchneckenhaus findet, in dem nichts von einem Tiere zu merken ist, so wird erdoch nur anerkennen, daß dieses Schneckenhaus durch die Tätigkeit eines Tieresentstanden ist, und kann nicht glauben, daß es sich durch bloße physische Kräftein seiner Form zusammengefügt hat. Ebenso kann jemand, der den Menschen imLeben betrachtet und etwas findet, was aus diesem Leben nicht stammen kann,vernünftigerweise zugeben, daß es von dem stammt, was die Wissenschaft desÜbersinnlichen beschreibt, wenn dadurch ein erklärendes Licht auf das sonstUnerklärliche fällt. So könnte auch da die sinnlich-verständige Beobachtung ausden sichtbaren Wirkungen die unsichtbaren Ursachen begreiflich finden. Undwer dies Leben völlig unbefangen betrachtet, dem wird sieh auch das mit jederneuen Beobachtung immer mehr als das Richtige ergeben. Nur handelt es sichdarum, den richtigen Gesichtspunkt zu finden, um die Wirkungen im Leben zubeobachten. Wo liegen z. B. die Wirkungen dessen, was die übersinnlicheErkenntnis als Vorgänge der Läuterungszeit schildert? Wie tritt die Wirkungdessen zutage, was der Mensch nach dieser Läuterungszeit im rein geistigenGebiete nach den Angaben der geistigen Forschung erleben soll?

(25) Rätsel drängen sich jeder ernsten, tiefen Lebensbetrachtung auf diesemFelde genug auf. (97) Man sieht den einen Menschen in Not und Elend geboren,mit nur geringen Begabungen ausgestattet, so daß er durch diese mit seinerGeburt gegebenen Tatsachen zu einem erbärmlichen Dasein vorherbestimmterscheint. Der andere wird von dem ersten Augenblicke seines Daseins an vonsorgenden Händen und Herzen gehegt und gepflegt; es entfalten sich bei ihmglänzende Fähigkeiten; er ist zu einem fruchtbaren, befriedigenden Daseinveranlagt. Zwei entgegengesetzte Gesinnungen können sich gegenüber solchenFragen geltend machen.

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Die eine wird an dem haften wollen, was die Sinne wahrnehmen und der andiese Sinne sich haltende Verstand begreifen kann. Darin, daß ein Mensch in dasGlück, der andere ins Unglück hineingeboren wird, wird diese Gesinnung keineFrag sehen. Sie wird, wenn sie auch nicht das Wort „Zufall“ gebrauchen will,doch nicht daran denken, irgendeinen gesetzmäßigen Zusammenhang anzu-nehmen, der solches bewirkt. Und in bezug auf die Anlagen, die Begabungenwird eine solche Vorstellungsart sich an das halten, was von Eltern, Vorelternund sonstigen Ahnen „vererbt“ ist. Sie wird es ablehnen, die Ursachen ingeistigen Vorgängen zu suchen, welche der Mensch selbst vor seiner Geburt –abseits von der Vererbungslinie seiner Ahnen – durchgemacht hat und durch dieer sich seine Anlagen und Begabungen gestaltet hat. – Eine andere Gesinnungwird sich durch eine solche Auffassung unbefriedigt fühlen. Sie wird sagen: esgeschieht doch auch in der offenbaren Welt nichts an einem bestimmten Orteoder in einer bestimmten Umgebung, ohne daß man Ursachen voraussetzenmüßte, warum dies der Fall ist. Mag auch in vielen Fällen der Mensch dieseUrsachen noch nicht erforscht haben, vorhanden sind sie. Eine Alpenblumewächst nicht in der Tiefebene. (98) Ihre Natur hat etwas, was sie mit derAlpengegend zusammenbringt. Ebenso muß es in einem Menschen etwas geben,was ihn in eine bestimmte Umgebung hineingeboren werden läßt. Mit Ursachen,die bloß in der physischen Welt liegen, ist es dabei nicht getan. Sie nehmen sichfür den tiefer Denkenden so aus, als wenn die Tatsache, daß jemand einemandern einen Schlag versetzt habe, nicht mit den Gefühlen des ersteren, sondernmit dem physischen Mechanismus seiner Hand erklärt werden sollte. – Ebensounbefriedigt muß sich diese Gesinnung mit aller Erklärung aus der bloßen„Vererbung“ bei Anlagen und Begabungen zeigen. Man mag von ihr immerhinsagen: sehet, wie sich bestimmte Anlagen in Familien forterben. In zwei undeinem halben Jahrhundert haben sich die musikalischen Anlagen in den Gliedernder Familie Bach vererbt. Aus der Familie Bernoulli sind acht Mathematikerhervorgegangen, die zum Teil in ihrer Kindheit zu ganz anderen Berufenbestimmt waren. Aber die „vererbten“ Begabungen haben sie immer zu demFamilienberuf hingetrieben. Man mag ferner darauf verweisen, wie man durcheine genaue Erforschung der Vorfahrenreihe einer Persönlichkeit zeigen könne,daß in der einen oder der anderen Weise sich die Begabung dieser Persönlichkeitbei den Ahnen gezeigt habe und daß sie sich nur als eine Summierung vererbterAnlagen darstellt. – Wer die angedeutete zweite Art der Gesinnung hat, wirdsolche. Tatsachen gewiß nicht außer acht lassen; sie können ihm aber nicht sein,was sie dem sind, der sich nur auf die Vorgänge in der Sinnenwelt bei seinenErklärungen stützen will. (99) Der erstere wird darauf hinweisen, daß sichebensowenig die vererbten Anlagen von selbst zur Gesamtpersönlichkeitsummieren können, wie sich die Metallteile der Uhr zu dieser von selbstformieren. Und wenn man ihm einwendet, daß ja doch das Zusammenwirkender Eltern die Kombination der Anlagen bewirken könne, also dieses gleichsaman die Stelle des Uhrmachers trete, so wird er erwidern:

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Sehet mit Unbefangenheit auf das völlig Neue, hin, das mit jederKindes-Persönlichkeit gegeben ist; dieses kann nicht von den Eltern kommen,einfach deshalb nicht, weil es in diesen nicht vorhanden ist.

(26) Ein unklares Denken kann auf diesem Gebiet viel Verwirrung stiften. Amschlimmsten ist es, wenn von den Trägern der ersten Gesinnung diejenigen derletzteren als Gegner dessen hingestellt werden, was doch auf „sichereTatsachen“ sich stützt. Aber es braucht diesen letzteren gar nicht in den Sinn zukommen, diesen Tatsachen ihre Wahrheit oder ihren Wert abzusprechen. Siesehen z. B. durchaus auch, daß sich eine bestimmte Geistesanlage, ja Geistes-richtung in einer Familie „forterbt“ und daß gewisse Anlagen, in einemNachkommen summiert und kombiniert, eine bedeutende Persönlichkeitergeben. Sie vermögen durchaus zuzugeben, wenn man ihnen sagt, daß derbedeutendste Name selten an der Spitze, sondern am Ende einerBlutsgenossenschaft steht. Man sollte es ihnen aber nicht übel vermerken, wennsie gezwungen sind, daraus ganz andere Gedanken zu bilden als diejenigen,welche nur beim Sinnlich-Tatsächlichen stehenbleiben wollen. Den letzterenkann eben erwidert werden: (100) Gewiß zeigt ein Mensch die Merkmale seinerVorfahren, denn das Geistig-Seelische, welches durch die Geburt in dasphysische Dasein tritt, entnimmt seine, Leiblichkeit dem, was ihm dieVererbung gibt. Damit ist aber noch nichts gesagt, als daß ein Wesen dieEigentümlichkeiten des Mittels trägt, in das es untergetaucht ist. Es ist gewiß einsonderbarer – trivialer – Vergleich, aber der Unbefangene wird ihm seineBerechtigung nicht absprechen, wenn gesagt wird: daß ein Menschenwesen sichin die Eigenschaften seiner Vorfahren eingehüllt zeigt, beweist für die Herkunftder persönlichen Eigenschaften dieses Wesens ebensowenig, wie es für dieinnere Natur eines Menschen etwas beweist, wenn er naß ist, weil er ins Wassergefallen ist. Und weiter kann gesagt werden: wenn der bedeutendste Name amEnde einer Blutsgenossenschaft steht, so zeigt dies, daß der Träger diesesNamens jene Blutsgenossenschaft brauchte, um sich den Leib zu gestalten, dener für die Entfaltung seiner Gesamtpersönlichkeit notwendig hatte. Es beweistaber gar nichts für die „Vererbung“ des Persönlichen selbst: ja es beweist füreine gesunde Logik diese Tatsache das gerade Gegenteil. Wenn sich nämlich diepersönlichen Gaben vererbten, so müßten sie am Anfange einerBlutsgenossenschaft stehen- und sich dann von hier ausgehend auf dieNachkommen vererben. Da sie aber am Ende stehen, so ist das gerade einZeugnis dafür, daß sie sich nicht vererben.

(27) Nun soll nicht in Abrede gestellt werden, daß auf Seite derjenigen,welche von einer geistigen Verursachung im Leben sprechen, nicht minder zurVerwirrung beigetragen wird. Von ihnen wird oft viel zu sehr im allgemeinen,im unbestimmten geredet. (101) Es ist gewiß mit der Behauptung zuvergleichen: die Metallteile einer Uhr haben sich selbst zu dieserzusammengestellt, wenn gesagt wird: aus den vererbten Merkmalen summieresich die Persönlichkeit eines Menschen.

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Aber es muß auch zugegeben werden, daß es mit vielen Behauptungen in bezugauf eine geistige Welt sich nicht anders verhält, als wenn jemand sagte: dieMetallteile der Uhr können sich selbst nicht so zusammenfügen, daß durch dieZusammenfügung die Zeiger vorwärtsgeschoben werden, also muß irgend etwasGeistiges da sein, welches dieses Vorwärtsschieben besorgt. Gegenüber einersolchen Behauptung baut allerdings der auf einen weit besseren Grund, welchersagt: Ach, ich kümmere mich nicht weiter um solche „mystische“ Wesen,welche die Zeiger vorwärtsschieben; ich suche die mechanischenZusammenhänge kennenzulernen, durch welche das Vorwärtsschieben derZeiger bewirkt wird. Es handelt sich eben gar nicht darum, nur zu wissen, hintereinem Mechanischen, z. B. der Uhr, stehe ein Geistiges (der Uhrmacher),sondern bedeutungsvoll kann es allein sein, die Gedanken kennenzulernen, dieim Geiste des Uhrmachers der Verfertigung der Uhr vorangegangen sind. Mankann diese Gedanken im Mechanismus wiederfinden.

(28) Alles bloße Träumen und Phantasieren von dem Übersinnlichen bringtnur Verwirrung. Denn ungeeignet, die Gegner zu befriedigen. Diese sind ja imRecht, wenn sie, sagen, solches Hinweisen auf übersinnliche Wesen imallgemeinen fördert in nichts das Verständnis der Tatsachen. Gewiß, solcheGegner mögen auch gegenüber den bestimmten Angaben derGeisteswissenschaft das gleiche sagen. Dann aber kann hingewiesen werdendarauf, wie sich im offenbaren Leben die Wirkungen dei verborgenen, geistigenUrsachen zeigen. (102) Es kann gesagt werden: man nehme einmal an, es seirichtig, was die Geistesforschung durch Beobachtung festgestellt haben will, daßder Mensch nach seinem Tode eine Läuterungszeit durchgemacht habe und daßer während derselben seelisch erlebt habe, welches Hemmnis in derfortschreitenden Entwickelung eine bestimmte Tat sei, die er in einemvorhergegangenen Leben vollführt hat. Während er dieses erlebt hat, bildete sichin ihm der Trieb, die Folgen dieser Tat zu verbessern. Diesen Trieb bringt ersich für ein neues Leben mit. Und das Vorhandensein dieses Triebes bildet jenenZug in seinem Wesen, der ihn an einen Platz stellt., von dem aus dieVerbesserung möglich ist. Man beachte eine Gesamtheit solcher Triebe, undman hat eine Ursache für die schicksalsgemäße Umgebung, in welche einMensch hineingeboren wird. – Ebenso kann es mit einer anderen Annahmegehen. Man setze wieder voraus, es sei richtig, was von der Geisteswissenschaftgesagt wird, die, Früchte eines verflossenen Lebens werden dem geistigen Keimdes Menschen einverleibt und das Geisterland, in dem sich dieser zwischen Todund neuem Leben befindet, sei das Gebiet, in dem diese Früchte reifen, um zuAnlagen und Fähigkeiten umgestaltet, in einem neuen Leben zu erscheinen unddie Persönlichkeit so zu gestalten, daß sie als die Wirkung dessen erscheint, wasin einem vorigen Leben gewonnen worden ist. (103)

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Wer diese Voraussetzungen macht und mit ihnen unbefangen das Lebenbetrachtet, dem wird sich zeigen, daß durch sie alles Sinnlich-Tatsächliche inseiner vollen Bedeutung und Wahrheit anerkannt werden kann, daß aberzugleich alles das begreiflich wird, was bei einem bloßen Bauen auf diesinnlichen Tatsachen für denjenigen immer unbegreiflich bleiben muß, dessenGesinnung nach der geistigen Welt hin gerichtet ist. Und vor allem, es wird jedeUnlogik von der Art verschwinden, wie die früher angedeutete eine ist: weil derbedeutendste Name am Ende einer Blutsgenossenschaft steht, müsse der Trägerseine Begabung ererbt haben. Das Leben wird logisch begreiflich durch die vonder Geisteswissenschaft ermittelten übersinnlichen Tatsachen.

(29) Der gewissenhafte Wahrheitssucher, der ohne eigene Erfahrung in derübersinnlichen Welt sich zurechtfinden will in den Tatsachen, wird aber auchnoch einen gewichtigen Einwand erheben können. Es kann nämlich geltendgemacht werden, daß es unzulässig sei, einfach aus dem Grunde das Daseinirgendwelcher Tatsachen anzunehmen, weil man sich dadurch etwas erklärenkönne, was sonst unerklärlich ist. Solch ein Einwand ist sicherlich fürdenjenigen ganz bedeutungslos, welcher die entsprechenden Tatsachen aus derübersinnlichen Erfahrung kennt. Und in den folgenden Teilen dieser Schrift wirdder Weg angegeben, der gegangen werden kann, um nicht nur andere geistigeTatsachen, die hier beschrieben werden, sondern auch das Gesetz der geistigenVerursachung als eigenes Erlebnis kennenzulernen. Aber für jeden, welcherdiesen Weg nicht antreten will, kann der obige Einwand eine Bedeutung haben.Und dasjenige, was wider ihn gesagt werden kann, ist auch für einen solchenwertvoll, der den angedeuteten Weg selbst zu gehen entschlossen ist. Dennwenn es jemand in der richtigen Art aufnimmt, dann ist es selbst der beste ersteSchritt, der auf diesem Wege gemacht werden kann. – (104) Es ist nämlichdurchaus wahr; bloß weil man sich etwas dadurch erklären kann, was sonstunerklärlich bleibt, soll man etwas nicht annehmen, von dessen Dasein mansonst kein Wissen hat. Aber in dem Falle mit den angeführten geistigenTatsachen liegt die Sache doch noch anders. Wenn man sie annimmt, so hat dasnicht nur die intellektuelle Folge, daß man durch sie das Leben begreiflichfindet, sondern man erlebt durch die Aufnahme dieser Voraussetzungen in seineGedanken noch etwas ganz anderes. Man denke sich den folgenden Fall: Eswiderfährt jemand etwas, das in ihm recht peinliche Empfindungen hervorruft.Er kann sich nun in zweifacher Art dazu stellen. Er kann den Vorfall als etwaserleben, was ihn peinlich berührt, und sich der peinlichen Empfindung hingeben,vielleicht sogar in Schmerz versinken, Er kann sich aber auch anders dazustellen. Er kann sagen: In Wahrheit habe ich selbst in einem vergangenen Lebenin mir die Kraft gebildet, welche mich vor diesen Vorfall gestellt hat; ich habe inWirklichkeit mir selbst die Sache zugefügt. Und er kann nun alle dieEmpfindungen in sich erregen, welche ein solcher Gedanke zur Folge habenkann. Selbstverständlich muß der Gedanke mit dem allervollkommensten Ernsteund mit aller möglichen Kraft erlebt werden, wenn er eine solche Folge für dasEmpfindungs- und Gefühlsleben haben soll. Wer solches zustande bringt, für

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den wird sich eine Erfahrung einstellen, welche sich am besten durch einenVergleich veranschaulichen läßt. Zwei Menschen – so wolle man annehmen –bekämen eine Siegellackstange in die Hand. Der eine stelle intellektuelleBetrachtungen an über die „innere Natur“ der Stange. (105) DieseBetrachtungen mögen sehr klug sein; wenn sich diese „innere Natur“ durchnichts zeigt, mag ihm ruhig jemand erwidern: das sei Träumerei. Der andereaber reibt den Siegellack mit einem Tuchlappen, und er zeigt dann, daß dieStange kleine Körperchen anzieht. Es ist ein gewichtiger Unterschied zwischenden Gedanken, die durch des ersten Menschen Kopf gegangen sind und ihn zuden Betrachtungen angeregt haben, und denen des zweiten. Des erstenGedanken haben keine tatsächliche Folge; diejenigen des zweiten aber habeneine Kraft, also etwas Tatsächliches, aus seiner Verborgenheit hervorgelockt. –So ist es nun auch mit den Gedanken eines Menschen, der sich vorstellt, er habedie Kraft, mit einem Ereignis zusammenzukommen, durch ein früheres Lebenselbst in sich gepflanzt. Diese bloße Vorstellung regt in ihm eine wirkliche Kraftan, durch die er in einer ganz andern Art dem Ereignis begegnen kann, als wenner diese Vorstellung nicht hegt. Es geht ihm dadurch ein Licht auf über dienotwendige Wesenheit dieses Ereignisses, das er sonst nur als einen Zufallanerkennen könnte. Und er wird unmittelbar einsehen: ich habe den rechtenGedanken gehabt, denn dieser Gedanke hatte die Kraft, die Tatsache mir zuenthüllen. Wiederholt jemand solche innere Vorgänge, so werden sie fortgesetztzu einem Mittel innerer Kraftzufuhr, und sie erweisen so ihre Richtigkeit durchihre Fruchtbarkeit. Und diese Richtigkeit zeigt sich, nach und nach, kräftiggenug. In geistiger, seelischer und auch physischer Beziehung wirken solcheVorgänge gesundend, ja in jeder Beziehung fördernd auf das Leben ein. (106)Der Mensch wird gewahr, daß er sich dadurch in einer richtigen Art in denLebenszusammenhang hineinstellt, während er bei Beachtung nur des einenLebens zwischen Geburt und Tod sich einem Irrwahn hingibt. Der Mensch wirdseelisch stärker durch das gekennzeichnete Wissen. – Einen solchen rein innerenBeweis von der geistigen Verursachung kann sich ein jeder allerdings nur selbstin seinem, Innenleben verschaffen. Aber es kann ihn auch ein jeder haben. Werihn sich nicht verschafft hat, kann seine Beweiskraft allerdings nicht beurteilen.Wer ihn sich verschafft hat, der kann ihn aber auch kaum mehr anzweifeln. Manbraucht sich auch gar nicht zu verwundern, daß dies so ist. Denn was so ganzund gar mit demjenigen zusammenhängt, was des Menschen innersteWesenheit, seine Persönlichkeit ausmacht, von dem ist es nur natürlich, daß esauch nur im innersten Erleben genügend bewiesen werden kann. – Vorbringenkann man dagegen allerdings nicht, daß eine solche Angelegenheit, weil siesolchem inneren Erlebnis entspricht, ein jeder mit sich selbst abmachen müsse,und daß, sie nicht Sache einer Geisteswissenschaft sein könne. Gewiß ist, daßein jeder selbst das Erlebnis haben muß, wie ein jeder selbst den Beweis einesmathematischen Satzes einsehen muß. Aber der Weg, auf dein das Erlebniserreicht werden kann, ist für alle Menschen gültig, wie die Methode, einenmathematischen Satz zu beweisen, für alle gültig ist.

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(30) Nicht in Abrede soll gestellt werden, daß – von den übersinnlichenBeobachtungen natürlich abgesehen – der eben angeführte Beweis durch diekrafthervorbringende Gewalt der entsprechenden Gedanken der einzige ist, derjeder unbefangenen Logik standhält. (107) Alle anderen Erwägungen sind gewißsehr bedeutsam; aber sie werden doch alle etwas haben, an dem ein GegnerAngriffspunkte finden kann. Wer allerdings sich genug unbefangenen Blickangeeignet hat, der wird schon in der Möglichkeit und Tatsächlichkeit derErziehung bei dem Menschen etwas finden, was logisch wirkende Beweiskraftdafür hat, daß ein geistiges Wesen sich in der leiblichen Hülle zum Dasein ringt.Er wird das Tier mit dem Menschen vergleichen und sich sagen: bei demersteren treten die für dasselbe maßgebenden Eigenschaften und Befähigungenmit der Geburt als etwas in sich Bestimmtes auf, das deutlich zeigt, wie es durchdie Vererbung vorgezeichnet ist und sich an der Außenwelt entfaltet. Man sehe,wie das junge Küchlein Lebensverrichtungen von Geburt an in bestimmter Artvollzieht. An den Menschen aber tritt durch die Erziehung mit seinemInnenleben etwas in ein Verhältnis, was ohne alle Beziehung zu einer Vererbungstehen kann. Und er kann in der Lage sein, die Wirkungen solcher äußerenEinflüsse sich anzueignen. Wer erzieht, der weiß, daß solchen Einflüssen, vomInnern des Menschen Kräfte entgegenkommen müssen; ist das nicht der Fall,dann ist alle Schulung und Erziehung bedeutungslos. Für den unbefangenenErzieher stellt sich sogar ganz scharf die Grenze hin zwischen den vererbtenAnlagen und jenen inneren Kräften des Menschen, welche durch diese Anlagenhindurchleuchten und welche aus früheren Lebensläufen herrühren. Sicherlichkann man für solche Dinge nicht so „gewichtige“ Beweise anführen, wie fürgewisse physikalische Tatsachen durch die Waage. Aber dafür sind diese Dingeeben die Intimitäten des Lebens. (108) Und für den, der Sinn dafür hat, sindauch solche nicht handgreifliche Belege beweisend; sogar beweisen der als diehandgreifliche Wirklichkeit. Daß man ja auch Tiere dressieren kann, sie alsogewissermaßen durch Erziehung Eigenschaften und Fähigkeiten annehmen, istfür den, der auf das Wesentliche zu schauen vermag, kein Einwand. Dennabgesehen davon, daß sich in der Welt allerorten Übergänge finden,verschmelzen die Ergebnisse der Dressur bei einem Tiere keineswegs in gleicherArt mit seinem persönlichen Wesen wie beim Menschen. Man betont ja sogar,wie die Fähigkeiten, welche den Haustieren im Zusammenleben mit denMenschen andressiert werden, sich vererben, das heißt sofort gattungsmäßig,nicht persönlich wirken. Darwin beschreibt, wie Hunde apportieren, ohne dazuangelernt zu sein oder es gesehen zu haben. Wer wollte ein gleiches von dermenschlichen Erziehung behaupten?

(31) Nun gibt es Denker, welche durch ihre Beobachtungen über die Meinunghinauskommen, daß der Mensch durch die rein vererbten Kräfte von außenzusammengefügt sei. Sie erheben sich bis zu dem Gedanken, daß ein geistigesWesen, eine Individualität, dem leiblichen Dasein vorangehe und dieses gestalte.

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Aber viele von ihnen finden doch nicht die Möglichkeit, zu begreifen, daß eswiederholte Erdenleben gibt und daß in dem Zwischendasein zwischen denLeben die Früchte der vorigen mitgestaltende Kräfte sind. Es sei aus der Reihesolcher Denker einer angeführt. Immanuel Hermann Fichte, der Sohn des großenFichte, führt in seiner „Anthropologie“ seine Beobachtungen an, die ihn (S. 528)zu folgendem zusammenfassenden Urteil bringen: „Die Eltern sind nicht dieErzeuger in vollständigem Sinne. (109) Den organischen Stoff bieten sie dar,und nicht bloß diesen, sondern zugleich jenes Mittlere, Sinnlich-Gemütliche,welches sich im Temperament, in eigentümlicher Gemütsfärbung, in bestimmterSpezifikation der Triebe und dergleichen zeigt, als deren gemeinschaftlicheQuelle die „Phantasie“ in jenem weitern, von uns nachgewiesenen Sinn sichergeben hat. In allen diesen Elementen der Persönlichkeit ist die Mischung undeigentümliche Verbindung der Elternseelen unverkennbar; diese daher für einbloßes Produkt der Zeugung zu erklären, ist vollkommen begründet, noch dazu,wenn, wofür wir uns entscheiden mußten, die Zeugung als wirklicherSeelenvorgang aufgefaßt wird. Aber der eigentliche, schließende Mittelpunktder Persönlichkeit fehlt hier gerade; denn bei tiefer eindringender Beobachtungergibt sich, daß auch jene gemütlichen Eigentümlichkeiten nur eine Hülle undein Werkzeugliches sind, um die eigentlich geistigen idealen Anlagen desMenschen in sich zu fassen, geeignet sie zu fördern in ihrer Entwickelung oderzu hemmen, keineswegs aber fähig, sie aus sich entstehen zu lassen.“ Undweiter wird da gesagt: „Jeder präexistiert nach seiner geistigen Grundgestalt,denn geistig betrachtet gleicht kein Individuum dem andern, sowenig als dieeine Tierspezies einer der übrigen.“ (S. 532). Diese Gedanken greifen nur soweit, daß sie in die physische Leiblichkeit des Menschen eintreten lassen einegeistige Wesenheit. Da deren gestaltende Kräfte aber nicht aus Ursachenfrüherer Leben hergeleitet werden, so müßte jedesmal, wenn eine Persönlichkeitersteht, eine solche geistige Wesenheit aus einem göttlichen Urgrundehervorgehen. (110) Unter dieser Voraussetzung bestände aber keineMöglichkeit, die Verwandtschaft zu erklären, die ja besteht zwischen den sichaus dem menschlichen Innern herausringenden Anlagen und dem, was von deräußeren irdischen Umgebung im Laufe des Lebens an dieses Innere herandringt.Das menschliche Innere, das für jeden einzelnen Menschen aus einem göttlichenUrgrunde stammte, müßte ganz fremd gegenüberstehen dem, was ihm imirdischen Leben gegenübertritt. Nur dann wird das – wie es ja tatsächlich ist –nicht der Fall sein, wenn dieses menschliche Innere mit dem Äußeren bereitsverbunden war, wenn es nicht zum ersten Male in diesem lebt. Der unbefangeneErzieher kann klar die Wahrnehmung machen: ich bringe aus den Ergebnissendes Erdenlebens an meinen Zögling etwas heran, was zwar seinen bloßvererbten Eigenschaften fremd ist, was ihn aber doch so anmutet, als ob er beider Arbeit, aus welcher diese Ergebnisse stammen, schon dabei gewesen wäre.Nur die wiederholten Erdenleben im Zusammenhang mit den von derGeistesforschung dargelegten Tatsachen im geistigen Gebiet zwischen denErdenleben: nur dies alles kann eine befriedigende Erklärung des allseitigbetrachteten Lebens der gegenwärtigen Menschheit geben. –

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Ausdrücklich wird hier gesagt: der „gegenwärtigen“ Menschheit. Denn diegeistige Forschung ergibt, daß allerdings einmal der Kreislauf der Erdenlebenbegonnen hat und daß damals andere Verhältnisse als gegenwärtig für das in dieleibliche Hülle eintretende geistige Wesen des Menschen bestanden haben. Inden folgenden Kapiteln wird auf diesen urzeitlichen Zustand desMenschenwesens zurückgegangen. (111) Wenn dadurch aus den Ergebnissender Geisteswissenschaft heraus wird gezeigt worden sein, wie dieses Menschen-wesen seine gegenwärtige Gestalt im Zusammenhang mit der Erdentwickelungerhalten hat, wird auch noch genauer darauf hingedeutet werden können, wie dergeistige Wesenskern des Menschen aus übersinnlichen Welten in die leiblichenHüllen eindringt und wie das geistige Verursachungsgesetz, das „menschlicheSchicksal“, sich heranbildet. (112)

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Geheimwissenschaft – Die Weltenentwickelung und der Mensch

Die Weltentwickelung und der Mensch

(1) Es hat sich durch die vorangegangenen Betrachtungen ergeben, daß dieWesenheit des Menschen aus den vier Gliedern sich aufbaut: Physischer Leib,Lebensleib, Astralleib und Ich-Träger. Das „Ich“ arbeitet innerhalb der dreiandern Glieder und wandelt diese um. Durch solche Umwandlung entstehen aufeiner niedrigeren Stufe: Empfindungsseele, Verstandesseele undBewußtseinsseele. Auf einer höheren Stufe des Menschendaseins bilden sich:Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Diese Glieder der Menschennaturstehen nun in den mannigfaltigsten Verhältnissen zu dem ganzen Weltall. Undihre Entwickelung hängt mit der Entwickelung dieses Weltalls zusammen.Durch die Betrachtung dieser Entwickelung gewinnt man einen Einblick in dietieferen Geheimnisse dieser menschlichen Wesenheit.

(2) Es ist klar, daß des Menschen Leben nach den verschiedensten Richtungenhin Beziehungen hat zur Umgebung, zu dem Wohnplatz, auf dem er sichentwickelt. Nun ist schon die äußerliche Wissenschaft durch die ihr gegebenenTatsachen zu der Ansicht gedrängt worden, daß die Erde selbst, dieserWohnplatz des Menschen im umfassendsten Sinne, eine Entwickelungdurchgemacht hat. (113) Diese Wissenschaft weist auf Zustände im Erdendaseinhin, innerhalb welcher ein Mensch in seiner gegenwärtigen Form auf unseremPlaneten noch nicht existiert hat. Sie zeigt, wie die Menschheit von einfachenKulturzuständen herauf sich langsam und allmählich zu den gegenwärtigenVerhältnissen entwickelt hat. Also auch diese Wissenschaft kommt zu derMeinung, daß ein Zusammenhang bestehe zwischen der Entwickelung desMenschen und derjenigen seines Himmelskörpers, der Erde.

(3) Die Geisteswissenschaft * [* Geisteswissenschaft wird hier, wie aus demZusammenhang ersichtlich ist, gleichbedeutend mit „Geheimwissenschaft“, mit übersinnlicher

Erkenntnis gebraucht.] verfolgt diesen Zusammenhang durch diejenige Erkenntnis,welche ihre Tatsachen aus der durch die geistigen Organe geschärftenWahrnehmung schöpft. Sie verfolgt den Menschen rückwärts in seinemWerdegange. Es zeigt sich ihr, daß das eigentliche innere geistige Wesen desMenschen durch eine Reihe von Leben auf dieser Erde geschritten ist. So aberkommt die Geistesforschung zu einem weit in der Vergangenheitzurückliegenden Zeitpunkte, in dem zum ersten Male dieses innereMenschenwesen in ein äußeres Leben in dem gegenwärtigen Sinne eingetretenist. In dieser ersten irdischen Verkörperung war es, daß das „Ich“ anfing,innerhalb der drei Leiber, Astralleib, Lebensleib, physischer Leib, sich zubetätigen. Und es nahm dann die Früchte dieser Arbeit mit in das folgendeLeben hinüber. (114)

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Geheimwissenschaft – Die Weltenentwickelung und der Mensch

(4) Wenn man in der angedeuteten Art bis zu diesem Zeitpunkte in derBetrachtung rückwärts schreitet, so wird man gewahr, daß das „Ich“ einenErdenzustand vorfindet, innerhalb dessen die drei Leiber, physischer Leib,Lebensleib und Astralleib, schon entwickelt sind und schon einen gewissenZusammenhang haben. Das „Ich“ verbindet sich zum ersten Male mit derWesenheit, welche aus diesen drei Leibern besteht. Es nimmt von jetzt ab dieses„Ich“ an der Weiterentwickelung der drei Leiber teil. Vorher haben sich dieseohne ein solches Menschen-Ich bis zu der Stufe entwickelt, auf welcher siedieses Ich damals angetroffen hat.

(5) Die Geisteswissenschaft muß mit ihrer Forschung nun noch weiterzurückgehen, wenn sie die Fragen beantworten will: Wie sind die drei Leiber biszu einer solchen Stufe der Entwickelung gelangt, auf der sie ein „Ich“ in sichaufnehmen konnten, und wie ist dieses Ich selbst geworden und zu der Fähigkeitgelangt, innerhalb dieser Leiber wirken zu können?

(6) Die Beantwortung dieser Fragen ist nur möglich, wenn man das Werdendes Erdenplaneten selbst im geisteswissenschaftlichen Sinne verfolgt. Durchsolche Forschung gelangt man an einen Anfang dieses Erdenplaneten. DiejenigeBetrachtungsart, welche nur auf die Tatsachen der physischen Sinne baut, kannnicht bis zu Schlußfolgerungen gelangen, die mit diesem Erdenanfang etwas zutun haben. Eine gewisse Ansicht, die sich solcher Schlußfolgerungen bedient,kommt zu dem Ergebnis, daß alles Stoffliche der Erde sich aus einem Urnebelheraus gebildet habe. Es kann nicht die Aufgabe dieser Schrift sein, auf solcheVorstellungen näher einzugehen. Denn für die Geistesforschung handelt es sichdarum, nicht bloß die materiellen Vorgänge der Erdentwickelung in Betracht zuziehen, sondern vor allem die hinter dem Stofflichen liegenden geistigenUrsachen. (115) Wenn man einen Menschen vor sich hat, der eine Hand hebt, sokann dieses Heben der Hand zu zweierlei Betrachtungsweisen anregen. Mankann den Mechanismus des Armes und des andern Organismus untersuchen undden Vorgang so beschreiben wollen, wie er sich rein physisch abspielt. Mankann aber auch den geistigen Blick auf dasjenige lenken, was in der Seele desMenschen vorgeht und was die seelische Veranlassung zum Heben der Handbildet. In einer ähnlichen Art sieht der durch das geistige Wahrnehmen geschulteForscher hinter allen Vorgängen der sinnlich-physischen Welt geistigeVorgänge. Für ihn sind alle Umwandlungen in dem Stofflichen desErdenplaneten Offenbarungen geistiger Kräfte, die hinter dem Stofflichenliegen. Wenn aber solche geistige Beobachtung in dem Leben der Erde immerweiter zurückgeht, so kommt sie an einen Entwickelungspunkt, an dem allesStoffliche erst anfängt zu sein. Es entwickelt sich dieses Stoffliche aus demGeistigen heraus. Vorher ist nur Geistiges vorhanden. Man nimmt durch diesegeistige Beobachtung das Geistige wahr und sieht, wie in weiterem Verfolg sichdieses. Geistige zu dem Stofflichen teilweise gleichsam verdichtet.

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Man hat einen Vorgang vor sich, der sich auf einer höheren Stufe – so abspielt,wie wenn man ein Gefäß mit Wasser betrachtet, in dem sich nach und nachdurch kunstvoll geleitete Abkühlungen Eisklumpen herausbilden. Wie man hieraus dein, was vorher durchaus Wasser war, das Eis sich heraus verdichten sieht,so kann man durch geistige Beobachtung verfolgen, wie sich aus einemvorangehenden durchaus Geistigen die stofflichen Dinge, Vorgänge undWesenheiten gleichsam verdichten. – (116) So hat sich der physischeErdenplanet herausentwickelt aus einem geistigen Weltwesen; und alles, wasstofflich mit diesem Erdenplaneten verknüpft ist, hat sich aus solchemherausverdichtet, was mit ihm vorher geistig verbunden war. Man hat sich abernicht vorzustellen daß jemals alles Geistige sieh in Stoffliches umwandelt;sondern man hat in dem letzteren immer nur umgewandelte Teile desursprünglichen Geistigen vor sich. Dabei bleibt das Geistige auch während derstofflichen Entwickelungsperiode das eigentlich leitende und führende Prinzip.

(7) Es ist einleuchtend, daß diejenige Vorstellungsart, welche sich nur an diesinnlichphysischen Vorgänge halten will – und an dasjenige, was der Verstandaus diesen Vorgängen erschließen kann – nichts auszusagen vermag über das inRede stehende Geistige. Man nehme an, es könne ein Wesen geben, das nursolche Sinne hätte, die Eis wahrnehmen können, nicht aber den feineren Zustanddes Wassers, aus dem sich das Eis durch Abkühlung abhebt. Für ein solchesWesen wäre das Wasser nicht vorhanden; und es wäre für dasselbe von demWasser erst dann etwas wahrzunehmen, wenn sich Teile desselben zu Eisumgebildet haben. So bleibt für einen Menschen das hinter den Erdenvorgängenliegende Geistige verborgen, wenn er nur das für die physischen SinneVorhandene gelten lassen will. (117) Und wenn er von den physischenTatsachen, die er gegenwärtig wahrnimmt, richtige Schlußfolgerungen sichbildet über frühere Zustände des Erdenplaneten, so kommt ein solcher Menscheben nur bis zu jenem Entwickelungspunkte, in dem das vorangehende Geistigesich teilweise zu dem Stofflichen verdichtete. Dieses vorangehende Geistigesieht eine solche Betrachtungsweise ebensowenig wie das Geistige, dasunsichtbar auch gegenwärtig hinter dem Stofflichen waltet.

(8) Es kann erst in den letzten Kapiteln dieser Schrift von den Wegengesprochen werden, auf denen der Mensch sich die Fähigkeit aneignet, ingeistiger Wahrnehmung auf die früheren Erdenzustände zurückzublicken, vondenen hier die Rede ist. Nur angedeutet soll hier vorläufig werden, daß für diegeistige Forschung die Tatsachen auch urferner Vergangenheiten nichtverschwunden sind. Wenn ein Wesen zu einem körperlichen Dasein gelangt, sovergeht mit seinem körperlichen Tode das Stoffliche. Nicht in der gleichen Art»verschwinden« die geistigen Kräfte, welche dieses Körperhafte aus sich herausgetrieben haben. Sie lassen ihre Spuren, ihre genauen Abbilder in der geistigenGrundlage der Welt zurück.

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Und wer durch die sichtbare Welt hindurch die Wahrnehmung zu demUnsichtbaren zu erheben vermag, der gelangt endlich dazu, etwas vor sich zuhaben, was man mit einem gewaltigen geistigen Panorama vergleichen könnte,in dem alle vergangenen Vorgänge der Welt verzeichnet sind. Man kann dieseunvergänglichen Spuren alles Geistigen die »Akasha-Chronik« nennen, indemman als Akasha-Wesenheit das Geistig-Bleibende des Weltgeschehens imGegensatz zu den vergänglichen Formen des Geschehens bezeichnet. Nun mußauch hier wieder gesagt werden, daß Forschungen auf den übersinnlichenGebieten des Daseins nur mit Hilfe des geistigen Wahrnehmens, also auf demhier betrachteten Gebiete nur durch das Lesen der angedeuteten »Akasha-Chronik« angestellt werden können. (118) Dennoch gilt auch hier dasjenige, wasfür Ähnliches schon an früherer Stelle dieser Schrift gesagt worden ist. Erforschtkönnen die übersinnlichen Tatsachen nur durch die übersinnliche Wahrnehmungwerden; sind sie aber erforscht und werden sie von der Wissenschaft desÜbersinnlichen mitgeteilt, so können sie eingesehen werden durch dasgewöhnliche Denken, wenn dieses nur wirklich unbefangen sein will. Es werdenin dem folgenden im Sinne der übersinnlichen Erkenntnis dieEntwickelungszustände der Erde mitgeteilt. Es werden die Umwandlungenunseres Planeten verfolgt werden bis zu dem Lebenszustande, in dem diesergegenwärtig ist. Wenn nun jemand das betrachtet, was er gegenwärtig in bloßersinnlicher Wahrnehmung vor sich hat, und dann dasjenige in sich aufnimmt, wasdie übersinnliche Erkenntnis darüber sagt, wie seit urferner Vergangenheitdieses Gegenwärtige sich entwickelt habe, so vermag er bei wahrhaftunbefangenem Denken sich zu sagen: erstens ist es durchaus logisch, was dieseErkenntnis berichtet; zweitens kann ich einsehen, daß die Dinge so gewordensind, wie sie mir eben entgegentreten, wenn ich annehme, daß dies richtig sei,was durch die übersinnliche Forschung mitgeteilt wird. Mit dem »Logischen« istnatürlich in diesem Zusammenhange nicht gemeint, daß innerhalb irgendeinerDarstellung übersinnlicher Forschung nicht Irrtümer in logischer Beziehungenthalten sein könnten. Auch hier soll von dem »Logischen« nur so gesprochenwerden, wie man im gewöhnlichen Leben der physischen Welt davon spricht.(119) Wie da die logische Darstellung als Forderung gilt, trotzdem der einzelneDarsteller eines Tatsachengebietes logischen Irrtümern verfallen kann, so ist esauch in der übersinnlichen Forschung. Es kann sogar vorkommen, daß einForscher, der auf übersinnlichen Gebieten wahrzunehmen vermag, sichIrrtümern in der logischen Darstellung hingibt, und daß einen solchen dannjemand verbessern kann, der gar nicht übersinnlich wahrnimmt, wohl aber dieFähigkeit eines gesunden Denkens hat. Aber im Wesen kann gegen die in derübersinnlichen Forschung angewandte Logik nichts eingewendet werden. Undgar nicht nötig sollte man haben zu betonen, daß gegen die Tatsachen selbstnichts aus bloß logischen Gründen vorgebracht werden kann.

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So wie man auf dem Gebiete der physischen Welt niemals logisch beweisenkann, ob es einen Walfisch gibt oder nicht, sondern nur durch den Augenschein,so können auch die übersinnlichen Tatsachen nur durch die geistigeWahrnehmung erkannt werden. – Es kann aber nicht genug betont werden, daßes für den Betrachter der übersinnlichen Gebiete eine Notwendigkeit ist, bevorer in eigenem Wahrnehmen sich den geistigen Welten nähern will, zuerst sichdurch die angedeutete Logik eine Ansicht zu verschaffen, und nicht minderdadurch, daß er erkennt, wie die sinnlich-offenbare Welt überall verständlicherscheint, wenn man voraussetzt, die Mitteilungen, der Geheimwissenschaftseien richtig. Es bleibt eben alles Erleben in der übersinnlichen Welt einunsicheres – ja gefährliches – Herumtasten, wenn der geschilderteVorbereitungsweg verschmäht wird. Deshalb wird in dieser Schrift auch zuerstdas Übersinnlich-Tatsächliche der Erdentwickelung mitgeteilt, bevor über denWeg der übersinnlichen Erkenntnis selbst gesprochen wird. – (120) Es kommt jadurchaus auch in Betracht, daß derjenige, welcher sich rein denkend in dashineinfindet, was die übersinnliche Erkenntnis zu sagen hat, keineswegs inderselben Lage ist wie jemand, der sich eine Erzählung anhört über, einenphysischen Vorgang, den er nicht selbst sehen kann. Denn das reine Denken istselbst schon eine übersinnliche Betätigung. Es kann als Sinnliches nicht zuübersinnlichen Vorgängen durch sich selbst führen. Wenn man aber diesesDenken auf die übersinnlichen, durch die übersinnliche Anschauung erzähltenVorgänge anwendet, dann wächst es durch sich selbst in die übersinnliche Welthinein. Und es ist sogar einer der allerbesten Wege, zu eigener Wahrnehmungauf übersinnlichem Gebiete dadurch zu gelangen, daß man durch das Denkenüber das von der übersinnlichen Erkenntnis Mitgeteilte in die höhere Welthineinwächst. Ein solches Hineinkommen ist nämlich mit der größten Klarheitverbunden. Deshalb betrachtet auch eine gewisse Richtunggeisteswissenschaftlicher Forschung dieses Denken als die gediegenste ersteStufe aller geisteswissenschaftlicher Schulung. – Auch muß es durchausbegreiflich erscheinen, daß in dieser Schrift nicht in bezug auf alle Einzelheitender im Geiste wahrgenommenen Erdentwickelung darauf hingewiesen wird, wiedas Übersinnliche sich in dem Offenbaren bestätigt. Das war auch nicht dieMeinung, als gesagt wurde, daß das Verborgene überall in seinen offenbarenWirkungen nachgewiesen werden kann. Es ist vielmehr dies die Meinung, daßauf Schritt und Tritt alles lichtvoll und begreiflich für den Menschen werdenkann, was ihm entgegentritt, wenn er die offenbaren Vorgänge sich in dieBeleuchtung rückt, welche ihm durch die Geheimwissenschaft ermöglicht wird.(121) Nur an einzelnen charakteristischen Stellen mag in den folgendenBetrachtungen probeweise auf Bestätigungen des Verborgenen durch dasOffenbare verwiesen werden, um zu zeigen, wie man es überall, wo man nurwill, im praktischen Verfolg des Lebens machen kann.

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(9) Man kommt im Sinne der obigen geisteswissenschaftlichen Forschungdurch die Verfolgung der Erdentwickelung nach rückwärts zu einem geistigenZustand unseres Planeten. Setzt man aber diesen Forschungsweg nach rückwärtsweiter fort, dann findet man, daß jenes Geistige vorher bereits in einer Artphysischen Verkörperung war. Man trifft also auf einen vergangenen physischenplanetarischen Zustand, der sich später vergeistigt und nachher durch abermaligeVerstofflichung sich zu unserer Erde umgewandelt hat. Unsere Erde stellt sichsomit als die Wiederverkörperung eines uralten Planeten dar. Aber dieGeisteswissenschaft kann noch weiter zurückgehen. Und sie findet dann denganzen Vorgang noch zweimal wiederholt. Unsere Erde hat also dreivorhergehende planetarische Zustände durchgemacht, zwischen denen immerZwischenzustände der Vergeistigung liegen. Das Physische erweist sichallerdings immer feiner und feiner, je weiter wir die Verkörperung nachrückwärts verfolgen.

(10) Naheliegend ist der folgenden Darstellung gegenüber der Einwand: Wiekann gesunde Urteilskraft sich einlassen auf die Annahme so unermeßlich weit.zurückliegender Weltzustände, wie diejenigen sind, von denen hier gesprochenwird? (122) Demgegenüber muß gesagt werden, daß für denjenigen, derverständnisvoll auf das gegenwärtige verborgene Geistige in dem offenbarenSinnenfälligen hinzublicken vermag, auch die Einsicht in die, wenn auch nochso entfernten früheren Entwickelungszustände nichts Unmögliches darstellenkann. Nur wer für die Gegenwart dieses verborgene Geistige nicht anerkennt,für den verliert das Reden über eine solche Entwickelung, wie sie hier gemeintist, allen Sinn. Wer es anerkennt, für den ist im Anblick des gegenwärtigenZustandes der frühere ebenso gegeben, wie im Anblick des fünfzigjährigenMenschen der des einjährigen Kindes. Ja, kann man sagen, aber man hat mitBezug auf das letztere neben fünfzigjährigen Menschen einjährige Kinder undalle möglichen Zwischenstufen vor sich. Das ist richtig; aber richtig ist es auchfür die hier gemeinte Entwickelung des Geistigen. Wer auf diesem Felde zueinem sinngemäßen Urteil kommt, der sieht auch ein, daß in der vollständigenBeobachtung des Gegenwärtigen, die das Geistige mit umschließt, wirklichneben den Stufen des Daseins, die bis zur Entwickelungsvollkommenheit derGegenwart fortgeschritten sind, auch die Entwickelungszustände derVergangenheit erhalten geblieben sind, wie neben den fünfzigjährigenMenschen einjährige Kinder vorhanden sind. Man kann innerhalb desErdengeschehens der Gegenwart das Urgeschehen schauen, wenn man nur diesich unterscheidenden aufeinanderfolgenden Entwickelungszuständeauseinanderzuhalten vermag.

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(11) Nun tritt der Mensch in der Gestalt, in welcher er gegenwärtig sichentwickelt, erst auf der vierten der charakterisierten planetarischenVerkörperungen, auf der eigentlichen Erde auf. (123) Und das Wesentlichedieser Gestalt ist, daß der Mensch aus den vier Gliedern zusammengesetzt ist:Physischer Leib, Lebensleib, Astralleib und Ich. Doch hätte diese Gestalt nichtauftreten können, wenn sie nicht durch die vorhergehenden Entwickelungs-tatsachen vorbereitet worden wäre. Diese Vorbereitung geschah dadurch, daßinnerhalb der früheren planetarischen Verkörperung Wesen sich entwickelten,die von den gegenwärtigen vier Menschengliedern drei bereits hatten: denphysischen Leib, den Lebensleib und den Astralleib. Diese Wesen, die man ineiner gewissen Beziehung die Menschenvorfahren nennen kann, hatten nochkein „Ich“, aber sie entwickelten die drei anderen Glieder und derenZusammenhang so weit, daß sie reif wurden, später das „Ich“ aufzunehmen.Somit gelangte der Menschenvorfahr auf der früheren Planeten-Verkörperungbis zu einem gewissen Reifezustand seiner drei Glieder. Dieser Zustand ging ineine Vergeistigung ein. Und aus der Vergeistigung bildete sich dann ein neuerphysischer planetarischer Zustand, derjenige der Erde, heraus. In diesem waren,wie als Keime, die gereiften Menschenvorfahren enthalten. Dadurch, daß derganze Planet durch eine Vergeistigung durchgegangen und in einer neuenGestalt erschienen ist, bot er in den in ihm enthaltenen Keimen mit demphysischen Leib, dem Lebensleib und dem Astralleib nicht nur die Gelegenheit,sich bis zu der. Höhe wieder zu entwickeln, auf der sie vorher schon gestandenhatten, sondern auch die andere Möglichkeit: nachdem sie diese Höhe erreichthatten, über sich hinauszugelangen durch die Aufnahme des „Ich“. DieErdentwickelung zerfällt also in zwei Teile. In einer ersten Periode erscheint dieErde selbst als Wiederverkörperung des früheren planetarischen Zustandes.Dieser Wiederholungszustand ist aber durch die inzwischen eingetreteneVergeistigung ein höherer als derjenige der vorhergehenden Verkörperung. Unddie Erde enthält in sich die Keime der Menschenvorfahren vom früherenPlaneten. Diese entwickeln sich zunächst bis zu der Höhe, auf der sie schonwaren. Wenn sie diese erreicht haben, ist die erste Periode abgeschlossen. DieErde aber kann jetzt wegen ihrer eigenen höheren Entwickelungsstufe die Keimenoch höher bringen, nämlich sie zur Aufnahme des „Ich“ befähigen. Die zweitePeriode der Erdentwickelung ist diejenige der Ich-Entfaltung im physischenLeibe, Lebens- und Astralleibe.

(12) Wie auf diese Art durch die Erdentwickelung der Mensch um eine Stufehöher gebracht Wird, so ist dieses auch schon bei den früheren planetarischenVerkörperungen der Fall gewesen. Denn bereits auf der ersten dieserVerkörperungen war vom Menschen etwas vorhanden. Daher wird Klarheit überdie gegenwärtige Menschenwesenheit verbreitet, wenn deren Entwickelung bisin die urferne Vergangenheit der ersten der angeführten Planetenverkörperungenzurück verfolgt Wird. –

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Man kann nun in der übersinnlichen Forschung diese erstePlanetenverkörperung den Saturn nennen; die zweite als Sonne bezeichnen; diedritte als Mond; die vierte ist die Erde. Dabei hat man streng festzuhalten, daßdiese Bezeichnungen zunächst in keinen Zusammenhang gebracht werdendürfen mit den gleichnamigen, die für die Glieder unseres gegenwärtigenSonnensystems gebraucht werden. Saturn, Sonne und Mond sollen eben Namenfür vergangene Entwickelungsformen sein, welche die Erde durchgemacht hat.(148) Welches Verhältnis diese Welten der Vorzeit zu den Himmelskörpernhaben, die das gegenwärtige Sonnensystem bilden, wird sich noch im Laufe derfolgenden Betrachtungen zeigen. Es wird denn auch sich zeigen, warum dieseNamen gewählt werden.

(13) Wenn nunmehr die Verhältnisse der vier genannten planetarischenVerkörperungen geschildert werden, so kann das nur ganz skizzenhaftgeschehen. Denn die Vorgänge, Wesenheiten und deren Schicksale sind aufSaturn, Sonne und Mond wahrlich eben so mannigfaltig Wie auf der Erde selbst.Daher kann nur einzelnes Charakteristische über diese Verhältnisse in derSchilderung hervorgehoben werden, was geeignet ist, zu veranschaulichen, Wiesich die Zustände der Erde aus den früheren herausgebildet haben. Man mußdabei auch bedenken, daß diese Zustände den gegenwärtigen immer unähnlicherwerden, je weiter man zurückgeht. Und doch kann man sie ja nur dadurchschildern, daß man zur Charakteristik die Vorstellungen benützt, welche dengegenwärtigen Erdenverhältnissen entnommen sind. Wenn also z. B. von Licht,von Wärme oder ähnlichem für diese früheren Zustände gesprochen wird, sodarf nicht außer acht gelassen werden, daß damit nicht genau das gemeint ist,was jetzt als Licht und Wärme bezeichnet wird. Und doch ist eine solcheBezeichnungsweise richtig, denn für den Beobachter des Übersinnlichen zeigtsich eben auf den früheren Entwickelungsstufen etwas, woraus in der GegenwartLicht, Wärme usw. geworden ist. Und derjenige, welcher die also gehaltenenSchilderungen verfolgt, wird aus dem Zusammenhange, in den diese Dingegestellt sind, gar wohl entnehmen können, welche Vorstellungen zu gewinnensind, um charakteristische Bilder und Gleichnisse solcher Tatsachen zu haben,welche in urferner Vergangenheit sich abgespielt haben. (149)

(14) Allerdings Wird diese Schwierigkeit sehr bedeutsam für diejenigenplanetarischen Zustände, welche der Monden-Verkörperung vorangehen.Während dieser letzteren herrschten nämlich Verhältnisse, die doch noch einegewisse Ähnlichkeit mit den irdischen aufweisen. Wer eine Schilderung dieserVerhältnisse versucht, der hat an den Ähnlichkeiten mit der Gegenwart gewisseAnhaltspunkte, um die übersinnlich gewonnenen Wahrnehmungen in deutlichenVorstellungen auszudrücken. Anders liegt die Sache, wenn die Saturn- und dieSonnenentwickelung geschildert werden.

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Da ist dasjenige, was der hellseherischen Beobachtung vorliegt, im höchstenGrade verschieden von den Gegenständen und Wesenheiten, die gegenwärtigzum Lebenskreise des Menschen gehören. Und diese Verschiedenheit bewirkt,daß es äußerst schwierig überhaupt ist, diese entsprechenden vorzeitlichenTatsachen in den Bereich des übersinnlichen Bewußtseins zu bringen. Da jedochdie gegenwärtige Menschenwesenheit nicht begriffen werden kann, wenn mannicht bis zu dem Saturn-Zustand zurückgeht, so muß die Schilderung dennochgegeben werden. Und gewiß wird eine derartige Schilderung derjenige nichtmißverstehen können, welcher im Auge behält, daß eine solche Schwierigkeitbesteht und daß daher manches, was gesagt Wird, mehr eine Andeutung und einHinweis auf die entsprechenden Tatsachen sein muß als eine genaueBeschreibung derselben.

(15) Ein Widerspruch des hier und im folgenden Angegebenen gegenüberdem, was oben auf S. 146 gesagt ist über das Fortbestehen des Früheren imGegenwärtigen, könnte allerdings gefunden werden. (150) Man könnte meinen:nirgends sei neben dem gegenwärtigen Erdenzustande ein früherer Saturn-,Sonnen-, Mondenzustand vorhanden, oder gar eine Menschengestaltung, wie siein diesen Ausführungen, als innerhalb dieser vergangenen Zustände vorhanden,geschildert wird. Gewiß, es laufen nicht neben Erdenmenschen Saturn-, Sonnen-und Mondenmenschen wie neben fünfzigjährigen Personen dreijährige Kinderherum. Aber innerhalb des Erdenmenschen sind die früherenMenschheitszustände übersinnlich wahrnehmbar. Um das zu erkennen, mußman sich nur das auf den Umfang der Lebensverhältnisse ausgedehnteUnterscheidungsvermögen angeeignet haben. Wie neben dem fünfzigjährigenMenschen das dreijährige Kind, so sind neben dem lebenden, wachendenErdenmenschen der Leichnam, der schlafende Mensch, der träumende Menschvorhanden. Und wenn sich diese verschiedenen Erscheinungsformen derMenschenwesenheit auch nicht unmittelbar so, wie sie sind, als dieverschiedenen Entwickelungsstufen ergeben, so schaut eine sinngemäßeAnschauung in jenen Formen doch diese Stufen.

*

(16) Von den gegenwärtigen vier Gliedern der menschlichen Wesenheit ist derphysische Leib das älteste. Er ist auch dasjenige, welches in seiner Art diegrößte Vollkommenheit erreicht hat. Und die übersinnliche Forschung zeigt, daßdieses Menschenglied bereits während der Saturnentwickelung vorhanden war.Es wird sich zeigen in dieser Darstellung, daß allerdings die Gestalt, welchedieser physische Leib auf dem Saturn hatte, etwas durchaus Verschiedenes vondem gegenwärtigen physischen Menschenleibe war. Dieser irdische physischeMenschenleib kann in seiner Natur nur dadurch bestehen, daß er inZusammenhang steht mit Lebensleib, Astralleib und Ich in der Art, wie dies inden vorangegangenen Teilen dieser Schrift geschildert worden ist. (151)

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Ein derartiger Zusammenhang war auf dem Saturn noch nicht vorhanden.Damals machte der physische Leib seine erste Entwickelungsstufe durch, ohnedaß ihm ein menschlicher Lebensleib, ein Astralleib oder ein Ich eingegliedertwaren. Er reifte während der Saturnentwickelung erst dazu heran, einenLebensleib aufzunehmen. Dazu mußte sich der Saturn erst vergeistigen und sichdann als Sonne wiederverkörpern. Innerhalb der Sonnenverkörperung entfaltetesich wieder, wie aus einem gebliebenen Keime, das, wozu der physische Leibauf dem Saturn geworden war; und da erst konnte er sich durchdringen miteinem Ätherleib. Durch diese Eingliederung eines Ätherleibes verwandelte derphysische Leib seine Art; er wurde auf eine zweite Stufe der Vollkommenheitgehoben. Ein Ähnliches ereignete sich während der Mondenentwickelung. DerMenschenvorfahr, wie er von der Sonne zum Monde sich herüberentwickelt hat,gliederte sich da den Astralleib ein. Dadurch wurde der physische Leib eindrittes Mal verwandelt, also auf die dritte Stufe seiner Vollkommenheitheraufgehoben. Der Lebensleib wurde dabei ebenfalls verwandelt; er standnunmehr auf der zweiten Stufe seiner Vollkommenheit. Auf der Erde wurdedem aus physischem Leib, Lebensleib und Astralleib bestehendenMenschenvorfahr das Ich eingegliedert. Dadurch erreichte der physische Leibseinen vierten Vollkommenheitsgrad, der Lebensleib den dritten, der Astralleibden zweiten; das Ich steht erst auf der ersten Stufe seines Daseins.

(17) Es wird, wenn man sich einer unbefangenen Betrachtung des Menschenhingibt, keine Schwierigkeiten machen, sich diese verschiedenenVollkommenheitsgrade der einzelnen Glieder richtig vorzustellen. (152) Manbraucht nur den physischen Leib mit dem astralischen in dieser Beziehung zuvergleichen. Gewiß steht der Astralleib als seelisches Glied auf einer höherenStufe der Entwickelung als der physische. Und wenn der erstere in der Zukunftsich vervollkommnet haben wird, so wird er für die Gesamtwesenheit desMenschen sehr viel mehr zu bedeuten haben, als der gegenwärtige physischeLeib. Doch in seiner Art ist dieser auf einer gewissen Höhenstufe angelangt.Man bedenke den im Sinne größter Weisheit eingerichteten Bau des Herzens,den Wunderbau des Gehirns usw., ja selbst eines einzelnen Knochenteiles, z.B.des oberen Endes eines Oberschenkels. Man findet in diesem Knochenende eingesetzmäßig gegliedertes Netz- oder Gerüstwerk, aus feinen Stäbchenangeordnet. Das Ganze ist so gefügt, daß mit der Aufwendung der geringstenMaterialmenge die günstigste Wirkung an den Gelenkflächen, z. B. diezweckmäßigste Verteilung der Reibung und damit eine richtige Art vonBeweglichkeit erzielt wird. So findet man weisheitsvolle Einrichtungen in denTeilen des physischen Leibes. Und wer dazu weiter beachtet die Harmonie imZusammenwirken der Teile zum Ganzen, der wird gewiß richtig finden, wennvon einer Vollkommenheit dieses Gliedes der menschlichen Wesenheit in seinerArt gesprochen wird. Es kommt daneben nicht in Betracht, daß an gewissenTeilen unzweckmäßig Erscheinendes auftritt oder daß Störungen in dem Bauund den Verrichtungen eintreten können.

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Man wird sogar finden können, daß solche Störungen in gewisser Beziehung nurdie notwendigen Schattenseiten des weisheitsvollen Lichtes sind, das über denganzen physischen Organismus ausgegossen ist. (153) Und nun vergleiche mandamit den Astralleib als den Träger von Lust und Leid, von Begierden undLeidenschaften. Welche Unsicherheit herrscht in ihm in bezug auf Lust undLeid, welche dem höheren Menschenziele zuwiderlaufenden, oft sinnlosenBegierden und Leidenschaften spielen sich da ab. Der Astralleib ist eben erst aufdem Wege, die Harmonie und innere Geschlossenheit zu erlangen, die man imphysischen Leibe schon antrifft. Ebenso könnte gezeigt werden, daß sich derÄtherleib zwar vollkommener in seiner Art zeigt als der Astralleib, aberunvollkommener als der physische. Und nicht weniger wird sich einerentsprechenden Betrachtung ergeben, daß der eigentliche Kein der menschlichenWesenheit, das „Ich“, gegenwärtig erst im Anfange der Entwickelungen steht.Denn wieviel hat dieses Ich bereits erreicht von seiner Aufgabe, die andernGlieder der menschlichen Wesenheit so umzuwandeln, daß sie eine Offenbarungseiner eigenen Natur seien? – Was sich auf diese Art schon bei einer äußerlichenBeobachtung ergibt, das wird für den Kenner der Geisteswissenschaft nochdurch etwas anderes verschärft. Man könnte sich darauf berufen, daß derphysische Leib von Krankheiten befallen wird. Die Geisteswissenschaft ist nunin der Lage zu zeigen, daß ein großer Teil aller Krankheiten davon herrührt, daßdie Verkehrtheiten, die Verirrungen im astralischen Leibe sich auf den Ätherleibfortpflanzen und auf dem Umwege durch den letztem die an sich vollkommeneHarmonie des physischen Leibes zerstören. Der tiefere Zusammenhang, auf denhier nur hingedeutet werden kann, und der wahrhaftige Grund vielerKrankheitsvorgänge entziehen sich nämlich derjenigen wissenschaftlichenBetrachtung, die sich nur auf die physisch-sinnlichen Tatsachen beschränkenwill. (154) Es ergibt sich dieser Zusammenhang in den meisten Fällen so, daßeine Schädigung des Astralleibes krankhafte Erscheinungen des physischenLeibes nicht in demselben Lebenslauf nach sich zieht, in dem die Schädigunggeschehen ist, sondern erst in einem folgenden. Daher haben die Gesetze, diehier in Betracht kommen, nur für denjenigen eine Bedeutung, welcher dieWiederholung des Menschenlebens anerkennen kann. Aber selbst, wenn manvon solchen tiefergehenden Erkenntnissen nichts wissen wollte, so ergibt dochauch die gewöhnliche Lebensbetrachtung, daß der Mensch sich nur allzuvielenGenüssen und Begierden hingibt, welche die Harmonie des physischen Leibesuntergraben. Und Genuß, Begierde, Leidenschaft usw. haben nicht ihren Sitz imphysischen, sondern im astralischen Leibe. Dieser letztere ist in vielerBeziehung eben noch so unvollkommen, daß er die Vollkommenheit desphysischen Leibes zerstören kann. – Auch hier sei darauf hingewiesen, daß mitsolchen Auseinandersetzungen nicht etwa die Aussagen der Geisteswissenschaftüber die Entwickelung der vier Glieder der menschlichen Wesenheit bewiesenwerden sollen.

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Die Beweise werden aus der geistigen Forschung entnommen, die zeigt, daß derphysische Leib eine viermalige Umwandlung zu höherenVollkommenheitsgraden hinter sich hat, und die andern Glieder des Menschenin der geschilderten Weise weniger. Es sollte hier eben nur angedeutet werden,daß sich diese Mitteilungen der geistigen Forschung auf Tatsachen beziehen, diesich in ihren Wirkungen an den auch äußerlich zu beobachtendenVollkommenheitsgraden von physischem Leib, Lebensleib usw. zeigen. (155)

*

(18) Will man sich eine bildhafte, an die Wirklichkeit sich annäherndeVorstellung von den Verhältnissen während der Saturnentwickelung machen, somuß man in Betracht ziehen, daß während derselben – im wesentlichen – vonden Dingen und Geschöpfen, die gegenwärtig zur Erde gehören und welche mandem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich zuzählt, noch nichts vorhanden war. DieWesen dieser drei Reiche haben sich erst in späteren Entwickelungsperiodengebildet. Von den heute physisch wahrnehmbaren Erdenwesen war nur derMensch damals vorhanden und von ihm nur der physische Leib in dergeschilderten Art. Nun aber gehören auch gegenwärtig zur Erde nicht nur dieWesen des Mineral-, Tier-, Pflanzen- und Menschenreiches, sondern auchandere Wesen, die sich nicht in einer physischen Körperlichkeit kundgeben.Solche Wesenheiten waren auch in der Saturnentwickelung gegenwärtig. Undihre Tätigkeit auf dem Schauplatze des Saturn hatte zur Folge die spätereEntwickelung des Menschen.

(19) Richtet man die geistigen Wahrnehmungsorgane zunächst nicht aufAnfang und Ende, sondern auf die mittlere Entwickelungsperiode dieserSaturn-Verkörperung, so zeigt sich in derselben ein Zustand, welcher, derHauptsache nach, nur aus »Wärme« besteht. Nichts von gasförmigen, nichts vonflüssigen oder gar von festen Bestandteilen ist zu finden. Alle diese Zuständetreten erst in späteren Verkörperungen auf Man nehme an, ein Menschenwesenmit den gegenwärtigen Sinnesorganen würde sich diesem Saturnzustande alsBeobachter nähern. Nichts von all den Sinneseindrücken, die es haben kann,würde ihm da entgegentreten, außer der Wärmeempfindung. Angenommen, einsolches Wesen würde sich diesem Saturn nähern. Es würde nur wahrnehmen,wenn es in den von ihm eingenommenen Raumteil gelangt, daß dieser einenandern Wärmezustand hat als die übrige räumliche Umgebung. (156) Aber eswürde diesen Raumteil nicht etwa gleichmäßig warm finden, sondern in derallermannigfaltigsten Weise würden wärmere und kältere Partien abwechseln.Nach gewissen Linien hin würde strahlende Wärme wahrgenommen werden.Und nicht etwa, daß sich solche Linien nur gerade hinzögen, sondern durch dieWärmeunterschiede werden unregelmäßige Formen gebildet. Man hätte etwasvor sich, wie ein in sich gegliedertes, in wechselnden Zuständen erscheinendesWeltenwesen, das nur in Wärme besteht.

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(20) Es muß für den Menschen der Gegenwart Schwierigkeiten machen, sichetwas vorzustellen, was nur in Wärme besteht, da er gewohnt ist, die Wärmenicht als etwas für sich zu erkennen, sondern sie nur an warmen oder kaltengasförmigen, flüssigen oder festen Körpern wahrzunehmen. Insbesondere dem,welcher die physikalischen Vorstellungen unserer Zeit sich angeeignet hat, wirdein Sprechen von »Wärme« in obiger Art als unsinnig erscheinen. Ein solcherwird vielleicht sagen: Es gibt feste, flüssige und gasförmige Körper; Wärmebezeichnet aber nur einen Zustand, in dem eine dieser drei Körperformen ist.Wenn die kleinsten Teile eines Gases in Bewegung sind, so wird dieseBewegung als Wärme wahrgenommen. Wo kein Gas ist, kann keine solcheBewegung, also auch keine Wärme sein. – Für den geisteswissenschaftlichenForscher stellt sich die Sache anders. Ihm ist die Wärme etwas, wovon er ingleichem Sinne spricht wie von Gas, von Flüssigkeit oder von festem Körper.Sie ist ihm nur eine noch feinere Substanz als ein Gas. (157) Und dieses letztereist ihm nichts anderes als verdichtete Wärme in dem Sinne, wie die Flüssigkeitverdichteter Dampf ist oder der feste Körper verdichtete Flüssigkeit. So sprichtder Geisteswissenschafter von Wärmekörpern, wie er von gas- unddampfförmigen Körpern spricht. – Es ist nur notwendig zuzugeben, daß esseelisches Wahrnehmen gibt, wenn man auf diesem Gebiete demGeistesforscher folgen will. In der für physische Sinne gegebenen Welt stelltsich die Wärme durchaus als Zustand des Festen, Flüssigen oder Gasförmigendar; aber dieser Zustand ist eben nur die Außenseite der Wärme oder auch ihreWirkung. Die Physiker sprechen nur von dieser Wirkung der Wärme, nicht vonderen innerer Natur. Man versuche es einmal, ganz abzusehen von allerWärmewirkung, die man empfängt durch äußere Körper, und sich lediglich dasinnere Erlebnis zu vergegenwärtigen, das man hat bei den Worten: „ich fühlemich warm“, „ich fühle mich kalt“. Dieses innere Erlebnis vermag allein eineVorstellung von dem zu geben, was der Saturn war in der oben geschildertenPeriode seiner Entwickelung. Man hätte den Raumteil, den er eingenommen hat,ganz durchlaufen können: kein Gas wäre dagewesen, das irgendeinen Druckausgeübt hätte, kein fester oder flüssiger Körper, von dem man hätte irgendeinenLichteindruck erhalten können. Aber an jedem Punkte des Raumes hätte man,ohne Eindruck von außen, innerlich gefühlt: hier ist dieser oder jenerWärmegrad.

(21) In einem Weltenkörper von solcher Beschaffenheit sind keineBedingungen für die tierischen, pflanzlichen und mineralischen Wesen unsererGegenwart. (Es ist deshalb wohl kaum nötig zu bemerken, daß das oben Gesagtetatsächlich niemals stattfinden könnte. Ein gegenwärtiger Mensch kann sich alssolcher dem alten Saturn nicht als Beobachter gegenüberstellen. DieAuseinandersetzung sollte nur der Verdeutlichung dienen.)

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Die Wesenheiten, deren sich das übersinnliche Erkennen bei der Betrachtungdes Saturn bewußt wird, waren auf einer ganz anderen Entwickelungsstufe alsdie gegenwärtigen, sinnlich wahrnehmbaren Erdenwesen. (158) Da stellen sichvor dieses Erkennen zunächst Wesen hin, welche einen physischen Leib nichthatten wie der gegenwärtige Mensch. Man muß sich nun auch hüten, an diegegenwärtige physische Körperlichkeit des Menschen zu denken, wenn hier von„physischem Leibe“ die Rede ist. Man muß vielmehr sorgfältig unterscheidenzwischen physischem Leib und mineralischem Leib. Ein physischer Leib istderjenige, welcher von den physischen Gesetzen beherrscht wird, die mangegenwärtig in dem Mineralreiche beobachtet. Der gegenwärtige physischeMenschenleib ist nun nicht bloß von solchen physischen Gesetzen beherrscht,sondern er ist außerdem noch durchsetzt von mineralischem Stoffe. Von einemsolchen physisch-mineralischen Leib kann auf dem Saturn noch nicht die Redesein. Da gibt es nur eine physische Körperlichkeit, die von physischen Gesetzenbeherrscht ist; aber diese physischen Gesetze äußern sich nur durchWärmewirkungen. Also der physische Körper ist ein feiner, dünner, ätherischerWärmekörper. Und aus solchen Wärmekörpern besteht der ganze Saturn. DieseWärmekörper sind die erste Anlage des gegenwärtigen physisch-mineralischenMenschenleibes. Dieser hat sich aus jenem dadurch gebildet, daß dem ersterensich die später erst gebildeten gasförmigen, flüssigen und festen Stoffeeingegliedert haben. Unter den Wesen, die sich vor das übersinnlicheBewußtsein in dem Augenblicke hinstellen, in dem dieses Bewußtsein denSaturnzustand vor sich hat, und von denen man als Saturnbewohner außer demMenschen reden kann, sind z.B. solche, welche einen physischen Leib überhauptnicht nötig hatten. Das unterste Glied ihrer Wesenheit war ein Ätherleib. Siehatten dafür auch ein Glied über die menschlichen Wesensglieder hinaus. DerMensch hat als höchstes Glied den Geistesmenschen. (159) Diese Wesen habennoch ein höheres. Und zwischen Ätherleib und Geistesmenschen. haben sie allein dieser Schrift geschilderten Glieder, welche sich auch beim Menschen finden:Astralleib, Ich, Geistselbst und Lebensgeist. Wie unsere Erde von einemLuftkreis umgeben ist, so war es auch der Saturn; nur war bei ihm dieser»Luftkreis« geistiger Art.*

[* Eine ganz genaue Sprechweise müßte, um das innere Erleben bei der Geistesforschung exaktauszudrücken, statt «der Saturn war von einem Luftkreis umgeben» sagen: «Indem das übersinnlicheErkennen sich des Saturn bewußt wird, stellt sich vor dieses Bewußtsein auch ein Luftkreis desSaturn» oder «stellen sich andere, so oder so geartete Wesen». Die Umsetzung in die Redewendung:«dies oder das ist da» muß gestattet sein, denn im Grunde findet dieselbe Umsetzung auch in derAusgestaltung des Sprachgebrauchs für das wirkliche Seelenerlebnis bei der sinnenfälligenWahrnehmung statt, aber man wird gegenüber der folgenden Darstellung sich dieses gegenwärtighalten müssen. Es ist ja auch schon aus dem Zusammenhang der Darstellung gegeben.]

Er bestand eigentlich aus den eben genannten und noch andern Wesenheiten. Esgab nun eine fortwährende Wechselwirkung zwischen den Wärmekörpern desSaturn und den charakterisierten Wesen. Diese senkten ihre Wesensglieder indie physischen Wärmeleiber des Saturn hinein.

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Und während in diesen Wärmeleibern selbst kein Leben war, drückte sich dasLeben ihrer Umwohner in ihnen aus. Man könnte sie mit Spiegeln vergleichen;nur spiegelten sich aus ihnen nicht die Bilder der genannten Lebewesen, sondernderen Lebenszustände. Im Saturn selbst hätte man also nichts Lebendigesentdecken können; doch wirkte er belebend auf seine Umgebung desHimmelsraumes, da er in diese wie ein Echo das ihm zugesandte Lebenzurückstrahlte. Der ganze Saturn erschien wie ein Spiegel des Himmelslebens.Sehr hohe Wesenheiten, deren Leben der Saturn zurückstrahlt, mögen »Geisterder Weisheit« genannt werden. (160) (In der christlichen Geisteswissenschaftführen sie den Namen »Kyriotetes«, das ist »Herrschaften«.) Ihre Tätigkeit aufdem Saturn beginnt nicht erst mit der geschilderten mittleren Epoche von dessenEntwickelung. Sie ist in einer gewissen Weise sogar da schon abgeschlossen.Bevor sie dazu kommen konnten, aus den Wärmekörpern des Saturn sich derSpiegelung ihres eigenen Lebens bewußt zu werden, mußten sie dieseWärmekörper erst dazu bringen, diese Spiegelung bewirken zu können. Deshalbsetzte ihre Tätigkeit bald nach dem Beginn der Saturnentwickelung ein. Als diesgeschah, war die Saturnkörperlichkeit noch ungeordnete Stofflichkeit, die nichtshätte spiegeln können. – Und indem man diese ungeordnete Stofflichkeitbetrachtet, hat man sich durch die geistige Beobachtung an den Anfang derSaturnentwickelung versetzt. Das, was da zu beobachten ist das trägt nun nochgar nicht den späteren Wärmecharakter. Man kann, wenn man escharakterisieren will, nur von einer Eigenschaft sprechen, welche sichvergleichen läßt mit dem menschlichen Willen. Es ist durch und durch nichts alsWille. Man hat es also da mit einem ganz seelischen Zustande zu tun. Soll manverfolgen, woher dieser »Wille« kam, so sieht man ihn entstehen durch denAusfluß erhabener Wesen, die ihre Entwickelung in nur zu erahnenden Stufenbis zu der Höhe gebracht haben, daß sie, als die Saturnentwickelung begann, ausihrem eigenen Wesen den »Willen« ausströmen konnten. Nachdem dieseAusströmung eine Zeitlang gedauert hatte, verbindet sich mit dem Willen dieTätigkeit der oben charakterisierten »Geister der Weisheit«. Dadurch erhältallmählich der vorher ganz eigenschaftslose Wille die Eigenschaft, Leben in denHimmelsraum zurückzustrahlen. – (161) Man kann die Wesen, welche ihreSeligkeit darin empfinden, im Beginne der Saturnentwickelung Willenauszuströmen, die «Geister des Willens» nennen. (In der christlichenesoterischen Wissenschaft werden sie «Throne» genannt.) – Nachdem durch dasZusammenwirken des Willens und des Lebens eine gewisse Stufe derSaturnentwickelung erreicht ist, setzt die Wirkung anderer Wesen ein, welchesich ebenfalls im Umkreise des Saturn befinden. Man kann sie die «Geister derBewegung» nennen. (Christlich: «Dynameis», «Mächte».) Sie haben keinenphysischen und keinen Lebensleib. Ihr niedrigstes Glied ist der Astralleib. Wenndie Saturnkörper die Fähigkeit erlangt haben, das Leben zu spiegeln, so vermagsich dieses zurückgestrahlte Leben zu durchdringen mit den Eigenschaften,welche in den Astralleibern der «Geister der Bewegung» ihren Sitz haben.

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Die Folge davon ist, daß es so erscheint, als ob Empfindungsäußerungen,Gefühle und ähnliche seelische Kräfte von dem Saturn in den Himmelsraumhinausgeschleudert würden. Der ganze Saturn erscheint wie ein beseeltesWesen, das Sympathien und Antipathien kundgibt. Es sind aber diese seelischenÄußerungen keineswegs seine eigenen, sondern nur die zurückgeschleudertenseelischen Wirkungen der «Geister der Bewegung». – Hat auch dieses einegewisse Epoche hindurch gedauert, so beginnt die Tätigkeit weiterer Wesen,welche «Geister der Form» genannt seien. Auch deren unterstes Glied ist einAstralleib. Doch steht dieser auf einer andern Stufe der Entwickelung alsderjenige der «Geister der Bewegung». (162) Während diese demzurückgestrahlten Leben nur allgemeine Empfindungsäußerungen mitteilen,wirkt der Astralleib der «Geister der Form» (christlich: «Exusiai», «Gewalten»)so, daß die Empfindungsäußerungen wie von einzelnen Wesen in denWeltenraum hinausgeschleudert werden. Man könnte sagen, die «Geister derBewegung» lassen den Saturn im ganzen wie ein beseeltes Wesen erscheinen.Die «Geister der Form» teilen dieses Leben in einzelne Lebewesen ab, so daß erjetzt wie eine Zusammenfügung solcher Seelenwesen erscheint. – Man stellesich, um ein Bild zu haben, eine Maulbeere oder eine Brombeere vor, wie dieseaus einzelnen Beerchen zusammengefügt ist. So ist der Saturn für denübersinnlich Erkennenden in der geschilderten Entwickelungsepochezusammengefügt aus einzelnen Saturnwesen, die allerdings nicht Eigenlebenund nicht Eigenseele haben, sondern Leben und Seele ihrer Bewohnerzurückstrahlen. – In diesen Saturnzustand greifen nun Wesen ein, die ebenfallszu ihrem untersten Gliede den Astralleib haben, die aber diesen auf eine solcheStufe der Entwickelung gebracht haben, daß er wirkt wie ein gegenwärtigesmenschliches «Ich». Durch diese Wesen blickt das «Ich» aus der Umgebung desSaturn auf diesen nieder. Und es teilt seine Natur den Einzel-Lebewesen desSaturn mit. So wird etwas vom Saturn in den Weltenraum hinausgeschickt, dasso erscheint wie die Wirkung der menschlichen Persönlichkeit in demgegenwärtigen Lebenskreise. Die Wesen, welche solches bewirken, seien«Geister der Persönlichkeit» genannt (christlich: «Archai», «Urbeginne»). Sieerteilen den Saturnkörperteilchen das Ansehen des Persönlichkeitscharakters.Doch ist eben nicht auf dem Saturn selbst die Persönlichkeit vorhanden, sondernnur gleichsam deren Spiegelbild, die Schale der Persönlichkeit. Ihre wirklichePersönlichkeit haben die «Geister der Persönlichkeit im Umkreise des Saturn.(163) Eben dadurch, daß diese «Geister der Persönlichkeit» in der geschildertenArt ihr Wesen zurückstrahlen lassen von den Saturnkörpern, wird diesen jenefeine Stofflichkeit erteilt, welche vorhin als die «Wärme» geschildert worden ist.– Es ist im ganzen Saturn keine Innerlichkeit; aber die «Geister derPersönlichkeit» erkennen das Bild ihrer eigenen Innerlichkeit, indem es ihnenals Wärme vom Saturn aus zuströmt.

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(22) Wenn alles das eintritt, stehen die «Geister der Persönlichkeit» auf derStufe, auf welcher der Mensch gegenwärtig steht. Sie machen da ihreMenschheitsepoche durch. Will man auf diese Tatsache mit unbefangenemAuge blicken, so muß man sich vorstellen, daß ein Wesen «Mensch» sein kannnicht bloß in der Gestalt, welche der Mensch gegenwärtig hat. Die «Geister derPersönlichkeit» sind «Menschen» auf dem Saturn. Sie haben als unterstes Gliednicht den physischen Leib, sondern den Astralleib mit dem Ich. Daher könnensie die Erlebnisse dieses Astralleibes nicht in einem solchen physischen Leibeund Ätherleibe ausdrücken wie der gegenwärtige Mensch; aber sie haben nichtnur ein «Ich», sondern wissen auch davon, weil ihnen die Wärme des Saturndieses «Ich» rückstrahlend zum Bewußtsein bringt. Sie sind eben «Menschen»unter anderen als den Erdenverhältnissen.

(23) Im weiteren Verlauf folgen in der Saturnentwickelung Tatsachen vonanderer Art, als die bisherigen waren. Während bisher alles Spiegelung äußerenLebens und Empfindens war, beginnt nunmehr eine Art Innenleben. In derSaturnwelt beginnt ein da und dort aufflackerndes und sich wieder abdunkelndesLichtleben. Zitterndes Flimmern an diesen oder jenen Stellen, etwas wiezuckende Blitze an anderen, tritt auf Die Saturnwärmekörper beginnen zuflimmern, zu glänzen, ja zu strahlen. (164) Dadurch, daß diese Stufe derEntwickelung erreicht ist, ergibt sich wieder für gewisse Wesenheiten dieMöglichkeit, eine Tätigkeit zu entfalten. Es sind dies diejenigen, welche als«Feuergeister» bezeichnet werden können. (Christlich: «Archangeloi»,«Erzengel»). Diese Wesenheiten haben zwar einen Astralleib, aber sie könnenauf der gekennzeichneten Stufe ihres Daseins dem eigenen Astralleibe keineAnregungen geben; sie würden kein Gefühl, keine Empfindung erregen können,wenn sie nicht auf die zur geschilderten Saturnstufe gelangten Wärmekörperwirken könnten. Diese Wirkung gibt ihnen die Möglichkeit, ihr eigenes Daseinan der Wirkung zu erkennen, die sie ausüben. Sie können nicht zu sich sagen:«Ich bin da», sondern etwa: «Meine Umgebung läßt mich da sein.» Sie nehmenwahr, und zwar bestehen ihre Wahrnehmungen in den geschildertenLichtwirkungen auf dem Saturn. Diese sind in einer gewissen Art ihr «Ich». Dasverleiht ihnen eine besondere Art des Bewußtseins. Man kann dies alsBilderbewußtsein bezeichnen. Es kann vorgestellt werden von der Art desmenschlichen Traumbewußtseins; nur daß man sich den Grad der Lebhaftigkeitsehr viel größer zu denken hat als beim menschlichen Träumen und daß man esnicht mit wesenlos auf- und abwogenden Traumbildern zu tun hat, sondern mitsolchen, welche in einem wirklichen Verhältnisse zu dem Lichtspiel des Saturnstehen. – In diesem Wechselspiel zwischen den Feuergeistern und denSaturnwärmekörpern werden die Keime der menschlichen Sinnesorgane derEntwickelung einverleibt. Die Organe, durch welche der Mensch gegenwärtigdie physische Welt wahrnimmt, leuchten auf in ihren ersten feinen ätherischenAnlagen. (165)

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Menschen-Phantome, welche an sich noch nichts anderes zeigen als dieLicht-Urbilder der Sinnesorgane, werden innerhalb des Saturn demhellseherischen Wahrnehmungsvermögen erkennbar. – Diese Sinnesorgane sindalso die Frucht der Tätigkeit der Feuergeister; aber es sind an derenZustandekommen nicht nur diese Geister beteiligt. Zugleich mit diesenFeuergeistern treten andere Wesen auf dem Schauplatz des Saturn auf Wesen,welche in ihrer Entwickelung so weit sind, daß sie sich jener Sinneskeimebedienen können zum Anschauen der Weltvorgänge im Saturnleben. Es sindWesen, die als «Geister der Liebe» (christlich: «Seraphime») gelten können.Wären sie nicht da, so könnten die Feuergeister nicht das oben geschilderteBewußtsein haben. Sie schauen die Saturnvorgänge mit einem Bewußtsein an,das es ihnen ermöglicht, diese als Bilder auf die Feuergeister zu übertragen. Sieselbst verzichten auf alle Vorteile, welche sie durch das Anschauen derSaturnvorgänge haben könnten, auf jeden Genuß, jede Freude; sie geben dasalles hin, damit die Feuergeister es haben können.

(24) Diesen Geschehnissen folgt eine neue Periode des Saturndaseins. Zu demLichtspiel kommt ein anderes. Es kann für viele wie Wahnwitz erscheinen,wenn ausgesprochen wird, was sich da dem übersinnlichen Erkennen darbietet.Innerlich im Saturn ist es wie durcheinanderwogende Geschmacks-empfindungen. Süß, bitter, sauer usw. wird an den verschiedensten Stellen imInnern des Saturn beobachtet; und nach außen, in den Himmelsraum hinein,wird das alles als Ton, als eine Art Musik wahrgenommen. – Innerhalb dieserVorgänge finden wieder gewisse Wesenheiten die Möglichkeit, eine Tätigkeitauf dem Saturn zu entfalten. Sie seien die «Söhne des Zwielichtes oder desLebens» (christlich: «Angeloi», «Engel») genannt. Sie treten in Wechselwirkungmit den im Innern des Saturn vorhandenen, auf- und abwogendenGeschmackskräften. (166) Dadurch kommt ihr Äther- oder Lebensleib in einesolche Tätigkeit, daß man diese als eine Art Stoffwechsel bezeichnen kann. Siebringen Leben in das Innere des Saturn. Es geschehen dadurch Nahrungs- undAusscheidungsprozesse im Saturn. Nicht sie bewirken unmittelbar dieseProzesse, sondern durch das, was sie bewirken, entstehen mittelbar solcheProzesse. Dieses Innenleben macht möglich, daß noch andere Wesen denWeltkörper betreten, die als «Geister der Harmonien» (christlich: «Cherubime»)bezeichnet werden mögen. Sie vermitteln den «Söhnen des Lebens» einedumpfe Art des Bewußtseins. Es ist noch dumpfer und dämmerhafter als dasTraumbewußtsein des gegenwärtigen Menschen. Es ist ein solches, wie es demMenschen im traumlosen Schlafe zukommt. Dieses ist ja von so niedrigemGrade, daß es dem Menschen gewissermaßen «gar nicht zum Bewußtseinkommt». Doch ist es vorhanden. Es unterscheidet sich vom Tagesbewußtseindem Grade und auch der Art nach. Dieses «traumlose Schlafbewußtsein» habengegenwärtig auch die Pflanzen. Wenn es auch keine Wahrnehmungen einerAußenwelt im menschlichen Sinne vermittelt, so regelt es doch dieLebensvorgänge und bringt diese in Harmonie mit den äußeren Weltvorgängen.

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Auf der in Rede stehenden Saturnstufe können diese Regelung die «Söhne desLebens» nicht wahrnehmen; aber die «Geister der Harmonien» nehmen siewahr, und sie sind daher die eigentlichen Regeler. – All dieses Leben spielt sichin den gekennzeichneten Menschenphantomen ab. Diese erscheinen demgeistigen Blicke daher belebt; aber ihr Leben ist doch nur ein Scheinleben. Es istdas Leben der «Söhne des Lebens», die sich gewissermaßen derMenschenphantome bedienen, um sich auszuleben. (167)

(25) Man richte nun die Aufmerksamkeit auf die Menschenphantome mit demScheinleben. Während der geschilderten Saturnperiode sind sie von ganzwechselnder Form. Bald sehen sie dieser Gestalt, bald jener ähnlich. Im weiterenVerlauf der Entwickelung werden die Gestalten bestimmter; zeitweilig bleibend.Das rührt davon her, daß sie jetzt durchdrungen werden von den Wirkungen derGeister, die schon im Beginne der Saturnentwickelung in Betracht kommen,nämlich von den «Geistern des Willens» (den Thronen). Die Folge davon ist,daß das Menschenphantom selbst mit der einfachsten dumpfestenBewußtseinsform erscheint. Man hat sich diese Bewußtseinsform noch dumpfervorzustellen als diejenige des traumlosen Schlafes. Unter den gegenwärtigenVerhältnissen haben die Mineralien dieses Bewußtsein. Es bringt dasInnenwesen in Einklang mit der physischen Außenwelt. Auf dem Saturn sind die«Geister des Willens» die Regeler dieses Einklanges. Und der Mensch erscheintdadurch wie ein Abdruck des Saturnlebens selbst. Was das Saturnleben imgroßen ist, das ist auf dieser Stufe der Mensch im kleinen. Und damit ist dererste Keim zu dem gegeben, was auch im heutigen Menschen noch erst keimhaftist: zum «Geistesmenschen» (Atma). Nach innen (im Saturn) gibt sich dieserdumpfe Menschenwille dem übersinnlichen Wahrnehmungsvermögen durchWirkungen kund, welche sich mit den «Gerüchen» vergleichen lassen. Nachaußen in den Himmelsraum ist eine Kundgebung vorhanden wie die einerPersönlichkeit, die aber nicht durch ein inneres «Ich» gelenkt wird, sondern wieeine Maschine von außen geregelt ist. Die Regeler sind die «Geister desWillens». (168)

(26) Überblickt man das Vorhergehende, so wird ersichtlich, daß, von demzuerst geschilderten Mittelzustande der Saturnentwickelung angefangen, dieStufen dieser Entwickelung charakterisiert werden konnten durch Vergleicheihrer Wirkungen mit Sinnesempfindungen der Gegenwart. Es konnte gesagtwerden: Die Saturnentwickelung offenbart sich als Wärme, dann tritt einLichtspiel hinzu, dann ein Geschmack- und Tonspiel; endlich tritt etwas auf,was sich nach dem Innern des Saturn mit Geruchsempfindungen, nach außenwie maschinenartig wirkendes Menschen-Ich kundgibt. Wie verhält es sich mitden Offenbarungen der Saturnentwickelung für das, was vor dem Wärmezustandliegt? Das ist nun gar nicht mit etwas zu vergleichen, was einer äußerenSinnesempfindung zugänglich ist. Dem Wärmezustand geht ein solcher voran,welchen der Mensch gegenwärtig nur in seinem Innenwesen erlebt.

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Wenn er sich Vorstellungen hingibt, die er sich in der Seele selbst bildet, ohnedaß ihm die Veranlassung von einem äußeren Eindrucke aufgedrängt wird, dannhat er etwas in sich, was keine physischen Sinne wahrnehmen können, wasvielmehr nur als Wahrnehmung dem höheren Schauen zugänglich ist. DemWärmezustand des Saturn gehen eben Offenbarungen voran, die nur für denübersinnlich Wahrnehmenden vorhanden sein können. Drei solcher Zuständekönnen genannt werden: rein seelische Wärme, die nicht äußerlich wahrnehmbarist; rein geistiges Licht, das äußerlich Finsternis ist; und endlich geistigWesenhaftes, das in sich selbst vollendet ist und keines äußeren Wesens bedarf,um seiner bewußt zu werden. Reine innere Wärme begleitet das Erscheinen der«Geister der Bewegung»; reines geistiges Licht dasjenige der «Geister derWeisheit», reines Innenwesen ist verbunden mit der ersten Ausströmung der«Geister des Willens». (169)

(27) Mit dem Erscheinen der Saturnwärme tritt also unsere Entwickelung ausdem Innenleben, aus der reinen Geistigkeit zuerst in ein äußerlich sichoffenbarendes Dasein. Besonders schwierig wird es dem Gegenwartsbewußtseinwohl, sich damit abzufinden, wenn auch noch gesagt werden muß, daß mit demSaturnwärmezustand auch zuerst dasjenige auftritt, was man die «Zeit» nennt.Die vorhergehenden Zustände sind nämlich gar nicht zeitlich. Sie gehörenderjenigen Region an, die man in der Geisteswissenschaft die «Dauer» nennenkann. Deshalb muß auch alles, was in dieser Schrift über solche Zustände in der«Region der Dauer» gesagt ist, so verstanden werden, daß Ausdrücke, die sichauf zeitliche Verhältnisse beziehen, nur zum Vergleiche und zur Verständigunggebraucht werden. Für die menschliche Sprache kann, was der «Zeit»gewissermaßen vorangeht, auch nur mit Ausdrücken charakterisiert werden,welche die Zeitvorstellung enthalten. Muß man sich doch auch bewußt sein, daß,obgleich der erste, zweite und dritte Saturnzustand sich gar nicht«nacheinander» im gegenwärtigen Sinne abspielten, man doch nicht umhinkann, sie nacheinander zu schildern. Auch hängen sie ja trotz ihrer «Dauer» oderGleichzeitigkeit so voneinander ab, daß sich diese Abhängigkeit mit einerzeitlichen Abfolge vergleichen läßt.

(28) Mit diesem Hinweis auf die ersten Entwickelungszustände des Saturnwird auch ein Licht geworfen auf alles weitere Fragen nach einem «Woher»dieser Zustände. Rein verstandesmäßig ist es natürlich durchaus möglich, jedemUrsprunge gegenüber wieder nach einem «Ursprung dieses Ursprunges» zufragen. Allein den Tatsachen gegenüber geht dieses nicht an. Man braucht sichdas nur an einem Vergleich zu vergegenwärtigen. Wenn man irgendwo aufeinem Wege eingegrabene Spuren findet, so kann man fragen: Woher rührensie? Man mag als Antwort erhalten: von einem Wagen. (170)

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Da kann weiter gefragt werden: Wo kam der Wagen her, wohin fuhr er? Eineauf Tatsachen gegründete Antwort ist wieder möglich. Man kann dann nochfragen: Wer saß im Wagen? was hatte die Persönlichkeit, die ihn benützte, fürAbsichten, was tat sie? Endlich wird man aber an einen Punkt kommen, an demdas Fragen durch die Tatsachen ein naturgemäßes Ende findet. Wer dann nochweiter fragt, kommt von der Absicht der ursprünglichen Fragestellung ab. Ersetzt gewissermaßen nur schablonenmäßig das Fragen fort. Man merkt beisolchen Dingen, wie hier eines zum Vergleich angeführt ist, leicht, wo dieTatsachen das Ende des Fragens bedingen. Den großen Weltfragen gegenüberist man sich nicht so leicht klar darüber. Bei wirklich genauem Zusehen wirdman aber doch merken, daß alles Fragen nach dem «Woher» endigen muß beiden oben geschilderten Saturnzuständen. Denn man ist auf ein Gebietgekommen, wo die Wesen und Vorgänge nicht mehr durch das sichrechtfertigen, aus dem sie entstammen, sondern durch sich selbst.

(29) Als Ergebnis der Saturnentwickelung erscheint, daß sich derMenschenkeim bis zu einer gewissen Stufe herangebildet hat. Er hat das niedere,dumpfe Bewußtsein erlangt, von dem oben die Rede war. Man soll sich nichtvorstellen, daß dessen Entwickelung erst im letzten Saturnstadium einsetzt. Die«Geister des Willens» wirken durch alle Zustände hindurch. In der letztenPeriode ist aber für das übersinnliche Wahrnehmen der Erfolg amhervorstechendsten. Überhaupt ist eine feste Grenze zwischen denWirksamkeiten der einzelnen Wesensgruppen nicht. Wenn gesagt wird: Erstwirken die «Geister des Willens», dann die «Geister der Weisheit» usw., so istnicht gemeint, daß sie nur da wirken. (171) Sie wirken die ganzeSaturnentwickelung hindurch; in den angegebenen Perioden ist ihr Wirken nuram besten zu beobachten. Die einzelnen Wesen haben da gleichsam dieFührerschaft.

(30) So erscheint die ganze Saturnentwickelung als eine Bearbeitung dessen,was aus den «Geistern des Willens» ausgeströmt ist, durch die «Geister derWeisheit, der Bewegung, der Form» usw. Diese geistigen Wesenheiten machendabei selbst eine Entwickelung durch. Die «Geister der Weisheit» z. B. stehenauf einer andern Stufe, nachdem sie ihr Leben zurückgestrahlt vom Saturnempfangen haben, als vorher. Die Frucht dieser Tätigkeit erhöht die Fähigkeitenihres eigenen Wesens. Die Folge davon ist, daß für sie nach so vollbrachterTätigkeit etwas Ähnliches eintritt wie für den Menschen mit dem Schlafe. IhrenTätigkeitsperioden in bezug auf den Saturn folgen solche, in denen siegewissermaßen in anderen Welten leben. Dann ist ihre Tätigkeit vom Saturnabgewandt. Deshalb sieht das hellseherische Wahrnehmen in der geschildertenSaturnentwickelung ein Auf- und ein Absteigen. Das Aufsteigen dauert bis zurHerausbildung des Wärmezustandes. Dann beginnt mit dem Lichtspiel bereitsein Abfluten.

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Und wenn dann die Menschenphantome durch die «Geister des Willens» Gestaltangenommen haben, dann haben sich die geistigen Wesen auch nach und nachzurückgezogen: die Saturnentwickelung erstirbt in sich; sie verschwindet alssolche. Eine Art Ruhepause tritt ein. Der Menschenkeim geht wie in einenAuflösungszustand dabei ein; aber nicht in einen solchen, durch den erverschwinden würde, sondern in einen solchen, der ähnlich ist dem einesPflanzensamens, der in der Erde ruht, um zur neuen Pflanze zu reifen. So ruhtder Menschenkeim zu neuem Erwachen im Schoß der Welt. (172) Und wenn derZeitpunkt seines Erwachens da ist, da haben unter anderen Verhältnissen auchdie oben geschilderten geistigen Wesen sich die Fähigkeiten angeeignet, durchdie sie den Menschenkeim weiter bearbeiten können. Die «Geister derWeisheit» haben in ihrem Ätherleib die Fähigkeit erlangt, nicht nur wie auf demSaturn die Spiegelung des Lebens zu genießen; sie vermögen es jetzt, Lebenauch aus sich ausströmen zu lassen und andere Wesen damit zu begaben. Die«Geister der Bewegung» sind nunmehr so weit, wie auf dem Saturn die «Geisterder Weisheit». Ihr unterstes Wesensglied war dort der astralische Leib. jetzt istihnen ein Äther- oder Lebensleib eigen. Und ganz entsprechend sind die anderngeistigen Wesen zu einer weiteren Entwickelungsstufe gekommen. Alle diesegeistigen Wesen können daher bei der Weiterentwickelung des Menschenkeimesanders wirken, als sie auf dem Saturn gewirkt haben. – Nun war aber derMenschenkeim am Ende der Saturnentwickelung aufgelöst. Damit die weiterentwickelten Geistwesen da fortsetzen können, wo sie früher aufgehört haben,muß dieser Menschenkeim die Stufen noch einmal kurz wiederholen, die er aufdem Saturn durchlaufen hat. Das zeigt sich nämlich dem übersinnlichenWahrnehmungsvermögen. Der Menschenkeim tritt aus seiner Verborgenheithervor und beginnt aus eigenem Vermögen heraus durch die Kräfte, die ihm aufdem Saturn eingeimpft worden sind, sich zu entwickeln. Er geht als einWillenswesen aus der Finsternis hervor, bringt sich zum Scheine des Lebens,der Seelenhaftigkeit usw. bis zu jener maschinenmäßigen Persönlichkeits-offenbarung, die er am Ende der Saturnentwickelung hatte. (173)

*

(31) Die zweite der angedeuteten großen Entwickelungsperioden, die«Sonnenstufe», bewirkt die Erhebung des Menschenwesens zu einem höherenBewußtseinszustand, als derjenige war, den es auf dem Saturn erreicht hatte. Mitdem gegenwärtigen Bewußtsein des Menschen verglichen, könnte allerdingsdieser Sonnenzustand als «Unbewußtheit» bezeichnet werden. Denn er kommtannähernd gleich dem, in welchem sich der Mensch jetzt während des völligtraumlosen Schlafes befindet. Oder man könnte ihn auch mit dem niederenBewußtseinsgrade vergleichen, in dem gegenwärtig unsere Pflanzenweltschlummert. Für die übersinnliche Anschauung gibt es keine «Unbewußtheit»,sondern nur verschiedene Grade der Bewußtheit. Alles in der Welt ist bewußt. –

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Das Menschenwesen erlangt im Laufe der Sonnenentwickelung den höherenBewußtseinsgrad dadurch, daß ihm da der Äther- oder Lebensleib eingegliedertwird. Bevor dies geschehen kann, müssen sich in der oben geschilderten Art dieSaturnzustände wiederholen. Diese Wiederholung hat einen ganz bestimmtenSinn. Wenn nämlich die Ruhepause abgelaufen ist, von welcher in denvorhergehenden Ausführungen gesprochen worden ist, dann tritt aus dem«Weltschlafe» dasjenige, was vorher Saturn war, als neues Weltwesen, alsSonne hervor. Es haben sich damit aber die Verhältnisse der Entwickelungverändert. Die Geistwesen, deren Wirken für den Saturn dargestellt worden ist,sind zu anderen Zuständen vorgerückt. Der Menschenkeim erscheint aber zuerstauf der neugebildeten Sonne als das, was er auf dem Saturn geworden ist. Ermuß zunächst die verschiedenen Entwickelungsstadien, die er auf dem Saturnangenommen hat, so umwandeln, daß sie zu den Verhältnissen auf der Sonnepassen. (174) Die Sonnenepoche beginnt deshalb mit einer Wiederholung derSaturntatsachen, aber unter Anpassung an die veränderten Verhältnisse desSonnenlebens. Wenn nun das Menschenwesen so weit ist, daß seine auf demSaturn erlangte Entwickelungshöhe den Sonnenverhältnissen angepaßt ist, dannbeginnen die bereits genannten «Geister der Weisheit» damit, den Äther- oderLebensleib in den physischen Leib einströmen zu lassen. Die höhere Stufe,welche der Mensch auf der Sonne erreicht, kann somit dadurch charakterisiertwerden, daß der bereits auf dem Saturn in der Keimanlage gebildete physischeLeib auf eine zweite Stufe der Vollkommenheit gehoben wird, indem er zumTräger eines Äther- oder Lebensleibes wird. Dieser Äther- oder Lebensleiberlangt während der Sonnenentwickelung für sich selbst den ersten Grad seinerVollkommenheit. Damit aber dieser zweite Vollkommenheitsgrad für denphysischen Leib und der erste für den Lebensleib erzielt werden, ist im weiterenVerlauf des Sonnenlebens das Eingreifen noch anderer Geistwesen in ähnlicherArt notwendig, wie es schon für die Saturnstufe beschrieben worden ist.

(32) Wenn die «Geister der Weisheit» mit ihrem Einströmen des Lebensleibesbeginnen, so fängt das vorher dunkle Sonnenwesen zu leuchten an. Gleichzeitigtreten in dem Menschenkeim die ersten Erscheinungen innerer Regsamkeit ein;das Leben beginnt. Was für den Saturn als ein Scheinleben. charakterisiertwerden mußte, wird jetzt wirkliches Leben. Das Einströmen dauert eine gewisseZeit. Nachdem diese verflossen ist, tritt für den Menschenkeim eine wichtigeVeränderung ein. Er gliedert sich nämlich in zwei Teile. Während vorherphysischer Leib und Lebensleib in inniger Verbindung ein Ganzes bildeten,beginnt sich jetzt der physische Leib als ein besonderer Teil abzusondern. (175)Doch bleibt auch dieser abgesonderte physische Leib vom Lebensleibdurchzogen. Man hat es also jetzt mit einem zweigliedrigen Menschenwesen zutun. Der eine Teil ist ein von einem Lebensleib durchgearbeiteter physischerLeib, der andere Teil ist bloßer Lebensleib. Diese Absonderung verläuft aberwährend einer Ruhepause des Sonnenlebens. Es erlischt während derselbenwieder das schon aufgetretene Leuchten.

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Die Trennung geschieht gewissermaßen während einer «Weltennacht». Doch istdiese Ruhepause viel kürzer als diejenige zwischen der Saturn- undSonnenentwickelung, von der oben gesprochen worden ist. Nach Ablauf derRuhepause arbeiten die «Geister der Weisheit» eine Zeitlang ebenso an demzweigliedrigen Menschenwesen weiter, wie sie das vorher an dem eingliedrigengetan haben. Dann setzen die «Geister der Bewegung» mit ihrer Tätigkeit ein.Sie durchströmen mit ihrem eigenen Astralleib den Lebensleib desMenschenwesens. Dadurch erlangt dieser die Fähigkeit, gewisse innereBewegungen in dem physischen Leibe auszuführen. Es sind das Bewegungen,welche sich vergleichen lassen mit den Bewegungen der Säfte in einergegenwärtigen Pflanze.

(33) Der Saturnkörper bestand aus bloßer Wärmesubstanz. Während derSonnenentwickelung verdichtet sich diese Wärmesubstanz bis zu dem Zustand,den man mit dem gegenwärtigen Gas- oder Dampfzustand vergleichen kann. Esist jener Zustand, den man als «Luft» bezeichnen kann. Die ersten Anfängeeines solchen Zustandes zeigen sich, nachdem die «Geister der Bewegung» mitihrer Tätigkeit eingesetzt haben. Dem übersinnlichen Bewußtsein bietet sich derfolgende Anblick dar. Innerhalb der Wärmesubstanz tritt etwas auf wie feineGebilde, die durch die Kräfte des Lebensleibes in regelmäßige Bewegungenversetzt werden. (176) Diese Gebilde veranschaulichen den physischen Leib desMenschenwesens auf der ihm Jetzt entsprechenden Entwickelungsstufe. Sie sindganz von Wärme durchdrungen und auch wie von einer Wärmehülleeingeschlossen. Wärmegebilde mit eingegliederten Luftformen – letztere inregelmäßiger Bewegung – kann man, in physischer Beziehung, diesesMenschenwesen nennen. Will man daher den oben angeführten Vergleich mitder gegenwärtigen Pflanze beibehalten, so muß man sich bewußt bleiben, daßman es nicht mit einem kompakten Pflanzengebilde zu tun hat, sondern miteiner Luft- oder Gasgestalt*, [* Das Gas erscheint dem übersinnlichen Bewußtsein durch dieLichteinwirkung, die es von sich ausgehen läßt. Man könnte also auch von Lichtgestalten sprechen,

die dem geistigen Schauen sich darstellen.] deren Bewegungen mit den Säftebewegungender gegenwärtigen Pflanzen verglichen werden können. – Die in dieser Artgekennzeichnete Entwickelung schreitet weiter. Nach einer gewissen Zeit trittwieder eine Ruhepause ein; nach derselben wirken die Geister der Bewegungweiter, bis zu ihrer Tätigkeit diejenige der Geister der Form hinzutritt. DerenWirkung besteht darin, daß die vorher stets wechselnden Gasgebilde bleibendeGestalten annehmen. Auch dies geschieht dadurch, daß in den Lebensleib derMenschenwesen die Geister der Form ihre Kräfte aus- und einströmen lassen.Die Gasgebilde waren früher, als noch bloß die Geister der Bewegung auf siewirkten, in einer unaufhörlichen Bewegung, nur einen Augenblick behielten sieihre Gestalt. jetzt aber nehmen sie vorübergehend unterscheidbare Formen an. –Wieder tritt nach einer gewissen Zeit eine Ruhepause ein; wieder setzen nachdieser die Geister der Form ihre Tätigkeit fort. Dann aber treten ganz neueVerhältnisse innerhalb der Sonnenentwickelung ein. (177)

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(34) Es ist nämlich damit der Punkt erreicht, wo die Sonnenentwickelung inihrer Mitte angelangt ist. Das ist die Zeit, in welcher die Geister derPersönlichkeit, die auf dem Saturn ihre Menschheitsstufe erlangt haben, einenhöheren Grad der Vollkommenheit ersteigen. Sie schreiten über diese Stufehinaus. Sie erlangen ein Bewußtsein, das der gegenwärtige Mensch auf unsererErde im regelrechten Fortgang der Entwickelung noch nicht hat. Er wird eserlangen, wenn die Erde – also die vierte der planetarischen Entwickelungs-stufen – an ihrem Ziele angelangt und in die folgende planetarische Periodeeingetreten sein wird. Dann wird der Mensch nicht bloß das um sich herumwahrnehmen, was ihm die gegenwärtigen physischen Sinne vermitteln, sonderner wird imstande sein, in Bildern die inneren, seelischen Zustände der ihnumgebenden Wesen zu beobachten. Er wird ein Bilderbewußtsein haben, jedochmit Beibehaltung des vollen Selbstbewußtseins. Es wird nichts Traumhaftes,Dumpfes in seinem Bilderschauen sein, sondern er wird das Seelischewahrnehmen, allerdings in Bildern, doch so, daß diese Bilder der Ausdruck vonWirklichkeiten sein werden, wie es jetzt physische Farben und Töne sind.Gegenwärtig kann sich der Mensch nur durch die geisteswissenschaftlicheSchulung zu solchem Schauen erheben. Von dieser Schulung wird auf späterenBlättern dieses Buches die Rede sein. – Dieses Schauen erlangen nun als ihrenormale Entwickelungsgabe die Geister der Persönlichkeit inmitten derSonnenstufe. Und eben dadurch werden sie fähig, während derSonnenentwickelung auf den neugebildeten Lebensleib des Menschenwesens inähnlicher Art zu wirken, wie sie auf dem Saturn auf den physischen Leibgewirkt haben. (178) Wie ihnen dort die Wärme ihre eigene Persönlichkeitzurückgestrahlt hat, so strahlen ihnen jetzt die Gasgebilde im Lichtglanze dieBilder ihres schauenden Bewußtseins zurück. Sie schauen übersinnlich an, wasauf der Sonne vorgeht. Und dieses Anschauen ist keineswegs ein bloßesBeobachten. Es ist, als ob in den Bildern, die von der Sonne ausströmen, etwasvon der Kraft sich geltend machte, die der Erdenmensch als Liebe bezeichnet.Und sieht man seelisch genauer zu, so findet man den Grund dieserErscheinung. Es haben sich in das von der Sonne ausstrahlende Licht erhabeneWesenheiten mit ihrer Tätigkeit gemischt. Es sind die oben bereits genannten«Geister der Liebe» (christlich: «Seraphim»). Sie wirken von jetzt ab ammenschlichen Äther- oder Lebensleibe zusammen mit den Geistern derPersönlichkeit. Durch diese Tätigkeit schreitet dieser Lebensleib selbst um eineStufe auf seiner Entwickelungsbahn fort. Er erlangt die Fähigkeit, die in ihmbefindlichen Gasgebilde nicht nur umzuformen, sondern sie so zu bearbeiten,daß die ersten Andeutungen einer Fortpflanzung der lebenden Menschenwesensich zeigen. Es werden gewissermaßen Absonderungen aus den geformtenGasgebilden herausgetrieben (wie ausgeschwitzt), welche sich zu solchenGestalten formen, die ihren Muttergebilden ähnlich sind.

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(35) Um die weitere Sonnenentwickelung zu charakterisieren, muß auf eineTatsache des Weltenwerdens hingewiesen werden, welche von der allergrößtenBedeutung ist. Sie besteht darin, daß im Laufe einer Epoche keineswegs alleWesen das Ziel ihrer Entwickelung erreichen. Es gibt solche, die hinter diesemZiel zurückbleiben. So haben während der Saturnentwickelung nicht alle Geisterder Persönlichkeit die Menschheitsstufe, die ihnen dort in der oben dargestelltenArt beschieden war, wirklich erreicht. (179) Und ebensowenig haben alle aufdem Saturn ausgebildeten physischen Menschenleiber den Grad von Reifeerlangt, der sie befähigt, auf der Sonne zum Träger eines selbständigenLebensleibes zu werden. Die Folge davon ist, daß auf der Sonne Wesen undGebilde vorhanden sind, welche zu ihren Verhältnissen nicht passen. Diesemüssen nun während der Sonnenentwickelung nachholen, was sie auf demSaturn versäumt haben. Man kann deshalb während der Sonnenstufe dasFolgende geistig beobachten. Wenn die Geister der Weisheit mit ihremEinströmen des Lebensleibes beginnen, trübt sich gewissermaßen derSonnenkörper. Es durchsetzen ihn Gebilde, welche eigentlich noch zum Saturngehören würden. Es sind Wärmegebilde, welche nicht imstande sind, inentsprechender Art sich zu Luft zu verdichten. Das sind die auf der Saturnstufezurückgebliebenen Menschenwesen. Sie können nicht Träger eines inregelrechter Art ausgebildeten Lebensleibes werden. – Was nun auf diese Artvon Wärmesubstanz des Saturn zurückgeblieben ist, gliedert sich auf der Sonnein zwei Teile. Der eine Teil wird von den Menschenleibern gleichsamaufgesogen; und er bildet fortan innerhalb des Menschenwesens eine Artniederer Natur desselben. So nimmt das Menschenwesen auf der Sonne etwas inseine Leiblichkeit auf, was eigentlich der Saturnstufe entspricht. Wie nun derSaturnleib des Menschen den Geistern der Persönlichkeit es möglich gemachthat, sich zur Menschheitsstufe zu erheben, so leistet jetzt dieser Saturnteil desMenschen auf der Sonne dasselbe für die Feuergeister. Sie erheben sich zurMenschheitsstufe, indem sie ihre Kräfte ein- und ausströmen lassen in diesenSaturnteil des Menschenwesens, wie es die Geister der Persönlichkeit auf demSaturn getan haben. (180) Auch dies geschieht in der Mitte derSonnenentwickelung. Da ist der Saturnteil des Menschenwesens so weit reif,daß mit seiner Hilfe die Feuergeister (Archangeloi) ihre Menschheitsstufedurchlaufen können. – Ein anderer Teil der Wärmesubstanz des Saturn gliedertsich ab und erlangt ein selbständiges Dasein neben und zwischen denMenschenwesen der Sonne. Dieser bildet nun ein zweites Reich neben demMenschenreiche. Ein Reich, das auf der Sonne einen völlig selbständigen, abernur physischen Leib, als Wärmeleib, ausbildet. Die Folge davon ist, daß dievollkommen entwickelten «Geister der Persönlichkeit» auf keinen selbständigenLebensleib ihre Tätigkeit in der geschilderten Art richten können. Nun sind aberauch gewisse «Geister der Persönlichkeit» auf der Saturnstufe zurückgeblieben.Diese haben da nicht die Stufe der Menschheit erreicht. Zwischen ihnen unddem selbständig gewordenen zweiten Sonnenreich besteht ein Anziehungsband.

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Sie müssen sich jetzt auf der Sonne zu dem zurückgebliebenen Reich soverhalten, wie dies ihre vorgeschrittenen Genossen schon auf dem Saturngegenüber den Menschenwesen getan haben. Diese haben dort ja auch erst denphysischen Leib ausgebildet gehabt. Auf der Sonne selbst ist aber zu solcherArbeit der zurückgebliebenen Persönlichkeitsgeister keine Möglichkeit. Siesondern sich daher aus dem Sonnenkörper heraus und bilden außerhalbdesselben einen selbständigen Weltenkörper. Es tritt dieser also aus der Sonneheraus. Von ihm aus wirken die zurückgebliebenen «Geister der Persönlichkeit»auf die beschriebenen Wesen des zweiten Sonnenreiches. Es sind dadurch zweiWeltengebilde aus dem einen geworden, das früher Saturn war. (181) Die Sonnehat in ihrer Umgebung nunmehr einen zweiten Weltenkörper, einen solchen, dereine Art Wiedergeburt des Saturn, einen neuen Saturn, darstellt. Von diesemSaturn aus wird dem zweiten Sonnenreich der Persönlichkeitscharakter erteilt.Man hat es daher innerhalb dieses Reiches, mit Wesen zu tun, welche auf derSonne selbst keine Persönlichkeit haben. Doch aber spiegeln sie den «Geisternder Persönlichkeit» auf dem neuen Saturn deren eigene Persönlichkeit zurückDas übersinnliche Bewußtsein kann zwischen den Menschenwesen auf derSonne Wärmekräfte beobachten, die in die regelmäßige Sonnenentwickelunghineinspielen und in welchen man das Walten der gekennzeichneten Geister desneuen Saturn zu sehen hat.

(36) Im Menschenwesen hat man während der Mitte der Sonnenentwickelungdas Folgende zu beachten. Dasselbe ist gegliedert in einen physischen Leib undeinen Lebensleib. Darinnen spielt sich ab die Tätigkeit der vorgeschrittenen«Geister der Persönlichkeit» in Verbindung mit derjenigen der «Geister derLiebe». Dem physischen Leibe ist nun beigemischt ein Teil derzurückgebliebenen Saturnnatur. Darin spielt sich ab die Tätigkeit der«Feuergeister». Man hat nun zu sehen in allem, was die «Feuergeister» an derzurückgebliebenen Saturnnatur bewirken, die Vorläufer der gegenwärtigenSinnesorgane der Erdenmenschen. Es ist ja gezeigt worden, wie schon auf demSaturn in der Wärmesubstanz diese «Feuergeister» mit der Ausarbeitung derSinneskeime beschäftigt waren. In dem, was durch die «Geister derPersönlichkeit» im Verein mit den «Geistern der Liebe» (den Seraphimen)vollbracht wird, ist zu erkennen die erste Anlage der gegenwärtigenmenschlichen Drüsenorgane. – Mit dem oben Gesagten ist aber die Arbeit derauf dem neuen Saturn wohnenden Persönlichkeitsgeister nicht erschöpft. Dieseerstrecken ihre Tätigkeit nicht bloß auf das genannte zweite Sonnenreich,sondern sie stellen eine Art Verbindung her zwischen diesem Reich und denmenschlichen Sinnen. Es strömen die Wärmesubstanzen dieses Reiches durchdie menschlichen Sinneskeime aus und ein. Dadurch gelangt dasMenschenwesen auf der Sonne zu einer Art von Wahrnehmung des außer ihmbefindlichen niederen Reiches.

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Diese Wahrnehmung ist naturgemäß nur eine dumpfe, ganz entsprechend demdumpfen Saturnbewußtsein, von dem oben die Rede war. Und sie besteht imwesentlichen aus verschiedenen Wärmewirkungen

(37) Alles, was hier für die Mitte der Sonnenentwickelung geschildert wordenist, dauert eine gewisse Zeit. Dann tritt wieder eine Ruhepause ein. Nachderselben geht es eine Zeitlang in derselben Art fort bis zu einem Punkte derEntwickelung, in dem der menschliche Ätherleib so weit reif ist, daß nunmehreine vereinte Arbeit der «Söhne des Lebens» (Angeloi) und der «Geister derHarmonie» (Cherubime) einsetzen kann. Es treten nun innerhalb desMenschenwesens für das übersinnliche Bewußtsein Offenbarungen auf, die sichmit Geschmackswahrnehmungen vergleichen lassen und die sich nach außen alsTöne kundgeben. Ein Ähnliches mußte ja schon für die Saturnentwickelunggesagt werden. Hier auf der Sonne ist nur all das im Menschenweseninnerlicher, voll selbständigeren Lebens. – Die «Söhne des Lebens» erlangendadurch jenes dumpfe Bilderbewußtsein, das die «Feuergeister» auf dem Saturnerreicht hatten. Es sind dabei die «Geister der Harmonie» (die Cherubime) ihreHelfer. Sie eigentlich schauen geistig das an, was sich innerhalb derSonnenentwickelung jetzt abspielt. (183) Nur verzichten sie auf alle Früchtedieses Anschauens, auf die Empfindung der weisheitsvollen Bilder, welche daentstehen, und lassen diese wie prächtige Zaubererscheinungen in dastraumhafte Bewußtsein der «Söhne des Lebens» einströmen. Diese wiederarbeiten solche Gebilde ihres Schauens in den Ätherleib des Menschen hinein,so daß dieser immer höhere Stufen der Entwickelung erreicht. – Wieder tritt eineRuhepause ein, wieder erhebt sich das Ganze aus dem «Weltenschlaf», und,nachdem es noch eine Zeitlang gedauert hat, ist das Menschenwesen so weitreif, daß es nun eigene Kräfte regen kann. Es sind dies dieselben, welchewährend der letzten Zeit der Saturnperiode durch die «Throne» in diesesMenschenwesen eingeströmt sind. In einem Innenleben entwickelt sich jetztdieses Menschenwesen, das in seiner Offenbarung für das Bewußtsein mit einerinnerlichen Geruchwahrnehmung verglichen werden kann. Nach außen aber,gegen den Himmelsraum, gibt sich dieses Menschenwesen als einePersönlichkeit kund, allerdings als eine solche, die nicht von einem inneren«Ich» gelenkt wird. Es erscheint vielmehr wie eine als Persönlichkeit wirkendePflanze. Für das Ende der Saturnentwickelung ist ja gezeigt worden, daß diePersönlichkeit wie eine Maschine sich kundgibt. Und wie sich dort der ersteKeim zu dem entwickelt hat, was auch im gegenwärtigen Menschen erstkeimhaft ist, zum «Geistesmenschen» (Atma), so wird hier ein ebensolchererster Keim zu dem «Lebensgeist» (Buddhi) gestaltet. Nachdem eine Zeithindurch sich alles das abgespielt hat, tritt wieder eine Ruhepause ein. Wie inden ähnlichen Fällen früher, wird nach dieser Pause die Tätigkeit desMenschenwesens eine Zeitlang fortgesetzt. Dann treten Verhältnisse ein, diesich darstellen als ein neuer Eingriff der «Geister der Weisheit». (184)

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Durch denselben wird das Menschenwesen fähig, die ersten Spuren vonSympathie und Antipathie mit seiner Umgebung zu empfinden. Es ist in alledemnoch keine wirkliche Empfindung, aber doch ein Vorläufer der Empfindung.Denn die innere Lebenstätigkeit, die in ihrer Offenbarung wieGeruchswahrnehmungen charakterisiert werden könnte, gibt sich nach außenwie in einer Art primitiver Sprache kund. Wird innerlich ein sympathischerGeruch – oder auch Geschmack, Flimmern etc. – wahrgenommen, so gibt diesdas Menschenwesen nach außen durch einen Ton kund. Und in entsprechenderArt geschieht solches bei einer innerlich unsympathischen Wahrnehmung. – Esist nämlich durch alle die geschilderten Vorgänge der eigentliche Sinn derSonnenentwickelung für das Menschenwesen erreicht. Dieses hat eine höhereBewußtseinsstufe gegenüber dem Saturnbewußtsein erlangt. Es ist dies dasSchlafbewußtsein.

(38) Nach einiger Zeit ist nun auch der Entwickelungspunkt eingetreten, da diemit der Sonnenstufe verbundenen höheren Wesen in andere Sphären übergehenmüssen, um das zu verarbeiten, was sie durch ihr Wirken am Menschenwesenselbst in sich veranlagt haben. Es tritt eine große Ruhepause ein, wie eine solchezwischen der Saturn- und Sonnenentwickelung war. Alles, was sich auf derSonne ausgebildet hat, geht in einen Zustand über, der sich mit dem der Pflanzevergleichen läßt, wenn deren Wachstumskräfte im Samen ruhen. Wie aber dieseWachstumskräfte in einer neuen Pflanze wieder an das Tageslicht treten, so trittauch nach der Ruhepause alles, was auf der Sonne Leben war, wieder aus demWeltenschoße hervor, und ein neues planetarisches Dasein beginnt. (185) Manwird den Sinn einer solchen Ruhepause, eines «Weltenschlafes», wohlverstehen, wenn man nur einmal den geistigen Blick auf eine der genanntenWesenarten, z.B. auf die «Geister der Weisheit», lenkt. Sie waren auf demSaturn noch nicht so weit, daß sie dort hätten einen Ätherleib aus sich könnenausströmen lassen. Erst durch die von ihnen auf dem Saturn gemachtenErlebnisse sind sie darauf vorbereitet worden. Während der Pause gestalten sienun dasjenige, was in ihnen erst vorbereitet worden ist, zur wirklichen Fähigkeitum. So sind sie auf der Sonne soweit, das Leben aus sich ausströmen zu lassenund das Menschenwesen mit einem eigenen Lebensleib zu begaben.

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(39) Nach der Ruhepause tritt dasjenige, was früher Sonne war, aus dem«Weltenschlafe» wieder hervor. Das heißt, es wird wieder wahrnehmbar für diegeistig schauenden Kräfte, für die es früher zu beobachten war und für die eswährend der Ruhepause entschwunden war. Nun zeigt sich aber an dem neuhervortretenden planetarischen Wesen, das als «Mond» bezeichnet werden soll(und das nicht verwechselt werden darf mit dem Stück davon, das gegenwärtigErdenmond ist), ein zweifaches.

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Erstens ist dasjenige, was sich während der Sonnenzeit als ein «neuer Saturn»abgesondert hatte, wieder in dem neuen planetarischen Wesen darin. DieserSaturn hat sich somit während der Ruhepause wieder mit der Sonne vereinigt.Alles, was im ersten Saturn war, tritt zunächst wieder als ein Weltgebilde auf.Zweitens sind die auf der Sonne gebildeten Lebensleiber des Menschenwesensin der Ruhepause von dem aufgesogen worden, was die geistige Hülle in einerArt des Planeten bildet. Sie erscheinen also in diesem Zeitpunkte nicht mit denentsprechenden physischen Menschenleibern vereinigt, sondern diese treten fürsich allein zunächst auf. (186) Zwar tragen sie alles das an sich, was in ihnen aufSaturn und Sonne erarbeitet worden ist; aber sie ermangeln des Äther- oderLebensleibes. ja sie können diesen Ätherleib auch nicht sogleich in sichaufnehmen, denn dieser hat selbst eine Entwickelung während der Ruhepausedurchgemacht, an die sie noch nicht angepaßt sind. – Was nun im Beginne derMondenentwickelung eintritt, damit diese Anpassung erzielt werde, ist zunächsteine abermalige Wiederholung der Saturntatsachen. Das physische Menschen-wesen durchläuft dabei, wiederholend, die Stufen der Saturnentwickelung, nurunter ganz veränderten Verhältnissen. Auf dem Saturn spielten in ihm ja nur dieKräfte eines Wärmeleibes, jetzt sind in ihm auch diejenigen des erarbeitetenGasleibes. Die letzteren treten aber nicht gleich im Beginne derMondenentwickelung auf. Da ist alles so, wie wenn das Menschenwesen nur ausWärmesubstanz bestünde und innerhalb derselben die Gaskräfte schlummerten.Dann kommt eine Zeit, in welcher diese in ersten Andeutungen auftreten. Undzuletzt, im letzten Zeitraum der Saturnwiederholung, sieht das Menschenwesenschon so aus wie während seines lebendigen Zustandes auf der Sonne. Docherweist sich alles Leben da noch als ein Scheinleben. Es tritt erst eine Ruhepauseein, ähnlich den kurzen Ruhepausen während der Sonnenentwickelung. Dannbeginnt neuerdings das Einströmen des Lebensleibes, für den sich der physischeLeib nun reif gemacht hat. Dieses Einströmen geschieht wieder wie dieSaturnwiederholung in drei voneinander zu unterscheidenden Epochen. (187)Während der zweiten dieser Epochen ist das Menschenwesen so weit den neuenMondenverhältnissen angepaßt, daß die «Geister der Bewegung» die von ihnenerlangte Fähigkeit in die Tat umsetzen können. Sie besteht darin, daß sie ausihrer eigenen Wesenheit heraus den Astralleib in die Menschenweseneinströmen lassen. Sie haben sich zu dieser Arbeit während derSonnenentwickelung vorbereitet und in der Ruhepause zwischen Sonne undMond das Vorbereitete zu der angedeuteten Fähigkeit umgewandelt. Es dauertdieses Einströmen nun wieder eine Zeitlang, dann tritt eine der kleinerenRuhepausen ein. Nach derselben setzt sich das Einströmen fort, bis die «Geisterder Form» mit ihrer Tätigkeit einsetzen. Dadurch, daß die «Geister derBewegung» den Astralleib in das Menschenwesen einströmen lassen, erlangtdieses die ersten seelischen Eigenschaften. Es beginnt, die Vorgänge, welchesich durch den Besitz eines Lebensleibes in ihm abspielen und welche währendder Sonnenentwickelung noch pflanzenhaft waren, mit Empfindungen zuverfolgen, Lust und Unlust durch sie zu fühlen.

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Es bleibt aber bei einem wechselvollen inneren Auf- und Abfluten solcher Lustund Unlust, bis die «Geister der Form» eingreifen. Da verwandeln sich diesewechselnden Gefühle so, daß in dem Menschenwesen das auftritt, was als ersteSpur des Wunsches, der Begierde, aufgefaßt werden kann. Das Wesen strebtnach einer Wiederholung dessen, was einmal Lust bereitet hat, und es versuchtzu vermeiden, was als antipathisch empfunden worden ist. Da jedoch die«Geister der Form» ihre eigene Wesenheit nicht an das Menschenwesenabgeben, sondern ihre Kräfte nur aus- und einströmen lassen, so entbehrt dieBegierde der Innerlichkeit und Selbständigkeit. Sie wird gelenkt von den«Geistern der Form». Sie tritt mit einem instinktiven Charakter auf.

(40) Auf dem Saturn war der physische Leib des Menschenwesens einWärmeleib; auf der Sonne ist eine Verdichtung zum Gaszustand oder zur «Luft»eingetreten. (188) Nun, da während der Mondenentwickelung das Astraleeinströmt, erreicht in einem bestimmten Zeitpunkt das Physische einen weiterenGrad von Verdichtung, es kommt in einen Zustand, der sich mit dem einergegenwärtigen Flüssigkeit vergleichen läßt. Man kann diesen Zustand als«Wasser» bezeichnen. Doch ist eben damit nicht unser gegenwärtiges Wassergemeint, sondern jegliche flüssige Daseinsform. Der physische Menschenleibnimmt nun allmählich eine Form an, die sich aus dreierlei substantiellenGebilden zusammensetzt. Das dichteste ist ein «Wasserkörper»; dieser wirddurchzogen von Luftströmungen, und durch alles dies ziehen sich wiederWärmewirkungen hindurch.

(41) Nun erlangen auch während der Sonnenstufe nicht alle Gebilde die volleentsprechende Reife. Es finden sich deshalb auf dem Monde Gebilde ein, dieerst auf der Saturnstufe stehen, und solche, die nur die Sonnenstufe erreichthaben. Dadurch entstehen neben dem regelrecht entwickelten Menschenreichezwei andere Reiche. Ein solches, das aus Wesen besteht, die auf der Saturnstufestehengeblieben sind, die daher nur einen physischen Leib haben, der auch aufdem Monde noch nicht Träger eines selbständigen Lebensleibes werden kann.Es ist dies das niedrigste Mondenreich. Ein zweites besteht aus Wesen, die aufder Sonnenstufe zurückgeblieben sind, welche deshalb nicht reif werden, aufdem Monde einen selbständigen Astralleib sich einzugliedern. Diese bilden einReich zwischen dem ebengenannten und dem regelmäßig fortgeschrittenenMenschenreich. Aber auch noch etwas anderes findet statt: Die Substanzen mitbloßen Wärmekräften und jene mit bloßen Luftkräften durchsetzen auch dieMenschenwesen. (189) So kommt es, daß diese auf dem Monde in sich eineSaturn- und eine Sonnennatur tragen. Dadurch ist in die Menschennatur eine Artvon Zwiespalt gekommen. Und durch diesen Zwiespalt wird nach demEinsetzen der Tätigkeit der «Geister der Form» innerhalb derMondenentwickelung etwas sehr Bedeutungsvolles hervorgerufen. Es beginntsich da eine Spaltung im Mondenweltkörper vorzubereiten.

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Ein Teil seiner Substanzen und Wesenheiten trennt sich ab von den andern. Auseinem Weltenkörper werden zwei. Den einen machen gewisse höhereWesenheiten, die noch vorher inniger mit dem einheitlichen Weltenkörperverbunden waren, zu ihrem Wohnplatz. Der andere dagegen wird von demMenschenwesen, den beiden vorhin charakterisierten niederen Reichen undgewissen höheren Wesenheiten eingenommen, die nicht zu dem erstenWeltenkörper übergegangen sind. Der eine der beiden Weltenkörper mit denhöheren Wesen erscheint wie eine wiedergeborene, aber verfeinerte Sonne; derandere ist nunmehr die eigentliche Neubildung, der «alte Mond», als dritteplanetarische Verkörperung unserer Erde, nach der Saturn- undSonnenverkörperung. Von den auf dem Monde entstandenen Substanzen nimmtdie wiedergeborene Sonne bei ihrem Heraustreten nur die «Wärme» und die«Luft» mit; auf dem, was wie ein Rest als Mond übriggeblieben ist, findet sichaußer diesen beiden Substanzen noch der wässerige Zustand. Es wird durchdiese Trennung erreicht, daß die mit der wiedererstandenen Sonne ausgezogenenWesenheiten zunächst in ihrer weiteren Entwickelung durch die dichterenMondwesenheiten nicht gehemmt werden. Sie können so ungehindert in ihremeigenen Werden fortschreiten. Dadurch erlangen sie aber eine um so größereKraft, um nun von außen, von ihrer Sonne aus, auf die Mondwesen zu wirken.(190) Und auch diese erlangen dadurch neue Entwickelungsmöglichkeiten. Mitihnen sind vereint geblieben vor allem die «Geister der Form». Dieseverfestigten die Begierden- und die Wunschnatur; und dieses drückt sichallmählich auch in einer weiteren Verdichtung des physischen Leibes derMenschenwesen aus. Das vorher bloß Wässerige dieses Leibes nimmt einezähflüssige Form an, und entsprechend verdichten sich die luftförmigen undwärmeartigen Gebilde. Ähnliche Vorgänge finden auch statt bei den beidenniederen Reichen.

(42) Daß der Mondkörper von dem Sonnenkörper ausgesondert wird, dies hatzur Folge, daß sich der erstere zu dem letzteren so verhält, wie einstmals derSaturnkörper zu der ganzen umliegenden Weltenentwickelung. DerSaturnkörper war aus dem Leibe der «Geister des Willens» (der Throne)gebildet. Aus seiner Substanz strahlte in den Weltenraum zurück alles, was diein der Umgebung befindlichen oben angeführten geistigen Wesenheitenerlebten. Und die Rückstrahlung erwachte durch die folgenden Vorgängeallmählich zu selbständigem Leben. Darauf beruht ja alle Entwickelung, daß erstaus dem Leben der Umgebung selbständige Wesenheit sich absondert; dann indem abgesonderten Wesen sich die Umgebung wie durch Spiegelung einprägtund dann dies abgesonderte Wesen sich selbständig weiter entwickelt. – So auchsonderte sich der Mondenkörper vom Sonnenkörper ab und strahlte zunächst dasLeben des Sonnenkörpers zurück. Wäre nun nichts anderes geschehen, so hätteman es mit folgendem Weltenprozesse zu tun. Es gäbe einen Sonnenkörper, inwelchem diesem Körper angepaßte geistige Wesenheiten in dem Wärme- undLuftelemente ihre Erlebnisse hätten. (191)

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Diesem Sonnenkörper stünde ein Mondenkörper gegenüber, in welchem andereWesen mit dem Wärme-, Luft- und Wasserleben sich entfalteten. Der Fortschrittvon der Sonnenverkörperung zu der Mondenverkörperung bestünde darin, daßdie Sonnenwesen ihr eigenes Leben von den Mondenvorgängen aus wie imSpiegelbilde vor sich hätten und so dasselbe genießen könnten, was ihnenwährend der Sonnenverkörperung noch unmöglich war. – Nun blieb es abernicht bei diesem Entwickelungsvorgange. Es geschah etwas, was für allefolgende Entwickelung von der allertiefsten Bedeutung war. GewisseWesenheiten, welche dem Mondenkörper angepaßt waren, bemächtigten sichdes ihnen zur Verfügung stehenden Willenselementes (des Erbes der Throne)und entwickelten dadurch ein Eigenleben, das sich unabhängig gestaltet vondem Sonnenleben. Es entstehen neben den Erlebnissen des Mondes, die nurunter dem Sonneneinflusse stehen, selbständige Mondenerlebnisse; gleichsamEmpörungs- oder Auflehnungszustände gegen die Sonnenwesen. Und dieverschiedenen auf Sonne und Mond entstandenen Reiche, vor allem das Reichder Menschenvorfahren, wurde in diese Zustände hineingezogen. DerMondenkörper schließt dadurch geistig und stofflich zweierlei Leben in sich:Solches, das in inniger Verbindung mit dem Sonnenleben steht, und solches,welches von diesem «abgefallen» ist und unabhängige Wege geht. DieseGliederung in zweifaches Leben drückt sich in allen folgenden Vorgängen derMondenverkörperung nun aus.

(43) Was sich für diesen Entwickelungszeitraum dem übersinnlichenBewußtsein darbietet, das läßt sich in folgenden Bildern charakterisieren. Dieganze Grundmasse des Mondes ist gebildet aus einer halblebendigen Substanz,die in einer bald trägen, bald lebhaften Bewegung ist. (192) Eine mineralischeMasse im Sinne der Gesteine und der Erdbestandteile, auf denen dergegenwärtige Mensch herumwandelt, ist das noch nicht. Man könnte von einemReiche von Pflanzenmineralien sprechen. Nur hat man sich vorzustellen, daß derganze Grundkörper des Mondes aus dieser Pflanzen-Mineralsubstanz besteht,wie heute die Erde aus Gesteinen, Ackererde usw. besteht. Wie gegenwärtig sichFelsenmassen auftürmen, so lagerten sich der Mondenmasse härtere Teile ein,die sich mit harten Holzgebilden oder mit Formen aus Horn vergleichen lassen.Und wie sich jetzt Pflanzen aus dem Mineralboden erheben, so war derMondengrund bedeckt und durchdrungen von dem zweiten Reich, bestehend auseiner Art von Pflanzentieren. Ihre Substanz war welcher als die Grundmasse undin sich beweglicher. Wie ein zähes Meer zog sich dieses Reich über das anderedahin. Und der Mensch selbst kann als Tiermensch bezeichnet werden. Er hattein seiner Natur die Bestandteile der andern beiden Reiche. Aber seine Wesenheitwar ganz durchdrungen von einem Lebensleib und astralischen Leib, auf welchedie von der abgeschiedenen Sonne ausgehenden Kräfte der höherenWesenheiten wirkten. So wurde seine Gestalt veredelt.

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Während ihm die «Geister der Form» eine Gestalt gaben, durch die er demMondenleben angepaßt war, machten ihn die Sonnengeister zu einer Wesenheit,die ihn über dieses Leben hinaushob. Er hatte die Kraft, mit den ihm von diesenGeistern geschenkten Fähigkeiten seine eigene Natur zu veredeln, ja dasjenige,das mit den niederen Reichen verwandt war, auf eine höhere Stufeemporzuheben.

(44) Geistig gesehen können die hier in Betracht kommenden Vorgänge in derfolgenden Art geschildert werden. (193) Der Menschenvorfahr war veredeltworden von Wesenheiten, die vom Sonnenreiche abgefallen waren. DieseVeredelung erstreckte sich vor allem auf alles, was im Wasserelemente erlebtwerden konnte. Auf dieses Element hatten die Sonnenwesen, die Herrscher imWärme- und Luftelemente waren, den geringeren Einfluß. Für denMenschenvorfahren hatte dies zur Folge, daß sich in seiner Organisationzweierlei Wesenheiten geltend machten: der eine Teil dieser Organisation warganz durchdrungen von den Wirkungen der Sonnenwesen. In dem andernwirkten die abgefallenen Mondenwesen. Dadurch war der letzte Teilselbständiger als der erste. Im ersten konnten nur Bewußtseinszuständeentstehen, in denen die Sonnenwesen lebten; in dem letzteren lebte eine ArtWeltbewußtsein, wie es dem Saturnzustande eigen war, nur jetzt auf einerhöheren Stufe. Der Menschenvorfahr kam sich dadurch als «Abbild der Welt»vor, während sich sein «Sonnenteil» nur als «Abbild der Sonne» fühlte. – Estraten nun in der Menschennatur diese beiden Wesenheiten in eine Art Kampf.Und durch den Einfluß der Sonnenwesenheiten wurde für diesen Kampf einAusgleich dadurch geschaffen, daß durch ihn die stoffliche Organisation, welchedas selbständige Weltbewußtsein ermöglichte, gebrechlich, vergänglich gemachtwurde. Es mußte nun von Zeit zu Zeit dieser Teil der Organisationausgeschieden werden. Während und einige Zeit nach der Ausscheidung war derMenschenvorfahr ein bloß vom Sonneneinfluß abhängiges Wesen. SeinBewußtsein wurde unselbständiger; er lebte in demselben ganz demSonnenleben hingegeben. Dann erneuerte sich der selbständige Mondenteilwieder. Nach einiger Zeit wiederholte sich stets dieser Vorgang. (194) So lebteder Menschenvorfahr auf dem Monde in Wechselzuständen helleren unddumpferen Bewußtseins; und der Wechsel war begleitet von einer Wandelungseines Wesens in stofflicher Beziehung. Er legte von Zeit zu Zeit seinenMondenkörper ab und nahm ihn später wieder an.

(45) Physisch gesehen zeigt sich in den angeführten Reichen des Mondes einegroße Mannigfaltigkeit. Die Mineralpflanzen, Pflanzentiere und Tiermenschensind nach Gruppen verschieden. Man wird das verstehen, wenn man bedenkt,daß durch das Zurückbleiben der Gebilde auf jeder der früheren Stufen derEntwickelung Formen in den mannigfaltigsten Qualitäten verkörpert wordensind.

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Es sind Gebilde da, welche noch die Anfangseigenschaften des Saturn zeigen,solche der mittleren Epoche dieses Weltkörpers, solche vom Ende. Ein Gleichesgilt für alle Entwickelungsstufen der Sonne.

(46) Und wie die mit dem sich fortentwickelnden Weltenkörper verbundenenGebilde zurückbleiben, so ist es auch mit gewissen Wesenheiten der Fall, diemit dieser Entwickelung zusammenhängen. Durch das Fortrücken des Werdensbis zum Monde sind schon eine Anzahl von Stufen solcher Wesenheitenentstanden. Da gibt es «Geister der Persönlichkeit», welche auf der Sonne nochimmer nicht ihre Menschheitsstufe erreicht haben; es sind aber auch solchevorhanden, welche da das Aufsteigen in die Menschheit nachgeholt haben. Auchvon den «Feuergeistern», die auf der Sonne hätten Menschen werden sollen,sind eine Anzahl zurückgeblieben. (195) Wie nun während derSonnenentwickelung gewisse zurückgebliebene «Geister der Persönlichkeit»sich aus dem Sonnenkörper herauszogen und den Saturn als besonderenWeltenkörper wieder erstehen ließen, so geschieht es auch, daß im Laufe derMondenentwickelung sich die oben charakterisierten Wesenheiten aufbesonderen Weltkörpern aussondern. Es ist bis jetzt erst von der Teilung inSonne und Mond gesprochen worden, doch gliedern sich noch andereWeltgebilde aus den angegebenen Gründen aus dem Mondenkörper ab, der nachder großen Sonnen-Mondes-Pause erschienen ist. Man hat es nach einiger Zeitmit einem System von Weltkörpern zu tun, deren fortgeschrittenster, wie leichtzu ersehen ist, die neue Sonne genannt werden muß. Und ein ebensolchesAnziehungsband, wie es oben für die Sonnenentwickelung zwischen demzurückgebliebenen Saturnreiche und den Persönlichkeitsgeistern auf dem neuenSaturn beschrieben worden ist, bildet sich zwischen je einem solchenWeltenkörper und den entsprechenden Mondenwesen. Es würde hier viel zuweit führen, alle die entstehenden Weltenkörper im einzelnen zu verfolgen. Esmuß genügen, auf den Grund hingewiesen zu haben, warum aus demeinheitlichen Weltgebilde, das im Beginne der Menschheitsentwickelung alsSaturn erscheint, sich nach und nach eine Reihe von Weltenkörpern herauslöst.

(47) Nach dem Einsetzen der «Geister der Form» auf dem Monde dauert dieEntwickelung eine Zeitlang fort in der Art, wie dies geschildert worden ist. Nachdieser Zeit tritt wieder eine Pause ein. Während derselben bleiben die gröberenTeile der drei Mondenreiche in einer Art Ruhezustand; die feineren Teile aber,namentlich die astralischen Leiber der Menschenwesen, lösen sich los vondiesen gröberen Gebilden. Sie kommen in einen Zustand, in dem die höherenKräfte der erhabenen Sonnenwesen besonders stark auf sie wirken können. –Nach der Ruhepause durchdringen sie wieder diejenigen Teile desMenschenwesens, die aus den gröberen Substanzen bestehen. (196)

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Dadurch, daß sie in der Pause – im freien Zustande – die starken Kräfteaufgenommen haben, können sie diese gröberen Substanzen reif machen zu derWirkung, die nach einer gewissen Zeit nunmehr auf sie ausgeübt werden sollvon den regelrecht vorgeschrittenen «Geistern der Persönlichkeit» und den«Feuergeistern».

(48) Diese «Geister der Persönlichkeit» haben sich inzwischen zu einer Stufeerhoben, auf der sie das «Bewußtsein der Inspiration» haben. Sie können danicht nur – wie das beim früheren Bilderbewußtsein war – die inneren Zuständeanderer Wesen in Bildern wahrnehmen, sondern wie in einer geistigenTonsprache das Innere solcher Wesen selbst. Die «Feuergeister» aber haben sichzu der Bewußtseinshöhe erhoben, welche die «Geister der Persönlichkeit» aufder Sonne inne hatten. Beide Arten von Geistern können dadurch in dasherangereifte Leben des Menschenwesens eingreifen. Die «Geister derPersönlichkeit» wirken auf den Astralleib, die «Feuergeister» auf den Ätherleibdieses Menschenwesens. Der Astralleib erhält dadurch den Charakter derPersönlichkeit. Er erlebt nunmehr in sich nicht nur Lust und Schmerz, sonderner bezieht sie auch auf sich. Er kommt noch nicht zu einem vollständigenIch-Bewußtsein, das sich sagt «Ich bin da»; aber er fühlt sich getragen undgeborgen von anderen Wesenheiten seiner Umgebung. Indem er zu diesengleichsam aufblickt, kann er sich sagen: Diese meine Umgebung hält mich amDasein. – Die «Feuergeister» wirken nunmehr auf den Ätherleib. Unter ihremEinflusse wird die Bewegung der Kräfte in diesem Leibe immer mehr und mehrzu einer innerlichen Lebenstätigkeit. Was da entsteht, findet einen physischenAusdruck in einer Säftebewegung und in Wachstumserscheinungen. (197) Diegasigen Substanzen haben sich zu wässerigen verdichtet; es kann von einer ArtErnährung in dem Sinne gesprochen werden, daß das von außen Aufgenommeneim Innern umgewandelt und verarbeitet wird. Wenn man sich etwa einMittelding denkt zwischen der Ernährung und der Atmung im gegenwärtigenSinne, dann erhält man eine Vorstellung von dem, was in dieser Richtungdamals geschah. Die Nahrungsstoffe wurden aus dem Reiche der Tierpflanzenvon dem Menschenwesen entnommen. Man hat sich diese Tierpflanzen alsschwebend-schwimmend zu denken – oder auch leicht angewachsen – in einemsie umgebenden Elemente, wie die gegenwärtigen niederen Tiere im Wasseroder die Landtiere in der Luft leben. Doch ist dieses Element weder Wassernoch Luft in dem gegenwärtigen Sinne, sondern etwas Mittleres aus beiden, eineArt dichter Dampf, in dem die verschiedensten Substanzen wie aufgelöst in denverschiedensten Strömungen sich hin- und herbewegen. Die Tierpflanzenerscheinen nur wie verdichtete regelmäßige Formen dieses Elementes, physischoftmals nur wenig von ihrer Umgebung verschieden. Der Atmungsprozeß istneben dem Ernährungsprozeß vorhanden. Er ist nicht wie auf der Erde, sondernwie ein Einsaugen und Ausströmen von Wärme.

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Für die übersinnliche Beobachtung ist es, wie wenn bei diesen Vorgängen sichOrgane öffneten und wieder zuzögen, durch welche ein erwärmender Strom aus-und einginge und auch die luft- und wasserartigen Substanzen ein- undausgeführt würden. Und weil das Menschenwesen auf dieser Stufe seinerEntwickelung bereits einen Astralleib besitzt, werden diese Atmung und dieErnährung von Gefühlen begleitet, so daß eine Axt von Lust entsteht, wennsolche Stoffe von außen aufgenommen werden, die förderlich sind für denAufbau des Menschenwesens. (198) Unlust wird bewirkt, wenn schädlicheStoffe einfließen oder auch nur in die Nähe kommen. – Wie auf die geschilderteAxt während der Mondentwickelung der Atmungsprozeß demErnährungsvorgang nahestand, so stand der Vorstellungsprozeß derFortpflanzung nahe. Von den Dingen und Wesen in der Umgebung desMondmenschen ging nicht eine unmittelbare Wirkung auf irgendwelche Sinneaus. Die Vorstellung war vielmehr so geartet, daß durch die Anwesenheitsolcher Dinge und Wesen Bilder erregt wurden in dem dumpfen, dämmerhaftenBewußtsein. Diese Bilder standen in einem viel innigeren Zusammenhang mitder eigentlichen Natur der Umgebung als die gegenwärtigenSinneswahrnehmungen, welche in Farben, Tönen, Gerüchen usw. ja nurgleichsam die Außenseite der Wesen zeigen. Man stelle sich, um einendeutlicheren Begriff von dem Bewußtsein der Mondmenschen zu haben, vor,daß diese wie eingebettet seien in die oben geschilderte dampfartige Umgebung.In diesem Dunstelemente spielen sich die mannigfaltigsten Vorgänge ab. Esverbinden sich Stoffe, es trennen sich Substanzen voneinander ab. Es verdichtensich Partien, andere verdünnen sich. Alles das geht so vor sich, daß es dieMenschenwesen nicht etwa unmittelbar sehen oder hören; aber es ruft Bilder imMenschenbewußtsein hervor. Diese Bilder sind vergleichbar denen desgegenwärtigen Traumbewußtseins. Wie etwa, wenn ein Gegenstand zur Erdefällt und ein schlafender Mensch nimmt nicht den wirklichen Vorgang wahr,sondern irgendein Bild, z.B. er vermeint, daß ein Schuß abgegeben werde. Nursind die Bilder des Mondenbewußtseins nicht willkürlich wie solcheTraumbilder; sie sind zwar Sinnbilder, nicht Abbilder, aber sie entsprechen denäußeren Vorgängen. Es tritt mit einem bestimmten äußeren Vorgang auch nurein ganz bestimmtes Bild auf. (199) Der Mondenmensch ist dadurch in derLage, sein Verhalten nach diesen Bildern einzurichten, wie es der gegenwärtigeMensch nach seinen Wahrnehmungen tut. Es ist nur zu beachten, daß dasVerhalten auf Grund der Wahrnehmungen der Willkür unterliegt, während dasHandeln unter dem Einflusse der gekennzeichneten Bilder wie auf einendunklen Antrieb hin erfolgt. – Dieses Bilderbewußtsein ist nun keineswegs so,daß durch dasselbe nur äußere physische Vorgänge versinnlicht werden, sondernes werden durch die Bilder auch die hinter den physischen Tatsachen waltendengeistigen Wesen und deren Tätigkeiten vorgestellt.

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So werden in den Dingen des Tierpflanzenreiches die «Geister derPersönlichkeit» gleichsam sichtbar; hinter und in den mineralpflanzlichenWesen erscheinen die «Feuergeister»; und als Wesen, die der Mensch ohneZusammenhang mit etwas Physischem vorzustellen vermag, die er gleichsam alsätherisch-seelische Gebilde erschaut, erscheinen die «Söhne des Lebens». –Waren so diese Vorstellungen des Mondenbewußtseins keine Abbilder, sondernnur Sinnbilder des Äußeren, so waren sie dafür von einer viel bedeutsamerenWirkung auf das Innere des Menschenwesens als die gegenwärtigen durchWahrnehmung vermittelten Vorstellungen des Menschen. Sie vermochten es,das ganze Innere in Bewegung und Tätigkeit zu versetzen. Nach ihnengestalteten sich die inneren Vorgänge. Sie waren echte Bildungskräfte. DasMenschenwesen wurde so, wie diese Bildungskräfte es gestalteten. Es wurdegewissermaßen ein Abbild seiner Bewußtseinsvorgänge.

(49) Je weiter der Fortgang der Entwickelung in dieser Art stattfindet, um somehr hat er zur Folge, daß mit dem Menschenwesen eine tief einschneidendeVeränderung vor sich geht. (200) Die Macht, welche von denBewußtseinsbildern ausgeht, kann sich nach und nach nicht mehr über die ganzemenschliche Leiblichkeit erstrecken. Es teilt sich letztere in zwei Teile, in zweiNaturen. Es bilden sich solche Glieder, welche der gestaltenden Wirkung desBilderbewußtseins unterliegen und im hohen Grade ein Abbild desVorstellungslebens in dem eben dargestellten Sinne werden. Andere Organeaber entziehen sich solchem Einflusse. Der Mensch ist in einem Teile seinesWesens gleichsam zu dicht, zu sehr von anderen Gesetzen bestimmt, um sichnach den Bewußtseinsbildern zu richten. Diese entziehen sich dem Einflusse desMenschenwesens; sie gelangen aber unter einen andern, unter denjenigen dererhabenen Sonnenwesen selbst. Doch sieht man dieser Stufe der Entwickelungerst eine Ruhepause vorangehen. In dieser sammeln die Sonnengeister die Kraft,um unter ganz neuen Umständen auf die Wesen des Mondes zu wirken. – Nachdieser Ruhepause ist das Menschenwesen deutlich in zwei Naturen gespalten.Die eine ist dem selbständigen Wirken des Bilderbewußtseins entzogen; sienimmt eine bestimmtere Gestalt an und kommt unter den Einfluß von Kräften,welche zwar von dem Mondenkörper ausgehen, aber in demselben erst durchden Einfluß der Sonnenwesen entstehen. Dieser Teil des Menschenwesens lebtimmer mehr das Leben mit, das durch die Sonne angeregt ist. Der andere Teilerhebt sich wie eine Art Kopf aus diesem ersteren. Er ist in sich beweglich,bildsam, und gestaltet sich als Ausdruck und Träger des menschlichen dumpfenBewußtseinslebens. Doch sind die beiden Teile innig miteinander verbunden; siesenden sich gegenseitig ihre Säfte zu; es erstrecken sich Glieder von dem einenhinein in den andern. (201)

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(50) Eine bedeutungsvolle Harmonie wird nun dadurch erzielt, daß im Laufe derZeit, in welcher dies alles geschehen ist, sich auch ein solches Verhältnis vonSonne und Mond herausgebildet hat, das mit der Richtung dieser Entwickelungzusammenstimmt. – Es ist schon an einer früheren Stelle (vgl. S. 172)angedeutet worden, wie die fortschreitenden Wesen durch ihreEntwickelungsstufen sich aus der allgemeinen Weltenmasse heraus ihreHimmelskörper absondern. Sie strahlen gleichsam die Kräfte aus, nach denensich die Stoffe gliedern. Sonne und Mond haben sich so voneinanderabgegliedert, wie es notwendig war zur Herstellung der richtigen Wohnplätzeentsprechender Wesen. Diese Bestimmung des Stoffes und seiner Kräfte durchden Geist geht aber noch viel weiter. Die Wesen selbst bedingen auch gewisseBewegungen der Weltenkörper, bestimmte Umdrehungen derselbenumeinander. Dadurch kommen diese Körper in veränderliche Stellungenzueinander. Und verändert sich die Stellung, die Lage des einen Weltkörpers zudem andern, so verändern sich auch die Wirkungen ihrer entsprechenden Wesenaufeinander. So ist es mit Sonne und Mond geschehen. Durch die Bewegung desMondes um die Sonne, welche entstanden ist, geraten die Menschenwesenabwechselnd einmal mehr in den Bereich der Sonnenwirkung; ein anderes Malkönnen sie sich von dieser abkehren und sind dann mehr auf sich selbstangewiesen. Die Bewegung ist eine Folge des oben geschilderten «Abfalles»gewisser Mondenwesen und des Ausgleiches für den Kampf, welcher dadurchbewirkt worden ist. Sie ist nur der physische Ausdruck für das durch den Abfallgeschaffene geistige Kräfteverhältnis. Daß der eine Körper sich um den andernbewegt, hat zur Folge, daß in den die Weltenkörper bewohnenden Wesen solchewechselnde Bewußtseinszustände eintreten, wie sie oben geschildert wordensind. (202) Man kann davon sprechen, daß der Mond abwechselnd sein Lebender Sonne zukehrt und abkehrt. Es gibt eine Sonnenzeit und eine planetarischeZeit, in welch letzterer die Mondenwesen sich auf einer Seite des Mondesentwickeln, welche von der Sonne abgewendet ist. Allerdings kommt für denMond zu der Bewegung der Himmelskörper noch etwas anderes hinzu. Daszurückblickende übersinnliche Bewußtsein kann nämlich sehen, wie in ganzregelmäßigen Zeiträumen die Mondenwesen selbst um ihren Weltkörperherumwandern. Sie suchen so in gewissen Zeiten die Orte auf, an denen sie demSonneneinfluß sich hingeben können; in andern Epochen wandern sie nachOrten, wo sie diesem Einfluß nicht unterliegen und sich dann gleichsam auf sichselbst besinnen können.

(51) Zur Vervollständigung des Bildes, das von diesen Vorgängen zu zeichnenist, hat man auch noch zu beachten, daß in diesem Zeitraum die «Söhne desLebens» ihre Menschenstufe erreichen. Der Mensch kann auch auf dem Mondeseine Sinne, deren Anlagen schon auf dem Saturn entstanden sind, noch nicht zueiner eigenen Wahrnehmung äußerer Gegenstände benützen. Aber diese Sinnewerden auf der Mondenstufe zu Instrumenten der «Söhne des Lebens». Diesebedienen sich ihrer, um durch sie wahrzunehmen.

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Diese Sinne, die zum physischen Menschenleib gehören, treten dadurch in einWechselverhältnis zu den «Söhnen des Lebens». Diese bedienen sich nicht nurihrer, sondern sie vervollkommnen sie auch.

(52) Nun tritt, wie bereits geschildert worden ist, durch die wechselndenBeziehungen zur Sonne in dem Menschenwesen selbst ein Wandel in denLebensverhältnissen ein. (203) Die Dinge gestalten sich so, daß jedesmal, wenndas Menschenwesen dem Sonneneinfluß unterliegt, es mehr dem Sonnenlebenund seinen Erscheinungen als sich selbst hingegeben ist. Es empfindet insolchen Zeiten die Größe und Herrlichkeit des Weltalls, wie diese imSonnensein sich ausdrückt. Es saugt diese gleichsam ein. Es wirken da eben dieerhabenen Wesen, die auf der Sonne ihren Wohnplatz haben, auf den Mond.Und dieser wirkt wieder auf das Menschenwesen. Doch erstreckt sich dieseWirkung nicht auf den ganzen Menschen, sondern vorzüglich auf jene Teiledesselben, die sich dem Einfluß der eigenen Bewußtseinsbilder entzogen haben.Es gelangen da namentlich der physische Leib und der Lebensleib zu einergewissen Größe und Gestaltung. Es treten dafür aber die Bewußtseins-erscheinungen zurück. Wenn nun das Menschenwesen in seinem Leben von derSonne abgewendet ist, dann ist es mit seiner eigenen Natur beschäftigt. Esbeginnt da eine innere Regsamkeit namentlich im Astralleibe. Dagegen wird dieäußere Gestalt unansehnlicher, weniger formvollendet. – So gibt es während derMondentwickelung die zwei charakterisierten, deutlich zu unterscheidenden,miteinander abwechselnden Bewußtseinszustände. Einen dumpferen währendder Sonnenzeit und einen helleren während der Epoche, in welcher das Lebenmehr auf sich selbst angewiesen ist. Der erste Zustand ist zwar dumpfer, aber erist dafür auch selbstloser; der Mensch lebt da mehr in Hingabe an dieAußenwelt, an das in der Sonne gespiegelte Weltall. Es ist ein Wechsel in denBewußtseinszuständen, der sich sowohl mit dem Wechsel von Schlaf undWachen beim gegenwärtigen Menschen wie auch mit dessen Leben zwischenGeburt und Tod einerseits und dem mehr geistigen Dasein zwischen dem Todeund einer neuen Geburt anderseits vergleichen läßt. (204) Das Aufwachen aufdem Monde, wenn die Sonnenzeit allmählich aufhört, wäre als ein Mitteldingzwischen dem Aufwachen des gegenwärtigen Menschen an jedem Morgen undseinem Geborenwerden zu charakterisieren. Und ebenso gleicht das allmählicheDumpferwerden des Bewußtseins beim Herannahen der Sonnenzeit einemMittelzustand zwischen Einschlafen und Sterben. Denn ein solches Bewußtseinvon Geburt und Tod, wie es dem gegenwärtigen Menschen eigen ist, gab es aufdem alten Monde noch nicht. In einer Art von Sonnenleben gab sich der Menschdem Genusse dieses Lebens hin. Er war für diese Zeit dem Eigenleben entrückt.Er lebte mehr geistig. Es kann nur eine annähernde und vergleichsweiseSchilderung dessen versucht werden, was der Mensch in solchen Zeiten erlebte.Er fühlte, wie wenn die Wirkungskräfte des Weltalls in ihn einströmten, ihndurchpulsten. Wie trunken von den Harmonien des Universums, die er mitlebte,fühlte er sich da.

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Sein Astralleib war in solchen Zeiten wie befreit von dem physischen Leibe.Und auch ein Teil des Lebensleibes war mit herausgezogen aus dem physischenLeib. Und dieses aus Astralleib und Lebensleib bestehende Gebilde war wie einfeines, wunderbares Musikinstrument, auf dessen Saiten die Mysterien desWeltalls erklangen. Und nach den Harmonien des Weltalls gestalteten sich dieGlieder desjenigen Teiles des Menschenwesens, auf den das Bewußtsein nurgeringen Einfluß hatte. Denn in diesen Harmonien wirkten die Wesen derSonne. So wurde dieser Menschenteil durch die geistigen Weltentöne in seineForm gebracht. (205) Und dabei war der Wechsel zwischen dem hellerenBewußtseinszustand und diesem dumpferen während der Sonnenzeit kein soschroffer wie derjenige beim gegenwärtigen Menschen zwischen dem Wachenund dem ganz traumlosen Schlaf. Allerdings war ja das Bilderbewußtsein nichtso hell wie das gegenwärtige Wachbewußtsein; dafür war aber auch das andereBewußtsein nicht so dumpf wie der traumlose Schlaf der Gegenwart. Und sohatte das Menschenwesen eine Art, wenn auch gedämpfter Vorstellung von demSpielen der Weltenharmonien in seinem physischen Leibe und demjenigen Teiledes Ätherleibes, der mit dem physischen Leibe verbunden geblieben war. In derZeit, in welcher die Sonne für das Menschenwesen gewissermaßen nicht schien,traten die Bildervorstellungen an die Stelle der Harmonien im Bewußtsein. Dalebten besonders diejenigen Glieder im physischen und im Ätherleibe auf,welche unter der unmittelbaren Macht des Bewußtseins standen. Dagegenmachten die anderen Teile des Menschenwesens, auf die nunmehr ihreBildungskräfte von der Sonne aus nicht wirkten, eine Art von Verhärtungs- undVertrocknungsprozeß durch. Und wenn dann wieder die Sonnenzeit heranrückte,dann verfielen die alten Leiber; sie gliederten sich ab von dem Menschenwesen,und es ging wie aus einem Grabe seiner alten Leiblichkeit der im Innernneugestaltete, wenn auch in dieser Form noch unansehnliche Mensch hervor. Eshatte eine Erneuerung des Lebensprozesses stattgefunden. Durch die Wirkungder Sonnenwesen und ihrer Harmonien gestaltete sich der neugeborene Leibdann wieder in seiner Vollkommenheit aus, und der oben geschilderte Vorgangwiederholte sich. Und der Mensch empfand diese Erneuerung wie das Anzieheneines neuen Kleides. Sein Wesenskern war nicht durch eine eigentliche Geburtoder einen Tod durchgeschritten; er war nur übergegangen von einem geistigenTonbewußtsein, in dem er hingegeben war an die Außenwelt, zu einem, in demer mehr dem Innern zugewendet war. (206) Er hatte sich gehäutet. Der alte Leibwar unbrauchbar geworden, er wurde abgeworfen und erneuert. Damit ist auchdasjenige genauer gekennzeichnet, was oben als eine Art Fortpflanzungcharakterisiert worden ist und von dem bemerkt wurde, daß es demVorstellungsleben nahesteht. Das Menschenwesen hat seinesgleichen in bezugauf gewisse Teile des physischen und des Ätherleibes hervorgebracht. Aber esentsteht kein völlig von dem Elternwesen unterschiedenes Tochterwesen,sondern der Wesenskern des ersteren geht auf das letztere über. Der bringt nichtein neues Wesen, sondern sich selbst in einer neuen Gestalt hervor. So erlebt derMondenmensch einen Bewußtseinswechsel.

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Wenn die Sonnenzeit heranrückt, dann werden seine Bildvorstellungen matterund matter, eine selige Hingabe erfüllt ihn; in seinem ruhigen Innern erklingendie Weltenharmonien. Gegen das Ende dieser Zeit beleben sich die Bilder imastralischen Leibe; er beginnt mehr sich zu fühlen und zu empfinden. DerMensch erlebt etwas wie ein Aufwachen aus der Seligkeit und Ruhe, in welcheer während der Sonnenzeit versunken war. Es tritt dabei aber noch ein wichtigesErlebnis auf Mit dem neuen Erhellen der Bewußtseinsbilder sieht sich dasMenschenwesen wie eingehüllt in eine Wolke, die sich auf dasselbe wie eineWesenheit aus dem Weltall herabgesenkt hat. Und es fühlt diese Wesenheit wieetwas zu ihm Gehöriges, wie eine Ergänzung seiner eigenen Natur. Es fühlt siewie dasjenige, was ihm sein Dasein schenkt, wie sein «Ich». Es ist dieseWesenheit einer der «Söhne des Lebens». Ihm gegenüber empfindet der Menschetwa so: «In diesem habe ich gelebt, auch während ich in der Sonnenzeithingegeben war der Herrlichkeit des Weltalls; damals war er mir nur nichtsichtbar, jetzt aber wird er mir sichtbar.» Und es ist auch dieser «Sohn desLebens», von dem die Kraft ausgeht zu jener Wirkung, die in der sonnenlosenZeit der Mensch auf seine eigene Leiblichkeit ausübt. Und dann, wenn wiederdie Sonnenzeit herannaht, fühlt der Mensch, wie wenn er selbst eins würde mitdem «Sohne des Lebens». Sieht er ihn da auch nicht, so fühlt er sich doch innigmit ihm verbunden.

(53) Die Beziehung zu den «Söhnen des Lebens» war nun eine solche, daßnicht etwa jedes einzelne Menschenwesen für sich einen «Sohn des Lebens»hatte, sondern es empfand eine ganze Gruppe von Menschen ein solches Wesenals zu ihr gehörig. So lebten auf dem Monde die Menschen in solche Gruppengesondert, und eine jede Gruppe empfand in einem «Sohne des Lebens» dasgemeinsame «Gruppen-Ich». Der Unterschied der Gruppen machte sich dadurchgeltend, daß namentlich die Ätherleiber bei einer jeden Gruppe eine besondereGestalt hatten. Da aber die physischen Leiber sich nach den Ätherleiberngestalten, so prägten sich auch in den ersteren die Unterschiede der letzteren ausund die einzelnen Menschengruppen erschienen als ebenso vieleMenschenarten. Blickten die «Söhne des Lebens» auf die zu ihnen gehörigenMenschengruppen herab, so sahen sie sich in den einzelnen Menschenwesengewissermaßen vervielfältigt. Und darin fühlten sie ihre eigene Ichheit. Siespiegelten sich gleichsam in den Menschen. Dies war auch die Aufgabe dermenschlichen Sinne in der damaligen Zeit. Es ist gezeigt worden, daß diese nochkeine Gegenstands-Wahrnehmungen vermittelten. Aber sie spiegelten dasWesen der «Söhne des Lebens». Was durch diese Spiegelung diese «Söhne desLebens» wahrnahmen, das gab diesen ihr «Ich-Bewußtsein». (208) Und wasdurch die Spiegelung im menschlichen Astralleib erregt wurde, das eben sinddie Bilder des dumpfen, dämmerhaften Mondenbewußtseins. –

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Die Wirkung dieser im Wechselverhältnis mit den «Söhnen des Lebens»vollzogenen Betätigung des Menschen wirkte im physischen Leibe in derAnlage des Nervensystems. Die Nerven stellen sich gleichsam dar wieFortsetzungen der Sinne nach dem Innern des menschlichen Leibes.

(54) Es ist aus dem Dargestellten ersichtlich, wie die drei Arten von Geistern,diejenigen der «Persönlichkeit», die «Feuergeister» und die «Söhne desLebens», auf den Mondmenschen wirken. Wenn man den Hauptzeitraum derMondenentwickelung ins Auge faßt, die mittlere Entwickelungsepoche, so kanngesagt werden: Die «Geister der Persönlichkeit» pflanzen dem menschlichenAstralleibe die Selbständigkeit, den Persönlichkeitscharakter ein. DieserTatsache ist es zuzuschreiben, daß in den Zeiten, in denen dem Menschengleichsam die Sonne nicht scheint, er in sich gekehrt sein kann, an sich selbst zugestalten vermag. Die «Feuergeister» betätigen sich am Ätherleibe, insoferndieser sich die selbständige Gestaltung des Menschenwesens einprägt. Durch siegeschieht es, daß das Menschenwesen jedesmal nach der Erneuerung des Leibessich wieder als dasselbe fühlt. Es wird also durch die «Feuergeister» eine ArtErinnerung dem Ätherleibe gegeben. Die «Söhne des Lebens» wirken auf denphysischen Leib so, daß dieser der Ausdruck des selbständig gewordenenAstralleibes werden kann. Sie machen es also möglich, daß dieser physischeLeib ein physiognomisches Abbild wird seines Astralleibes. (209) Dagegengreifen in den physischen Leib und den Ätherleib, insofern diese in denSonnenzeiten sich unabhängig von dem selbständigen Astralleibe ausbilden,höhere geistige Wesenheiten ein, namentlich die «Geister der Form» unddiejenigen der Bewegung. Ihr Eingreifen geschieht in der oben geschilderten Artvon der Sonne aus.

(55) Unter dem Einflusse solcher Tatsachen reift das Menschenwesen heran,um allmählich in sich den Keim zu dem «Geistselbst» in ähnlicher Artauszubilden, wie es in der zweiten Hälfte der Saturnentwickelung denGeistesmenschenkeim und auf der Sonne den Keim des Lebensgeistesausgebildet hat. Dadurch verändern sich alle Verhältnisse auf dem Monde.Durch die aufeinanderfolgenden Verwandlungen und Erneuerungen sind dieMenschenwesen immer edler und feiner geworden; aber sie haben auch an Kraftgewonnen. Das Bilderbewußtsein blieb dadurch auch immer mehr in denSonnenzeiten erhalten. Es erlangte dadurch auch Einfluß auf die Gestaltung desphysischen und des Ätherleibes, die vorher ganz durch die Wirkung derSonnenwesen geschah. Das, was auf dem Monde durch die Menschenwesen unddie mit ihnen verbundenen Geister geschah, wurde immer ähnlicher dem, wasfrüher durch die Sonne mit ihren höheren Wesenheiten bewirkt worden ist. DieFolge davon war, daß diese Sonnenwesenheiten immer mehr zu ihrer eigenenEntwickelung ihre Kräfte anwenden konnten. Durch dieses wurde der Mondreif, nach einiger Zeit wieder mit der Sonne vereinigt zu werden. –

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Geistig angesehen stellen sich diese Vorgänge in der folgenden Art dar: Die«abgefallenen Mondenwesen» sind allmählich von den Sonnenwesenüberwunden worden und müssen sich nunmehr diesen so fügen, daß ihreVerrichtungen sich den Verrichtungen der Sonnenwesen eingliedern, indem siesich ihnen unterordnen. – (210) Dies geschah allerdings erst, nachdem langeEpochen vorangegangen waren, in denen die Mondenzeiten immer kürzer undkürzer, die Sonnenzeiten immer länger und länger geworden waren. Es kommtnun wieder eine Entwickelung, während welcher Sonne und Mond einWeltengebilde sind. Da ist der physische Menschenleib ganz ätherischgeworden. – Man soll sich aber nicht vorstellen, wenn gesagt wird, derphysische Leib sei ätherisch geworden, daß man für solche Zustände nicht voneinem physischen Leib sprechen könne. Was als physischer Leib währendSaturn-, Sonnen- und Mondenzeit gebildet worden ist, bleibt vorhanden. Eskommt dabei darauf an, das Physische nicht nur da zu erkennen, wo es sichäußerlich physisch offenbart. Das Physische kann auch so vorhanden sein, daßes nach außen die Form des Ätherischen, ja auch diejenige des Astralischenzeigt. Man muß eben unterscheiden zwischen der äußeren Erscheinung und derinneren Gesetzmäßigkeit. Ein Physisches kann sich ätherisieren undastralisieren, aber dabei in sich die physische Gesetzmäßigkeit behalten. So istes, wenn der physische Leib des Menschen auf dem Monde einen gewissenGrad seiner Vollkommenheit erreicht hat. Er wird ätherförmig. Wenn aber dasübersinnliche Bewußtsein, das solches beobachten kann, sich auf einen solchenätherförmigen Leib richtet, dann erscheint er ihm nicht mit den Gesetzen desÄtherischen, sondern mit denen des Physischen durchdrungen. Es ist dann ebendas Physische in das Ätherische aufgenommen, um darinnen wie in einemMutterschoße zu ruhen und darinnen gepflegt zu werden. Später tritt es dannwieder auch in physischer Form, aber auf einer höheren Stufe, hervor. Wenn dieMenschenwesen des Mondes ihren physischen Leib in der grobphysischen Formbehielten, könnte sich der Mond niemals mit der Sonne vereinigen. (211) Durchdas Annehmen der ätherischen Form wird der physische Leib dem Ätherleibeverwandter, und er kann sich dadurch auch wieder inniger mit jenen Teilen desätherischen und Astralleibes durchdringen, welche in den Sonnenzeiten-Epochen der Mondentwickelung sich aus ihm herausziehen mußten. DerMensch, der während der Trennung von Sonne und Mond wie ein Doppelwesenerschien, wird wieder ein einheitliches Geschöpf Das Physische wird seelischer;dafür auch das Seelische mehr mit dem Physischen verbunden. – Auf dieseseinheitliche Menschenwesen können nunmehr die Sonnengeister, in derenunmittelbaren Bereich es jetzt gekommen ist, ganz anders wirken als vorher vonaußen nach dem Monde hin. Der Mensch ist jetzt in einer mehrseelisch-geistigen Umgebung. Dadurch können zu einer bedeutungsvollenWirkung die «Geister der Weisheit» kommen. Sie prägen ihm die Weisheit ein.Sie beseelen ihn mit Weisheit. Er wird dadurch in gewissem Sinne eineselbständige Seele. Und zu dem Einflusse dieser Wesenheiten tritt dann nochhinzu derjenige der «Geister der Bewegung».

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Sie wirken vorzüglich auf den Astralleib, so daß dieser eine seelenhafteRegsamkeit und einen weisheitserfüllten Lebensleib unter dem Einflusse dergenannten Wesenheiten in sich herausarbeitet. Der weisheitserfüllte Ätherleib istdie erste Anlage zu dem, was in einem früheren Abschnitt beim gegenwärtigenMenschen als Verstandesseele beschrieben worden ist, während der von den«Geistern der Bewegung» erregte Astralleib die Keimanlage der Empfindungs-seele ist. Und weil dies alles in dem Menschenwesen bei seinem erhöhtenSelbständigkeitszustande bewirkt wird, so erscheinen diese Keimanlagen vonVerstandes- und Empfindungsseele als der Ausdruck des «Geistselbst». (212)Man soll sich demgegenüber nicht dem Irrtume hingeben, daß in dieser Periodeder Entwickelung das «Geistselbst» noch etwas besonderes sei neben derVerstandes- und Empfindungsseele. Die letzteren sind nur der Ausdruck des«Geistselbst», und dieses bedeutet deren höhere Einheit und Harmonie.

(56) Von besonderer Bedeutung ist, daß die «Geister der Weisheit» in dieserEpoche in der geschilderten Art eingreifen. Sie tun dies nämlich nicht allein inbezug auf die Menschenwesen, sondern auch für die andern Reiche, welche sichauf dem Monde herausgebildet haben. Bei der Wiedervereinigung von Sonneund Mond werden diese niederen Reiche mit in den Sonnenbereichhineingezogen. Alles, was an ihnen physisch war, wird ätherisiert. Es findensich also nunmehr Mineralpflanzen und Pflanzentiere in der Sonne, wie sich dasMenschenwesen darin befindet. Doch bleiben diese andern Wesen mit ihrenGesetzmäßigkeiten ausgestattet. Sie fühlen sich dadurch wie Fremdlinge in ihrerUmgebung. Sie treten mit einer Natur auf, welche zu der ihrer Umgebung nurwenig hinzustimmt. Da sie aber ätherisiert sind, kann auch auf sie sich dieWirkung der «Geister der Weisheit» erstrecken. Es durchdringt sich eben jetztalles, was vom Monde her in die Sonne gekommen ist, mit den Kräften der«Geister der Weisheit». Daher kann das, was innerhalb dieser Entwickelungszeitaus dem Sonnen-Mondgebilde wird, «Kosmos der Weisheit» genannt werden. –Wenn dann nach einer Ruhepause unser Erdensystem als Nachkomme dieses«Kosmos der Weisheit» erscheint, so zeigen sich alle die auf der Erde neuauflebenden, aus ihren Mondenkeimen ersprießenden Wesen so, daß sieweisheitserfüllt sind. Da kommt der Grund zum Vorschein, warum derErdenmensch, wenn er betrachtend die Dinge um sich herum anblickt, Weisheitin der Natur ihres Wesens erforschen kann. (213) Man kann bewundern dieWeisheit in jedem Pflanzenblatte, in jedem Tier- und Menschenknochen, in demWunderbau des Gehirns und des Herzens. Wenn der Mensch Weisheit braucht,um die Dinge zu verstehen, also Weisheit aus ihnen herausholt, so zeigt dies,daß Weisheit in den Dingen liegt. Denn wäre der Mensch noch so sehr bemüht,durch weisheitsvolle Vorstellungen die Dinge zu verstehen: er könnte keineWeisheit aus ihnen holen, wenn sie nicht erst in sie hineingelegt wäre. Werdurch Weisheit Dinge ergreifen will, von denen er glaubt, daß sie nicht erst dieWeisheit empfangen haben, der darf auch glauben, daß er Wasser aus einemGlase schöpfen könne, in das nicht erst solches hineingegossen worden ist.

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Die Erde ist, wie sich später in dieser Schrift zeigen wird, der wiedererstandene«alte Mond». Und sie erscheint als ein weisheitsvolles Gebilde, weil in dergeschilderten Epoche sie von den «Geistern der Weisheit» mit deren Kräftendurchsetzt worden ist.

(57) Es wird wohl begreiflich erscheinen, daß in dieser Schilderung derMondenverhältnisse nur gewisse vorübergehende Formen der Entwickelungfestgehalten werden konnten. Man mußte gewissermaßen in dem Fortgange derTatsachen gewisse Dinge festhalten und für die Darstellung herausgreifen. DieseArt der Schilderung gibt allerdings nur Einzelbilder; und es kann daher wohl indem Vorhergehenden vermißt werden, daß die Entwickelung nicht in ein Netzfestbestimmter Begriffe gebracht worden ist. Einem solchen Einwurf gegenüberdarf aber wohl vielleicht darauf aufmerksam gemacht werden, daß ganzabsichtlich die Schilderung in weniger scharfen Begriffen gegeben worden ist.(214) Denn es soll nicht so sehr darauf ankommen, hier spekulative Begriffe undIdeenkonstruktionen zu geben, sondern vielmehr eine Vorstellung von dem, wassich dem auf diese Tatsachen gerichteten übersinnlichen Schauen wirklich vordas geistige Auge stellen kann. Und das ist für die Mondenentwickelung garnicht etwas in so scharfen und bestimmten Umrissen, wie sie dieErdenwahrnehmungen zeigen. Man hat es bei der Mondenepoche gar sehr mitwandelbaren, wechselnden Eindrücken, mit schwankenden, beweglichenBildern zu tun und mit deren Übergängen. Außerdem ist ja zu berücksichtigen,daß eine Entwickelung durch lange, lange Zeiträume in Betracht kommt und daßaus dieser heraus doch nur Augenblicksbilder in der Darstellung festgehaltenwerden können.

(58) In dem Zeitpunkte, wo der dem Menschenwesen eingepflanzte Astralleibdieses so weit in der Entwickelung vorwärts gebracht hat, daß dessen physischerLeib den «Söhnen des Lebens» die Möglichkeit gibt, ihre Menschheitsstufe zuerreichen, ist der wesentliche Höhepunkt der Mondenepoche erreicht. Da istauch das Menschenwesen zu all dem gekommen, was ihm für sich selbst, fürseine Innerlichkeit diese Epoche auf dem Wege nach vorwärts geben kann. DasFolgende, also die zweite Hälfte der Mondenentwickelung, könnte man daherals ein Abfluten bezeichnen. Aber man sieht, daß in bezug auf die Umgebungdes Menschen und auch für diesen selbst dadurch ein Wichtigstes gerade indieser Epoche geschieht. Es wird da dem Sonnen-Mondenkörper Weisheiteingepflanzt. Es hat sich gezeigt, daß während dieses Abflutens die Keime derVerstandes- und Empfindungsseele gelegt werden. Doch wird erst in derErdenzeit die Entfaltung dieser und auch der Bewußtseinsseele und damit dieGeburt des «Ich», des freien Selbstbewußtseins, erfolgen. (215) Es erscheinenauf der Mondenstufe Verstandes- und Empfindungsseele noch gar nicht so, alsob sich das Menschenwesen selbst schon durch sie äußerte, sondern als ob sieInstrumente wären für die zum Menschenwesen gehörigen «Söhne des Lebens».

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Wollte man das Gefühl charakterisieren, welches in dieser Richtung der Menschauf dem Monde hat, so müßte man sagen, er empfindet so: «In mir und durchmich lebt der «Sohn des Lebens»; er schaut durch mich die Mondenumgebung,er denkt in mir über die Dinge und Wesen dieser Umgebung nach.» Überschattetfühlt sich der Mondenmensch von dem «Sohne des Lebens», er kommt sich vorwie das Werkzeug dieses höheren Wesens. Und während der Trennung vonSonne und Mond fühlte er beim Abwenden von der Sonne eine größereSelbständigkeit; aber er empfand dabei auch so, wie wenn das zu ihm gehörige«Ich», das in den Sonnenzeiten dem Bilderbewußtsein entschwunden war, ihmdann sichtbar würde. Es war für den Mondenmenschen das, was man alsWechsel in den Bewußtseinszuständen charakterisieren kann, so, daß er dabeidas Gefühl hatte: «Mein Ich entschwebt mit mir in der Sonnenzeit in höhereRegionen, zu erhabenen Wesen, und es steigt, wenn die Sonne schwindet, mitmir in tiefere Welten herab.»

(59) Der eigentlichen Mondenentwickelung ging eine Vorbereitung voran. Esfand eine Wiederholung der Saturn- und Sonnenentwickelung in einer gewissenArt statt. Nun kann man nach der Wiedervereinigung von Sonne und Mondebenso in der Zeit des Abflutens zwei Epochen voneinander unterscheiden.Während derselben treten sogar physische Verdichtungen bis zu einem gewissenGrade ein. Es wechseln also geistig-seelische Zustände des Sonnen-Mondengebildes mit physischen ab. (216) In solchen physischen Epochenerscheinen die Menschenwesen und auch die Wesen der niederen Reiche so, wiewenn sie in steifen, unselbständigen Gestalten das vorbildeten, was sie später, inder Erdenzeit, in selbständigerer Art werden sollen. Man kann also von zweivorbereitenden Epochen der Mondenentwickelung sprechen und von zweiandern während der Zeit des Abflutens. Es können solche Epochen «Kreisläufe»genannt werden. In dem, was den zwei vorbereitenden Epochen folgt und denendes Abflutens vorangeht, also in der Zeit der Mondabspaltung, wird man auchdrei Epochen unterscheiden können. Die mittlere ist die Zeit derMenschwerdung der «Söhne des Lebens». Ihr geht eine solche voran, in der sichalle Verhältnisse auf dieses Hauptereignis hin zuspitzen, und es folgt eineandere, die als ein Einleben und Ausgestalten in den neuen Schöpfungen zubezeichnen ist. Damit trennt sich die mittlere Mondenentwickelung wieder indrei Epochen, was mit den zwei vorbereitenden und den zwei abflutenden siebenMonden-Kreisläufe gibt. Es darf somit gesagt werden, daß die ganzeMondenentwickelung in sieben Kreisläufen abfließt. Zwischen diesenKreisläufen liegen Ruhepausen, die auch wiederholt in der obigen Darstellungbesprochen worden sind. Doch kommt man mit der Vorstellung der Wahrheitnur dann nahe, wenn man sich keine schroffen Übergänge denkt zwischenTätigkeits- und Ruhepausen. Es ziehen sich z. B. die Sonnenwesen nach undnach von ihrer Wirksamkeit auf dem Monde zurück. Für sie beginnt eine Zeit,die nach außen als ihre Ruhepause erscheint, während auf dem Monde selbstnoch rege selbständige Tätigkeit herrscht.

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So erstreckt sich die Tätigkeitsepoche der einen Wesensart in die Ruhepause derandern vielfach hinein. (217) Wenn man solches in Rechnung zieht, dann kannman von einem rhythmischen Steigen und Sinken der Kräfte in Kreisläufensprechen. ja es sind ähnliche Abteilungen auch noch innerhalb der siebenangedeuteten Mondenkreisläufe zu erkennen. Man kann dann die ganzeMondenentwickelung einen großen Kreislauf, einen Planetenlauf nennen; danndie sieben Abteilungen innerhalb eines solchen «kleine Kreisläufe und dieGlieder dieser wieder «kleinere» Kreisläufe. Diese Gliederung in siebenmalsieben Abteilungen ist auch schon bei der Sonnenentwickelung bemerkbar undauch während der Saturnepoche angedeutet. Doch muß man berücksichtigen,daß die Grenzen zwischen den Abteilungen schon bei der Sonne und noch mehrbeim Saturn verwischt sind. Diese Grenzen werden immer deutlicher, je weiterdie Entwickelung gegen die Erdenepoche zu fortschreitet.

*

(60) Nach dem Abschlusse der im vorhergehenden skizzenhaft geschildertenMondenentwickelung treten alle dabei in Betracht kommenden Wesenheiten undKräfte in eine geistigere Daseinsform. Diese steht auf einer ganz anderen Stufeals diejenige während der Mondperiode und auch als diejenige während derfolgenden Erdenentwickelung. Ein Wesen, welches so hoch entwickelteErkenntnisfähigkeiten hätte, daß es alle Einzelheiten der Monden- undErdenentwickelung wahrnehmen könnte, brauchte deshalb noch nicht imstandezu sein, auch das zu schauen, was zwischen den beiden Entwickelungengeschieht. Für ein solches Wesen würden gewissermaßen am Ende derMondenzeit die Wesen und Kräfte wie in ein Nichts entschwinden und nachAblauf einer Zwischenzeit wieder hervortreten aus dem Dämmerdunkel desWeltenschoßes. Nur ein Wesen mit noch weit höheren Fähigkeiten könnte diegeistigen Tatsachen verfolgen, welche sich in der Zwischenzeit ereignen.

(61) Am Ende der Zwischenzeit treten die an den Entwickelungsvorgängenauf Saturn, Sonne und Mond beteiligten Wesenheiten mit neuen Fähigkeiten aufDie über dem Menschen stehenden Wesen haben sich durch ihrevorhergehenden Taten die Fähigkeit errungen, den Menschen so weiter zuentwickeln, daß er während der auf die Mondenzeit folgenden Erdenzeit eineBewußtseinsart in sich entfalten kann, welche um eine Stufe höher steht als dasBilderbewußtsein, das ihm während der Mondenzeit eigen war. Nun muß aberder Mensch erst vorbereitet werden, zu empfangen, was ihm gegeben werdensoll. Er hat während der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung denphysischen Leib, den Lebensleib, den Astralleib in sein Wesen eingegliedert.Aber diese Glieder seines Wesens haben nur diejenigen Fähigkeiten und Kräfteerhalten, welche sie befähigen, für ein Bilderbewußtsein zu leben; ihnen fehlennoch die Organe und die Gestalt, durch welche sie eine Welt vonsinnlich-äußeren Gegenständen wahrnehmen können, wie das für die Erdenstufedas entsprechende ist.

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Wie die neue Pflanze nur das entfaltet, was im Keime, der von der altenherrührt, veranlagt ist, so treten im Beginne der neuen Entwickelungsstufe diedrei Glieder der Menschennatur mit solchen Formen und Organen auf, daß sienur das Bilderbewußtsein entfalten können. Sie müssen zum Entfalten einerhöheren Bewußtseinsstufe erst vorbereitet werden. – Dies geschieht in dreiVorstufen. Innerhalb der ersten wird der physische Leib auf eine solche Höhegehoben, daß er in den Stand kommt, die notwendige Umgestaltunganzunehmen, die einem Gegenstandsbewußtsein zugrunde liegen kann. Es istdies eine Vorstufe der Erdenentwickelung, die man als Wiederholung derSaturnperiode auf einer höheren Stufe bezeichnen kann. (219) Denn es wird vonhöheren Wesenheiten während dieser Periode wie während der Saturnzeit nuram physischen Leib gearbeitet. Ist der letztere mit seiner Entwickelunggenügend weit fortgeschritten, so müssen alle Wesenheiten erst wieder in einehöhere Daseinsform übergehen, bevor auch der Lebensleib fortschreiten kann.Der physische Leib muß gleichsam umgegossen werden, um bei seinerWiederentfaltung den höher gebildeten Lebensleib aufnehmen zu können. Nachdieser, einer höheren Daseinsform gewidmeten Zwischenzeit tritt eine ArtWiederholung der Sonnenentwickelung auf höherer Stufe ein, zur Ausgestaltungdes Lebensleibes. Und wieder nach einer Zwischenzeit tritt ein Ähnliches fürden Astralleib in einer Wiederholung der Mondenentwickelung ein.

(62) Das Augenmerk sei nun gerichtet auf die Entwickelungstatsachen nachBeendigung der dritten der geschilderten Wiederholungen. Alle Wesenheitenund Kräfte haben sich wieder vergeistigt. Sie sind während dieser Vergeistigungin hohe Welten aufgestiegen. Die niederste der Welten, in welcher von ihnenwährend dieser Vergeistigungsepoche noch etwas wahrzunehmen ist, das istdieselbe, in welcher der gegenwärtige Mensch zwischen dem Tod und einerneuen Geburt verweilt. Es sind die Regionen des Geisterlandes. Sie steigen dannallmählich wieder herab zu niederen Welten. Sie sind, bevor die physischeErdenentwickelung beginnt, so weit herabgestiegen, daß ihre niederstenOffenbarungen in der astralen oder Seelenwelt zu schauen sind.

(63) Alles, was vom Menschen in diesem Zeitraume vorhanden ist, hat nochseine astrale Form. (220) Besondere Aufmerksamkeit sollte man für dasVerständnis dieses Menschheitszustandes darauf legen, daß der Mensch in sichhat physischen Leib, Lebensleib und Astralleib, daß aber sowohl der physischewie auch der Lebensleib nicht in physischer und ätherischer, sondern eben inastralischer Form vorhanden sind. Was da den physischen Leib zum physischenmacht, ist nicht die physische Form, sondern die Tatsache, daß er, obzwar ihmdie astralische Form eignet, doch die physischen Gesetze in sich hat. Er ist einWesen mit physischer Gesetzmäßigkeit in seelischer Form. Ähnliches gilt fürden Lebensleib.

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(64) Vor dem geistigen Auge steht auf dieser Entwickelungsstufe die Erdezunächst als ein Weltenwesen, das ganz Seele und Geist ist, in dem also auch diephysischen und die lebendigen Kräfte noch seelisch erscheinen. In diesemWeltgebilde ist, der Anlage nach, alles enthalten, was sich später zu denGeschöpfen der physischen Erde umwandeln soll. Es ist leuchtend; sein Licht istaber noch kein solches, das physische Augen wahrnehmen könnten, auch wennsie da wären. Es leuchtet nur in dem seelischen Lichte für das geöffnete Augedes Sehers.

(65) Es geht nun in diesem Wesen etwas vor, was man als Verdichtungbezeichnen kann. Das Ergebnis dieser Verdichtung ist, daß nach einiger Zeitinmitten des Seelengebildes eine Feuerform erscheint, wie eine solche derSaturn in seinem dichtesten Zustande war. Diese Feuerform ist durchwoben vonden Wirkungen der verschiedenen Wesenheiten, welche an der Entwickelungbeteiligt sind. Es ist wie ein Auf- und Untertauchen von der und in dieErden-Feuerkugel, was da als Wechselwirkung zwischen diesen Wesenheitenund dem Himmelskörper zu beobachten ist. Die Erden-Feuerkugel ist dahernicht etwa eine gleichförmige Substanz, sondern etwas wie ein durchseelter unddurchgeistigter Organismus. (221) Diejenigen Wesen, welche dazu bestimmtsind, auf der Erde Menschen in gegenwärtiger Gestalt zu werden, sind jetzt nochin einer Lage, daß sie sich am wenigsten beteiligen an dem Untertauchen in denFeuerkörper. Sie halten sich noch fast ganz im unverdichteten Umkreise auf Siesind noch im Schoße der höheren geistigen Wesen. Sie berühren auf dieser Stufenur mit einem Punkte ihrer Seelenform die Feuererde; und das bewirkt, daß dieWärme einen Teil ihrer Astralform verdichtet. Dadurch wird in ihnen dasErdenleben entzündet. Sie gehören mit dem größten Teile ihres Wesens alsonoch den seelisch-geistigen Welten an; nur durch die Berührung mit demErdenfeuer werden sie von Lebenswärme umspielt. Wollte man sich einsinnlich-übersinnliches Bild von diesen Menschen im Anbeginne der physischenErdenzeit machen, so müßte man sich eine seelische Eiform denken, die imErdenumkreis enthalten und an ihrer unteren Fläche wie die Eichelfrucht voneinem Becher umschlossen wird. Nur besteht die Substanz des Bechers lediglichaus Wärme oder Feuer. Das Eingehülltwerden von Wärme hat nun nicht nur imGefolge, daß im Menschen das Leben entzündet wird, sondern es tritt damitgleichzeitig eine Veränderung im Astralleibe auf. Diesem gliedert sich die ersteAnlage zu dem ein, was später zur Empfindungsseele wird. Man kann deshalbsagen, daß der Mensch auf dieser Stufe seines Daseins besteht aus derEmpfindungsseele, dem Astralleib, dem Lebensleib und dem aus Feuergewobenen physischen Leib. In dem Astralleibe wogen auf und ab die geistigenWesenheiten, welche am Dasein des Menschen beteiligt sind; durch dieEmpfindungsseele fühlt sich dieser an den Erdkörper gebunden. (222) Er hatalso in dieser Zeit ein vorwiegendes Bilderbewußtsein, in dem sich die geistigenWesen offenbaren, in deren Schoß er liegt; und nur wie ein Punkt innerhalbdieses Bewußtseins tritt die Empfindung des eigenen Leibes auf.

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Er sieht gleichsam aus der geistigen Welt auf ein irdisches Besitztum hinunter,von dem er fühlt: «Das ist dir.» – Immer wieder schreitet nun die Verdichtungder Erde vor; und damit wird die charakterisierte Gliederung im Menschenimmer deutlicher. Von einem bestimmten Zeitpunkte der Entwickelung an istdie Erde so weit verdichtet, daß nur ein Teil noch feurig ist. Ein anderer Teil hateine substantielle Form angenommen, welche man als «Gas» oder «Luft»ansprechen kann. Nun geht auch mit dem Menschen eine Veränderung vor sich.Er wird jetzt nicht nur von der Erdenwärme berührt, sondern es gliedert sichseinem Feuerleibe die Luftsubstanz ein. Und wie die Wärme in ihm das Lebenentzündet hat, so erregt die ihn umspielende Luft in ihm eine Wirkung, die manals (geistigen) Ton bezeichnen kann. Sein Lebensleib erklingt. Gleichzeitigsondert sich aus dem Astralleibe ein Teil aus, welcher die erste Anlage derspäter auftretenden Verstandesseele ist. – Um nun sich vor Augen zu rücken,was in dieser Zeit in des Menschen Seele vorgeht, muß man darauf achten, daßin dem Luft-Feuerkörper der Erde die über dem Menschen stehenden Wesenauf- und abwogen. In der Feuererde sind es zunächst die «Geister derPersönlichkeit», welche für den Menschen bedeutsam sind. Und indem derMensch von der Erdenwärme zum Leben erregt wird, sagt sich seineEmpfindungsseele: Dies sind die «Geister der Persönlichkeit». Ebenso kündigensich in dem Luftkörper diejenigen Wesen an, welche oben in dieser Schrift«Erzengel» (im Sinne der christlichen Esoterik) genannt wurden. IhreWirkungen sind es, welche der Mensch als Ton in sich verspürt, wenn die Luftihn umspielt. Und die Verstandesseele sagt sich dabei: (223) «Dies sind dieErzengel.» So ist das, was der Mensch auf dieser Stufe durch seine Verbindungmit der Erde wahrnimmt, noch nicht eine Summe von physischen Gegenständen,sondern er lebt in Wärmeempfindungen, welche zu ihm aufsteigen, und inTönen; aber er verspürt in diesen Wärmeströmungen und in diesem Tongewogedie «Geister der Persönlichkeit» und die «Erzengel». Er kann diese Wesenallerdings nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern nur wie durch den Schleierder Wärme und des Tones. Während diese Wahrnehmungen von der Erde her inseine Seele eindringen, steigen in dieser noch immer die Bilder der höherenWesenheiten auf und nieder, in deren Schoße er sich fühlt.

(66) Nun schreitet die Entwickelung der Erde weiter. Das Weiterschreitendrückt sich wieder in einer Verdichtung aus. Es gliedert sich die wässerigeSubstanz dem Erdenkörper ein, so daß dieser nun aus drei Gliedern, demfeurigen, dem luftförmigen und dem wässerigen besteht. Bevor dies geschieht,spielt sich ein wichtiger Vorgang ab. Es spaltet sich aus der Feuer-Luft-Erde einselbständiger Weltkörper ab, der dann in seiner weiteren Entwickelung zurgegenwärtigen Sonne wird. Vorher waren Erde und Sonne ein Körper. Nach derAbspaltung der Sonne hat zunächst die Erde noch alles in sich, was in und aufdem gegenwärtigen Monde ist.

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Die Absonderung der Sonne geschieht, weil höhere Wesenheiten zu ihrereigenen Entwickelung und zu dem, was sie für die Erde zu tun haben, die biszum Wasser verdichtete Materie nicht mehr weiter ertragen können. Sie sondernsich aus der gemeinsamen Erdenmasse die allein für sie brauchbaren Substanzenheraus und ziehen sich aus derselben heraus, um sich in der Sonne einen neuenWohnplatz zu bilden. Sie wirken nun von der Sonne aus von außen auf die Erde.(224) Der Mensch aber bedarf zu seiner weiteren Entwickelung einesSchauplatzes, auf dem sich die Substanz auch noch weiter verdichtet.

(67) Mit der Eingliederung der wässerigen Substanz in den Erdenkörper gehtauch eine Verwandlung des Menschen einher. Nunmehr strömt in ihn nicht nurdas Feuer, und es umspielt ihn nicht nur die Luft, sondern es gliedert sich diewässerige Substanz in seinen physischen Leib ein. Gleichzeitig verändert sichsein ätherischer Teil; diesen nimmt nämlich der Mensch nunmehr wie einenfeinen Lichtleib wahr. Der Mensch hat vorher Wärmeströme von der Erde zusich emporkommen gefühlt, er hat Luft durch Tönen zu sich herandringendempfunden; jetzt durchdringt seinen Feuer-Luft-Leib auch das wässerigeElement, und er sieht dessen Ein- und Ausströmen als Aufleuchten undAbdämmern von Licht. Aber auch in seiner Seele ist eine Veränderungeingetreten. Es ist zu den Anlagen der Empfindungs- und Verstandesseelediejenige der Bewußtseinsseele getreten. In dem Elemente des Wassers wirkendie «Engel»; sie sind auch die eigentlichen Lichterreger. Dem Menschen ist es,als ob sie ihm im Lichte erschienen. – Gewisse höhere Wesenheiten, die vorherin dem Erdenkörper selbst waren, wirken nunmehr auf diesen von der Sonneaus. Dadurch ändern sich alle Wirkungen auf der Erde. Der an die Erdegefesselte Mensch könnte die Wirkungen der Sonnenwesen nicht mehr in sichverspüren, wenn seine Seele fortwährend der Erde zugewandt wäre, aus welchersein physischer Leib genommen ist. Es tritt nunmehr ein Wechsel in denmenschlichen Bewußtseinszuständen auf. (225) Die Sonnenwesen entreißen dieSeele des Menschen zu gewissen Zeiten dem physischen Leibe, so daß derMensch jetzt abwechselnd im Schoße der Sonnenwesen rein seelisch ist, und zuandern Zeiten in einem Zustande, wo er mit dem Leibe verbunden ist und dieEinflüsse der Erde empfängt. Ist er im physischen Leibe, dann strömen dieWärmeströmungen zu ihm auf Es umtönen ihn die Luftmassen; es dringen dieWasser aus ihm aus und in ihn ein. Ist der Mensch außerhalb seines Leibes, dannist er in seiner Seele durchwogt von den Bildern der höheren Wesen, in derenSchoße er ist. – Die Erde durchlebt auf dieser Stufe ihrer Entwickelung zweiZeiten. In der einen darf sie mit ihren Substanzen die Menschenseelenumspielen und sie mit Leibern überziehen; in der andern sind die Seelen von ihrgewichen; nur die Leiber sind ihr geblieben. Sie ist mit den Menschenwesen ineinem schlafenden Zustande. Man kann durchaus sachgemäß davon sprechen,daß in diesen Zeiten urferner Vergangenheit die Erde eine Tages- und eineNachtzeit durchmacht.

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(Physisch-räumlich drückt sich dieses dadurch aus, daß durch die gegenseitigeWirkung der Sonnen- und Erdenwesen die Erde in eine Bewegung im Verhältniszur Sonne kommt; dadurch wird der Wechsel in der charakterisierten Nacht- undTageszeit herbeigeführt. Die Tageszeit spielt sich ab, wenn die Erdenfläche, aufwelcher sich der Mensch entwickelt, der Sonne zugekehrt ist; die Nachtzeit, alsodie Zeit, in welcher der Mensch ein rein seelisches Dasein führt, dann, wenndiese Fläche der Sonne abgekehrt ist. Man darf sich nun allerdings nicht denken,daß in jener Urzeit die Bewegung der Erde um die Sonne schon dergegenwärtigen ähnlich war. Es waren die Verhältnisse noch ganz anders. Es istaber auch nützlich, schon hier zu ahnen, daß die Bewegungen derHimmelskörper als Folge der Beziehungen entstehen, welche die siebewohnenden geistigen Wesen zueinander haben. (226) Die Himmelskörperwerden durch geistig-seelische Ursachen in solche Lagen und Bewegungengebracht, daß im Physischen die geistigen Zustände sich ausleben können.)

(68) Wendete man den Blick auf die Erde während ihrer Nachtzeit, so würdeman ihren Körper leichnamähnlich sehen. Denn sie besteht ja zum großen Teileaus den verfallenden Leibern der Menschen, deren Seelen in einer andernDaseinsform sich befinden. Es verfallen die gegliederten, wässerigen undluftförmigen Gebilde, aus denen die Menschenleiber gebildet waren, und lösensich in der übrigen Erdenmasse auf. Nur derjenige Teil des Menschenleibes,welcher sich durch das Zusammenwirken des Feuers und der Menschenseelevom Beginne der Erdenentwickelung an gebildet hat und welcher dann in derFolge immer dichter geworden ist, er bleibt bestehen wie ein äußerlichunansehnlicher Keim. Man darf also, was hier über Tag- und Nachtzeit gesagtist, sich nicht zu ähnlich denken dem, was für die gegenwärtige Erde mit diesenBezeichnungen gemeint ist. Wenn nun zur beginnenden Tageszeit die Erdewieder der unmittelbaren Sonneneinwirkung teilhaftig wird, dann dringen dieMenschenseelen in den Bereich des physischen Lebens. Sie berühren sich mitjenen Keimen und machen sie aufsprießen, so daß diese eine äußere Gestaltannehmen, welche wie ein Abbild des menschlichen Seelenwesens erscheint. Esist etwas wie eine zarte Befruchtung, was sich da abspielt zwischenMenschenseele und Leibeskeim. Nun beginnen diese also verkörperten Seelenauch wieder die Luft- und Wassermassen heranzuziehen und sie ihrem Leibeeinzugliedern. Von dem gegliederten Leib wird die Luft ausgestoßen undeingesogen: die erste Anlage zum späteren Atmungsprozeß. Auch wird dasWasser aufgenommen und ausgestoßen: eine ursprüngliche Art desErnährungsprozesses beginnt. (227) Diese Vorgänge werden aber noch nicht alsäußerliche wahrgenommen. Eine Art von äußerer Wahrnehmung findet durchdie Seele nur bei der charakterisierten Art von Befruchtung statt. Da fühlt dieSeele dumpf ihr Erwachen zum physischen Dasein, indem sie den Keim berührt,der ihr von der Erde entgegengehalten wird. Sie vernimmt da etwas, was sichetwa in die Worte bringen läßt: «Das ist meine Gestalt.»

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Und ein solches Gefühl, das man auch ein aufdämmerndes Ich-Gefühl nennendürfte, bleibt der Seele während ihrer ganzen Verbindung mit dem physischenLeibe. Den Vorgang der Luftaufnahme empfindet aber die Seele noch durchausseelischgeistig, noch als einen bildhaften. Er erscheint in Form von auf- undabwogenden Tonbildern, welche dem sich gliedernden Keim die Formen geben.Die Seele fühlt sich überall von Tönen umwogt, und sie empfindet, wie sie sichden Leib nach diesen Tonkräften ausgestaltet. Es bildeten sich soMenschengestalten auf der damaligen Stufe aus, die für ein gegenwärtigesBewußtsein in keiner Außenwelt beobachtet werden können. Wiefeinsubstantielle pflanzen- und blumenartige Formen bilden sie sich aus, welcheaber innerlich beweglich sind und demnach wie flatternde Blumen erscheinen.Und das selige Gefühl seines Gestaltens zu solchen Formen durchlebt derMensch während seiner Erdenzeit. Die Aufnahme der wässerigen Teile wird inder Seele als Kraftzufuhr, als innerliche Stärkung empfunden. Nach außenerscheint es als Wachsen des physischen Menschengebildes. Mit demAbnehmen der unmittelbaren Sonnenwirkung verliert auch die Menschenseeledie Kraft, diese Vorgänge zu beherrschen. Sie werden nach und nachabgeworfen. Nur diejenigen Teile bleiben, welche den oben charakterisiertenKeim reifen lassen. Der Mensch aber verläßt seinen Leib und kehrt in diegeistige Daseinsform zurück. (Da nicht alle Teile des Erdenkörpers zum Aufbauvon Menschenleibern verwendet werden, so hat man sich auch nichtvorzustellen, daß in der Nachtzeit der Erde diese einzig nur aus den verfallendenLeichnamen und den auf Erweckung wartenden Keimen besteht. (228) Allesdieses ist eingelagert in andere Gebilde, die aus den Substanzen der Erde sichformen. Wie es sich mit diesen verhält, soll sich später zeigen.)

(69) Nun setzt sich aber der Vorgang der Verdichtung der Erdensubstanz fort.Zu dem wässerigen Elemente tritt das feste, das man «erdig» nennen kann,hinzu. Und damit beginnt auch der Mensch, während seiner Erdenzeit seinemLeibe das erdige Element einzugliedern. Sobald diese Eingliederung beginnt,haben die Kräfte, welche sich die Seele mitbringt aus ihrer leibfreien Zeit, nichtmehr dieselbe Macht wie vorher. Früher gestaltete sich die Seele den Leib ausdem feurigen, dem luftigen und dem wässerigen Element nach Maßgabe derTöne, die sie umklangen, und der Lichtbilder, welche sie umspielten. Gegenüberder verfestigten Gestalt kann das die Seele nicht. Es greifen nunmehr in dieGestaltung andere Mächte ein. In dem, was vom Menschen zurückbleibt, wenndie Seele aus dem Leibe weicht, stellt sich nunmehr nicht nur ein Keim dar,welcher durch die wiederkehrende Seele zum Leben entfacht wird, sondern einGebilde, welches auch die Kraft dieser Belebung selbst in sich enthält. Die Seeleläßt bei ihrem Scheiden nicht bloß ihr Nachbild auf der Erde zurück sondern sieversenkt auch einen Teil ihrer belebenden Macht in dieses Abbild. Sie kannbeim Wiedererscheinen auf der Erde nun nicht mehr allein das Abbild zumLeben erwecken, sondern es muß im Abbild selbst die Belebung geschehen.(229)

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Die geistigen Wesen, welche von der Sonne aus auf die Erde wirken, erhaltenjetzt die belebende Kraft in dem Menschenleibe, auch wenn der Mensch nichtselbst auf der Erde ist. So fühlt jetzt die Seele bei ihrer Verkörperung nicht nurdie sie umwogenden Töne und Lichtbilder, in denen sie die zunächst über ihrstehenden Wesen empfindet, sondern sie erlebt durch das Empfangen deserdigen Elementes den Einfluß jener noch höheren Wesen, die auf der Sonneihren Schauplatz aufgeschlagen haben. Vorher empfand der Mensch sich dengeistig-seelischen Wesen angehörig, mit denen er vereint war, wenn er leibfreiwar. In ihrem Schoße war noch sein «Ich». Nun trat ihm dieses «Ich» ebensowährend der physischen Verkörperung entgegen, wie das andere, was um ihnwar während dieser Zeit. Selbständige Abbilder des seelisch-geistigenMenschenwesens waren nunmehr auf der Erde. Es waren dies im Vergleiche mitdem gegenwärtigen Menschenleibe Gebilde von feiner Stofflichkeit. Denn dieerdigen Teile mischten sich ihnen nur in feinstem Zustande bei. Etwa so, wie dergegenwärtige Mensch die fein verteilten Substanzen eines Gegenstandes mitseinem Geruchsorgan aufnimmt. Wie Schatten waren die Menschenleiber. Dasie aber auf die ganze Erde verteilt waren, so gerieten sie unter dieEinwirkungen der Erde, die auf verschiedenen Teilen von deren Oberflächeverschiedener Art waren. Während vorher die leiblichen Abbilder dem siebelebenden Seelenmenschen entsprachen und deshalb wesentlich gleich warenüber die ganze Erde hin, so trat jetzt Verschiedenheit unter denMenschenformen auf Damit bereitete sich das vor, was später alsVerschiedenheit der Rassen auftrat. – (230) Mit dem Selbständigwerden desleiblichen Menschen war aber die vorherige enge Verbindung desErdenmenschen und der geistig-seelischen Welt bis zu einem gewissen Gradegelöst. Wenn nunmehr die Seele den Leib verließ, so lebte dieser etwas wie eineFortsetzung des Lebens weiter. – Wäre nun die Entwickelung in dieser Artfortgeschritten, so hätte die Erde unter dem Einfluß ihres festen Elementesverhärten müssen. Der auf diese Verhältnisse zurückblickenden übersinnlichenErkenntnis zeigt sich, wie sich die Menschenleiber, da sie von ihren Seelenverlassen sind, immer mehr verfestigen. Und nach einiger Zeit würden die zurErde zurückkehrenden Menschenseelen kein brauchbares Material gefundenhaben, mit dem sie sich hätten vereinigen können. Alle für den Menschenbrauchbaren Stoffe wären verwendet worden, um die Erde anzufüllen mit denverholzten Überresten von Verkörperungen.

(70) Da trat ein Ereignis ein, welches der ganzen Entwickelung eine andereWendung gab. Alles, was im festen Erdenstoffe zur bleibenden Verhärtungbeitragen konnte, wurde ausgeschieden. Unser gegenwärtiger Mond verließdamals die Erde. Und was vorher unmittelbar in der Erde zur bleibendenFormbildung beigetragen hatte, das wirkte jetzt mittelbar in abgeschwächter Artvom Monde aus. Die höheren Wesen, von denen diese Formbildung abhängt,hatten beschlossen, ihre Wirkungen nicht mehr vom Innern der Erde, sondernvon außen dieser zukommen zu lassen.

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Dadurch trat in den leiblichen Menschengebilden eine Verschiedenheit auf,welche man als den Anfang der Trennung in ein männliches und weiblichesGeschlecht bezeichnen muß. Die feinstofflichen Menschengestalten, die vorherdie Erde bewohnten, ließen durch das Zusammenwirken der beiden Kräfte insich selber, des Keimes und der belebenden Kraft, die neue Menschenform,ihren Nachkömmling, hervorgehen. (231) Jetzt bildeten sich dieseNachkömmlinge um. In der einen Gruppe solcher Nachkömmlinge wirkte mehrdie Keimkraft des Geistig-Seelischen, in der anderen Gruppe mehr diebelebende Keimkraft. Das wurde dadurch bewirkt, daß mit dem Herausgang desMondes von der Erde das Erdenelement seine Gewalt abgeschwächt hatte. DasAufeinanderwirken der beiden Kräfte wurde nunmehr zarter, als es war, da es ineinem Leibe geschah. Demzufolge war auch der Nachkömmling zarter, feiner.Er betrat die Erde in einem feinen Zustande und gliederte sich erst allmählichdie festeren Teile ein. Damit war für die auf die Erde zurückkehrendeMenschenseele wieder die Möglichkeit der Vereinigung mit dem Leibe gegeben.Sie belebte ihn jetzt zwar nicht mehr von außen, denn diese Belebung geschahauf der Erde selbst. Aber sie vereinigte sich mit ihm und brachte ihn zumWachsen. Diesem Wachstum war allerdings eine gewisse Grenze gesetzt. Durchdie Mondenabtrennung war für eine Weile der Menschenleib biegsamgeworden; aber je mehr er auf der Erde weiter wuchs, desto mehr nahmen dieverfestigenden Kräfte überhand. Zuletzt konnte sich die Seele nur immerschwächer und schwächer an der Gliederung des Leibes beteiligen. Dieserverfiel, indem die Seele zu geistigseelischen Daseinsweisen aufstieg.

(71) Man kann verfolgen, wie die Kräfte, welche sich der Mensch nach undnach während der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung angeeignet hat,allmählich während der beschriebenen Erdengestaltung sich an demMenschenfortschreiten beteiligen. Erst ist es der Astralleib, der auch denLebensleib und den physischen Leib noch in sich aufgelöst enthält, welcher vondem Erdenfeuer entzündet wird. (232) Dann gliedert sich dieser Astralleib ineinen feineren astralischen Teil, die Empfindungsseele, und in einen gröberen,ätherischen, welcher nunmehr von dem Erdenelement berührt wird. Es kommtdamit der schon vorgebildete Äther- oder Lebensleib zum Vorschein. Undwährend im astralischen Menschen sich die Verstandes- und Bewußtseinsseeleausbilden, gliedern sich im Ätherleibe die gröberen Teile ab, welche für Ton undLicht empfänglich sind. In dem Zeitpunkte, wo der Ätherleib sich noch mehrverdichtet, so daß er von einem Lichtleib zu einem Feuer- oder Wärmeleib wird,da ist auch die Entwickelungsstufe eingetreten, in welcher, wie obencharakterisiert, die Teile des festen Erdenelementes sich dem Menscheneingliedern. Weil der Ätherleib sich bis zum Feuer herab verdichtet hat, so kanner nun auch durch die Kräfte des physischen Leibes, welche ihm vorhereingepflanzt sind, sich mit den bis zum Feuerzustande verdünnten Substanzender physischen Erde verbinden. Er könnte aber nicht mehr allein auch dieLuftsubstanzen in den mittlerweile fester gewordenen Leib einführen.

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Da treten, wie oben angedeutet, die höheren Wesen, die auf der Sonne wohnen,ein und hauchen ihm die Luft ein. Während so der Mensch vermöge seinerVergangenheit selbst die Kraft hat, sich mit dem irdischen Feuer zudurchdringen, lenken höhere Wesen den Luftodem in seinen Leib. Vor derVerfestigung war des Menschen Lebensleib als Tonempfänger der Lenker derLuftströmung. Er durchdrang seinen physischen Leib mit dem Leben. jetztempfängt sein physischer Leib ein äußeres Leben. Die Folge davon ist, daßdieses Leben unabhängig wird von dem Seelenteile des Menschen. Dieser läßtnun beim Verlassen der Erde nicht nur seinen Formkeim zurück, sondern einlebendiges Abbild seiner selbst. (233) Die «Geister der Form» bleiben nun mitdiesem Abbild vereinigt; sie führen das von ihnen verliehene Leben auch auf dieNachkömmlinge über, wenn die Menschenseele aus dem Leibe gewichen ist. Sobildet sich das heraus, was Vererbung genannt werden kann. Und wenn dieMenschenseele dann wieder auf der Erde erscheint, dann empfindet sie sich ineinem Leibe, dessen Leben aus den Vorfahren herübergeleitet worden ist. Siefühlt sich gerade zu einem solchen Leibe besonders hingezogen. Es bildet sichdadurch etwas aus wie eine Erinnerung an den Vorfahren, mit dem sich dieSeele eins fühlt. Durch die Folge der Nachkommen geht diese Erinnerung wieein gemeinsames Bewußtsein. Das «Ich» strömt herunter durch dieGenerationen.

(72) Der Mensch empfand sich auf dieser Entwickelungsstufe während seinerErdenzeit als ein selbständiges Wesen. Er fühlte das innere Feuer seinesLebensleibes verbunden mit dem äußeren Feuer der Erde. Er konnte die ihndurchströmende Wärme als sein «Ich» fühlen. In diesen Wärmeströmungen, dievon Leben durchwoben sind, ist die Anlage der Blutzirkulation zu finden. Indem aber, was als Luft in ihn hineinströmte, fühlte der Mensch nicht ganz seineigenes Wesen. In dieser Luft waren ja die Kräfte der charakterisierten höherenWesen tätig. Aber es war ihm doch derjenige Teil der Wirkenskräfte innerhalbder ihn durchströmenden Luft geblieben, welcher ihm schon durch seine frühergebildeten Ätherkräfte eigen war. Er war Herrscher in einem Teil dieserLuftströmungen. Und insofern wirkten in seiner Gestaltung nicht nur diehöheren Wesen, sondern auch er selbst. Nach den Bildern seines Astralleibesgestaltete er in sich die Luftteile. (234) Während so von außen Luft einströmtein seinen Leib, was zur Grundlage seiner Atmung wurde, gliederte sich ein Teilder Luft im Innern zu einem dem Menschen eingeprägten Organismus, welcherdie Grundlage wurde des späteren Nervensystems. Durch Wärme und Luft standalso der Mensch damals in Verbindung mit der Außenwelt der Erde. – Dagegenempfand er nichts von der Einführung des festen Elementes der Erde; dieseswirkte mit bei seiner Verkörperung auf der Erde, aber er konnte die Zuführungnicht unmittelbar wahrnehmen, sondern nur in einem dumpfen Bewußtsein imBilde der höheren Wesenheiten, welche darin wirksam waren. In solcherBildform als Ausdruck von Wesen, die über ihm stehen, hatte der Mensch auchfrüher die Zuführung der flüssigen Erdenelemente wahrgenommen.

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Durch die Verdichtung der Erdengestalt des Menschen haben nun diese Bilderin seinem Bewußtsein eine Veränderung erfahren. Dem flüssigen Elemente istdas feste beigemischt. So muß also auch diese Zuführung als von den höheren,von außen wirkenden Wesen empfunden werden. Der Mensch kann in seinerSeele nicht mehr die Kraft haben, selbst die Zuführung zu lenken, denn dieselbemuß jetzt seinem von außen aufgebauten Leibe dienen. Er würde dessen Gestaltverderben, wenn er die Zuführung selbst lenken wollte. So erscheint ihm denndasjenige, was er sich von außen zuführt, durch die Machtgebote gelenkt,welche ausgehen von den höheren Wesen, die an seiner Leibesgestaltungwirken. Der Mensch fühlt sich als ein Ich; er hat in sich seine Verstandesseeleals einen Teil seines Astralleibes, durch die er innerlich als Bilder erlebt, wasaußen vorgeht, und durch die er sein feines Nervensystem durchdringt. Er fühltsich als Abkömmling von Vorfahren vermöge des durch die Generationenströmenden Lebens. Er atmet und empfindet das als Wirkung dergekennzeichneten höheren Wesen, welche die «Geister der Form» sind. (235)Und er fügt sich diesen auch in dem, was ihm durch ihre Impulse von außen (zuseiner Nahrung) zugeführt wird. Am dunkelsten ist ihm seine Herkunft alsIndividuum. Er fühlt davon nur, daß er von den in Erdenkräften sichausdrückenden «Geistern der Form» einen Einfluß erlebt hat. Der Mensch wargelenkt und geleitet in seinem Verhältnis zur Außenwelt. Zum Ausdruck kommtdies dadurch, daß er von den hinter seiner physischen Welt sich abspielendengeistig-seelischen Tätigkeiten ein Bewußtsein hat. Er nimmt zwar nicht diegeistigen Wesen in deren eigener Gestalt wahr, aber er erlebt in seiner SeeleTöne, Farben usw. Und er weiß, daß in dieser Vorstellungswelt die Taten dergeistigen Wesen leben. Es ertönt zu ihm, was diese Wesen ihm mitteilen; eserscheinen ihm deren Offenbarungen in Lichtbildern. Am innerlichsten fühltsich der Erdenmensch durch die Vorstellungen, welche er durch das Element desFeuers oder der Wärme empfängt. Er unterscheidet bereits seine innere Wärmeund die Wärmeströmungen des irdischen Umkreises. In den letzteren offenbarensich die «Geister der Persönlichkeit». Aber der Mensch hat nur ein dunklesBewußtsein von dem, was hinter den Strömungen der äußeren Wärme steht. Erempfindet gerade in diesen Strömungen den Einfluß der «Geister der Form».Wenn mächtige Wärmewirkungen in der Umgebung des Menschen auftauchen,dann fühlt die Seele: jetzt durchglühen die geistigen Wesen den Umkreis derErde, von denen ein Funke sich losgelöst hat und mein Inneres durchwärmt. Inden Lichtwirkungen unterscheidet der Mensch noch nicht ganz in derselben ArtÄußeres und Inneres. Wenn Lichtbilder in der Umgebung auftauchen, dannerzeugen diese in der Seele des Erdenmenschen nicht immer das gleiche Gefühl.(236) Es gab Zeiten, in welchen der Mensch diese Lichtbilder als äußereempfand. Es war in der Zeit, nachdem er eben aus dem leibfreien Zustande indie Verkörperung herabgestiegen war. Es war die Periode seines Wachstums aufder Erde. Wenn dann die Zeit heranrückte, wo der Keim zum neuenErdenmenschen sich bildete, dann verblaßten diese Bilder.

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Und der Mensch behielt nur etwas wie innere Erinnerungsvorstellungen an siezurück In diesen Lichtbildern waren die Taten der «Feuergeister» (Erzengel)enthalten. Sie erschienen dem Menschen wie die Diener der Wärmewesen,welche einen Funken in sein Inneres senkten. Wenn ihre äußeren Offenbarungenverlöschten, dann erlebte sie der Mensch als Vorstellungen (Erinnerungen) inseinem Innern. Er fühlte sich mit ihren Kräften verbunden. Und das war er auch.Denn er konnte durch dasjenige, was er von ihnen empfangen hatte, auf denumgebenden Luftkreis wirken. Dieser begann unter seinem Einfluß zu leuchten.Es war damals eine Zeit, in welcher Naturkräfte und Menschenkräfte noch nichtin der Art voneinander geschieden waren wie später. Was auf der Erde geschah,ging in hohem Maße noch von den Kräften der Menschen aus. Wer damals vonaußerhalb der Erde die Naturvorgänge auf derselben beobachtet hätte, der hättein diesen nicht nur etwas gesehen, was von dem Menschen unabhängig ist,sondern er hätte in ihnen die Wirkungen der Menschen wahrgenommen. Nochanders gestalteten sich für den Erdenmenschen die Tonwahrnehmungen. Siewurden als äußere Töne vom Beginn des Erdenlebens an wahrgenommen.Während die Lichtbilder von außen bis in die mittlere Zeit des menschlichenErdendaseins wahrgenommen wurden, konnten die äußeren Töne noch nachdieser Mittelzeit gehört werden. (237) Erst gegen Ende des Lebens wurde derErdenmensch für sie unempfindlich. Und es blieben ihm dieErinnerungsvorstellungen an diese Töne. In ihnen waren die Offenbarungen der«Söhne des Lebens» (der Engel) enthalten. Wenn der Mensch gegen seinLebensende sich innerlich mit diesen Kräften verbunden fühlte, dann konnte erdurch Nachahmung derselben mächtige Wirkungen in dem Wasserelemente derErde hervorbringen. Es wogten die Wasser in und über der Erde unter seinemEinfluß. Geschmacksvorstellungen hatte der Mensch nur im ersten Viertel seinesErdenlebens. Und auch da erschienen sie der Seele wie eine Erinnerung an dieErlebnisse im leibfreien Zustand. Solange sie der Mensch hatte, dauerte dieVerfestigung seines Leibes durch Aufnahme äußerer Substanzen. Im zweitenViertel des Erdenlebens dauerte wohl noch das Wachstum fort, doch war dieGestalt schon eine fertig ausgebildete. Andere lebendige Wesen neben sichkonnte der Mensch in dieser Zeit nur durch deren Wärme, Licht undTonwirkungen wahrnehmen. Denn er war noch nicht fähig, das feste Elementsich vorzustellen. Nur vom Wässerigen bekam er im ersten Viertel seinesLebens die geschilderten Geschmackswirkungen.

(73) Ein Abbild dieses inneren Seelenzustandes des Menschen war dessenäußere Körperform. Diejenigen Teile, welche die Anlage zur späteren Kopfformenthielten, waren am vollkommensten ausgebildet. Die andern Organeerschienen nur wie Anhängsel. Diese waren schattenhaft und undeutlich. Dochwaren die Erdenmenschen verschieden in bezug auf die Gestalt. Es gab solche,bei denen je nach den Erdenverhältnissen, unter denen sie lebten, die Anhängselmehr oder weniger ausgebildet waren. Es war dies nach den Wohnplätzen derMenschen auf der Erde verschieden. (238)

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Wo die Menschen mehr in die Erdenwelt verstrickt wurden, da traten dieAnhängsel mehr in den Vordergrund. Diejenigen Menschen, welche beimBeginn der physischen Erdenentwickelung durch ihre vorangehendeEntwickelung am reifsten waren, so daß sie gleich im Anfange, als die Erdenoch nicht zur Luft verdichtet war, die Berührung mit dem Feuerelementerlebten, konnten jetzt die Kopfanlagen am vollkommensten ausbilden. Daswaren die in sich am meisten harmonischen Menschen. Andere waren erst zurBerührung mit dem Feuerelement bereit, als die Erde schon die Luft in sichausgebildet hatte. Es waren dies Menschen, welche mehr von den äußerenVerhältnissen abhängig waren als die ersten. Diese ersten empfanden durch dieWärme die «Geister der Form» deutlich, und sie fühlten sich in ihremErdenleben so, wie wenn sie eine Erinnerung daran bewahrten, daß sie mitdiesen Geistern zusammengehören und mit ihnen verbunden waren im leibfreienZustand. Die zweite Art von Menschen fühlte die Erinnerung an den leibfreienZustand nur in geringerem Maße; sie empfanden ihre Zusammengehörigkeit mitder geistigen Welt vorzüglich durch die Lichtwirkungen der «Feuergeister»(Erzengel). Eine dritte Art von Menschen war noch mehr in das Erdendaseinverstrickt. Es waren diejenigen, welche erst von dem Feuerelement berührtwerden konnten, als die Erde von der Sonne getrennt war und das wässerigeElement in sich aufgenommen hatte. Ihr Gefühl für Zusammengehörigkeit mitder geistigen Welt war insbesondere im Beginn des Erdenlebens gering. Erst alsdie Wirkungen der Erzengel und namentlich der Engel im innerenVorstellungsleben sich geltend machten, empfanden sie diesen Zusammenhang.(239) Dagegen waren sie im Beginne der Erdenzeit voll reger Impulse für Taten,welche sich in den irdischen Verhältnissen selbst verrichten lassen. Bei ihnenwaren die Anhangsorgane besonders stark entwickelt.

(74) Als vor der Trennung des Mondes von der Erde die Mondenkräfte in derletzteren immer mehr zur Verfestigung führten, geschah es, daß durch dieseKräfte unter den Nachkömmlingen der von den Menschen auf der Erdezurückgelassenen Keime solche waren, in denen sich die aus dem leibfreienZustande zurückkehrenden Menschenseelen nicht mehr verkörpern konnten. DieGestalt solcher Nachkömmlinge war zu verfestigt und durch die Mondenkräftezu unähnlich einer Menschengestalt geworden, um eine solche aufnehmen zukönnen. Es fanden daher gewisse Menschenseelen unter solchen Verhältnissennicht mehr die Möglichkeit, zur Erde zurückzukehren. Nur die reifsten, diestärksten der Seelen konnten sich gewachsen fühlen, während des Wachstumsdes Erdenleibes diesen so umzuformen, daß er zur Menschengestalt erblühte.Nur ein Teil der leiblichen Menschennachkömmlinge wurde zu Trägernirdischer Menschen. Ein anderer Teil konnte wegen der verfestigten Gestalt nurSeelen aufnehmen, welche niedriger standen als diejenigen der Menschen. Vonden Menschenseelen wurde aber ein Teil gezwungen, die damaligeErdenentwickelung nicht mitzumachen. Dadurch wurden sie zu einer andern Artdes Lebenslaufes gebracht.

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Es gab Seelen, welche schon bei der Trennung der Sonne von der Erde keinenPlatz auf dieser fanden. Sie wurden für ihre weitere Entwickelung auf einenPlaneten entrückt, der sich unter Führung kosmischer Wesenheiten loslöste ausder allgemeinen Weltensubstanz, welche beim Beginne der physischenErdenentwickelung mit dieser verbunden war und aus welcher sich auch dieSonne herausgesondert hatte. (240) Dieser Planet ist derjenige, dessenphysischen Ausdruck die äußere Wissenschaft als «Jupiter» kennt. (Es wird hiergenau in dem Sinne von Himmelskörpern, Planeten und deren Namengesprochen, wie es eine ältere Wissenschaft noch getan hat. Wie die Dingegemeint sind, geht aus dem Zusammenhange hervor. Wie die physische Erdenur der physische Ausdruck eines geistig-seelischen Organismus ist, so ist dasauch für jeden anderen Himmelskörper der Fall. Und so wenig der Beobachterdes Übersinnlichen mit dem Namen «Erde» bloß den physischen Planeten, mit«Sonne» bloß den physischen Fixstern bezeichnet, so meint er auch weitegeistige Zusammenhänge, wenn er von «Jupiter», «Mars» usw. redet. DieHimmelskörper haben naturgemäß die Gestalt und Aufgabe wesentlichverändert seit jenen Zeiten, von denen hier gesprochen wird – in gewisserBeziehung sogar ihren Ort im Himmelsraume. Nur wer mit dem Blick derübersinnlichen Erkenntnis die Entwickelung dieser Himmelskörperzurückverfolgt bis in urferne Vergangenheiten, vermag den Zusammenhang dergegenwärtigen Planeten mit ihren Vorfahren zu erkennen.) Auf dem «Jupiter»entwickelten sich die charakterisierten Seelen zunächst weiter. Und später, alssich die Erde immer mehr dem Festen zuneigte, da mußte noch ein andererWohnplatz für Seelen geschaffen werden, die zwar die Möglichkeit hatten, eineZeitlang die verfestigten Körper zu bewohnen, dann aber dies nicht mehrkonnten, als diese Verfestigung zu weit fortgeschritten war. Für sie entstand im«Mars» ein entsprechender Platz zu ihrer weiteren Entwickelung. Schon alsnoch die Erde mit der Sonne verbunden war und ihre luftigen Elemente sicheingliederte, da stellte es sich heraus, daß die Seelen sich ungeeignet erwiesen,um die Erdenentwickelung mitzumachen. (241) Sie wurden durch die irdischeKörpergestalt zu stark berührt. Deshalb mußten sie schon damals demunmittelbaren Einflusse der Sonnenkräfte entzogen werden. Diese mußten vonaußen auf sie wirken. Diesen Seelen wurde auf dem «Saturn» ein Platz derWeiterentwickelung. So nahm im Verlaufe der Erdenentwickelung die Zahl derMenschengestalten ab; es traten Gestalten auf, welche nicht Menschenseelenverkörpert hatten. Sie konnten nur Astralleiber in sich aufnehmen, wie diephysischen Leiber und die Lebensleiber des Menschen auf dem alten Monde sieaufgenommen hatten. Während die Erde in bezug auf ihre menschlichenBewohner verödete, besiedelten diese Wesen sie.

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Es hätten endlich alle Menschenseelen die Erde verlassen müssen, wenn nichtdurch die Loslösung des Mondes für die Menschengestalten, die damals nochmenschlich beseelt werden konnten, die Möglichkeit geschaffen worden wäre,während ihres Erdenlebens den Menschenkeim den unmittelbar von der Erdekommenden Mondenkräften zu entziehen und ihn in sich so weit reifen zulassen, bis er diesen Kräften überliefert werden konnte. Solange dann der Keimim Innern des Menschen sich gestaltete, war er unter der Wirkung der Wesen,die unter der Führung ihres mächtigsten Genossen den Mond aus der Erde gelösthatten, um deren Entwickelung über einen kritischen Punkt hinüberzugeleiten.

(75) Als die Erde das Luftelement in sich ausgebildet hatte, gab es im Sinneder obigen Schilderung solche Astralwesen als Überbleibsel vom alten Monde,welche weiter in der Entwickelung zurückgeblieben waren als die niederstenMenschenseelen. Sie wurden die Seelen derjenigen Gestalten, welche noch vorder Sonnentrennung vom Menschen verlassen werden mußten. (242) DieseWesen sind die Vorfahren des Tierreiches. Sie entwickelten im fernernZeitenlauf besonders jene Organe, welche beim Menschen nur als Anhängselvorhanden waren. Ihr Astralleib mußte auf den physischen und den Lebensleibso wirken, wie das beim Menschen auf dem alten Monde der Fall war. Die soentstandenen Tiere hatten nun Seelen, welche nicht in dem einzelnen Tierewohnen konnten. Es dehnte die Seele ihr Wesen auch auf den Nachkömmlingder Vorfahrengestalt aus. Es haben die im wesentlichen von einer Gestaltabstammenden Tiere zusammen eine Seele. Nur wenn der Nachkomme sichdurch besondere Einflüsse von der Gestalt der Vorfahren entfernt, tritt eine neueTierseele in Verkörperung. Man kann in diesem Sinne bei den Tieren in derGeisteswissenschaft von einer Art- (oder Gattungs-) oder auch Gruppenseelereden.

(76) Etwas Ähnliches ging vor zur Zeit der Trennung von Sonne und Erde.Aus dem wässerigen Elemente heraus traten Gestalten, welche in ihrerEntwickelung nicht weiter waren als der Mensch vor der Entwickelung auf demalten Monde. Sie konnten von einem Astralischen nur eine Wirkung empfangen,wenn dieses von außen sie beeinflußte. Das konnte erst nach dem Fortgang derSonne von der Erde geschehen. Jedesmal, wenn die Sonnenzeit der Erde eintrat,regte das Astralische der Sonne diese Gestalten so an, daß sie aus demÄtherischen der Erde sich ihren Lebensleib bildeten. Wenn dann die Sonne sichabkehrte von der Erde, dann löste sich dieser Lebensleib in dem allgemeinenErdenleib wieder auf. Und als Folge des Zusammenwirkens des Astralischenvon der Sonne und des Ätherischen von der Erde tauchten aus dem wässerigenElemente die physischen Gestalten auf, welche die Vorfahren des gegenwärtigenPflanzenreichs bildeten. (243)

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(77) Der Mensch ist auf der Erde zu einem individualisierten Seelenwesengeworden. Sein Astralleib, welcher ihm auf dem Monde durch die «Geister derBewegung» eingeflossen war, hat sich auf der Erde gegliedert in Empfindungs-,Verstandes- und Bewußtseinsseele. Und als seine Bewußtseinsseele so weitfortgeschritten war, daß sie sich während des Erdenlebens einen dazu geeignetenLeib bilden konnte, da begabten die «Geister der Form» ihn mit dem Funken ausihrem Feuer. Es wurde das «Ich» in ihm entfacht. jedesmal, wenn der Menschnun den physischen Leib verließ, so war er in der geistigen Welt, in welcher ermit den Wesen zusammentraf, welche ihm während der Saturn-, Sonnen- undMondenentwickelung seinen physischen Leib, seinen Lebensleib und seinenastralischen Leib gegeben und bis zur Erdenhöhe ausgebildet hatten. Seitdemder Feuerfunke des «Ich» sich im Erdenleben entzündet hatte, war auch für dasleibfreie Leben eine Veränderung eingetreten. Vor diesem Entwickelungspunkteseines Wesens hatte der Mensch gegenüber der geistigen Welt keineSelbständigkeit. Er fühlte sich innerhalb dieser geistigen Welt nicht wie eineinzelnes Wesen, sondern wie ein Glied in dem erhabenen Organismus, der ausden über ihm stehenden Wesen sich zusammensetzte. Das «Ich-Erlebnis» aufErden wirkt nun auch in die geistige Welt hinein nach. Der Mensch fühlt sichnunmehr auch in einem gewissen Grade als Einheit in dieser Welt. Aber erempfindet auch, daß er unaufhörlich verbunden ist mit derselben Welt. Er findetim leibfreien Zustand die «Geister der Form» in einer höhern Gestalt wieder, dieer in ihrer Offenbarung auf der Erde durch den Funken seines «Ich»wahrgenommen hat. (244)

(78) Mit der Trennung des Mondes von der Erde bildeten sich auch in dergeistigen Welt Erlebnisse für die leibfreie Seele heraus, welche mit dieserTrennung zusammenhingen. Es wurde ja nur dadurch möglich, solcheMenschengestalten auf der Erde fortzubilden, welche die Individualität der Seeleaufnehmen konnten, daß ein Teil der gestaltenden Kräfte von der Erde auf denMond übergeführt wurde. Dadurch ist die Menschenindividualität in denBereich der Mondenwesen gekommen. Und es konnte im leibfreien Zustandeder Nachklang an die Erdenindividualität nur dadurch wirken, daß auch fürdiesen Zustand die Seele im Bereich der mächtigen Geister blieb, welche dieMondabtrennung herbeigeführt hatten. Der Vorgang bildete sich so heraus, daßunmittelbar nach dem Verlassen des Erdenleibes die Seele nur wie in einem vonden Mondenwesen zurückgeworfenen Glanz die hohen Sonnenwesen sehenkonnte. Erst, wenn sie durch das Schauen dieses Abglanzes genügendvorbereitet war, kam die Seele zum Anblick der hohen Sonnenwesen selbst.

(79) Auch das Mineralreich der Erde ist durch Ausstoßung aus derallgemeinen Menschheitsentwickelung entstanden. Seine Gebilde sinddasjenige, was verfestigt geblieben ist, als der Mond sich von der Erde trennte.

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Zu diesen Gebilden fühlte sich vom Seelenhaften nur dasjenige hingezogen, wasauf der Saturnstufe stehengeblieben war, was also nur geeignet ist, physischeFormen zu bilden. Alle Ereignisse, von denen hier und im folgenden die Redeist, spielten sich im Laufe gewaltig langer Zeiträume ab. Doch kann aufZeitbestimmungen hier nicht eingegangen werden.

(80) Die geschilderten Vorgänge stellen die Erdenentwickelung von deräußeren Seite dar; von der Seite des Geistes betrachtet, ergibt sich das Folgende.(245) Die geistigen Wesenheiten, welche den Mond aus der Erde herauszogenund ihr eigenes Dasein mit dem Monde verbanden – also Erden-Mondenwesenwurden –, bewirkten durch die Kräfte, die sie von dem letzteren Weltkörper ausauf die Erde sandten, eine gewisse Gestaltung der menschlichen Organisation.Ihre Wirkung ging auf das vom Menschen erworbene «Ich». In demZusammenspiel dieses «Ich» mit Astralleib, Ätherleib und physischem Leibmachte sich diese Wirkung geltend. Durch sie entstand im Menschen dieMöglichkeit, die weisheitsvolle Gestaltung der Welt in sich bewußt zu spiegeln,sie abzubilden wie in einer Erkenntnisspiegelung. Man erinnere sich, wiegeschildert worden ist, daß während der alten Mondenzeit der Mensch durch diedamalige Abtrennung von der Sonne in seiner Organisation eine gewisseSelbständigkeit, einen freieren Grad des Bewußtseins erworben hat, als der war,welcher unmittelbar von den Sonnenwesen ausgehen konnte. Dieses freie,selbständige Bewußtsein trat – als Erbe der alten Mondenentwickelung wiederauf während der charakterisierten Zeit der Erdenentwickelung. Es konnte abergerade dieses Bewußtsein, durch den Einfluß der gekennzeichnetenErden-Mondenwesen wieder zum Einklange mit dem Weltall gebracht, zu einemAbbilde desselben gemacht werden. Das wäre geschehen, wenn sich keinanderer Einfluß geltend gemacht hätte. Ohne einen solchen wäre der Mensch einWesen geworden mit einem Bewußtsein, dessen Inhalt wie durchNaturnotwendigkeit, nicht durch sein freies Eingreifen die Welt in den Bilderndes Erkenntnislebens gespiegelt hätte. Es ist dieses nicht so geworden. Esgriffen in die Entwickelung des Menschen gerade zur Zeit derMondenabspaltung gewisse geistige Wesenheiten ein, welche von ihrerMondennatur so viel zurückbehalten hatten, daß sie nicht teilnehmen konnten andem Hinausgang der Sonne aus der Erde. (246) Und daß sie auchausgeschlossen waren von den Wirkungen der Wesen, welche vomErden-Monde aus zur Erde hin sich tätig erwiesen. Diese Wesen mit der altenMondennatur waren gewissermaßen mit unregelmäßiger Entwickelung auf dieErde gebannt. In ihrer Mondnatur lag gerade das, was während der altenMondenentwickelung sich gegen die Sonnengeister aufgelehnt hatte, wasdamals dem Menschen insofern zum Segen war, als durch es der Mensch zueinem selbständigen, freien Bewußtseinszustand geführt worden war.

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Die Folgen der eigenartigen Entwickelung dieser Wesen während der Erdenzeitbrachten es mit sich, daß sie während derselben zu Gegnern wurden derjenigenWesen, die vom Monde aus das menschliche Bewußtsein zu einem notwendigenErkenntnisspiegel der Welt machen wollten. Was auf dem alten Monde demMenschen zu einem höhern Zustande verhalf, ergab sich als das Widerstrebendegegenüber der Einrichtung, welche durch die Erdenentwickelung möglichgeworden war. Die widerstrebenden Mächte hatten sich aus ihrer Mondennaturdie Kraft mitgebracht, auf den menschlichen Astralleib zu wirken, nämlich – imSinne der obigen Darlegungen -diesen selbständig zu machen. Sie übten dieseKraft aus, indem sie diesem Astralleib eine gewisse Selbständigkeit – auchnunmehr für die Erdenzeit – gaben gegenüber dem notwendigen (unfreien)Bewußtseinszustande, welcher durch die Wesen des Erdenmondes bewirktwurde. Es ist schwierig, mit gangbaren Worten zum Ausdrucke zu bringen, wiedie Wirkungen der charakterisierten geistigen Wesenheiten auf den Menschen inder gekennzeichneten Urzeit waren. (247) Man darf sie weder denken wiegegenwärtige Natur-Einflüsse, noch etwa so, wie die Wirkung des einenMenschen auf den andern geschieht, wenn der erstere in dem zweiten durchWorte innere Bewußtseinskräfte wachruft, wodurch der zweite etwas verstehenlernt oder zu einer Tugend oder Untugend angeregt wird. Die gemeinte Wirkungin der Urzeit war keine Naturwirkung, sondern ein geistiger Einfluß, aber einsolcher, der auch geistig wirkte, der sich als geistiger übertrug von den höherenGeistwesen auf den Menschen gemäß dem damaligen Bewußtseinszustandedieses Menschen. Wenn man die Sache wie eine Naturwirkung denkt, so trifftman ganz und gar nicht ihre wahre Wesenheit. Wenn man dagegen sagt, dieWesenheiten mit der alten Mondennatur traten an den Menschen heran, um ihnfür ihre Ziele «verführend» zu gewinnen, so gebraucht man einen symbolischenAusdruck, der gut ist, solange man sich seiner Sinnbildlichkeit bewußt bleibtund sich zugleich klar ist, daß hinter dem Symbol eine geistige Tatsache steht.

(81) Die Wirkung, die von den im Mondenzustand zurückgebliebenenGeistwesen auf den Menschen ausging, hatte nun für diesen ein Zweifaches zurFolge. Sein Bewußtsein wurde dadurch des Charakters eines bloßen Spiegelsdes Weltalls entkleidet, weil im menschlichen Astralleibe die Möglichkeit erregtwurde, von diesem aus die Bewußtseinsbilder zu regeln und zu beherrschen. DerMensch wurde der Herr seiner Erkenntnis. Andrerseits aber wurde derAusgangspunkt dieser Herrschaft eben der Astralleib; und das diesemübergeordnete «Ich» kam dadurch in stetige Abhängigkeit von ihm. Dadurchward der Mensch in der Zukunft den fortdauernden Einflüssen eines niederenElementes in seiner Natur ausgesetzt. Er konnte in seinem Leben unter die Höheherabsinken, auf die er durch die Erden-Mondenwesen im Weltengange gestelltwar. (248) Und es blieb für die Folgezeit für ihn der fortdauernde Einfluß dercharakterisierten unregelmäßig entwickelten Mondwesen auf seine Naturbestehen.

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Man kann diese Mondwesen im Gegensatz zu den andern, welche vomErdenmonde aus das Bewußtsein zum Weltenspiegel formten, aber keinen freienWillen gaben, die luziferischen Geister nennen. Diese brachten dem Menschendie Möglichkeit, in seinem Bewußtsein eine freie Tätigkeit zu entfalten, damitaber auch die Möglichkeit des Irrtums, des Bösen.

(82) Die Folge dieser Vorgänge war, daß der Mensch in ein anderesVerhältnis zu den Sonnengeistern kam, als ihm vorbestimmt war durch dieErden-Mondgeister. Diese wollten den Spiegel seines Bewußtseins soentwickeln, daß im ganzen menschlichen Seelenleben der Einfluß derSonnengeister das Beherrschende gewesen wäre. Diese Vorgänge wurdendurchkreuzt und im Menschenwesen der Gegensatz geschaffen zwischen demSonnengeist-Einfluß und dem Einfluß der Geister mit unregelmäßigerMondenentwickelung. Durch diesen Gegensatz entstand im Menschen auch dasUnvermögen, die physischen Sonnenwirkungen als solche zu erkennen; sieblieben ihm verborgen hinter den irdischen Eindrücken der Außenwelt. DasAstralische im Menschen, erfüllt von diesen Eindrücken, wurde in den Bereichdes «Ich» gezogen. Dieses «Ich», welches sonst nur den ihm von den «Geisternder Form» verliehenen Funken des Feuers verspürt hätte und in allem, was dasäußere Feuer betraf, sich den Geboten dieser Geister untergeordnet hätte, wirktenunmehr auch durch das ihm selbst eingeimpfte Element auf die äußerenWärmeerscheinungen. Es stellte dadurch ein Anziehungsband her zwischen sichund dem Erdenfeuer. Dadurch verstrickte es den Menschen mehr, als das ihmvorbestimmt war, in die irdische Stofflichkeit. (249) Während er vorher einenphysischen Leib hatte, der in seinen Hauptteilen aus Feuer, Luft und Wasserbestand und dem nur etwas wie ein Schattenbild von Erdsubstanz beigesetztwar, wurde jetzt der Leib aus Erde dichter. Und während vorher der Menschmehr als ein feinorganisiertes Wesen über dem festen Erdboden in einer Artschwimmend-schwebender Bewegung war, mußte er nunmehr «aus demErdenumkreis» herabsteigen auf Teile der Erde, die schon mehr oder wenigerverfestigt waren.

(83) Daß solche physische Wirkungen der geschilderten geistigen Einflüsseeintreten konnten, erklärt sich daraus, daß diese Einflüsse derart waren, wie esoben geschildert worden ist. Sie waren eben weder Natureinflüsse noch solche,die seelisch von Mensch zu Mensch wirken. Die letzteren erstrecken ihreWirkung nicht so weit ins Körperliche wie die geistigen Kräfte, welche hier inBetracht kommen.

(84) Weil der Mensch nach seinen eigenen, dem Irrtum unterworfenenVorstellungen sich den Einflüssen der Außenwelt aussetzte, weil er nachBegierden und Leidenschaften lebte, welche er nicht nach höheren geistigenEinflüssen regeln ließ, trat die Möglichkeit von Krankheiten auf.

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Eine besondere Wirkung des luziferischen Einflusses war aber diejenige, daßnunmehr der Mensch sein einzelnes Erdenleben nicht wie eine Fortsetzung desleibfreien Daseins fühlen konnte. Er nahm nunmehr solche Erdeneindrücke auf,welche durch das eingeimpfte astralische Element erlebt werden konnten undwelche mit den Kräften sich verbanden, welche den physischen Leib zerstören.Das empfand der Mensch als Absterben seines Erdenlebens. Und der durch diemenschliche Natur selbst bewirkte «Tod» trat dadurch auf. Damit ist auf einbedeutsames Geheimnis in der Menschennatur gedeutet, auf denZusammenhang des menschlichen Astralleibes mit den Krankheiten und demTode. (250)

(85) Für den menschlichen Lebensleib traten nun besondere Verhältnisse ein.Er wurde in ein solches Verhältnis zwischen physischem Leib und Astralleibhineingegliedert, daß er in gewisser Beziehung den Fähigkeiten entzogen wurde,welche sich der Mensch durch den luziferischen Einfluß angeeignet hatte. EinTeil dieses Lebensleibes blieb außer dem physischen Leibe so, daß er nur vonhöheren Wesenheiten, nicht von dem menschlichen Ich beherrscht werdenkonnte. Diese höheren Wesenheiten waren diejenigen, welche bei derSonnentrennung die Erde verlassen hatten, um unter der Führung eines ihrererhabenen Genossen einen andern Wohnsitz einzunehmen. Wäre dercharakterisierte Teil des Lebensleibes mit dem astralischen Leibe vereinigtgeblieben, so hätte der Mensch übersinnliche Kräfte, die ihm vorher eigenwaren, in seinen eigenen Dienst gestellt. Er hätte den luziferischen Einfluß aufdiese Kräfte ausgedehnt. Dadurch hätte sich der Mensch allmählich ganz vonden Sonnenwesenheiten losgelöst. Und sein Ich wäre zu einem völligen Erden-Ich geworden. Es hätte so kommen müssen, daß dieses Erden-Ich nach demTode des physischen Leibes (beziehungsweise schon bei dessen Verfall) einenandern physischen Leib, einen Nachkommen-Leib, bewohnt hätte, ohne durcheine Verbindung mit höheren geistigen Wesenheiten in einem leibfreien Zustandhindurchzugehen. Der Mensch wäre so zum Bewußtsein seines Ich, aber nur alseines «irdischen Ich» gekommen. Das wurde abgewendet durch jenen Vorgangmit dem Lebensleibe, der durch die Erdmondenwesen bewirkt wurde. (251) Daseigentliche individuelle Ich wurde dadurch so losgelöst vom bloßen Erden-Ich,daß der Mensch sich während des Erdenlebens allerdings nur teilweise alseigenes Ich fühlte; zugleich fühlte er, wie sein Erden-Ich eine Fortsetzung wardes Erden-Ichs seiner Vorfahren durch die Generationen hindurch. Die Seelefühlte im Erdenleben eine Art «Gruppen-Ich» bis zu den fernen Ahnen, und derMensch empfand sich als Glied der Gruppe. In dem leibfreien Zustand konntedas individuelle Ich sich erst als Einzel-Wesen fühlen. Aber der Zustand dieserVereinzelung war dadurch beeinträchtigt, daß das Ich mit der Erinnerung an dasErdenbewußtsein (Erden-Ich) behaftet blieb. Das trübte den Blick für diegeistige Welt, die anfing, sich zwischen Tod und Geburt ähnlich mit einemSchleier zu verdecken wie für den physischen Blick auf Erden.

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(86) Der physische Ausdruck all der Veränderungen, welche in der geistigenWelt geschahen, während die Menschenentwickelung durch die geschildertenVerhältnisse hindurchging, war die allmähliche Regelung der gegenseitigenBeziehungen von Sonne, Mond und Erde (und im weiteren Sinne noch andererHimmelskörper). Von diesen Beziehungen sei als eine Folge der Wechsel vonTag und Nacht hervorgehoben. (Die Bewegungen der Himmelskörper werdendurch die sie bewohnenden Wesen geregelt. Die Bewegung der Erde, durchwelche Tag und Nacht entstehen, wurde durch das Wechselverhältnis derverschiedenen über den Menschen stehenden Geister bewirkt. Ebenso war auchdie Bewegung des Mondes zustande gekommen, damit nach der Trennung desMondes von der Erde, durch die Umdrehung des ersten um die zweite, die«Geister der Form» auf den physischen Menschenleib in der rechten Art, in demrichtigen Rhythmus, wirken konnten.) Bei Tag wirkten nun das Ich und derastralische Leib des Menschen in dem physischen und dem Lebensleib. (252)Bei Nacht hörte diese Wirkung auf. Da traten das Ich und der astralische Leibaus dem physischen und dem Lebensleibe heraus. Sie kamen in dieser Zeit ganzin den Bereich der «Söhne des Lebens» (Engel), der «Feuergeister» (Erzengel),der «Geister der Persönlichkeit» und der «Geister der Form». Den physischenLeib und den Lebensleib faßten in dieser Zeit außer den «Geistern der Form»noch die «Geister der Bewegung», die «Geister der Weisheit» und die «Throne»in ihr Wirkungsgebiet. So konnten die schädlichen Einwirkungen, welchewährend des Tages durch die Irrtümer des astralischen Leibes auf den MenschenAusgeübt wurden, wieder ausgebessert werden.

(87) Indem sich nun die Menschen auf der Erde wieder vermehrten, war inden Nachkommen kein Grund mehr, daß nicht Menschenseelen in ihnen zurVerkörperung hätten schreiten sollen. So wie jetzt die Erdmondenkräfte wirkten,gestalteten sich unter ihrem Einflusse die Menschenleiber durchaus geeignet zurVerkörperung von Menschenseelen. Und es wurden jetzt die vorher auf denMars, den Jupiter usw. entrückten Seelen auf die Erde gelenkt. Es war dadurchfür jeden Menschennachkommen, der in der Generationenfolge geboren wurde,eine Seele da. Das dauerte so durch lange Zeiten hindurch, so daß derSeelenzuzug auf der Erde der Vermehrung der Menschen entsprach. DiejenigenSeelen, welche nun mit dem Erdentode den Leib verließen, behielten für denleibfreien Zustand den Nachklang der irdischen Individualität wie eineErinnerung zurück Diese Erinnerung wirkte so, daß sie, wenn wieder ein ihnenentsprechender Leib auf der Erde geboren wurde, sich wieder in einem solchenverkörperten. (253) Innerhalb der menschlichen Nachkommenschaft gab es inder Folge solche Menschen, welche von außen kommende Seelen hatten, diezum ersten Male wieder nach den ersten Zeiten der Erde auf dieser erschienen,und andere mit irdisch wiederverkörperten Seelen. Immer weniger werden nunin der Folgezeit der Erdenentwickelung die zum ersten Male erschienenenjungen Seelen und immer mehr die wiederverkörperten.

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Doch bestand das Menschengeschlecht für lange Zeiten aus den durch dieseTatsachen bedingten beiden Menschenarten. Auf der Erde empfand sich derMensch nun mehr durch das gemeinsame Gruppen-Ich mit seinen Vorfahrenverbunden. Das Erlebnis des individuellen Ich war dafür um so stärker imleibfreien Zustande zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. DiejenigenSeelen, welche, vom Himmelsraume kommend, in Menschenleibern einzogen,waren in einer andern Lage als diejenigen, welche bereits ein oder mehrereErdenleben hinter sich hatten. Die ersteren brachten für das physischeErdenleben als Seelen nur die Bedingungen mit, welchen sie durch die höheregeistige Welt und durch ihre außer dem Erdenbereiche gemachten Erlebnisseunterworfen waren. Die andern hatten in früheren Leben selbst Bedingungenhinzugefügt. Das Schicksal jener Seelen war nur von Tatsachen bestimmt, dieaußerhalb der neuen Erdenverhältnisse lagen. Dasjenige der wiederverkörpertenSeelen ist auch durch dasjenige bestimmt, was sie selbst in früheren Leben unterden irdischen Verhältnissen getan haben. Mit der Wiederverkörperung tratzugleich das menschliche Einzel-Karma in die Erscheinung. – Dadurch, daß dermenschliche Lebensleib dem Einflusse des Astralleibes in der obenangedeuteten Art entzogen wurde, trat auch das Fortpflanzungsverhältnis nichtin den Umkreis des menschlichen Bewußtseins, sondern es stand unter derHerrschaft der geistigen Welt. (254) Wenn sich eine Seele niedersenken sollteauf den Erdkreis, dann traten die Impulse für die Fortpflanzung beimErdenmenschen auf. Der ganze Vorgang war bis zu einem gewissen Grade fürdas irdische Bewußtsein in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt. – Aber auchwährend des Erdenlebens traten die Folgen dieser teilweisen Trennung desLebensleibes vom physischen Leibe ein. Es konnten die Fähigkeiten diesesLebensleibes durch den geistigen Einfluß besonders erhöht werden. Für dasSeelenleben machte sich dies dadurch geltend, daß das Gedächtnis seinebesondere Ausbildung erhielt. Das selbständige logische Denken war in dieserZeit des Menschen nur in den allerersten Anfängen. Dafür war dieErinnerungsfähigkeit fast grenzenlos. Nach außen zeigte sich, daß der Menscheine unmittelbare gefühlsmäßige Erkenntnis von den Wirkungskräften allesLebendigen hatte. Er konnte die Kräfte des Lebens und der Fortpflanzung dertierischen und namentlich pflanzlichen Natur in seinen Dienst stellen. Was diePflanze antreibt zum Wachsen, das z.B. konnte der Mensch aus der Pflanzeherausziehen und es verwenden, wie gegenwärtig die Kräfte der leblosen Natur,z. B. die in den Steinkohlen schlummernde Kraft aus dieser herausgezogen unddazu verwendet wird, Maschinen zu bewegen. (Näheres über diese Sache findetman in meiner kleinen Schrift «Unsere atlantischen Vorfahren».) – Auch dasinnere Seelenleben des Menschen veränderte sich durch den luziferischenEinfluß in der mannigfaltigsten Art. Es könnten viele Arten von Gefühlen undEmpfindungen angeführt werden, welche dadurch entstanden sind. Nur einigesmag erwähnt werden. Bis zu diesem Einflusse hin wirkte die Menschenseele indem, was sie zu gestalten und zu tun hatte, im Sinne der Absichten höherergeistiger Wesenheiten. (255)

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Der Plan zu allem, was ausgeführt werden sollte, war von vornherein bestimmt.Und in dem Grade, als das menschliche Bewußtsein überhaupt entwickelt war,konnte es auch voraussehen, wie sich in der Zukunft die Dinge nach demvorgefaßten Plane entwickeln müssen. Dieses vorausschauende Bewußtsein gingverloren, als sich vor die Offenbarung der höheren geistigen Wesenheiten derSchleier der irdischen Wahrnehmungen hinwob und in ihnen die eigentlichenKräfte der Sonnenwesen sich verbargen. Ungewiß wurde nunmehr die Zukunft.Und damit pflanzte sich der Seele die Möglichkeit des Furchtgefühles ein. DieFurcht ist eine unmittelbare Folge des Irrtums. – Man sieht aber auch, wie mitdem luziferischen Einflusse der Mensch unabhängig wurde von bestimmtenKräften, denen er vorher willenlos hingegeben war. Er konnte nunmehr aus sichheraus Entschlüsse fassen. Die Freiheit ist das Ergebnis dieses Einflusses. Unddie Furcht und ähnliche Gefühle sind nur Begleiterscheinungen derEntwickelung des Menschen zur Freiheit.

(88) Geistig angesehen stellt sich das Auftreten der Furcht so, daß innerhalbder Erdenkräfte, unter deren Einfluß der Mensch durch die luziferischen Mächtegelangt war, andere Mächte wirksam waren, die viel früher imEntwickelungslaufe als die luziferischen Unregelmäßigkeit angenommen hatten.Mit den Erdenkräften nahm der Mensch die Einflüsse dieser Mächte in seinWesen herein. Sie gaben Gefühlen, die ohne sie ganz anders gewirkt hätten, dieEigenschaft der Furcht. Man kann diese Wesenheiten die ahrimanischen nennen;sie sind dieselben, die – in Goethes Sinne – mephistophelisch genannt werden.

(89) Wenn nun auch der luziferische Einfluß sich zunächst nur bei denfortgeschrittensten Menschen geltend gemacht hat, so dehnte er sich doch baldauch über andere aus. (256) Es vermischten sich die Nachkommen derfortgeschrittenen mit den oben charakterisierten weniger fortgeschrittenen.Dadurch drang die luziferische Kraft auch zu den letzteren. Aber der Lebensleibder von den Planeten zurückkehrenden Seelen konnte nicht in demselben Gradegeschützt werden wie derjenige, welchen die Nachkommen der auf der Erdeverbliebenen hatten. Der Schutz dieses letzteren ging von einem hohen Wesenaus, welches im Kosmos die Führung damals hatte, als sich die Sonne von derErde trennte. Dieses Wesen erscheint auf dem Gebiete, das hier betrachtet wird,als der Herrscher im Sonnenreiche. Mit ihm zogen diejenigen erhabenen Geisterzum Sonnenwohnplatze, welche durch ihre kosmische Entwickelung die Reifedazu erlangt hatten. Es gab aber auch solche Wesen, welche bei derSonnentrennung zu solcher Höhe nicht gestiegen waren. Sie mußten sich andereSchauplätze suchen. Sie waren es eben, durch die es kam, daß aus jenergemeinsamen Weltsubstanz, welche anfänglich im physischen Erdenorganismuswar, sich der Jupiter und andere Planeten loslösten. Der Jupiter wurde derWohnplatz solcher nicht zur Sonnenhöhe herangereifter Wesen. Dasvorgeschrittenste wurde der Führer des Jupiter.

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Wie der Führer der Sonnenentwickelung das «höhere Ich» wurde, das imLebensleibe der Nachkommen der auf Erden verbliebenen Menschen wirkte, sowurde dieser Jupiterführer das «höhere Ich», das sich wie ein gemeinsamesBewußtsein durch die Menschen hindurchzog, welche abstammten von einerVermischung von Sprößlingen der auf Erden verbliebenen mit solchenMenschen, die in der oben geschilderten Art erst auf der Erde in der Zeit desLuftelementes aufgetreten und zum Jupiter übergegangen waren. (257) Mankann im Sinne der Geisteswissenschaft solche Menschen «Jupitermenschen»nennen. Es waren das Menschennachkömmlinge, welche in jener alten Zeit nochMenschenseelen aufgenommen hatten; doch solche, die, beim Beginn derErdenentwickelung die erste Berührung mit dem Feuer mitzumachen, noch nichtreif genug waren. Es waren Seelen zwischen dem Menschen- und demTierseelenreich. Es gibt nun auch Wesen, welche sich unter der Führung eineshöchsten aus der gemeinsamen Weltsubstanz den Mars als Wohnplatzausgesondert hatten. Unter ihren Einfluß kam eine dritte Art von Menschen, diedurch Vermischung entstanden waren, die «Marsmenschen». (Es fällt vondiesen Erkenntnissen aus ein Licht auf die Urgründe der Planetenentstehungunseres Sonnensystems. Denn alle Körper dieses Systems sind entstanden durchdie verschiedenen Reifezustände der sie bewohnenden Wesen. Doch kann hiernatürlich nicht auf alle Einzelheiten der kosmischen Gliederungen eingegangenwerden.) Diejenigen Menschen, welche in ihrem Lebensleibe das hoheSonnenwesen selbst als vorhanden wahrnahmen, können «Sonnenmenschen»genannt werden. Das Wesen, das in ihnen als «höheres Ich» lebte – natürlich nurin den Generationen, nicht im einzelnen – ist dasjenige, welches später, als dieMenschen eine bewußte Erkenntnis von ihm erlangten, mit verschiedenenNamen belegt wurde und das den Gegenwartsmenschen das ist, in dem sichihnen das Verhältnis offenbart, welches der Christus zum Kosmos hat. Mankann dann noch «Saturnmenschen» unterscheiden. Bei ihnen trat als «höheresIch» ein Wesen auf, das vor der Sonnentrennung mit seinen Genossen diegemeinsame Weltsubstanz verlassen mußte. Es war dies eine Art von Menschen,welche nicht nur im Lebensleibe, sondern auch im physischen Leibe einen Teilhatten, welcher dem luziferischen Einfluß entzogen blieb. (258)

(90) Nun war bei den niedriger stehenden Menschenarten der Lebensleib dochzu wenig geschützt, um den Einwirkungen des luziferischen Wesens genügendwiderstehen zu können. Sie konnten die Willkür des in ihnen befindlichenFeuerfunkens des «Ich» so weit ausdehnen, daß sie in ihrem Umkreise mächtigeFeuerwirkungen schädlicher Art hervorriefen. Die Folge war eine gewaltigeErdkatastrophe. Durch die Feuerstürme ging ein großer Teil der damalsbewohnten Erde zugrunde und mit ihm die dem Irrtum verfallenen Menschen.Nur der kleinste Teil, der vom Irrtum zum Teil unberührt geblieben war, konntesich auf ein Gebiet der Erde retten, das bis dahin geschützt war vor demverderblichen menschlichen Einflusse.

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Als ein solcher Wohnplatz, der sich für die neue Menschheit besonders eignete,stellte sich das Land heraus, das auf dem Flecke der Erde war, der gegenwärtigvom Atlantischen Ozean bedeckt wird. Dorthin zog sich der am reinsten vomIrrtum gebliebene Teil der Menschen. Nur versprengte Menschheitsgliederbewohnten andere Gegenden. Im Sinne der Geisteswissenschaft kann man dasErdengebiet zwischen dem gegenwärtigen Europa, Afrika und Amerika, daseinstmals bestanden hat, «Atlantis» nennen. (In der entsprechenden Literaturwird in einer gewissen Art auf den charakterisierten dem atlantischenvorangegangenen Abschnitt der Menschheitsentwickelung hingewiesen. Er wirdda das lemurische Zeitalter der Erde genannt, dem das atlantische folgte.Dagegen kann die Zeit, in welcher die Mondenkräfte ihre Hauptwirkungen nochnicht entfaltet hatten, das hyperboräische Zeitalter genannt werden. Diesem gehtnoch ein anderes voran, das also mit der allerersten Zeit der physischenErdenentwickelung zusammenfällt. (259) In der biblischen Überlieferung wirddie Zeit vor der Einwirkung der luziferischen Wesen als die paradiesische Zeitgeschildert und das Herabsteigen auf die Erde, das Verstricktwerden derMenschen in die Sinnenwelt, als die Vertreibung aus dem Paradiese.)

(91) Die Entwickelung im atlantischen Gebiet war die Zeit der eigentlichenSonderung in Saturn-, Sonnen-, Jupiter- und Marsmenschen. Vorher wurdendazu eigentlich erst die Anlagen entfaltet. Nun hatte die Scheidung von Wach-und Schlafzustand für das Menschenwesen noch besondere Folgen, diebesonders bei der atlantischen Menschheit hervortraten. Während der Nachtwaren des Menschen astralischer Leib und Ich im Bereiche der über ihmstehenden Wesen bis zu den «Geistern der Persönlichkeit» hinauf. Durchdenjenigen Teil seines Lebensleibes, der nicht mit dem physischen Leibeverbunden war, konnte der Mensch die Wahrnehmung der «Söhne des Lebens»(Engel) und der «Feuergeister» (Erzengel) haben. Denn er konnte mit dem nichtvom physischen Leib durchdrungenen Teil des Lebensleibes während desSchlafens vereinigt bleiben. Die Wahrnehmung der «Geister der Persönlichkeit»blieb allerdings undeutlich, eben wegen des luziferischen Einflusses. Mit denEngeln und Erzengeln wurden aber auf diese Art für den Menschen in demgeschilderten Zustande auch diejenigen Wesen sichtbar, welche als auf Sonneoder Mond zurückgebliebene nicht das Erdendasein antreten konnten. Siemußten deshalb in der seelisch-geistigen Welt verbleiben. Der Mensch zog sieaber durch das luziferische Wesen in den Bereich seiner vom physischen Leibgetrennten Seele. Dadurch kam er mit Wiesen in Berührung, welche in hohemGrade verführerisch auf ihn wirkten. (260) Sie vermehrten in der Seele denTrieb zum Irrtum; namentlich zum Mißbrauch der Wachstums- undFortpflanzungskräfte, welche durch die Trennung von physischem Leib undLebensleib in seiner Macht standen.

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(92) Es war nun für einzelne Menschen des atlantischen Zeitalters dieMöglichkeit gegeben, sich so wenig als möglich in die Sinnenwelt zuverstricken. Durch sie wurde der luziferische Einfluß aus einem Hindernis derMenschheitsentwickelung zum Mittel eines höheren Fortschreitens. Sie warendurch ihn in der Lage, früher, als es sonst möglich ,gewesen wäre, dieErkenntnis für die Erdendinge zu entfalten. Dabei versuchten diese Menschenden Irrtum aus ihrem Vorstellungsleben zu entfernen und die ursprünglichenAbsichten der geistigen Wesen aus den Erscheinungen der Welt zu ergründen.Sie hielten sich frei von den nach der bloßen Sinnenwelt gelenkten Trieben undBegierden des astralischen Leibes. Dadurch wurden sie von dessen Irrtümernimmer freier. Das führte bei ihnen Zustände herbei, durch welche sie bloß injenem Teile des Lebensleibes wahrnahmen, welcher in der geschilderten Weisevom physischen Leibe getrennt war. In solchen Zuständen war dasWahrnehmungsvermögen des physischen Leibes wie ausgelöscht und dieserselbst wie tot. Dann waren sie durch den Lebensleib ganz verbunden mit demReiche der «Geister der Form» und konnten von diesen erfahren, wie sie geführtund gelenkt werden von jenem hohen Wesen, das die Führung hatte bei derTrennung von Sonne und Erde und durch das sich später den Menschen dasVerständnis für den «Christus» eröffnete. Solche Menschen waren Eingeweihte(Initiierte). (261) Weil aber des Menschen Individualität in der obengeschilderten Art in den Bereich der Mondwesen gekommen war, so konntenauch diese Eingeweihten in der Regel von dem Sonnenwesen nicht unmittelbarberührt werden, sondern es konnte ihnen nur wie in einer Spiegelung durch dieMondwesen gezeigt werden. Sie sahen dann nicht das Sonnenwesenunmittelbar, sondern dessen Abglanz. Sie wurden die Führer der anderenMenschheit, der sie die erschauten Geheimnisse mitteilen konnten. Sie zogensich Schüler heran, denen sie die Wege zur Erlangung des Zustandes wiesen,welcher zur Einweihung fährt. Zur Erkenntnis dessen, was früher durch«Christus» sich offenbarte, konnten nur solche Menschen gelangen, die inangedeutetem Sinne zu den Sonnenmenschen gehörten. Sie pflegten ihrgeheimnisvolles Wissen und die Verrichtungen, welche dazu führten, an einerbesonderen Stätte, welche hier das Christus- oder Sonnenorakel genannt werdensoll. (Oraculum im Sinne eines Orts, wo die Absichten geistiger Wesenvernommen werden.) Das hier in bezug auf den Christus Gesagte wird nur dannnicht mißverstanden werden, wenn man bedenkt, daß die übersinnlicheErkenntnis in dem Erscheinen des Christus auf der Erde ein Ereignis sehen muß,auf das als ein in der Zukunft Bevorstehendes diejenigen hingewiesen haben,welche vor diesem Ereignis mit dem Sinn der Erdenentwickelung bekanntwaren. Man ginge fehl, wenn man bei diesen «Eingeweihten» ein Verhältnis zudem Christus voraussetzen würde, das erst durch dieses Ereignis möglichgeworden ist. Aber das konnten sie prophetisch begreifen und ihren Schülernbegreiflich machen: «Wer von der Macht des Sonnenwesens berührt ist, dersieht den Christus an die Erde herankommen.»

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(93) Andere Orakel wurden ins Leben gerufen von den Angehörigen derSaturn-, Mars- und Jupitermenschheit. Deren Eingeweihte führten ihrAnschauen nur bis zu den Wesenheiten, welche als entsprechende «höhere Iche»in ihren Lebensleibern enthüllt werden konnten. (262) So entstanden Bekennerder Saturn-, der Jupiter-, der Marsweisheit. Außer diesen Einweihungsmethodengab es solche für Menschen, welche vom luziferischen Wesen zu viel in sichaufgenommen hatten, um einen so großen Teil des Lebensleibes vomphysischen Leibe getrennt sein zu lassen wie die Sonnenmenschen. Bei diesenhielt der astralische Leib eben mehr vom Lebensleib im physischen Leibezurück als bei den Sonnenmenschen. Sie konnten auch nicht durch diegenannten Zustände bis zur prophetischen Christus-Offenbarung gebrachtwerden. Sie mußten wegen ihres mehr vom luziferischen Prinzip beeinflußtenAstralleibes schwierigere Vorbereitungen durchmachen, und dann konnten sie ineinem weniger leibfreien Zustand als die andern zwar nicht die Offenbarung desChristus selbst enthüllt erhalten, aber die anderer hoher Wesen. Es gab solcheWesen, welche zwar bei der Sonnentrennung die Erde verlassen haben, aberdoch nicht auf der Höhe standen, daß sie die Sonnenentwickelung auf die Dauerhätten mitmachen können. Sie gliederten sich nach der Trennung von Sonne undErde einen Wohnplatz von der Sonne ab, die Venus. Deren Führer wurde dasWesen, welches nun für die geschilderten Eingeweihten und ihre Anhänger zum«höheren Ich» wurde. Ein ähnliches geschah mit dem führenden Geist desMerkur für eine andere Art Menschen. So entstanden das Venus- und dasMerkurorakel. Eine gewisse Art von Menschen, die am meisten von demluziferischen Einfluß aufgenommen hatten, konnte nur zu einem Wesengelangen, welches mit seinen Genossen am frühesten von derSonnenentwickelung wieder ausgestoßen worden ist. Es hat dieses keinenbesonderen Planeten im Weltenraum, sondern lebt im Umkreis der Erde selbstnoch, mit der es sich wieder vereinigt hat nach der Rückkehr von der Sonne.(263) Diejenigen Menschen, welchen sich dieses Wesen als höheres Ichenthüllte, können die Anhänger des Vulkanorakels genannt werden. Ihr Blickwar mehr den irdischen Erscheinungen zugewendet als derjenige der übrigenEingeweihten. Sie legten die ersten Gründe zu dem, was später alsWissenschaften und Künste unter den Menschen entstand. Die Merkur-Eingeweihten dagegen begründeten das Wissen von den mehr übersinnlichenDingen; und in noch höherem Grade taten dies die Venus-Eingeweihten. DieVulkan-, Merkur- und Venus-Eingeweihten unterschieden sich von den Saturn-,Jupiter- und Mars-Eingeweihten dadurch, daß die letzteren ihre Geheimnissemehr als eine Offenbarung von oben empfingen, mehr in einem fertigenZustande; während die ersteren schon mehr in Form von eigenen Gedanken, vonIdeen ihr Wissen enthüllt erhielten. In der Mitte standen die Christus-Eingeweihten. Sie erhielten mit der Offenbarung in unmittelbarem Zustandeauch zugleich die Fähigkeit, in menschliche Begriffsformen ihre Geheimnisse zukleiden.

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Die Saturn-, Jupiter- und Mars-Eingeweihten mußten sich mehr in Sinnbildernaussprechen; die Christus-, Venus-, Merkur- und Vulkan-Eingeweihten konntensich mehr in Vorstellungen mitteilen.

(94) Was auf diese Art zur atlantischen Menschheit gelangte, kam auf demUmwege durch die Eingeweihten. Aber auch die andere Menschheit erhieltdurch das luziferische Prinzip besondere Fähigkeiten, indem durch die hohenkosmischen Wesenheiten das zum Heil verwandelt wurde, was sonst zumVerderben hätte werden können. Eine solche Fähigkeit ist die der Sprache. (264)Sie wurde dem Menschen zuteil durch seine Verdichtung in die physischeStofflichkeit und durch die Trennung eines Teiles seines Lebensleibes vomphysischen Leib. In den Zeiten nach der Mondentrennung fühlte sich derMensch zunächst mit den physischen Vorfahren durch das Gruppen-Ichverbunden. Doch verlor sich dieses gemeinsame Bewußtsein, welchesNachkommen mit Vorfahren verband, allmählich im Laufe der Generationen.Die späteren Nachkommen hatten dann nur bis zu einem nicht weitzurückliegenden Vorfahren die innere Erinnerung; zu den früheren Ahnenhinauf nicht mehr. In den Zuständen von Schlafähnlichkeit nur, in denen dieMenschen mit der geistigen Welt in Berührung kamen, tauchte nun dieErinnerung an diesen oder jenen Vorfahren wieder auf Die Menschen hieltensich dann wohl auch für eins mit diesem Vorfahren, den sie in ihnenwiedererschienen glaubten. Dies war eine irrtümliche Idee von derWiederverkörperung, welche namentlich in der letzten atlantischen Zeitauftauchte. Die wahre Lehre von der Wiederverkörperung konnte nur in denSchulen der Eingeweihten erfahren werden. Die Eingeweihten schauten, wie imleibfreien Zustand die Menschenseele von Verkörperung zu Verkörperung geht.Und sie allein konnten die Wahrheit darüber ihren Schülern mitteilen.

(95) Die physische Gestalt des Menschen ist in der urfernen Vergangenheit,von welcher hier die Rede ist, noch weit verschieden von der gegenwärtigen.Diese Gestalt war in einem hohen Grade noch der Ausdruck der seelischenEigenschaften. Der Mensch bestand noch aus einer feineren, weicherenStofflichkeit, als er später angenommen hat. Was gegenwärtig verfestigt ist, warin den Gliedern weich, biegsam und bildsam. Ein mehr seelischer, geistigererMensch war von zartem, beweglichem, ausdrucksvollem Körperbau. Ein geistigwenig entwickelter von groben, unbeweglichen, wenig bildsamenKörperformen. (265) Seelische Vorgeschrittenheit zog die Glieder zusammen;die Gestalt wurde klein erhalten; seelische Zurückgebliebenheit undVerstricktheit in die Sinnlichkeit drückte sich in riesenhafter Größe aus.Während der Mensch in der Wachstumsperiode war, formte sich in einer Art,die für gegenwärtige Vorstellungen fabelhaft, ja phantastisch erscheinen muß,der Körper nach dem, was in der Seele sich bildete. Verdorbenheit in denLeidenschaften, Trieben und Instinkten zog ein Anwachsen des Materiellen imMenschen ins Riesenhafte nach sich.

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Die gegenwärtige physische Menschengestalt ist durch Zusammenziehen,Verdichtung und Verfestigung des atlantischen Menschen entstanden. Undwährend vor der atlantischen Zeit der Mensch als ein getreues Abbild seinerseelischen Wesenheit vorhanden war, trugen gerade die Vorgänge deratlantischen Entwickelung die Ursachen in sich, welche zu dem nachatlantischenMenschen führten, der in seiner physischen Gestalt fest und von den seelischenEigenschaften verhältnismäßig wenig abhängig ist. (Das Tierreich ist in seinenFormen in weit älteren Zeiten auf der Erde dicht geworden als der Mensch.) –Die Gesetze, welche gegenwärtig der Bildung der Formen in den Naturreichenzugrunde liegen, dürfen durchaus nicht auf fernere Vergangenheiten ausgedehntwerden.

(96) Gegen die Mitte der atlantischen Entwickelungszeit machte sichallmählich ein Unheil in der Menschheit geltend. Die Geheimnisse derEingeweihten hätten sorgfältig vor solchen Menschen behütet werden müssen,welche nicht durch Vorbereitung ihren Astralleib von Irrtum gereinigt hatten.Erlangen diese eine solche Einsicht in die verborgenen Erkenntnisse, in dieGesetze, wodurch die höheren Wesen die Naturkräfte lenken, so stellen siedieselben in den Dienst ihrer verirrten Bedürfnisse und Leidenschaften. (266)Die Gefahr war um so größer, als ja die Menschen, wie geschildert worden ist,in den Bereich niederer Geisteswesen kamen, welche die regelmäßigeErdenentwickelung nicht mitmachen konnten, daher ihr entgegenwirkten. Diesebeeinflußten die Menschen fortwährend so, daß sie ihnen Interessen einflößten,welche gegen das Heil der Menschheit in Wahrheit gerichtet waren. Nun hattenaber die Menschen noch die Fähigkeit, die Wachstums- und dieFortpflanzungskräfte der tierischen und der menschlichen Natur in ihren Dienstzu stellen. – Den Versuchungen von seiten niederer Geistwesen unterlagen nichtnur gewöhnliche Menschen, sondern auch ein Teil der Eingeweihten. Sie kamendazu, die genannten übersinnlichen Kräfte in einen Dienst zu stellen, welcherder Entwickelung der Menschheit zuwiderlief. Und sie suchten sich zu diesemDienst Genossen, welche nicht eingeweiht waren und welche ganz im niederenSinne die Geheimnisse des übersinnlichen Naturwirkens anwandten. Die Folgewar eine große Verderbnis der Menschheit. Das Übel breitete sich immer mehraus. Und weil die Wachstums- und Fortpflanzungskräfte dann, wenn sie ihremMutterboden entrissen und selbständig verwendet werden, in einemgeheimnisvollen Zusammenhange stehen mit gewissen Kräften, die in Luft undWasser wirken, so wurden durch die menschlichen Taten gewaltige verderblicheNaturmächte entfesselt. Das führte zur allmählichen Zerstörung des atlantischenGebietes durch Luft- und Wasserkatastrophen der Erde. Die atlantischeMenschheit mußte auswandern, insofern sie in den Stürmen nicht zugrundeging. Damals erhielt die Erde durch diese Stürme ein neues Antlitz. Auf dereinen Seite kamen Europa, Asien und Afrika allmählich zu den Gestalten, die siegegenwärtig haben. Auf der andern Seite Amerika. (267) Nach diesen Länderngingen große Wanderzüge.

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Für unsere Gegenwart sind besonders diejenigen dieser Züge wichtig, welchevon der Atlantis ostwärts gingen. Europa, Asien, Afrika wurden nach und nachvon den Nachkommen der Atlantier besiedelt. Verschiedene Völker schlugen daihre Wohnsitze auf. Sie standen auf verschiedenen Höhen der Entwickelung,aber auch auf verschiedenen Höhen des Verderbnisses. Und in ihrer Mitte zogendie Eingeweihten, die Behüter der Orakel-Geheimnisse. Diese begründeten inverschiedenen Gegenden Stätten, in denen die Dienste des Jupiter, der Venususw. in gutem, aber auch in schlechtem Sinne gepflegt wurden. Einen besondersungünstigen Einfluß übte der Verrat der Vulkan-Geheimnisse aus. Denn derBlick von deren Bekennern war am meisten auf die irdischen Verhältnissegerichtet. Die Menschheit wurde durch diesen Verrat in Abhängigkeit vongeistigen Wesen gebracht, welche infolge ihrer vorangegangenen Entwickelungsich gegen alles ablehnend verhielten, was aus der geistigen Welt kam, die sichdurch die Trennung der Erde von der Sonne entwickelt hatte. Sie wirkten ihrerso entwickelten Anlage gemäß gerade in dem Elemente, welches im Menschensich dadurch ausbildete, daß er in der sinnlichen Welt Wahrnehmungen hatte,hinter denen das Geistige sich verhüllt. Diese Wesen erlangten nunmehr einengroßen Einfluß auf viele menschliche Erdenbewohner. Und derselbe machte sichzunächst dadurch geltend, daß dem Menschen das Gefühl für das Geistigeimmer mehr genommen wurde. – Weil sich in diesen Zeiten die Größe, Formund Bildsamkeit des menschlichen physischen Körpers noch in hohem Gradenach den Eigenschaften der Seele richtete, so war die Folge jenes Verrates auchin Veränderungen des Menschengeschlechtes nach dieser Richtung hin zutagegetreten. (268) Wo die Verderbtheit der Menschen besonders dadurch sichgeltend machte, daß übersinnliche Kräfte in den Dienst niederer Triebe,Begierden und Leidenschaften gestellt wurden, da wurden unförmige, an Größeund Form groteske Menschengestalten gebildet. Diese konnten sich allerdingsnicht über die atlantische Periode hinaus erhalten. Sie starben aus. Dienachatlantische Menschheit hat sich physisch aus denjenigen atlantischenVorfahren herausgebildet, bei denen schon eine solche Verfestigung derkörperlichen Gestalt eingetreten war, daß diese den nunmehr naturwidriggewordenen Seelenkräften nicht nachgaben. – Es gab einen gewissen Zeitraumin der atlantischen Entwickelung, in welchem für die Menschengestalt durch diein und um die Erde herrschenden Gesetze gerade diejenigen Bedingungenherrschten, unter denen sie sich verfestigen mußte. DiejenigenMenschen-Rassen-Formen, welche sich vor diesem Zeitraum verfestigt hatten,konnten sich zwar lange fortpflanzen, doch wurden nach und nach die in ihnensich verkörpernden Seelen so beengt, daß die Rassen aussterben mußten.Allerdings erhielten sich gerade manche von diesen Rassenformen bis in dienachatlantischen Zeiten hinein; die genügend beweglich gebliebenen inveränderter Form sogar sehr lange.

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Diejenigen Menschenformen, welche über den charakterisierten Zeitraum hinausbildsam geblieben waren, wurden namentlich zu Körpern für solche Seelen,welche in hohem Maße den schädlichen Einfluß des gekennzeichneten Verratserfahren haben. Sie waren zu baldigem Aussterben bestimmt. (269)

(97) Es hatten sich demnach seit der Mitte der atlantischen EntwickelungszeitWesen im Bereich der Menschheitsentwickelung geltend gemacht, welche dahinwirkten, daß der Mensch sich in die sinnlich-physische Welt in einer ungeistigenArt hineinlebte. Das konnte so weit gehen, daß ihm statt der wahren Gestaltdieser Welt Trugbilder und Wahnphantome, Illusionen aller Art erschienen.Nicht nur dem luziferischen Einfluß war der Mensch ausgesetzt, sondern auchdemjenigen dieser anderen Wesen, auf die oben hingedeutet worden ist undderen Führer nach der Benennung, die er später in der persischen Kultur erhaltenhat, Ahriman genannt werden möge. (Der Mephistopheles ist dasselbe Wesen.)Durch diesen Einfluß kam der Mensch nach dem Tode unter Gewalten, welcheihn auch da nur als ein Wesen erscheinen ließen, welches den irdisch-sinnlichenVerhältnissen zugewandt ist. Der freie Ausblick in die Vorgänge der geistigenWelt wurde ihm immer mehr genommen. Er mußte sich in der Gewalt desAhriman fühlen und bis zu einem gewissen Maße ausgeschlossen sein von derGemeinschaft mit der geistigen Welt.

(98) Von besonderer Bedeutung war eine Orakelstätte, welche sich in demallgemeinen Niedergang den alten Dienst am reinsten bewahrt hatte. Sie gehörtezu den Christus-Orakeln. Und deswegen konnte sie nicht nur das Geheimnis desChristus selbst bewahren, sondern auch die Geheimnisse der anderen Orakel.Denn im Offenbarwerden des erhabensten Sonnengeistes wurden auch dieFührer des Saturn, Jupiter usw. enthüllt. Man kannte im Sonnenorakel dasGeheimnis, solche menschlichen Lebensleiber bei diesem oder jenem Menschenhervorzubringen, wie sie die besten der Eingeweihten des Jupiter, des Merkurusw. gehabt haben. (270) Man bewirkte mit den Mitteln, die man dazu hatte undwelche hier nicht weiter zu besprechen sind, daß die Abdrücke der bestenLebensleiber der alten Eingeweihten sich erhielten und späteren geeignetenMenschen eingeprägt wurden. Durch die Venus-, Merkur- undVulkan-Eingeweihten konnten solche Vorgänge auch für die Astralleiber sichabspielen.

(99) In einer gewissen Zeit sah sich der Führer der Christus-Eingeweihtenvereinsamt mit einigen Genossen, denen er die Geheimnisse der Welt nur ineinem sehr beschränkten Maße mitteilen konnte. Denn diese Genossen warensolche Menschen, welche als Naturanlage am wenigsten von der Trennung desphysischen und des Lebensleibes mitbekommen hatten. Solche Menschen warenin diesem Zeitraum überhaupt die besten für den weiterenMenschheitsfortschritt. Bei ihnen hatten sich allmählich immer weniger dieErlebnisse im Bereich des Schlafzustandes eingestellt.

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Die geistige Welt war ihnen immer mehr verschlossen worden. Dafür fehlteihnen aber auch das Verständnis für alles das, was sich in alten Zeiten enthüllthatte, wenn der Mensch nicht in seinem physischen Leibe, sondern nur inseinem Lebensleibe war. Die Menschen der unmittelbaren Umgebung jenesFührers des Christus-Orakels waren am meisten vorgeschritten in bezug auf dieVereinigung des früher von dem physischen Leibe getrennt gewesenen Teilesdes Lebensleibes mit jenem. Diese Vereinigung stellte sich nun nach und nachin der Menschheit ein als Folge der Umänderung, die mit dem atlantischenWohnplatz und der Erde überhaupt vor sich gegangen war. Der physische Leibund der Lebensleib des Menschen kamen immer mehr zur Deckung. Dadurchgingen die früheren unbegrenzten Fähigkeiten des Gedächtnisses verloren, unddas menschliche Gedankenleben begann. (271) Der mit dem physischen Leibverbundene Teil des Lebensleibes wandelte das physische Gehirn zumeigentlichen Denkwerkzeuge um, und der Mensch empfand eigentlich erst vonjetzt ab sein «Ich» im physischen Leibe. Es erwachte da erst dasSelbstbewußtsein. Das war nur bei einem geringen Teile der Menschheitzunächst der Fall, vorzüglich bei den Genossen des Führers des Christus-Orakels. Die anderen über Europa, Asien und Afrika zerstreutenMenschenmassen bewahrten in den verschiedensten Graden die Reste der altenBewußtseinszustände. Sie hatten daher eine unmittelbare Erfahrung von derübersinnlichen Welt. – Die Genossen des Christus-Eingeweihten warenMenschen mit hoch entwickeltem Verstande, aber von allen Menschen jenerZeit hatten sie die geringsten Erfahrungen auf übersinnlichem Gebiete. Mitihnen zog jener Eingeweihte von Westen nach Osten, nach einem Gebiete inInnerasien. Er wollte sie möglichst behüten vor der Berührung mit den in derBewußtseinsentwickelung weniger vorgeschrittenen Menschen. Er erzog dieseGenossen im Sinne der ihm offenbaren Geheimnisse; namentlich wirkte er indieser Art auf deren Nachkommen. So bildete er sich eine Schar von Menschenheran, welche in ihre Herzen die Impulse aufgenommen hatten, die denGeheimnissen der Christus-Einweihung entsprachen. Aus dieser Schar wählte erdie sieben besten aus, daß sie solche Lebensleiber und Astralleiber habenkonnten, welche den Abdrücken der Lebensleiber der sieben besten atlantischenEingeweihten entsprachen. So erzog er je einen Nachfolger der Christus-,Saturn-, Jupiter- usw. Eingeweihten. Diese sieben Eingeweihten wurden dieLehrer und Führer derjenigen Menschen, welche in der nachatlantischen Zeitden Süden von Asien, namentlich das alte Indien besiedelt hatten. (272) Dadiese großen Lehrer eigentlich mit Nachbildern der Lebensleiber ihrer geistigenVorfahren begabt waren, reichte das, was in ihrem Astralleibe war, nämlich ihrselbstverarbeitetes Wissen und Erkennen, nicht bis zu dem, was ihnen durchihren Lebensleib enthüllt wurde. Sie mußten, wenn diese Offenbarungen inihnen sprechen sollten, ihr eigenes Wissen und Erkennen zum Schweigenbringen. Dann sprachen aus ihnen und durch sie die hohen Wesenheiten, welcheauch für ihre geistigen Vorfahren gesprochen hatten.

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Außer in den Zeiten, wo diese Wesenheiten durch sie sprachen, waren sieschlichte Menschen, begabt mit dem Maße von Verstandes- undHerzensbildung, das sie sich selbst erarbeitet hatten.

(100) In Indien wohnte damals eine Menschenart, welche von dem altenSeelenzustande der Atlantier, der die Erfahrungen in der geistigen Weltgestattete, sich vorzüglich eine lebendige Erinnerung an denselben bewahrthatte. Bei einer großen Anzahl dieser Menschen war auch ein gewaltiger Zugdes Herzens und des Gemütes nach den Erlebnissen dieser übersinnlichen Weltvorhanden. Durch eine weise Schicksalsführung war der Hauptteil dieserMenschenart aus den besten Teilen der atlantischen Bevölkerung nach Südasiengekommen. Außer diesem Hauptteil waren andere Teile zu anderen Zeitenzugewandert. Für diesen Menschenzusammenhang bestimmte der genannteChristus-Eingeweihte zu Lehrern seine sieben großen Schüler. Sie gaben diesemVolke ihre Weisheit und ihre Gebote. Nur geringer Vorbereitung bedurftemancher dieser alten Indier, um in sich rege zu machen die kaum verlöschtenFähigkeiten, die zur Beobachtung in der übersinnlichen Welt führten. Denn eswar eigentlich die Sehnsucht nach dieser Welt eine Grundstimmung derindischen Seele. In dieser Welt, so empfand man, war die Urheimat derMenschen. (273) Aus dieser Welt sind sie herausversetzt in diejenige, welchedas äußere sinnliche Anschauen und der an dieses Anschauen gebundeneVerstand liefern kann. Die übersinnliche Welt fühlte man als die wahre und diesinnliche als eine Täuschung der menschlichen Wahrnehmung, eine Illusion(Maja). Mit allen Mitteln strebte man darnach, sich den Einblick in die wahreWelt zu eröffnen. Der illusorischen Sinnenwelt vermochte man kein Interesseentgegenzubringen, oder doch nur insofern, als sie sich als Schleier für dieübersinnliche erweist. Die Macht, die von den sieben großen Lehrern auf solcheMenschen ausgehen konnte, war gewaltig. Das, was durch sie geoffenbartwerden konnte, lebte sich tief in die indischen Seelen ein. Und weil der Besitzder überkommenen Lebens- und Astralleiber diesen Lehrern hohe Kräfteverlieh, so konnten sie auch magisch auf ihre Schüler wirken. Sie lehrteneigentlich nicht. Sie wirkten wie durch Zauberkräfte von Persönlichkeit zuPersönlichkeit. So entstand eine Kultur, welche von übersinnlicher Weisheitganz durchdrungen war. Was in den Weisheitsbüchern der Inder (in den Veden)enthalten ist, gibt nicht die ursprüngliche Gestalt der hohen Weistümer, welchein der ältesten Zeit durch die großen Lehrer gepflegt worden sind, sondern nureinen schwachen Nachklang. Nur der rückwärts gewendete übersinnliche Blickkann eine ungeschriebene Urweisheit hinter der geschriebenen finden. Ein Zug,welcher in dieser Urweisheit besonders hervortritt, ist das harmonischeZusammenklingen der verschiedenen Orakel-Weisheiten der atlantischen Zeit.Denn ein jeder der großen Lehrer konnte eine dieser Orakel-Weisheitenenthüllen. Und die verschiedenen Seiten der Weisheit gaben einenvollkommenen Einklang, weil hinter ihnen stand die Grundweisheit derprophetischen Christus-Einweihung. (274)

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Zwar stellte derjenige Lehrer, welcher der geistige Nachfolger desChristus-Eingeweihten war, nicht dasjenige dar, was der Christus-Eingeweihteselbst enthüllen konnte. Dieser war im Hintergrunde der Entwickelunggeblieben. Zunächst konnte er sein hohes Amt keinem Nachatlantier übertragen.Der Christus-Eingeweihte der sieben großen indischen Lehrer unterschied sichvon ihm dadurch, daß er ja vollständig sein Schauen des Christus-Geheimnissesin menschliche Vorstellungen hatte verarbeiten können, während jener indischeChristus-Eingeweihte nur einen Abglanz dieses Geheimnisses in Sinnbildernund Zeichen darstellen konnte. Denn sein menschlich erarbeitetes Vorstellenreichte nicht bis zu diesem Geheimnisse. Aber aus der Vereinigung der siebenLehrer ergab sich in einem großen Weisheitsbilde eine Erkenntnis derübersinnlichen Welt, von welcher in dem alten atlantischen Orakel nur dieeinzelnen Glieder haben verkündet werden können. Es wurden die großenFührerschaften der kosmischen Welt enthüllt und leise hingewiesen auf deneinen großen Sonnengeist, den Verborgenen, der über denen thront, welchedurch die sieben Lehrer geoffenbart wurden.

(101) Was hier unter «alten Indiern» verstanden wird, fällt nicht zusammenmit demjenigen, was gewöhnlich darunter gemeint wird. Äußere Dokumente ausjener Zeit, von der hier gesprochen wird, gibt es nicht. Das gewöhnlich «Inder»genannte Volk entspricht einer Entwickelungsstufe der Geschichte, welche sicherst lange nach der hier gemeinten Zeit gebildet hat. (275) Es ist eben zuerkennen eine erste nachatlantische Erdenperiode, in welcher die hiercharakterisierte «indische» Kultur die herrschende war; dann bildete sich einezweite nachatlantische, in welcher dasjenige an Kultur herrschend wurde, wasspäter in dieser Schrift «urpersische» genannt werden wird; und noch späterentwickelte sich die ebenfalls noch zu schildernde ägyptisch-chaldäische Kultur.Während der Ausbildung dieser zweiten und dritten nachatlantischenKulturepoche erlebte auch das «alte» Indiertum eine zweite und dritte Epoche.Und von dieser dritten Epoche gilt dasjenige, was gewöhnlich vom alten Indiendargestellt wird. Man darf also nicht dasjenige, was hier geschildert wird, aufdas «alte Indien» beziehen, von dem sonst die Rede ist.

(102) Ein andrer Zug dieser altindischen Kultur ist derjenige, welcher späterzur Einteilung der Menschen in Kasten führte. Die in Indien Wohnenden warenNachkommen von Atlantiern, die zu verschiedenen Menschenarten, Saturn-,Jupiter- usw. Menschen gehörten. Durch die übersinnlichen Lehren wurdebegriffen, daß eine Seele nicht durch Zufall in diese oder jene Kaste versetztwurde, sondern dadurch, daß sie sich selbst für dieselbe bestimmt hatte. Einsolches Begreifen der übersinnlichen Lehren wurde hier insbesondere dadurcherleichtert, daß bei vielen Menschen die oben charakterisierten innerenErinnerungen an die Vorfahren rege gemacht werden konnten, welche allerdingsauch leicht zu einer irrtümlichen Idee von der Wiederverkörperung führten. Wiein dem atlantischen Zeitalter nur durch die Eingeweihten die wahre Idee der

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Wiederverkörperung erlangt werden konnte, so im ältesten Indien nur durch dieunmittelbare Berührung mit den großen Lehrern. jene oben erwähnte irrtümlicheIdee von der Wiederverkörperung fand allerdings bei den Völkern, welche sichinfolge des Unterganges der Atlantis über Europa, Asien und Afrikaverbreiteten, die denkbar größte Ausdehnung. (276) Und weil diejenigenEingeweihten, welche während der atlantischen Entwickelung auf Abwegegeraten waren, auch dieses Geheimnis Unreifen mitgeteilt hatten, so gerieten dieMenschen immer mehr zu einer Verwechselung der wahren mit der irrtümlichenIdee. Es war ja diesen Menschen wie eine Erbschaft der atlantischen Zeit eineArt dämmerhaften Hellsehens vielfach geblieben. Wie die Atlantier im Schlafein den Bereich der geistigen Welt kamen, so erlebten ihre Nachkommen inabnormen Zwischenzuständen zwischen Wachen und Schlaf diese geistige Welt.Da traten in ihnen die Bilder alter Zeit auf, der ihre Vorfahren angehört hatten.Sie hielten sich für Wiederverkörperungen von Menschen, welche in solcherZeit gelebt hatten. Lehren über die Wiederverkörperung, welche mit den echtenIdeen der Eingeweihten im Widerspruch standen, breiteten sich über den ganzenErdkreis aus.

(103) In den vorderasiatischen Gebieten hatte sich als Ergebnis derlangdauernden Wanderzüge, die sich seit dem Beginne der atlantischenZerstörung von Westen nach Osten bewegten, ein Volkszusammenhang seßhaftgemacht, dessen Nachkommenschaft die Geschichte als das persische Volk unddie mit diesem verwandten Stämme kennt. Die übersinnliche Erkenntnis mußallerdings zu viel früheren Zeiten zurückgehen als zu den geschichtlichen dieserVölker. Zunächst ist die Rede von sehr frühen Vorfahren der späteren Perser,unter denen das zweite große Kulturzeitalter der nachatlantischen Entwickelung,nach dem indischen, entstand. Die Völker dieses zweiten Zeitalters hatten eineandere Aufgabe als die indischen. Sie waren mit ihren Sehnsuchten undNeigungen nicht bloß der übersinnlichen Welt zugewendet; sie waren veranlagtfür die physisch-sinnliche Welt. Sie gewannen die Erde lieb. Sie schätzten, wassich der Mensch auf dieser erobern und was er durch ihre Kräfte gewinnen kann.(277) Was sie als Kriegsvolk vollführten und auch was sie als Mittel erfanden,um der Erde ihre Schätze abzugewinnen, steht im Zusammenhang mit dieserEigenart ihres Wesens. Bei ihnen war nicht die Gefahr vorhanden, daß sie durchihre Sehnsucht nach dem Übersinnlichen sich völlig abkehren könnten von der«Illusion» des Physisch-Sinnlichen, sondern eher diejenige, daß sie durch ihrenSinn für dieses den seelischen Zusammenhang mit der übersinnlichen Welt ganzverlieren könnten. Auch die Orakelstätten, welche sich aus dem altenatlantischen Gebiet hierher verpflanzt hatten, trugen in ihrer Art denallgemeinen Charakter des Volkes. Es wurde da von Kräften, die man sicheinstmals durch die Erlebnisse der übersinnlichen Welt hatte aneignen könnenund welche man in gewissen niederen Formen noch beherrschen konnte,dasjenige gepflegt, was die Erscheinungen der Natur so lenkt, daß sie denpersönlichen Interessen des Menschen dienen.

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Dieses alte Volk hatte noch eine große Macht in der Beherrschung solcherNaturkräfte, die später vor dem menschlichen Willen sich zurückzogen. DieHüter der Orakel geboten über innere Kräfte, welche mit dem Feuer und andernElementen in Zusammenhang standen. Man kann sie Magier nennen. Was siesich als Erbschaft von übersinnlicher Erkenntnis und übersinnlichen Kräften ausalten Zeiten bewahrt hatten, war allerdings schwach im Verhältnis zu dem, wasder Mensch in urferner Vergangenheit vermochte. Aber es nahm doch alleFormen an, von edlen Künsten, die nur das Menschenheil im Auge hatten, bis zuden verwerflichsten Verrichtungen. In diesen Menschen waltete das luziferischeWesen auf eine besondere Art. (278) Es hatte sie mit allem in Zusammenhanggebracht, was den Menschen von den Absichten derjenigen höheren Wesenablenkt, welche ohne den luziferischen Einschlag allein dieMenschheitsentwickelung vorwärts gelenkt hätten. Auch diejenigen Gliederdieses Volkes, welche noch mit Resten des alten hellseherischen Zustandes, desoben geschilderten Zwischenzustandes zwischen Wachen und Schlafen, begabtwaren, fühlten sich zu den niederen Wesen der geistigen Welt sehr hingezogen.Es mußte diesem Volke ein geistiger Antrieb gegeben werden, welcher diesenCharaktereigenschaften entgegenwirkte. Ihm wurde aus derselben Quelle, auswelcher auch das alte indische Geistesleben kam, von dem Bewahrer derGeheimnisse des Sonnenorakels, eine Führerschaft gegeben.

(104) Der Führer der urpersischen Geisteskultur, der von jenem Hüter desSonnenorakels dem in Rede stehenden Volke gegeben wurde, kann mitdemselben Namen bezeichnet werden, welchen die Geschichte als Zarathustraoder Zoroaster kennt. Nur muß betont werden, daß die hier gemeintePersönlichkeit einer viel früheren Zeit angehört, als die ist, in welche dieGeschichte den Träger dieses Namens setzt. Doch kommt es hier nicht auf dieäußere geschichtliche Forschung, sondern auf Geisteswissenschaft an. Und weran eine spätere Zeit bei dem Träger des Zarathustra-Namens denken muß, dermag den Einklang mit der Geisteswissenschaft darin suchen, daß er sich einenNachfolger des ersten großen Zarathustra vorstellt, der dessen Namenangenommen hat und im Sinne von dessen Lehre wirkte. – Der Antrieb, denZarathustra seinem Volke zu geben hatte, bestand darin, daß er es daraufhinwies, wie die sinnlich-physische Welt nicht bloß das Geistlose ist, das demMenschen entgegentritt, wenn er sich unter den ausschließlichen Einfluß desluziferischen Wesens begibt. Diesem Wesen verdankt der Mensch seinepersönliche Selbständigkeit und sein Freiheitsgefühl. (279) Es soll aber in ihmim Einklange mit dem entgegengesetzten geistigen Wesen wirken. Bei demurpersischen Volke kam es darauf an, den Sinn rege zu erhalten für dies letzteregeistige Wesen. Durch seine Neigung für die sinnlich-physische Welt drohteihm die vollständige Verschmelzung mit den luziferischen Wesen. Zarathustrahatte nun durch den Hüter des Sonnen-Orakels eine solche Einweihung erhalten,daß ihm die Offenbarungen der hohen Sonnenwesen zuteil werden konnten.

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In besonderen Zuständen seines Bewußtseins, zu denen ihn seine Schulunggeführt hatte, konnte er den Führer der Sonnenwesen schauen, welcher denmenschlichen Lebensleib in der oben geschilderten Art in seinen Schutzgenommen hatte. Er wußte, daß dieses Wesen die Führung der Menschheits-entwickelung lenkt, daß es aber erst zu einer gewissen Zeit aus dem Weltenraumauf die Erde herniedersteigen konnte. Dazu ist notwendig, daß es ebenso imAstralleibe eines Menschen leben konnte, wie es seit dem Einschlag desluziferischen Wesens im Lebensleibe wirkte. Es mußte ein Mensch dazuerscheinen, der den Astralleib wieder auf eine solche Stufe zurückverwandelthatte, wie sie dieser ohne Luzifer zu einer gewissen andern Zeit (in der Mitte deratlantischen Entwickelung) erlangt haben würde. Wäre Luzifer nicht gekommen,so wäre der Mensch zwar früher zu dieser Stufe gelangt, aber ohne persönlicheSelbständigkeit und ohne die Möglichkeit der Freiheit. Nunmehr aber sollte trotzdieser Eigenschaften der Mensch wieder zu dieser Höhe kommen. Zarathustrasah in seinen Seherzuständen voraus, daß in der Zukunft innerhalb derMenschheitsentwickelung eine Persönlichkeit möglich sein würde, welche einensolch entsprechenden Astralleib haben würde. (280) Aber er wußte auch, daßvor dieser Zeit die geistigen Sonnenkräfte nicht auf Erden gefunden werdenkönnen, daß sie aber von der übersinnlichen Anschauung im Bereich desgeistigen Teiles der Sonne wahrgenommen werden können. Er konnte dieseKräfte schauen, wenn er seinen Seherblick auf die Sonne lenkte. Und erverkündigte seinem Volke das Wesen dieser Kräfte, die vorerst nur in dergeistigen Welt zu finden waren und später auf die Erde herabsteigen sollten. Eswar dies die Verkündigung des großen Sonnen- oder Lichtgeistes (der Sonnen-Aura, Ahura-mazdao, Ormuzd). Dieser Lichtgeist offenbart sich für Zarathustraund seine Anhänger als der Geist, der dem Menschen sein Antlitz aus dergeistigen Welt zuwendet und der innerhalb der Menschheit die Zukunftvorbereitet. Es ist der auf Christus vor seiner Erscheinung auf Erden auf diesenhinweisende Geist, den Zarathustra als den Lichtgeist verkündet. Dagegen stellter in Ahriman (Angra mainju) eine Macht dar, welche durch ihren Einfluß aufdas menschliche Seelenleben verderblich wirkt, wenn dieses sich ihr einseitighingibt. Es ist diese Macht keine andere als die schon oben charakterisierte,welche seit dem Verrat der Vulkan-Geheimnisse eine besondere Herrschaft aufder Erde erlangt hatte. Neben der Botschaft von dem Lichtgotte wurden vonZarathustra Lehren von denjenigen geistigen Wesenheiten verkündet, die demgeläuterten Sinn des Sehers als Genossen des Lichtgeistes offenbar werden undzu denen die Versucher einen Gegensatz bildeten, welche dem ungeläutertenReste der Hellsichtigkeit erschienen, der sich aus der atlantischen Zeit erhaltenhatte. (281) Es sollte dem urpersischen Volke klar gemacht werden, wie in derMenschenseele, insofern diese dem Wirken und Streben in der sinnlich-physischen Welt zugewandt ist, sich ein Kampf zwischen der Macht desLichtgottes und der seines Gegners abspielt und wie sich der Mensch zuverhalten habe, damit ihn der letztere nicht in den Abgrund führe, sondern seinEinfluß durch die Kraft des ersteren ins Gute gelenkt werde.

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(105) Eine dritte Kulturepoche der nachatlantischen Zeit wurde bei denVölkern geboren, die durch die Wanderzüge zuletzt in Vorderasien undNordafrika zusammengeströmt waren. Bei den Chaldäern, Babyloniern,Assyrern einerseits, bei den Ägyptern andererseits bildete sie sich aus. Beidiesen Völkern war der Sinn für die physisch-sinnliche Welt noch in einerandern Art ausgebildet als bei den Urpersern. Sie hatten viel mehr als andere insich aufgenommen von der Geistesanlage, welche dem seit den letztenatlantischen Zeiten erstandenen Denkvermögen, der Verstandesbegabung, dieGrundlage gibt. Es war ja die Aufgabe der nachatlantischen Menschheit,diejenigen Seelenfähigkeiten in sich zu entfalten welche gewonnen werdenkonnten durch die erwachten Gedanken- und Gemütskräfte, die nicht von dergeistigen Welt unmittelbar angeregt werden, sondern dadurch entstehen, daß derMensch die Sinnenwelt betrachtet, sich in ihr einlebt und sie bearbeitet. DieEroberung dieser sinnlich-physischen Welt durch jene menschlichenFähigkeiten muß als die Mission des nachatlantischen Menschen angesehenwerden. Von Stufe zu Stufe schreitet diese Eroberung vorwärts. Im alten Indienist zwar der Mensch durch seine Seelenverfassung schon auf diese Weltgerichtet. Er sieht sie aber noch als Illusion an, und sein Geist ist derübersinnlichen Welt zugewendet. Im urpersischen Volke tritt im Gegensatz dazudas Bestreben auf, die physisch-sinnliche Welt zu erobern; aber dies wird zumgroßen Teil noch mit jenen Seelenkräften versucht, welche als Erbstück auseiner Zeit geblieben sind, da der Mensch unmittelbar zur übersinnlichen Welthinaufreichen konnte. (282) Bei den Völkern der dritten Kulturepoche ist dieSeele der übersinnlichen Fähigkeiten zum großen Teile verlustig gegangen. Siemuß in der sinnlichen Umwelt die Offenbarungen des Geistigen erforschen unddurch die Entdeckung und Erfindung der aus dieser Welt sich ergebendenKulturmittel sich weiter bilden. Dadurch, daß aus der physisch-sinnlichen Weltdie Gesetze des hinter ihr stehenden Geistigen erforscht wurden, entstanden diemenschlichen Wissenschaften; dadurch, daß die Kräfte dieser Welt erkannt undverarbeitet wurden, die menschliche Technik, die künstlerische Arbeit und derenWerkzeuge und Mittel. Dem Menschen der chaldäisch-babylonischen Völkerwar die Sinnenwelt nicht mehr eine Illusion, sondern in ihren Reichen, inBergen und Meeren, in Luft und Wasser eine Offenbarung der geistigen Tatendahinterstehender Mächte, deren Gesetze er zu erkennen trachtete. Dem Ägypterwar die Erde ein Feld seiner Arbeit, das ihm in einem Zustand übergeben wurde,den er durch seine eigenen Verstandeskräfte so umzuwandeln hatte, daß er alsAbdruck menschlicher Macht erschien. Nach Ägypten waren von der Atlantisher Orakelstätten verpflanzt worden, welche vorzugsweise dem Merkur-Orakelentstammten. Doch gab es auch andere, z.B. Venus-Orakel. In dasjenige, wasdurch diese Orakelstätten im ägyptischen Volke gepflegt werden konnte, wurdeein neuer Kulturkeim gesenkt. Er ging aus von einem großen Führer, welcherseine Schulung innerhalb der persischen Zarathustra-Geheimnisse genossenhatte. (Er war die wiederverkörperte Persönlichkeit eines Jüngers des großenZarathustra selbst.)

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Er sei in Anlehnung an einen geschichtlichen Namen «Hermes» genannt. (283)Durch das Aufnehmen der Zarathustra-Geheimnisse konnte er den rechten Wegfür die Lenkung des ägyptischen Volkes finden. Dieses Volk hatte im irdischenLeben, zwischen Geburt und Tod, den Sinn der physisch-sinnlichen Welt sozugelenkt, daß es zwar unmittelbar die dahinterstehende Geisteswelt nur inbeschränktem Maße schauen konnte, aber in jener Welt die Gesetze diesererkannte. So konnte ihm die geistige Welt nicht als diejenige gelehrt werden, inwelche es sich auf der Erde einleben konnte. Dafür aber konnte ihm gezeigtwerden, wie der Mensch im leibfreien Zustande nach dem Tode leben werde mitder Welt der Geister, welche während der Erdenzeit durch ihren Abdruck in demReiche des Sinnlich-Physischen erscheinen. Hermes lehrte: insoweit der Menschseine Kräfte auf der Erde dazu verwendet, um in dieser nach den Absichten dergeistigen Mächte zu wirken, macht er sich fähig, nach dem Tode mit diesenMächten vereinigt zu sein. Insbesondere werden diejenigen, welche ameifrigsten in dieser Richtung zwischen Geburt und Tod gewirkt haben, mit derhohen Sonnenwesenheit – mit Osiris – vereinigt werden. Auf der chaldäisch-babylonischen Seite dieser Kulturströmung machte sich die Hinlenkung desMenschensinns zum Physisch-Sinnlichen mehr geltend als auf der ägyptischen.Es wurden die Gesetze dieser Welt erforscht und aus den sinnlichen Abbildernauf die geistigen Urbilder geschaut. Doch blieb das Volk am Sinnlichen invielfacher Beziehung haften. Statt des Sternengeistes wurde der Stern und stattanderer Geistwesen deren irdische Abbilder in den Vordergrund geschoben. Nurdie Führer erlangten eigentliche tiefe Erkenntnisse in bezug auf die Gesetze derübersinnlichen Welt und ihres Zusammenwirkens mit der sinnlichen. Stärker alssonst irgendwo machte sich hier ein Gegensatz zwischen den Erkenntnissen derEingeweihten und dem verirrten Glauben des Volkes geltend. (284)

(106) Ganz andere Verhältnisse waren in den Gegenden Südeuropas undWestasiens, wo die vierte nachatlantische Kulturepoche aufblühte. Man kann siedie griechisch-lateinische nennen. In diesen Ländern waren die Nachkommender Menschen aus den verschiedensten Gegenden der älteren Weltzusammengeströmt. Es gab Orakelstätten, welche den mannigfachenatlantischen Orakeln nachlebten. Es gab Menschen, welche als natürlicheAnlage Erbstücke des alten Hellsehens in sich hatten, und solche, welche sieverhältnismäßig leicht durch Schulung erlangen konnten. An besonderen Ortenwurden nicht nur die Überlieferungen der alten Eingeweihten bewahrt, sondernes erstanden an ihnen würdige Nachfolger derselben, welche Schülerheranzogen, die sich zu hohen Stufen geistigen Schauens erheben konnten.Dabei hatten diese Völker den Trieb in sich, innerhalb der sinnlichen Welt einGebiet zu schaffen, welches in dem Physischen das Geistige in vollkommenerForm ausdrückt. Neben vielem andern ist die griechische Kunst eine Folgedieses Triebes.

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Man braucht nur mit dem geistigen Auge den griechischen Tempel zudurchschauen, und man wird erkennen, wie in einem solchen Wunderwerk derKunst das Sinnlich-Stoffliche von dem Menschen so bearbeitet ist, daß es injedem Gliede als der Ausdruck des Geistigen erscheint. Der griechische Tempelist das «Haus des Geistes». Man nimmt in seinen Formen wahr, was sonst nurdas geistige Auge des übersinnlich Schauenden erkennt. Ein Zeus- (oderJupiter-) Tempel ist so gestaltet, daß er für das sinnliche Auge eine würdigeUmhüllung dessen darstellt, was der Hüter der Zeus- oder Jupiter-Einweihungmit geistigem Auge schaute. Und so ist es mit aller griechischen Kunst. (285)Auf geheimnisvollen Wegen flossen die Weistümer der Eingeweihten in dieDichter, Künstler und Denker. In den Weltanschauungsgebäuden der altengriechischen Philosophen findet man die Geheimnisse der Eingeweihten inForm von Begriffen und Ideen wieder. Und es strömten die Einflüsse desgeistigen Lebens, die Geheimnisse der asiatischen und afrikanischenEinweihungsstätten diesen Völkern und ihren Führern zu. Die großen indischenLehrer, die Genossen Zarathustras, die Anhänger des Hermes hatten ihre Schülerherangezogen. Diese oder deren Nachfolger begründeten nunEinweihungsstätten, in denen die alten Weistümer in neuer Form wiederauflebten. Es sind die Mysterien des Altertums. Man bereitete da die Schülervor, um sie dann in jene Bewußtseinszustände zu bringen, durch welche sie dasSchauen in die geistige Welt erlangen konnten. (Man findet einiges Nähere überdiese Mysterien des Altertums in meinem Buche: «Das Christentum alsmystische Tatsache». Anderes darüber wird in den letzten Kapiteln diesesBuches gesagt werden.) Aus diesen Einweihungsstätten flossen die Weistümerdenen zu, welche in Kleinasien, in Griechenland und Italien die geistigenGeheimnisse pflegten. (In der griechischen Welt entstanden in den orphischenund eleusinischen Mysterien wichtige Einweihungsstätten. In derWeisheitsschule des Pythagoras wirkten die großen Weisheitslehren undWeisheitsmethoden der Vorzeit nach. Auf großen Reisen war Pythagoras in dieGeheimnisse der verschiedensten Mysterien eingeweiht worden.)

*

(107) Das Leben des Menschen in der nachatlantischen Zeit zwischen Geburtund Tod hatte aber auch seinen Einfluß auf den leibfreien Zustand nach demTode. (286) Je mehr der Mensch seine Interessen der physisch-sinnlichen Weltzukehrte, um so größer war die Möglichkeit, daß sich Ahriman während desErdenlebens in die Seele einlebte und dann seine Gewalt über den Tod hinausbehielt. Bei den Völkern des alten Indien war diese Gefahr noch am geringsten.Denn sie hatten während des Erdenlebens die physisch-sinnliche Welt alsIllusion empfunden. Dadurch entzogen sie sich nach dem Tode der MachtAhrimans. Um so größer war die Gefahr für die urpersischen Völker. Sie hattenin der Zeit zwischen Geburt und Tod den Blick mit Interesse auf diesinnlich-physische Welt gerichtet.

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Sie wären in hohem Maße Ahrimans Umgarnungen verfallen, wenn nichtZarathustra in eindrucksvoller Art durch die Lehre des Lichtgottes daraufhingedeutet hätte, daß hinter der physisch-sinnlichen Welt diejenige derLichtgeister steht. Soviel die Menschen dieser Kultur aus der so erregtenVorstellungswelt in die Seele aufgenommen hatten, ebensoviel entzogen sie sichfür das Erdenleben den Fangarmen Ahrimans und damit auch für das Lebennach dem Tode, durch das sie sich auf ein neues Erdenleben vorbereiten sollten.Im Erdenleben führt die Gewalt Ahrimans dazu, das sinnlich-physische Daseinals das einzige anzusehen und sich dadurch jeden Ausblick auf eine geistigeWelt zu versperren. In der geistigen Welt bringt diese Gewalt den Menschen zurvölligen Vereinsamung, zur Hinlenkung aller Interessen nur auf sich. Menschen,welche beim Tode in Ahrimans Gewalt sind, werden als Egoistenwiedergeboren.

(108) Man kann gegenwärtig innerhalb der Geisteswissenschaft das Lebenzwischen dem Tode und einer neuen Geburt so beschreiben, wie es ist, wenn derahrimanische Einfluß bis zu einem gewissen Grade überwunden ist. (287) Undso ist es von dem Schreiber dieses Buches in anderen Schriften und in den erstenKapiteln der vorliegenden geschildert worden. Und so muß es geschildertwerden, wenn anschaulich werden soll, was in dieser Daseinsform von demMenschen erlebt werden kann, wenn er sich den reinen Geistesblick für daswirklich Vorhandene erobert hat. Inwieweit es der einzelne mehr oder wenigererlebt, hängt von seiner Besiegung des ahrimanischen Einflusses ab. DerMensch nähert sich dem, was er sein kann in der geistigen Welt, immer mehrund mehr. Wie dies, was da der Mensch sein kann, beeinträchtigt wird vonanderen Einflüssen, muß hier beim Betrachten des Entwickelungsganges derMenschheit doch scharf ins Auge gefaßt werden.

(109) Bei dem ägyptischen Volke sorgte Hermes dafür, daß die Menschenwährend des Erdenlebens sich zur Gemeinschaft mit dem Lichtgeistvorbereiteten. Weil aber während dieser Zeit die Interessen der Menschenzwischen Geburt und Tod schon so gestaltet waren, daß durch den Schleier desPhysisch-Sinnlichen nur in geringem Grade hindurchgeschaut werden konnte, soblieb auch der geistige Blick der Seele nach dem Tode getrübt. DieWahrnehmung der Lichtwelt blieb matt. – Einen Höhepunkt erreichte dieVerschleierung der geistigen Welt nach dem Tode für jene Seelen, welche auseinem Leibe der griechisch-lateinischen Kultur in den leibfreien Zustandübergingen. Sie hatten im Erdenleben die Pflege des sinnlich-physischenDaseins zur Blüte gebracht. Und damit hatten sie sich zu einem Schattendaseinnach dem Tode verurteilt. Daher empfand der Grieche dieses Leben nach demTode als ein Schattendasein; und es ist nicht bloßes Gerede, sondern dieEmpfindung der Wahrheit, wenn der dem Sinnenleben zugewandte Held dieserZeit sagt: (288) «Lieber ein Bettler auf der Erde, als ein König im Reich derSchatten.»

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Noch ausgeprägter war dies alles bei jenen asiatischen Völkern, die auch in ihrerVerehrung und Anbetung den Blick nur auf die sinnlichen Abbilder statt auf diegeistigen Urbilder gerichtet hatten. Ein großer Teil der Menschheit war zur Zeitder griechisch-lateinischen Kulturperiode in der geschilderten Lage. Man sieht,wie die Mission des Menschen in der nachatlantischen Zeit, welche in derEroberung der physisch-sinnlichen Welt bestand, notwendig zur Entfremdungvon der geistigen Welt führen mußte. So hängt das Große auf der einen Seite mitdem Verfall auf der anderen ganz notwendig zusammen. – In den Mysterienwurde der Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt gepflegt. IhreEingeweihten konnten in besonderen Seelenzuständen die Offenbarungen ausdieser Welt empfangen. Sie waren mehr oder weniger die Nachfolger deratlantischen Orakelhüter. Ihnen wurde enthüllt, was verhüllt war durch dieEinschläge Luzifers und Ahrimans. Luzifer verhüllte für den Menschendasjenige aus der geistigen Welt, was in den menschlichen Astralleib ohnedessen Zutun bis zur Mitte der atlantischen Zeit eingeströmt war. Falls derLebensleib nicht vom physischen Leib teilweise getrennt worden wäre, hättedieses Gebiet der geistigen Welt der Mensch wie eine innere Seelenoffenbarungin sich erleben können. Durch den luziferischen Einschlag konnte er es nur inbesonderen Seelenzuständen. Da erschien ihm eine geistige Welt im Kleide desAstralischen. Die entsprechenden Wesen offenbarten sich durch solcheGestalten, welche bloß die Glieder der höheren Menschennatur an sich trugen,und an diesen Gliedern die astralisch-sichtbaren Sinnbilder für ihre besonderengeistigen Kräfte. Übermenschliche Gestalten offenbarten sich auf diese Art –(289) Nach dem Eingriff Ahrimans kam zu dieser Art von Einweihung nocheine andere. Ahriman hat verhüllt alles dasjenige aus der geistigen Welt, washinter der sinnlich-physischen Wahrnehmung erschienen wäre, wenn von derMitte der atlantischen Epoche an sein Eingriff nicht erfolgt wäre. Daß denEingeweihten dies enthüllt wurde, verdankten sie dem Umstande, daß sie allejene Fähigkeiten, welche der Mensch seit jener Zeit erlangt hatte, über das Maßhinaus in der Seele übten, durch welches die Eindrücke des sinnlich-physischenDaseins erzielt werden. Es offenbarte sich ihnen dadurch, was als geistigeMächte hinter den Naturkräften liegt. Sie konnten sprechen von den geistigenWesenheiten hinter der Natur. Die schöpferischen Mächte derjenigen Kräfteenthüllten sich ihnen, die in dem Natürlichen wirken, das unter dem Menschensteht. Was von Saturn, Sonne und dem alten Monde her fortgewirkt hat und desMenschen physischen Leib, seinen Lebensleib, seinen astralischen Leib gebildethatte, sowie das mineralische, das pflanzliche, das tierische Reich, das bildeteden Inhalt der einen Art von Mysterien-Geheimnissen. Es waren diejenigen,über welche Ahriman die Hand hielt. Was zur Empfindungsseele, zurVerstandesseele, zur Bewußtseinsseele geführt hatte, das wurde in einer zweitenArt von Mysterien-Geheimnissen geoffenbart. Was aber von den Mysterien nurprophezeit werden konnte, das war, daß in der Zeiten Lauf ein Menscherscheinen werde mit einem solchen Astralleib, daß in diesem trotz Luzifers dieLichtwelt des Sonnengeistes durch den Lebensleib ohne besondere

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Seelenzustände werde bewußt werden können. Und der physische Leib diesesMenschenwesens mußte so sein, daß für dasselbe offenbar würde alles dasjenigeaus der geistigen Welt, was bis zum physischen Tode hin von Ahriman verhülltwerden kann.

(110) Der physische Tod kann für dieses Menschenwesen nichts innerhalb desLebens ändern, das heißt keine Gewalt über dasselbe haben. In einem solchenMenschenwesen kommt das «Ich» so zu Erscheinung, daß im physischen Lebenzugleich das volle geistige enthalten ist. Ein solches Wesen ist Träger desLichtgeistes, zu dem sich der Eingeweihte von zwei Seiten aus erhebt, indem erentweder zu dem Geist des Übermenschlichen oder zu dem Wesen derNaturmächte in besonderen Seelenzuständen geführt wird. Indem dieEingeweihten der Mysterien voraussagten, daß ein solches Menschenwesen imLaufe der Zeit erscheinen werde, waren sie die Propheten des Christus.

(111) Als der besondere Prophet in diesem Sinne erstand eine Persönlichkeitinmitten eines Volkes, welches durch natürliche Vererbung die Eigenschaftender vorderasiatischen Völker und durch Erziehung die Lehren der Ägypter insich hatte, des israelitischen Volkes. Es war Moses. In seine Seele war so vielvon den Einflüssen der Einweihung gekommen, daß dieser Seele in besonderenZuständen das Wesen sich offenbarte, das einstmals in der regelmäßigenErdenentwickelung die Rolle übernommen hatte, vom Monde aus dasmenschliche Bewußtsein zu gestalten. In Blitz und Donner erkannte Moses nichtbloß die physischen Erscheinungen, sondern die Offenbarungen desgekennzeichneten Geistes. Aber zugleich hatte auf seine Seele gewirkt dieandere Art von Mysterien-Geheimnissen, und so vernahm er in den astralischenSchauungen das Übermenschliche, wie es zum Menschlichen durch das «Ich»wird. So enthüllte sich Moses derjenige, welcher kommen mußte, von zweiSeiten her als die höchste Form des «Ich». (291)

(112) Und mit «Christus» erschien in menschlicher Gestalt, was das hoheSonnenwesen als das große menschliche Erdenvorbild vorbereitet hatte. Mitdieser Erscheinung mußte alle Mysterien-Weisheit in gewisser Beziehung eineneue Form annehmen. Vorher war diese ausschließlich dazu da, den Menschendazu zu bringen, sich in einen solchen Seelenzustand zu versetzen, daß er dasReich des Sonnengeistes außer der irdischen Entwickelung schauen konnte.Nunmehr bekamen die Mysterien-Weistümer die Aufgabe, den Menschen fähigzu machen, den menschgewordenen Christus zu erkennen und von diesemMittelpunkte aller Weisheit aus die natürliche und die geistige Welt zuverstehen.

(113) In jenem Augenblicke seines Lebens, in welchem der Astralleib desChristus Jesus alles das in sich hatte, was durch den luziferischen Einschlagverhüllt werden kann, begann sein Auftreten als Lehrer der Menschheit.

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Von diesem Augenblick an war in die menschliche Erdenentwickelung dieAnlage eingepflanzt, die Weisheit aufzunehmen, durch welche nach und nachdas physische Erdenziel erreicht werden kann. In jenem Augenblicke, da sichdas Ereignis von Golgatha vollzog, war die andere Anlage in die Menschheiteingeimpft, wodurch der Einfluß Ahrimans zum Guten gewendet werden kann.Aus dem Leben heraus kann nunmehr der Mensch durch das Tor des Todeshindurch das mitnehmen, was ihn befreit von der Vereinsamung in der geistigenWelt. Nicht nur für die physische Menschheitsentwickelung steht das Ereignisvon Palästina im Mittelpunkte, sondern auch für die übrigen Welten, denen derMensch angehört. (292) Und als sich das «Mysterium von Golgatha» vollzogenhatte, als der «Tod des Kreuzes» erlitten war, da erschien der Christus in jenerWelt, in welcher die Seelen nach dem Tode wellen, und wies die MachtAhrimans in ihre Schranken. Von diesem Augenblicke an war das Gebiet, dasvon den Griechen ein «Schattenreich» genannt worden war, von jenemGeistesblitz durchzuckt, der seinen Wesen zeigte, daß wieder Licht in dasselbekommen sollte. Was durch das Mysterium von Golgatha» für die physische Welterlangt war, das warf sein Licht hinein in die geistige Welt. – So war dienachatlantische Menschheitsentwickelung bis zu diesem Ereignis hin einAufstieg für die physisch-sinnliche Welt. Aber sie war auch ein Niedergang fürdie geistige. Alles, was in die sinnliche Welt floß, das entströmte dem, was inder geistigen seit uralten Zeiten schon war. Seit dem Christus-Ereignis könnendie Menschen, welche sich zu dem Christus-Geheimnis erheben, aus dersinnlichen Welt in die geistige das Errungene hinübernehmen. Und aus dieserfließt es dann wieder in die irdisch-sinnliche zurück, indem die Menschen beiihrer Wiederverkörperung dasjenige mitbringen, was ihnen der Christus-Impulsin der geistigen Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt geworden ist.

(114) Was durch die Christus-Erscheinung der Menschheitsentwickelungzugeflossen ist, wirkte wie ein Same in derselben. Der Same kann nurallmählich reifen. Nur der allergeringste Teil der Tiefen der neuen Weistümer istbis auf die Gegenwart herein in das physische Dasein eingeflossen. Dieses stehterst im Anfange der christlichen Entwickelung. Diese konnte in denaufeinanderfolgenden Zeiträumen, die seit jener Erscheinung verflossen sind,nur immer so viel von ihrem inneren Wesen enthüllen, als die Menschen, dieVölker fähig waren, zu empfangen, als diese in ihr Vorstellungsvermögenaufnehmen konnten. Die erste Form, in welche sich dieses Erkennen gießenkonnte, läßt sich als ein umfassendes Lebensideal aussprechen. (293) Alssolches stellte es sich entgegen dem, was in der nachatlantischen Menschheitsich als Lebensformen herausgebildet hatte. Es sind oben die Verhältnissegeschildert worden, welche in der Entwickelung der Menschheit seit derWiederbevölkerung der Erde in der lemurischen Zeit gewirkt haben. DieMenschen sind demgemäß seelisch auf verschiedene Wesenheitenzurückzuführen, welche aus anderen Welten kommend in denLeibesnachkommen der alten Lemurier sich verkörperten.

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Geheimwissenschaft – Die Weltenentwickelung und der Mensch

Die verschiedenen Menschenrassen sind eine Folge dieser Tatsache. Und in denwiederverkörperten Seelen traten, infolge ihres Karmas, die verschiedenstenLebensinteressen auf Solange alles das nachwirkte, konnte es nicht das Ideal der«allgemeinen Menschlichkeit» geben. Die Menschheit ist von einer Einheitausgegangen; aber die bisherige Erdenentwickelung hat zur Sonderung geführt.In der Christus-Vorstellung ist zunächst ein Ideal gegeben, das aller Sonderungentgegenwirkt, denn in dem Menschen, der den Christusnamen trägt, leben auchdie Kräfte des hohen Sonnen-Wesens, in denen jedes menschliche Ich seinenUrgrund findet. Noch das israelitische Volk fühlte sich als Volk, der Mensch alsGlied dieses Volkes. Indem zunächst in dem bloßen Gedanken erfaßt wurde, daßin Christus Jesus der Idealmensch lebt, zu dem die Bedingungen der Sonderungnicht dringen, wurde das Christentum das Ideal der umfassenden Brüderlichkeit.Über alle Sonderinteressen und Sonderverwandtschaften hinweg trat das Gefühlauf, daß des Menschen innerstes Ich bei jedem den gleichen Ursprung hat.(Neben allen Erdenvorfahren tritt der gemeinsame Vater aller Menschen auf.«Ich und der Vater sind Eins.») (294)

(115) Im vierten, fünften und sechsten Jahrhundert n.Chr. bereitete sich inEuropa ein Kulturzeitalter vor, das mit dem fünfzehnten Jahrhundert begann undin welchem die Gegenwart noch lebt. Es sollte das vierte, dasgriechisch-lateinische allmählich ablösen. Es ist das fünfte nachatlantischeKulturzeitalter. Die Völker, welche sich nach verschiedenen Wanderungen undden mannigfaltigsten Schicksalen zu Trägern dieses Zeitalters machten, warenNachkommen derjenigen Atlantier, welche von dem, was mittlerweile in denvier vorhergehenden Kulturperioden sich abgespielt hatte, am unberührtestengeblieben waren. Sie waren nicht bis in die Gebiete vorgedrungen, in denen dieentsprechenden Kulturen Wurzel faßten. Dagegen hatten sie in ihrer Art dieatlantischen Kulturen fortgepflanzt. Es gab unter ihnen viele Menschen, welchesich das Erbstück des alten dämmerhaften Hellsehens – des beschriebenenZwischenzustandes zwischen Wachen und Schlafen – im hohen Grade bewahrthatten. Solche Menschen kannten die geistige Welt als eigenes Erlebnis undkonnten ihren Mitmenschen mitteilen, was in dieser Welt vorgeht. So entstandeine Welt von Erzählungen über geistige Wesen und geistige Vorgänge. Und derMärchen- und Sagenschatz der Völker ist ursprünglich aus solchen geistigenErlebnissen heraus entstanden. Denn die dämmerhafte Hellsichtigkeit vielerMenschen dauerte bis in Zeiten herauf, die keineswegs lange hinter unsererGegenwart zurückliegen. Andere Menschen waren da, welche dieHellsichtigkeit zwar verloren hatten, aber die erlangten Fähigkeiten für diesinnlich-physische Welt doch nach Gefühlen und Empfindungen ausbildeten,welche den Erlebnissen dieser Hellsichtigkeit entsprachen. Und auch dieatlantischen Orakel hatten hier ihre Nachfolger. Es gab überall Mysterien. (295)Nur bildete sich in diesen Mysterien vorwiegend ein solches Geheimnis derEinweihung aus, welches zur Offenbarung derjenigen Geisteswelt führt, dieAhriman verschlossen hält.

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Geheimwissenschaft – Die Weltenentwickelung und der Mensch

Die hinter den Naturgewalten stehenden Geistesmächte wurden da erschlossen.In den Mythologien der europäischen Völker sind die Reste dessen enthalten,was die Eingeweihten dieser Mysterien den Menschen verkünden konnten. Nurenthalten diese Mythologien allerdings auch das andere Geheimnis, doch inunvollkommenerer Gestalt, als die südlichen und östlichen Mysterien es hatten.Die übermenschlichen Wesenheiten waren auch in Europa bekannt. Doch sahman sie im stetigen Kampfe mit den Genossen Luzifers. Und man verkündigtezwar den Lichtgott; doch in solcher Gestalt, daß man von dieser nicht sagenkonnte, sie werde Luzifer besiegen. Dafür aber leuchtete auch in dieseMysterien hinein die Zukunftsgestalt des Christus. Man verkündigte von ihm,daß sein Reich ablösen werde das Reich jenes anderen Lichtgottes. (Alle Sagenvon der Götterdämmerung und ähnliche haben in dieser Erkenntnis derMysterien Europas ihren Ursprung.) Aus solchen Einflüssen heraus entstand einSeelenzwiespalt in den Menschen der fünften Kulturepoche, der gegenwärtignoch fortdauert und sich in den mannigfaltigsten Erscheinungen des Lebenszeigt. Die Seele behielt von den alten Zeiten her den Zug zum Geistigen nicht sostark, daß sie den Zusammenhang zwischen der geistigen und der sinnlichenWelt hätte festhalten können. Sie behielt ihn nur als Gefühls- undEmpfindungszug, nicht aber als unmittelbares Schauen der übersinnlichen Welt.Dagegen wurde der Blick des Menschen auf die sinnliche Welt und ihreBeherrschung immer mehr hingelenkt. Und die in der letzten atlantischen Zeiterwachten Verstandeskräfte, alle die Kräfte im Menschen, deren Instrument dasphysische Gehirn ist, wurden auf die Sinneswelt und deren Erkenntnis undBeherrschung hin ausgebildet. Zwei Welten entwickelten sich gewissermaßen inder Menschenbrust. Die eine ist dem sinnlich-physischen Dasein zugekehrt, dieandere ist empfänglich für die Offenbarung des Geistigen, um dieses mit Gefühlund Empfindung, doch ohne Anschauung zu durchdringen. Die Anlagen zudieser Seelenspaltung waren schon vorhanden, als die Christuslehre in dieGebiete Europas einfloß. Man nahm diese Botschaft vom Geiste in die Herzenauf, durchdrang Empfindung und Gefühl damit, konnte aber nicht die Brückeschlagen zu dem, was der auf die Sinne gerichtete Verstand imphysisch-sinnlichen Dasein erkundete. Was man heute kennt als Gegensatz vonäußerer Wissenschaft und geistiger Erkenntnis, ist nur eine Folge dieserTatsache. Die christliche Mystik (Eckharts, Taulers usw.) ist ein Ergebnis derDurchdringung von Gefühl und Empfindung mit dem Christentum. Die bloß aufdie Sinnenwelt gerichtete Wissenschaft und deren Ergebnisse im Leben sind dieFolgen der andern Seite der Seelenanlagen. Und es sind die Errungenschaftenauf dem Felde der äußerlichen materiellen Kultur durchaus dieser Trennung derAnlagen zu verdanken. Indem sich diejenigen Fähigkeiten des Menschen,welche ihr Instrument im Gehirn haben, einseitig dem physischen Lebenzuwandten, konnten sie zu jener Steigerung kommen, welche die gegenwärtigeWissenschaft, Technik usw. möglich machte. Und nur bei den Völkern Europaskonnte der Ursprung dieser materiellen Kultur liegen.

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Geheimwissenschaft – Die Weltenentwickelung und der Mensch

Denn sie sind jene Nachkommen atlantischer Vorfahren, welche den Zug für diephysisch-sinnliche Welt erst dann zu Fähigkeiten ausbildeten, als er zu einergewissen Reife gediehen war. (297) Vorher ließen sie ihn schlummern undlebten von den Erbstücken des atlantischen Hellsehens und den Mitteilungenihrer Eingeweihten. Während äußerlich die Geisteskultur nur diesen Einflüssenhingegeben war, reifte langsam aus der Sinn für die materielle Beherrschung derWelt.

(116) Doch kündigt sich gegenwärtig bereits die Morgenröte der sechstennachatlantischen Kulturperiode an. Denn was in der Menschheitsentwickelungzu einer gewissen Zeit entstehen soll, das reift langsam in der vorhergehendenZeit. Was gegenwärtig sich schon in den Anfängen entwickeln kann, das ist dasAuffinden des Fadens, welcher die zwei Seiten in der Menschenbrust verbindet,die materielle Kultur und das Leben in der geistigen Welt. Dazu ist notwendig,daß auf der einen Seite die Ergebnisse des geistigen Schauens begriffen werdenund auf der andern in den Beobachtungen und Erlebnissen der Sinnenwelt dieOffenbarungen des Geistes erkannt werden. Die sechste Kulturepoche wird dieHarmonie zwischen beiden zur vollen Entwickelung bringen. Damit ist dieBetrachtung dieses Buches bis zu einem Punkte vorgerückt, wo sie übergehenkann von einem Ausblick in die Vergangenheit zu einem solchen in die Zukunft.Doch ist es besser, wenn diesem Ausblick die Betrachtung über die Erkenntnisder höheren Welt und über die Einweihung vorangeht. Dann wird sich an sieJener Ausblick, insofern er möglich ist in dem Rahmen dieser Schrift, kurzgeben lassen. (298)

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DIE ERKENNTNIS DER HÖHEREN WELTEN

(VON DER EINWEIHUNG ODER INITIATION)

(1) Zwischen Geburt und Tod durchlebt der Mensch auf seiner gegenwärtigenEntwickelungsstufe im gewöhnlichen Leben drei Seelenzustände: das Wachen,den Schlaf und zwischen beiden den Traumzustand. Auf den letzteren soll anspäterer Stelle dieser Schrift noch kurz hingedeutet werden. Hier mag das Lebenzunächst in seinen beiden wechselnden Hauptzuständen, dem Wachen und demSchlafen, betrachtet werden. – Zu Erkenntnissen in höheren Welten gelangt derMensch, wenn er sich, außer dem Schlafen und Wachen, noch einen drittenSeelenzustand erwirbt. Während des Wachens ist die Seele hingegeben denSinneseindrücken und den Vorstellungen, welche von diesen Sinneseindrückenangeregt werden. Während des Schlafes schweigen die Sinneseindrücke; aberdie Seele verliert auch das Bewußtsein. Die Tageserlebnisse sinken in das Meerder Bewußtlosigkeit hinunter. – Man denke sich nun: die Seele könnte währenddes Schlafes zu einer Bewußtheit kommen, trotzdem die Eindrücke der Sinne,wie sonst im tiefen Schlafe, ausgeschaltet blieben. ja, es würde auch dieErinnerung an die Tageserlebnisse nicht vorhanden sein. Befände sich nun dieSeele in einem Nichts? Könnte sie nun gar keine Erlebnisse haben? – EineAntwort auf diese Frage ist nur möglich, wenn ein Zustand wirklich hergestelltwerden kann welcher diesem gleich oder ähnlich ist. Wenn die Seele etwaserleben kann, auch dann, wenn keine Sinneswirkungen und keine Erinnerungenan solche in ihr vorhanden sind. (299) Dann befände sich die Seele in bezug aufdie gewöhnliche Außenwelt wie im Schlafe; und doch schliefe sie nicht, sondernwäre wie im Wachen einer wirklichen Welt gegenüber. Nun kann ein solcherBewußtseinszustand hergestellt werden, wenn der Mensch diejenigenSeelenerlebnisse herbeiführt, welche ihm die Geisteswissenschaft möglichmacht. Und alles, was diese über jene Welten mitteilt, welche über die sinnlichehinausliegen, ist durch einen solchen Bewußtseinszustand erforscht. – In denvorhergehenden Ausführungen sind einige Mitteilungen über höhere Weltengemacht worden. In dem Folgenden soll nun auch – soweit dies in diesem Buchegeschehen kann – von den Mitteln gesprochen werden, durch welche der zudiesem Forschen notwendige Bewußtseinszustand geschaffen wird.

(2) Nur nach einer Richtung hin gleicht dieser Bewußtseinszustand demSchlafe, nämlich dadurch, daß durch ihn alle äußeren Sinneswirkungenaufhören; auch alle Gedanken getilgt sind, welche durch diese Sinneswirkungenangeregt sind. Während aber im Schlafe die Seele keine Kraft hat, bewußt etwaszu erleben, soll sie diese Kraft durch diesen Bewußtseinszustand erhalten. Durchihn wird in der Seele also die Fähigkeit eines Erlebens erweckt, welche imgewöhnlichen Dasein nur durch die Sinneswirkungen angeregt wird. DieErweckung der Seele zu einem solchen höheren Bewußtseinszustand kannEinweihung (Initiation) genannt werden.

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(3) Die Mittel der Einweihung führen den Menschen aus dem gewöhnlichenZustande des Tagesbewußtseins in eine solche Seelentätigkeit hinein, durchwelche er sich geistiger Beobachtungswerkzeuge bedient. Diese Werkzeuge sindwie Keime vorher in der Seele vorhanden. Diese Keime müssen entwickeltwerden. – (300) Nun kann der Fall eintreten, daß ein Mensch in einembestimmten Zeitpunkte seiner Lebenslaufbahn ohne besondere Vorbereitung inseiner Seele die Entdeckung macht, es haben sich solche höhere Werkzeuge inihm entwickelt. Es ist dann eine Art von unwillkürlicher Selbsterweckungeingetreten. Solch ein Mensch wird sich dadurch in seinem ganzen Wesenumgewandelt finden. Eine unbegrenzte Bereicherung seiner Seelenerlebnissetritt ein. Und er wird finden, daß er durch keine Erkenntnisse der Sinnenwelteine solche Beseligung, solche befriedigende Gemütsverfassung und innereWärme empfinden kann, wie durch dasjenige, was sich einer Erkenntniserschließt, die nicht dem physischen Auge zugänglich ist. Kraft undLebenssicherheit wird in seinen Willen aus einer geistigen Welt einströmen. –Solche Fälle von Selbsteinweihung gibt es. Sie sollten aber nicht zu demGlauben verführen, daß es das einzig Richtige sei, eine solche Selbsteinweihungabzuwarten und nichts zu tun, um die Einweihung durch regelrechte .Schulungherbeizuführen. Von der Selbsteinweihung braucht hier nicht gesprochen zuwerden, da sie eben ohne Beobachtung irgendwelcher Regeln eintreten kann.Dargestellt aber soll werden, wie man durch Schulung die in der Seele keimhaftruhenden Wahrnehmungsorgane entwickeln kann. Menschen, welche keinenbesonderen Antrieb in sich verspüren, für ihre Entwickelung selbst etwas zu tun,werden leicht sagen: das Menschenleben steht in der Leitung von geistigenMächten, in deren Führung soll man nicht eingreifen; man soll ruhig desAugenblickes harren, in dem jene Mächte es für richtig halten, der Seele eineandere Welt zu erschließen. Es wird wohl auch von solchen Menschen wie eineArt von Vermessenheit empfunden, oder als eine unberechtigte Begierde, in dieWeisheit der geistigen Führung einzugreifen. (301) Persönlichkeiten, welche sodenken, werden erst dann zu einer anderen Meinung geführt, wenn auf sie einegewisse Vorstellung einen genügend starken Eindruck macht. Wenn sie sichsagen: jene weise Führung hat mir gewisse Fähigkeiten gegeben; sie hat mirdiese nicht verliehen, auf daß ich sie unbenützt lasse, sondern damit ich siegebrauche. Die Weisheit der Führung besteht darin, daß sie in mich die Keimegelegt hat zu einem höheren Bewußtseinszustande. Ich verstehe diese Führungnur, wenn ich es als Pflicht empfinde, daß alles dem Menschen offenbar werde,was durch seine Geisteskräfte offenbar werden kann. Wenn ein solcher Gedankeeinen genügend starken Eindruck auf die Seele gemacht hat, dann werden dieobigen Bedenken gegen eine Schulung in bezug auf einen höherenBewußtseinszustand schwinden.

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(4) Es kann aber allerdings noch ein anderes Bedenken geben, das sich gegeneine solche Schulung erhebt. Man kann sich sagen: «Die Entwickelung innererSeelenfähigkeiten greift in das verborgenste Heiligtum des Menschen ein. Sieschließt in sich eine gewisse Umwandlung des ganzen menschlichen Wesens.Die Mittel zu solcher Umwandlung kann man sich naturgemäß nicht selberersinnen. Denn wie man in eine höhere Welt kommt, kann doch nur derjenigewissen, welcher den Weg in diese als sein eigenes Erlebnis kennt. Wenn mansich an eine solche Persönlichkeit wendet, so gestattet man derselben einenEinfluß auf das verborgenste Heiligtum der Seele.» – Wer so denkt, dem könntees selbst keine besondere Beruhigung gewähren, wenn ihm die Mittel zurHerbeiführung eines höheren Bewußtseinszustandes in einem Buche dargebotenwürden. Denn es kommt ja nicht darauf an, ob man etwas mündlich mitgeteilterhält oder ob eine Persönlichkeit, welche die Kenntnis dieser Mittel hat, diesein einem Buche darstellt und ein anderer sie daraus erfährt. (302) Es gibt nunsolche Persönlichkeiten, welche die Kenntnis der Regeln für die Entwickelungder geistigen Wahrnehmungsorgane besitzen und welche die Ansicht vertreten,daß man diese Regeln einem Buche nicht anvertrauen dürfe. Solche Personenbetrachten zumeist auch die Mitteilung gewisser Wahrheiten, welche sich aufdie geistige Welt beziehen, als unstatthaft. Doch muß diese Anschauunggegenüber dem gegenwärtigen Zeitalter der Menschheitsentwickelung ingewisser Beziehung als veraltet bezeichnet werden. Richtig ist, daß man mit derMitteilung der entsprechenden Regeln nur bis zu einem gewissen Punkte gehenkann. Doch führt das Mitgeteilte so weit, daß derjenige, welcher dieses auf seineSeele anwendet, in der Erkenntnisentwickelung dazu gelingt daß er den weiterenWeg dann finden kann. Es führt dieser Weg dann in einer Ad weiter, überwelche man eine richtige Vorstellung auch nur durch das vorher Durchgemachteerhalten kann. Aus all diesen Tatsachen können sich Bedenken gegen dengeistigen Erkenntnisweg ergeben. Diese Bedenken schwinden, wenn man dasWesen desjenigen Entwickelungsganges ins Auge faßt, welchen die unseremZeitalter angemessene Schulung vorzeichnet. Von diesem Wege soll hiergesprochen und auf andere Schulungen nur kurz hingewiesen werden.

(5) Die hier zu besprechende Schulung gibt demjenigen, welcher den Willenzu seiner höheren Entwickelung hat, die Mittel an die Hand, die Umwandlungseiner Seele vorzunehmen. Ein bedenklicher Eingriff in das Wesen des Schülerswäre nur dann vorhanden, wenn der Lehrer diese Umwandlung durch Mittelvornähme, die sich dem Bewußtsein des Schülers entziehen. (303) SolcherMittel bedient sich aber keine richtige Anweisung der Geistesentwickelung inunserem Zeitalter. Diese macht den Schüler zu keinem blinden Werkzeuge. Siegibt ihm die Verhaltungsmaßregeln; und der Schüler führt sie aus. Es wirddabei, wenn es darauf ankommt, nicht verschwiegen, warum diese oder jeneVerhaltungsmaßregel gegeben wird. Die Entgegennahme der Regeln und ihreAnwendung durch eine Persönlichkeit, welche geistige Entwickelung sucht,braucht nicht auf blinden Glauben hin zu geschehen.

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Ein solcher sollte auf diesem Gebiete ganz ausgeschlossen sein. Wer die Naturder Menschenseele betrachtet, soweit sie ohne Geistesschulung schon durch diegewöhnliche Selbstbeobachtung sich ergibt, der kann sich nach Entgegennahmeder von der Geistesschulung empfohlenen Regeln fragen, wie können dieseRegeln im Seelenleben wirken? Und diese Frage kann, vor aller Schulung, beiunbefangener Anwendung des gesunden Menschenverstandes genügendbeantwortet werden. Man kann über die Wirkungsweise dieser Regeln sichrichtige Vorstellungen machen, bevor man sich ihnen hingibt. Erleben kannman diese Wirkungsweise allerdings erst während der Schulung. Allein auch dawird das Erleben stets von dem Verstehen dieses Erlebens begleitet sein, wennman jeden zu machenden Schritt mit dem gesunden Urteile begleitet. Undgegenwärtig wird eine wahre Geisteswissenschaft nur solche Regeln für dieSchulung angeben, denen gegenüber solches gesunde Urteil sich geltend machenkann. Wer willens ist, sich nur einer solchen Schulung hinzugeben, und wer sichdurch keine Voreingenommenheit zu einem blinden Glauben treiben läßt, demwerden alle Bedenken schwinden. Einwände gegen eine regelrechte Schulung zueinem höheren Bewußtseinszustande werden ihn nicht stören. (304)

(6) Selbst für eine solche Persönlichkeit, welche die innere Reife hat, die siein kürzerer oder längerer Zeit zum Selbsterwachen der geistigenWahrnehmungsorgane führen kann, ist eine Schulung nicht überflüssig, sondernim Gegenteil, für sie ist sie ganz besonders geeignet. Denn es gibt nur wenigeFälle, in denen eine solche Persönlichkeit vor der Selbsteinweihung nicht diemannigfaltigsten krummen und vergeblichen Seitenwege durchzumachen hat.Die Schulung erspart ihr diese Seitenwege. Sie führt in der geraden Richtungvorwärts. Wenn eine solche Selbsteinweihung für diese Seele eintritt, so rührtdies davon her, daß die Seele sich in vorhergehenden Lebensläufen dieentsprechende Reife erworben hat. Es kommt nun sehr leicht vor, daß geradeeine solche Seele ein gewisses dunkles Gefühl von ihrer Reife hat und sich ausdiesem Gefühl heraus gegen eine Schulung ablehnend verhält. Ein solchesGefühl kann nämlich einen gewissen Hochmut erzeugen, welcher das Vertrauenzu echter Geistesschulung hindert. Es kann nun eine gewisse Stufe derSeelenentwickelung bis zu einem gewissen Lebensalter verborgen bleiben underst dann hervortreten. Aber es kann die Schulung gerade das rechte Mittel sein,um sie zum Hervortreten zu bringen. Verschließt sich ein Mensch dann gegendie Schulung, dann kann es sein, daß seine Fähigkeit in dem betreffendenLebenslauf verborgen bleibt und erst wieder in einem der nächsten Lebensläufehervortritt.

(7) In bezug auf die hier gemeinte Schulung für die übersinnliche Erkenntnisist es wichtig, gewisse naheliegende Mißverständnisse nicht aufkommen zulassen. Das eine kann dadurch entstehen, daß man meint, die Schulung wolleden Menschen in bezug auf seine ganze Lebensführung zu einem andern Wesenmachen. (305)

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Allein es handelt sich nicht darum, dem Menschen allgemeineLebensvorschriften zu geben, sondern ihm von Seelenverrichtungen zusprechen, die, wenn er sie ausführt, ihm die Möglichkeit geben, dasÜbersinnliche zu beobachten. Auf denjenigen Teil seiner Lebensverrichtungen,der außerhalb der Beobachtung des Übersinnlichen liegt, haben dieseVerrichtungen keinen unmittelbaren Einfluß. Der Mensch erwirbt sich hinzu zudiesen Lebensverrichtungen die Gabe der übersinnlichen Beobachtung. DieTätigkeit dieser Beobachtung ist von den gewöhnlichen Verrichtungen desLebens so getrennt wie der Zustand des Wachens von dem des Schlafens. Daseine kann das andere nicht im geringsten stören. Wer zum Beispiel dengewöhnlichen Ablauf des Lebens durch Eindrücke des übersinnlichen Schauensdurchsetzen wollte, gleicht einem Ungesunden, dessen Schlaf von schädlichemAufwachen fortwährend unterbrochen würde. Dem freien Willen des Geschultenmuß es möglich sein, den Zustand des Beobachtens übersinnlicher Wirklichkeitherbeizuführen. Mittelbar hängt die Schulung mit Lebensvorschriften allerdingsinsofern zusammen, als ohne eine gewisse ethisch gestimmte Lebensführung einEinblick in das Übersinnliche unmöglich oder schädlich ist. Und deshalb istmanches, das zur Anschauung des Übersinnlichen führt, zugleich Mittel zurVeredlung der Lebensführung. Auf der andern Seite erkennt man durch denEinblick in die übersinnliche Welt höhere moralische Impulse, die auch für diesinnlich-physische Welt gelten. Gewisse moralische Notwendigkeiten werdenerst aus dieser Welt heraus erkannt. – Ein zweites Mißverständnis wäre, wennman glaubte, irgendeine zum übersinnlichen Erkennen führendeSeelenverrichtung habe etwas mit Veränderungen der physischen Organisationzu tun. (306) Es haben solche Verrichtungen vielmehr nicht das geringste zu tunmit irgend etwas, in das Physiologie oder ein anderer Zweig der Naturerkenntnishineinzureden hat. Sie sind so ganz von allem Physischen abliegende reingeistig-seelische Vorgänge Wie das gesunde Denken und Wahrnehmen selbst.Der Art nach geht in der Seele durch eine solche Verrichtung nichts anderes vor,als was vorgeht, wenn sie gesund vorstellt oder urteilt. So viel und so wenig mitdem Leibe das gesunde Denken zu tun hat, so viel und so wenig haben mitdiesem die Vorgänge der echten Schulung zur übersinnlichen Erkenntnis zu tun.Alles, was sich anders zum Menschen verhält, ist nicht wahre Geistesschulung,sondern ein Zerrbild derselben. Im Sinne des hier Gesagten sind die folgendenAusführungen zu nehmen. Nur weil übersinnliche Erkenntnis etwas ist, was vonder ganzen Seele des Menschen ausgeht, wird es so aussehen, als ob zurSchulung Dinge verlangt würden, die aus dem Menschen etwas anderes machen.In Wahrheit handelt es sich um Angaben über Verrichtungen, die die Seele indie Möglichkeit versetzen, innerhalb ihres Lebens solche Augenblickeherbeizuführen, in denen sie das Übersinnliche beobachten kann.

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(8) Die Erhebung zu einem übersinnlichen Bewußtseinszustande kann nurvon dem gewöhnlichen wachen Tagesbewußtsein ausgehen. In diesemBewußtsein lebt die Seele vor ihrer Erhebung. Es werden ihr durch die SchulungMittel gegeben, welche sie aus diesem Bewußtsein herausführen. Die hierzunächst in Betracht kommende Schulung gibt unter den ersten Mitteln solche,welche sich noch als Verrichtungen des gewöhnlichen Tagesbewußtseinskennzeichnen lassen. Gerade die bedeutsamsten Mittel sind solche, die in stillenVerrichtungen der Seele bestehen. (307) Es handelt sich darum, daß sich dieSeele ganz bestimmten Vorstellungen hingibt. Diese Vorstellungen sind solche,welche durch ihr Wesen eine weckende Kraft auf gewisse verborgeneFähigkeiten der menschlichen Seele ausüben. Sie unterscheiden sich vonsolchen Vorstellungen des wachen Tageslebens, welche die Aufgabe haben, einäußeres Ding abzubilden. Je wahrer sie dies tun, desto wahrer sind sie. Und esgehört zu ihrem Wesen, in diesem Sinne wahr zu sein. Eine solche Aufgabehaben die Vorstellungen nicht, welchen sich die Seele zum Ziele derGeistesschulung hingeben soll. Sie sind so gestaltet, daß sie nicht ein Äußeresabbilden, sondern in sich selbst die Eigenheit haben, auf die Seele weckend zuwirken. Die besten Vorstellungen hierzu sind sinnbildliche oder symbolische.Doch können auch andere Vorstellungen verwendet werden. Denn es kommteben gar nicht darauf an, was die Vorstellungen enthalten, sondern lediglichdarauf, daß die Seele alle ihre Kräfte darauf richtet, nichts anderes imBewußtsein zu haben als die betreffende Vorstellung. Während imgewöhnlichen Seelenleben dessen Kräfte auf vieles verteilt sind und dieVorstellungen rasch wechseln, kommt es bei der Geistesschulung auf dieKonzentration des ganzen Seelenlebens auf eine Vorstellung an. Und dieseVorstellung muß durch freien Willen in den Mittelpunkt des Bewußtseinsgerückt sein. Sinnbildliche Vorstellungen sind deshalb besser als Solche, welcheäußere Gegenstände oder Vorgänge abbilden, weil die letzteren denAnhaltspunkt in der Außenwelt haben und dadurch die Seele weniger sich aufsich allein zu stützen hat als bei sinnbildlichen, die aus der eigenenSeelenenergie heraus gebildet werden. Nicht was vorgestellt wird, istwesentlich, sondern darauf kommt es an, daß das Vorgestellte durch die Art desVorstellens das Seelische von jeder Anlehnung an ein Physisches loslöst. (308)

(9) Man gelangt zu einem Erfassen dieser Versenkung in eine Vorstellung,wenn man sich erst einmal den Begriff der Erinnerung vor die Seele ruft. Hatman das Auge z.B. auf einen Baum gerichtet und wendet man sich dann vondem Baume ab, so daß man ihn nicht mehr sehen kann, so vermag man dieVorstellung des Baumes aus der Erinnerung in der Seele wieder zu erwecken.Diese Vorstellung des Baumes, die man hat, wenn derselbe nicht dem Augegegenübersteht, ist eine Erinnerung an den Baum. Nun denke man sich, manbehalte diese Erinnerung in der Seele; man lasse die Seele gleichsam auf derErinnerungsvorstellung ruhen; man bemühe sich, alle andern Vorstellungendabei auszuschließen.

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Dann ist die Seele in die Erinnerungsvorstellung des Baumes versenkt. Man hates dann mit einer Versenkung der Seele in eine Vorstellung zu tun; doch istdiese Vorstellung das Abbild eines durch die Sinne wahrgenommenen Dinges.Wenn man aber dasselbe vornimmt mit einer durch freien Willen in dasBewußtsein versetzten Vorstellung, so wird man nach und nach die Wirkungerzielen können, auf welche es ankommt.

(10) Es soll nur ein Beispiel der inneren Versenkung mit einer sinnbildlichenVorstellung veranschaulicht werden. Zunächst muß eine solche Vorstellung erstin der Seele aufgebaut werden. Das kann in folgender Art geschehen: Man stellesich eine Pflanze vor, wie sie im Boden wurzelt, wie sie Blatt nach Blatt treibt,wie sie sich zur Blüte entfaltet. Und nun denke man sich neben diese Pflanzeeinen Menschen hingestellt. Man mache den Gedanken in seiner Seele lebendig,wie der Mensch Eigenschaften und Fähigkeiten hat, welche denen der Pflanzegegenüber vollkommener genannt werden können. (309) Man bedenke, wie ersich seinen Gefühlen und seinem Willen gemäß da und dorthin begeben kann,während die Pflanze an den Boden gefesselt ist. Nun aber sage man sich auch:ja, gewiß ist der Mensch vollkommener als die Pflanze; aber mir treten dafürauch an ihm Eigenschaften entgegen, welche ich an der Pflanze nichtwahrnehme und durch deren Nichtvorhandensein sie mir in gewisser Hinsichtvollkommener als der Mensch erscheinen kann. Der Mensch ist erfüllt vonBegierden und Leidenschaften; diesen folgt er bei seinem Verhalten. Ich kannbei ihm von Verirrungen durch seine Triebe und Leidenschaften sprechen. Beider Pflanze sehe ich, wie sie den reinen Gesetzen des Wachstums folgt von Blattzu Blatt, wie sie die Blüte leidenschaftslos dem keuschen Sonnenstrahl öffnet.Ich kann mir sagen: der Mensch hat eine gewisse Vollkommenheit vor derPflanze voraus; aber er hat diese Vollkommenheit dadurch erkauft, daß er zuden mir rein erscheinenden Kräften der Pflanze in seinem Wesen hat hinzutretenlassen Triebe, Begierden und Leidenschaften. Ich stelle mir nun vor, daß dergrüne Farbensaft durch die Pflanze fließt und daß dieser der Ausdruck ist für diereinen leidenschaftslosen Wachstumsgesetze. Und dann stelle ich mir vor, wiedas rote Blut durch die Adern des Menschen fließt und wie dieses der Ausdruckist für die Triebe, Begierden und Leidenschaften. Das alles lasse ich als einenlebhaften Gedanken in einer Seele erstehen. Dann stelle ich mir weiter vor, wieder Mensch entwickelungsfähig ist; wie er seine Triebe und Leidenschaftendurch seine höheren Seelenfähigkeiten läutern und reinigen kann. Ich denke mir,wie dadurch ein Niederes in diesen Trieben und Leidenschaften vernichtet wirdund diese auf einer höheren Stufe wiedergeboren werden. (310) Dann wird dasBlut vorgestellt werden dürfen als der Ausdruck der gereinigten und geläutertenTriebe und Leidenschaften. Ich blicke nun z. B. im Geiste auf die Rose und sagemir: in dem roten Rosensaft sehe ich die Farbe des grünen Pflanzensaftesumgewandelt in das Rot; und die rote Rose folgt wie das grüne Blatt den reinen,leidenschaftslosen Gesetzen des Wachstums.

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Das Rot der Rose möge mir nun werden das Sinnbild eines solchen Blutes, dasder Ausdruck ist von geläuterten Trieben und Leidenschaften, welche dasNiedere abgestreift haben und in ihrer Reinheit gleichen den Kräften, welche inder roten Rose wirken. Ich versuche nun, solche Gedanken nicht nur in meinemVerstande zu verarbeiten, sondern in meiner Empfindung lebendig werden zulassen. Ich kann eine beseligende Empfindung haben, wenn ich die Reinheit undLeidenschaftslosigkeit der wachsenden Pflanze mir vorstelle; ich kann dasGefühl in mir erzeugen, wie gewisse höhere Vollkommenheiten erkauft werdenmüssen durch die Erwerbung der Triebe und Begierden. Das kann dieBeseligung, die ich vorher empfunden habe, in ein ernstes Gefühl verwandeln;und dann kann ein Gefühl eines befreienden Glückes in mir sich regen, wenn ichmich hingebe dem Gedanken an das rote Blut, das Träger werden kann voninnerlich reinen Erlebnissen wie der rote Saft der Rose. Es kommt darauf an,daß man nicht gefühllos sich den Gedanken gegenüberstelle, welche zumAufbau einer sinnbildlichen Vorstellung dienen. Nachdem man sich in solchenGedanken und Gefühlen ergangen hat, verwandle man sich dieselben infolgende sinnbildliche Vorstellung. Man stelle sich ein schwarzes Kreuz vor.(311) Dieses sei Sinnbild für das vernichtete Niedere der Triebe undLeidenschaften; und da, wo sich die Balken des Kreuzes schneiden, denke mansich sieben rote, strahlende Rosen im Kreise angeordnet. Diese Rosen seien dasSinnbild für ein Blut, das Ausdruck ist für geläuterte, gereinigte Leidenschaftenund Triebe.*

[* Es kommt nicht darauf an, inwiefern diese oder jene naturwissenschaftliche Vorstellung die obigenGedanken berechtigt findet oder nicht. Denn es handelt sich um die Entwickelung solcher Gedankenan Pflanze und Mensch, welche, ohne alle Theorie, durch eine einfache, unmittelbare Anschauunggewonnen werden können. Solche Gedanken haben ja doch auch ihre Bedeutung neben den in andererBeziehung nicht minder bedeutsamen theoretischen Vorstellungen über die Dinge der Außenwelt. Undhier sind die Gedanken nicht dazu da, um einen Tatbestand wissenschaftlich darzustellen, sondern umein Sinnbild aufzubauen, das sich als seelisch wirksam erweist, gleichgültig, welche Einwände dieseroder jener Persönlichkeit einfallen bei dem Aufbau dieses Sinnbildes.]

Eine solche sinnbildliche Vorstellung soll es nun sein, die man sich in der Artvor die Seele ruft, wie es oben an einer Erinnerungsvorstellung veranschaulichtist. Eine solche Vorstellung hat eine seelenweckende Kraft, wenn man sich ininnerlicher Versenkung ihr hingibt. jede andere Vorstellung muß man versuchenwährend der Versenkung auszuschließen. Lediglich das charakterisierte Sinnbildsoll im Geiste vor der Seele schweben, so lebhaft als dies möglich ist. – Es istnicht bedeutungslos, daß dieses Sinnbild nicht einfach als eine weckendeVorstellung hier angeführt worden ist sondern daß es erst durch gewisseVorstellungen über Pflanze und Mensch aufgebaut worden ist. Denn es hängtdie Wirkung eines solchen Sinnbildes davon ab, daß man es sich in dergeschilderten Art zusammengestellt hat, bevor man es zur inneren Versenkungverwendet. Stellt man es sich vor, ohne einen solchen Aufbau erst in der eigenenSeele durchgemacht zu haben, so bleibt es kalt und viel unwirksamer, als wennes durch die Vorbereitung seine seelenbeleuchtende Kraft erhalten hat. (312)

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Während der Versenkung soll man jedoch sich alle die vorbereitendenGedanken nicht in die Seele rufen, sondern lediglich das Bild lebhaft vor sich imGeiste schweben haben und dabei jene Empfindung mitschwingen lassen, diesich als Ergebnis durch die vorbereitenden Gedanken eingestellt hat. So wird dasSinnbild zum Zeichen neben dem Empfindungserlebnis. Und in dem Verweilender Seele in diesem Erlebnis liegt das Wirksame. je länger man verweilen kann,ohne daß eine störende andere Vorstellung sich einmischt, desto wirksamer istder ganze Vorgang. jedoch ist es gut, wenn man sich außer der Zeit, welche mander eigentlichen Versenkung widmet, öfters durch Gedanken und Gefühle deroben geschilderten Art den Aufbau des Bildes wiederholt, damit dieEmpfindung nicht verblasse. je mehr Geduld man zu einer solchen Erneuerunghat, desto bedeutsamer ist das Bild für die Seele. (In den Auseinandersetzungenmeines Buches: «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» sind nochandere Beispiele von Mitteln zur inneren Versenkung angegeben. Besonderswirksam sind die daselbst charakterisierten Meditationen über das Werden undVergehen einer Pflanze, über die in einem Pflanzen-Samenkorn schlummerndenWerdekräfte, über die Formen von Kristallen usw. Hier in diesem Buche solltean einem Beispiele das Wesen der Meditation gezeigt werden.)

(11) Ein solches Sinnbild, wie es hier geschildert ist, bildet kein äußeres Dingoder Wesen, das durch die Natur hervorgebracht wird, ab. Aber eben geradedadurch hat es seine weckende Kraft für gewisse rein seelische Fähigkeiten. Eskönnte allerdings jemand einen Einwand erheben. (313) Er könnte sagen:Gewiß, das «Ganze», als Sinnbild, ist nicht durch die Natur vorhanden; aber alleEinzelheiten sind doch aus dieser Natur entlehnt: die schwarze Farbe, die Rosenusw. Das alles werde doch durch die Sinne wahrgenommen. Wer durch solchenEinwand gestört wird, der sollte bedenken, daß nicht die Abbildungen derSinneswahrnehmungen dasjenige sind, was zur Weckung der höherenSeelenfähigkeiten führt, sondern daß diese Wirkung lediglich durch die Art derZusammenfügung dieser Einzelheiten hervorgerufen wird. Und dieseZusammenfügung bildet nicht etwas ab, was in der Sinneswelt vorhanden ist.

(12) An einem Sinnbild – als Beispiel – sollte der Vorgang der wirksamenVersenkung der Seele veranschaulicht werden. In der Geistesschulung könnendie mannigfaltigsten Bilder dieser Art verwendet und diese in derverschiedensten Art aufgebaut werden. Es können auch gewisse Sätze, Formeln,einzelne Worte gegeben werden, in welche man sich zu versenken hat. In jedemFalle werden diese Mittel der inneren Versenkung das Ziel haben, die Seeleloszureißen von der Sinneswahrnehmung und sie zu einer solchen Tätigkeitanzuregen, bei welcher der Eindruck auf die physischen Sinne bedeutungslos istund die Entfaltung innerer schlummernder Seelenfähigkeiten das Wesentlichewird. Es kann sich auch um Versenkungen bloß in Gefühle, Empfindungen usw.handeln. Solches erweist sich besonders wirksam.

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Man nehme einmal das Gefühl der Freude. Im normalen Lebensverlaufe mag dieSeele Freude erleben, wenn eine äußere Anregung zur Freude vorhanden ist.Wenn eine gesund empfindende Seele wahrnimmt, wie ein Mensch eineHandlung vollbringt, welche diesem seine Herzensgüte eingibt, so wird dieseSeele Wohlgefallen, Freude an einer solchen Handlung haben. Aber diese Seelekann nun nachdenken über eine Handlung dieser Art. Sie kann sich sagen: (314)Eine Handlung, welche aus Herzensgüte vollbracht wird, ist eine solche, beiwelcher der Vollbringer nicht seinem eigenen Interesse folgt, sondern demInteresse seines Mitmenschen. Und eine solche Handlung kann eine sittlich gutegenannt werden. Nun aber kann die betrachtende Seele sich ganz frei machenvon der Vorstellung des einzelnen Falles in der Außenwelt, welcher ihr dieFreude oder das Wohlgefallen gemacht hat, und sie kann sich die umfassendeIdee der Herzensgüte bilden. Sie kann sich etwa denken, wie Herzensgütedadurch entstehe, daß die eine Seele das Interesse der andern gleichsamaufsauge und zu dem eigenen mache. Und die Seele kann nun die Freudeempfinden über diese sittliche Idee der Herzensgüte. Das ist die Freude nicht andiesem oder jenem Vorgange der Sinneswelt, sondern die Freude an einer Ideeals solcher. Versucht man solche Freude durch längere Zeit in der Seelelebendig sein zu lassen, so ist dies Versenkung in ein Gefühl, in eineEmpfindung. Nicht die Idee ist dann das Wirksame zur Weckung der innerenSeelenfähigkeiten, sondern das durch längere Zeit andauernde Walten des nichtdurch einen bloßen einzelnen äußeren Eindruck angeregten Gefühles innerhalbder Seele. – Da die übersinnliche Erkenntnis tiefer einzudringen vermag in dasWesen der Dinge als das gewöhnliche Vorstellen, so können aus derenErfahrungen heraus Empfindungen angegeben werden, welche noch in vielhöherem Grade auf die Entfaltung der Seelenfähigkeiten wirken, wenn sie zurinneren Versenkung verwendet werden. So notwendig dies letztere für höhereGrade der Schulung ist, so soll man doch dessen eingedenk sein, daß energischeVersenkung in solche Gefühle und Empfindungen, wie z.B. das an derBetrachtung der Herzensgüte charakterisierte, schon sehr weit führen kann. –(315) Da die Wesenheiten der Menschen verschieden sind, so sind für dieeinzelnen Menschen auch verschiedene Mittel der Schulung die Wirksamen. –Was die Zeitlänge der Versenkung betrifft, so ist zu bedenken, daß die Wirkungum so stärker ist, je gelassener und besonnener diese Versenkung werden kann.Aber eine jegliche Übertreibung in dieser Richtung soll vermieden werden. Eskann ein gewisser innerer Takt, der sich durch die Übungen selbst ergibt, denSchüler lehren, an was er in dieser Beziehung sich zu halten hat.

(13) Man wird solche Übungen in innerer Versenkung in der Regel langedurchzuführen haben, bevor man deren Ergebnis selber wahrnehmen kann. Waszur Geistesschulung unbedingt gehört, ist: Geduld und Ausdauer. Wer diesebeiden nicht in sich wachruft und nicht so in aller Ruhe fortdauernd seineÜbungen macht, daß Geduld und Ausdauer dabei stets die Grundstimmungseiner Seele ausmachen, der kann nicht viel erreichen.

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(14) Es ist aus der vorangehenden Darstellung wohl ersichtlich, daß dieinnere Versenkung (Meditation) ein Mittel ist zur Erlangung der Erkenntnishöherer Welten, aber auch daß nicht jeder beliebige Vorstellungsinhalt dazuführt, sondern nur ein solcher, welcher in der geschilderten Art eingerichtet ist.

(15) Der Weg, auf den hier hingewiesen ist, führt zunächst zu dem, was mandie imaginative Erkenntnis nennen kann. Sie ist die erste höhereErkenntnisstufe. Das Erkennen, welches auf der sinnlichen Wahrnehmung undauf der Verarbeitung der sinnlichen Wahrnehmungen durch den an die Sinnegebundenen Verstand beruht, kann – im Sinne der Geisteswissenschaft – das«gegenständliche Erkennen» genannt werden. Über dieses hinaus liegen diehöheren Erkenntnisstufen, deren erste eben das imaginative Erkennen ist. (316)Der Ausdruck «imaginativ» könnte bei jemand Bedenken hervorrufen, der sichunter «Imagination» nur eine «eingebildete» Vorstellung denkt, welcher nichtsWirkliches entspricht. In der Geisteswissenschaft soll aber die «imaginative»Erkenntnis als eine solche aufgefaßt werden, welche durch einen übersinnlichenBewußtseinszustand der Seele zustande kommt. Was in diesemBewußtseinszustande wahrgenommen wird, sind geistige Tatsachen undWesenheiten, zu denen die Sinne keinen Zugang haben. Weil dieser Zustand inder Seele erweckt wird durch die Versenkung in Sinnbilder oder«Imaginationen», so kann auch die Welt dieses höheren Bewußtseinszustandesdie «imaginative» und die auf sie bezügliche Erkenntnis die «imaginative»genannt werden. «Imaginativ» bedeutet also etwas, was in einem andern Sinne«Wirklich» ist als die Tatsachen und Wesenheiten der physischenSinneswahrnehmung. Auf den Inhalt der Vorstellungen, welche das imaginativeErleben erfüllen, kommt nichts an; dagegen alles auf die Seelenfähigkeit, die andiesem Erleben herangebildet wird.

(16) Ein sehr naheliegender Einwurf gegen die Verwendung dercharakterisierten sinnbildlichen Vorstellungen ist, daß ihre Bildung einemträumerischen Denken und einer willkürlichen Einbildungskraft entspringen unddaß sie daher nur von zweifelhaftem Erfolge sein könne. DenjenigenSinnbildern gegenüber, welche der regelrechten Geistesschulung zugrundeliegen, ist ein damit gekennzeichnetes Bedenken unberechtigt. (317) Denn dieSinnbilder werden so gewählt, daß von ihrer Beziehung auf eine äußeresinnliche Wirklichkeit ganz abgesehen werden kann und ihr Wert lediglich inder Kraft gesucht werden kann, mit welcher sie auf die Seele dann wirken, wenndiese alle Aufmerksamkeit von der äußeren Welt abzieht, wenn sie alleEindrücke der Sinne unterdrückt und auch alle Gedanken ausschaltet, die sie,auf äußere Anregung hin, hegen kann. Am anschaulichsten wird der Vorgangder Meditation durch Vergleich derselben mit dem Schlafzustande. Sie istdiesem nach der einen Seite hin ähnlich, nach der anderen völligentgegengesetzt. Sie ist ein Schlaf, der gegenüber dem Tagesbewußtsein einhöheres Erwachtsein darstellt.

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Es kommt darauf an, daß durch die Konzentration auf die entsprechendeVorstellung oder das Bild die Seele genötigt ist, viel stärkere Kräfte aus ihreneigenen Tiefen hervorzuholen, als sie im gewöhnlichen Leben oder demgewöhnlichen Erkennen anwendet. Ihre innere Regsamkeit wird dadurch erhöht.Sie löst sich los von der Leiblichkeit, wie sie sich im Schlafe loslöst; aber siegeht nicht wie in diesem in die Bewußtlosigkeit über, sondern sie erlebt eineWelt, die sie vorher nicht erlebt hat. Ihr Zustand ist, obwohl er nach der Seiteder Losgelöstheit vom Leibe mit dem Schlafe verglichen werden kann, doch so,daß er sich zu dem gewöhnlichen Tagesbewußtsein als ein solcher eineserhöhten Wachseins kennzeichnen läßt. Dadurch erlebt sich die Seele in ihrerwahren inneren, selbständigen Wesenheit, während sie sich im gewöhnlichenTagwachen durch die in demselben vorhandene schwächere Entfaltung ihrerKräfte nur mit Hilfe des Leibes zum Bewußtsein bringt, sich also nicht selbsterlebt, sondern nur in dem Bilde gewahr wird, das – wie eine Art Spiegelbild –der Leib (eigentlich dessen Vorgänge) vor ihr entwirft.

(17) Diejenigen Sinnbilder, welche in der oben geschilderten Art aufgebautwerden, beziehen sich naturgemäß noch nicht auf etwas Wirkliches in dergeistigen Welt. (318) Sie dienen dazu, um die menschliche Seele loszureißenvon der Sinneswahrnehmung und von dem Gehirninstrument, an welcheszunächst der Verstand gebunden ist. Diese Losreißung kann nicht frühergeschehen, als bis der Mensch fühlt: jetzt stelle ich etwas vor durch Kräfte, beidenen mir meine Sinne und das Gehirn nicht als Werkzeuge dienen. Das erste,was der Mensch auf diesem Wege erlebt, ist ein solches Freiwerden von denphysischen Organen. Er kann sich dann sagen: mein Bewußtsein erlöscht nicht,wenn ich die Sinneswahrnehmungen und das gewöhnliche Verstandesdenkenunberücksichtigt lasse; ich kann mich aus diesem herausheben und empfindemich dann als ein Wesen neben dem, was ich vorher war. Das ist das erste reingeistige Erlebnis: die Beobachtung einer seelisch-geistigen Ich-Wesenheit.Diese hat sich als ein neues Selbst aus demjenigen Selbst herausgehoben, dasnur an die physischen Sinne und den physischen Verstand gebunden ist. Hätteman ohne die Versenkung sich losgemacht von der Sinnes- und Verstandeswelt,so wäre man in das «Nichts» der Bewußtlosigkeit versunken. Man hat dieseelisch-geistige Wesenheit selbstverständlich auch vor der Versenkung schongehabt. Sie hatte aber noch keine Werkzeuge zur Beobachtung der geistigenWelt. Sie war etwa so wie ein physischer Leib, der kein Auge zum Sehen oderkein Ohr zum Hören hat. Die Kraft, welche in der Versenkung aufgewendetworden ist, hat erst die seelisch-geistigen Organe aus der vorher unorganisiertenseelisch-geistigen Wesenheit herausgeschaffen. Das, was man sich soanerschaffen hat, nimmt man auch zuerst wahr. Das erste Erlebnis ist daher ingewissem Sinne Selbstwahrnehmung. (319)

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Es gehört zum Wesen der Geistesschulung, daß die Seele durch die an sichgeübte Selbsterziehung an diesem Punkte ihrer Entwickelung ein vollesBewußtsein davon hat, daß sie zunächst sich selbst wahrnimmt in denBilderwelten (Imaginationen), die infolge der geschilderten Übungen auftreten.Diese Bilder treten zwar als lebend in einer neuen Welt auf, die Seele muß abererkennen, daß sie doch nichts anderes zunächst sind als die Widerspiegelungihres eigenen durch die Übungen verstärkten Wesens. Und sie muß dieses nichtnur im richtigen Urteile erkennen, sondern auch zu einer solchen Ausbildungdes Willens gekommen sein, daß sie Jederzeit die Bilder wieder aus demBewußtsein entfernen, auslöschen kann. Die Seele muß innerhalb dieser Bildervöllig frei und vollbesonnen walten können. Das gehört zur richtigenGeistesschulung in diesem Punkte. Würde sie dieses nicht können, so wäre sieim Gebiete der geistigen Erlebnisse in demselben Falle, in dem eine Seele wärein der physischen Welt, welche, wenn sie das Auge nach einem Gegenstanderichtete, durch diesen gefesselt wäre, so daß sie von demselben nicht mehrwegschauen könnte. Eine Ausnahme von dieser Möglichkeit des Auslöschensmacht nur eine Gruppe von inneren Bilderlebnissen, die auf der erlangten Stufeder Geistesschulung nicht auszulöschen ist. Diese entspricht dem eigenenSeelen-Wesenskeime; und der Geistesschüler erkennt in diesen Bilderndasjenige in ihm selber, welches sich als sein Grundwesen durch diewiederholten Erdenleben hindurchzieht. Auf diesem Punkte wird das Erfühlenvon wiederholten Erdenleben zu einem wirklichen Erlebnis. In bezug auf allesübrige muß die erwähnte Freiheit der Erlebnisse herrschen. Und erst, nachdemman die Fähigkeit der Auslöschung erlangt hat, tritt man an die wirklichegeistige Außenwelt heran. An Stelle des Ausgelöschten kommt ein anderes, indem man die geistige Wirklichkeit erkennt. (320) Man fühlt, wie man seelischaus einem Unbestimmten als ein Bestimmtes herauswächst. Von dieserSelbstwahrnehmung aus muß es dann weiter gehen zur Beobachtung einerseelisch-geistigen Außenwelt. Diese tritt ein, wenn man sein inneres Erleben indem Sinne einrichtet, wie es hier weiter angedeutet werden wird.

(18) Zunächst ist die Seele des Geistesschülers schwach in bezug auf allesdas, was in der seelisch-geistigen Welt wahrzunehmen ist. Er wird schon einegroße innere Energie aufwenden müssen, um die Sinnbilder oder anderenVorstellungen, welche er sich aus den Anregungen der Sinneswelt herausaufgebaut hat, in innerer Versenkung festzuhalten. Will er aber außerdem nochzur wirklichen Beobachtung in einer höheren Welt gelangen, so muß er nichtnur an diesen Vorstellungen festhalten können. Er muß auch, nachdem er diesgetan hat, in einem Zustande verweilen können, in dem keine Anregungen dersinnlichen Außenwelt auf die Seele wirken, aber in dem auch diecharakterisierten imaginierten Vorstellungen selbst aus dem Bewußtsein herausgetilgt werden. Nun kann erst das im Bewußtsein hervortreten, was durch dieVersenkung sich gebildet hat.

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Es handelt sich darum, daß nunmehr innere Seelenkraft genug vorhanden ist,damit das also Gebildete wirklich geistig geschaut wird, damit es nicht derAufmerksamkeit entgehe. Dies ist aber bei noch schwach entwickelter innererEnergie durchaus der Fall. Was sich als seelisch-geistiger Organismus dazunächst herausbildet und was man in Selbstwahrnehmung erfassen soll, ist zartund flüchtig. Und die Störungen der sinnlichen Außenwelt und derenErinnerungs-Nachwirkungen sind, auch wenn man sich noch so sehr bemüht sieabzuhalten, groß. (321) Es kommen da ja nicht nur diejenigen Störungen inBetracht, welche man beachtet, sondern vielmehr sogar diejenigen, welche manim gewöhnlichen Leben gar nicht beachtet. – Es ist aber gerade durch dasWesen des Menschen ein Übergangszustand in dieser Beziehung möglich. Wasdie Seele zunächst wegen der Störungen der physischen Welt im Wachzustandnicht leisten kann, das vermag sie im Schlafzustand. Wer sich der innerenVersenkung ergibt, der wird bei gehöriger Aufmerksamkeit an seinem Schlafetwas gewahr werden. Er wird fühlen, daß er während des Schlafes «nicht ganzschläft», sondern daß seine Seele Zeiten hat, in denen sie schlafend doch in einergewissen Art tätig ist. In solchen Zuständen halten die natürlichen Vorgänge dieEinflüsse der Außenwelt ab, welche die Seele wachend noch nicht aus eigenerKraft abhalten kann. Wenn aber nun die Übungen der Versenkung schongewirkt haben, so löst sich die Seele während des Schlafes aus derBewußtlosigkeit heraus und fühlt die geistig-seelische Welt. In einer zweifachenArt kann das eintreten. Es kann dem Menschen während des Schlafens klar sein:ich bin nun in einer andern Welt, oder aber er kann in sich nach dem Erwachendie Erinnerung haben: ich war in einer andern Welt. Zu dem ersteren gehörtallerdings eine größere innere Energie als zu dem zweiten. Daher wird dasletztere bei dem Anfänger in der Geistesschulung das häufigere sein. Nach undnach kann das so weit gehen, daß dem Schüler nach dem Erwachen vorkommt:ich war die ganze Schlafenszeit hindurch in einer andern Welt, aus der ichaufgetaucht bin mit dem Erwachen. Und seine Erinnerung an die Wesenheitenund Tatsachen dieser andern Welt wird eine immer bestimmtere werden. (322)Es ist bei dem Geistesschüler dann in der einen oder der andern Form daseingetreten, was man die Kontinuität des Bewußtseins nennen kann. (DieFortdauer des Bewußtseins während des Schlafens.) Damit ist aber durchausnicht gemeint, daß etwa der Mensch während des Schlafes sein Bewußtsein hat.Es ist schon viel errungen in der Kontinuität des Bewußtseins, wenn derMensch, der sonst schläft wie ein anderer, gewisse Zeiten hat während desSchlafens, in denen er auf eine geistig-seelische Welt wie bewußt hinschauenkann, oder wenn er im Wachen auf solche kurz dauernde Bewußtseinszuständewieder wie hinschauen kann. Nicht außer acht möge aber gelassen werden, daßdas hier Geschilderte doch nur als ein Übergangszustand aufzufassen ist. Es istgut, durch diesen Übergangszustand behufs Schulung hindurchzugehen; aberman soll durchaus nicht glauben, daß eine abschließende Anschauung in bezugauf die geistig-seelische Welt aus diesem Übergangszustande geschöpft werdensoll.

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Die Seele ist in diesem Zustande unsicher und kann sich darinnen noch nicht aufdasjenige verlassen, was sie wahrnimmt. Aber sie sammelt durch solcheErlebnisse immer mehr Kraft, um dann auch während des Wachens dazu zugelangen, die störenden Einflüsse der physischen Außen- und Innenwelt vonsich abzuhalten und so zu geistigseelischer Beobachtung zu gelangen, wennkeine Eindrücke durch die Sinne kommen, wenn der an das physische Gehirngebundene Verstand schweigt und wenn auch die Vorstellungen der Versenkungaus dem Bewußtsein entfernt sind, durch welche man sich auf das geistigeSchauen ja nur vorbereitet hat. – (323) Was durch die Geisteswissenschaft indieser oder jener Form veröffentlicht wird, sollte niemals aus einer anderngeistig-seelischen Beobachtung stammen als aus einer solchen, welche beivollem Wachzustande gemacht worden ist.

(19) Zwei Seelenerlebnisse sind wichtig im Fortgange der Geistesschulung.Das eine ist dasjenige, durch welches sich der Mensch sagen kann: wenn ichnunmehr auch alles außer acht lasse, was mir die physische Außenwelt anEindrücken geben kann, so blicke ich in mein Inneres doch nicht wie auf einWesen, dem alle Tätigkeit erlöscht, sondern ich schaue auf ein Wesen, das sichseiner selbst bewußt ist in einer Welt, von der ich nichts weiß, so lange ich michnur von jenen sinnlichen und gewöhnlichen Verstandeseindrücken anregenlasse. Die Seele hat in diesem Augenblicke die Empfindung, daß sie in sichselbst ein neues Wesen als ihren Seelen-Wesenskern in der oben beschriebenenWeise geboren habe. Und dieses Wesen ist ein solches von ganz anderenEigenschaften, als diejenigen sind, welche vorher in der Seele waren. – Dasandere Erlebnis besteht darin, daß man sein bisheriges Wesen nunmehr wie einzweites neben sich haben kann. Dasjenige, worin man bisher sicheingeschlossen wußte, wird zu etwas, dem man sich in gewisser Beziehunggegenübergestellt findet. Man fühlt sich zeitweilig außerhalb dessen, was mansonst als die eigene Wesenheit, als sein «Ich» angesprochen hat. Es ist so, wiewenn man nun in voller Besonnenheit in zwei «Ichen» lebte. Das eine istdasjenige, welches man bisher gekannt hat. Das andere steht wie eineneugeborene Wesenheit über diesem. Und man fühlt, wie das erstere einegewisse Selbständigkeit erlangt gegenüber dem zweiten; etwa so wie der Leibdes Menschen eine gewisse Selbständigkeit hat gegenüber dem ersten Ich. –Dieses Erlebnis ist von großer Bedeutung. Denn durch dasselbe weiß derMensch, was es heißt, in jener Welt leben, welche er durch die Schulung zuerreichen strebt. (324)

(20) Das zweite – das neugeborene – Ich kann nun zum Wahrnehmen in dergeistigen Welt geführt werden. In ihm kann sich entwickeln, was für diesegeistige Welt die Bedeutung hat, welche den Sinnesorganen für diesinnlich-physische Welt zukommt.

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Ist diese Entwickelung bis zu dem notwendigen Grade fortgeschritten, so wirdder Mensch nicht nur sich selbst als ein neugeborenes Ich empfinden, sondern erwird nunmehr um sich herum geistige Tatsachen und geistige Wesenheitenwahrnehmen, wie er durch die Physischen Sinne die physische Welt wahrnimmt.Und dies ist ein drittes bedeutsames Erlebnis. Um völlig auf dieser Stufe derGeistesschulung zurechtzukommen, muß der Mensch damit rechnen, daß mitder Verstärkung der Seelenkräfte die Selbstliebe, der Selbstsinn in einemsolchen Grade auftreten, den das gewöhnliche Seelenleben gar nicht kennt. Eswäre ein Mißverständnis, wenn jemand glauben könnte, daß man auf diesemPunkte nur von der gewöhnlichen Selbstliebe zu sprechen hat. Diese verstärktsich auf dieser Stufe der Entwickelung so, daß sie das Aussehen einer Naturkraftinnerhalb der eigenen Seele annimmt, und es gehört eine starke Willensschulungdazu, um diesen starken Selbstsinn zu besiegen. Dieser Selbstsinn wird durchdie Geistesschulung nicht etwa erzeugt; er ist immer vorhanden; er gelangtdurch das Geist-Erleben nur zum Bewußtsein. Die Willensschulung muß derandern Geistesschulung durchaus zur Seite gehen. Es ist ein starker Trieb da,sich in der Welt beseligt zu fühlen, welche man sich erst selbst herangeschaffenhat. Und man muß gewissermaßen das in der oben erwähnten Art auslöschenkönnen, um das man sich erst mit aller Anstrengung bemüht hat. In dererreichten imaginativen Welt muß man sich auslöschen. Dagegen aber kämpfendie stärksten Triebe des Selbstsinnes an. – (325) Es kann leicht der Glaubeentstehen, daß die Übungen der Geistesschulung etwas Äußerliches seien, dasvon der moralischen Entwickelung der Seele absieht. Demgegenüber mußgesagt werden, daß die moralische Kraft, die zu der gekennzeichnetenBesiegung des Selbstsinnes notwendig ist, nicht erlangt werden kann, ohne daßdie moralische Verfassung der Seele auf eine entsprechende Stufe gebrachtwird. Fortschritt in der Geistesschulung ist nicht denkbar, ohne daß zugleich einmoralischer Fortschritt sich notwendig ergibt. Ohne moralische Kraft ist dieerwähnte Besiegung des Selbstsinnes nicht möglich. Alles Reden darüber, daßdie wahre Geistesschulung nicht zugleich eine moralische Schulung sei, ist dochunsachgemäß. Nur demjenigen, welcher ein solches Erlebnis nicht kennt, kannsich der Einwand ergeben: wie kann man wissen, daß man es dann, wenn manglaubt, geistige Wahrnehmungen zu haben, mit Wirklichkeiten und nicht mitbloßen Einbildungen (Visionen, Halluzinationen usw.) zu tun habe? – Die Sacheist eben so, daß derjenige, welcher in regelrechter Schulung die charakterisierteStufe erreicht hat, seine eigene Vorstellung von einer geistigen Wirklichkeitebenso unterscheiden kann, wie ein Mensch mit gesundem Verstandeunterscheiden kann die Vorstellung eines heißen Eisenstückes von demwirklichen Vorhandensein eines solchen, das er mit der Hand berührt. DenUnterschied gibt eben das gesunde Erleben und nichts anderes. Und auch in dergeistigen Welt gibt den Prüfstein das Leben selbst. (326)

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Wie man weiß, daß in der Sinnenwelt ein vorgestelltes Eisenstück, wenn es nochso heiß gedacht wird, nicht die Finger verbrennt, so weiß der geschulteGeistesschüler, ob er nur in seiner Einbildung eine geistige Tatsache erlebt oderob auf seine erweckten geistigen Wahrnehmungsorgane wirkliche Tatsachenoder Wesenheiten einen Eindruck machen. Die Maßregeln, welche manwährend der Geistesschulung zu beobachten hat, damit man in dieser Beziehungnicht Täuschungen zum Opfer fällt, werden in der folgenden Darstellung nochbesprochen werden.

(21) Es ist nun von der größten Bedeutung, daß der Geistesschüler eine ganzbestimmte Seelenverfassung erlangt hat, wenn das Bewußtsein von einemneugeborenen Ich bei ihm eintritt. Denn es ist der Mensch durch sein Ich derFührer seiner Empfindungen, Gefühle, Vorstellungen, seiner Triebe,Begehrungen und Leidenschaften. Wahrnehmungen und Vorstellungen könnenin der Seele sich nicht selbst überlassen sein. Sie müssen durch die denkendeBesonnenheit geregelt werden. Und es ist das Ich, welches diese Denkgesetzehandhabt und welches durch sie Ordnung in das Vorstellungs- undGedankenleben bringt. Ähnlich ist es mit den Begehrungen, den Trieben, denNeigungen, den Leidenschaften. Die ethischen Grundsätze werden zu Führerndieser Seelenkräfte. Und durch das sittliche Urteil wird das Ich der Führer derSeele auf diesem Gebiete. Wenn nun der Mensch aus seinem gewöhnlichen Ichein höheres herauszieht, so wird das erstere in einer gewissen Beziehungselbständig. Es wird diesem so viel an lebendiger Kraft weggenommen, als demhöheren Ich zugewendet wird. Man setze aber einmal den Fall, der Mensch habein sich noch nicht eine gewisse Fähigkeit und Festigkeit in den Denkgesetzenund in der Urteilskraft ausgebildet und er wollte auf solcher Stufe sein höheresIch gebären. Er wird nur so viel seinem gewöhnlichen Ich an Denkfähigkeitzurücklassen können, als er vorher ausgebildet hat. (327) Ist das Maß desgeordneten Denkens zu gering, dann wird in dem selbständig gewordenengewöhnlichen Ich ein ungeordnetes, verworrenes, phantastisches Denken undUrteilen auftreten. Und weil bei einer solchen Persönlichkeit das neugeboreneIch auch nur schwach sein kann, wird für das übersinnliche Schauen dasverworrene niedere Ich die Oberherrschaft erlangen und der Mensch dasGleichgewicht seiner Urteilskraft für die Beobachtung des Übersinnlichen nichtzeigen. Hätte er genügend Fähigkeit des logischen Denkens ausgebildet, sokönnte er sein gewöhnliches Ich ruhig seiner Selbständigkeit überlassen. – Undauf dem ethischen Gebiete ist es ebenso. Wenn der Mensch nicht Festigkeit immoralischen Urteil erlangt hat, wenn er nicht genügend Herr geworden ist überNeigungen, Triebe und Leidenschaften, dann wird er sein gewöhnliches Ichverselbständigen in einem Zustand, in dem die genannten Seelenkräfte wirken.Es kann der Fall eintreten, daß der Mensch in dem Feststellen der erlebtenübersinnlichen Erkenntnisse nicht einen gleich hohen Wahrheitssinn walten läßtwie in dem, was er sich durch die physische Außenwelt zum Bewußtsein bringt.

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Er könnte bei so gelockertem Wahrheitssinn alles mögliche für geistigeWirklichkeit halten, was nur seine Phantasterei ist. In diesen Wahrheitssinnhinein müssen Festigkeit des ethischen Urteiles, Sicherheit des Charakters,Gründlichkeit des Gewissens wirken, die in dem zurückgelassenen Ichausgebildet sind, bevor das höhere Ich zum Zwecke der übersinnlichenErkenntnis tätig wird. – Es darf dies durchaus nicht zu einem Abschreckungs-mittel gegenüber der Schulung werden; es muß aber ganz ernst genommenwerden. (328)

(22) Wer den starken Willen hat, alles zu tun, was das erste Ich zur innerenSicherheit in der Ausübung seiner Verrichtungen bringt, der braucht vor der zurübersinnlichen Erkenntnis bewirkten Loslösung eines zweiten Ich durch diegeistige Schulung durchaus nicht zurückzuschrecken. Nur muß er sichvorhalten, daß Selbsttäuschung dann eine große Macht über den Menschen hat,wenn es sich darum handelt, daß dieser sich für etwas «reif» befinden soll. Inderjenigen Geistesschulung, welche hier beschrieben ist, erlangt der Menscheine solche Ausbildung seines Gedankenlebens, daß er in Gefahren, zu irren,wie sie oft vermutet werden, nicht kommen kann. Diese Gedankenausbildungbewirkt, daß alle inneren Erlebnisse, welche notwendig sind, auftreten, daß sieaber so sich abspielen, wie sie von der Seele durchgemacht werden müssen,ohne von schädlichen Phantasieverirrungen begleitet zu sein. Ohneentsprechende Gedankenausbildung können die Erlebnisse eine starkeUnsicherheit in der Seele hervorrufen. Die hier betonte Art bewirkt, daß dieErlebnisse so auftreten, daß man sie vollkommen kennenlernt, wie man dieWahrnehmungen der physischen Welt bei gesunder Seelenverfassungkennenlernt. Man wird durch die Ausbildung des Denklebens mehr einBeobachter dessen, was man an sich erlebt, während man ohne das Denklebenunbesonnen in dem Erlebnis drinnen steht.

(23) Von einer sachgemäßen Schulung werden gewisse Eigenschaftengenannt, welche sich durch Übung derjenige erwerben soll, welcher den Weg indie höheren Welten finden will. Es sind dies vor allem: Herrschaft der Seeleüber ihre Gedankenführung, über ihren Willen und ihre Gefühle. Die Art, wiediese Herrschaft durch Übung herbeigeführt werden soll, hat ein zweifachesZiel. (329) Einerseits soll der Seele dadurch Festigkeit, Sicherheit undGleichgewicht so weit eingeprägt werden, daß sie sich diese Eigenschaftenbewahrt, auch wenn ein zweites Ich aus ihr geboren wird. Andrerseits solldiesem zweiten Ich Stärke und innerer Halt mit auf den Weg gegeben werden.

(24) Was dem Denken des Menschen für die Geistesschulung vor allemnotwendig ist, das ist Sachlichkeit. In der physischsinnlichen Welt ist das Lebender große Lehrmeister für das menschliche Ich zur Sachlichkeit.

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Wollte die Seele in beliebiger Weise die Gedanken hin und her schweifenlassen: sie müßte alsbald sich von dem Leben korrigieren lassen, wenn sie mitihm nicht in Konflikt kommen wollte. Die Seele muß entsprechend dem Verlaufder Tatsachen des Lebens denken. Wenn nun der Mensch die Aufmerksamkeitvon der physisch-sinnlichen Welt ablenkt, so fehlt ihm die Zwangskorrektur derletzteren. Ist dann sein Denken nicht imstande, sein eigener Korrektor zu sein,so muß es ins Irrlichtelieren kommen. Deshalb muß das Denken desGeistesschülers sich so üben, daß es sich selber Richtung und Ziel geben kann.Innere Festigkeit und die Fähigkeit, streng bei einem Gegenstande zu bleiben,das ist, was das Denken in sich selbst heranziehen muß. Deshalb sollenentsprechende «Denkübungen» nicht an fernliegenden und kompliziertenGegenständen vorgenommen werden, sondern an einfachen und naheliegenden.Wer sich überwindet, durch Monate hindurch täglich wenigstens fünf Minutenseine Gedanken an einen alltäglichen Gegenstand (z.B. eine Stecknadel, einenBleistift usw.) zu wenden und während dieser Zeit alle Gedankenauszuschließen, welche nicht mit diesem Gegenstande zusammenhängen, der hatnach dieser Richtung hin viel getan. (Man kann täglich einen neuen Gegenstandbedenken oder mehrere Tage einen festhalten.) (330) Auch derjenige, welchersich als «Denker» durch wissenschaftliche Schulung fühlt, sollte es nichtverschmähen, sich in solcher Art für die Geistesschulung «reif» zu machen.Denn wenn man eine Zeitlang die Gedanken heftet an etwas, was einem ganzbekannt ist, so kann man sicher sein, daß man sachgemäß denkt. Wer sich fragt:Welche Bestandteile setzen einen Bleistift zusammen? Wie werden dieMaterialien zu dem Bleistift vorgearbeitet? Wie werden sie nachherzusammengefügt? Wann wurden die Bleistifte erfunden? usw. usw.: ein solcherpaßt seine Vorstellungen sicher mehr der Wirklichkeit an als derjenige, derdarüber nachdenkt, wie die Abstammung des Menschen ist oder was das Lebenist. Man lernt durch einfache Denkübungen für ein sachgemäßes Vorstellengegenüber der Welt der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung mehr alsdurch komplizierte und gelehrte Ideen. Denn zunächst handelt es sich gar nichtdarum, über dieses oder jenes zu denken, sondern sachgemäß durch innereKraft zu denken. Hat man sich die Sachgemäßheit anerzogen an einem leichtüberschaubaren sinnlichphysischen Vorgang, dann gewöhnt sich das Denkendaran, auch sachgemäß sein zu wollen, wenn es sich nicht durch diephysisch-sinnliche Welt und ihre Gesetze beherrscht fühlt. Und man gewöhnt essich ab, unsachgemäß die Gedanken schwärmen zu lassen.

(25) Wie Herrscher in der Gedankenwelt, so soll ein solcher die Seele auch imGebiete des Willens werden. In der physisch-sinnlichen Welt ist es auch hier dasLeben, das als Beherrscher auftritt. Es macht diese oder jene Bedürfnisse für denMenschen geltend; und der Wille fühlt sich angeregt, diese Bedürfnisse zubefriedigen. Für die höhere Schulung muß sich der Mensch daran gewöhnen,seinen eigenen Befehlen streng zu gehorchen. (331)

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Wer sich an solches gewöhnt, dem wird es immer weniger und wenigerbeifallen, Wesenloses zu begehren. Das Unbefriedigende, Haltlose imWillensleben rührt aber von dem Begehren solcher Dinge her, von derenVerwirklichung man sich keinen deutlichen Begriff macht. SolcheUnbefriedigung kann das ganze Gemütsleben in Unordnung bringen, wenn einhöheres Ich aus der Seele hervorgehen will. Eine gute Übung ist es, durchMonate hindurch sich zu einer bestimmten Tageszeit den Befehl zu geben:Heute «um diese bestimmte Zeit» wirst du «dieses» ausführen. Man gelangtdann allmählich dazu, sich die Zeit der Ausführung und die Art desauszuführenden Dinges so zu befehlen, daß die Ausführung ganz genau möglichist. So erhebt man sich über das verderbliche: «ich möchte dies; ich will jenes»,wobei man gar nicht an die Ausführbarkeit denkt. Eine große Persönlichkeit läßteine Seherin sagen: «Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt.» (Goethe, FaustII.) Und diese Persönlichkeit (Goethe) selbst sagt: «In der Idee leben heißt, dasUnmögliche behandeln, als wenn es möglich wäre.» (Goethe, Sprüche in Prosa.)Solche Aussprüche dürfen aber nicht als Einwände gegen das hier Dargestelltegebraucht werden. Denn die Forderung, die Goethe und seine Seherin (Manto)stellen, kann nur derjenige erfüllen, welcher sich an dem Begehren dessen, wasmöglich ist, erst herangebildet hat, um dann durch sein starkes Wollen eben das«Unmögliche» so behandeln zu können, daß es sich durch sein Wollen in einMögliches verwandelt.

(26) In bezug auf die Gefühlswelt soll es die Seele für die Geistesschulung zueiner gewissen Gelassenheit bringen. Dazu ist nötig, daß diese SeeleBeherrscherin werde über den Ausdruck von Lust und Leid, Freude undSchmerz. (332) Gerade gegenüber der Erwerbung dieser Eigenschaft kann sichmanches Vorurteil ergeben. Man könnte meinen, man werde stumpf undteilnahmslos gegenüber seiner Mitwelt, wenn man über das «Erfreuliche sichnicht erfreuen, über das Schmerzhafte nicht Schmerz empfinden soll». Dochdarum handelt es sich nicht. Ein Erfreuliches soll die Seele erfreuen, einTrauriges soll sie schmerzen. Sie soll nur dazu gelangen, den Ausdruck vonFreude und Schmerz, von Lust und Unlust zu beherrschen. Strebt man dieses an,so wird man alsbald bemerken, daß man nicht stumpfer, sondern im Gegenteilempfänglicher wird für alles Erfreuliche und Schmerzhafte der Umgebung, alsman früher war. Es erfordert allerdings ein genaues Achtgeben auf sich selbstdurch längere Zeit, wenn man sich die Eigenschaft aneignen will, um die es sichhier handelt. Man muß darauf sehen, daß man Lust und Leid voll miterlebenkann, ohne sich dabei so zu verlieren, daß man dem, was man empfindet, einenunwillkürlichen Ausdruck gibt. Nicht den berechtigten Schmerz soll manunterdrücken, sondern das unwillkürliche Weinen; nicht den Abscheu vor einerschlechten Handlung, sondern das blinde Wüten des Zorns; nicht das Achten aufeine Gefahr, sondern das fruchtlose «Sich-Fürchten» usw. –

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Nur durch eine solche Übung gelangt der Geistesschüler dazu, jene Ruhe inseinem Gemüt zu haben, welche notwendig ist, damit nicht beimGeborenwerden und namentlich bei der Betätigung des höheren Ich die Seelewie eine Art Doppelgänger neben diesem höheren Ich ein zweites, ungesundesLeben führt. Gerade diesen Dingen gegenüber sollte man sich keinerSelbsttäuschung hingeben. Es kann manchem scheinen, daß er einen gewissenGleichmut im gewöhnlichen Leben schon habe und daß er deshalb diese Übungnicht nötig habe. Gerade ein solcher hat sie zweifach nötig. (333) Man kannnämlich ganz gut gelassen sein, wenn man den Dingen des gewöhnlichenLebens gegenübersteht; und dann beim Aufsteigen in eine höhere Welt kannsich um so mehr die Gleichgewichtslosigkeit, die nur zurückgedrängt war,geltend machen. Es muß durchaus erkannt werden, daß zur Geistesschulung esweniger darauf ankommt, was man vorher zu haben scheint, als vielmehrdarauf, daß man ganz gesetzmäßig übt, was man braucht. So widerspruchsvolldieser Satz auch aussieht: er ist richtig. Hat einem auch das Leben dies oderjenes anerzogen: zur Geistesschulung dienen die Eigenschaften, welche mansich selbst anerzogen hat. Hat einem das Leben Erregtheit beigebracht, so sollteman sich die Erregtheit aberziehen; hat einem aber das Leben Gleichmutbeigebracht, so sollte man sich durch Selbsterziehung so aufrütteln, daß derAusdruck der Seele dem empfangenen Eindruck entspricht. Wer über nichtslachen kann, beherrscht sein Leben ebensowenig wie derjenige, weicher, ohnesich zu beherrschen, fortwährend zum Lachen gereizt wird.

(27) Für das Denken und Fühlen ist ein weiteres Bildungsmittel dieErwerbung der Eigenschaft, welche man Positivität nennen kann. Es gibt eineschöne Legende, die besagt von dem Christus Jesus, daß er mit einigen andernPersonen an einem toten Hund vorübergeht. Die andern wenden sich ab vondem häßlichen Anblick Der Christus Jesus spricht bewundernd von den schönenZähnen des Tieres. Man kann sich darin üben, gegenüber der Welt eine solcheSeelenverfassung zu erhalten, wie sie im Sinne dieser Legende ist. DasIrrtümliche, Schlechte, Häßliche soll die Seele nicht abhalten, das Wahre, Guteund Schöne überall zu finden, wo es vorhanden ist. (334) Nicht verwechseln sollman diese Positivität mit Kritiklosigkeit, mit dem willkürlichen Verschließender Augen gegenüber dem Schlechten, Falschen und Minderwertigen. Wer die«schönen Zähne» eines toten Tieres bewundert, der sieht auch den verwesendenLeichnam. Aber dieser Leichnam hält ihn nicht davon ab, die schönen Zähne zusehen. Man kann das Schlechte nicht gut, den Irrtum nicht wahr finden; aberman kann es dahin bringen, daß man durch das Schlechte nicht abgehaltenwerde, das Gute, durch den Irrtum nicht, das Wahre zu sehen.

(28) Das Denken in Verbindung mit dem Willen erfährt eine gewisse Reifung,wenn man versucht, sich niemals durch etwas, was man erlebt oder erfahren hat,die unbefangene Empfänglichkeit für neue Erlebnisse rauben zu lassen. Für denGeistesschüler soll der Gedanke seine Bedeutung ganz verlieren:

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«Das habe ich noch nie gehört, das glaube ich nicht.» Er soll während einergewissen Zeit geradezu überall darauf ausgehen, sich bei jeder Gelegenheit voneinem jeglichen Dinge und Wesen Neues sagen zu lassen. Von jedem Luftzug,von jedem Baumblatt, von jeglichem Lallen eines Kindes kann man lernen,wenn man bereit ist, einen Gesichtspunkt in Anwendung zu bringen, den manbisher nicht in Anwendung gebracht hat. Es wird allerdings leicht möglich sein,in bezug auf eine solche Fähigkeit zu weit zu gehen. Man soll ja nicht etwa ineinem gewissen Lebensalter die Erfahrungen, die man über die Dinge gemachthat, außer acht lassen. Man soll, was man in der Gegenwart erlebt, nach denErfahrungen der Vergangenheit beurteilen. Das kommt auf die eine Waagschale;auf die andere aber muß für den Geistesschüler die Geneigtheit kommen, immerNeues zu erfahren. (335) Und vor allem der Glaube an die Möglichkeit, daßneue Erlebnisse den alten widersprechen können.

(29) Damit sind fünf Eigenschaften der Seele genannt, weiche sich inregelrechter Schulung der Geistesschüler anzueignen hat: die Herrschaft überdie Gedankenführung, die Herrschaft über die Willensimpulse, die Gelassenheitgegenüber Lust und Leid, die Positivität im Beurteilen der Welt, dieUnbefangenheit in der Auffassung des Lebens. Wer gewisse Zeitenaufeinanderfolgend dazu verwendet hat, um sich in der Erwerbung dieserEigenschaften zu üben, der wird dann noch nötig haben, in der Seele dieseEigenschaften zum harmonischen Zusammenstimmen zu bringen. Er wird siegewissermaßen je zwei und zwei, drei und eine usw. gleichzeitig üben müssen,um Harmonie zu bewirken.

(30) Die charakterisierten Übungen sind durch die Methoden derGeistesschulung angegeben, weil sie bei gründlicher Ausführung in demGeistesschüler nicht nur das bewirken, was oben als unmittelbares Ergebnisgenannt worden ist, sondern mittelbar noch vieles andere im Gefolge haben, wasauf dem Wege zu den geistigen Welten gebraucht wird. Wer diese Übungen ingenügendem Maße macht, wird während derselben auf manche Mängel undFehler seines Seelenlebens stoßen; und er wird die gerade ihm notwendigenMittel finden zur Kräftigung und Sicherung seines intellektuellen,gefühlsmäßigen und Charakterlebens. Er wird gewiß noch manche andereÜbungen nötig haben, je nach seinen Fähigkeiten, seinem Temperament undCharakter; solche ergeben sich aber, wenn die genannten ausgiebigdurchgemacht werden. ja, man wird bemerken, daß die dargestellten Übungenmittelbar auch dasjenige nach und nach geben, was zunächst nicht in ihnen zuliegen scheint. (336) Wenn z.B. jemand zu wenig Selbstvertrauen hat, so wird ernach entsprechender Zeit bemerken können, daß sich durch die Übungen dasnotwendige Selbstvertrauen einstellt. Und so ist es in bezug auf andereSeeleneigenschaften. (Besondere, mehr ins einzelne gehende Übungen findetman in meinem Buche: «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?») –

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Bedeutungsvoll ist, daß der Geistesschüler die angegebenen Fähigkeiten inimmer höheren Graden zu steigern vermag. Die Beherrschung der Gedankenund Empfindungen muß er so weit bringen, daß die Seele die Macht erhält,Zeiten vollkommener innerer Ruhe herzustellen, in denen der Mensch seinemGeiste und seinem Herzen alles fernhält, was das alltägliche, äußere Leben anGlück und Leid, an Befriedigungen und Kümmernissen, ja an Aufgaben undForderungen bringt. Eingelassen werden soll in solchen Zeiten nur dasjenige indie Seele, was diese selbst im Zustande der Versenkung einlassen will. Leichtkann sich demgegenüber ein Vorurteil geltend machen. Es könnte die Meinungentstehen, man werde dem Leben und seinen Aufgaben entfremdet, wenn mansich mit Herz und Geist für gewisse Zeiten des Tages aus demselbenzurückzieht. Das ist aber in Wirklichkeit durchaus nicht der Fall. Wer sich in dergeschilderten Art Perioden der inneren Stille und des Friedens hingibt, demwachsen aus denselben für die Aufgaben auch des äußeren Lebens so viele undso starke Kräfte zu, daß er die Lebenspflichten dadurch nicht nur nichtschlechter, sondern ganz gewiß besser erfüllt. Von großem Werte ist es, wennder Mensch in solchen Perioden ganz loskommt von den Gedanken an seinepersönlichen Angelegenheiten, wenn er sich zu erheben vermag zu dem, wasnicht nur ihn, sondern was den Menschen im allgemeinen überhaupt angeht.(337)Ist er imstande, seine Seele zu erfüllen mit den Mitteilungen aus derhöheren geistigen Welt, vermögen diese sein Interesse in einem so hohen Gradezu fesseln, wie eine persönliche Sorge oder Angelegenheit dann wird seine Seeledavon besondere Früchte haben. Wer in dieser Weise regelnd in seinSeelenleben einzugreifen sich bemüht, der wird auch zu der Möglichkeit einerSelbstbeobachtung kommen, welche die eigenen Angelegenheiten mit der Ruheansieht, als wenn sie fremde wären. Die eigenen Erlebnisse, die eigenen Freudenund Leiden wie die eines andern ansehen können, ist eine gute Vorbereitung fürdie Geistesschulung. Man bringt es allmählich zu dem in dieser Beziehungnotwendigen Grad, wenn man sich täglich nach vollbrachtem Tagewerk dieBilder der täglichen Erlebnisse vor dem Geiste vorbeiziehen läßt. Man soll sichinnerhalb seiner Erlebnisse selbst im Bilde erblicken; also sich in seinemTagesleben wie von außen betrachten. Man gelangt zu einer gewissen Praxis insolcher Selbstbeobachtung, wenn man mit der Vorstellung einzelner kleinerTeile dieses Tageslebens den Anfang macht. Man wird dann immer geschickterund gewandter in solcher Rückschau, so daß man sie nach längerer Übung ineiner kurzen Spanne Zeit vollständig wird gestalten können. Dieses Rückwärts-Anschauen der Erlebnisse hat für die Geistesschulung deshalb seinenbesonderen Wert, weil es die Seele dazu bringt, sich im Vorstellen loszumachenvon der sonst innegehaltenen Gewohnheit, nur dem Verlauf des sinnenfälligenGeschehens mit dem Denken zu folgen. Im Rückwärts-Denken stellt man richtigvor, aber nicht gehalten durch den sinnenfälligen Verlauf Das braucht man zumEinleben in die übersinnliche Welt. (338)

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Daran erkraftet sich das Vorstellen in gesunder Art Daher ist es auch gut, außerseinem Tagesleben anderes rückwärts vorzustellen, z. B. den Verlauf einesDramas, einer Erzählung, einer Tonfolge usw. – Das Ideal für denGeistesschüler wird immer mehr werden, sich den an ihn herantretendenLebensereignissen gegenüber so zu verhalten, daß er sie mit innerer Sicherheitund Seelenruhe an sich herankommen läßt und sie nicht nach seinerSeelenverfassung beurteilt, sondern nach ihrer inneren Bedeutung und ihreminneren Wert. Er wird gerade durch den Hinblick auf dieses Ideal sich dieseelische Grundlage schaffen, um sich den oben geschilderten Versenkungen insymbolische und andere Gedanken und Empfindungen hingeben zu können.

(31) Die hier geschilderten Bedingungen müssen erfüllt sein, weil sich dasübersinnliche Erleben auf dem Boden auferbaut, auf dem man im gewöhnlichenSeelenleben steht, bevor man in die übersinnliche Welt eintritt. In zweifacherArt ist alles übersinnliche Erleben abhängig von dem Seelen-Ausgangspunkt,auf dem man vor dem Eintritte steht. Wer nicht darauf bedacht ist, vonvornherein eine gesunde Urteilskraft zur Grundlage seiner Geistesschulung zumachen, der wird in sich solche übersinnliche Fähigkeiten entwickeln, welcheungenau und unrichtig die geistige Welt wahrnehmen. Es werdengewissermaßen seine geistigen Wahrnehmungsorgane unrichtig sich entfalten.Und wie man mit einem fehlerhaften oder kranken Auge nicht richtig in derSinnenwelt sehen kann, so kann man mit Geistorganen nicht richtigwahrnehmen, die nicht auf der Grundlage einer gesunden Urteilsfähigkeitherangebildet sind. – Wer von einer unmoralischen Seelenverfassung denAusgangspunkt nimmt, der erhebt sich so in die geistigen Welten, daß seingeistiges Schauen wie betäubt, wie umnebelt ist. Er ist gegenüber denübersinnlichen Welten, wie jemand gegenüber der sinnlichen Welt ist, der inBetäubung beobachtet. (339) Nur wird dieser zu keinen erheblichen Aussagenkommen, während der geistige Beobachter in seiner Betäubung doch immerhinwacher ist als ein Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein. Seine Aussagenwerden deshalb zu Irrtümern gegenüber der geistigen Welt.

*

(32) Die innere Gediegenheit der imaginativen Erkenntnisstufe wird dadurcherreicht, daß die dargestellten seelischen Versenkungen (Meditationen)unterstützt werden von dem, was man die Gewöhnung an «sinnlichkeitsfreiesDenken» nennen kann. Wenn man sich einen Gedanken auf Grund derBeobachtung in der physisch-sinnlichen Welt macht, so ist dieser Gedanke nichtsinnlichkeitsfrei. Aber es ist nicht etwa so, daß der Mensch nur solcheGedanken bilden könne. Das menschliche Denken braucht nicht leer undinhaltlos zu werden, wenn es sich nicht von sinnlichen Beobachtungen erfüllenläßt.

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Der sicherste und nächstliegende Weg für den Geistesschüler, zu solchemsinnlichkeitsfreien Denken zu kommen, kann der sein, die ihm von derGeisteswissenschaft mitgeteilten Tatsachen der höheren Welt zum Eigentumseines Denkens zu machen. Diese Tatsachen können von den physischen Sinnennicht beobachtet werden. Dennoch wird der Mensch bemerken, daß er siebegreifen kann, wenn er nur Geduld und Ausdauer genug hat. Man kann ohneSchulung nicht in der höheren Welt forschen, man kann darin nicht selbstBeobachtungen machen; aber man kann ohne die höhere Schulung allesverstehen, was die Forscher aus derselben mitteilen. Und wenn jemand sagt:(340) Wie kann ich dasjenige auf Treu und Glauben hinnehmen, was dieGeistesforscher sagen, da ich es doch nicht selbst sehen kann?, so ist dies völligunbegründet. Denn es ist durchaus möglich, aus dem bloßen Nachdenken herausdie sichere Überzeugung zu erhalten: das Mitgeteilte ist wahr. Und wenn dieseÜberzeugung sich jemand durch Nachdenken nicht bilden kann, so rührt dasnicht davon her, weil man unmöglich an etwas «glauben» könne, was man nichtsieht, sondern lediglich davon, daß man sein Nachdenken noch nichtvorurteilslos, umfassend, gründlich genug angewendet hat. Um in diesemPunkte Klarheit zu haben, muß man bedenken, daß das menschliche Denken,wenn es sich energisch innerlich aufrafft, mehr begreifen kann, als es in derRegel wähnt. In dem Gedanken selbst liegt nämlich schon eine innereWesenheit, welche im Zusammenhang steht mit der übersinnlichen Welt. DieSeele ist sich gewöhnlich dieses Zusammenhanges nicht bewußt, weil siegewöhnt ist, die Gedankenfähigkeit nur an der Sinnenwelt heranzuziehen. Siehält deshalb für unbegreiflich, was ihr aus der übersinnlichen Welt mitgeteiltwird. Dies ist aber nicht nur begreiflich für ein durch Geistesschulungerzogenes Denken, sondern für jedes Denken, das sich seiner vollen Kraftbewußt ist und sich derselben bedienen will. – Dadurch, daß man sichunablässig zum Eigentum macht, was die Geistesforschung sagt, gewöhnt mansich an ein Denken, das nicht aus den sinnlichen Beobachtungen schöpft. Manlernt erkennen, wie im Innern der Seele Gedanke sich an Gedanke webt, wieGedanke den Gedanken sucht, auch wenn die Gedankenverbindungen nichtdurch die Macht der Sinnenbeobachtung bewirkt werden. (341) Das Wesentlichedabei. ist, daß man so gewahr wird, wie die Gedankenwelt inneres Leben hat,wie man sich, indem man wirklich denkt, im Bereiche einer übersinnlichenlebendigen Welt schon befindet. Man sagt sich: Es ist etwas in mir, was einenGedankenorganismus ausbildet; aber ich bin doch eines mit diesem «Etwas».Man erlebt so in der Hingabe an sinnlichkeitsfreies Denken, daß etwasWesenhaftes besteht, was einfließt in unser Innenleben, wie die Eigenschaftender Sinnendinge durch unsere physischen Organe in uns einfließen, wenn wirsinnlich beobachten. Da draußen im Raume – so sagt sich der Beobachter derSinnenwelt – ist eine Rose; sie ist mir nicht fremd, denn sie kündigt sich mirdurch ihre Farbe und ihren Geruch an.

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Man braucht nun nur genug vorurteilslos zu sein, um sich dann, wenn dassinnlichkeitsfreie Denken in einem arbeitet, ganz entsprechend zu sagen: eskündigt sich mir ein Wesenhaftes an, welches in mir Gedanken an Gedankenbindet, welches einen Gedankenorganismus formt. Es besteht aber einUnterschied in den Empfindungen gegenüber dem, was der Beobachter deräußeren Sinnenwelt im Auge hat, und dem, was sich wesenhaft in demsinnlichkeitsfreien Denken ankündigt. Der erste Beobachter fühlt sich der Rosegegenüber außenstehend, derjenige, welcher dem sinnlichkeitsfreien Denkenhingegeben ist, fühlt das in ihm sich ankündigende Wesenhafte wie in sich, erfühlt sich mit ihm eins. Wer mehr oder weniger bewußt nur das als wesenhaftgelten lassen will, was ihm wie ein äußerer Gegenstand gegenübertritt, der wirdallerdings nicht das Gefühl erhalten können: was ein Wesenhaftes für sich ist,das kann sich mir auch dadurch ankündigen, daß ich mit ihm wie in einsvereinigt bin. Um in dieser Beziehung richtig zu sehen, muß man folgendesinnere Erlebnis haben können. (342) Man muß unterscheiden lernen zwischenden Gedankenverbindungen, die man durch eigene Willkür schafft, unddenjenigen, welche man in sich erlebt, wenn man solche eigene Willkür in sichschweigen läßt. In dem letzteren Falle kann man dann sagen: Ich bleibe in mirganz still; ich führe keine Gedankenverbindungen herbei; ich gebe mich demhin, was «in mir denkt». Dann ist es vollberechtigt, zu sagen: in mir wirkt ein fürsich Wesenhaftes, wie es berechtigt ist zu sagen: auf mich wirkt die Rose, wennich ein bestimmtes Rot sehe, einen bestimmten Geruch wahrnehme. Es ist dabeikein Widerspruch, daß man doch den Inhalt seiner Gedanken aus denMitteilungen der Geistesforscher schöpft. Die Gedanken sind dann zwar bereitsda, wenn man sich ihnen hingibt; aber man kann sie nicht denken, wenn man sienicht in jedem Falle in der Seele wieder neu nachschafft. Darauf eben kommt esan, daß der Geistesforscher solche Gedanken in seinem Zuhörer und Leserwachruft, welche diese aus sich erst holen müssen, während derjenige, welcherSinnlich-Wirkliches beschreibt, auf etwas hindeutet, was von Zuhörer und Leserin der Sinnenwelt beobachtet werden kann.

(33) (Es ist der Weg, welcher durch die Mitteilungen der Geisteswissenschaftin das sinnlichkeitsfreie Denken führt, ein durchaus sicherer. Es gibt aber nocheinen andern, welcher sicherer und vor allem genauer, dafür aber auch für vieleMenschen schwieriger ist. Er ist in meinen Büchern «Erkenntnistheorie derGoetheschen Weltanschauung» und «Philosophie der Freiheit» dargestellt. DieseSchriften geben wieder, was der menschliche Gedanke sich erarbeiten kann,wenn das Denken sich nicht den Eindrücken der physischsinnlichen Außenwelthingibt, sondern nur sich selbst. Es arbeitet dann das reine Denken, nicht dasbloß in Erinnerungen an Sinnliches sich ergehende in dem Menschen, wie einein sich lebendige Wesenheit. (343) Dabei ist in den genannten Schriften nichtsaufgenommen aus den Mitteilungen der Geisteswissenschaft selbst. Und doch istgezeigt, daß das reine, nur in sich arbeitende Denken Aufschlüsse gewinnenkann über die Welt, das Leben und den Menschen.

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Es stehen diese Schriften auf einer sehr wichtigen Zwischenstufe zwischen demErkennen der Sinnenwelt und dem der geistigen Welt. Sie bieten dasjenige, wasdas Denken gewinnen kann, wenn es sich erhebt über die sinnlicheBeobachtung, aber noch den Eingang vermeidet in die Geistesforschung. Werdiese Schriften auf seine ganze Seele wirken läßt, der steht schon in dergeistigen Welt; nur daß sich diese ihm als Gedankenwelt gibt. Wer sich in derLage fühlt, solch eine Zwischenstufe auf sich wirken zu lassen, der geht einensicheren Weg; und er kann sich dadurch ein Gefühl gegenüber der höheren Welterringen, das für alle Folgezeit ihm die schönsten Früchte tragen wird.)

*

(34) Das Ziel der Versenkung (Meditation) in die oben charakterisiertensymbolischen Vorstellungen und Empfindungen ist, genau gesprochen, dieHeranbildung der höheren Wahrnehmungsorgane innerhalb des astralischenLeibes des Menschen. Sie werden aus der Substanz dieses astralischen Leibesheraus zunächst geschaffen. Diese neuen Beobachtungsorgane vermitteln eineneue Welt, und in dieser neuen Welt lernt sich der Mensch als ein neues Ichkennen. Von den Beobachtungsorganen der sinnlich-physischen Weltunterscheiden sich jene neuen schon dadurch, daß sie tätige Organe sind.Während Auge und Ohr sich passiv verhalten und Licht und Ton auf sich wirkenlassen, kann von den geistig-seelischen Wahrnehmungsorganen gesagt werden,daß sie in fortwährender Tätigkeit sind, während sie wahrnehmen, und daß sieihre Gegenstände und Tatsachen gewissermaßen in vollem Bewußtseinergreifen. Dadurch ergibt sich das Gefühl, daß geistigseelisches Erkennen einVereinigen mit den entsprechenden Tatsachen ist, ein «in ihnen leben». – Mankann die einzelnen sich bildenden geistig-seelischen Organe vergleichsweise«Lotusblumen» nennen, entsprechend der Form, die sich das übersinnlicheBewußtsein von ihnen (imaginativ) machen muß. (Selbstverständlich muß mansich klar sein darüber, daß solche Bezeichnung mit der Sache nicht mehr zu tunhat als der Ausdruck «Flügel», wenn man von «Lungenflügeln» spricht.) Durchganz bestimmte Arten von innerer Versenkung wird auf den Astralleib sogewirkt, daß sich das eine oder andere geistig-seelische Organ, die eine oder dieandere «Lotusblume» bildet. Es sollte, nach allem in diesem BucheAusgeführten, überflüssig sein, zu betonen, daß man sich diese«Beobachtungsorgane» nicht wie etwas vorzustellen hat, das in der Vorstellungseines sinnlichen Bildes ein Abdruck seiner Wirklichkeit ist. Diese «Organe»sind eben übersinnlich und bestehen in einer bestimmt geformtenSeelenbetätigung; und sie bestehen nur insofern und so lange, als dieseSeelenbetätigung geübt wird. Etwas, was sich als Sinnenfälliges anschauen läßt,ist mit diesen Organen so wenig am Menschen, als irgendein «Dunst» um ihnist, wenn er denkt. Wer sich das Übersinnliche durchaus sinnlich vorstellen will,gerät eben in Mißverständnisse. (345)

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Trotz des Überflüssigen dieser Bemerkung mag sie hier stehen, weil es immerwieder Bekenner des Übersinnlichen gibt, die in ihren Vorstellungen nur einSinnliches haben wollen; und weil es immer wieder Gegner der übersinnlichenErkenntnis gibt, die glauben, der Geistesforscher spreche von «Lotusblumen»wie von feineren sinnfälligen Gebilden. Jede regelrechte Meditation, die imHinblick auf die imaginative Erkenntnis gemacht wird, hat ihre Wirkung auf daseine oder das andere Organ. (In meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisseder höheren Welten?» sind einzelne von den Methoden der Meditation und desÜbens angegeben, welche auf das eine oder andere Organ wirken.) Eineregelrechte Schulung richtet die einzelnen Übungen des Geistesschülers so einund läßt sie so aufeinander folgen, daß die Organe sich einzeln mit- odernacheinander entsprechend ausbilden können. Zu dieser Ausbildung gehört beidem Geistesschüler viel Geduld und Ausdauer. Wer nur ein solches Maß vonGeduld hat, wie es die gewöhnlichen Lebensverhältnisse dem Menschen in derRegel geben, der wird damit nicht ausreichen. Denn es dauert lange, oft sehr,sehr lange, bis die Organe so weit sind, daß der Geistesschüler sie zuWahrnehmungen in der höheren Welt gebrauchen kann. In diesem Momente trittfür ihn das ein, was man Erleuchtung nennt, im Gegensatz zur Vorbereitungoder Reinigung, die in den Übungen für die Ausbildung der Organe besteht.(Von «Reinigung» wird gesprochen, weil durch die entsprechenden Übungensich der Schüler von all dem für ein gewisses Gebiet inneren Lebens reinigt, wasnur aus der sinnlichen Beobachtungswelt kommt.) Es kann durchaus sokommen, daß dem Menschen auch vor der eigentlichen Erleuchtung wiederholt«Lichtblitze» kommen aus einer höheren Welt. Solche soll er dankbarhinnehmen. Sie schon können ihn zu einem Zeugen von der geistigen Weltmachen. (346) Aber er sollte auch nicht wanken, wenn dies während seinerVorbereitungszeit gar nicht der Fall ist, die ihm vielleicht allzulang erscheint.Wer überhaupt in Ungeduld verfallen kann, «weil er noch nichts sieht», der hatnoch nicht das rechte Verhältnis zu einer höheren Welt gewonnen. Das letzterehat nur derjenige erfaßt, dem die Übungen, die er durch die Schulung macht,etwas wie Selbstzweck sein können. Dieses Üben ist ja in Wahrheit das Arbeitenan einem Geistig-Seelischen, nämlich an dem eigenen Astralleibe. Und mankann «fühlen», auch wenn «man nichts sieht»: «Ich arbeite geistig-seelisch.»Nur wenn man sich von vornherein eine bestimmte Meinung macht, was maneigentlich «sehen» will, dann wird man dieses Gefühl nicht haben. Dann wirdman für nichts halten, was in Wahrheit etwas unermeßlich Bedeutungsvolles ist.Man sollte aber subtil achten auf alles, was man während des Übens erlebt undwas so grundverschieden ist von allen Erlebnissen in der sinnlichen Welt. Manwird dann schon bemerken, daß man in seinen Astralleib hinein nicht wie in einegleichgültige Substanz arbeitet, sondern daß in demselben lebt eine ganz andereWelt, von der man durch das Sinnenleben nichts weiß. Höhere Wesenheitenwirken auf den Astralleib, wie die physisch-sinnliche Außenwelt auf denphysischen Leib wirkt. Und man «stößt» auf das höhere Leben in dem eigenenAstralleib, wenn man sich davor nur nicht verschließt.

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Wenn sich jemand immer wieder und wieder sagt: «ich nehme nichts wahr»,dann ist es zumeist so, daß er sich eingebildet hat, diese Wahrnehmung müsse sooder so aussehen; und weil er das dann nicht sieht, wovon er sich einbildet, ermüsse es sehen, so sagt er: «ich sehe nichts.»

(35) Wer sich aber die rechte Gesinnung aneignet gegenüber dem Üben derSchulung, der wird in diesem Üben immer mehr etwas haben, was er um seinerselbst willen liebt. (347) Dann aber weiß er, daß er durch das Üben selbst ineiner geistig-seelischen Welt steht, und er wartet in Geduld und Ergebung, wassich weiter ergibt. Es kann diese Gesinnung in dem Geistesschüler in folgendenWorten am besten zum Bewußtsein kommen: «Ich will alles tun, was mir alsÜbungen angemessen ist, und ich weiß, daß mir in der entsprechenden Zeit soviel zukommen wird, als mir wichtig ist. Ich verlange dies nicht ungeduldig;mache mich aber immer bereit, es zu empfangen.» Dagegen läßt sich auch nichteinwenden: «Der Geistesschüler soll also im Dunkeln tappen, durch einevielleicht unermeßlich lange Zeit; denn daß er mit seinem Üben auf demrichtigen Wege ist, kann sich ihm doch erst zeigen, wenn der Erfolg da ist.» Esist jedoch nicht so, daß erst der Erfolg die Erkenntnis von der Richtigkeit desÜbens bringen kann. Wenn der Schüler nichtig sich zu den Übungen stellt, danngibt ihm die Befriedigung, die er durch das Üben selbst hat, die Klarheit, daß eretwas Richtiges tut, nicht erst der Erfolg. Richtig üben auf dem Gebiete derGeistesschulung verbindet sich eben mit einer Befriedigung, die nicht bloßeBefriedigung, sondern Erkenntnis ist. Nämlich die Erkenntnis: ich tue etwas,wovon ich sehe, daß es mich in der richtigen Linie vorwärts bringt. JederGeistesschüler kann diese Erkenntnis in jedem Augenblick haben, wenn er nurauf seine Erlebnisse subtil aufmerksam ist. Wenn er diese Aufmerksamkeit nichtanwendet, dann geht er eben an den Erlebnissen vorbei, wie ein in Gedankenversunkener Fußgänger, der die Bäume zu beiden Seiten des Weges nicht sieht,obgleich er sie sehen würde, wenn er den Blick aufmerksam auf sie richtete. –(348) Es ist durchaus nicht wünschenswert, daß das Eintreten eines anderenErfolges, als derjenige ist, der im Üben sich immer ergibt, beschleunigt werde.Denn es könnte das leicht nur der geringste Teil dessen sein, was eigentlicheintreten sollte. In bezug auf die geistige Entwickelung ist oft ein teilweiserErfolg der Grund einer starken Verzögerung des vollen Erfolges. Die Bewegungunter solchen Formen des geistigen Lebens, wie sie dem teilweisen Erfolgentsprechen, stumpft ab gegen die Einflüsse der Kräfte, welche zu höherenPunkten der Entwickelung führen. Und der Gewinn, den man dadurch erzielt,daß man doch in die geistige Welt «hineingesehen hat», ist nur ein scheinbarer;denn dieses Hineinschauen kann nicht die Wahrheit, sondern nur Trugbilderliefern.

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(36) Die geistig-seelischen Organe, die Lotusblumen, bilden sich so, daß siedem übersinnlichen Bewußtsein an dem in Schulung befindlichen Menschen wiein der Nähe bestimmter physischer Körperorgane erscheinen. Aus der Reihedieser Seelenorgane sollen hier genannt werden: dasjenige, das wie in der Näheder Augenbrauenmitte erfühlt wird (die sogenannte zweiblättrige Lotusblume),dasjenige in der Gegend des Kehlkopfes (die sechzehnblättrige Lotusblume), dasdritte in der Herzgegend (die zwölfblättrige Lotusblume), das vierte in derGegend der Magengrube. Andere solche Organe erscheinen in der Nähe andererphysischer Körperteile. (Die Namen «zwei-» oder «sechzehnblättrig» könnengebraucht werden, weil die betreffenden Organe sich mit Blumen mitentsprechender Blätterzahl vergleichen lassen.)

(37) Die Lotusblumen werden an dem astralischen Leibe bewußt. In demZeitpunkte, in dem man die eine oder die andere entwickelt hat, weiß man auch,daß man sie hat. (349) Man fühlt, daß man sich ihrer bedienen kann und daßman durch ihren Gebrauch in eine höhere Welt wirklich eintritt. Die Eindrücke,welche man von dieser Welt erhält, gleichen in mancher Beziehung noch denender physisch-sinnlichen. Wer imaginativ erkennt, wird von der neuen höherenWelt so sprechen können, daß er die Eindrücke als Wärme- oderKälteempfindungen, Ton- oder Wortwahrnehmungen, Licht- oderFarbenwirkungen bezeichnet. Denn wie solche erlebt er sie. Er ist sich aberbewußt, daß diese Wahrnehmungen in der imaginativen Welt etwas anderesausdrücken als in der sinnlich-wirklichen. Er erkennt, daß hinter ihnen nichtphysisch-stoffliche Ursachen, sondern seelisch-geistige stehen. Wenn er etwaswie einen Wärmeeindruck hat, so schreibt er diesen nicht z.B. einem Stückheißen Eisens zu, sondern er betrachtet ihn als Ausfluß eines seelischenVorganges, wie er ihn bisher nur in seinem seelischen Innenleben gekannt hat.Er weiß, daß hinter den imaginativen Wahrnehmungen seelische und geistigeDinge und Vorgänge stehen, wie hinter den physischen Wahrnehmungenstofflich-physische Wesen und Tatsachen. – Zu dieser Ähnlichkeit derimaginativen mit der physischen Welt kommt aber ein bedeutsamer Unterschiedhinzu. Es ist etwas in der physischen Welt vorhanden, was in der imaginativenganz anders auftritt. In jener kann beobachtet werden ein fortwährendesEntstehen und Vergehen der Dinge, ein Wechsel von Geburt und Tod. In derimaginativen Welt tritt an Stelle dieser Erscheinung eine fortdauerndeVerwandlung des einen in das andere. Man sieht z. B. in der physischen Welteine Pflanze vergehen. (350) In der imaginativen zeigt sich in demselben Maße,in dem die Pflanze dahinwelkt, das Entstehen eines andern Gebildes, dasphysisch nicht wahrnehmbar ist und in welches sich die vergehende Pflanzeallmählich verwandelt. Wenn nun die Pflanze dahingeschwunden ist, so istdieses Gebilde an ihrer Stelle voll entwickelt da. Geburt und Tod sindVorstellungen, welche in der imaginativen Welt ihre Bedeutung verlieren. Anihre Stelle tritt der Begriff von Verwandlung des einen in das andere. –

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Weil dies so ist, deshalb werden für das imaginative Erkennen jene Wahrheitenüber die Wesenheit des Menschen zugänglich, welche in diesem Buche in demKapitel «Wesen der Menschheit» mitgeteilt worden sind. Für dasphysisch-sinnliche Wahrnehmen sind nur die Vorgänge des physischen Leibeswahrnehmbar. Sie spielen sich im «Gebiete von Geburt und Tod» ab. Die andernGlieder der Menschennatur: Lebensleib, Empfindungsleib und Ich stehen unterdem Gesetze der Verwandlung, und ihre Wahrnehmung erschließt sich derimaginativen Erkenntnis. Wer bis zu dieser vorgeschritten ist, nimmt wahr, wiesich aus dem physischen Leibe gleichsam herauslöst dasjenige, was mit demHinsterben in anderer Daseinsart weiterlebt.

(38) Die Entwickelung bleibt nun aber innerhalb der imaginativen Welt nichtstehen. Der Mensch, der in ihr stehenbleiben wollte, würde zwar die inVerwandlung begriffenen Wesenheiten wahrnehmen; aber er würde dieVerwandlungsvorgänge nicht deuten können, er würde sich nicht orientierenkönnen in der neugewonnenen Welt. Die imaginative Welt ist ein unruhigesGebiet. Es ist überall nur Beweglichkeit, Verwandlung in ihr; nirgends sindRuhepunkte. – Zu solchen Ruhepunkten gelangt der Mensch erst, wenn er sichüber die imaginative Erkenntnisstufe hinaus zu dem entwickelt, was die«Erkenntnis durch Inspiration» genannt werden kann. – (351) Es ist nichtnotwendig, daß derjenige, welcher die Erkenntnis der übersinnlichen Welt sucht,sich etwa so entwickele, daß er zuerst in vollem Maße das imaginative Erkennensich aneigne und dann erst zur «Inspiration» vorschreite. Seine Übungen könnenso eingerichtet werden, daß nebeneinander das geht, was zur Imagination, unddas, was zur Inspiration führt. Er wird dann, nach entsprechender Zeit, in einehöhere Welt eintreten, in welcher er nicht bloß wahrnimmt, sondern in der ersich auch orientieren kann, die er zu deuten versteht. Der Fortschritt wird in derRegel allerdings so gemacht werden, daß sich zuerst dem Geistesschüler einigeErscheinungen der imaginativen Welt darbieten und nach einiger Zeit er in sichdie Empfindung erhält: jetzt fange ich auch an, mich zu orientieren. – Dennochist die Welt der Inspiration etwas ganz Neues gegenüber derjenigen der bloßenImagination. Durch diese nimmt man die Verwandlung eines Vorganges in denandern wahr, durch jene lernt man innere Eigenschaften von Wesen kennen,welche sich verwandeln. Durch Imagination erkennt man die seelischeÄußerung der Wesen-, durch Inspiration dringt man in deren geistiges Innere.Man erkennt vor allem eine Vielheit von geistigen Wesenheiten und vonBeziehungen des einen auf das andere. Mit einer Vielheit verschiedener Wesenhat man es ja auch in der physisch-sinnlichen Welt zu tun; in der Welt derInspiration ist diese Vielheit doch von einem anderen Charakter. Es ist da einjedes Wesen in ganz bestimmten Beziehungen zu andern, nicht wie in derphysischen durch äußere Einwirkung auf dasselbe, sondern durch seine innereBeschaffenheit. (352)

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Wenn man ein Wesen in der inspirierten Welt wahrnimmt, so zeigt sich nichteine äußere Einwirkung auf ein anderes, die sich mit der Wirkung einesphysischen Wesens auf ein anderes vergleichen ließe, sondern es besteht einVerhältnis des einen zum andern durch die innere Beschaffenheit der beidenWesen. Vergleichen läßt sich dieses Verhältnis mit einem solchen in derphysischen Welt, wenn man dazu das Verhältnis der einzelnen Laute oderBuchstaben eines Wortes zueinander wählt. Wenn man das Wort «Mensch» vorsich hat, so wird es bewirkt durch den Zusammenklang der Laute: M-e-n-sch. Esgeht nicht ein Anstoß oder sonst eine äußere Einwirkung z.B. von dem M zudem E hinüber, sondern beide Laute wirken zusammen, und zwar innerhalbeines Ganzen durch ihre innere Beschaffenheit. Deshalb läßt sich dasBeobachten in der Welt der Inspiration nur vergleichen mit einem Lesen; unddie Wesen in dieser Welt wirken auf den Betrachter wie Schriftzeichen, die erkennenlernen muß und deren Verhältnisse sich für ihn enthüllen müssen wieeine übersinnliche Schrift. Die Geisteswissenschaft kann daher die Erkenntnisdurch Inspiration vergleichsweise auch das «Lesen der verborgenen Schrift»nennen.

(39) Wie durch diese «verborgene Schrift» gelesen wird und wie man dasGelesene mitteilen kann, soll nun an den vorangegangenen Kapiteln diesesBuches selbst klargemacht werden. Es wurde zunächst die Wesenheit desMenschen beschrieben, wie sie sich aufbaut aus verschiedenen Gliedern. Dannwurde gezeigt, wie das Weltwesen, auf dem sich der Mensch entwickelt, durchdie verschiedenen Zustände, den Saturn-, Sonnen-, Monden- und Erdenzustandhindurchgeht. (353) Die Wahrnehmungen, durch welche man die Glieder desMenschen einerseits, die aufeinanderfolgenden Zustände der Erde und ihrervorhergehenden Verwandlungen andererseits erkennen kann, erschließen sichder imaginativen Erkenntnis. Nun ist aber weiter notwendig, daß erkannt werde,welche Beziehungen zwischen dem Saturnzustande und dem physischenMenschenleib, dem Sonnenzustande und dem Ätherleib usw. bestehen. Es mußgezeigt werden, daß der Keim zum physischen Menschenleib schon währenddes Saturnzustandes entstanden ist, daß er sich dann weiterentwickelt hat bis zuseiner gegenwärtigen Gestalt während des Sonnen-, Monden- undErdenzustandes. Es mußte z.B. auch darauf hingewiesen werden, welcheVeränderungen sich mit dem Menschenwesen vollzogen haben dadurch, daßeinmal die Sonne sich von der Erde trennte, daß ein Ähnliches bezüglich desMondes geschah. Es mußte ferner mitgeteilt werden, was zusammenwirkte,damit solche Veränderungen mit der Menschheit sich vollziehen konnten, wiesie in den Umwandlungen während der atlantischen Zeit, wie sie in denaufeinanderfolgenden Perioden, der indischen, der urpersischen, der ägyptischenusw. sich ausdrücken. Die Schilderung dieser Zusammenhänge ergibt sich nichtaus der imaginativen Wahrnehmung, sondern aus der Erkenntnis durchInspiration, aus dem Lesen der verborgenen Schrift. Für dieses «Lesen» sind dieimaginativen Wahrnehmungen wie Buchstaben oder Laute.

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Dieses «Lesen» ist aber nicht nur für Aufklärungen notwendig wie die ebengekennzeichneten. Schon den Lebensgang des ganzen Menschen könnte mannicht verstehen, wenn man ihn nur durch die imaginative Erkenntnis betrachtenwürde. (354) Man würde da zwar wahrnehmen, wie sich mit dem Hinsterben dieseelisch-geistigen Glieder aus dem in der physischen Welt Verbleibendenloslösen; aber man würde die Beziehungen dessen, was nach dem Tode mit demMenschen geschieht, zu den vorhergehenden und nachfolgenden Zuständennicht verstehen, wenn man sich innerhalb des imaginativ Wahrgenommenennicht orientieren könnte. Ohne die Erkenntnis durch Inspiration verbliebe dieimaginative Welt wie eine Schrift, die man anstarrt, die man aber nicht zu lesenvermag.

(40) Wenn der Geistesschüler fortschreitet von der Imagination zurInspiration, so zeigt sich ihm sehr bald, wie unrichtig es wäre, auf dasVerständnis der großen Welterscheinungen zu verzichten und sich nur auf dieTatsachen beschränken zu wollen, welche gewissermaßen das nächstemenschliche Interesse berühren. Wer in diese Dinge nicht eingeweiht ist, derkönnte wohl das Folgende sagen: «Mir erscheint es doch nur wichtig, dasSchicksal der menschlichen Seele nach dem Tode zu erfahren; wenn mir jemanddarüber Mitteilungen macht, so ist mir das genug: wozu führt mir dieGeisteswissenschaft solch entlegene Dinge vor wie Saturn-, SonnenzustandSonnen-, Mondentrennung usw.» Wer aber in diese Dinge richtig eingeführt ist,der lernt erkennen, daß ein wirkliches Wissen über das, was er erfahren will, niezu erlangen ist ohne eine Erkenntnis dessen, was ihm so unnötig scheint. EineSchilderung der Menschenzustände nach dem Tode bleibt völlig unverständlichund wertlos, wenn der Mensch sie nicht mit Begriffen verbinden kann, welchevon jenen entlegenen Dingen hergenommen sind. Schon die einfachsteBeobachtung des übersinnlich Erkennenden macht seine Bekanntschaft mitsolchen Dingen notwendig. Wenn z.B. eine Pflanze von dem Blütenzustand inden Fruchtzustand übergeht, so sieht der übersinnlich beobachtende Menscheine Verwandlung in einer astralischen Wesenheit vor sich gehen, welchewährend des Blühens die Pflanze wie eine Wolke von oben bedeckt und umhüllthat. (355) Wäre die Befruchtung nicht eingetreten, so wäre diese astralischeWesenheit in eine ganz andere Gestalt übergegangen als die ist, welche sieinfolge der Befruchtung angenommen hat. Nun versteht man den ganzen durchdie übersinnliche Beobachtung wahrgenommenen Vorgang, wenn man seinWesen verstehen gelernt hat an jenem großen Weltvorgange, welcher sich mitder Erde und allen ihren Bewohnern vollzogen hat zur Zeit der Sonnentrennung.Vor der Befruchtung ist die Pflanze in einer solchen Lage wie die ganze Erdevor der Sonnentrennung. Nach der Befruchtung zeigt sich die Blüte der Pflanzeso, wie die Erde war, als sich die Sonne abgetrennt hatte und die Mondenkräftenoch in ihr waren. Hat man sich die Vorstellungen zu eigen gemacht, welche ander Sonnentrennung gewonnen werden können, so wird man die Deutung desPflanzen-Befruchtungsvorganges sachgemäß so wahrnehmen, daß man sagt:

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Die Pflanze ist vor der Befruchtung in einem Sonnenzustand, nach derselben ineinem Mondenzustand. Es ist eben durchaus so, daß auch der kleinste Vorgangin der Welt nur dann begriffen werden kann, wenn in ihm ein Abbild großerWeltvorgänge erkannt wird. Sonst bleibt er seinem Wesen nach sounverständlich, wie die Raffaelsche Madonna für denjenigen bleibt, der nur einkleines blaues Fleckchen sehen kann, während alles andere zugedeckt ist. –Alles, was nun am Menschen vorgeht, ist ein Abbild all der großenWeltvorgänge, die mit seinem Dasein zu tun haben. (356) Will man dieBeobachtungen des übersinnlichen Bewußtseins über die Erscheinungenzwischen Geburt und Tod und wieder vom Tode bis zu einer neuen Geburtverstehen, so kann man dies, wenn man sich die Fähigkeit erworben hat, dieimaginativen Beobachtungen durch dasjenige zu entziffern, was man sich anVorstellungen angeeignet hat durch die Betrachtung der großen Weltvorgänge. –Diese Betrachtung liefert eben den Schlüssel zum Verständnisse desmenschlichen Lebens. Daher ist im Sinne der Geisteswissenschaft Saturn-,Sonnen-, Mondbeobachtung usw. zugleich Beobachtung des Menschen.

(41) Durch Inspiration gelangt man dazu, die Beziehungen zwischen denWesenheiten der höheren Welt zu erkennen. Durch eine weitere Erkenntnisstufewird es möglich, diese Wesenheiten in ihrem Innern selbst zu erkennen. DieseErkenntnisstufe kann die intuitive Erkenntnis genannt werden. (Intuition ist einWort, das im gewöhnlichen Leben mißbraucht wird für eine unklare,unbestimmte Einsicht in eine Sache, für eine Art Einfall, der zuweilen mit derWahrheit stimmt, dessen Berechtigung aber zunächst nicht nachweisbar ist. Mitdieser Art «Intuition» hat das hier Gemeinte natürlich nichts zu tun. Intuitionbezeichnet hier eine Erkenntnis von höchster, lichtvollster Klarheit, derenBerechtigung man sich, wenn man sie hat, in vollstem Sinne bewußt ist.) – EinSinneswesen erkennen, heißt außerhalb desselben stehen und es nach demäußeren Eindruck beurteilen. Ein Geisteswesen durch Intuition erkennen, heißtvöllig eins mit ihm geworden sein, sich mit seinem Innern vereinigt haben.Stufenweise steigt der Geistesschüler zu solcher Erkenntnis hinauf DieImagination führt ihn dazu, die Wahrnehmungen nicht mehr als äußereEigenschaften von Wesen zu empfinden, sondern in ihnen Ausflüsse vonSeelisch-Geistigem zu erkennen; die Inspiration führt ihn weiter in das Innereder Wesen: Er lernt durch sie verstehen, was diese Wesenheiten für einandersind; in der Intuition dringt er in die Wesen selbst ein. – Wieder kann an denAusführungen dieses Buches selbst gezeigt werden, was für eine Bedeutung dieIntuition hat. (357) Es wurde in den vorhergehenden Kapiteln nicht nur davongesprochen, wie der Fortgang der Saturn-, Sonnen-, Mondenentwickelung usw.geschieht, sondern es wurde mitgeteilt, daß Wesen sich an diesem Fortgange inder verschiedensten Art beteiligen. Es wurden Throne oder Geister des Willens,Geister der Weisheit, der Bewegung usw. angeführt.

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Es wurde bei der Erdenentwickelung von den Geistern des Luzifer, des Ahrimangesprochen. Der Weltenbau wurde auf die Wesenheiten zurückgeführt, welchesich an ihm beteiligen. Was über diese Wesenheiten erfahren werden kann, wirddurch die intuitive Erkenntnis gewonnen. Diese ist auch schon notwendig, wennman den Lebenslauf des Menschen erkennen will. Was sich nach dem Tode ausder physischen Leiblichkeit des Menschen herauslöst, das macht nun in derFolgezeit verschiedene Zustände durch. Die nächsten Zustände nach dem Todewären noch einigermaßen durch die imaginative Erkenntnis zu beschreiben. Wasaber dann vorgeht, wenn der Mensch weiter kommt in der Zeit zwischen demTode und einer neuen Geburt, das müßte der Imagination ganz unverständlichbleiben, wenn nicht die Inspiration hinzukäme. Nur die Inspiration kannerforschen, was von dem Leben des Menschen nach der Läuterung im«Geisterland» gesagt werden kann. Dann aber kommt ein Etwas, für welches dieInspiration nicht mehr ausreicht, wo sie gewissermaßen den Faden desVerständnisses verliert. Es gibt eine Zeit der menschlichen Entwickelungzwischen dem Tode und einer neuen Geburt, wo das menschliche Wesen nur derIntuition zugänglich ist. – (358) Dieser Teil der menschlichen Wesenheit ist aberimmer in dem Menschen; und will man ihn, seiner wahren Innerlichkeit nach,verstehen, so muß man ihn auch in der Zeit zwischen der Geburt und dem Todedurch die Intuition aufsuchen. Wer den Menschen nur mit den Mitteln derImagination und Inspiration erkennen wollte, dem entzögen sich gerade dieVorgänge des innersten Wesens desselben, die von Verkörperung zuVerkörperung sich abspielen. Nur die intuitive Erkenntnis macht daher einesachgemäße Erforschung von den wiederholten Erdenleben und vom Karmamöglich. Alles, was als Wahrheit über diese Vorgänge mitgeteilt werden soll,muß der Forschung durch intuitive Erkenntnis entstammen. – Und will derMensch sich selbst seiner inneren Wesenheit nach erkennen, so kann er dies nurdurch Intuition. Durch sie nimmt er wahr, was sich in ihm von Erdenleben zuErdenleben fortbewegt.

*

(42) Erlangen kann der Mensch die Erkenntnis durch Inspiration und Intuitionauch nur durch seelisch-geistige Übungen. Sie sind denen ähnlich, welche als«innere Versenkung» (Meditation) zur Erreichung der Imagination geschildertworden sind. Während aber bei jenen Übungen, welche zur Imagination führen,eine Anknüpfung stattfindet an die Eindrücke der sinnlich-physischen Welt,muß bei denen für die Inspiration diese Anknüpfung immer mehr wegfallen Umsich zu verdeutlichen, was da zu geschehen hat, denke man nochmals an dasSinnbild des Rosenkreuzes. Wenn man sich in dasselbe versenkt, so hat man einBild vor sich, dessen Teile von Eindrücken der sinnlichen Welt genommen sind:die schwarze Farbe des Kreuzes, die Rosen usw. Die Zusammenstellung dieserTeile zum Rosenkreuz ist aber nicht aus der sinnlich-physischen Weltgenommen. (359)

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Wenn nun der Geistesschüler versucht, aus seinem Bewußtsein das schwarzeKreuz und auch die roten Rosen als Bilder von sinnlich-wirklichen Dingen ganzverschwinden zu lassen und nur in der Seele jene geistige Tätigkeit zu behalten,welche diese Teile zusammengesetzt hat, dann hat er ein Mittel zu einer solchenMeditation, welche ihn nach und nach zur Inspiration fährt. Man frage sich inseiner Seele etwa in folgender Art: Was habe ich innerlich getan, um Kreuz undRose zu dem Sinnbild zusammenzufügen? Was ich getan habe (meinen eigenenSeelenvorgang), will ich festhalten; das Bild selber aber aus dem Bewußtseinverschwinden lassen. Dann will ich alles in mir fühlen, was meine Seele getanhat, um das Bild zustande zu bringen, das Bild selbst aber will ich mir nichtvorstellen. Ich will nunmehr ganz innerlich leben in meiner eigenen Tätigkeit,welche das Bild geschaffen hat. Ich will mich also in kein Bild, sondern inmeine eigene bilderzeugende Seelentätigkeit versenken. Solche Versenkungmuß in bezug auf viele Sinnbilder vorgenommen werden. Das führt dann zurErkenntnis durch Inspiration. Ein anderes Beispiel wäre dies: Man versenkt sichin die Vorstellung einer entstehenden und vergehenden Pflanze. Man läßt in derSeele das Bild einer nach und nach werdenden Pflanze entstehen, wie sie ausdem Keime aufsprießt, wie sie Blatt nach Blatt entfaltet, bis zur Blüte und zurFrucht. Dann wieder, wie das Hinwelken beginnt, bis zur völligen Auflösung.Man gelangt allmählich durch die Versenkung in solch ein Bild zu einem Gefühldes Entstehens und Vergehens, für welches die Pflanze nur noch Bild ist. Ausdiesem Gefühl kann dann, wenn die Übung ausdauernd fortgesetzt wird, sich dieImagination von jener Verwandlung herausbilden, welche dem physischenEntstehen und Vergehen zum Grunde liegt. (360) Will man aber zurentsprechenden Inspiration kommen, dann muß man die Übung noch andersmachen. Man muß sich auf die eigene Seelentätigkeit besinnen, welche aus demBilde der Pflanze die Vorstellung von Entstehen und Vergehen gewonnen hat.Man muß die Pflanze nun ganz aus dem Bewußtsein verschwinden lassen undsich nur in das hineinversenken, was man selbst innerlich getan hat. Durchsolche Übungen nur ist ein Aufsteigen zur Inspiration möglich. Zunächst wird esdem Geistesschüler nicht ganz leicht sein, in vollem Umfange zu begreifen, wieer sich zu einer solchen Übung anzuschicken hat. Es rührt dies davon her, daßder Mensch, welcher gewohnt ist, sich sein Innenleben von den äußerenEindrücken bestimmen zu lassen, sofort ins Unsichere und völlig Schwankendegerät, wenn er noch ein Seelenleben entfalten soll, das alle Anknüpfung anäußere Eindrücke abgeworfen hat. In einem noch höheren Maße als bezüglichder Erwerbung von Imaginationen muß der Geistesschüler sich gegenüberdiesen Übungen zur Inspiration klar sein, daß er sie nur vornehmen sollte, wenner nebenher gehen läßt alle Vorkehrungen, welche zur Sicherung und Festigungder Urteilsfähigkeit, des Gefühlslebens und des Charakters führen können. Triffter diese Vorkehrungen, so wird er ein Zweifaches davon als Erfolg haben.

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Erstens wird er durch die Übungen nicht das Gleichgewicht seinerPersönlichkeit beim übersinnlichen Schauen verlieren können; zweitens wird ersich zugleich die Fähigkeit aneignen, das wirklich ausführen zu können, was indiesen Übungen verlangt wird. Man wird diesen Übungen gegenüber nur solange sagen, sie seien schwierig, als man sich eine ganz gewisseSeelenverfassung, ganz gewisse Gefühle und Empfindungen noch nichtangeeignet hat. (361) Derjenige wird alsbald Verständnis und auch Fähigkeit fürdie Übungen gewinnen, der in Geduld und Ausdauer in seiner Seele solcheinnere Eigenschaften pflegt, welche dem Aufkeimen übersinnlicherErkenntnisse günstig sind. Wer sich daran gewöhnt, öfters Einkehr in seinInneres so zu halten, daß es ihm dabei weniger zu tun ist, über sich selbstnachzugrübeln, als vielmehr still in sich die im Leben gemachten Erfahrungenzu ordnen und zu verarbeiten, der wird viel gewinnen. Er wird sehen, daß manseine Vorstellungen und Gefühle bereichert, wenn man die eineLebenserfahrung mit der anderen in ein Verhältnis bringt. Er wird gewahrwerden, in wie hohem Grade man nicht nur dadurch Neues erfährt, daß manneue Eindrücke und neue Erlebnisse hat, sondern auch dadurch, daß man diealten in sich arbeiten läßt. Und wer dabei so zu Werke geht, daß er seineErlebnisse, ja sogar seine gewonnenen Meinungen so gegeneinander spielenläßt, als ob er selbst mit seinen Sympathien und Antipathien, mit seinenpersönlichen Interessen und Gefühlen gar nicht dabei wäre, der wird für dieübersinnlichen Erkenntniskräfte einen besonders guten Boden zubereiten. Erwird in Wahrheit das ausbilden, was man ein reiches Innenleben nennen kann.Worauf es aber vor allem ankommt, das ist Gleichmaß und Gleichgewicht derSeeleneigenschaften. Der Mensch ist nur zu leicht geneigt, wenn er sich einergewissen Seelentätigkeit hingibt, in Einseitigkeit zu verfallen. So kann er, wenner den Vorteil des inneren Nachsinnens und des Verweilens in der eigenenVorstellungswelt gewahr wird, dafür eine solche Neigung erhalten, daß er sichgegen die Eindrücke der Außenwelt immer mehr verschließt. Das aber führt zurVertrocknung und Verödung des Innenlebens. (362) Am weitesten kommtderjenige, welcher sich neben der Fähigkeit, sich in sein Innereszurückzuziehen, auch die offene Empfänglichkeit bewahrt für alle Eindrücke derAußenwelt. Und man braucht dabei nicht etwa bloß an die sogenanntenbedeutsamen Eindrücke des Lebens zu denken, sondern es kann jeder Mensch injeder Lage – auch in noch so ärmlichen vier Wänden – genug erleben, wenn ernur den Sinn dafür empfänglich hält. Man braucht die Erlebnisse nicht erst zusuchen; sie sind überall da. – Von besonderer Wichtigkeit ist auch, wieErlebnisse in des Menschen Seele verarbeitet werden. Es kann z. B. jemand dieErfahrung machen, daß eine von ihm oder andern verehrte Persönlichkeit dieseoder jene Eigenschaft habe, die er als Charakterfehler bezeichnen muß. Durcheine solche Erfahrung kann der Mensch in einer zweifachen Richtung zumNachdenken veranlaßt werden. Er kann sich einfach sagen: jetzt, nachdem ichdies erkannt habe, kann ich jene Persönlichkeit nicht mehr in derselben Artverehren wie früher. Oder aber er kann sich die Frage vorlegen:

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Wie ist es möglich, daß die verehrte Persönlichkeit mit jenem Fehler behaftetist? Wie muß ich mir vorstellen, daß der Fehler nicht nur Fehler, sondern etwasdurch das Leben der Persönlichkeit, vielleicht gerade durch ihre großenEigenschaften Verursachtes ist? Ein Mensch, welcher sich diese Fragen vorlegt,wird vielleicht zu dem Ergebnis kommen, daß seine Verehrung nicht imgeringsten durch das Bemerken des Fehlers zu verringern ist. Man wird durchein solches Ergebnis jedesmal etwas gelernt haben, man wird seinemLebensverständnis etwas beigefügt haben. (363) Nun wäre es gewiß schlimm fürdenjenigen, der sich durch das Gute einer solchen Lebensbetrachtung verleitenließe, bei Personen oder Dingen, welche seine Neigung haben, alles Mögliche zuentschuldigen oder etwa gar zu der Gewohnheit überzugehen, allesTadelnswerte unberücksichtigt zu lassen, weil ihm das Vorteil bringt für seineinnere Entwickelung. Dies letztere ist nämlich dann nicht der Fall, wenn mandurch sich selbst den Antrieb erhält, Fehler nicht bloß zu tadeln, sondern zuverstehen; sondern nur, wenn ein solches Verhalten durch den betreffenden Fallselbst gefordert wird, gleichgültig, was der Beurteiler dabei gewinnt oderverliert. Es ist durchaus richtig: Lernen kann man nicht durch die Verurteilungeines Fehlers, sondern nur durch dessen Verstehen. Wer aber wegen desVerständnisses durchaus das Mißfallen ausschließen wollte, der käme auch nichtweit. Auch hier kommt es nicht auf Einseitigkeit in der einen oder andernRichtung an, sondern auf Gleichmaß und Gleichgewicht der Seelenkräfte. – Undso ist es ganz besonders mit einer Seeleneigenschaft, die für des MenschenEntwickelung ganz hervorragend bedeutsam ist; mit dem, was man Gefühl derVerehrung (Devotion) nennt. Wer dieses Gefühl in sich heranbildet oder esdurch eine glückliche Naturgabe von vornherein besitzt, der hat einen gutenBoden für die übersinnlichen Erkenntniskräfte. Wer in seiner Kindheits- undJugendzeit mit hingebungsvoller Bewunderung zu Personen wie zu hohenIdealen hinaufschauen konnte, in dessen Seelengrund ist etwas, worinnenübersinnliche Erkenntnisse besonders gut gedeihen. Und wer bei reifem Urteileim späteren Leben zum Sternenhimmel blickt und in restloser Hingabe dieOffenbarung hoher Mächte bewundernd empfindet, der macht sich eben dadurchreif zum Erkennen der übersinnlichen Welten. Ein gleiches ist bei demjenigender Fall, welcher die im Menschenleben waltenden Kräfte zu bewundernvermag. (364) Und von nicht geringer Bedeutung ist es, wenn man auch nochals gereifter Mensch Verehrung bis zu den höchsten Graden für andereMenschen haben kann, deren Wert man ahnt oder zu erkennen glaubt. Nur wosolche Verehrung vorhanden ist, kann sich die Aussicht in die höheren Welteneröffnen. Wer nicht verehren kann, wird keinesfalls in seiner Erkenntnisbesonders weit kommen. Wer nichts in der Welt anerkennen will, demverschließt sich das Wesen der Dinge. – Wer sich jedoch durch das Gefühl derVerehrung und Hingabe dazu verführen läßt, das gesunde Selbstbewußtsein undSelbstvertrauen in sich ganz zu ertöten, der versündigt sich gegen das Gesetz desGleichmaßes und Gleichgewichtes.

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Der Geistesschüler wird fortdauernd an sich arbeiten, um sich immer reifer undreifer zu machen-, aber dann darf er auch das Vertrauen zu der eigenenPersönlichkeit haben und glauben, daß deren Kräfte immer mehr wachsen. Werin sich zu richtigen Empfindungen nach dieser Richtung kommt, der sagt sich:In mir liegen Kräfte verborgen, und ich kann sie aus meinem Innernhervorholen. Ich brauche daher dort, wo ich etwas sehe, das ich verehren muß,weil es über mir steht, nicht bloß zu verehren, sondern ich darf mir zutrauen,alles das in mir zu entwickeln, was mich diesem oder jenem Verehrten gleichmacht.

(43) Je größer in einem Menschen die Fähigkeit ist, Aufmerksamkeit aufgewisse Vorgänge des Lebens zu richten, welche nicht von vornherein dempersönlichen Urteil vertraut sind, desto größer ist für ihn die Möglichkeit, sichUnterlagen zu schaffen für eine Entwickelung in geistige Welten hinauf EinBeispiel mag dies anschaulich machen. Ein Mensch komme in eine Lebenslage,wo er eine gewisse Handlung tun oder unterlassen kann. Sein Urteil sage ihm:Tue dies. Aber es sei doch ein gewisses unerklärliches Etwas in seinenEmpfindungen, das ihn von der Tat abhält. (365) Es kann nun so sein, daß derMensch auf dieses unerklärliche Etwas keine Aufmerksamkeit verwendet,sondern einfach die Handlung so vollbringt, wie es seiner Urteilsfähigkeitangemessen ist. Es kann aber auch so sein, daß der Mensch dem Drange jenesunerklärlichen Etwas nachgibt und die Handlung unterläßt. Verfolgt er dann dieSache weiter, so kann sich herausstellen, daß Unheil gefolgt wäre, wenn erseinem Urteil gefolgt wäre; daß jedoch Segen entstanden ist durch dasUnterlassen. Solch eine Erfahrung kann das Denken des Menschen in eine ganzbestimmte Richtung bringen. Er kann sich sagen: In mir lebt etwas, was michrichtiger leitet als der Grad von Urteilsfähigkeit, welchen ich in der Gegenwarthabe. Ich muß mir den Sinn offen halten für dieses «Etwas in mir», zu dem ichmit meiner Urteilsfähigkeit noch gar nicht herangereift bin. Es wirkt nun inhohem Grade günstig auf die Seele, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf solcheFälle im Leben richtet. Es zeigt sich ihr dann wie in einer gesunden Ahnung,daß im Menschen mehr ist, als was er jeweilig mit seiner Urteilskraft übersehenkann. Solche Aufmerksamkeit arbeitet auf eine Erweiterung des Seelenlebenshin. Aber auch hier können sich wieder Einseitigkeiten ergeben, welchebedenklich sind. Wer sich gewöhnen wollte, stets deshalb sein Urteilauszuschalten, weil ihn «Ahnungen» zu dem oder jenem treiben, der könnte einSpielball von allen möglichen unbestimmten Trieben werden. Und von einersolchen Gewohnheit zur Urteilslosigkeit und zum Aberglauben ist es nicht weit.– Verhängnisvoll für den Geistesschüler ist eine jegliche Art von Aberglauben.Man erwirbt sich nur dadurch die Möglichkeit, in einer wahrhaften Art in dieGebiete des Geisteslebens einzudringen, daß man sich sorgfältig hütet vorAberglauben, Phantastik und Träumerei. (366)

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Nicht derjenige kommt in einer richtigen Weise in die geistige Welt hinein,welcher froh ist, wenn er irgendwo einen Vorgang erleben kann, der «von demmenschlichen Vorstellen nicht begriffen werden kann». Die Vorliebe für das«Unerklärliche» macht gewiß niemanden zum Geistesschüler. Ganzabgewöhnen muß sich dieser das Vorurteil, daß ein «Mystiker der sei, welcherin der Welt ein Unerklärliches, Unerforschliches» überall da voraussetzt, wo esihm angemessen erscheint. Das rechte Gefühl für den Geistesschüler ist, überallverborgene Kräfte und Wesenheiten anzuerkennen; aber auch vorauszusetzen,daß das Unerforschte erforscht werden kann, wenn die Kräfte dazu vorhandensind.

(44) Es gibt eine gewisse Seelenverfassung, welche dem Geistesschüler aufjeder Stufe seiner Entwickelung wichtig ist. Sie besteht darin, seinenErkenntnistrieb nicht einseitig so zu stellen, daß dieser immer darauf ausgeht:Wie kann man auf diese oder jene Frage antworten? Sondern darauf Wieentwickele ich diese oder jene Fähigkeit in mir? Ist dann durch innere geduldigeArbeit an sich diese oder jene Fähigkeit entwickelt, so fällt dem Menschen dieAntwort auf gewisse Fragen zu. Geistesschüler werden immer dieseSeelenverfassung in sich pflegen. Dadurch werden sie dazu geführt, an sich zuarbeiten, sich immer reifer und reifer zu machen und sich zu versagen,Antworten auf gewisse Fragen herbeizwingen zu wollen. Sie werden warten, bisihnen solche Antworten zufallen. – Wer aber auch darin wieder an Einseitigkeitsich gewöhnt, auch der kommt nicht richtig vorwärts. Der Geistesschüler kannauch das Gefühl haben, in einem bestimmten Zeitpunkte sich mit dem Maßeseiner Kräfte selbst die höchsten Fragen zu beantworten. (367) Also auch hierspielen Gleichmaß und Gleichgewicht in der Seelenverfassung eine gewichtigeRolle.

(45) Noch viele Seeleneigenschaften könnten besprochen werden, derenPflege und Entwickelung förderlich ist, wenn der Geistesschüler die Inspirationdurch Übungen anstreben will. Bei allem würde zu betonen sein, daß Gleichmaßund Gleichgewicht diejenigen Seeleneigenschaften sind, auf die es ankommt.Sie bereiten das Verständnis und die Fähigkeit für die charakterisierten Übungenvor, die behufs der Erlangung der Inspiration zu machen sind.

(46) Die Übungen zur Intuition erfordern, daß der Geistesschüler aus seinemBewußtsein nicht nur die Bilder verschwinden läßt, welchen er sich zurErlangung der Imagination hingegeben hat, sondern auch das Leben in dereigenen Seelentätigkeit, in welche er sich für die Erwerbung der Inspirationversenkt hat. Er soll also dann buchstäblich nichts von vorher gekanntemäußeren oder inneren Erleben in seiner Seele haben.

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Würde nun aber nach diesem Abwerfen der äußeren und der inneren Erlebnissenichts in seinem Bewußtsein sein, das heißt, würde ihm das Bewußtseinüberhaupt dahinschwinden und er in Bewußtlosigkeit versinken, so könnte erdaran erkennen, daß er sich noch nicht reif gemacht hat, Übungen für dieIntuition vorzunehmen; und er müßte dann die Übungen für die Imagination undInspiration fortsetzen. Es kommt schon einmal die Zeit, in welcher dasBewußtsein nicht leer ist, wenn die Seele die inneren und äußeren Erlebnisseabgeworfen hat, sondern wo nach diesem Abwerfen als Wirkung etwas imBewußtsein zurückbleibt, dem man sich dann in Versenkung ebenso hingebenkann, wie man sich vorher dem hingegeben hat, was äußerlichen oder innerenEindrücken sein Dasein verdankt. Es ist dieses «Etwas» aber von ganzbesonderer Art. (368) Es ist gegenüber allen vorhergehenden Erfahrungen etwaswirklich Neues. Man weiß, wenn man es erlebt: Dies habe ich vorher nichtgekannt. Dies ist eine Wahrnehmung, wie der wirkliche Ton eine Wahrnehmungist, welchen das Ohr hört; aber es kann dieses Etwas nur in mein Bewußtseintreten durch die Intuition, wie der Ton nur ins Bewußtsein treten kann durch dasOhr. Durch die Intuition ist der letzte Rest des Sinnlich-Physischen von desMenschen Eindrücken abgestreift; die geistige Welt beginnt für die Erkenntnisoffen zu liegen in einer Form, die nichts mehr gemein hat mit den Eigenschaftender physisch-sinnlichen Welt.

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(47) Die imaginative Erkenntnis wird erreicht durch die Ausgestaltung derLotusblumen aus dem astralischen Leibe heraus. Durch diejenigen Übungen,welche zur Erlangung von Inspiration und Intuition unternommen werden, tretenim menschlichen Äther- oder Lebensleib besondere Bewegungen, Gestaltungenund Strömungen auf, welche vorher nicht da waren. Sie sind eben die Organe,durch welche der Mensch das «Lesen der verborgenen Schrift» und das, wasdarüber hinausliegt, in den Bereich seiner Fähigkeiten aufnimmt. Für dasübersinnliche Erkennen stellen sich die Veränderungen im Ätherleibe einesMenschen, der zur Inspiration und Intuition gelangt ist, in der folgenden Art dar.Es wird, ungefähr wie in der Gegend nahe dem physischen Herzen, ein neuerMittelpunkt im Ätherleibe bewußt, der sich zu einem ätherischen Organeausgestaltet. Von diesem laufen Bewegungen und Strömungen nach denverschiedenen Gliedern des menschlichen Leibes in der mannigfaltigsten Weise.(369) Die wichtigsten dieser Strömungen gehen zu den Lotusblumen,durchziehen dieselben und ihre einzelnen Blätter und gehen dann nach außen,wo sie wie Strahlen sich in den äußeren Raum ergießen. je entwickelter derMensch ist, desto größer ist der Umkreis um ihn herum, in dem dieseStrömungen wahrnehmbar sind. Der Mittelpunkt in der Gegend des Herzensbildet sich aber bei regelrechter Schulung nicht gleich im Anfang aus. Er wirderst vorbereitet. Zuerst entsteht als ein vorläufiger Mittelpunkt ein solcher imKopfe; der rückt dann hinunter in die Kehlkopfgegend und verlegt sich zuletzt indie Nähe des physischen Herzens.

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Würde die Entwickelung unregelmäßig sein, so könnte sogleich in derHerzgegend das in Rede stehende Organ gebildet werden. Dann läge die Gefahrvor, daß der Mensch, statt zur ruhigen, sachgemäßen übersinnlichen Schauungzu kommen, zum Schwärmer und Phantasten würde. In seiner weiterenEntwickelung gelangt der Geistesschüler dazu, die ausgebildeten Strömungenund Gliederungen seines Ätherleibes unabhängig zu machen von demphysischen Leibe und sie selbständig zu gebrauchen. Es dienen ihm dieLotusblumen dabei als Werkzeuge, durch welche er den Ätherleib bewegt.Bevor dieses geschieht, müssen sich aber in dem ganzen Umkreis desÄtherleibes besondere Strömungen und Strahlungen gebildet haben, welche ihnwie durch ein feines Netzwerk in sich abschließen und zu einer in sichgeschlossenen Wesenheit machen. Wenn das geschehen ist, können ungehindertdie im Ätherleibe sich vollziehenden Bewegungen und Strömungen sich mit deräußeren seelisch-geistigen Welt berühren und mit ihnen sich verbinden, so daßäußeres geistig-seelisches Geschehen und inneres (dasjenige im menschlichenÄtherleibe) ineinanderfließen. (370) Wenn das geschieht, ist eben der Zeitpunkteingetreten, in dem der Mensch die Welt der Inspiration bewußt wahrnimmt.Dieses Erkennen tritt in einer anderen Art auf als das Erkennen in bezug auf diesinnlich-physische Welt. In dieser bekommt man durch die SinneWahrnehmungen und macht sich dann über diese WahrnehmungenVorstellungen und Begriffe. Beim Wissen durch die Inspiration ist es nicht so.Was man erkennt, ist unmittelbar, in einem Akte da; es gibt nicht einNachdenken nach der Wahrnehmung. Was für das sinnlich-physische Erkennenerst hinterher im Begriffe gewonnen wird, ist bei der Inspiration zugleich mitder Wahrnehmung gegeben. Man würde deshalb mit der seelischgeistigenUmwelt in eins zusammenfließen, sich von ihr gar nicht unterscheiden können,wenn man das oben charakterisierte Netzwerk im Ätherleibe nicht ausgebildethätte.

(48) Wenn die Übungen für die Intuition gemacht werden, so wirken sie nichtallein auf den Ätherleib, sondern bis in die übersinnlichen Kräfte des physischenLeibes hinein. Man sollte sich allerdings nicht vorstellen, daß auf diese ArtWirkungen im physischen Leibe vor sich gehen, welche der gewöhnlichenSinnenbeobachtung zugänglich sind. Es sind Wirkungen, welche nur dasübersinnliche Erkennen beurteilen kann. Sie haben mit aller äußeren Erkenntnisnichts zu tun. Sie stellen sich ein als Erfolg der Reife des Bewußtseins, wenndieses in der Intuition Erlebnisse haben kann, trotzdem es alle vorher gekanntenäußeren und inneren Erlebnisse aus sich herausgesondert hat. – Nun sind aberdie Erfahrungen der Intuition zart, intim und fein; und der physischeMenschenleib ist auf der gegenwärtigen Stufe seiner Entwickelung imVerhältnisse zu ihnen grob. Er bietet deshalb ein stark wirkendes Hindernis fürden Erfolg der Intuitionsübungen. (371) Werden diese mit Energie undAusdauer und in der notwendigen inneren Ruhe fortgesetzt, so überwinden siezuletzt die gewaltigen Hindernisse des physischen Leibes.

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Der Geistesschüler bemerkt das daran, daß er allmählich gewisse Äußerungendes physischen Leibes, die vorher ganz ohne sein Bewußtsein erfolgten, in seineGewalt bekommt. Er bemerkt es auch daran, daß er für kurze Zeit das Bedürfnisempfindet, z.B. das Atmen (oder dergleichen) so einzurichten, daß es in eine ArtEinklang oder Harmonie mit dem kommt, was in den Übungen oder sonst in derinneren Versenkung die Seele verrichtet. Das Ideal der Entwickelung ist, daßdurch den physischen Leib selbst gar keine Übungen, auch nicht solcheAtemübungen gemacht würden, sondern daß alles, was mit ihm zu geschehenhat, sich nur als eine Folge der reinen Intuitionsübungen. einstellte.

(49) Wenn der Geistesschüler auf dem Wege in die höheren Erkenntnisweltenaufsteigt, so bemerkt er auf einer gewissen Stufe, daß das Zusammenhalten derKräfte seiner Persönlichkeit eine andere Form annimmt, als es in derphysisch-sinnlichen Welt hat. In dieser bewirkt das Ich ein einheitlichesZusammenwirken der Seelenkräfte, zunächst des Denkens, Fühlens undWollens. Diese drei Seelenkräfte stehen ja in den gewöhnlichen menschlichenLebenslagen jeweilig immer in gewissen Beziehungen. Man sieht z.B. eingewisses Ding in der Außenwelt. Es gefällt oder mißfällt der Seele. Das heißt, esschließt sich mit einer gewissen Notwendigkeit an die Vorstellung des Dingesein Gefühl der Lust oder Unlust. Man begehrt auch wohl das Ding oder erhältden Impuls, es in dieser oder jener Richtung zu ändern. (372) Das heißt:Begehrungsvermögen und Wille gesellen sich zu einer Vorstellung und einemGefühle hinzu. Daß dieses Zusammengesellen stattfindet, wird bewirkt dadurch,daß das Ich Vorstellen (Denken), Fühlen und Wollen einheitlichzusammenschließt und auf diese Art Ordnung in die Kräfte der Persönlichkeitbringt. Diese gesunde Ordnung würde unterbrochen, wenn sich das Ich nachdieser Richtung machtlos erwiese, wenn z.B. die Begierde einen andern Weggehen wollte als das Gefühl oder die Vorstellung. Ein Mensch wäre nicht ineiner gesunden Seelenverfassung, welcher zwar dächte, daß dies oder jenesrichtig sei, aber nun etwas wollte, wovon er nicht die Ansieht hat, daß es richtigist. Ebenso wäre es, wenn jemand nicht das wollte, was ihm gefällt, sondern das,was ihm mißfällt. Nun bemerkt der Mensch, daß auf dem Wege zur höherenErkenntnis Denken, Fühlen und Wollen in der Tat sich sondern und jedes einegewisse Selbständigkeit annimmt, daß z.B. ein bestimmtes Denken nicht mehrwie durch sich selbst zu einem bestimmten Fühlen und Wollen drängt. Es stelltsich die Sache so, daß man im Denken etwas richtig wahrnehmen kann, daß manaber, um überhaupt zu einem Gefühle oder zu einem Willensentschluß zukommen, wieder aus sich heraus einen selbständigen Antrieb braucht. Denken,Fühlen und Wollen bleiben eben während der übersinnlichen Betrachtung nichtdrei Kräfte, welche aus dem gemeinsamen Ich-Mittelpunkte der Persönlichkeitausstrahlen, sondern sie werden wie zu selbständigen Wesenheiten, gleichsamzu drei Persönlichkeiten; und man muß jetzt das eigene Ich um so stärkermachen, denn es soll nicht bloß in drei Kräfte Ordnung bringen, sondern dreiWesenheiten lenken und führen.

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Aber diese Teilung darf eben nur während der übersinnlichen Betrachtungbestehen. (373) Und wieder tritt es hier deutlich zutage, wie wichtig es ist, nebenden Übungen zu höherer Schulung diejenigen einhergehen zu lassen, welche derUrteilsfähigkeit, dem Gefühls- und Willensleben Sicherheit und Festigkeitgeben. Denn bringt man diese nicht mit in die höhere Welt, so wird man alsbaldsehen, wie sich das Ich schwach erweist und kein ordentlicher Lenker sein kanndes Denkens, Fühlens und Wollens. Die Seele würde, wenn diese Schwächevorhanden wäre, wie von drei Persönlichkeiten in die verschiedenen Richtungengezerrt, und ihre innere Geschlossenheit müßte aufhören. Wenn dieEntwickelung des Geistesschülers aber in der rechten Art verläuft, so bedeutetdie gekennzeichnete Kräftewandlung einen wahren Fortschritt; das Ich bleibtüber die selbständigen Wesenheiten, welche nun seine Seele bilden, derHerrscher. – Im weiteren Verlaufe der Entwickelung schreitet die angedeuteteEntwickelung dann fort. Das Denken, das selbständig geworden ist, regt dasAuftreten einer besonderen vierten seelisch-geistigen Wesenheit an, welche manbezeichnen kann wie ein unmittelbares Einfließen von Strömungen in denMenschen, die den Gedanken ähnlich sind. Die ganze Welt erscheint da alsGedankengebäude, das vor einem steht wie die Pflanzen- oder Tierwelt imphysisch-sinnlichen Gebiete. Ebenso regen das selbständig gewordene Fühlenund Wollen zwei Kräfte in der Seele an, welche in derselben wie selbständigeWesen wirken. Und noch eine siebente Kraft und Wesenheit kommt dazu,welche ähnlich dem eigenen Ich selber ist.

(50) Dieses ganze Erlebnis verbindet sich noch mit einem andern. Vor demBetreten der übersinnlichen Welt kannte der Mensch Denken, Fühlen undWollen nur als innere Seelenerlebnisse. (374) Sobald er die übersinnliche Weltbetritt, nimmt er Dinge wahr, welche nicht Sinnlich-Physisches ausdrücken,sondern Seelisch-Geistiges. Hinter den von ihm wahrgenommenenEigenschaften der neuen Welt stehen jetzt seelischgeistige Wesenheiten. Unddiese bieten sich ihm jetzt so dar als eine Außenwelt, wie sich ihm imphysisch-sinnlichen Gebiet Steine, Pflanzen und Tiere vor die Sinne gestellthaben. Es kann nun der Geistesschüler einen bedeutsamen Unterschiedwahrnehmen zwischen der sich ihm erschließenden seelisch-geistigen Welt undderjenigen, welche er gewohnt war, durch seine physischen Sinnewahrzunehmen. Eine Pflanze der sinnlichen Welt bleibt, wie sie ist, was auchdes Menschen Seele über sie fühlt oder denkt. Das ist bei den Bildern derseelisch-geistigen Welt zunächst nicht der Fall. Sie ändern sich, je nachdem derMensch dieses oder jenes empfindet oder denkt. Dadurch gibt ihnen der Menschein Gepräge, das von seinem eigenen Wesen abhängt. Man stelle sich vor, eingewisses Bild trete in der imaginativen Welt vor dem Menschen auf Verhält ersich zunächst in seinem Gemüte gleichgültig dagegen, so zeigt es sich in einergewissen Gestalt. In dem Augenblicke aber, wo er Lust oder Unlust gegenüberdem Bilde empfindet, ändert es seine Gestalt.

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Die Bilder drücken somit zunächst nicht nur etwas aus, was selbständigaußerhalb des Menschen ist, sondern sie spiegeln auch dasjenige, was derMensch selbst ist. Sie sind ganz und gar durchsetzt von des Menschen eigenerWesenheit. Diese legt sich wie ein Schleier über die Wesenheiten hin. DerMensch sieht dann, wenn auch eine wirkliche Wesenheit ihm gegenübersteht,nicht diese, sondern sein eigenes Erzeugnis. So kann er zwar durchaus Wahresvor sich haben und doch Falsches sehen. (375) Ja, das ist nicht nur der Fall mitBezug auf das, was der Mensch als seine Wesenheit selbst an sich bemerkt;sondern alles, was an ihm ist, wirkt auf diese Welt ein. Es kann z.B. der Menschverborgene Neigungen haben, die im Leben durch Erziehung und Charakternicht zum Vorschein kommen; auf die geistig-seelische Welt wirken sie; unddiese bekommt die eigenartige Färbung durch das ganze Wesen des Menschen,gleichgültig, wieviel er von diesem Wesen selbst weiß oder nicht weiß. – Umweiter fortschreiten zu können von dieser Stufe der Entwickelung aus, ist esnotwendig, daß der Mensch unterscheiden lerne zwischen sich und der geistigenAußenwelt. Es wird nötig, daß er alle Wirkungen des eigenen Selbstes auf dieum ihn befindliche seelischgeistige Welt ausschalten lerne. Man kann das nichtanders, als wenn man sich eine Erkenntnis erwirbt von dem, was man selbst indie neue Welt hineinträgt. Es handelt sich also darum, daß man zuerst wahre,durchgreifende Selbsterkenntnis habe, um dann die umliegende geistig-seelischeWelt rein wahrnehmen zu können. Nun bringen es gewisse Tatsachen dermenschlichen Entwickelung mit sich, daß solche Selbsterkenntnis beim Eintrittein die höhere Welt wie naturgemäß stattfinden muß. Der Mensch entwickelt jain der gewöhnlichen physisch-sinnlichen Welt sein Ich, sein Selbstbewußtsein.Dieses Ich wirkt nun wie ein Anziehungs-Mittelpunkt auf alles, was zumMenschen gehört. Alle seine Neigungen, Sympathien, Antipathien,Leidenschaften, Meinungen usw. gruppieren sich gleichsam um dieses Ichherum. Und es ist dieses Ich auch der Anziehungspunkt für das, was man dasKarma des Menschen nennt. (376) Würde man dieses Ich unverhüllt sehen, sowürde man an ihm auch bemerken, daß bestimmt geartete Schicksale es noch indieser und den folgenden Verkörperungen treffen müssen, je nachdem es in denvorigen Verkörperungen so oder so gelebt, sich dieses oder jenes angeeignet hat.Mit alle dem, was so am Ich haftet, muß es nun als erstes Bild vor dieMenschenseele treten, wenn diese in die seelisch-geistige Welt aufsteigt. DieserDoppelgänger des Menschen muß, nach einem Gesetz der geistigen Welt, vorallem andern als dessen erster Eindruck in jener Welt auftreten. Man kann dasGesetz, welches da zugrunde liegt, sich leicht verständlich machen, wenn mandas Folgende bedenkt. Im physisch-sinnlichen Leben nimmt sich der Menschnur insofern selbst wahr, als er sich in seinem Denken, Fühlen und Wolleninnerlich erlebt. Diese Wahrnehmung ist aber eine innerliche; sie stellt sich nichtvor den Menschen hin, wie sich Steine, Pflanzen und Tiere vor ihn hinstellen.Auch lernt sich durch innerliche Wahrnehmung der Mensch nur zum Teilkennen. Er hat nämlich etwas in sich, was ihn an einer tiefergehendenSelbsterkenntnis hindert.

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Es ist dies ein Trieb, sogleich, wenn er durch Selbsterkenntnis sich eineEigenschaft gestehen muß und sich keiner Täuschung über sich hingeben will,diese Eigenschaft umzuarbeiten.

(51) Gibt er diesem Triebe nicht nach, lenkt er einfach die Aufmerksamkeitvon dem eigenen Selbst ab und bleibt er, wie er ist, so benimmt er sichselbstverständlich auch die Möglichkeit, sich in dem betreffenden Punkte selbstzu erkennen. Dringt der Mensch aber in sich selbst und hält er sich ohneTäuschung diese oder jene seiner Eigenschaften vor, so wird er entweder in derLage sein, sie an sich zu verbessern oder aber er wird dies in der gegenwärtigenLage seines Lebens nicht können. In dem letzteren Falle wird seine Seele einGefühl beschleichen, das man als Gefühl des Schämens bezeichnen muß. Sowirkt in der Tat des Menschen gesunde Natur: (377) Sie empfindet durch dieSelbsterkenntnis mancherlei Arten des Schämens. Nun hat dieses Gefühl schonim gewöhnlichen Leben eine ganz bestimmte Wirkung. Der gesund denkendeMensch wird dafür sorgen, daß dasjenige, was ihn an sich selbst mit diesemGefühl erfüllt, nicht in Wirkungen nach außen sich geltend mache, daß es nichtin äußeren Taten sich auslebe. Das Schämen ist also eine Kraft, welche denMenschen antreibt, etwas in sein Inneres zu verschließen und dies nichtäußerlich wahrnehmbar werden zu lassen. Wenn man dies gehörig bedenkt, sowird man begreiflich finden, daß die Geistesforschung einem innerenSeelenerlebnis, das mit dem Gefühl des Schämens ganz nahe verwandt ist, nochviel weitergehende Wirkungen zuschreibt. Sie findet, daß es in den verborgenenTiefen der Seele eine Art verborgenes Schämen gibt, dessen sich der Mensch imphysisch-sinnlichen Leben nicht bewußt wird. Dieses verborgene Gefühl wirktaber in einer ähnlichen Art wie das gekennzeichnete offenbare desgewöhnlichen Lebens: es verhindert, daß des Menschen innerste Wesenheit ineinem wahrnehmbaren Bilde vor den Menschen hintritt. Wäre dieses Gefühlnicht da, so würde der Mensch vor sich selbst wahrnehmen, was er in Wahrheitist; er würde seine Vorstellungen, Gefühle und seinen Willen nicht nur innerlicherleben, sondern sie wahrnehmen, wie er Steine, Tiere und Pflanzen wahrnimmt.So ist dieses Gefühl der Verhüller des Menschen vor sich selbst. Und damit istes zugleich der Verhüller der ganzen geistig-seelischen Welt. Denn indem sichdes Menschen eigene innere Wesenheit vor ihm verhüllt, kann er auch das nichtwahrnehmen, an dem er die Werkzeuge entwickeln sollte, um dieseelisch-geistige Welt zu erkennen; er kann seine Wesenheit nicht umgestalten,so daß sie geistige Wahrnehmungsorgane erhielte. – (378) Wenn nun aber derMensch durch regelrechte Schulung dahin arbeitet, diese Wahrnehmungsorganezu erhalten, so tritt dasjenige als erster Eindruck vor ihn hin, was er selbst ist. Ernimmt seinen Doppelgänger wahr. Diese Selbstwahrnehmung ist gar nicht zutrennen von der Wahrnehmung der übrigen geistigseelischen Welt. Imgewöhnlichen Leben der physisch-sinnlichen Welt wirkt das charakterisierteGefühl so, daß es fortwährend das Tor zur geistig-seelischen Welt vor demMenschen zuschließt.

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Wollte der Mensch nur einen Schritt machen, um in diese Welt einzudringen, soverbirgt das sogleich auftretende, aber nicht zum Bewußtsein kommende Gefühldes Schämens das Stück der geistig-seelischen Welt, das zum Vorscheinkommen will. Die charakterisierten Übungen aber schließen diese Welt auf Nunist die Sache so, daß jenes verborgene Gefühl wie ein großer Wohltäter desMenschen wirkt. Denn durch alles das, was man sich ohnegeisteswissenschaftliche Schulung an Urteilskraft, Gefühlsleben und Charaktererwirbt, ist man nicht imstande, die Wahrnehmung der eigenen Wesenheit inihrer wahren Gestalt ohne weiteres zu ertragen. Man würde durch dieseWahrnehmung alles Selbstgefühl, Selbstvertrauen und Selbstbewußtseinverlieren. Daß dies nicht geschehe, dafür müssen wieder die Vorkehrungensorgen, welche man neben den Übungen für die höhere Erkenntnis zur Pflegeseiner gesunden Urteilskraft, seines Gefühls- und Charakterwesens unternimmt.Durch seine regelrechte Schulung lernt der Mensch wie absichtslos so viel ausder Geisteswissenschaft kennen, und es werden ihm außerdem so viele Mittelzur Selbsterkenntnis und Selbstbeobachtung klar, als notwendig sind, umkraftvoll seinem Doppelgänger zu begegnen. (379) Es ist dann für denGeistesschüler so, daß er nur als Bild der imaginativen Welt in anderer Form dassieht, womit er sich in der physischen Welt schon bekannt gemacht hat. Wer inrichtiger Art zuerst in der physischen Welt durch seinen Verstand dasKarmagesetz begriffen hat, der wird nicht besonders erbeben können, wenn ernun die Keime seines Schicksals eingezeichnet sieht in dem Bilde seinesDoppelgängers. Wer durch seine Urteilskraft sich bekannt gemacht hat mit derWelten- und Menschheitsentwickelung und weiß, wie in einem bestimmtenZeitpunkte dieser Entwickelung die Kräfte des Luzifer in die menschliche Seeleeingedrungen sind, der wird es unschwer ertragen, wenn er gewahr wird, daß indem Bilde seiner eigenen Wesenheit diese luziferischen Wesenheiten mit allenihren Wirkungen enthalten sind. – Man sieht aber hieraus, wie notwendig es ist,daß der Mensch nicht den eigenen Eintritt in die geistige Welt verlange, bevor erdurch seine gewöhnliche in der physischsinnlichen Welt entwickelte Urteilskraftgewisse Wahrheiten über die geistige Welt verstanden hat. Was in diesem Buchevor der Auseinandersetzung über die «Erkenntnis der höheren Welten»mitgeteilt ist, das sollte der Geistesschüler im regelrechten Entwickelungsgangedurch seine gewöhnliche Urteilskraft sich angeeignet haben, bevor er dasVerlangen hat, sich selbst in die übersinnlichen Welten zu begeben.

(52) Bei einer Schulung, in welcher nicht auf Sicherheit und Festigkeit derUrteilskraft, des Gefühls- und Charakterlebens gesehen wird, kann esgeschehen, daß dem Schüler die höhere Welt entgegentritt, bevor er dazu dienötigen inneren Fähigkeiten hat. Dann würde ihn die Begegnung mit seinemDoppelgänger bedrücken und zu Irrtümern führen. (380) Würde aber – wasallerdings auch möglich wäre – die Begegnung ganz vermieden und der Menschdoch in die übersinnliche Welt eingeführt, dann wäre er ebensowenig imstande,diese Welt in ihrer wahren Gestalt zu erkennen.

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Denn es wäre ihm ganz unmöglich, zu unterscheiden zwischen dem, was er indie Dinge hineinsieht, und dem, was sie wirklich sind. Diese Unterscheidung istnur möglich, wenn man die eigene Wesenheit als ein Bild für sich wahrnimmtund dadurch sich alles das von der Umgebung loslöst, was aus dem eigenenInnern fließt. – Der Doppelgänger wirkt für das Leben des Menschen in derphysisch-sinnlichen Welt so, daß er sich durch das gekennzeichnete Gefühl desSchämens sofort unsichtbar macht, wenn sich der Mensch der seelisch-geistigenWelt naht. Damit verbirgt er aber auch diese ganze Welt selbst. Wie ein «Hüter»steht er da vor dieser Welt, um den Eintritt jenen zu verwehren, welche zudiesem Eintritte noch nicht geeignet sind. Er kann daher der «Hüter derSchwelle, welche vor der geistig-seelischen Welt ist», genannt werden. – Außerdurch das geschilderte Betreten der übersinnlichen Welt begegnet der Menschnoch beim Durchgang durch den physischen Tod diesem «Hüter derSchwelle». Und er enthüllt sich nach und nach im Verlaufe des Lebens in derseelisch-geistigen Entwickelung zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.Da kann aber die Begegnung den Menschen nicht bedrücken, weil er da vonandern Welten weiß als in dem Leben zwischen Geburt und Tod.

(53) Wenn der Mensch, ohne die Begegnung mit dem «Hüter der Schwelle»zu haben, die geistig-seelische Welt betreten würde, so könnte er Täuschungnach Täuschung verfallen. Denn er könnte nie unterscheiden, was er selbst indiese Welt hineinträgt und was ihr wirklich angehört. (381) Eine regelrechteSchulung darf aber den Geistesschüler nur in das Gebiet der Wahrheit, nicht indasjenige der Illusion führen. Eine solche Schulung wird durch sich selbst sosein, daß die Begegnung notwendig einmal erfolgen muß. Denn sie ist die eineder für die Beobachtung übersinnlicher Welten unentbehrlichenVorsichtsmaßregeln gegen die Möglichkeit von Täuschung und Phantastik. – Esgehört zu den unerläßlichsten Vorkehrungen, welche jeder Geistesschülertreffen muß, sorgfältig an sich zu arbeiten, um nicht zum Phantasten zu werden,zu einem Menschen, der einer möglichen Täuschung, Selbsttäuschung(Suggestion und Selbstsuggestion) verfallen kann. Wo die Anweisungen zurGeistesschulung recht befolgt werden, da werden zugleich die Quellenvernichtet, welche die Täuschung bringen können. Hier kann natürlich nichtausführlich von all den zahlreichen Einzelheiten gesprochen werden, die beisolchen Vorkehrungen in Betracht kommen. Es kann nur angedeutet werden,worauf es ankommt. Täuschungen, welche hier in Betracht kommen,entspringen aus zwei Quellen. Sie rühren zum Teil davon her, daß man durchdie eigene seelische Wesenheit die Wirklichkeit färbt. Im gewöhnlichen Lebender physisch-sinnlichen Welt ist diese Quelle der Täuschung vonverhältnismäßig geringer Gefahr; denn hier wird sich die Außenwelt immerscharf in ihrer eigenen Gestalt der Beobachtung aufdrängen, wie sie auch derBeobachter nach seinen Wünschen und Interessen wird färben wollen.

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Sobald man jedoch die imaginative Welt betritt, verändern sich deren Bilderdurch solche Wünsche und Interessen, und man hat wie eine Wirklichkeit vorsich, was man erst selbst gebildet oder wenigstens mitgebildet hat. (382)Dadurch nun, daß durch die Begegnung mit dem «Hüter der Schwelle» derGeistesschüler alles kennenlernt, was in ihm ist, was er also in dieseelisch-geistige Welt hineintragen kann, ist diese Quelle der Täuschungbeseitigt. Und die Vorbereitung, welche der Geistesschüler vor dem Betreten derseelisch-geistigen Welt sich angedeihen läßt, wirkt ja dahin, daß er sichgewöhnt, schon bei der Beobachtung der sinnlichphysischen Welt sich selbstauszuschalten und die Dinge und Vorgänge rein durch ihre eigene Wesenheitauf sich einsprechen zu lassen. Wer diese Vorbereitung genügend durchgemachthat, kann ruhig die Begegnung mit dem «Hüter der Schwelle» erwarten. Durchsie wird er sich endgültig prüfen, ob er sich nun wirklich in der Lage fühlt, seineeigene Wesenheit auch dann auszuschalten, wenn er der seelisch-geistigen Weltgegenübersteht.

(54) Außer dieser Quelle von Täuschungen gibt es nun noch eine andere. Sietritt dann zutage, wenn man einen Eindruck, den man empfängt, unrichtigdeutet. Im physisch-sinnlichen Leben ist ein einfaches Beispiel für solcheTäuschung diejenige, welche entsteht, wenn man in einem Eisenbahnzuge sitztund glaubt, die Bäume bewegen sich in der entgegengesetzten Richtung desZuges, während man sich doch selbst mit dem Zuge bewegt. Obwohl eszahlreiche Fälle gibt, wo solche Täuschungen in der sinnlich-physischen Weltschwieriger richtigzustellen sind als in dem angeführten einfachen, so ist dochleicht einzusehen, daß innerhalb dieser Welt der Mensch auch die Mittel findet,solche Täuschungen hinwegzuschaffen, wenn er mit gesundem Urteil alles dasin Betracht zieht, was der entsprechenden Aufklärung dienen kann. Anders stehtdie Sache allerdings, sobald man in die übersinnlichen Gebiete eindringt. In dersinnlichen Welt werden die Tatsachen durch die menschliche Täuschung nichtgeändert; deshalb ist es möglich, durch eine unbefangene Beobachtung dieTäuschung an den Tatsachen zu berichtigen. (383) In der übersinnlichen Weltaber ist das nicht ohne weiteres möglich. Wenn man einen übersinnlichenVorgang beobachten will und mit einem unrichtigen Urteile an ihn herantritt, soträgt man dieses unrichtige Urteil in ihn hinein; und es wird dieses mit derTatsache so verwoben, daß es von ihr nicht sogleich zu unterscheiden ist. DerIrrtum ist dann nicht in dem Menschen und die richtige Tatsache außerdemselben, sondern der Irrtum ist selbst zum Bestandteil der äußeren Tatsachegemacht. Er kann deshalb auch nicht einfach durch eine unbefangeneBeobachtung der Tatsache berichtigt werden. Es ist damit auf dasjenigehingewiesen, was eine überreich fließende Quelle von Täuschung undPhantastik für denjenigen sein kann, welcher ohne die richtige Vorbereitung andie übersinnliche Welt herantritt.

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Wie nun der Geistesschüler sich die Fähigkeit erwirbt, diejenigen Täuschungenauszuschließen, welche durch die Färbung der übersinnlichen Welter-scheinungen mit der eigenen Wesenheit entstehen, so muß er auch die andereGabe erlangen: die zweite charakterisierte Quelle der Täuschung unwirksam zumachen. Er kann ausschalten, was von ihm selbst kommt, wenn er erst das Bilddes eigenen Doppelgängers erkannt hat; und er wird ausschalten können, was inder angegebenen Richtung eine zweite Täuschungsquelle ist, wenn er sich dieFähigkeit erwirbt, an der Beschaffenheit einer Tatsache der übersinnlichen Weltzu erkennen, ob sie Wirklichkeit oder Täuschung ist. Wenn die Täuschungengenau so aussehen würden wie die Wirklichkeiten, dann wäre eineUnterscheidung nicht möglich. So ist es aber nicht. Täuschungen derübersinnlichen Welten haben an sich selbst Eigenschaften, durch welche siesich von den Wirklichkeiten unterscheiden. (384) Und es kommt darauf an, daßder Geistesschüler weiß, an welchen Eigenschaften er die Wirklichkeitenerkennen kann. Nichts erscheint selbstverständlicher, als daß der Nichtkennergeistiger Schulung sagt: Wo gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, sichgegen Täuschung zu schützen, da die Quellen für dieselbe so zahlreich sind?Und wenn er weiter sagt: Ist denn überhaupt irgendein Geistesschüler davorsicher, daß nicht alle seine vermeintlichen höheren Erkenntnisse nur aufTäuschung und Selbsttäuschung (Suggestion und Autosuggestion) beruhen?Wer so spricht, berücksichtigt nicht, daß in jeder wahren Geistesschulung durchdie ganze Art, wie diese verläuft, die Quellen der Täuschung verstopft werden.Erstens wird sich der wahre Geistesschüler durch seine Vorbereitung genügendviele Kenntnisse erwerben über alles das, was Täuschung und Selbsttäuschungherbeiführen kann, und sich dadurch in die Lage versetzen, sich vor ihnen zuhüten. Er hat in dieser Beziehung wirklich wie kein anderer MenschGelegenheit, sich nüchtern und urteilsfähig zu machen für den Gang des Lebens.Er wird durch alles, was er erfährt, veranlaßt, nichts von unbestimmtenAhnungen, Eingebungen usw. zu halten. Die Schulung macht ihn so vorsichtigwie möglich. Dazu kommt, daß jede wahre Schulung zunächst zu Begriffen überdie großen Weltereignisse, also zu Dingen führt, welche ein Anspannen derUrteilskraft notwendig machen, wodurch diese aber zugleich verfeinert undgeschärft wird. Nur wer es ablehnen wollte, in solche entlegene Gebiete sich zubegeben, und sich nur an näherliegende «Offenbarungen» halten wollte, demkönnte verlorengehen die Schärfung jener gesunden Urteilskraft, welche ihmSicherheit gibt in der Unterscheidung zwischen Täuschung und Wirklichkeit.Doch alles dieses ist noch nicht das Wichtigste. (385) Das Wichtigste liegt inden Übungen selbst, welche bei einer regelrechten Geistesschulung verwendetwerden. Diese müssen nämlich so eingerichtet sein, daß das Bewußtsein desGeistesschülers während der inneren Versenkung genau alles überschaut, was inder Seele vorgeht. Zuerst wird für die Herbeiführung der Imagination einSinnbild geformt. In diesem sind noch Vorstellungen von äußerenWahrnehmungen. Der Mensch ist nicht allein an ihrem Inhalte beteiligt; ermacht ihn nicht selbst.

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Also kann er sich einer Täuschung darüber hingeben, wie er zustande kommt; erkann seinen Ursprung falsch deuten. Aber der Geistesschüler entfernt diesenInhalt aus seinem Bewußtsein, wenn er zu den Übungen für die Inspirationaufsteigt. Da versenkt er sich nur noch in seine eigene Seelentätigkeit, welchedas Sinnbild gestaltet hat. Auch da ist noch Irrtum möglich. Der Mensch hat sichdurch Erziehung, Lernen usw. die Art seiner Seelentätigkeit angeeignet. Er kannnicht alles über ihren Ursprung wissen. Nun aber entfernt der Geistesschülerauch noch diese eigene Seelentätigkeit aus dem Bewußtsein. Wenn nun etwasbleibt, so haftet an diesem nichts, was nicht zu überschauen ist. In dieses kannsich nichts einmischen, was nicht in bezug auf seinen ganzen Inhalt zubeurteilen ist. In seiner Intuition hat also der Geistesschüler etwas, was ihmzeigt, wie eine ganz klare Wirklichkeit der geistig-seelischen Welt beschaffenist. Wenn er nun die also erkannten Kennzeichen der geistig-seelischenWirklichkeit auf alles anwendet, was an seine Beobachtung herantritt, dann kanner Schein von Wirklichkeit unterscheiden. Und er kann sicher sein, daß er beiAnwendung dieses Gesetzes vor der Täuschung in der übersinnlichen Weltebenso bewahrt bleiben wird, wie es ihm in der physisch-sinnlichen Welt nichtgeschehen kann, ein vorgestelltes heißes Eisenstück für ein solches zu halten,das wirklich brennt. (386) Es ist selbstverständlich, daß man sich so nur zudenjenigen Erkenntnissen verhalten wird, welche man als seine eigenenErlebnisse in den übersinnlichen Welten ansieht, und nicht zu denen, die man alsMitteilungen von anderen empfängt und welche man mit seinem physischenVerstande und seinem gesunden Wahrheitsgefühle begreift. Der Geistesschülerwird sich bemühen, eine genaue Grenzscheide zu ziehen zwischen dem, was ersich auf die eine, was auf die andere Art erworben hat. Er wird willig auf dereinen Seite die Mitteilungen über die höheren Welten aufnehmen und sie durchseine Urteilsfähigkeit zu begreifen suchen. Wenn er aber etwas als Selbst-erfahrung, als eine von ihm selbst gemachte Beobachtung bezeichnet, so wird ergeprüft haben, ob ihm diese genau mit den Eigenschaften entgegengetreten ist,welche er an der untrügerischen Intuition wahrnehmen gelernt hat.

*

(55) Wenn der Geistesschüler die Begegnung mit dem gekennzeichneten«Hüter der Schwelle» hinter sich hat, dann stehen ihm beim Aufstieg inübersinnliche Welten weitere Erlebnisse bevor. Zunächst wird er bemerken, daßeine innere Verwandtschaft besteht zwischen diesem «Hüter der Schwelle» undjener Seelenkraft, die sich in der oben gegebenen Schilderung als die siebenteergeben und wie zu einer selbständigen Wesenheit gestaltet hat. Ja, diesesiebente Wesenheit ist in gewisser Beziehung nichts anderes als derDoppelgänger, der «Hüter der Schwelle» selbst. Und sie stellt demGeistesschüler eine besondere Aufgabe. Er hat das, was er in seinemgewöhnlichen Selbst ist und was ihm im Bilde erscheint, durch das neugeboreneSelbst zu leiten und zu führen. (387) Es wird sich eine Art von Kampf ergebengegen den Doppelgänger. Derselbe wird fortwährend die Überhand anstreben.

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Sich in das rechte Verhältnis zu ihm setzen, ihn nichts tun lassen, was nichtunter dem Einflusse des neugeborenen «Ich» geschieht, das stärkt und festigtaber auch des Menschen Kräfte. – Nun ist es in der höheren Welt mit derSelbsterkenntnis nach einer gewissen Richtung hin anders als in derphysisch-sinnlichen Welt. Während in der letzteren die Selbsterkenntnis nur alsinneres Erlebnis auftritt, stellt sich das neugeborene Selbst sogleich alsseelischäußere Erscheinung dar. Man sieht sein neugeborenes Selbst wie einanderes Wesen vor sich. Aber man kann es nicht ganz wahrnehmen. Dennwelche Stufe man auch erstiegen haben mag auf dem Wege in dieübersinnlichen Welten hinauf: es gibt immer noch höhere Stufen. Auf solchenwird man immer noch mehr wahrnehmen von seinem «höheren Selbst». Es kannalso dieses dem Geistesschüler auf irgendeiner Stufe nur teilweise sichenthüllen. Nun ist aber die Versuchung ungeheuer groß, welche den Menschenbefällt, wenn er zuerst irgend etwas von seinem «höheren Selbst» gewahr wird,dieses «höhere Selbst» gleichsam von dem Standpunkte aus zu betrachten,welchen man in der physisch-sinnlichen Welt gewonnen hat. Diese Versuchungist sogar gut, und sie muß eintreten, wenn die Entwickelung richtig vor sichgehen soll. Man muß das betrachten, was als der Doppelgänger, der «Hüter derSchwelle», auftritt, und es vor das «höhere Selbst» stellen, damit man denAbstand bemerken kann zwischen dem, was man ist, und dem, was man werdensoll. Bei dieser Betrachtung beginnt der «Hüter der Schwelle» aber eine ganzandere Gestalt anzunehmen. Er stellt sich dar als ein Bild aller der Hindernisse,welche sich der Entwickelung des «höheren Selbst» entgegenstellen. (388) Manwird wahrnehmen, welche Last man an dem gewöhnlichen Selbst schleppt. Undist man dann durch seine Vorbereitungen nicht stark genug, sich zu sagen: Ichwerde hier nicht stehenbleiben, sondern unablässig mich zu dem «höherenSelbst» hinaufentwickeln, so wird man erlahmen und zurückschrecken vor dem,was bevorsteht. Man ist dann in die seelisch-geistige Welt hineingetaucht, gibtes aber auf, sich weiter zu arbeiten. Man wird ein Gefangener der Gestalt, diejetzt durch den «Hüter der Schwelle» vor der Seele steht. Das Bedeutsame ist,daß man bei diesem Erlebnis nicht die Empfindung hat, ein Gefangener zu sein.Man wird vielmehr etwas ganz anderes zu erleben glauben. Die Gestalt, welcheder «Hüter der Schwelle» hervorruft, kann so sein, daß sie in der Seele desBeobachters den Eindruck hervorbringt, dieser habe nun in den Bildern, welcheauf dieser Entwickelungsstufe auftreten, schon den ganzen Umfang aller nurmöglichen Welten vor sich; man sei auf dem Gipfel der Erkenntnisangekommen und brauche nicht weiter zu streben. Statt als Gefangener wirdman sich so als der unermeßlich reiche Besitzer aller Weltengeheimnisse fühlenkönnen. Darüber, daß man ein solches Erlebnis haben kann, welches dasGegenteil des wahren Tatbestandes darstellt, wird sich derjenige nichtverwundern, welcher bedenkt, daß man ja dann, wenn man dies erlebt, bereits inder seelischgeistigen Welt steht und daß es Eigentümlichkeit dieser Welt ist, daßin ihr sich die Ereignisse umgekehrt darstellen können.

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In diesem Buche ist auf diese Tatsache bei der Betrachtung des Lebens nachdem Tode hingewiesen worden. (389)

(56) Die Gestalt, welche man auf dieser Stufe der Entwickelung wahrnimmt,zeigt dem Geistesschüler noch etwas anderes als diejenige, in der sich ihmzuerst der «Hüter der Schwelle» dargestellt hat. In diesem Doppelgänger warenwahrzunehmen alle diejenigen Eigenschaften, welche das gewöhnliche Selbstdes Menschen hat infolge des Einflusses der Kräfte des Luzifer. Nun ist aber imLaufe der menschlichen Entwickelung durch den Einfluß Luzifers eine andereMacht in die Menschenseele eingezogen. Es ist diejenige, welche als die KraftAhrimans in früheren Abschnitten dieses Buches bezeichnet ist. Es ist dies dieKraft, welche den Menschen im physisch-sinnlichen Dasein verhindert, diehinter der Oberfläche des Sinnlichen liegenden geistig-seelischen Wesenheitender Außenwelt wahrzunehmen. Was unter dem Einflusse dieser Kraft aus derMenschenseele geworden ist, das zeigt im Bilde die Gestalt, welche bei demcharakterisierten Erlebnisse auftritt. – Wer entsprechend vorbereitet an diesesErlebnis herantritt, der wird ihm seine wahre Deutung geben; und dann wirdsich bald eine andere Gestalt zeigen, diejenige, welche man den «großen Hüterder Schwelle» im Gegensatz zu dem gekennzeichneten «kleinen Hüter» nennenkann. Dieser teilt dem Geistesschüler mit, daß er nicht stehenzubleiben hat aufdieser Stufe, sondern energisch weiter zu arbeiten. Er ruft in dem Beobachterdas Bewußtsein hervor, daß die Welt, die erobert ist, nur eine Wahrheit wird undsich in keine Illusion verwandelt, wenn die Arbeit in entsprechender Artfortgesetzt wird. – Wer aber durch eine unrichtige Geistesschulung unvorbereitetan dieses Erlebnis herantreten würde, dem würde sich dann, wenn er an den«großen Hüter der Schwelle» kommt, etwas in die Seele gießen, was nur mitdem «Gefühle eines unermeßlichen Schreckens», einer «grenzenlosen Furcht»verglichen werden kann. (390)

(57) Wie die Begegnung mit dem «kleinen Hüter der Schwelle» demGeistesschüler die Möglichkeit gibt, sich zu prüfen, ob er gegen Täuschungengeschützt ist, welche durch Hineintragen seiner Wesenheit in die übersinnlicheWelt entstehen können, so kann er sich an den Erlebnissen, die zuletzt zu dem«großen Hüter der Schwelle» führen, prüfen, ob er jenen Täuschungengewachsen ist, welche oben auf die zweite gekennzeichnete Quellezurückgeführt wurden. Vermag er jener gewaltigen Illusion Widerstand zubieten, welche ihm die errungene Bilderwelt als einen reichen Besitz vorgaukelt,während er doch nur ein Gefangener ist, so ist er im weiteren Verlauf seinerEntwickelung auch davor bewahrt, Schein für Wirklichkeit zu nehmen.

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(58) Der «Hüter der Schwelle» wird für jeden einzelnen Menschen eineindividuelle Gestalt bis zu einem gewissen Grade annehmen. Die Begegnungmit ihm entspricht ja gerade demjenigen Erlebnis, durch welches der persönlicheCharakter der übersinnlichen Beobachtungen überwunden und die Möglichkeitgegeben wird, in eine Region des Erlebens einzutreten, die von persönlicherFärbung frei und für jede Menschenwesenheit gültig ist.

*

(59) Wenn der Geistesschüler die beschriebenen Erlebnisse gehabt hat, dannist er fähig, in der seelisch-geistigen Umwelt dasjenige, was er selbst ist, vondem, was außer ihm ist, zu unterscheiden. Er wird dann erkennen, wie dasVerständnis des in diesem Buche geschilderten Weltprozesses notwendig ist, umden Menschen und dessen Leben selbst zu verstehen. Man versteht ja denphysischen Leib nur, wenn man erkennt, wie er sich aufgebaut hat durch dieSaturn-, Sonnen-, Monden- und Erdenentwickelung. (391) Man versteht denÄtherleib, wenn man seine Bildung durch Sonnen-, Monden- undErdenentwickelung verfolgt usw. Man versteht aber auch dasjenige, wasgegenwärtig mit der Erdenentwickelung zusammenhängt, wenn man erkennt,wie sich alles nach und nach entfaltet hat. Man wird durch die Geistesschulungin den Stand gesetzt, das Verhältnis von allem, was am Menschen ist, zuentsprechenden Tatsachen und Wesenheiten der außer dem Menschenbefindlichen Welt zu erkennen. Denn so ist es: jedes Glied am Menschen stehtin einem Verhältnis zu der ganzen übrigen Welt. In diesem Buche konntendarüber ja nur die Andeutungen im skizzenhaften Umriß gemacht werden. Manmuß aber bedenken, daß z.B. der physische Menschenleib während derSaturnentwickelung nur in der ersten Anlage vorhanden war. Seine Organe: dasHerz, die Lunge, das Gehirn haben sich später, während der Sonnen-, Monden-und Erdenzeit, aus den ersten Anlagen herausgebildet. So also stehen Herz,Lunge usw. in Beziehungen zu Sonnen-, Mondenentwickelung,Erdenentwickelung. Ganz entsprechend ist es mit den Gliedern des Ätherleibes,des Empfindungsleibes, der Empfindungsseele usw. Es ist der Mensch aus derganzen, ihm zunächst liegenden Welt herausgestaltet; und jede Einzelheit, die anihm ist, entspricht einem Vorgange, einem Wesen der Außenwelt. DerGeistesschüler kommt auf der entsprechenden Stufe seiner Entwickelung dazu,dieses Verhältnis seines eigenen Wesens zur großen Welt zu erkennen. Und mankann diese Erkenntnisstufe das Gewahrwerden nennen des Entsprechens der«kleinen Welt», des Mikrokosmos, das ist des Menschen selbst, und der «großenWelt», des Makrokosmos. (392) Wenn der Geistesschüler bis zu solcherErkenntnis sich durchgerungen hat, dann kann für ihn ein neues Erlebniseintreten. Er fängt an, sich wie mit dem ganzen Weltenbau verwachsen zufühlen, trotzdem er sich in seiner vollen Selbständigkeit empfindet. Es ist dieseEmpfindung ein Aufgehen in die ganze Welt, ein Einswerden mit derselben,aber ohne die eigene Wesenheit zu verlieren. Man kann dieseEntwickelungsstufe als «Einswerden mit dem Makrokosmos» bezeichnen.

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Es ist bedeutsam, daß man dieses Einswerden nicht so zu denken hat, als wenndurch dasselbe das Sonderbewußtsein aufhören und die menschliche Wesenheitin das All ausfließen würde. Es wäre ein solcher Gedanke nur der Ausdruckeiner aus ungeschulter Urteilskraft fließenden Meinung. – Die einzelnen Stufender höheren Erkenntnis im Sinne jenes Einweihungsvorganges, der hierbeschrieben worden ist, können nun in der folgenden Art bezeichnet werden:

1. Das Studium der Geisteswissenschaft, wobei man sich zunächst derUrteilskraft bedient, welche man in der physisch-sinnlichen Weltgewonnen hat.

2. Die Erwerbung der imaginativen Erkenntnis.3. Das Lesen der verborgenen Schrift (entsprechend der Inspiration).4. Das Sicheinleben in die geistige Umgebung (entsprechend der Intuition).5. Die Erkenntnis der Verhältnisse von Mikrokosmos und Makrokosmos.6. Das Einswerden mit dem Makrokosmos.7. Das Gesamterleben der vorherigen Erfahrungen als eine Grund-

Seelenstimmung.

(60) Diese Stufen brauchen aber nicht etwa so gedacht zu werden, daß sienacheinander durchgemacht werden. (393) Die Schulung kann vielmehr soverlaufen, daß je nach der Individualität des Geistesschülers eine vorhergehendeStufe nur bis zu einem gewissen Grade durchschritten ist, wenn er beginnt,Übungen zu machen, welche der folgenden Stufe entsprechen. Es kann z.B.ganz gut sein, daß man erst einige Imaginationen in sicherer Art gewonnen hatund doch schon Übungen macht, welche die Inspiration, die Intuition oder dieErkenntnis vom Zusammenhange des Mikrokosmos und Makrokosmos in denBereich des eigenen Erlebens ziehen.

*

(61) Wenn der Geistesschüler sich ein Erlebnis von der Intuition verschaffthat, so kennt er nicht nur die Bilder der seelisch-geistigen Welt, er kann nichtnur ihre Beziehungen in der «verborgenen Schrift» lesen: er kommt zu derErkenntnis der Wesen selbst, durch deren Zusammenwirken die Welt zustandekommt, welcher der Mensch angehört. Und er lernt dadurch sich selbst inderjenigen Gestalt kennen, die er als geistiges Wesen in der seelisch-geistigenWelt hat. Er hat sich zu einer Wahrnehmung seines höheren Ich durchgerungen,und er hat bemerkt, wie er weiter zu arbeiten hat, um seinen Doppelgänger, den«Hüter der Schwelle», zu beherrschen. Er hat aber auch die Begegnung gehabtmit dem «großen Hüter der Schwelle», der vor ihm steht wie ein stetigerAufforderer, weiterzuarbeiten. Dieser «große Hüter der Schwelle» wird nun seinVorbild, dem er nachstreben will. Wenn diese Empfindung in demGeistesschüler auftritt, dann hat er die Möglichkeit erlangt zu erkennen, wer daeigentlich als der «große Hüter der Schwelle» vor ihm steht. (394)

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Es verwandelt sich nämlich nunmehr dieser Hüter in der Wahrnehmung desGeistesschülers in die Christus-Gestalt, deren Wesenheit und Eingreifen in dieErdenentwickelung aus den vorhergehenden Kapiteln dieses Buches ersichtlichist. Der Geistesschüler wird dadurch in das erhabene Geheimnis selbsteingeweiht, das mit dem Christus-Namen verknüpft ist. Der Christus zeigt sichihm als das «große menschliche Erdenvorbild». – Ist auf solche Art durchIntuition der Christus in der geistigen Welt erkannt, dann wird auchverständlich, was sich auf der Erde geschichtlich abgespielt hat in der viertennachatlantischen Entwickelungsperiode der Erde (in der griechisch-lateinischenZeit). Wie zu dieser Zeit das hohe Sonnenwesen, das Christus-Wesen, in dieErdenentwickelung eingegriffen hat und wie es nun weiter wirkt innerhalbdieser Erdenentwickelung, das wird für den Geistesschüler eine selbsterlebteErkenntnis. Es ist also ein Aufschluß über den Sinn und die Bedeutung derErdenentwickelung, welchen der Geistesschüler erhält durch die Intuition.

(62) Der hiermit geschilderte Weg zur Erkenntnis der übersinnlichen Weltenist ein solcher, welchen ein jeder Mensch gehen kann, in welcher Lage er sichauch innerhalb der gegenwärtigen Lebensbedingungen befindet. Wenn voneinem solchen Wege die Rede ist, so muß man bedenken, daß das Ziel derErkenntnis und Wahrheit zu allen Zeiten der Erdenentwickelung dasselbe ist,daß aber die Ausgangspunkte des Menschen zu verschiedenen Zeitenverschiedene waren. Der Mensch kann gegenwärtig nicht von demselbenAusgangspunkte ausgehen, wenn er den Weg in die übersinnlichen Gebietebetreten will, wie z.B. der alte ägyptische Einzuweihende. (395) Daher lassensich die Übungen, welche dem Geistesschüler im alten Ägypten auferlegtwurden, nicht ohne weiteres von dem gegenwärtigen Menschen ausführen. Seitjener Zeit sind die menschlichen Seelen durch verschiedene Verkörperungenhindurchgegangen; und dieses Weiterschreiten von Verkörperung zuVerkörperung ist nicht ohne Sinn und Bedeutung. Die Fähigkeiten undEigenschaften der Seelen ändern sich von Verkörperung zu Verkörperung. Werdas menschliche, geschichtliche Leben auch nur oberflächlich betrachtet, kannbemerken, daß seit dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert n.Chr. sich gegenfrüher alle Lebensbedingungen geändert haben, daß Meinungen, Gefühle, aberauch Fähigkeiten. der Menschen anders geworden sind, als sie vorher waren.Der hier beschriebene Weg zur höheren Erkenntnis ist nun ein solcher, welcherfür Seelen tauglich ist, welche in der unmittelbaren Gegenwart sich verkörpern.Er ist so, daß er den Ausgangspunkt der geistigen Entwickelung da ansetzt, woder Mensch in der Gegenwart steht, wenn er in irgendwelchen durch dieseGegenwart ihm gegebenen Lebensverhältnissen sich befindet. – Diefortschreitende Entwickelung führt die Menschheit in bezug auf die Wege zuhöherer Erkenntnis ebenso von Zeitabschnitt zu Zeitabschnitt zu immer anderenFormen, wie auch das äußere Leben seine Gestaltungen ändert. Und es muß jaauch jederzeit ein vollkommener Einklang herrschen zwischen dem äußerenLeben und der Einweihung. (396)

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GEGENWART UND ZUKUNFT

DER WELT- UND MENSCHHEITS-ENTWICKELUNG

(1) Im Sinne der Geisteswissenschaft von Gegenwart und Zukunft derMenschen- und Weltentwickelung etwas zu erkennen, ist nicht möglich, ohnedie Vergangenheit dieser Entwickelung zu verstehen. Denn, was sich derWahrnehmung des Geistesforschers darbietet, wenn er die verborgenenTatsachen der Vergangenheit beobachtet, das enthält zugleich alles dasjenige,was er von Gegenwart und Zukunft wissen kann. Es ist in diesem Buche vonSaturn-, Sonnen-, Monden- und Erdenentwickelung gesprochen worden. Mankann im geisteswissenschaftlichen Sinne die Erdenentwickelung nicht verstehen,wenn man nicht die Tatsachen der vorhergehenden Entwickelungszeitenbeobachtet. Denn, was dem Menschen gegenwärtig innerhalb der Erdenweltentgegentritt, darin stecken in gewisser Beziehung die Tatsachen der Monden-,Sonnen- und Saturnentwickelung. Die Wesen und Dinge, welche an derMondenentwickelung beteiligt waren, haben sich weiter fortgebildet. Aus ihnenist alles dasjenige geworden, was gegenwärtig zur Erde gehört. Aber es ist fürdas physisch-sinnliche Bewußtsein nicht alles wahrnehmbar, was sich vomMonde herüber zur Erde entwickelt hat. Ein Teil dessen, was sich von diesemMonde herüber entwickelt hat, wird erst auf einer gewissen Stufe desübersinnlichen Bewußtseins offenbar. Wenn diese Erkenntnis erlangt ist, dannist für dieselbe unsere Erdenwelt verbunden mit einer übersinnlichen Welt.(397) Diese enthält den Teil des Mondendaseins, welcher sich nicht bis zurphysisch-sinnlichen Wahrnehmung verdichtet hat. Sie enthält ihn zunächst so,wie er gegenwärtig ist, nicht wie er zur Zeit der uralten Mondenentwickelungwar. Das übersinnliche Bewußtsein kann aber ein Bild von dem damaligenZustande erhalten. Wenn nämlich dieses übersinnliche Bewußtsein sich in dieWahrnehmung vertieft, welche es gegenwärtig haben kann, so zeigt sich, daßdiese durch sich selbst sich in zwei Bilder allmählich zerlegt. Das eine Bild stelltsich dar als diejenige Gestalt, welche die Erde gehabt hat während ihrerMondenentwickelung. Das andere Bild aber zeigt sich so, daß man daranerkennt: dieses enthält eine Gestalt, welche noch im Keimzustande ist undwelche erst in der Zukunft in dem Sinne wirklich werden wird, wie die Erdejetzt wirklich ist. Bei weiterer Beobachtung zeigt sich, daß in dieseZukunftsform fortwährend dasjenige einströmt, was sich in einem gewissenSinne als Wirkung dessen ergibt was auf der Erde geschieht. In dieserZukunftsform hat man deshalb dasjenige vor sich, was aus unserer Erde werdensoll. Die Wirkungen des Erdendaseins werden sich mit dem, was in dercharakterisierten Welt geschieht, vereinigen, und daraus wird das neueWeltenwesen entstehen, in welches sich die Erde so verwandeln wird, wie sichder Mond in die Erde verwandelt hat. Man kann diese Zukunftsgestalt denJupiterzustand nennen.

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Wer diesen Jupiterzustand in übersinnlicher Anschauung beobachtet, für denzeigt sich, daß in der Zukunft gewisse Vorgänge stattfinden müssen, weil indem übersinnlichen Teil der Erdenwelt, welcher vom Monde herrührt, Wesenund Dinge vorhanden sind, welche bestimmte Formen annehmen werden, wennsich innerhalb der physisch-sinnlichen Erde dieses oder jenes ereignet habenwird. (398) In dem Jupiterzustand wird deshalb etwas sein, was durch dieMondenentwickelung schon vorbestimmt ist; und es wird in ihm Neues sein,was erst durch die Erdenvorgänge in die ganze Entwickelung hineinkommt.Deswegen kann das übersinnliche Bewußtsein etwas erfahren darüber, waswährend des Jupiterzustandes geschehen wird. Den Wesenheiten und Tatsachen,welche in diesem Bewußtseinsfelde beobachtet werden, ist der Charakter desSinnlich-Bildhaften nicht eigen; selbst als feine, luftige Gebilde, von denenWirkungen ausgehen könnten, die an Eindrücke der Sinne erinnern, treten sienicht auf Man hat von ihnen reine geistige Toneindrücke, Lichteindrücke,Wärmeeindrücke. Diese drücken sich nicht durch irgendwelche materielleVerkörperungen aus. Sie können nur durch das übersinnliche Bewußtsein erfaßtwerden. Man kann aber doch sagen, daß diese Wesenheiten einen «Leib» haben.Doch zeigt sich dieser innerhalb ihres Seelischen, das sich als ihr gegenwärtigesWesen offenbart, wie eine Summe verdichteter Erinnerungen, die sie innerhalbihres seelischen Wesens in sich tragen. Man kann unterscheiden in ihrem Wesenzwischen dem, was sie jetzt erleben, und dem, was sie erlebt haben, und woransie sich erinnern. Dies letztere ist in ihnen wie ein Leibliches enthalten. Sieerleben es, wie der Erdenmensch seinen Leib erlebt. Für eine Stufe derübersinnlichen Schauung, welche höher ist als die soeben für die Mond- undJupitererkenntnis als notwendig bezeichnete, werden übersinnliche Wesen undDinge wahrnehmbar, welche weiter entwickelte Gestalten dessen sind, wasschon während des Sonnenzustandes vorhanden war, aber gegenwärtig so hoheDaseinsstufen hat, daß diese für ein Bewußtsein gar nicht vorhanden sind,welches es nur bis zum Wahrnehmen der Mondenformen gebracht hat. Auch dasBild dieser Welt spaltet sich bei innerer Versenkung wieder in zwei. (399) Daseine führt zur Erkenntnis des Sonnenzustandes der Vergangenheit; das anderestellt eine Zukunftsform der Erde dar, nämlich diejenige, in welche sich die Erdeverwandelt haben wird, wenn in die Gestalten jener Welt die Wirkungen derErden- und Jupitervorgänge eingeflossen sein werden. Was man auf diese Artvon dieser Zukunftswelt beobachtet, kann im Sinne der Geisteswissenschaft alsVenuszustand bezeichnet werden. Auf ähnliche Weise ergibt sich für ein nochweiter entwickeltes übersinnliches Bewußtsein ein künftiger Zustand derEntwickelung, welcher als Vulkanzustand bezeichnet werden kann und der mitdem Saturnzustand in einem gleichen Verhältnisse steht wie der Venuszustandmit dem Sonnen-, und der Jupiterzustand mit der Mondenentwickelung. Mankann deshalb, wenn man Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft derErdenentwickelung in Betracht zieht, von Saturn-, Sonnen-, Monden-, Erden-,Jupiter-, Venus- und Vulkanentwickelung sprechen. –

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Wie diese umfassenden Verhältnisse der Erdenentwickelung, so ergeben sich fürdas Bewußtsein auch Beobachtungen über eine nähere Zukunft. Es entsprichtjedem Bilde der Vergangenheit auch ein solches der Zukunft. Doch muß, wennvon solchen Dingen gesprochen wird, etwas betont werden, dessenBerücksichtigung so notwendig wie nur irgend möglich angesehen werdenmuß. Man muß sich, wenn man dergleichen erkennen will, vollkommen derMeinung entschlagen, daß das bloße an der sinnenfälligen Wirklichkeitherangezogene philosophische Nachdenken darüber irgend etwas ergründenkann. Erforscht können und sollen diese Dinge niemals durch solchesNachdenken werden. (400) Wer etwa glauben würde, wenn er durch dieGeisteswissenschaft Mitteilung darüber erhalten hat, wie der Mondenzustandwar: er könne nun durch solches Nachdenken herausbringen, wie es auf demJupiter aussehen werde, wenn er die Erdenverhältnisse und dieMondenverhältnisse zusammenhält, der wird sich gewaltigen Täuschungenhingeben. Erforscht sollen diese Verhältnisse nur werden, indem sich dasübersinnliche Bewußtsein zur Beobachtung erhebt. Erst wenn das Erforschtemitgeteilt wird, kann es auch ohne übersinnliches Bewußtsein verstandenwerden.

(2) Gegenüber den Mitteilungen über die Zukunft ist der Geistesforscher nunin einer anderen Lage als gegenüber denen, welche die Vergangenheit betreffen.Der Mensch kann zunächst gar nicht den zukünftigen Ereignissen sounbefangen gegenüberstehen, wie ihm dies bezüglich der Vergangenheitmöglich ist. Was in der Zukunft geschieht, erregt das menschliche Fühlen undWollen; die Vergangenheit wird in ganz anderer Art ertragen. Wer das Lebenbeobachtet, weiß, wie dies schon für das gewöhnliche Dasein gilt. In welchungeheurem Grade es sich aber steigert, welche Formen es annimmt gegenüberden verborgenen Tatsachen des Lebens, davon kann nur derjenige Kenntnishaben, welcher gewisse Dinge der übersinnlichen Welten kennt. Und damit istder Grund angegeben, warum die Erkenntnisse über diese Dinge an ganzbestimmte Grenzen gebunden sind.

(3) So wie die große Weltentwickelung in der Folge ihrer Zustände von derSaturn- bis zur Vulkanzeit dargestellt werden kann, so ist dies auch möglich fürkleinere Zeitabschnitte, z.B. solche der Erdenentwickelung. (401) Seit jenergewaltigen Umwälzung, welche dem alten atlantischen Leben das Ende gebrachthat, sind sich innerhalb der Menschheitsentwickelung Zustände gefolgt, welchein diesem Buche als die Zeiten der alten indischen, der urpersischen, derägyptisch-chaldäischen, der griechisch-lateinischen gekennzeichnet wordensind. Der fünfte Zeitabschnitt ist derjenige, in dem jetzt die Menschheit steht, istdie Gegenwart. Dieser Zeitabschnitt hat um das zwölfte, dreizehnte undvierzehnte Jahrhundert n.Chr. allmählich begonnen, nachdem er sich vomvierten, fünften Jahrhundert an vorbereitet hatte. Ganz deutlich ist er vomfünfzehnten Jahrhundert an aufgetreten.

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Der vorhergehende griechisch-lateinische hat ungefähr im achten vorchristlichenJahrhundert seinen Anfang genommen. Am Ende seines ersten Drittels fand dasChristus-Ereignis statt. Die menschliche Seelenverfassung, alle menschlichenFähigkeiten haben sich beim Übergang vom ägyptisch-chaldäischen zumgriechisch-lateinischen Zeitraum geändert. In dem ersteren war das noch nichtvorhanden, was man jetzt als logisches Nachdenken, als verstandesmäßigeAuffassung der Welt kennt. Was der Mensch sich jetzt durch seinen Verstandals Erkenntnis zu eigen macht, das bekam er in jener Form, in welcher es für diedamalige Zeit geeignet war: unmittelbar durch ein inneres, in einer gewissenBeziehung übersinnliches Wissen. Man nahm die Dinge wahr; und indem mansie wahrnahm, tauchte in der Seele der Begriff, das Bild auf, welche die Seelevon ihnen brauchte. Wenn die Erkenntniskraft so ist, so tauchen aber nicht nurBilder der sinnlich-physischen Welt auf, sondern aus den Tiefen der Seelekommt auch eine gewisse Erkenntnis nichtsinnlicher Tatsachen undWesenheiten herauf Es war dies der Rest des alten, dämmerhaftenübersinnlichen Bewußtseins, das einst Gemeinbesitz der ganzen Menschheitwar. In der griechisch-lateinischen Zeit erstanden immer mehr Menschen,welchen solche Fähigkeiten mangelten. An ihre Stelle trat das verstandesmäßigeNachdenken über die Dinge. (402) Die Menschen wurden immer mehr entferntvon einer unmittelbaren träumerischen Wahrnehmung der geistig-seelischenWelt und immer mehr darauf angewiesen, durch ihren Verstand und ihr Gefühlsich ein Bild von derselben zu formen. Dieser Zustand dauerte durch den ganzenvierten Zeitabschnitt der nachatlantischen Zeit in einer gewissen Beziehung fort.Nur solche Menschen, welche sich wie ein Erbgut die alte Seelenverfassungbewahrt hatten, konnten die geistige Welt noch unmittelbar ins Bewußtseinaufnehmen. Diese Menschen sind aber Nachzügler aus einer älteren Zeit. DieArt, wie ihre Erkenntnis war, eignete sich nicht mehr für die neue Zeit. Denn dieEntwickelungsgesetze haben zur Folge, daß eine alte Seelenfähigkeit ihre volleBedeutung verliert, wenn neue Fähigkeiten auftreten. Das Menschenleben paßtsich dann diesen neuen Fähigkeiten an. Und es kann mit den alten nichts mehranfangen. Es gab aber auch solche Menschen, welche in ganz bewußter Artanfingen, zu den erlangten Verstandes- und Gefühlskräften andere höherehinzuzuentwickeln, welche es ihnen wieder möglich machten, in diegeistig-seelische Welt einzudringen. Sie mußten damit beginnen, dies auf andereArt zu tun, als es bei den Schülern der alten Eingeweihten geschah. Diese hattendie erst im vierten Zeitraum entwickelten Seelenfähigkeiten noch nicht zuberücksichtigen. Es begann im vierten Zeitraume in den ersten Anfängendiejenige Art der Geistesschulung, welche in diesem Buche als die gegenwärtigebeschrieben worden ist. Aber sie war damals eben erst in den Anfängen; ihreeigentliche Ausbildung konnte sie erst im fünften Zeitabschnitte (seit demzwölften, dreizehnten, namentlich fünfzehnten Jahrhundert) erfahren. (403)Menschen, welche in dieser Weise den Aufstieg in die übersinnlichen Weltensuchten, konnten durch eigene Imagination, Inspiration, Intuition etwas vonhöheren Gebieten des Daseins erfahren.

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Jene Menschen, welche bei den entwickelten Verstandes- undGefühlsfähigkeiten verblieben, konnten von dem, was das ältere Hellsehenwußte, nur durch Überlieferung erfahren, die sich von Geschlecht zu Geschlechtmündlich oder schriftlich fortpflanzte.

(4) Auch von dem, was eigentlich das Wesen des Christusereignisses ist,konnten die Nachgeborenen, wenn sie sich nicht in die übersinnlichen Weltenerhoben, nur durch solche Überlieferung etwas wissen. Allerdings waren auchsolche Eingeweihte vorhanden, welche die natürlichenWahrnehmungsfähigkeiten für die übersinnliche Welt noch hatten und sichdurch ihre Entwickelung doch in eine höhere Welt erhoben, trotzdem sie dieneuen Verstandes- und Gemütskräfte unberücksichtigt ließen. Durch sie wurdeein Übergang geschaffen von der alten Einweihungsart zu der neuen. SolchePersönlichkeiten gab es auch für die folgenden Zeiträume noch. Das ist geradedas Wesentliche des vierten Zeitraumes, daß durch das Abgeschlossensein derSeele von einem unmittelbaren Verkehr mit der seelisch-geistigen Welt derMensch gestärkt und gekräftigt wurde in den Verstandes- und Gefühlskräften.Die Seelen, welche sich damals so verkörperten, daß sie Verstandes- undGefühlskräfte in hohem Maße entwickelt hatten, brachten dann das Ergebnisdieser Entwickelung in ihre Verkörperungen im fünften Zeitraum hinüber. AlsErsatz für diese Abgeschlossenheit waren dann die gewaltigen Überlieferungenvorhanden von den uralten Weistümern, namentlich aber von demChristusereignis, welche durch die Kraft ihres Inhaltes den Seelen einvertrauendes Wissen gaben von den höheren Welten. – (404) Nun waren aberimmer auch Menschen vorhanden, welche die höheren Erkenntniskräfte zu denVerstandes- und Gefühlsfähigkeiten hinzuentwickelten. Ihnen oblag es, dieTatsachen der höheren Welt und namentlich das Geheimnis desChristusereignisses durch ein unmittelbares übersinnliches Wissen zu erfahren.Von ihnen aus floß in die Seelen der anderen Menschen immer so viel hinüber,als diesen Seelen begreiflich und gut war. – Die erste Ausbreitung desChristentums sollte dem Sinne der Erdenentwickelung gemäß gerade in eineZeit fallen, in welcher die übersinnlichen Erkenntniskräfte bei einem großenTeile der Menschheit nicht entwickelt waren. Deshalb war die Kraft derÜberlieferung damals eine so gewaltige. Es brauchte die stärkste Kraft, umMenschen zum Vertrauen in die übersinnliche Welt zu führen, welche nichtselbst in diese Welt hineinschauen konnten. Es gab fast immer (wenn man voneiner kurzen Ausnahmezeit im dreizehnten Jahrhundert absieht) auch solcheMenschen, welche durch Imagination, Inspiration, Intuition sich zu den höherenWelten erheben konnten. Diese Menschen sind die nachchristlichen Nachfolgerder alten Eingeweihten, der Leiter und Mitglieder des Mysterienwissens. Siehatten die Aufgabe, durch ihre eigenen Fähigkeiten dasjenige wiederzuerkennen,was man durch das alte Mysterien-Erkennen hatte ergreifen können; und zudiesem hatten sie noch hinzuzufügen die Erkenntnis von dem Wesen desChristusereignisses.

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(5) So entstand bei diesen neuen Eingeweihten eine Erkenntnis, welche allesdasjenige umfaßte, was Gegenstand der alten Einweihung war; aber imMittelpunkte dieser Erkenntnis strahlte das höhere Wissen von denGeheimnissen des Christusereignisses. (405) Solche Erkenntnis konnte nur ineinem geringen Maße einfließen in das allgemeine Leben, während dieMenschenseelen im vierten Zeitraum die Verstandes- und Gefühlsfähigkeitenfestigen sollten. Es war daher in diesem Zeitraum ein gar sehr «verborgenesWissen». Dann brach der neue Zeitraum an, der als der fünfte zu bezeichnen ist.Seine Wesenheit besteht darin, daß die Entwickelung der Verstandesfähigkeitenfortschritt und zu gewaltiger Blüte sich entfaltete und über die Gegenwart in dieZukunft hinein sich entfalten wird. Langsam bereitete sich das vor von demzwölften, dreizehnten Jahrhundert an, um immer schneller und schneller in demFortgange zu werden vom sechzehnten Jahrhundert an bis in die gegenwärtigeZeit. Unter diesen Einflüssen wurde die Entwickelungszeit des fünftenZeitraumes eine solche, welche die Pflege der Verstandeskräfte immer mehrsich angelegen sein ließ, wogegen das vertrauende Wissen von ehemals, dieüberlieferte Erkenntnis, immer mehr an Kraft über die Menschenseele verlor.Aber es entwickelte sich dafür auch in dieser Zeit dasjenige, was ein immerstärkeres Einfließen der Erkenntnisse neuzeitlichen übersinnlichen Bewußtseinsin die Menschenseelen genannt werden kann. Das «verborgene Wissen» fließt,wenn auch anfangs recht unmerklich, in die Vorstellungsweisen der Menschendieses Zeitraumes ein. Es ist nur selbstverständlich, daß sich, bis in dieGegenwart herein, die Verstandeskräfte ablehnend verhalten gegen dieseErkenntnisse. Allein, was geschehen soll, wird geschehen, trotz allerzeitweiligen Ablehnung. Man kann das «verborgene Wissen», welches vondieser Seite die Menschheit ergreift und immer mehr ergreifen wird, nach einemSymbol die Erkenntnis vom «Gral» nennen. (406) Wer dieses Symbol, wie es inErzählung und Sage gegeben ist, seiner tieferen Bedeutung nach verstehen lernt,wird nämlich finden, daß es bedeutungsvoll das Wesen dessen versinnlicht, wasoben die Erkenntnis der neuen Einweihung, mit dem Christusgeheimnis in derMitte, genannt worden ist. Die neuzeitlichen Eingeweihten können deshalb auchdie «Eingeweihten des Grales» genannt werden. Zu der «Wissenschaft vomGral» führt der Weg in die übersinnlichen Welten, welcher in diesem Buche inseinen ersten Stufen beschrieben worden ist. Diese Erkenntnis hat dieEigentümlichkeit, daß man ihre Tatsachen nur erforschen kann, wenn man sichdie Mittel dazu erwirbt, wie sie in diesem Buche gekennzeichnet worden sind.Sind sie aber erforscht, dann können sie gerade durch die im fünften Zeitraumezur Entwickelung gekommenen Seelenkräfte verstanden werden. ja, es wird sichimmer mehr herausstellen, daß diese Kräfte in einem immer höheren Gradedurch diese Erkenntnisse sich befriedigt finden werden. Wir leben in derGegenwart in einer Zeit, in welcher diese Erkenntnisse reichlicher in dasallgemeine Bewußtsein aufgenommen werden sollen, als dies vorher der Fallwar.

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Und dieses Buch möchte seine Mitteilungen von diesem Gesichtspunkte ausgeben. In dem Maße, als die Entwickelung der Menschheit die Erkenntnisse desGrales aufsaugen wird, kann der Impuls, welcher durch das Christusereignisgegeben ist, immer bedeutsamer werden. An die äußere Seite der christlichenEntwickelung wird sich immer mehr die innere anschließen. Was durchImagination, Inspiration, Intuition über die höheren Welten in Verbindung mitdem Christusgeheimnis erkannt werden kann, wird das Vorstellungs-, Gefühls-und Willensleben der Menschen immer mehr durchdringen. (407) Das«verborgene Wissen vom Gral» wird offenbar werden; es wird als eine innereKraft die Lebensäußerungen der Menschen immer mehr durchdringen.

(6) Durch den fünften Zeitraum hindurch werden die Erkenntnisse derübersinnlichen Welten in das menschliche Bewußtsein einfließen; und wenn dersechste beginnen wird, kann die Menschheit auf einer höheren Stufe das wiedererlangt haben, was sie in einer noch dämmerhaften Art von nicht sinnlichemSchauen in einem früheren Zeitabschnitte besessen hat. Doch wird der neueBesitz eine ganz andere Form haben als der alte. Was die Seele in alten Zeitenvon höheren Welten wußte, war in ihr nicht durchdrungen von ihrer eigenenVerstandes- und Gefühlskraft. Sie wußte es als Eingebung. In der Zukunft wirdsie nicht bloß Eingebungen haben, sondern diese begreifen und als dasjenigeempfinden, was Wesen von ihrem eigenen Wesen ist. Wenn eine Erkenntnis ihrwird über dieses oder jenes Wesen oder Ding, so wird der Verstand dieseErkenntnis auch durch seine eigene Wesenheit gerechtfertigt finden; wenn eineandere Erkenntnis über ein sittliches Gebot, über ein menschliches Verhaltensich geltend machen wird, so wird die Seele sich sagen: Mein Gefühl ist nurdann vor sich selber gerechtfertigt, wenn ich das auch ausführe, was im Sinnedieser Erkenntnis liegt. Eine solche Seelenverfassung soll bei einer genügendgroßen Anzahl von Menschen des sechsten Zeitraumes ausgebildet werden. – Eswiederholt sich in einer gewissen Art in dem fünften Zeitraum dasjenige, wasder dritte, der ägyptisch-chaldäische, der Menschheitsentwickelung gebracht hat.Damals nahm die Seele gewisse Tatsachen der übersinnlichen Welt noch wahr.Die Wahrnehmung derselben war eben damals im Hinschwinden. Denn esbereiteten sich die Verstandeskräfte für ihre Entwickelung vor; und diese solltenden Menschen von der höheren Welt zunächst ausschließen. (409) Im fünftenZeitraum werden die übersinnlichen Tatsachen, welche in dem dritten indämmerhaft ein Bewußtsein geschaut wurden, wieder offenbar, doch nunmehrdurchdrungen mit den Verstandes- und persönlichen Gefühlskräften derMenschen. Sie werden durchdrungen mit dem auch, was durch die Erkenntnisdes Christusgeheimnisses der Seele zuteil werden kann. Daher nehmen sie eineganz andere Form an, als sie ehemals hatten.

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Während die Eindrücke aus den übersinnlichen Welten in alten Zeiten als Kräfteempfunden wurden, welche den Menschen aus einer geistigen Außenwelt hertrieben, in welcher er nicht darinnen war, werden durch die Entwickelung derneueren Zeit diese Eindrücke als die einer Welt empfunden werden, in welcheder Mensch hineinwächst, in welcher er immer mehr und mehr darinnen steht.Niemand soll glauben, daß die Wiederholung der ägyptisch-chaldäischen Kulturso erfolgen kann, daß etwa einfach das von der Seele aufgenommen würde, wasdamals vorhanden war und aus jener Zeit überliefert ist. Der recht verstandeneChristusimpuls wirkt dahin, daß die Menschenseele, welche ihn aufgenommenhat, sich als Glied einer geistigen Welt fühlt und als solches erkennt und verhält,außerhalb welcher sie vorher gestanden hat. – Während in solcher Art imfünften Zeitraum der dritte wieder auflebt, um sich mit dem in denMenschenseelen zu durchdringen, was der vierte als ein ganz Neues gebrachthat, wird ein Ähnliches beim sechsten in bezug auf den zweiten und beimsiebenten in bezug auf den ersten, den altindischen, der Fall sein. All diewundervolle Weisheit des alten Indiertums, welche die damaligen großen Lehrerverkündigen konnten, wird als Lebenswahrheit der Menschenseelen imsiebenten Zeitraum wieder da sein können. (409)

(7) Nun gehen die Veränderungen in den Dingen der Erde, welche außerhalbdes Menschen liegen, in einer Weise vor sich, welche zu der eigenenEntwickelung der Menschheit in einem gewissen Verhältnisse steht. Nach demAblauf des siebenten Zeitraumes wird die Erde von einer Umwälzungheimgesucht werden, welche mit jener sich vergleichen läßt, welche zwischender atlantischen und der nachatlantischen Zeit geschah. Und die nachherverwandelten Erdenzustände werden wieder in sieben Zeitabschnitten sichweiter entwickeln. Auf einer höheren Stufe werden die Menschenseelen, welchesich dann verkörpern werden, diejenige Gemeinschaft mit einer höheren Welterleben, welche die Atlantier auf einer niedrigeren erlebt haben. Es werden sichaber nur jene Menschen den neugestalteten Verhältnissen der Erde gewachsenzeigen, welche in sich solche Seelen verkörpert haben, wie sie werden könnendurch die Einflüsse des griechischlateinischen, des darauffolgenden fünften,sechsten und siebenten Zeitraumes der nachatlantischen Entwickelung. DasInnere solcher Seelen wird dem entsprechen, was aus der Erde bis dahingeworden ist. Die andern Seelen werden dann zurückbleiben müssen, währendes vorher in ihrer Wahl gestanden hätte, sich die Bedingungen zum Mitkommenzu schaffen. Reif für die entsprechenden Verhältnisse nach der nächsten großenUmwälzung werden diejenigen Seelen sein, welche sich gerade beimHinüberleben vom fünften in den sechsten nachatlantischen Zeitraum dieMöglichkeit geschaffen haben werden, die übersinnlichen Erkenntnisse mit denVerstandes- und Gefühlskräften zu durchdringen. Der fünfte und der sechsteZeitraum sind gewissermaßen die entscheidenden. (410)

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In dem siebenten werden die Seelen, welche das Ziel des sechsten erreichthaben, sich zwar entsprechend weiter entwickeln; die anderen werden aber unterden veränderten Verhältnissen der Umgebung nur mehr wenig Gelegenheitfinden, das Versäumte nachzuholen. Erst in einer späteren Zukunft werdenwieder Bedingungen eintreten, welche dies gestatten. – So schreitet dieEntwickelung von Zeitraum zu Zeitraum fort. Die übersinnliche Erkenntnisbeobachtet nicht nur solche Veränderungen in der Zukunft, woran die Erdeallein beteiligt ist, sondern auch solche, welche sich im Zusammenwirken mitden Himmelskörpern ihrer Umgebung abspielen. Es kommt eine Zeit, in welcherdie Erden- und Menschheitsentwickelung so weit fortgeschritten sein wird, daßdie Kräfte und Wesenheiten, welche sich während der lemurischen Zeit von derErde loslösen mußten, um den weiteren Fortgang der Erdenwesen möglich zumachen, sich wieder mit der Erde vereinigen können. Der Mond wird sich dannwieder mit der Erde verbinden. Es wird dies geschehen, weil dann einegenügend große Anzahl von Menschenseelen so viel innere Kraft haben wird,daß sie diese Mondenkräfte zur weiteren Entwickelung fruchtbar machen wird.Das wird in einer Zeit sein, in welcher neben der hohen Entwickelung, die eineentsprechende Anzahl von Menschenseelen erreicht haben wird, eine andereeinhergehen wird, welche die Richtung nach dem Bösen genommen hat. Diezurückgebliebenen Seelen werden in ihrem Karma so viel Irrtum, Häßlichkeitund Böses angehäuft haben, daß sie zunächst eine besondere, der gutenGemeinschaft der Menschen scharf entgegenstrebende Vereinigung der Bösenund Verirrten bilden werden. (411)

(8) Die gute Menschheit wird durch ihre Entwickelung den Gebrauch derMondenkräfte sich erwerben und dadurch auch den bösen Teil so umgestalten,daß er als ein besonderes Erdenreich mit der weiteren Entwickelung mitgehenkann. Durch diese Arbeit der guten Menschheit wird die dann mit dem Mondevereinigte Erde fähig, nach einer gewissen Entwickelungszeit auch wieder mitder Sonne (auch mit den anderen Planeten) vereinigt zu werden. Und nacheinem Zwischenzustande, der wie ein Aufenthalt in einer höheren Welt sichdarstellt, wird sich die Erde in den Jupiterzustand verwandeln. Innerhalb diesesZustandes wird es das nicht geben, was jetzt Mineralreich genannt wird; dieKräfte dieses Mineralreiches werden in pflanzliche umgewandelt sein. DasPflanzenreich, welches aber gegenüber dem gegenwärtigen eine ganz neue Formhaben wird, erscheint während des Jupiterzustandes als das niederste der Reiche.Höher hinauf gliedert sich das ebenfalls verwandelte Tierreich an; dann kommtein Menschenreich, welches als Nachkommenschaft der auf der Erdeentstandenen bösen Gemeinschaft sich erweist. Und dann die Nachkommen derguten ErdenMenschengemeinschaft, als ein Menschenreich auf einer höherenStufe. Ein großer Teil der Arbeit dieses letztern Menschenreiches besteht darin,die in die böse Gemeinschaft gefallenen Seelen so zu veredeln, daß sie denZugang in das eigentliche Menschenreich noch finden können.

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Der Venuszustand wird ein solcher sein, daß auch das Pflanzenreichverschwunden sein wird; das niederste Reich wird das abermals verwandelteTierreich sein; daran werden sich nach oben gehend drei Menschenreiche vonverschiedenen Vollkommenheitsgraden finden. (412) Während diesesVenuszustandes bleibt die Erde mit der Sonne verbunden; die Entwickelungwährend der Jupiterzeit geht dagegen so vor sich, daß in einem gewissenAugenblick sich die Sonne noch einmal loslöst von dem Jupiter und dieser dieEinwirkung derselben von außen her empfängt. Dann findet wieder eineVerbindung von Sonne und Jupiter statt, und die Verwandlung geht allmählichin den Venuszustand hinüber. Während desselben spaltet sich aus der Venus einbesonderer Weltenkörper heraus, der alles an Wesen enthält, was derEntwickelung widerstrebt hat, gleichsam ein «unverbesserlicher Mond», der nuneiner Entwickelung entgegengeht mit einem Charakter, wofür ein Ausdrucknicht möglich ist, weil er zu unähnlich ist allem, was der Mensch auf Erdenerleben kann. Die entwickelte Menschheit aber schreitet in einem völligvergeistigten Dasein zur Vulkanentwickelung weiter, deren Schilderungaußerhalb des Rahmens dieses Buches liegt.

(9) Man sieht, daß sich aus der «Erkenntnis des Grales» das höchste Idealmenschlicher Entwickelung ergibt, welches für den Menschen denkbar ist: dieVergeistigung, welche der Mensch durch seine eigene Arbeit erlangt. Denndiese Vergeistigung erscheint zuletzt als ein Ergebnis der Harmonie, welche erim fünften und sechsten Zeitraum der gegenwärtigen Entwickelung zwischenden erlangten Verstandes- und Gefühlskräften und den Erkenntnissen derübersinnlichen Welten herstellt. Was er da im Innern seiner Seele erarbeitet, sollzuletzt selbst Außenwelt werden. Des Menschen Geist erhebt sich zu dengewaltigen Eindrücken seiner Außenwelt und ahnt zuerst, erkennt nachhergeistige Wesenheiten hinter diesen Eindrücken; des Menschen Herz empfindetdie unendliche Erhabenheit dieses Geistigen. Der Mensch kann aber aucherkennen, daß die intellektuellen, gefühlsmäßigen und charaktermäßigenErlebnisse seines Innern die Keime werdender Geisteswelt sind. (413)

(10) Wer da meint, daß die menschliche Freiheit mit dem Vorauswissen undVorausbestimmtsein der zukünftigen Gestaltung der Dinge nicht vereinbar sei,der sollte bedenken, daß des Menschen freies Handeln in der Zukunftebensowenig davon abhängt, wie die vorausbestimmten Dinge sein werden, wiediese Freiheit davon abhängt, daß er sich vornimmt, nach einem Jahr in einemHause zu wohnen, dessen Plan er gegenwärtig feststellt. Er wird in dem Gradefrei sein, als er es nach seiner inneren Wesenheit sein kann, eben in dem Hause,das er sich gebaut hat; und er wird auf dem Jupiter und der Venus so frei sein,wie es seinem Innern entspricht, eben innerhalb der Verhältnisse, die dortentstehen werden. Freiheit wird nicht abhängen von dem, was durch dievorhergehenden Verhältnisse vorausbestimmt ist, sondern von dem, was dieSeele aus sich gemacht hat.

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*

(11) In dem Erdenzustand ist dasjenige enthalten, was sich innerhalb dervorangehenden Saturn-, Sonnen-, Mondenzustände entwickelt hat. DerErdenmensch findet «Weisheit» in den Vorgängen, welche sich um ihn herumabspielen. Diese Weisheit ist darinnen als das Ergebnis dessen, was vorhergeschehen war. Die Erde ist der Nachkomme des «alten Mondes». Und dieserbildete sich mit dem, was zu ihm gehörte, zum «Kosmos der Weisheit» aus. DieErde ist nun der Beginn einer Entwickelung, durch welche eine neue Kraft indiese Weisheit eingefügt wird. Sie bringt den Menschen dahin, sich als einselbständiges Glied einer geistigen Welt zu fühlen. (414) Es rührt dies davonher, daß sein «Ich» in ihm von den «Geistern der Form» innerhalb der Erdenzeitso gebildet wird, wie auf dem Saturn von den «Geistern des Willens» seinphysischer Leib, auf der Sonne von den «Geistern der Weisheit» seinLebensleib, auf dem Monde von den «Geistern der Bewegung» sein Astralleibgebildet worden ist. Durch das Zusammenwirken der «Geister des Willens, derWeisheit und der Bewegung» entsteht, was sich als Weisheit offenbart. InWeisheit zusammenstimmen mit den andern Wesen ihrer Welt können dieErdenwesen und Erdenvorgänge durch die Arbeit dieser drei Klassen vonGeistern. Durch die «Geister der Form» erhält der Mensch sein selbständiges«Ich». Dieses wird nun in der Zukunft zusammenstimmen mit den Wesen derErde, des Jupiter, der Venus, des Vulkan durch die Kraft, welche sich durch denErdenzustand der Weisheit einfügt. Es ist dies die Kraft der Liebe. Im Menschender Erde muß diese Kraft der Liebe ihren Anfang nehmen. Und der «Kosmosder Weisheit» entwickelt sich in einen «Kosmos der Liebe» hinein. Ausalledem, was das «Ich» in sich entfalten kann, soll Liebe werden. Als dasumfassende «Vorbild der Liebe» stellt sich bei seiner Offenbarung das hoheSonnenwesen dar, welches bei Schilderung der Christusentwickelunggekennzeichnet werden konnte. In das Innerste des menschlichen Wesenskernesist damit der Keim der Liebe gesenkt. Und von da aus soll er in die ganzeEntwickelung einströmen. Wie sich die vorher gebildete Weisheit in den Kräftender sinnlichen Außenwelt der Erde, in den gegenwärtigen «Naturkräften»offenbart, so wird sich in Zukunft die Liebe selbst in allen Erscheinungen alsneue Naturkraft offenbaren. Das ist das Geheimnis aller Entwickelung in dieZukunft hinein: daß die Erkenntnis, daß auch alles, was der Mensch vollbringtaus dem wahren Verständnis der Entwickelung heraus, eine Aussaat ist, die alsLiebe reifen muß. (415) Und so viel als Kraft der Liebe entsteht, so vielSchöpferisches wird für die Zukunft geleistet. In dem, was aus der Liebegeworden sein wird, werden die starken Kräfte liegen, welche zu dem obengeschilderten Endergebnis der Vergeistigung führen. Und so viel geistigeErkenntnis in die Menschheits- und Erdenentwickelung einfließt, so vielelebensfähige Keime für die Zukunft werden vorhanden sein. Geistige Erkenntniswandelt sich durch das, was sie ist, in Liebe um.

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Der ganze Vorgang, welcher geschildert worden ist, von dergriechisch-lateinischen Zeit durch den gegenwärtigen Zeitraum hindurch, zeigt,wie diese Verwandlung vor sich gehen soll und wozu der Anfang derEntwickelung in die Zukunft hinein gemacht ist. Was sich durch Saturn, Sonneund Mond als Weisheit vorbereitet hat, wirkt im physischen, ätherischen,astralischen Leib des Menschen; und es stellt sich dar als «Weisheit der Welt»;im «Ich» aber verinnerlicht es sich. Die «Weisheit der Außenwelt» wird, vondem Erdenzustande an, innere Weisheit im Menschen. Und wenn sie daverinnerlicht ist, wird sie Keim der Liebe. Weisheit ist die Vorbedingung derLiebe; Liebe ist das Ergebnis der im «Ich» wiedergeborenen Weisheit.

(12) Wer durch die vorangehenden Ausführungen zu der Meinung verführtwerden könnte, die geschilderte Entwickelung trage ein fatalistisches Gepräge,der hätte sie mißverstanden. Wer etwa glaubte, bei einer solchen Entwickelungsei eine bestimmte Anzahl von Menschen dazu verurteilt, dem Reiche der«bösen Menschheit» anzugehören, der sieht nicht, wie sich das gegenseitigeVerhältnis des Sinnenfälligen zu dem Seelisch-Geistigen bei dieserEntwickelung gestaltet. Beides, Sinnenfälliges und Seelisch-Geistiges, bildeninnerhalb gewisser Grenzen getrennte Entwickelungsströmungen. (416) Durchdie der sinnenfälligen Strömung eigenen Kräfte entstehen die Formen des«bösen Menschentums». Eine Notwendigkeit für eine Menschenseele, sich ineiner solchen Form zu verkörpern, wird nur bestehen, wenn dieseMenschenseele selbst die Bedingungen dazu geschaffen hat. Es könnte auch derFall eintreten, daß die aus den Kräften des Sinnenfälligen heraus entstandenenFormen keine aus der früheren Zeit stammenden Menschenseelen fänden, weildiese zu gut für derartige Körper wären. Dann müßten diese Formen anders alsdurch frühere Menschenseelen aus dem Weltall heraus beseelt werden. VonMenschenseelen werden die charakterisierten Formen nur dann beseelt sein,wenn diese sich zu solcher Verkörperung bereit gemacht haben. Dieübersinnliche Erkenntnis hat auf diesem Gebiete eben zu sagen, was sie schaut.Das ist, daß In der angedeuteten Zukunft zwei Menschenreiche, ein gutes undein böses, vorhanden sein werden; nicht aber hat sie etwa verstandesmäßig ausdem Zustand der gegenwärtigen Menschenseelen auf einen wie mitnaturgemäßer Notwendigkeit eintretenden künftigen zu schließen. Entwickelungder Menschenformen und Entwickelung der Seelenschicksale muß übersinnlicheErkenntnis auf zwei ganz getrennten Wegen suchen; und einDurcheinanderwerfen der beiden in der Weltanschauung wäre ein Restmaterialistischer Gesinnung, der, wenn er vorhanden, in bedenklicher Art in dieWissenschaft des Übersinnlichen hineinragen würde. (417)

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EINZELHEITEN AUS DEM GEBIETE DERGEISTESWISSENSCHAFT

Der Ätherleib des Menschen

(1) Wenn höhere Glieder des Menschen durch die übersinnlicheWahrnehmung beobachtet werden, dann ist diese Wahrnehmung niemalsvollkommen gleich einer solchen, welche durch die äußeren Sinne gemachtwird. Wenn der Mensch einen Gegenstand berührt, und er hat eineWärmewahrnehmung, so muß man unterscheiden zwischen dem, was vomGegenstande kommt, von diesem gleichsam ausströmt, und dem, was man in derSeele erlebt. Das innere Seelenerlebnis der Wärmeempfindung ist etwas anderesals die vom Gegenstande ausströmende Wärme. Man denke sich nun diesesSeelenerlebnis ganz allein, ohne den äußeren Gegenstand. Man denke sich dasErlebnis – aber eben ein seelisches – einer Wärmeempfindung in der Seele, ohnedaß ein äußerer physischer Gegenstand die Veranlassung dazu ist. Wäre einsolches nun einfach da ohne eine Veranlassung, so wäre es eine Einbildung. DerGeistesschüler erlebt solche innere Wahrnehmungen ohne physischeVeranlassung, vor allem ohne Veranlassung seines eigenen Leibes. Sie stellensich für eine gewisse Stufe der Entwickelung aber so dar, daß er wissen kann(wie gezeigt worden ist, durch das Erlebnis selbst wissen kann), daß die innereWahrnehmung nicht Einbildung ist, sondern daß sie ebenso bewirkt ist durcheine geistig-seelische Wesenheit einer übersinnlichen Außenwelt, wie diegewöhnliche Wärmeempfindung z. B. durch einen äußerlich physisch-sinnlichenGegenstand. (418) So ist es auch, wenn man von einer Farbenwahrnehmungspricht. Da muß unterschieden werden zwischen der Farbe, die am äußerenGegenstand ist, und dem innerlichen Empfinden der Farbe in der Seele. Manvergegenwärtige sich die innere Empfindung, welche die Seele hat, wenn sieeinen roten Gegenstand der physisch-sinnlichen Außenwelt wahrnimmt. Manstelle sich vor, man behalte eine recht lebhafte Erinnerung an den Eindruck, aberman wende das Auge ab von dem Gegenstande. Was man da noch alsErinnerungsvorstellung von der Farbe hat, vergegenwärtige man sich als inneresErlebnis. Man wird dann unterscheiden zwischen dem, was inneres Erlebnis istan der Farbe, und der äußeren Farbe. Diese inneren Erlebnisse unterscheidensich inhaltlich durchaus von den äußeren Sinneseindrücken. Sie tragen viel mehrdas Gepräge desjenigen, was als Schmerz und Freude empfunden wird, als dienormale Sinnesempfindung. Nun denke man sich ein solches inneres Erlebnis inder Seele aufsteigen, ohne daß die Veranlassung dazu durch einen äußerenphysisch-sinnlichen Gegenstand oder die Erinnerung an einen solchen gegebensei. Der übersinnlich Erkennende kann ein solches Erlebnis haben. Und er kannauch in dem entsprechenden Falle wissen, daß es keine Einbildung, sondern derAusdruck einer seelisch-geistigen Wesenheit ist.

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Wenn nun diese seelisch-geistige Wesenheit denselben Eindruck hervorruft wieein roter Gegenstand der sinnlichphysischen Welt, dann mag sie rot genanntwerden. Beim sinnlich-physischen Gegenstand wird aber stets zuerst da sein deräußere Eindruck und dann das innere Farbenerlebnis; beim wahrenübersinnlichen Schauen des Menschen unseres Zeitalters muß es umgekehrtsein: zuerst das innere Erlebnis, das schattenhaft ist wie eine bloßeFarbenerinnerung, und dann ein immer lebhafter werdendes Bild. (419)Je weniger man darauf achtet, daß der Vorgang so sein muß, desto weniger kannman unterscheiden zwischen wirklicher geistiger Wahrnehmung undeingebildeter Täuschung (Illusion, Halluzination usw.). Wie lebhaft nun das Bildwird bei einer solchen seelisch-geistigen Wahrnehmung, ob es ganz schattenhaftbleibt, wie eine dunkle Vorstellung, ob es intensiv wirkt, wie ein äußererGegenstand, das hängt ganz davon ab, wie sich der übersinnlich Erkennendeentwickelt hat. – Man kann nun den allgemeinen Eindruck, welchen derSchauende von dem menschlichen Ätherleib hat, so beschreiben, daß man sagt:wenn ein übersinnlich Erkennender es bis zu einer solchen Willensstärkegebracht hat, daß er, trotzdem ein physischer Mensch vor ihm steht, dieAufmerksamkeit von dem ablenken kann, was das physische Auge sieht, sovermag er durch übersinnliches Bewußtsein in den Raum, welchen derphysische Mensch einnimmt, zu schauen. Es gehört selbstverständlich einestarke Steigerung des Willens dazu, um nicht nur seine Aufmerksamkeit vonetwas abzuwenden, woran man denkt, sondern von etwas, das vor einem steht,so daß der physische Eindruck ganz ausgelöscht wird. Aber diese Steigerung istmöglich, und sie tritt durch die Übungen zur übersinnlichen Erkenntnis au£ Derso Erkennende kann dann zunächst den allgemeinen Eindruck des Ätherleibeshaben. In seiner Seele taucht auf dieselbe innere Empfindung, welche er hatbeim Anblick etwa der Farbe einer Pfirsichblüte; und diese wird dann lebhaft, sodaß er sagen kann: der Ätherleib hat die Farbe der Pfirsichblüte. Dann nimmt erauch die einzelnen Organe und Strömungen des Ätherleibes wahr. (420) Mankann aber den Ätherleib auch weiter beschreiben, indem man die Erlebnisse derSeele angibt, welche Wärmeempfindungen, Toneindrücken usw. entsprechen.Denn er ist nicht etwa bloß eine Farbenerscheinung. In demselben Sinne könnenauch der Astralleib und die andern Glieder der menschlichen Wesenheitbeschrieben werden. Wer das in Betracht zieht, wird einsehen, wieBeschreibungen zu nehmen sind, welche im Sinne der Geisteswissenschaftgemacht sind. (Vgl. «Wesen der Menschheit» S. 52 ff.)

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Die astralische Welt

(1) Solange man nur die physische Welt beobachtet, stellt sich die Erde alsWohnplatz des Menschen wie ein gesonderter Weltkörper dar. Wenn aber dieübersinnliche Erkenntnis zu andern Welten aufsteigt, dann hört diese Sonderungauf Daher konnte gesagt werden, daß die Imagination mit der Erde zugleich denbis in die Gegenwart herein entwickelten Mondenzustand wahrnimmt. DiejenigeWelt, welche man in dieser Art betritt, ist nun eine solche, daß zu ihr nicht nurdas Übersinnliche der Erde gehört, sondern daß auch noch andere Weltenkörperin sie eingebettet sind, welche physisch von der Erde abgesondert sind. DerErkenner übersinnlicher Welten beobachtet dann nicht bloß das Übersinnlicheder Erde, sondern zunächst auch das Übersinnliche anderer Weltkörper. (Daßes sich zunächst um eine Beobachtung des Übersinnlichen anderer Weltkörperhandelt, möge derjenige beachten, welcher zu der Frage gedrängt wird: warumdenn die übersinnlich Schauenden nicht angeben, wie es auf dem Mars usw.aussieht. Der Fragende hat dann die physischsinnlichen Verhältnisse im Auge.)(421) Daher konnte in der Darstellung dieses Buches auch gesprochen werdenüber gewisse Beziehungen der Erdenentwickelung zu gleichzeitigen Saturn-,Jupiter-, Marsentwickelungen usw. – Wenn des Menschen astralischer Leib nunvom Schlafe hingenommen wird, so gehört er nicht nur den Erdenzuständen an,sondern Welten, an denen noch andere Weltgebiete (Sternenwelten) beteiligtsind. ja, diese Welten wirken auch im Wachzustande in den astralischen Leibdes Menschen herein. Daher kann der Name «astralischer Leib» gerechtfertigterscheinen. (422)

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Vom Leben des Menschen nach dem Tode

(1) Es ist in den Ausführungen dieses Buches gesprochen worden von der Zeit,durch welche hindurch, nach dem Todeseintritt des Menschen, der Astralleibnoch mit dem Ätherleibe vereinigt bleibt. Während dieser Zeit ist eineallmählich verblassende Erinnerung an das ganze eben verflossene Lebenvorhanden (vgl. «Schlaf und Tod» S. 80 ff.). Diese Zeit ist für verschiedeneMenschen verschieden. Sie hängt davon ab, wie stark die Kraft ist, mit welcherbei einem Menschen der Astralleib den Ätherleib an sich hält, welche Gewaltder erste über den zweiten hat. Die übersinnliche Erkenntnis kann einenEindruck von dieser Gewalt erhalten, wenn sie einen Menschen beobachtet, dereigentlich nach dem Grade seiner seelisch-leiblichen Verfassung schlafenmüßte, der sich aber durch innere Kraft wach erhält. Und nun zeigt sich, daßverschiedene Menschen sich verschieden lang wach erhalten können, ohnezwischendurch von dem Schlafe überwältigt zu werden. Ungefähr so lange alsein Mensch sich im äußersten Falle, wenn es sein muß, wach erhalten kann, solange dauert nach dem Tode die Erinnerung an das eben verflossene Leben, dasheißt der Zusammenhalt mit dem Ätherleib. (422)

(2) Wenn der Ätherleib nach dem Tode von dem Menschen losgelöst ist (vgl.«Schlaf und Tod»), so bleibt von ihm doch für alle spätere Entwickelung desMenschen noch etwas zurück, was man wie einen Extrakt oder eine Essenzdesselben bezeichnen kann. Dieser Extrakt enthält die Früchte des verflossenenLebens. Und er ist der Träger alles dessen, was während der geistigenEntwickelung des Menschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sichwie ein Keim zum folgenden Leben entfaltet. (Vgl. «Schlaf und Tod».)

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(3) Die Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt (vgl. «Schlaf undTod») ist in ihrer Dauer dadurch bestimmt, daß das «Ich» in der Regel erst dannwieder in die physisch-sinnliche Welt zurückkehrt, wenn diese sich inzwischenso umgestaltet hat, daß Neues von dem «Ich» erlebt werden kann. Währenddieses in den geistigen Gebieten ist, ändert sich der Erdenwohnplatz. DieseÄnderung hängt nach einer Richtung hin mit den großen Veränderungen imWeltall zusammen; mit Veränderungen in der Stellung der Erde zur Sonne usw.Das aber sind durchaus Veränderungen, in denen gewisse Wiederholungen inVerbindung mit neuen Verhältnissen eintreten. Sie finden ihren äußerenAusdruck darin, daß z. B. der Punkt am Himmelsgewölbe, in welchem dieSonne bei Frühlingsanbeginn aufgeht, sich im Laufe von etwa 26000 Jahren ineinem vollständigen Kreise dreht. Dieser Frühlingspunkt bewegte sich dadurchim Laufe dieser Zeit von einem Himmelsgebiete zum andern. (423)

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Im Verlaufe des zwölften Teiles jener Zeit, das ist in 2100 Jahren ungefähr,haben sich die Verhältnisse auf der Erde so weit verändert, daß dieMenschenseele auf derselben Neues nach einer vorangegangenen Verkörperungerleben kann. Da aber die Erlebnisse des Menschen verschieden sind, jenachdem er sich als Frau oder als Mann verkörpert, so finden innerhalb descharakterisierten Zeitraumes in der Regel zwei Verkörperungen, eine als Mann,eine als Frau, statt. Doch hängen diese Dinge auch davon ab, wie die Kräftesind, welche sich der Mensch aus dem Erdendasein durch den Tod hindurchmitnimmt. Daher sind alle solche Angaben, wie die hier gegebenen, nur soaufzufassen, daß sie im wesentlichen gelten, im einzelnen aber sich in dermannigfaltigsten Weise abgeändert zeigen. Von den angeführten Verhältnissenim Weltenall hängt es eben nur in einer Beziehung ab, wie lange dasMenschen-Ich in der geistigen Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburtverweilt. In einer andern Beziehung hängt dies ab von denEntwickelungszuständen, welche der Mensch in dieser Zeit durchmacht. DieseZustände führen das «Ich» nach einem gewissen Zeitablauf zu einer geistigenVerfassung, die in ihrem inneren Geisterleben nicht mehr Befriedigung findet,welche das Verlangen nach jener Bewußtseinsänderung entwickelt, die in demSichspiegeln durch das physische Erleben sich befriedigt. Aus demZusammenwirken dieses inneren Durstes nach Verkörperung und der imWeltenall gegebenen Möglichkeit, die entsprechende Leiblichkeit zu finden,erfolgt der Eintritt des Menschen in das Erdenleben. Er erfolgt – weil zweierleizusammenwirken muß – das eine Mal, auch wenn der «Durst» noch nicht seineHöhe erreicht hat, weil eine annähernd angepaßte Verkörperung erreicht werdenkann; das andere Mal, auch wenn der «Durst» über seine normale Höhehinausgeschritten ist, weil zur entsprechenden Zeit noch keine Möglichkeit derVerkörperung da war. (424) Die allgemeine Lebensstimmung, in der sich einMensch durch die Beschaffenheit seines körperlichen Wesens befindet, hängtmit diesen Verhältnissen zusammen.

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Der Lebenslauf des Menschen

(1) Das Leben des Menschen, wie es sich äußert in der Aufeinanderfolge derZustände zwischen Geburt und Tod, kann nur dadurch vollständig begriffenwerden, daß man nicht nur den sinnlich-physischen Leib in Betracht zieht,sondern auch jene Veränderungen, welche sich mit den übersinnlichen Gliedernder Menschennatur vollziehen. – Man kann diese Veränderungen in derfolgenden Art ansehen. Die physische Geburt stellt sich dar als eine Loslösungdes Menschen von der physischen Mutterhülle. Kräfte, welche derMenschenkeim vor der Geburt mit dem Leibe der Mutter gemeinsam hatte, sindnach der Geburt nur noch als selbständige in ihm selbst vorhanden. Nun gehenaber im späteren Leben für die übersinnliche Wahrnehmung ähnlicheübersinnliche Ereignisse vor sich, wie die sinnlichen sind bei der physischenGeburt. Der Mensch ist nämlich ungefähr bis zum Zahnwechsel (im sechstenoder siebenten Jahre) in bezug auf seinen Ätherleib von einer ätherischen Hülleumgeben. Diese fällt in diesem Zeitabschnitte des Lebens ab. Es findet da eine«Geburt» des Ätherleibes statt. Noch immer bleibt aber der Mensch von einerastralischen Hülle umgeben, welche in der Zeit vom zwölften bis sechzehntenJahre (zur Zeit der Geschlechtsreife) abfällt. Da findet die «Geburt» desastralischen Leibes statt. Und noch später wird das eigentliche «Ich» geboren.(425) (Die fruchtbaren Gesichtspunkte, welche sich aus diesen übersinnlichenTatsachen für die Handhabung der Erziehung ergeben, sind in meiner kleinenSchrift: «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte derGeisteswissenschaft» dargestellt. Dort findet man auch weitere Ausführungenüber dasjenige, was hier nur angedeutet werden kann.) Der Mensch lebt nunnach der Geburt des «Ich» so, daß er sich den Welt- und Lebensverhältnisseneingliedert und innerhalb ihrer sich betätigt, nach Maßgabe der durch das «Ich»tätigen Glieder: Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele.Dann tritt eine Zeit ein, in welcher der Ätherleib sich wieder zurückbildet, inwelcher er die umgekehrte Bildung seiner Entfaltung vom siebenten Jahre anwieder durchmacht. Während vorher der Astralleib sich so entwickelt hat, daß erin sich zuerst das entfaltet hat, was in ihm als Anlage bei der Geburt vorhandenwar, und sich dann, nach der Geburt des «Ich», durch die Erlebnisse derAußenwelt bereichert hat, beginnt er von einem bestimmten Zeitpunkte andamit, sich von dem eigenen Ätherleibe aus geistig zu nähren. Er zehrt amÄtherleibe. Und im weiteren Verlaufe des Lebens beginnt dann auch derÄtherleib an dem physischen Leibe zu zehren. Damit hängt des letzteren Verfallim Greisenalter zusammen. Nun zerfällt dadurch des Menschen Lebenslauf indrei Teile, in eine Zeit, in welcher der physische Leib und Ätherleib sichentfalten, dann in diejenige, in welcher der Astralleib und das «Ich» zurEntwickelung kommen, und endlich diejenige, in welcher Ätherleib undphysischer Leib sich wieder zurückverwandeln.

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Nun ist aber der astralische Leib bei allen Vorgängen zwischen Geburt und Todbeteiligt. (426) Dadurch, daß er eigentlich aber erst mit dem zwölften bissechzehnten Jahre geistig geboren ist und in der letzten Lebensepoche von denKräften des Ätherleibes und physischen Leibes zehren muß, wird dasjenige, waser durch seine eigenen Kräfte kann, sich langsamer entwickeln, als wenn esnicht in einem physischen und Ätherleibe wäre. Nach dem Tode, wennphysischer und Ätherleib abgefallen sind, geht die Entwickelung in derLäuterungszeit (vgl. «Schlaf und Tod») deshalb ungefähr so vor sich, daß sie einDrittel derjenigen Dauer beträgt, die das Leben zwischen Geburt und Tod inAnspruch nimmt.

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Die höheren Gebiete der geistigen Welt

(1) Durch Imagination, Inspiration und Intuition steigt die übersinnlicheErkenntnis allmählich in diejenigen Gebiete der geistigen Welt hinauf, inwelcher ihr erreichbar sind die Wesen, welche an der Welt- undMenschheitsentwickelung beteiligt sind. Und es wird ihr dadurch auch möglich,die Entwickelung des Menschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sozu verfolgen, daß diese verständlich wird. Nun gibt es noch höhere Gebiete desDaseins, auf welche hier nur ganz kurz hingedeutet werden kann. Wenn sich dieübersinnliche Erkenntnis bis zur Intuition erhoben hat, dann lebt sie in einerWelt geistiger Wesen. Auch diese machen Entwickelungen durch. WasAngelegenheit der gegenwärtigen Menschheit ist, das erstreckt sichgewissermaßen bis in die Welt der Intuition hinauf Allerdings empfängt derMensch auch Einflüsse aus noch höheren Welten im Laufe seiner Entwickelungzwischen dem Tode und einer neuen Geburt; aber diese Einflüsse erfährt er nichtdirekt; die Wesen der geistigen Welt führen sie ihm zu. Und werden diesebetrachtet, so ergibt sich alles, was an dem Menschen geschieht. (427) Dieeigenen Angelegenheiten aber dieser Wesen, dasjenige, was sie für sichbrauchen, um die menschliche Entwickelung zu führen, können nur durch eineErkenntnis beobachtet werden, welche über die Intuition hinaufgeht. Es ergibtsich damit der Hinweis auf Welten, welche so vorzustellen sind, daß geistigeAngelegenheiten, welche auf der Erde die höchsten sind, dort zu den niedrigerengehören. Vernünftige Entschlüsse z. B. gehören innerhalb des Erdengebietes zudem höchsten; die Wirkungen des mineralischen Reiches zu dem niedrigsten. Injenen höheren Regionen sind vernünftige Entschlüsse ungefähr das, was aufErden die mineralischen Wirkungen sind. Über dem Gebiete der Intuition liegtdie Region, in welcher aus geistigen Ursachen heraus der Weltenplan gesponnenwird.

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Die Wesensglieder des Menschen

(1) Wenn gesagt worden ist (vgl. S. 69 und die folgenden), das «Ich» arbeitean den menschlichen Wesensgliedern, dem physischen Leib, dem Ätherleib unddem astralischen Leib, und gestalte diese in umgekehrter Folge um zuGeistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch, so bezieht sich dieses auf dieArbeit des Ich an der menschlichen Wesenheit durch die höchsten Fähigkeiten,mit deren Entwickelung erst im Laufe der Erdenzustände der Anfang gemachtworden ist. Dieser Umgestaltung geht aber eine andere auf einer niedrigerenStufe voran, und durch diese entstehen Empfindungsseele, Verstandesseele undBewußtseinsseele. Denn während sich im Laufe der Entwickelung desMenschen die Empfindungsseele bildet, gehen Veränderungen im Astralleibevor sich, die Bildung der Verstandesseele drückt sich in Verwandlungen desÄtherleibes, und jene der Bewußtseinsseele in solchen des physischen Leibesaus. Im Verlaufe der Schilderung der Erdenentwickelung, welche in diesemBuche gegeben worden ist, wurde darüber das Nähere angegeben. So kann manalso in einer gewissen Beziehung sagen: schon die Empfindungsseele beruhe aufeinem verwandelten Astralleib; die Verstandesseele auf einem verwandeltenÄtherleib; die Bewußtseinsseele auf einem verwandelten physischen Leib. Mankann aber auch sagen, diese drei Seelenglieder seien Teile des astralischenLeibes, denn nur dadurch ist z. B. die Bewußtseinsseele möglich, daß sie eineastralische Wesenheit in einem ihr angepaßten physischen Leib ist. Sie lebt einastralisches Leben in einem zu ihrem Wohnplatz bearbeiteten physischen Leib.

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Der Traumzustand

(1) Der Traumzustand ist in einer gewissen Beziehung im Kap. «Schlaf undTod» dieser Schrift charakterisiert worden. Er ist aufzufassen auf der einen Seiteals ein Überrest des alten Bilderbewußtseins, wie es dem Menschen während derMondenentwickelung und auch noch während eines großen Teiles derErdenentwickelung eigen war. Die Entwickelung schreitet eben so vorwärts, daßfrühere Zustände in spätere hineinspielen. Und so kommt während desTräumens in dem Menschen jetzt als Überrest zum Vorschein, was frühernormaler Zustand war. Zugleich aber ist dieser Zustand nach einer anderen Seitedoch wieder anders als das alte Bilderbewußtsein. Denn seit der Ausbildung desIch spielt dasselbe auch in die Vorgänge des astralischen Leibes hinein, welcheim Schlafe während des Träumens sich vollziehen. So stellt sich im Traume eindurch die Anwesenheit des Ich verändertes Bilderbewußtsein dar. (429) Weilaber das Ich nicht bewußt seine Tätigkeit auf den Astralleib während desTräumens ausübt, so darf auch nichts, was in das Gebiet des Traumlebensgehört, zu dem gerechnet werden, was in Wahrheit zu einer Erkenntnis derübersinnlichen Welten im Sinne der Geisteswissenschaft führen kann. EinGleiches gilt für das, was man oft als Vision, Ahnung oder «zweites Gesicht»(Deuteroskopie) bezeichnet. Diese kommen dadurch zustande, daß sich das«Ich» ausschaltet und dadurch Überreste alter Bewußtseinszustände entstehen.Sie haben in der Geisteswissenschaft keine unmittelbare Verwendung; was inihnen beobachtet wird, kann nicht im echten Sinne als Ergebnis derselbenbetrachtet werden.

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Zur Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse

(1) Der Weg zur Erlangung von Erkenntnissen der übersinnlichen Welten, derin diesem Buche ausführlicher beschrieben worden ist, kann auch der«unmittelbare Erkenntnisweg» genannt werden. Neben ihm gibt es noch einensolchen, welchen man als «Gefühlsweg» bezeichnen kann. Doch wäre es ganzunrichtig, etwa zu glauben, daß der erstere mit der Ausbildung des Gefühlesnichts zu tun habe. Er führt vielmehr zur größtmöglichen Vertiefung desGefühlslebens. Doch wendet sich der «Gefühlsweg» eben unmittelbar an dasbloße Gefühl und sucht von diesem aus zu den Erkenntnissen aufzusteigen. Erberuht darauf, daß ein Gefühl, wenn sich die Seele ganz ihm hingibt einegewisse Zeit hindurch, sich in eine Erkenntnis, in eine bildhafte Anschauungverwandelt. (430) Wenn z. B. die Seele sich ganz ausfüllt durch Wochen,Monate, ja länger, mit dem Gefühle der Demut, so verwandelt sich derGefühlsinhalt in eine Anschauung. Man kann nun auch durch ein stufenweisesDurchmachen solcher Gefühle einen Weg in die übersinnlichen Gebiete finden.Doch ist er für den gegenwärtigen Menschen innerhalb der gewöhnlichenLebensbedingungen nicht leicht durchzuführen. Einsamkeit, Zurückgezogenheitvon dem Leben der Gegenwart ist dabei fast unerläßlich. Denn was dasalltägliche Leben bringt an Eindrücken, stört namentlich im Anfange derEntwickelung dasjenige, was die Seele durch Versenkung in bestimmte Gefühleerreicht. Dagegen ist der in diesem Buche geschilderte Erkenntnisweg in jedergegenwärtigen Lebenslage durchzuführen.

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Beobachtung besonderer Ereignisse und Wesen der Geisteswelt

(1) Es kann die Frage gestellt werden, ob die innere Versenkung und dieandern geschilderten Mittel zur Erlangung von übersinnlichen Erkenntnissennur die Beobachtung des Menschen zwischen Tod und neuer Geburt oderandere geistige Vorgänge im allgemeinen gestatten oder ob sie es auchermöglichen, ganz bestimmte Einzelvorgänge und Wesen, z. B. einenbestimmten Toten, zu beobachten. Darauf muß geantwortet werden: Wer sichdurch die geschilderten Mittel die Fähigkeit erwirbt zur Beobachtung dergeistigen Welt, der kann auch dazu gelangen, Einzelheiten zu beobachten,welche in derselben vor sich gehen. Er macht sich fähig, sich mit Menschen, diein der geistigen Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben, inVerbindung zu setzen. (431) Nur muß beachtet werden, daß dieses im Sinne derGeisteswissenschaft nur geschehen soll, nachdem man die regelrechte Schulungfür die übersinnlichen Erkenntnisse durchgemacht hat. Denn erst dann kann manin bezug auf besondere Ereignisse und Wesenheiten zwischen Täuschung undWirklichkeit unterscheiden. Wer einzelnes beobachten will ohne richtigeSchulung, der wird vielen Täuschungen zum Opfer fallen können. Selbst dasAnfänglichste: das Verstehen der Art, wie solche Eindrücke besondererTatsachen der übersinnlichen Welt zu deuten sind, ist nicht möglich ohnefortgeschrittene Geistesschulung. jene Schulung, welche in die höheren Weltenzur Beobachtung dessen führt, was in diesem Buche geschildert ist, sie führtauch dazu, das Leben eines einzelnen Menschen nach dem Tode verfolgen zukönnen; und nicht minder dazu, alle geistig-seelischen besonderen Wesen zubeobachten und zu verstehen, welche aus verborgenen Welten in die offenbarenhereinwirken. Doch ist sicheres Beobachten gerade des Einzelnen nur auf Grundder Erkenntnisse der allgemeinen, großen, jeden Menschen angehenden Welt-und Menschheitstatsachen der geistigen Welt möglich. Wer das eine begehrt,ohne das andere haben zu wollen, geht in die Irre. Es gehört nun einmal zu denErfahrungen, die man in bezug auf das Beobachten der geistigen Welt machenmuß, daß der Eintritt in diejenigen Gebiete des übersinnlichen Daseins, nachdenen man zu allererst begehrt, einem erst dann beschert wird, wenn man sichauf ernsten und schwierigen, nur den allgemeinen Erkenntnisfragen zugeneigtenWegen um das bemüht hat, was Aufschluß über den Sinn des Lebens gibt. Istman diese Wege in reinem, unegoistischem Erkenntnisdrange gegangen, dannist man erst reif, Einzelheiten zu beobachten, deren Anschauung vorher doch nurdie Befriedigung eines egoistischen Bedürfnisses wäre, auch wenn sich derVerlangende einredete, daß er nur aus Liebe – z.B. zu einem Toten – denEinblick in die geistige Welt erstrebe. (433) Der Einblick in das Besondere kannnur dem werden, der sich durch ernstes Interesse für geisteswissenschaftlicheAllgemeinheiten die Möglichkeit gewonnen hat, auch das Besondere ganz ohneegoistisches Begehren wie eine objektive wissenschaftliche Wahrheithinzunehmen.

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BESONDERE BEMERKUNGEN

(Zu S. 61 ff.) Auseinandersetzungen wie diejenigen, welche in diesem Buchegegeben werden über das Erinnerungsvermögen, können sehr leichtmißverstanden werden. Denn wer nur die äußeren Vorgänge betrachtet, demwird der Unterschied gar nicht ohne weiteres auffallen zwischen dem, was amTiere, ja selbst an der Pflanze geschieht, wenn so etwas eintritt, was derErinnerung gleicht, und dem, was hier für den Menschen als wirklicheErinnerung gekennzeichnet wird. Gewiß, wenn ein Tier eine Handlung eindrittes, viertes usw. Mal ausführt, so mag es sie so ausführen, daß sich deräußere Vorgang so darstellt, wie wenn Erinnerung und das mit dieser verknüpfteLernen vorhanden wären. ja, man mag, wie es einzelne Naturforscher und ihreAnhänger tun, sogar den Begriff der Erinnerung oder des Gedächtnisses soausdehnen, daß man sagt, wenn das Küchlein aus der Eischale kriecht, so picktes nach den Körnern, wisse sogar die Bewegungen des Kopfes und Körpers sozu machen, daß es zum Ziele komme. Das könne es nicht in der Eischale gelernthaben, sondern es sei gelernt durch die tausend und aber tausend Wesen, vondenen es abstammt (so sagt z.B. Hering). Man kann die Erscheinung, die hiervorliegt, als etwas bezeichnen, was wie Erinnerung aussieht. Aber man wird niezum wirklichen Begreifen der menschlichen Wesenheit kommen, wenn mannicht das ganz Besondere ins Auge faßt, was im Menschen als der Vorgang deswirklichen Wahrnehmens früherer Erlebnisse in späteren Zeitpunkten auftritt,nicht bloß als ein Hineinwirken früherer Zustände in spätere. (434) Hier indiesem Buche wird Erinnerung dieses Wahrnehmen des Vergangenen genannt,nicht bloß das – selbst veränderte – Wiederauftreten des Früheren in demSpäteren. Wollte man das Wort Erinnerung schon für die entsprechendenVorgänge im Pflanzen- und Tierreiche gebrauchen, so müßte man ein anderesfür den Menschen haben. Es kommt bei der obigen Darstellung dieses Buchesgar nicht auf das Wort an, sondern darauf, daß behufs Verständnisses dermenschlichen Wesenheit der Unterschied erkannt werden muß. Ebensowenigkönnen scheinbar sogar sehr hohe Intelligenzleistungen von Tieren mit demzusammengebracht werden, was hier Erinnerung genannt wird.

(Zu S. 71 ff.) Zwischen den Veränderungen, welche sich durch die Tätigkeit desIch im Astralleibe vollziehen, und jenen, die im Ätherleibe vorgehen, läßt sicheine feste Grenze nicht ziehen. Es gehen die einen in die anderen über. Wennder Mensch etwas lernt und sich dadurch eine gewisse Fähigkeit des Urteileserwirbt, so ist eine Veränderung im Astralleibe eingetreten; wenn aber diesesUrteil seine Seelenverfassung ändert, so daß er sich gewöhnt, über eine Sachenach dem Lernen anders zu empfinden als vorher, so liegt eine Änderung imÄtherleibe vor. Alles, was so menschliches Eigentum wird, daß sich der Menschimmer wieder daran erinnern kann, beruht auf einer Änderung des Ätherleibes.Was nach und nach ein fester Schatz des Gedächtnisses wird, dem liegtzugrunde, daß sich die Arbeit am Astralleibe auf den Ätherleib übertragen hat.

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(Zu S. 85 f.) Der Zusammenhang von Schlaf und Ermüdung wird zumeist nichtin einer durch die Tatsachen geforderten Weise angesehen. (435) Man denkt, derSchlaf trete ein infolge der Ermüdung. Daß diese Vorstellung viel zu einfach ist,kann jedes Einschlafen eines oft gar nicht ermüdeten Menschen beim Anhöreneiner ihn nicht interessierenden Rede oder bei ähnlicher Gelegenheit zeigen.Wer behaupten will, bei solcher Veranlassung ermüde eben der Mensch, dererklärt doch nach einer Methode, welcher der rechte Erkenntnisernst mangeltUnbefangene Beobachtung muß denn doch darauf kommen, daß Wachen undSchlafen verschiedene Verhältnisse der Seele zum Leibe darstellen, die imregelmäßigen Lebensverlaufe in rhythmischer Folge wie linker und rechterPendelausschlag auftreten müssen. Es ergibt sich bei solch unbefangenerBeobachtung, daß das Erfülltsein der Seele mit den Eindrücken der Außenweltin dieser die Begierde erweckt, nach diesem Zustand in einen anderneinzutreten, indem sie im Genuß der eigenen Leiblichkeit aufgeht. Es wechselnzwei Seelenzustände: Hingegebensein an die Außeneindrücke undHingegebensein an die eigene Leiblichkeit. In dem ersten Zustande wirdunbewußt die Begierde nach dem zweiten erzeugt, der selbst dann imUnbewußten verläuft. (436) Der Ausdruck der Begierde nach dem Genusse dereigenen Leiblichkeit ist die Ermüdung. Man muß also eigentlich sagen: manfühle sich ermüdet, weil man schlafen will, nicht man wolle schlafen, weil mansich ermüdet fühle. Da nun die Menschenseele durch Gewöhnung die imnormalen Leben notwendig auftretenden Zustände auch willkürlich in sichhervorrufen kann, so ist es möglich, daß sie, wenn sie sich für einen gegebenenäußeren Eindruck abstumpft, in sich die Begierde hervorruft nach dem Genußder eigenen Leiblichkeit; das heißt, daß sie einschläft, wenn durch die innereVerfassung des Menschen keine Veranlassung dazu ist.

(Zu S. 125 - 127) Daß die persönlichen Gaben des Menschen, wenn sie demGesetz der bloßen «Vererbung» unterlägen, sich nicht am Ende, sondern amAnfange einer Blutsgenossenschaft zeigen müßten, könnte als Ausspruchnatürlich leicht mißverstanden werden. Man könnte sagen, ja, sie können sich dadoch nicht zeigen, denn sie müssen sich ja eben erst entwickeln. Aber dies istkein Einwand; denn wenn man beweisen will, daß etwas von einemvorhergehenden vererbt ist, so muß man zeigen, wie sich an dem Nachkommendas wiederfindet, was vorher schon da war. Zeigte sich nun, daß etwas amAnfange einer Blutsgenossenschaft da wäre, was im weiteren Verlaufewiedergefunden würde, so könnte man von Vererbung sprechen. Man kann esaber nicht, wenn am Ende etwas auftritt, was vorher nicht da war. DieUmkehrung des Satzes oben sollte nur zeigen, daß der Vererbungsgedanke einunmöglicher ist.

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(Zu Seite 148 f.) Es ist in einzelnen Kapiteln dieses Buches dargestellt worden,wie die Welt des Menschen und er selbst hindurchschreiten durch die Zustände,welche mit den Namen Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus, Vulkanbezeichnet worden sind. Es ist auch angedeutet worden, in welchemVerhältnisse die menschliche Entwickelung zu Himmelskörpern steht, welcheneben der Erde vorhanden sind und welche als Saturn, Jupiter, Mars usw.angegeben worden sind. Diese letzteren Himmelskörper machen naturgemäßauch ihre Entwickelung durch. (437) Im gegenwärtigen Zeitraum sind sie aufeiner solchen Stufe angekommen, daß sich ihre physischen Teile derWahrnehmung als dasjenige zeigen, was in der physischen Astronomie Saturn,Jupiter, Mars usw. genannt wird. Wenn nun im geisteswissenschaftlichen Sinneder gegenwärtige Saturn betrachtet wird, so ist er gewissermaßen eineWiederverkörperung dessen, was der alte Saturn war. Er ist entstanden, weil vorder Trennung der Sonne von der Erde gewisse Wesenheiten vorhanden waren,welche die Trennung nicht mitmachen konnten, weil sie sich so viel von jenenEigenschaften eingegliedert hatten, welche dem Saturndasein angemessen sind,daß ihr Platz nicht da sein konnte, wo vorzüglich die Sonneneigenschaftenentfaltet werden. Der gegenwärtige Jupiter ist aber dadurch entstanden, daßWesen vorhanden waren, welche Eigenschaften hatten, die erst auf demkünftigen Jupiter der Gesamtentwickelung sich entfalten können. Für sieentstand ein Wohnplatz, in dem sie diese spätere Entwickelung schonvorausnehmen können. So ist der Mars ein Himmelskörper, in dem Wesenheitenwohnen, welche die Mondenentwickelung so durchgemacht haben, daß ihnenein weiterer Fortschritt auf der Erde nichts geben könnte. Der Mars ist eineWiederverkörperung des alten Mondes auf einer höheren Stufe. Dergegenwärtige Merkur ist ein Wohnplatz für Wesen, welche derErdenentwickelung voraus sind, aber gerade dadurch, daß sie gewisseErdeneigenschaften in einer höheren Art ausgebildet haben, als dies auf der Erdegeschehen kann. Die gegenwärtige Venus ist eine prophetische Vorausnahmedes künftigen Venuszustandes in einer ähnlichen Art. Aus alledem rechtfertigtsich, wenn die Benennungen der Zustände, welche der Erde vorausgegangensind und ihr nachfolgen, nach ihren gegenwärtigen Repräsentanten im Weltallgewählt werden. Es ist ganz selbstverständlich, daß gegen das hier Vorgebrachtederjenige wird viel einzuwenden haben, der die Parallelisierung der übersinnlichgeschauten Saturn-, Sonnen- usw. (438) Zustände mit den gleichbenanntenphysischen Himmelskörpern dem Urteile des an der äußern Naturbeobachtungherangezogenen Verstandes unterwerfen will. Aber wie es eine Möglichkeitgibt, das Sonnensystem durch die Mittel der mathematischen Vorstellung alsBild des räumlich-zeitlichen Geschehens vor die Seele zu stellen, so ist es derübersinnlichen Erkenntnis möglich, das mathematische Bild mit seelischemInhalte zu durchsetzen. Dann aber gestaltet es sich so, daß die oben angegebeneParallelisierung statthaft wird. Dieses Durchsetzen mit seelischem Inhalte liegtaber auch durchaus in der weiteren Durchführung der strengnaturwissenschaftlichen Betrachtungsart.

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Diese Betrachtungsart beschränkt sich allerdings gegenwärtig noch darauf, einWechselverhältnis des Sonnensystems und der Erde nach rein mathematisch-mechanischen Begriffen zu suchen. Indem sie dieses tut, wird dieNaturwissenschaft der Zukunft durch sich selbst zu Vorstellungen getriebenwerden, welche das Mechanische zum Seelischen erweitern. Zu zeigen, wasdurchaus geschehen könnte, daß solche Erweiterung schon auf der Grundlagegegenwärtiger, naturwissenschaftlicher Vorstellungen geschehen sollte, dazumüßte ein eigenes Buch geschrieben werden. Hier kann nur auf das in BetrachtKommende hingedeutet werden, was allerdings zur Folge hat, daß dasAngedeutete manchem Mißverständnis ausgesetzt werden muß. (439)Geisteswissenschaft stimmt eben oft nur scheinbar mit der Naturwissenschaftnicht überein, weil die letztere Wissenschaft gegenwärtig noch durchaus nichtVorstellungen bilden will, die nicht nur von der übersinnlichen Erkenntnis, son-dern auch von derjenigen in Wahrheit gefordert werden, die sich an dasSinnenfällige hält. Ein unbefangener Betrachter kann in dennaturwissenschaftlichen Beobachtungsergebnissen der Gegenwart überallHinweise auf rein sinnenfällige andere Beobachtungsgebiete sehen, die inZukunft rein naturwissenschaftlich werden in Angriff zu nehmen sein und diezeigen werden, daß, was übersinnliches Schauen offenbart, durchNaturbetrachtung voll bestätigt wird, soweit diese übersinnliche Erkenntnis aufsolches übersinnliches Weltgeschehen sich bezieht, dem eine sinnenfälligeOffenbarung entspricht.

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Hinweise des Herausgebers

Textkorrekturen

Namenregister

Bibliographischer NachweisLiteraturangaben

Rudolf Steiner – Leben und Werk

Übersicht über dieRudolf Steiner Gesamtausgabe

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Hinweise zum Text

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in denHinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersichtam Schluß des Bandes.

Zu Seite

9Julius Robert von Mayer, 1814 - 1878, Arzt und Physiker, entdeckte dasGesetz von der Erhaltung der Energie.

Hermann von Helmboltz, 1821 - 1894, bahnbrechender Mediziner, Anatom,Physiologe und Physiker.

James Prescott Joule, 1818 - 1889, engl . Physiker, bestimmte u. a. die Mengeder durch mechanische Arbeit erzeugten Wärme.

Rudolf Emanuel Clausius, 1822 - 1888, Physiker, Begründer der mechanischenWärmetheorie.

11Johann Friedrich Herbart, 1776 - 1841, Philosoph und einflußreicher Pädagoge.

12William James, 1842 - 1910, amer. Psychologe, Philosoph undReligionspsychologe, Begründer des Pragmatismus.

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12

Ferdinand Canning Scott Schiller, 1864 - 1937, engl. Philosoph, verband denPragmatismus mit dem Humanismus.

«Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung»(1886), GA 2.«Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer Philosophie der Freiheit» (1892),GA 3.«Die Philosophie der Freiheit» (1894), GA 4.«Goethes Weltanschauung» (1897), GA 6.

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«Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert», 2 Bde. 1900/01.Erweiterte Neuausgabe unter dem Titel «Die Rätsel der Philosophie in ihrerGeschichte als Umriß dargestellt», 2 Bde. (1914), GA 18.«Haeckel und seine Gegner» (1900), wiederabgedruckt in den GesammeltenAufsätzen«Methodische Grundlagen der Anthroposophie 1884 - 1901», GA 30,S. 152-201.

«Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis undMenschenbestimmung» (1904), GA 9.

die Philosophie des "Als ob": Siehe Hans Vaihinger (1852-1933), «DiePhilosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und religiösenFiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus. Miteinem Anhang über Kant und Nietzsche», Berlin 1911.

Bergsonismus: Philosophie Henri Bergsons (1859 - 1941) und seiner Schule.

«Kritik der Sprache»: Siehe Fritz Mauthners (1849 - 1923) Werke, u. a.«Beiträge zu einer Kritik der Sprache», 3 Bde., Stuttgart 1901/02.

13

daß er ihm sogar «Welt- und Lebensanschauungen im neunzehntenJahrhundert» gewidmet hat. – Die gedruckte Widmung Rudolf Steiners imersten Band dieses Werkes lautet: «Prof. Dr. Ernst Haeckel widmet dieses Buchin herzlicher Hochschätzung der Verfasser.»

25

als letztes Kapitel meinem lange vorher erschienenen Buche «Theosophie»anzufügen: Im Manuskript Plural: «als letzte Capitel». In Rudolf SteinersNachlaß hat sich ein 62-seitiges Manuskript gefunden, das vmtl. auf diesenursprünglichen Plan, die Kosmologie als letzte Kapitel der «Theosophie»anzufügen, zurückgeht. – Auch nachdem dieser Plan nicht so ausgeführt wordenwar und Steiner die «Geheimwissenschaft» als selbständiges Buch ausgearbeitethatte, verstand er dieses Werk als Fortsetzung der «Theosophie»: In der von ihmbegründeten und herausgegebenen Zeitschrift «Lucifer – Gnosis» (Nr. 33[1907], S. 671) wird nach einem Hinweis auf die vorbereitete zweite Auflageder «Theosophie» die «Geheimwissenschaft» in diesem Sinne angekündigt:«Nunmehr wird auch in kürzester Zeit die Fortsetzung dieses Buches unter demTitel Geheimwissenschaft erscheinen.»

25 «Theosophie»: Siehe Hinweis zu S. 12.

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26 «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904/05), GA10.

28 «Theosophie»: Siehe Hinweis zu S. 12.

29 Von mancher Seite wurde gesagt, was «Wissenschaft» sein will, darf nicht«geheim» sein: Vgl. die frühe Rezension von Wincenty Lutoslawski,

«Rudolf Steiners sogen. «Geheimwissenschaft» in der Zeitschrift "Hochland",Jg. 1910/11, Heft 1, München Oktober 1910, S. 45 - 58, deren erster Abschnittgleich diesen Einwand vorbringt: «Der Ausdruck «Geheimwissenschaft» enthälteinen Widerspruch wie etwa «trockene Nässe» oder «helle Dunkelheit».Wissenschaft und Geheimniskrämerei sind einander entgegengesetzt wie Tagund Nacht. »

34 was Goethe im Sinne hat, wenn er von den «offenbaren Geheimnissen» inden Welterscheinungen spricht: «Es gibt so viel offenbare Geheimnisse, weildas Gefühl derselben bei wenigen ins Bewußtsein tritt und diese denn, weil siesich und andere zu beschädigen fürchten, eine innere Aufklärung nicht zumWorte kommen lassen.» Goethe an Ch. L. E Schultz, 28. November 1821,«Goethes Werke», Weimarer Ausgabe, IV. Abt», 35. Bd. (1906), S. 192.

Fußnote: Es ist vorgekommen: Siehe Hinweis zu S. 29.

55 «Theosophie»: Siehe Hinweis zu S. 12.

57 Alle Organe werden in ihrer Form und Gestalt durch die Strömungen undBewegungen des Ätherleibes gehalten: Vgl. hierzu den vom 20. - 28. März 1911in Prag gehaltenen Vortragszyklus «Eine okkulte Physiologie», GA 128,besonders die Ausführungen im 5. Vortrag.

68 Eduard von Hartmann, 1842-1906, «System der Philosophie imGrundriß", Bd. III «Grundriß der Psychologie», Bad Sachsa 1908,

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S. 55f. Bei Hartmann wörtlich: «kürzerer Ersatz» statt «kurzer Ersatz».

81 «Die Natur hat den Tod erfunden, um viel Leben zu haben»: Wörtlich:«Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod ist ihr Kunstgriff, viel Leben zuhaben.» Goethe, «Die Natur», Aphoristisch, in «NaturwissenschaftlicheSchriften», herausgegeben und kommentiert von Rudolf Steiner in Kürschners«Deutsche National-Litteratur", 5 Bde. (1884 - 1897), Nachdruck Dornach 1975,GA 1 a - e, Bd. 2, GA 1b, S. 8.

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97 Moritz Benedikt, 1835 - 1920, schildert in seiner Selbstbiographie «Ausmeinem Leben. Erinnerungen und Erörterungen», Wien 1906, S. 35, diesenFall wie folgt: «Sehr liebte ich von Kindheit auf das Wasser, wobei ich mancheserlebte, das mir im Gedächtnis blieb. Ich bemühte mich, Naturschwimmer zusein, wobei es mir im offenen Donaubade passierte, daß ich unterging. ZumGlücke fuhr ich an einen Pfosten an, der als Marke für Badende diente. Es warwohl kaum mehr als eine halbe Minute, daß ich das Bewußtsein hatte, jetztertrinke ich. Dabei machte ich die merkwürdige Selbstbeobachtung, daß indieser kurzen Zeit sämtliche Erinnerungen meines Lebens vor mir in rasenderEile vorübergingen. Diese Beobachtung ist in der Psychologie bekannt; selbsterlebt haben es wenige. Ich war damals etwa 12 Jahre alt ...»

124 Familie Bach: Deutsche Musikerfamilie des 17. und 18 .Jahrhunderts, ausderen Mitte über 50 z. T. sehr berühmte Musiker hervorgegangen sind.

Familie Bernoulli ... Mathematiker, die zum Teil in ihrer Kindheit zu ganzanderen Berufen bestimmt waren: Hervorragende Basler Mathematikerfamiliedes 17. und 18. Jahrhunderts. Jacob L (1654 -1705) studierte Theologie, Johann1. (1667 -1748) studierte zunächst Medizin, Jacob Hermann (1678-1733)studierte zuerst Theologie, Nicolaus 1. (1687-1759) studierte Jurisprudenz,Nicolaus 11. (1695-1726) studierte Mathematik und Jurisprudenz, Daniel (1700- 1782) studierte Medizin.

134f. Immanuel Hermann Fichte, 1796 -1879, Philosoph, Herausgeber derWerke seines Vaters Johann Gottlieb Fichte. «Anthropologie», Leipzig 1860,S. 528 u. 532.

des großen Fichte: Johann Gottlieb Fichte, 1762 - 1814, Philosoph.

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166ff. Seraphime ... Cherubime: Zur Schreibweise der Engelnamen: Invorliegendem Werk verwendet Rudolf Steiner die grammatikalisch zwarfalsche, aber spätestens seit dem 16. Jahrhundert im Deutschen eingebürgertePluralform Seraphime, Cherubime statt hebräisch korrekt Seraphim, Cherubim(Singular: Seraph, Cherub). Bei anderen Gelegenheiten schrieb er auch beidePluralformen, so z. B. in «Aus der Akasha-Chronik» (1904 - 1908),GA 11, S. 167: «Seraphime (Seraphim)» oder auch nur die hebräisch korrektePluralform(a. a. O., S. 168f): «die Seraphim und Cherubim».

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255 in meiner kleinen Schrift «Unsere atlantischen Vorfahren,»: Zuersterschienen als Kapitel von «Aus der Akasha-Chronik» in der von Rudolf Steinerbegründeten und herausgegebenen Zeitschrift «Lucifer Gnosis», Nr. 14 -16 (Juli- September1904). Als selbständige Ausgabe erstmals: «Unsere atlantischenVorfahren», Berlin 1908. jetzt enthalten in «Aus der Akasha-Chronik»(1904-1908), GA 11, S. 21-56.

259 «Atlantis»: Vgl. Plato, «Timaios» 24e-25e und «Kritias» 112e -121c

288f. «Lieber ein Bettler auf der Erde als ein König im Reich der Schatten»:Die Seele des Achilles, durch Totenopfer aus dem Hades heraufbeschworen,spricht zu Odysseus:

«Du, verrede mir nicht den Tod, erlauchter Odysseus.Wär’ ich doch lieber ein Knecht und duldete Fron auf dem Acker,Einem erbärmlichen Mann von kärglicher Nahrung verdungen,Als hier unten den König im Reich verstorbener Toten.»

(Homer, «Odyssee», XI. Gesang, übers. von R. A. Schröder)

294 «Ich und der Vater sind Eins.»: Joh. 10, 30.

297 Die christliche Mystik: Vgl. hierzu Rudolf Steiner, «Die Mystik imAufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernenWeltanschauung» (1901), GA 7.

Meister Eckhart, 1260 - 1327, Mystiker, Dominikaner.

Johannes Tauler, 1300 - 1361, Mystiker, Dominikaner.

313 «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»: Siehe Hinweis zuS. 26.

332 «Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt»: Goethe «Faust» II, 2. Akt,Klassische Walpurgisnacht, Am untern Peneios, Vers 7488.

«In der Idee leben ... »: Goethe, «Sprüche in Prosa», in «NaturwissenschaftlicheSchriften» (siehe Hinweis zu S. 81), Bd. 5, GA l d, S. 457.Auch in Goethe, «Maximen und Reflexionen».

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334 eine schöne Legende: Ein Gedicht des persischen Dichters Nisami(Nezamii) (1141 -1209). In deutscher Übersetzung: «Herr Jesus, der die Weltdurchwandert’ ... », u. a. mitgeteilt in Goethes «Noten und Abhandlungen zubesserem Verständnis des West-östlichen Divans», Abschnitt «Allgemeines».

337«Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»: Siehe Hinweis zuS. 26.

343 «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung»: «Grundlinien einerErkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung», siehe Hinweis zu S. 12.

«Die Philosophie der Freiheit»: Siehe Hinweis zu S. 12.

346 «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»: Siehe Hinweis zuS. 26.

426 «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte derGeisteswissenschaft»: Zuerst erschienen als Beitrag in der von Rudolf Steinerbegründeten und herausgegebenen Zeitschrift «Lucifer - Gnosis», Nr. 33 [1907].Als selbständige Ausgabe unter demselben Titel erstmals: Berlin 1907. Jetztenthalten in «Lucifer-Gnosis», GA 34, S. 309 - 346.Auch als Einzelausgabe.

434 so sagt z.B. Hering. - Ewald Hering (1834-1918), «Über das Gedächtnisals eine allgemeine Funktion der organisierten Materie», Wien 1870.

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NAMENREGISTER

Ahriman 256, 281, 287, 289, 290, 292, 295, 358, 390Ahura Mazdao 281Angeloi 31, 166, 183Angra mainju 281Archai 163Archangeloi 31, 165, 181

Bach (Familie) 124Benedikt, Moritz 97Bernoulli (Familie) 124

Cherubime 167, 183Christus 258, 261-264, 270-275, 281, 291 -295, 334, 394f, 404f., 407, 409, 415Clausius, Rudolf Emanuel 9

Darwin, Charles 134Dynameis 162

Eckhart, Meister 297Exusiai 162

Fichte, Immanuel Hermann 134Fichte, Johann Gottlieb 134

Goethe, Johann Wolfgang von 12, 34, 81, 256, 332, 343

Haeckel, Ernst 12 f.Hartmann, Eduard von 68Helmboltz, Hermann von 9Herbart, Johann Friedrich 11Hering, Ewald 434Hermes 283f, 286f.

James, William 12Joule, James Prescott 9Jupiter 285

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NAMENREGISTER

Kant, Immanuel 11Kyriotetes 161

Luzifer 249-251, 255-261, 263, 270, 278, 280, 289f, 295, 358, 380, 390

Manto 332

Mayer, Julius Robert von 9Mephistopheles 256, 270Moses 291

Ormuzd 281Osiris 284

Pythagoras 286

Raffael 356

Schiller, Ferdinand CanningScott 12Seraphime 166, 182

Steiner, Rudolf 15, 23, 24, 32Werke: Grundlinien einer Erkenntnistheorie ... (GA 2) 12, 343Wahrheit und Wissenschaft (GA 3) 12Die Philosophie der Freiheit (GA4) 12, 343Goethes Weltanschauung (GA 6) 12Das Christentum als mystische Tatsache ... (GA8) 286Theosophie (GA 9) 12, 25, 28, 55Wie erlangt man Erkenntnisse ... (GA 10) 26, 313, 337, 346Unsere atlantischen Vorfahren (in GA 11) 255Welt- und Lebensanschauungen ... ([GA 18]) 12f.Die Rätsel der Philosophie ... (GA 18) 12Haeckel und seine Gegner (in GA 30) 12f.Die Erziehung des Kindes (in GA34) 426«andere Schriften» 288

Tauler, Johannes 297Throne 162, 168, 191f., 253

Zarathustra 279-281, 283, 286f.Zeus 285Zoroaster s. Zarathustra

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BIBLIOGRAPHISCHER NACHWEIS

1. Auflage, Leipzig 19102. und 3. Auflage, Leipzig 19104. Auflage, vielfach ergänzt und erweitert, Leipzig 19135. und 6. Auflage, Leipzig 19137.-15. Auflage, vielfach umgearbeitet, ergänzt und erweitert, Leipzig 192016. - 20. Auflage, Dornach 1925 (Copyright 1923) (letzte von Rudolf Steinerbesorgte Ausgabe [Ausgabe letzter Hand], im wesentlichen unverändert, neueVorrede)(21. Auflage) 21.-25. Tsd., Dornach 1930(22. Auflage) 26.-28. Tsd., Dornach (1937)(23. Auflage) 29.-31. Tsd., Dornach 1938(24. Auflage) 32.-35. Tsd., Dornach 1946(25. Auflage) 36.- 45. Tsd., (bezeichnet als 1. -10. Tsd. der deutschenLizenzausgabe, Stuttgart 1948)26.Auflage, 46.-51. Tsd., Stuttgart 1955 (Abkürzungen, Orthographie undInterpunktion z.T. vereinheitlicht)Gesamtausgabe Dornach:27. Auflage, 52. - 57. Tsd., 1962 (mit dem Manuskript verglichen,Wiedereinfügung einer seit 1920 versehentlich weggefallenen Stelle)28. Auflage, 58.-63. Tsd., 1968 (Wiedereinfügung dreier seit 1920 versehentlichweggefallenen Stellen)29. Auflage, 64.- 68, Tsd., 1977 (chronologische Anordnung derVorbemerkungen bzw. Vorreden)30. Auflage, 69.- 73. Tsd., 1989 (mit der Ausgabe letzter Hand verglichen)Taschenbuchausgabe Dornach1. - 10. Tsd. 197211.-20. Tsd. 197621.-30. Tsd. 197931.-50. Tsd. 198151.-60.Tsd.198561. - 80. Tsd. 198 781. - 90. Tsd. 1993

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LITERATURHINWEIS

(GA - Rudolf Steiner Gesamtausgabe / TB - Rudolf Steiner Taschenbücher)

ZurWeiterführung und Vertiefung der Darstellungen des vorliegendenBandes sei auf folgende Ausgaben von Rudolf Steiner verwiesen:

Schriften,

Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904/05) GA 10 (Tb 600)Aus derAkaska-Chronik (1904-08) GA 11 (Tb 616)Von Seelenrätseln (1917) GA 21 (Tb 637)

Vorträge

Vor dem Tore der Theosophie. 14 Vorträge Stuttgart 1906. GA 95 (Tb 659)Die Theosophie des Rosenkreuzers. 14 Vorträge München 1907 GA 99 (Tb643)Die Apokalypse des Johannes, 13 Vorträge Nürnberg 1908. GA 104 (Tb 672)Welt, Erde und Mensch. 11 Vorträge Stuttgart 1908. GA 105Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt.Tierkreis, Planeten, Kosmos. 10 Vorträge und 2 FragenbeantwortungenDüsseldorf 1909. GA 110Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. 11 Vorträge München,1910. GA 122 (Tb 706)Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen. 5 Vorträge Berlin, 1911.GA 132Der irdische und der kosmische Mensch. 9 Vorträge Berlin 1911/12. GA 133Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen.11 Vorträge Helsingfors 1912. GA 136Der Mensch im Lichte' von Okkultismus, Theosophie und Philosophie.10 Vorträge Kristiania (Oslo) 1912. GA 137Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu denkosmischen Tatsachen. 10 Vorträge Berlin 1912 / 13. GA 141Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt.8 Vorträge Wien 1914. GA 153 (Tb 663)Weltwesen und Ichheit. 7 Vorträge 1916. GA 169Kosmische und menschliche Metamorphose. 7 Vorträge Berlin 1917In Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. GA 175Erdensterben und Weltenleben. 7 Vorträge Berlin 1918. In GA 181

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RUDOLF STEINER – LEBEN UND WERK

Das Lebenswerk Rudolf Steiners ist überliefert in den geschriebenen Werkenund in den Nachschriften seiner stets frei gehaltenen Vorträge. Hinzu kommenzahlreiche künstlerische Arbeiten, von denen die beiden Goetheanumbautenweltweite Beachtung gefunden haben. Seine Ausführungen über Pädagogik,Landwirtschaft, Medizin, Nationalökonomie usw. führten zur Begründungzahlreicher Einrichtungen, die als Bereicherung des öffentlichen Kulturlebensimmer mehr Anerkennung finden.

Im Auftrag Rudolf Steiners hat Marie Steiner von Sivers dieVortragsnachschriften durchgesehen und veröffentlicht. Nach ihrem Tod (1948)wurde gemäß ihren Richtlinien von der durch sie 1943 begründeten RudolfSteiner-Nachlaßverwaltung mit der Herausgabe der Rudolf SteinerGesamtausgabe begonnen. Diese wird etwa 350 Bände umfassen. In den beidenersten Abteilungen erscheinen die Schriften und das Vortragswerk, in der drittenAbteilung wird das Künstlerische Werk in entsprechender Form wiedergegeben.

Einen systematischen Überblick über die Gesamtausgabe (GA) gibt der Band«Bibliographische Übersicht. Das literarische und künstlerische Werk vonRudolf Steiner». Über den jeweiligen Stand der erschienenen Bände orientierendie Bücherverzeichnisse und der Gesamtkatalog des Rudolf Steiner Verlages.

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Chronologischer Lebensabriß

(zugleich Übersicht über die geschriebenen Werke)

1861Am 27. Februar wird Rudolf Steiner in Kraljevec (damals Österreich-Ungarn,heute Kroatien) als Sohn eines Beamten der österreichischen Südbahn geboren.Seine Eltern stammen aus Niederösterreich. Er verlebt seine Kindheit undJugend an verschiedenen Orten Österreichs.

1872Besuch der Realschule in Wiener-Neustadt bis zum Abitur 1879.

1882Erste schriftstellerische Tätigkeit.

1879-1882Studium an der Wiener Technischen Hochschule: Mathematik undNaturwissenschaft,zugleich Literatur, Philosophie und Geschichte. GrundlegendesGoethe-Studium.

1882-1897Herausgabe von Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften in Kürschners«DeutscheNational Litteratur», 5 Bände (GA 1 a-e). Eine separate Ausgabe derEinleitungen erschien 1925 unter dem Titel Goethes NaturwissenschaftlicheSchriften (GA 1).

1884-1890Privatlehrer bei einer Wiener Familie.

1886Berufung zur Mitarbeit bei der Herausgabe der großen «Sophien-Ausgabe» vonGoethes Werken.

Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mitbesondererRücksicht auf Schiller (GA 2)

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1888Redakteur bei der «Deutschen Wochenschrift», Wien (Aufsätze daraus in GA31). Vortrag im Wiener Goethe-Verein:

Goethe als Vater einer neuen Ästhetik (in GA 30).

1890-1897Weimar. Mitarbeit am Goethe- und Schiller-Archiv. Herausgeber von GoethesNaturwissenschaftlichen Schriften. Promotion zum Doktor der Philosophie ander Universität Rostock. 1892 erscheint die erweiterte Dissertation: Wahrheitund Wissenschaft.Vorspiel einer «Philosophie der Freiheit» (GA 3).

1894Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung.Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode (GA 4).

1895Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit (GA 5).

1897Goethes Weltanschauung (GA 6).

Übersiedlung nach Berlin. Herausgabe des «Magazin für Litteratur» und der«Dramaturgischen Blätter» zusammen mit O. E. Hartleben (Aufsätze daraus inGA 29-32). Wirksamkeitin der «Freien literarischen Gesellschaft» der «Freien dramatischenGesellschaft», im«Giordano Bruno-Bund», im Kreis der «Kommenden» u. a.

1899-1904Lehrtätigkeit an der von W. Liebknecht gegründeten Berliner«Arbeiter-Bildungsschule».

1900/01Welt- und Lebensanschauungen im 19. Jahrhundert, 1914 erweitert zu:Die Rätsel der Philosophie (GA 18).Beginn der anthroposophischen Vortragstätigkeit auf Einladung derTheosophischen Gesellschaft in Berlin.Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens (GA 7).

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1902-1912Aufbau der Anthroposophie. Regelmäßig öffentliche Vortragstätigkeit in Berlinund ausgedehnte Vortragsreisen in ganz Europa. Marie von Sivers (ab 1914Marie Steiner) wird seine ständige Mitarbeiterin.1902 Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien desAltertums (GA 8).

1903Begründung und Herausgabe der Zeitschrift «Luzifer», später «Lucifer -Gnosis»(Aufsätze in GA 34).Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis undMenschenbestimmung (GA 9).

1904/05Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (GA 10).Aus der Akasha-Chronik (GA 11). Die Stufen der höheren Erkenntnis (GA 12).

1910Die Geheimwissenschaft im Umriß (GA 13)

1910-1913In München werden die Vier Mysteriendramen (GA 14) uraufgeführt.

1911Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit (GA 15)

1912Anthroposophischer Seelenkalender. Wochensprüche (in GA 40, und separateAusgaben).Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen (GA 16).

1913Trennung von der Theosophischen und Begründung der AnthroposophischenGesellschaft.Die Schwelle der geistigen Welt (GA 17).

1913-1922Goetheanum in Dornach/Schweiz. Im gleichen Zeitraum entstanden in Dornachebenfalls nach Entwürfen Rudolf Steiners, mehrere Wohn- und Zweckbauten, sodas Haus Duldeck,Haus de Jaager, drei Eurythmiehäuser, Heizhaus, Transformatorenhäuschen,Glashaus, Verlagshaus u. a.

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1914-1923Dornach und Berlin. In Vorträgen und Kursen in ganz Europa gibt RudolfSteinerAnregungen für eine Erneuerung auf vielen Lebensgebieten: Kunst, Pädagogik,Naturwissenschaften, soziales Leben, Medizin, Theologie.Weiterbildung der 1912 inaugurierten neuen Bewegungskunst «Eurythmie».

1914Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt (GA 18).

1916-1918Vom Menschenrätsel (GA 20). Von Seelenrätseln (GA 21).Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen «Faust»und durch das «Märchen von der Schlange und der Lilie» (GA 22).

1919Rudolf Steiner vertritt den Gedanken einer «Dreigliederung des sozialenOrganismus»in Aufsätzen und Vorträgen, vor allem im süddeutschen Raum.

Die Kernpunkte der Sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten derGegenwart und Zukunft (GA 23).Aufsätze Über die Dreigliederung des sozialen Organismus (GA 24).Im Herbst wird in Stuttgart die «Freie Waldorfschule» begründet, die RudolfSteiner bis zu seinem Tode leitet.

1920Beginnend mit dem Ersten anthroposophischen Hochschulkurs finden im nochnicht vollendeten Goetheanum fortan regelmäßig Vorträge und künstlerischeVeranstaltungen statt.

1921Begründung der Wochenschrift «Das Goetheanum» mit regelmäßigen Aufsätzenund Beiträgen Rudolf Steiners (in GA 36).

1922Drei Schritte der Anthroposophie: Philosophie, Kosmologie, Religion (GA 25)In der Silversternacht 1922/23 wird der Goetheanumbau durch Brand vernichtet.Für einen neuen in Beton konzipierten Bau kann Rudolf Steiner in der Folge nurnoch ein erstes Außenmodell schaffen.

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1923Unausgesetzte Vortragstätigkeit, verbunden mit Reisen. Zu Weihnachten 1923Neubegründung der «Anthroposophischen Gesellschaft» als «AllgemeineAnthroposophische Gesellschaft» unter der Leitung Rudolf Steiners.

1923-1925unvollendet gebliebene Selbstbiographie Mein Lebensgang (GA 28)sowie Anthroposophische Leitsätze (GA 26) und arbeitet mitDr. Ita Wegman an dem BuchGrundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nachgeisteswissenschaftlichen Erkenntnissen (GA 27).

1924Steigerung der Vortragstätigkeit. Daneben zahlreiche Fachkurse. LetzteVortragsreisen in Europa. Am 28. September letzte Ansprache zu denMitgliedern. Beginn des Krankenlagers.

1925Am 30. März stirbt Rudolf Steiner in Dornach.