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TennisSport | 3_2017 | 4 Abschied vom Kolonnentraining | HISTORIE Mit der Zeit hat sich das Kinder- und Jugendtraining extrem weiterentwickelt. Dirk Ludwig blickt zurück in die Zeit der Holzschläger und erläutert, warum nicht alle Lehrmeinungen von früher ihre Berechtigung verloren haben und wieso Kinder nicht zu früh aus dem Midfeld ins Großfeld wechseln sollten. © YakobchukOlena / Fotolia.com © Rudel

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Abschied vom Kolonnentraining

| HISTORIE

Mit der Zeit hat sich das Kinder- und Jugendtraining extrem weiterentwickelt. Dirk Ludwig blickt zurück in die Zeit der Holzschläger und erläutert, warum nicht alle Lehrmeinungen von früher ihre Berechtigung verloren haben und wieso Kinder nicht zu früh aus dem Midfeld ins Großfeld wechseln sollten.

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Wurden oder werden Ten-nistrainer von interessier-ten Eltern gefragt, ab wel-chem Alter sie ihr Kind

zum Training oder Tennisunterricht bringen sollen und wie ihr Kind relativ schnell und erfolgreich Tennis spielen erlernt, sind die Antworten in den ver-gangenen Jahren und Jahrzehnten mit Sicherheit sehr differenziert ausgefal-len. Genaue Daten für die unterschiedli-chen Entwicklungen gibt es nicht. Man kann aber die groben Meilensteine in den wichtigsten und prägensten Lehr-meinungen und Veränderungen im Kin-der- und Jugendtennis darstellen.

In diesem Beitrag behandle ich daher das Thema „Kinder- und Jugendtennis: damals und heute“. Dabei werde ich die beiden Themen (damals – heute) zu ihrer jeweilig aktu-ellen Zeit separat beleuchten, positive und negative Dinge sowie eventuelle Schnittbereiche darstellen. Weiterhin möchte ich aufzeigen, welche Dinge im heutigen modernen Tennisunter-richt nicht mehr vorkommen sollten. Auch möchte ich hinterfragen, ob sich Lehrmeinungen und positive Aspekte von damals bis ins heutige Jugendtrai-ning gehalten haben. Und letztendlich möchte ich die aktuelle Lehrmeinung von „Play+Stay“, die in diesem Jahr zehn Jahre alt geworden ist, hervor-heben, aber auch einige methodische Aspekte hinterfragen.

Entwicklung des Kinder- und Jugendtennis

In den 1950-er Jahren gab es auf den deutschen Tennisanlagen nur sehr wenige Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zum Tennisspielen zu bringen. Einige tennisbegeisterte Eltern nahmen ihre Kinder mit zum Tennisplatz, und diese durften mal ihre Ballkünste ausprobieren, wenn es überhaupt Gelegenheit dazu gab. Allerdings waren diese Jugendlichen in der Regel schon zwölf Jahre oder älter. Spielen konnten sie mit schwe-ren Holzschlägern und Bällen von Erwachsenen, oft auch nur auf soge-nannten Behelfsfeldern neben den eigentlichen Tenniscourts oder zwi-schen zwei Bäumen mit Hilfe eines quer gespannten Netzes. Einige pfiffi-ge Eltern oder Tennislehrer schafften die ersten Erleichterungen für Kinder dadurch, indem sie den Schlägerschaft verkürzten, also mit einer Säge den Holzschläger absägten, damit er leich-ter war.

Äußerst selten kam man in die-ser Zeit auf die Idee, Kinder und Jugendliche zum Tennis durch Spie-len im T-Feld zu bringen. Man war der Ansicht, Tennis im halben Feld ist nur halbes Tennis und Turniere oder Training müssten im großen Feld stattfinden. Es konnte nach damaliger Meinung auch kein Fehler sein, Kin-der und Jugendliche möglichst bald an reale Tennisbedingungen auf dem Großfeld heranzuführen.

Demnach ist es auch nicht ver-wunderlich, dass die ersten Turniere für Jugendliche ausnahmslos auf dem Großfeld stattfanden. In den folgen-den Jahren war dies für Lerneinsteiger immer schwieriger, da jüngere Kinder in den weißen Sport drängten, aber dennoch im ganzen Feld spielen muss-ten. Die Folge waren stundenlange Spiele, wenn sich Sechs- bis Neunjäh-rige Spieler und Spielerinnen mit sehr hohen Grundlinienduellen und vielen Lobs duellierten.

Talentierte Kinder waren zu der Zeit meist fähig, Schmetterbälle oder Volleys zu spielen, aber wegen der etwas kleineren Größe ihres Körpers und damit geringerer Reichweite am Netz trauten sich die jungen Akteu-re kaum, ans Netz vorzurücken, weil dies fast immer einem Punktverlust gleichkam.

In den 70-er Jahren kam der Sin-neswandel bei vielen Trainern und Eltern, der sich auch recht zügig voll-zog. Zunächst kamen kürzere Schläger für Kinder und Jugendliche auf den Markt, mit dünneren Griffen, leich-terem Gewicht und kürzerem Schaft. Auch Holzschläger wurden langsam ad acta gelegt, da neuere Materialien wie Kunststoff und Metall auf den Markt drängten.

Gleichzeitig wurde zu dieser Zeit auch schon mit leichteren und damit langsameren Bällen experimentiert. Es wurden Schaumstoffbälle produziert, die Lernanfängern ein schnelleres Erfolgserlebnis beim richtigen Treffen des Balls bescheren sollten. Allerdings sorgten die Anfälligkeit der leichteren Bälle bei Wind im Freien und das feh-lende Schlaggeräusch dafür, dass sie sich nicht durchsetzen.

Den Durchbruch schaffte das Kin-der- und Jugendtennis schließlich durch Lernbälle aus Schweden, die ähnlich wie normale Tennisbälle aus-sahen, aber viel leichter und weicher waren, langsamer flogen als norma-le Bälle. Diese Bälle werden heute als sogenannte Lernbälle, Easy-play oder

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Schultennisbälle angeboten, sie sind mit der „Stufe Orange“ des heutigen Play+Stay-Konzeptes vergleichbar. Im Einsteigertennis werden heute noch leichtere Bälle „Stufe Rot“ oder sogar noch größere Bälle angeboten, was den Einstieg nochmals erleichtert.

Auch Kleinfelder entstanden zu die-ser Zeit, was einen optimalen Einstieg für Kindertennis bedeutete. Offiziell vorgestellt wurde Kleinfeldtennis erst-malig beim ersten Bundeskongress des Verbandes Deutscher Tennislehrer vor fast 30 Jahren. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) interessierte sich ebenfalls kurz danach mehr und mehr für Klein-feldtennis und erstellte Regeln, Maße und Durchführungsbestimmungen für diese Sparte im Jüngstentennis.

Heute ist Kleinfeldtennis aus dem täglichen Training nicht mehr weg-zudenken, es hat sich als sinnvoll zur adäquaten Entwicklung der Kleinsten erwiesen. Technik und Taktik werden in erster Linie spielerwisch erworben, Spaß und Motivation sollen durch die Trainerinnen und Trainer vorgelebt werden. Auch das Gruppentraining ist heutzutage ein sehr wichtiger Baustein für das soziale Miteinander auf dem Tennisplatz, nicht nur aus Kostengrün-den, sondern auch als Motivation und Anpassen in einer Gruppe. Talentierten Kindern sollten auf jeden Fall schon in

dieser Könnensstufe die technischen und taktischen Komponenten aller wichtigen Schläge wie Vorhand, Rück-hand, Volley, Aufschlag, Return und Slice beigebracht werden.

Methodische Grundsätze: technikorientiert/deduktiv und spielorientiert/induktiv War in den 50er und 60er Jahren unbestritten die Lehrmeinung, dass man Kindern und Jugendlichen Tennis durch reines Vormachen von Bewe-gungsanleitungen und Korbzuspiel des Trainers oder Elternteils von der Grundlinie beizubringen habe (techni-korientiert/deduktiv), so hat sich diese seit Beginn der 80-er Jahre gewaltig geändert. Heutzutage ist ein spiel- orientiertes und induktives Lernen bei allen Lernanfängern unerlässlich, auch im Erwachsenenbereich! Vor etwa 15 bis 20 Jahren herrschte auch bei vielen Erwachsenen die Meinung vor (und heute leider teilweise immer noch), dass man Tennis nur mit den normalen gelben Bällen und im Großfeld erler-nen sollte. Diese Auffassung sollten alle gut ausgebildeten Trainer allen Anfän-gern – Kindern wie Erwachsenen – ausreden können. Auch Erwachsene erlernen die ersten Schritte auf dem Tennisplatz sehr leicht und schnell mit den Methodikbällen der „Stufe Rot“,

zum Beispiel nach Lehrmeinung von „Tennis Xpress“. ,Spielerisches Erler-nen‘ und ,lernend spielen‘ heißt heute die Devise im Beginnertennis in allen Altersklassen. Gut ausgebildete und erfahrene Tennislehrer müssen in die-sen Bereichen induktiv arbeiten lassen, also vorrangig über differenzierte Auf-gabenstellungen technische Lösungen verschiedener Situationen ermögli-chen. Es macht erwiesenermaßen viel mehr Spaß, spielorientiert zu lernen, auch bei einem eventuell größeren Zeitaufwand, insbesondere bei Gleich-gesinnten wie Kindern oder Erwach-senen unter sich. Tennistrainer oder selbsternannte Tennislehrer, die leider heutzutage immer noch ausschließlich aus dem Korb anspielen und den Ballei-mer mit roboterartigem Zuspiel leeren, sollten sich langsam hinterfragen, ob sie noch zeitgemäß unterrichten. Den Anfängern wird so schnell der Spaß am Training und an dieser tollen Sport-art genommen. Es sind zwar deutlich weniger solche „Trainer“ geworden, aber es gibt sie leider immer noch, besonders in kleineren Vereinen.

Im Anfängerbereich hat sich also eindeutig die spielorientierte und induktive Lehrmeinung durchge-setzt. Allerdings ist manchmal auch eine technikorientierte und deduktive Lösung bei Bewältigung verschiedener Aufgaben sinnvoll – nur darf sie nicht die ganze Trainingseinheit in Anspruch nehmen. Bei etwas fortgeschrittenen Kindern und Jugendlichen, die sich leistungsmäßig gut entwickeln, ist ein sauberes Korbzuspiel oder auch Bal-lanwerfen aus der Hand des Trainers

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sinnvoll, wenn es sich um Bereiche wie Koordination, Timing oder auch Ball-kontrolle handelt. Jüngere Kinder kön-nen Distanzen beim Miteinander-Spie-len kaum regulieren, deswegen ist bei solchen Trainingsformen der Trainer gefragt. Er muss Übungen durch ein gutes Zuspiel oder auch Anwerfen von Bällen im Kleinfeld oder Midfeld gestalten können. Diesen Bereich hat der Autor dieses Beitrags beim diesjäh-rigen Internationalen DTB-Tenniskon-gress in Berlin im Kleinfeld demonst-rieren dürfen.

Hat in den früheren Jahren ein-deutig die technikorientierte und deduktive Lehrmeinung dominiert, so ist heutzutage also klar die spielorien-tierte und induktive Form des Tennis-lernens bedeutsam. Aber technikorien-tierte und deduktive Formen können bei bestimmten Aufgaben bei Optimie-rungen und Verfeinerungen von Bewe-gungen und Techniken sinnvoll ange-wendet werden, allerdings durch gut dosiertes Zuspiel oder Anwerfen des Trainers. Alle Grundsätze der „Treff-punktorientierten Methode“ kommen selbstverständlich auch beim spiele-rischen Lernen oder in der indukti-ven Methode zum Tragen, wenn der Spieler darauf achtet. Es ist hier kein wesentlicher Unterschied zur einsti-gen Lehrmeinung zu erkennen. Diese Methode hat nach wie vor ihre volle Berechtigung!

Man kann also feststellen, dass neben der induktiven und spielorien-tierten Methode heutzutage auch ein Korbanspiel des Trainers nach wie vor wie in den 70er Jahren seine volle Berechtigung hat, allerdings gilt dies vorrangig für bestimmte Aufgabenbe-reiche wie Distanzregulation, Timing und Ballkontrolle, die Anfänger oder leicht Fortgeschrittene in einem Mit-einanderspielen nicht lösen können. Auch gilt dies für bestimmte Spielzüge wie Angriffssituationen mit Volley- und Schmetterballabschluss sowie Kombi-nationen aus letzteren Schlägen, die ein Trainer durch ein gutes und sinnvolles Korbzuspiel am besten bewerkstelligen kann, damit diese Übungen auch funk-tionieren. Wenn es um Spielzüge geht, die einstudiert werden sollen, spielt selbst ein Roger Federer in Vorberei-tungen auf Turniere mit seinem Coach, der Bälle aus dem Korb anspielt. Hier lässt sich erkennen, dass die methodi-schen Grundsätze auch im Profibereich ihre Gültigkeiten haben, sowohl deduk-tiv als auch induktiv!

Auch im Kinder- und Jugendbe-reich muss unbedingt darauf geachtet

werden, dass nicht nur induktiv und spielorientiert gearbeitet wird, sondern auch technikorientiert und deduktiv. Denn nur durch viele Wiederholungen können sich die Talente verbessern und ihre verfeinerten Techniken und Spiel-züge auch taktisch anwenden.

Lernen und Üben in Gruppen War in den 50-er und 60-er Jahren Großgruppentraining für Beginner oder leicht Fortgeschrittene einfach undenkbar, auch aufgrund der Lehr-meinung des deduktiven und technik- orientierten Trainings, so ist es heute gerade im Anfängerbereich für einen guten und motivierten Trainer kein Problem, ein sinnvolles und erfolg-

reiches Gruppentraining zu planen und durchzuführen. Besonders im Kinder-garten- und Schultennis können um die 20 Kinder oder mehr ohne großen Auf-wand gemeinsam beschäftigt werden und erste Erfahrungen mit Lernbällen und Lernschlägern sammeln.

Kinder und Jugendliche, die mit zunehmendem Alter besser in ihrem technischen und taktischen Können werden, sollten mehr und mehr in klei-neren Gruppen gefördert werden, um ihre Entwicklung schneller voranzu-treiben. Auch ein Einzeltraining, wie es früher fast nur im Erwachsenen- bereich durchgeführt worden ist, ist bei guten und talentierten Kindern emp-fehlenswert, insbesondere dann, wenn

damals heute

Material:

• schwere (Holz-)Schläger • große Griffstärken • kleine Schlagflächen

• Lernschläger, dem Können und Alter der Kinder angepasst

• leichte und kürzere Schläger aus unter-schiedlichen Materialien (Holz, Kunst-stoff etc.)

• größere Treffflächen

• harte, weiße und gelbe Bälle • druckreduzierte Methodikbälle (farbig gekennzeichnet), drei verschiedene Stu-fen nach Play+Stay (rot, orange, grün)

Feldgröße:

• großes Spielfeld • auch kleinere Spielfeldgrößen, auf Alter und Können der Kinder ausgerichtet

Training:

• oft Einzeltraining oder kleine Gruppen • Gruppentraining, Großgruppentraining

• Trainer ausschließlich als Zuspieler aus dem Korb

• Trainer leitet das Training, Schüler spielen miteinander oder untereinander, seltener auch Trainer als Zuspieler aus dem Korb

• Ballmaschinentraining • Ballwechsel miteinander, untereinander

• Kolonnentraining (lange Pausen, wenige Ballkontakte)

• Partnerübungen (kurzweilig, da viele Ballkontakte)

Methodik:

• deduktive Lehrmeinung (entschei-dende Hilfen im Lernprozess werden vorgegeben, klare Bewegungsanwei-sungen und -vorschriften, wenig Platz für Eigenständigkeit)

• induktive Lehrmeinung (das eigenstän-dige Üben steht im Vordergrund, der Ler-nende wird mit Lernhilfen unterstützt; großer Spielraum, eigene Erfahrungen zu sammeln und eigene Lösungsansätze zu finden), selten deduktiv

• sehr technikorientiert • spielorientiert, auch technikorientiert

• treffpunktorientierte Methode • treffpunktorientierte Methode

• Punkte ausspielen wegen der harten Bälle erst spät möglich

• Punkte ausspielen von der ersten Stunde an möglich (siehe etwa TennisXpress)

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Kinder- und Jugendtraining: von den 1970-er Jahren bis heute

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das Kind oder der oder die Jugendliche Richtung Leistungstennis strebt.

Auch eine derartig organisatorische Form des Trainings, dass ein Lehrer nur als Ballzuspieler fungiert, und die Lernenden in einer Kolonne hinterein-ander stehen und warten, bis sie an der Reihe sind, um fünf oder sechs Bälle zurückzuschlagen, sollte heute nicht mehr stattfinden. Zu viele Pausen ent-stehen, Langeweile kommt auf und es entspricht nicht dem eigentlichen Sinn des Tennisspiels, das da lautet: mitein-ander oder gegeneinander zu spielen.

Letzteres ist heute ein unverzicht-bares Merkmal im alltäglichen Kinder- und Jugendtraining. Leider wird dieses Spielen untereinander oder gegenei-nander mittlerweile immer weniger neben dem eigentlichen Training prak-tiziert. Als Gründe kann man hier die fehlende Zeit durch schulische Ver-pflichtungen wie auch das Überange-bot anderer Sportarten der heutigen Computer- und Smartphone- Genera-tion anführen. In den 80-er und 90-er Jahren konnte man viele Kinder und Jugendliche beobachten, die sich auf dem Tennisplatz trafen und miteinan-der oder gegeneinander spielten. Mit-unter fehlen auch Angebote seitens der Vereine, die Kinder und Jugendliche dazu veranlassen könnten, auch neben dem eigentlichen Training auf die Ten-nisanlage zu kommen.

Konzept „PLAY+STAY“ Vor etwa zehn Jahren hat die Inter-nationale Tennis Federation (ITF) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tennisbund und seinen Landesverbän-

den das Konzept „Play+Stay“ gegrün-det. (siehe auch Artikel, S. 10)

Ziel dieses Konzeptes ist es, dass Tennisanfänger und leicht Fortge-schrittene jeden Alters in Kombina-tion mit neuen Lehrmethoden und angepassten Materialien wie Schläger, Bälle und Netz einen einfachen und schnellen Einstieg in den Tennissport bekommen. Sie sollen sofort von der ersten Stunde an die Faszination Ten-nis erfahren, in dem sie miteinander und auch baldmöglichst gegeneinan-der mit viel Spaß und Freude spielen können. Kinder und Jugendliche, die ihre ersten Erfahrungen auf dem Klein-feld machen, werden mit kleineren und leichteren Schlägern sowie weicheren Bällen ausgestattet, damit ihre Fähig-keiten und Voraussetzungen auch altersgemäß und kindgerecht umge-setzt werden können. Für erwachsene Anfänger gibt es mit „Tennis Xpress“ ein hervorragendes Konzept, bei dem Ballwechsel von der ersten Stunde an gespielt werden und auch schon gegen-einander gespielt wird. In allen Ten-nisvereinen sollten die dazu benötigten Materialen heutzutage bereitstehen.

Durch Aktionstage wie „Deutsch-land spielt Tennis“ oder andere ver-einseigene Aktionstage oder Schnup-pertraining sollen tennisinteressierte Menschen angelockt werden und ihnen die Sportart in einem Miteinanderspie-len von der ersten Stunde an näher gebracht werden.

Für einen erfolgreichen Einstieg in das Kinder- und Jugendtraining in heutigen Zeiten sind zuerst einmal die methodischen Grundlagen und Voraussetzungen nötig. Dies bedeu-

tet, dass angepasstes Material für jede Altersstufen bereitsteht. Beginnen Kinder und Jugendliche mit großen Erwachsenenschlägern und gelben Bäl-len, sind sie sehr oft überfordert und verlieren sofort die Lust am Tennis. Durch das Gewicht des Schlägers, die hoch abspringenden Bälle und das viel zu große Spielfeld haben die Beginner keinen Erfolg, miteinander spielen zu können. Bei erwachsenen Anfängern sieht es in den allermeisten Fällen nicht anders aus! Auch sie brauchen geeig-nete Lernschläger und Lernbälle um direkt Spaß und Freude am Spielen zu haben, wie sie das Play+Stay-Konzept vorsieht. (siehe dazu im Detail Grafik im Folgeartikel, S. 12/13):

1. Stufe „ROT“

2. Stufe „Orange“

3. Stufe „Grün“

Ich erachte die orangene Stufe als die wichtigste. Hier werden alle Basistaktiken erlernt und verfeinert, die später in den Stufen GRÜN und GELB verfestigt und optimiert werden müssen. Im Midfeld ist der gesamte taktische Bereich des Einzels sowie im Doppel gut erlernbar. Damit ist sie eine unverzichtbare Stufe vom metho-dischen Übergang vom Kleinfeld zum Großfeld! Auch durch die im Midfeld zu verfestigenden günstigen Griffhal-tungen, die das heutige moderne und schnelle beziehungsweise aggressive Spiel positiv beeinflussen, wird das Midfeld meines Erachtens nach immer mehr die wichtigste Stufe im Übergang zum Bereich des Großfeldes. Alle tech-nischen Schläge sind in der orangenen Stufe gut zu erlernen und somit eine unverzichtbare Voraussetzung für ein breites taktisches Grundwissen und somit für eine optimale Anwendung taktischer Ziele der jungen Schülerin-nen und Schüler!

Da die Stufe „Orange“ die wichtigs-te vom Übergang vom Kleinfeld zum Großfeld ist, sollte man den Kindern diese Stufe bis zum Alter von zehn bis elf Jahren unbedingt empfehlen und nicht zu früh auf das Großfeld im grünen Bereich wechseln. Im Midfeld entwickeln sich alle Griffe, Techniken und Taktiken, die im späteren Spiel im Großfeld benötigt werden. Zu frühes Spielen als Acht- oder Neunjähriger im Großfeld ist kein adäquates und altersgerechtes Spielen in dieser Lern-stufe. Den Kindern muss Zeit gegeben werden, sich entwickeln zu können! Bestes Beispiel ist der belgische Ten-

Spaß an der Sache: Spielerisch sollen Kinder- und Jugendliche ans Tennis herangeführt werden.

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FazitZusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren aufgrund der Entwicklung der Gesellschaft der Tennissport sehr verändert hat. Durch das breite Angebot neuer Trendsportarten, zeitweise fehlendes Angebot der Tennisvereine für neue Mitglieder und auch etablierten Spielerinnen und Spieler haben viele Vereine dramatisch Mitglieder verloren. Aber auch durch schlechte oder einfach falsche Lehrmeinungen, durch unqualifi-zierte und unmotivierte Trainer haben viele gerade jüngere Einsteiger den Spaß am Tennis verloren. Hier gilt es nun, durch die Kampagne „Play+Stay“ wieder neue Menschen am Tennissport zu begeistern, diese noch stringenter in den Ver-einen umzusetzen. Kinder- und Jugendtraining, wie es vor etwa zwanzig Jahren oder noch früher stattgefunden hat, hat heute nichts mehr in den modernen Lehrmeinungen zu suchen. Ausnahmen bestätigen die Regel: So besitzen Korb-zuspiele oder Drills nach wie vor ihre Berechtigung, wenn ein gewisses Trainings-ziel erreicht werden soll.

nisverband mit seinen damaligen Spit-zenspielerinnen, die beide die Nummer eins in der Welt wurden.

Ein zu frühes Wechseln auf eine weitere Stufe wird ungünstigere, ext-remere Griffe haben, taktische Spiel-züge werden schlechter erlernt, da die Kinder weniger das Spiel nach vorne ans Netz praktizieren werden. Auch im orangenen Bereich sollte in allen Landesverbänden des DTB die Breite des Platzes 6,40 m im Einzel betragen. 8,23 m sind zu groß, das Winkelspiel ist für Kinder, die aus dem Kleinfeld kommen, zu extrem. Sie haben viel schlechtere Möglichkeiten, aufgrund ihrer kleineren Körpergröße an Win-kelbälle heranzukommen. Daher ist es dringend zu empfehlen, dass in allen Landesverbänden diese Stufe einheit-lich geplant wird.

Um den Kindern und Jugendlichen den Einstieg so leicht und schmack-haft zu machen, damit sie viel Freude von der ersten Stunde im Gruppentrai-ning, in einem Miteinander und auch Gegeneinander haben, wurden weitere Konzepte wie „Tennis 10s“ und „Talen-tinos“ eingeführt.

Tennis 10sTennis 10s ist entwickelt worden, um die Kinder und Anfänger, die zehn Jah-re alt oder jünger sind, fürs Tennis zu gewinnen. Es zielt auf die Mädchen und Jungen ab, den Tennissport als Erlebnis zu verstehen, begeistert zu werden und soziale Komponenten zu erfahren. Auch ein guter und metho-disch sinnvoller Einstieg in das Ten-nisspiel soll hiermit ermöglicht wer-den. Dieses Konzept fasst zusammen, wie man bestmöglichst Kinder im Alter von zehn Jahren oder jünger für das Tennistraining oder den Wettkampf um Punkte gegeneinander oder sogar im Mannschaftsspiel begeistern sollte. Die grundlegenden Voraussetzungen sind auch hier kleinere und angepasste Schläger, weichere Bälle, kleinere Ten-nisfelder. Das Spielen steht absolut im Vordergrund. Einfachere Spiele, ein-

fache Zählweisen, Mannschaftsspiele oder auch Einzelturniere sollen hier Anklang finden.

Allerdings sollte die Stufe „Grün“ hier viel weniger Beachtung finden, denn das ist bereits ein Spielen auf dem Großfeld und mit nur etwas druckre-duzierten Bällen. Auch in dieser Stufe ist es dringend zu empfehlen, dass den Kindern Zeit gegeben wird, ihre Mög-lichkeiten auszuschöpfen, ihre tech-nischen und taktischen Fähigkeiten erlernen und verfeinern zu können. Auch hier sei gewarnt, nicht zu früh den Schritt auf das Großfeld machen zu wollen. Natürlich gibt es Ausnah-men, aber die sind bekanntlich in den letzten Jahren immer weni-ger geworden.

TalentinosEin weiteres Konzept, das im Rah-men der „Play+Stay“ Kampagne ent-wickelt worden ist, ist das der „Talen-tinos“ (siehe auch Artikel S. 16). Es ist ein Trainings- und Marketingkon-zept, mit dem möglichst viele Kinder angesprochen werden sollen, Tennis

zu erlernen und auch langfristig bei der Stange zu bleiben.

Auf der Basis der drei Stufen Rot, Orange und Grün soll dieser Bereich Kinder dazu animieren, vielfältige Bewe-gungserfahrungen mit allen möglichen Geräten und Utensilien, die für den Kin-dersport wichtig sind, zu machen. Auch Events wie Kindergeburtstage, Camps, Wettbewerbe und Schnuppertage sowie Kindergartenaktionen und Schulaktio-nen in der Grundschule stehen hier im

Vordergrund.

Zum Autor: Dirk Ludwig ist DTB-A-Trainer, Referent im Deutschen Tennis Bund sowie Referent und Co-Aus-bildungsleiter im Saarländischen Tennisbund.

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