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E-AUTOS PROBEFAHREN! 21.8.–1.9.2017 vis-a-vis des Congress Centrums Alpbach THEMEN RECHTSPANORAMA Holzinger gegen Sondervoten Der VfGH-Präsident spricht sich deutlich gegen Dissenting Opinions am Höchstgericht aus. „Die Presse“ S. 10 POLITIK Der Präsident mit Heim- vorteil Entschleunigt dis- kutieren beim Forum: Alexander Van der Bellen in seinem Terrain. S. II DIGITALISIERUNG Die Arbeit der Anwälte ändert sich Keine Angst vor neuen Technologien, rät Juristin Sophie Martinetz ihren Kol- legen. S. III KULINARIK Gemüse retten vor der Nutzlosigkeit Ein Verein kocht im Hallenbad mit Zu- taten, die sonst nie- mand verwenden würde. S. IV KULTUR Anna Kim: Schreiben über Korea Die Autorin hat die Rechtsgespräche mit einer Lesung aus ihrem neuen Buch eröffnet. S. IV 11°/22° Das Wetter gestaltet sich unbeständig. Am Vormittag zeigt sich mitunter die Sonne. Doch ab Mit- tag muss man mit Regenschauern und kurzen Gewittern rechnen. Interview. Rosemary DiCarlo war US-Diplomatin in Russland und bei den Vereinten Nationen. Heute forscht sie über die amerikanische Außenpolitik. Ein Gespräch über alte und neue Strategien. „Die Realität wird Trump einholen“ VON DUYGU ÖZKAN Die Presse: In Alpbach lautet das Thema heuer „Konflikt und Kooperation“. Mit Russland haben die USA eine konfliktrei- che Geschichte, und während der letzten Obama-Jahre sind die Beziehungen mit dem Kalten Krieg verglichen worden . . . Rosemary DiCarlo: In den späten 1990er Jahren gab es die Hoffnung, dass sich Russ- land Richtung Westen bewegt. Es gab viele geschäftliche Verbindungen, Personenver- kehr usw. Aber leider haben wir sogar da- mals aneinander vorbeigeredet. Und heute sind wir betroffen von den russischen Aktio- nen, und die Russen sind unzufrieden mit unserer Agenda. Meine Organisation (die NGO National Committee on American Fo- reign, Anm.) will russische und amerikani- sche Experten zu verschiedenen Themen an einen Tisch bringen. Der Dialog ist wichtig. Wie funktioniert der Dialog in schwieri- gen Zeiten wie diesen? Wir haben realisiert, dass wir sehr verschie- dene Interpretationen von grundsätzlichen Dingen haben. Etwa Souveränität oder terri- toriale Integrität. Ich glaube, wir müssen vorgehen wie zu Sowjet-Zeiten: Zusammen- arbeit in Feldern mit gemeinsamen Interes- sen. Heute sind es der Kampf gegen Terro- rismus und die Verhinderung von Nuklear- waffen. Aber es ist schwierig. Wir können nicht vergessen, was auf der Krim oder in der Ostukraine passiert ist. Ich komme ge- rade aus dem Westbalkan, russische Medien sind dort sehr aktiv. Russland hat nachweislich in den US- Wahlkampf eingegriffen. Ja, Russland hat aktiv Medien und Soziale Medien genutzt, um Fehlinformationen zu verbreiten. Früher haben wir das Propagan- da genannt. Bis jetzt gibt es aber keine Be- weise, dass das Wahlkampfteam von Do- nald Trump aktiv mit Russen zusammenge- arbeitet hat. Wir wissen nicht, inwieweit die russische Intervention Trump geholfen hat zu gewinnen. Es gab Treffen zwischen Trump-Schwie- gersohn Jared Kushner und seinem Sohn mit russischen Offiziellen. Offenbar waren sie auf der Suche nach kompromittieren- dem Material, um Hillary Clinton zu be- lasten. Wie gewöhnlich ist das? Nein, es ist ungewöhnlich, mit einer auslän- dischen Regierung über solche Dinge zu sprechen. Während der Kampagnen wird die Opposition natürlich durchleuchtet: Fi- nanzen, persönliche Geschichte usw. Und wenn man etwas findet, kommt es an die Öffentlichkeit. Aber das alles geht normaler- weise nicht über die USA hinaus. Trumps außen- und innenpolitische Vi- sion lautet „America first“. Wie visionär ist diese Strategie wirklich? Die Bezeichnung ist bedauerlich, sie geht zurück auf den Ersten Weltkrieg, als wir nicht in den Krieg wollten. Jedem amerika- nischen Präsidenten sind amerikanische In- teressen wichtig. Die Sache ist nicht so ein- fach: Amerika gewinnt hier, Amerika ge- winnt da. Bei der Diplomatie geht es ja da- rum: Wir haben Prioritäten, und jedes an- dere Land hat Prioritäten. Um etwas zu be- kommen, muss man etwas geben, wir müs- sen uns also wenigstens die Prioritäten des anderen Landes anschauen. Wenn Trump diese Strategie durchzieht, welche langfristigen Konsequenzen wird es dann haben? Das würde ernsthafte Auswirkungen auf die USA haben. Zum Beispiel das Nordamerika- nische Freihandelsabkommen (Nafta). Es würde vielleicht wirklich eine Erneuerung brauchen (Trump will Nafta neu verhan- deln). Aber erstens sind Kanada und Mexiko enge Verbündete der USA. Natürlich kann man sagen: Amerikanische Arbeiter verlie- ren, wenn wir Firmen auslagern. Aber zwei- tens hat Nafta dazu geführt, dass Mexiko sich weiterentwickelt hat, und das bedeutet, dass wenige Migranten in die USA gekom- men sind. Ich glaube also nicht, dass „Ame- rica first“ langfristig überleben wird, die Realität wird die Regierung einholen. Die Realität hat Trump in Afghanistan vielleicht schon eingeholt. Entgegen sei- ner Ankündigung lautet die neue Afgha- nistan-Strategie nicht, die Truppen abzu- ziehen, sondern sogar aufzustocken. Das Letzte, was passieren darf, ist, dass Af- ghanistan wieder in die Hände von Extre- misten fällt. Obama wollte aus Afghanistan abziehen, musste aber seine Richtung än- dern. Trump wollte auch großflächig abzie- hen, musste aber seine Richtung ändern. Die Frage war: Wird es schlimmer, wenn man bleibt oder wenn man geht? Die Verantwort- lichen in Washington haben entschieden: Es wird schlimmer, wenn man geht. Afghanische Politiker sind nicht sehr glücklich über die neue Strategie. Ja, sie mögen das nicht unterstützen, ande- rerseits waren sie nicht in der Lage, die Si- tuation unter Kontrolle zu halten. Gibt es in US-diplomatischen Zirkeln Selbstreflexion, was Afghanistan betrifft? Oder die verheerende US-Politik im Irak? Ja. Aber als wir nach Afghanistan gingen, nach 9/11, war das Ziel, al-Qaida zu zer- schlagen, und nicht, Demokratie in Afgha- nistan zu etablieren. Erst allmählich ging es darum, Institutionen zu errichten, Wahlen abzuhalten usw. Und das können wir nicht gut. Wir haben die Gesellschaft missverstan- den. Viele sagen, dass die US-Intervention im Irak die Region destabilisiert hat. Das mag sein, die Region war jedenfalls nicht die stabilste. Aber wir sind zu früh abgezogen. Und das war wieder ein Problem. ZUR PERSON Rosemary DiCarlo (geb. 1947) ist Präsidentin des „National Committee on American Foreign Policy“. Die Spitzen- diplomatin war unter anderem an der Botschaft in Moskau und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Spitzendiplomatin Rosemary DiCarlo kann mit Donald Trumps „America first“-Strategie nichts anfangen. [ Katharina Roßboth ] Die neue Welt der Diplomatie Krisen. Die menschliche Perspektive sei immer noch das Wichtigste bei den Beziehungen zwischen den Staaten, sagt Wolfgang Danspeckgruber. USA mit Russland, Türkei mit Deutschland, Iran mit Saudiarabien, alle mit Nordkorea: Es scheint, als ob die internationale Staaten- gemeinschaft Krisen anhäuft, statt sie zu lö- sen. Steckt die Diplomatie in der Krise? Wolfgang Danspeckgruber, Gründungsdi- rektor des Liechtenstein Instituts über Selbstbestimmung an der Universität von Princeton, meint im Gespräch mit der „Pres- se“ dazu: Vielleicht sei die klassische Diplo- matie des Wiener Kongresses in der Krise, „aber wir werden sie immer brauchen.“ Und zwar in Form von persönlichen Beziehun- gen. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung freilich eine Herausforderung. In anderen Worten: Das alte System ist vorbei, aber das neue noch nicht da. Die Ak- teure müssten daher ein Maximum an Flexi- bilität vorweisen, so Danspeckgruber, der unter anderem über Diplomatie forscht. Als Akteure fungieren freilich weiterhin Staaten, aber die Interaktionen zwischen ihnen ha- ben sich in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht: „Die Rapidität der technologi- schen Entwicklungen erschwert die gesun- de, ruhige Entscheidungsfindung und die Implementierung.“ Verkompliziert wird die Situation durch weitere Faktoren, etwa die Wiederentdeckung der Religiosität. Keine Alternative Die Staatengemeinschaft hat also multiple Krisen zu bewältigen, ist aber gleichzeitig immer weniger gewillt, die Krisen auf per- sönlicher Ebene durch oftmals mühsamen Dialog zu lösen. „In Zeiten wie diesen ist die menschliche Perspektive umso wichtiger“, sagt Danspeckgruber dazu, „man muss Ver- trauen aufbauen. Die Dialogpartner müssen verstehen, dass sie keine Alternative haben.“ Wird das Vertrauen einmal missbraucht, ist auch die Reputation dahin – und zwar, meint der Professor, nachhaltiger als zu frü- heren Zeiten. (duö) SEIT 1848 MONTAG, 28. AUGUST 2017 · DIEPRESSE.COM/ALPBACH

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E-AUTOS PROBEFAHREN!21.8.–1.9.2017 vis-a-vis des Congress Centrums Alpbach

THEMEN

RECHTSPANORAMAHolzingergegenSondervotenDer VfGH-Präsidentspricht sich deutlichgegen DissentingOpinions amHöchstgericht aus.„Die Presse“ S. 10

POLITIKDer Präsidentmit Heim-vorteilEntschleunigt dis-kutieren beimForum: AlexanderVan der Bellen inseinem Terrain. S. II

DIGITALISIERUNGDie Arbeitder Anwälteändert sichKeine Angst vorneuen Technologien,rät Juristin SophieMartinetz ihren Kol-legen. S. III

KULINARIKGemüseretten vor derNutzlosigkeitEin Verein kocht imHallenbadmit Zu-taten, die sonst nie-mand verwendenwürde. S. IV

KULTURAnna Kim:Schreibenüber KoreaDie Autorin hat dieRechtsgesprächemit einer Lesungaus ihrem neuenBuch eröffnet. S. IV

11°/22°Das Wetter gestaltetsich unbeständig.Am Vormittag zeigtsich mitunter dieSonne. Doch ab Mit-tag muss man mitRegenschauern undkurzen Gewitternrechnen.

Interview. Rosemary DiCarlo war US-Diplomatin in Russland und bei den Vereinten Nationen. Heuteforscht sie über die amerikanische Außenpolitik. Ein Gespräch über alte und neue Strategien.

„Die Realität wird Trump einholen“

VON DUYGU ÖZKAN

Die Presse: In Alpbach lautet das Themaheuer „Konflikt und Kooperation“. MitRussland haben die USA eine konfliktrei-che Geschichte, und während der letztenObama-Jahre sind die Beziehungen mitdemKalten Krieg verglichen worden . . .Rosemary DiCarlo: In den späten 1990erJahren gab es die Hoffnung, dass sich Russ-land Richtung Westen bewegt. Es gab vielegeschäftliche Verbindungen, Personenver-kehr usw. Aber leider haben wir sogar da-mals aneinander vorbeigeredet. Und heutesind wir betroffen von den russischen Aktio-nen, und die Russen sind unzufrieden mitunserer Agenda. Meine Organisation (dieNGO National Committee on American Fo-reign, Anm.) will russische und amerikani-sche Experten zu verschiedenen Themen aneinen Tisch bringen. Der Dialog ist wichtig.

Wie funktioniert der Dialog in schwieri-gen Zeiten wie diesen?Wir haben realisiert, dass wir sehr verschie-dene Interpretationen von grundsätzlichenDingen haben. Etwa Souveränität oder terri-toriale Integrität. Ich glaube, wir müssenvorgehen wie zu Sowjet-Zeiten: Zusammen-arbeit in Feldern mit gemeinsamen Interes-sen. Heute sind es der Kampf gegen Terro-rismus und die Verhinderung von Nuklear-waffen. Aber es ist schwierig. Wir könnennicht vergessen, was auf der Krim oder inder Ostukraine passiert ist. Ich komme ge-rade aus demWestbalkan, russischeMediensind dort sehr aktiv.

Russland hat nachweislich in den US-Wahlkampf eingegriffen.Ja, Russland hat aktiv Medien und SozialeMedien genutzt, um Fehlinformationen zuverbreiten. Früher haben wir das Propagan-da genannt. Bis jetzt gibt es aber keine Be-weise, dass das Wahlkampfteam von Do-nald Trump aktiv mit Russen zusammenge-arbeitet hat. Wir wissen nicht, inwieweit dierussische Intervention Trump geholfen hatzu gewinnen.

Es gab Treffen zwischen Trump-Schwie-gersohn Jared Kushner und seinem Sohnmit russischen Offiziellen. Offenbar warensie auf der Suche nach kompromittieren-dem Material, um Hillary Clinton zu be-lasten. Wie gewöhnlich ist das?

Nein, es ist ungewöhnlich, mit einer auslän-dischen Regierung über solche Dinge zusprechen. Während der Kampagnen wirddie Opposition natürlich durchleuchtet: Fi-nanzen, persönliche Geschichte usw. Undwenn man etwas findet, kommt es an dieÖffentlichkeit. Aber das alles geht normaler-weise nicht über die USA hinaus.

Trumps außen- und innenpolitische Vi-sion lautet „America first“. Wie visionärist diese Strategie wirklich?Die Bezeichnung ist bedauerlich, sie gehtzurück auf den Ersten Weltkrieg, als wirnicht in den Krieg wollten. Jedem amerika-nischen Präsidenten sind amerikanische In-teressen wichtig. Die Sache ist nicht so ein-fach: Amerika gewinnt hier, Amerika ge-winnt da. Bei der Diplomatie geht es ja da-rum: Wir haben Prioritäten, und jedes an-dere Land hat Prioritäten. Um etwas zu be-kommen, muss man etwas geben, wir müs-sen uns also wenigstens die Prioritäten desanderen Landes anschauen.

Wenn Trump diese Strategie durchzieht,welche langfristigen Konsequenzen wirdes dann haben?Das würde ernsthafte Auswirkungen auf dieUSA haben. Zum Beispiel das Nordamerika-nische Freihandelsabkommen (Nafta). Eswürde vielleicht wirklich eine Erneuerungbrauchen (Trump will Nafta neu verhan-deln). Aber erstens sind Kanada undMexikoenge Verbündete der USA. Natürlich kannman sagen: Amerikanische Arbeiter verlie-ren, wenn wir Firmen auslagern. Aber zwei-tens hat Nafta dazu geführt, dass Mexikosich weiterentwickelt hat, und das bedeutet,dass wenige Migranten in die USA gekom-men sind. Ich glaube also nicht, dass „Ame-rica first“ langfristig überleben wird, dieRealität wird die Regierung einholen.

Die Realität hat Trump in Afghanistanvielleicht schon eingeholt. Entgegen sei-ner Ankündigung lautet die neue Afgha-nistan-Strategie nicht, die Truppen abzu-ziehen, sondern sogar aufzustocken.Das Letzte, was passieren darf, ist, dass Af-ghanistan wieder in die Hände von Extre-misten fällt. Obama wollte aus Afghanistanabziehen, musste aber seine Richtung än-dern. Trump wollte auch großflächig abzie-hen, musste aber seine Richtung ändern. DieFrage war: Wird es schlimmer, wenn manbleibt oder wenn man geht? Die Verantwort-lichen in Washington haben entschieden: Eswird schlimmer, wennman geht.

Afghanische Politiker sind nicht sehrglücklich über die neue Strategie.Ja, sie mögen das nicht unterstützen, ande-rerseits waren sie nicht in der Lage, die Si-tuation unter Kontrolle zu halten.

Gibt es in US-diplomatischen ZirkelnSelbstreflexion, was Afghanistan betrifft?Oder die verheerende US-Politik im Irak?Ja. Aber als wir nach Afghanistan gingen,nach 9/11, war das Ziel, al-Qaida zu zer-schlagen, und nicht, Demokratie in Afgha-nistan zu etablieren. Erst allmählich ging esdarum, Institutionen zu errichten, Wahlenabzuhalten usw. Und das können wir nichtgut. Wir haben die Gesellschaft missverstan-den. Viele sagen, dass die US-Interventionim Irak die Region destabilisiert hat. Dasmag sein, die Region war jedenfalls nicht diestabilste. Aber wir sind zu früh abgezogen.Und das war wieder ein Problem.

ZUR PERSON

Rosemary DiCarlo(geb. 1947) istPräsidentin des„National Committeeon American ForeignPolicy“. Die Spitzen-diplomatin war unteranderem an derBotschaft in Moskauund im Sicherheitsratder Vereinten Nationen.

Spitzendiplomatin Rosemary DiCarlo kann mit Donald Trumps „America first“-Strategie nichts anfangen. [ Katharina Roßboth ]

Die neueWelt der DiplomatieKrisen. Die menschliche Perspektive sei immer noch das Wichtigste beiden Beziehungen zwischen den Staaten, sagt Wolfgang Danspeckgruber.

USA mit Russland, Türkei mit Deutschland,Iran mit Saudiarabien, alle mit Nordkorea:Es scheint, als ob die internationale Staaten-gemeinschaft Krisen anhäuft, statt sie zu lö-sen. Steckt die Diplomatie in der Krise?Wolfgang Danspeckgruber, Gründungsdi-rektor des Liechtenstein Instituts überSelbstbestimmung an der Universität vonPrinceton, meint im Gesprächmit der „Pres-se“ dazu: Vielleicht sei die klassische Diplo-matie des Wiener Kongresses in der Krise,„aber wir werden sie immer brauchen.“ Undzwar in Form von persönlichen Beziehun-gen. Das ist im Zeitalter der Digitalisierungfreilich eine Herausforderung.

In anderen Worten: Das alte System istvorbei, aber das neue noch nicht da. Die Ak-teure müssten daher ein Maximum an Flexi-bilität vorweisen, so Danspeckgruber, derunter anderem über Diplomatie forscht. AlsAkteure fungieren freilich weiterhin Staaten,aber die Interaktionen zwischen ihnen ha-

ben sich in den vergangenen Jahrzehntenvervielfacht: „Die Rapidität der technologi-schen Entwicklungen erschwert die gesun-de, ruhige Entscheidungsfindung und dieImplementierung.“ Verkompliziert wird dieSituation durch weitere Faktoren, etwa dieWiederentdeckung der Religiosität.

Keine AlternativeDie Staatengemeinschaft hat also multipleKrisen zu bewältigen, ist aber gleichzeitigimmer weniger gewillt, die Krisen auf per-sönlicher Ebene durch oftmals mühsamenDialog zu lösen. „In Zeiten wie diesen ist diemenschliche Perspektive umso wichtiger“,sagt Danspeckgruber dazu, „man muss Ver-trauen aufbauen. Die Dialogpartner müssenverstehen, dass sie keine Alternative haben.“Wird das Vertrauen einmal missbraucht, istauch die Reputation dahin – und zwar,meint der Professor, nachhaltiger als zu frü-heren Zeiten. (duö)

S E I T 1 8 4 8 MONTAG, 28. AUGUST 2017 · DIEPRESSE.COM/ALPBACH

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II FORUM ALPBACH MONTAG, 28. AUGUST 2017

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EINLADUNG ZUMTALK AUF DER ALMThema: „Entscheide Dich! Schnell! Und richtig!“„Die Presse“ lädt Sie im Rahmen des European Forum Alpbachzur Veranstaltung „Talk auf der Alm“ ein. Den Auftakt bildet einegemeinsame Wanderung auf die Zirmalm mit anschließenderDiskussion und gemeinsamem Brunch.

TerminMittwoch, 30. August 2017Treffpunkt um 8.45 Uhrbeim Congress Centrum AlpbachHausnummer 246, 6236 Alpbach

DiskutantenWolfgang Bachler, bachler&partners crisis and security consulting GmbHRalf-Wolfgang Lothert, JTIBirgit U. Stetina, Sigmund Freud PrivatuniversitätOliver Suchocki, Suchocki Executive SearchMatthias Wechner, G4S Secure Solutions AG

BegrüßungRudolf Schwarz, „Die Presse”

ModerationMichael Köttritsch, „Die Presse”

Ihre Zusage senden Sie bitte an:[email protected]

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

Birgit U. Stetina, Sigmund Freud PrivatuniversitätOliver Suchocki, Suchocki Executive SearchMatthias Wechner, G4S Secure Solutions AG

[email protected]

VERANSTALTUNG

Heute, Montag, findet um 14 Uhr in der Hauptschuleeine Podiumsdiskussion unter dem Titel „NeueFreiheiten, alte Zwänge? Herausforderungen bei derIntegration von weiblichen Flüchtlingen inÖsterreich“ statt. Neben Seyran Ates nehmen an derin Englisch gehaltenen Diskussion die NahostexpertinKarin Kneissl, Autorin Saıda Keller-Messahli sowie dieDolmetscherin Farnaz Beikzadeh-Abbasi teil.

Der Präsident mit Heimvorteil

Auftakt. Alexander Van derBellen mahnt in seiner Redeein vereintes Europa ein.Hier in Alpbach ist er unterGleichgesinnten. Das merktman ihm an.

VON IRIS BONAVIDA

Trachtenjanker, Schützenkompanie undzum Schluss noch ein Schnaps: Das ist Alex-ander Van der Bellen ja gewohnt. Nicht nur,weil er im Kaunertal aufgewachsen ist. Son-dern auch, weil er im vergangenen Bundes-präsidenten-Wahlkampf seine rustikale Sei-te entdecken musste. Dementsprechendentspannt bewegt er sich also mittlerweile,als ihn die Männer mit Alpinhut und Ge-wehr vor demCongress Centrum begrüßen.

Anlass ist nicht nur sein persönlicherEmpfang, sondern auch der offizielle Auftaktder Politischen Gespräche des Forums. Zu-vor hat der Bundespräsident in seiner Rededafür plädiert, beides zu verbinden: Also re-gionale Traditionen und Interessen miteinem internationalen Weitblick. Aber ge-rade bei jüngeren Menschen sei das ohne-hin kein Problem. „Sie sind Tiroler, Österrei-cher und Europäer – oder Sizilianer, Italie-ner, Europäer.“

„Wir waren auch naiv“Das vereinte Europa sei eine „einzigartigeZivilisationsleistung“, die durch „pure Ein-sicht“ hergestellt worden sei – „und nichtdurch Gewalt“. Daran müsse man auch inZukunft festhalten. „Aber okay, wir warenauch naiv“, sagt Van der Bellen. Jetzt wollemit Großbritannien ein Land die Union frei-willig verlassen – daran hätte bei der Ver-tragsunterzeichnung niemand gedacht.

Es gebe aber natürlich Änderungsbedarf– nur würde sich kaum jemand darüber

POLITISCHE G27. – 29. August

diep

trauen. „Für den gelernten Österreicher gibtes ein Sprichwort: Es darf reformiert wer-den, aber ändern soll sich nichts.“

Man merkt rechtschnell: Das Forum istgenau Van der BellensTerrain. Ein geschützterBereich, wo man ent-schleunigt diskutierenkann, wo keine schnel-len Antworten gefragtsind und man nebenbei vielleicht auch ge-mütlich eine rauchen kann. Wo es unter denTeilnehmern einen Konsens darüber gibt,dass es ein Mehr an Europa braucht und

ESPRÄCHE

esse.com/alpbach

sich die Gesellschaft öffnen soll. Er wechseltbei der Rede vom Deutschen ins Englische,sagt dann: „Oh, das habe ich gar nicht be-

merkt. Ich schaue aufmeine Unterlagen undsehe etwas auf Deutschstehen. Was ist denndas?“

Ähnlich gibt er sichschon ein paar Stundenzuvor, bei einem (mehr

oder weniger) spontanen Fireside Talk aufder Wiese („thinkers meadow“) neben demCongress Centrum. Einige junge Stipendia-ten sind um den Präsidenten versammelt.

Der andere Präsident, also Franz Fischlervom Forum Alpbach, mahnt sie zuvor: „Wirsind nicht nur für Selfies hier, sondern umungezwungen zu diskutieren.“

Die erste Frage beantwortet Van der Bel-len dann auch sehr direkt: Ob er den anwe-senden jungen Menschen raten würde, inihrem Alter in die Politik zu gehen? „Hm“,sagt der Präsident kurz mit einem Grinsen.Dann fügt er hinzu: „Ich würde jungen Men-schen raten, zuerst ihre Ausbildung abzu-schließen und ein paar Jahre in der Privat-wirtschaft oder im öffentlichen Bereich Er-fahrung zu sammeln.“ Diesen Rat hätte erschon öfters gegeben, „aber so gut wie nie-mand hat ihn jemals befolgt“.

„Wenn’s nicht läuft, dann läuft es nicht“Böse Zungen (also Journalisten) könntendies als indirekte Attacke auf ÖVP-Chef Se-bastian Kurz interpretieren. Daher bemühtsich Fischler, schnell zu erklären: „Van derBellen hat lange im Universitätsbereich ge-arbeitet, daher sagt er das.“

Recht unverblümt kommentiert Van derBellen dann aber eh auch die derzeitige(chaotische) Performance seiner Mutterpar-tei, der Grünen. Es gebe ja das Sprichwort:„Wenns laft, dann lafts.“ Und: „Wenn’s nichtläuft, dann läuft es nicht.“

Seiner Meinung nach läuft es übrigensauch nicht so für die FPÖ, zumindest wür-den die Umfragen nicht mehr so gute Wertezeigen wie noch vor einem Jahr. Daher stellesich die so oft gestellte Frage, ob er einenKanzler Heinz-Christian Strache angelobenwürde, nicht mehr so – zumindest nichtmehr in der ursprünglichen Intensität.

Dann kommt er zum ursprünglichenThema zurück, nationale versus regionaleKonflikte. Jetzt würden sich Politiker imZweifelsfall für die Interessen jener ent-scheiden, die sie direkt wählen. Auch hierbrauche es mehr Weitblick. Zum Schlussgibt es zwar keinen Schnaps, aber noch ei-nige Selfies. Aber auch das ist Van der Bellenmittlerweile gewohnt.

Tirols Landtagspräsident Herwig van Staa (li.) mit Alexander Van der Bellen – und den Schützen. [ Katharina Roßboth ]

Seyran Ates: „Frauenbild derZuwanderer muss sich ändern“Migration. Die Juristin spricht sich für verpflichtende Wertekurse aus.

Ein radikales Umdenken beim Frauenbild istfür Seyran Ates die wichtigste Voraussetzungund zugleich größte Herausforderung bei derIntegration insbesondere weiblicher Zuwan-derer. „Sowohl die weiblichen als auch diemännlichen Einwanderer müssen ihr Frau-en- und Menschenbild ändern, ohne dieseGrundlage werden wir die Integration dieserMenschen nicht schaffen“, sagt die deutscheJuristin und Frauenrechtlerin mit Wurzeln inder Türkei. „Das haben die vergangenenJahrzehnte deutlich gezeigt, beispielsweisebei der Integrationsarbeit türkischer Migran-ten. Integration kann nicht funktionieren,wenn das Frauenbild nicht angegangen, son-dern nur an der Oberfläche gekratzt wird.“

Daher müsse bei den staatlichen Integ-rationsangeboten darauf geachtet werden,dass an der „inneren Haltung und Einstel-lung“ der Zuwanderer, die sie fälschlicher-weise mit dem Islam begründeten, gearbei-tet wird. Etwa mit Wertekursen, die bereitsim Kindergartenalter beginnen und dieMenschenwürde und „den gleichberechtig-ten Blick auf Frauen“ im Fokus haben müss-ten. „Ich vergleiche das gern mit dem Baueines Hauses, bei dem mit der Errichtungdes Dachs begonnen wird, ohne an das Fun-dament zu denken“, sagt Ates.

Die 54-Jährige nimmt heute, Montag, aneiner vom Österreichischen Integrations-fonds (ÖIF) organisierten Podiumsdiskus-sion mit dem Titel „Neue Freiheiten, alteZwänge? Herausforderungen bei der Inte-gration weiblicher Flüchtlinge in Österreich“teil. Weitere Teilnehmer der in Englisch ge-haltenen Diskussion sind die NahostexpertinKarin Kneissl, Autorin Saıda Keller-Messahlisowie die Dolmetscherin Farnaz Beikzadeh-Abbasi. Sie gehen der Frage nach, wie es ge-lingen kann, alte Zwänge zu überwindenund entgegen traditionellen Rollenbilderndie Chancen in Österreich selbstbestimmt zunutzen. Ates ist darüber hinaus am AbendGast bei einem von „Presse“-ChefredakteurRainer Nowakmoderierten Kamingespräch.

Was die Vermittlung europäischer Wertean Zuwanderer angeht, ist für Ates seitensdes Staates „so viel Druck erlaubt, wie mög-lich und nötig ist“. Das bedeute nicht, dassIntegrationsprogramme wie etwa Sprach-und Wertekurse mit Polizeigewalt durchge-setzt werden, sondern dass der Rechtsstaatseine gesetzlichen Vorgaben mit indirektemZwang durchsetzen müsse. Die Einhaltungdieser Vorgaben könne beispielsweise andie Inanspruchnahme von Sozialleistungenund Aufenthaltsgenehmigungen gekoppeltsein. „Denn“, so Ates, „wenn uns die Durch-setzung dieser Vorgaben nicht gelingt, kön-nen wir Integration vergessen und mancheZuwanderer, vor allem Frauen, werden sichniemals als vollwertige Bürger eines Landesund einer Gesellschaft fühlen.“

Liberale Moschee und BürgerinitiativeAtes hat Mitte Juni in Berlin mit Gleichge-sinnten eine Moschee für liberale Muslimeeröffnet und die Europäische Bürgerinitiative„Stop Extremism“ ins Leben gerufen, seitherwird sie nach Morddrohungen rund um dieUhr beschützt. In der neuen Moschee betenund predigen Frauen und Männer gleichbe-rechtigt zusammen. Sie fühle sich in denexistierenden deutschen Moschee-Gemein-den als Frau diskriminiert, begründet sie ihrmedial viel beachtetes Projekt. Das Gottes-haus soll Sunniten, Schiiten und Anhängernanderer islamischer Glaubensrichtungen of-fenstehen. Frauen müssen dort beim Gebetkein Kopftuch tragen. (kb)

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Legal Tech. Die Digitalisierung ist dabei, auch die Anwaltskanzleien zu verändern: Sie bringt neueArbeitsweisen, Geschäftsmodelle – und neue Unternehmenskulturen, sagt Sophie Martinetz.

Rettung für die Rechtskonsumenten

VON MICHAEL KÖTTRITSCH

In Österreichs Rechtslandschafthat die Digitalisierung begonnen,als sich nur wenige Juristen unterdem aktuellen Modewort etwasvorstellen konnten: Bereits 1990wurde der Elektronische Rechts-verkehr (ERV) eingeführt, 2007 diewebbasierte Variante (webERV)gestartet, seit 1998 ist das Rechts-informationssystem (RIS) online.Diese Einführungen waren damalsrevolutionär und Österreich einVorreiter gewesen. In den kom-menden Jahren würde die Brancheebenfalls radikale Änderungen er-warten, sagt Sophie Martinetz. Die

R ECH TSG ES P R Ä CH E27. – 29. Augustdiepresse.com/alpbach

Medienpartner „Die Presse“

Juristin und Gründerin von Sein-feld Professionals leitet morgen dieBreakout Session „Legal Tech undRecht: Künstliche Intelligenz zwi-schen Vorfreude und Skepsis“ (14Uhr, Hauptschule).

So werden etwa die internenProzesse der Kanzleien digitali-siert, Schnittstellen zwischenMan-danten, Kanzleisekretariat und An-walt und damit automatisierbareund fehleranfällige Aufgaben weg-fallen. Das ist angesichts des Kos-tendruckes notwendig und ange-sichts gestiegener Rechnerleistun-genmöglich geworden.

Stark verändern wird sich auch,wie Mandate abgewickelt werden,ist Martinetz überzeugt. Im Busi-ness-to-Consumer-Geschäft werdedas rechtliche Onlineangebot grö-ßer werden. Ein Beispiel sind diePlattformen flightright.at oder fair-plane.at, über die Schadenersatzbei Flugzeugverspätungen einge-fordert werden kann. „Der Ablaufist automatisiert und für denRechtskonsumenten verständlich“,sagt Martinetz. Derartige Services,sagt Markus Hartung, Direktor derHamburger Bucerius Law School,sind „die Rettung für den Verbrau-

cherschutz, weil sie transparentund gesellschaftlich nützlich sind“.Hartung wird wie Bertram Burt-scher (Freshfields Bruckhaus De-ringer, Wien), Christian Dirschl(Wolters Kluwer, München) undAndreas Freitag (EY, Wien) bei derBreakout Session sprechen.

Im Business-to-Corporatesspiele schon heute Künstliche In-telligenz (AI) eine Rolle, sagt Mar-tinetz. Etwa wenn es darum geht,große Datenmengen zu analysie-ren, um Massenklagen oder Due-Diligence-Prüfungen vorzuberei-ten.

Wobei es Martinetz darumgeht, das Thema Künstliche Intelli-genz zu entmystifizieren. Compu-ter können heute zwar regelbasiertanalysieren und rechtliche Proble-me entdecken. Sie können aberweder Lösungsvorschläge anbie-ten noch Sachverhalte rechtlichwürdigen. Damit will Martinetz Ju-risten Ängste nehmen, den neuenTechnologien zu begegnen. Aber:„Sie sollten die Sprache der ITlersprechen können und verstehen,was die Technik an Informationvon ihnen braucht.“ Das setzetechnisches Grundverständnis vo-raus. Und das wiederum sei etwas,was man sich derzeit im Jusstu-dium nicht holen könne.

Apropos ITler: Sie werdenkünftig für die Kanzleien als Mitar-beiter interessant werden. Unddann werde die Digitalisierung in-direkt auch große Auswirkungenauf die Unternehmenskulturen derKanzleien haben. Denn: „ITler ar-beiten in aller Regel nicht nachverrechenbarer Stunde. Und fürsie muss man andere Incentivessetzen als für Juristen.“

Sophie Martinetz: Keine Angst vor neuen Technologien haben. [ Katharina Roßboth ]

MONTAG, 28. AUGUST 2017 FORUM ALPBACH III

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HandelskriegEU–USAschadet allenExperten besorgt über raueTöne zwischen EU und USA.

Noch herrscht kein deklarierterHandelskrieg zwischen Europaund den USA, aber es gibt Anzei-chen, dass die beiden Wirtschafts-blöcke darauf zusteuern könnten.Profitieren würde davon jedochkeine der beiden Seiten. Das wa-ren die Kernaussagen der erstenPodiumsdiskussion im Rahmender Alpbacher Rechtsgespräche,die am Sonntag im Erwin-Schrö-dinger-Saal eröffnet worden sindund bis Dienstag dauern.

Die deutsche Kanzlerin AngelaMerkel streiche in öffentlichen Auf-tritten derzeit die Stärken der deut-schen Wirtschaft hervor. „Das sindVorboten eines Handelskriegs“,sagte Anwalt Kerry Scarlott, Partnerder US-Kanzlei Baker & Hostetlerin Washington. Angesichts eineswesentlich größeren Handelsbi-lanzdefizits der USA gegenüberChina (500 Mrd US-Dollar, zumVergleich Europa: 90 Mrd) würdesich die US-Regierung derzeit aufden asiatischen Riesen konzentrie-ren. Es werde aber „mehr Muskel-spiele“ Richtung EU geben.

Profitieren würden von ver-schärften Auseinandersetzungennach Scarlotts Einschätzung wederdie USA noch Europa: „Es gibt kei-ne positiven Auswirkungen, allewerden den Kürzeren ziehen –auch die gesamte Weltwirtschaft.“Anwalt Michael Kutschera, Partnerbei Binder Grösswang in Wien,stimmte aus europäischer Sicht zu:„Alle Sanktionen der Europäerwerden auch der europäischen In-dustrie schaden.“ (kom)

VERANSTALTUNGEN

Heute, Montag, findet die BreakoutSession „Legal Tech und Recht:Künstliche Intelligenz zwischenVorfreude und Skepsis“ (14 Uhr, Haupt-schule) statt. Einem verwandten Themawidmet sich heute auch der Roundtable„Digitale Grundrechte – braucht es eineeigene Charta?“ (17.30 Uhr, Schrödinger-Saal). Die Keynote hält Alex „Sandy“Pentland, Professor amMIT.

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UALITÄTgabe.ogistik und Medien:chafft Lebensqualität fürge im Jahr zu jeder Zeitlle Wienerinnen und Wiener.

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IV FORUM ALPBACH MONTAG, 28. AUGUST 2017

„Presse“-Tipps:Heute inAlpbach

8.30 Uhr, Rogger-Saal

Höhenfrühstück:Feinde des Volkes?Die Rolle einer unabhängigen Justizin Zeiten des Populismus. Mit LordThomas of Cwmgiedd.

10 Uhr, Hauptschule

Der richtige Umgang mitPopulismusWie kann man alternative Fakten,Provokationen, Populismus und so-zialer Ausgrenzung begegnen?

10 Uhr, Hauptschule

Ukraine:Wege in die ZukunftWie wirken sich die Ursachen desUkraine-Krieges auf demokratischeReformen im Land und Europa aus?

14 Uhr, Hauptschule

Digitale Sicherheit:Social MediaWie begegnen wir Herausforderun-gen, etwa Hasspostings und Extre-mismus? Sollen Social Media wie tra-ditionelle Medien behandelt werden?

14 Uhr, Hauptschule

Die Arktis:umstrittenes TerritoriumNirgendwo ist unser verändertes Kli-ma deutlicher, wo warme Temperatu-ren ganze Ökosysteme verlagern.

19.30, Herz-Kremenak-Saal

TransformationGreen innovationWelche Möglichkeiten tun sich durchgrüne Innovation für uns auf? Mit Ma-riana Mazzucato und Jeffrey D. Sachs.

Einkochen und einnistenKulinarik. Ein Innsbrucker Verein erntet und verkocht Gemüse, das zu wenig perfekt für denSupermarkt ist – auch beim Forum Alpbach. Dabei entstehen Suppen und soziale Räume.

VON ELISABETH POSTL

Vor Beginn der Seminarwoche inAlpbach haben die Mitglieder des„Feld“-Vereins noch schnell einenBirnbaum abgeerntet. Für denNachtisch beim Mittagsmenü imAlpbacher Hallenbad, wo Semi-narwochen-Teilnehmer neben derHauptschule bequem essen gehenkonnten. Mit der Birnenernte waraber nicht nur für frisches Obst ge-sorgt, sondern es gab auch einenangenehmen Nebeneffekt: „DerBaum steht im Garten einer Kin-derkrippe“, sagt Luzia Dieringervom Verein. „Dort waren die Be-treiber froh, dass eine potenzielleGefahrenquelle gebannt ist.“ Wes-pen finden also bei diesem Baumkeine Nahrungsquelle mehr aufdem Boden, die Kinder könnenwieder durchs Gras laufen.

„Wir müssen wasmachen“Das ist das Konzept des Innsbru-cker Vereins: das zu verwenden,was da ist, gut ist, aber nicht ge-braucht wird. Die Vereinsmitglie-der ernten die Überreste auf Fel-dern ab oder sammeln aussortier-tes Gemüse von großen Höfen ein.Rund 15 Landwirte arbeiten mitt-lerweile eng mit dem Verein zu-sammen. Aber auch Privatperso-nen liefern manchmal Obst oderGemüse, für das sie keine Verwen-dung haben. Daraus entstehendann Speisen, Konserven; inzwi-schen bietet das Team des Vereinsauch Ernährungsprojekte fürSchulen an.

Entstanden ist der „Feld“-Ver-ein allerdings aus einer eher unbe-stimmten Motivation. „Wir müs-sen etwas machen“, sagten sichDieringer und Claudia Sacher. Sieentschieden sich dazu, einen Ver-ein zu gründen, der ungebrauchtesGemüse und Obst nutzt und wei-terverarbeitet. Heute, knapp dreiJahre nach der Gründung, kannman ihre Suppen, Marmeladen,Eintöpfe in Innsbrucker Bäckerei-en finden (und gegen einen „Wert-schätzungsbeitrag“ – nach eige-nem Ermessen – mitnehmen) oderdurch Fahrradboten zu Mittag insBüro geliefert bekommen.

Das Gefühl, „was machen zumüssen“, speist sich meist aus vie-len Quellen – aus gesellschaftli-

R ECH TSG ES P R Ä CH E27. – 29. Augustdiepresse.com/alpbach

Medienpartner „Die Presse“

chen Überlegungen zum Beispiel,aus persönlichen, aus beruflichen,aus wirtschaftlichen –, meistenssogar aus vielen gleichzeitig. BeiDieringer und Sacher war dasnicht anders. Primär hatten siesich eigentlich Gedanken zumThema Arbeit gemacht – wohlauch wegen Erfahrungen in derklassischen Berufswelt. Wie sollte„Arbeit“ für sie aussehen? WelcheThemen wollten sie bearbeiten?„Welche Dinge kann man nutzen,anstelle wieder neue Produkte her-zustellen?“ – das hätten sie sich ge-fragt, erzählt Claudia Sacher. Dasses schließlich ein Verein wurde, indessen Mittelpunkt die Nahrungsteht, ergab sich daraus. Und auchnoch aus einem weiteren Grund:„Wir kochen gerne“, sagt sie. UndDieringer ergänzt: „Es ist kreativeArbeit.“

Unpraktisch ist das General-thema Essen freilich nicht, denn:„Essen transportiert viele The-men“, meint Sacher. Und so spre-chen die Vereinsmitglieder mit ih-rem Schaffen nicht nur InnsbrucksFoodies an, sondern auch Umwelt-bewusste, Ressourcenschoner, Ge-sundesser, Zurück-zum-Ursprung-Konsumenten genauso wie Kon-sumkritische.

Nach der Vereinsgründung imDezember 2014 begannen die bei-den Frauen, erst einmal Dinge ein-zukochen, haltbar zu machen.Marmeladen und Chutneys warendas Erste, was sie für den „Feld“-Verein aus dem Kochtopf hoben.Angefangen habe man mit derStreuobst- und Kartoffelnachernte,erinnert sich Sacher. Das Einko-chen bewältigten sie nicht alleine,der Hintergedanke war, Menschendafür zusammenzubringen.

Innsbrucker Einkoch-AbendeSie schrieben die Einkoch-Abendeaus, sammelten in Innsbruck Glas-flaschen und Gläser. Der Vereingewann bald an Größe, die Res-sourcen, die gesammelt wurden,

waren nicht nur materiell, sondernauch immateriell. Gleichzeitignutzte der Verein zu Beginn zumKochen noch die Küche eines Ca-fes außerhalb dessen Öffnungszei-ten. „Leerstandsbespielung“ nenntsich das im urbanen Fachjargon;die Cafe-Betreiber bekamen dafürkeine Miete, sondern Marmela-den. Mittlerweile operiert der„Feld“-Verein aus der InnsbruckerKulturbäckerei heraus (deren Be-treiber wiederum leiten die Bar imAlpbacher Hallenbad während desForums).

Während der Verein nach derSeminarwoche auch noch heute,Montag, und am Mittwoch im Hal-lenbad Forumsgäste versorgt, gibtes einige nachdenkliche Stimmenseitens des Teams. Die jungenMenschen, die während der Semi-narwoche weltpolitische Themendiskutierten, sich engagieren undkritische Geister sein wollen, hät-ten kein Gefühl gehabt für denWert des Essens, beschreiben Die-ringer und Sacher ihre Beobach-tungen. „Die Frage war immer:Wie viel kostet es?“, sagt Dieringer.„Niemand hat gefragt: Was gibt eszu essen?“

Web: www.feld-verein.at

Birnen, die sonstam Boden verfaultwären und Wespenangelockt hätten,sind ein Beispielfür Produkte, dieLuzia Dieringerund ihr Verein„Feld“ nutzen.[ Andrei.Pungovschi ]

AUF EINEN BLICK

Der Verein „Feld“ nutzt Lebensmittel,die sonst ungenützt blieben oder unnötigweggeschmissen würden. Während derSeminarwoche in Alpbach gab es für dieStipendiaten ein eigenes Mittagsangebotim Hallenbad. Im Rahmen derPolitischen Gespräche gibt es nochheute, Montag (12.30-14h), und währendder Wirtschaftsgespräche amMittwoch,30. August, ebenfalls ein Menüangebotzu Mittag.

TWEETS DES TAGES

Dieses ständigeHin-und-Her-Geswitche beim

Panel über Schiedsgerichte ver-ursacht bei mir Totalen Brain-fuck |efa17@lsommer_

die durch einige muren ver-schüttete straße zwischen reithund alpbach ist inzwischenwieder befahrbar. |efa17 |ser-vicetweet@karlamov

Fällt der Schützenaufmarschfür VdB gleich ins Wasser? Undwo rennen wir dann alle wiederhin? |efa17@mic_ung

Philipp Blom: Our identitiesare not so much national. Iwould be happy with a Europebuild on regional identities.|efa17@forumalpbach

Let’s stop talking about „Euro-pe and Islam“ as oppositio-nal terms. Alright? Lots of Euro-pean Muslims here too. |mo-veon |efa17@alenkeric

Kann mich an |efa15 erin-nern.Bin beim Bild von AylanKurdi hinter dem Jakober einehalbe Stunde auf der Straße ge-sessen & hab geheult |efa17@joseflentsch

Unser Präsident ist sehr leise.Die Welt ist sehr laut. |efa17|wiesenweisheit@_schwindelfrei_

Schreiben über Korea: „Ich will Dinge verstehen“Gespräch. Schriftstellerin Anna Kim eröffnete die Rechtsgespräche mit einer Lesung aus ihrem jüngsten Roman.Gerade die Geschichte Nord- und Südkoreas ist für sie ein gutes Beispiel für gelungene und gescheiterte Kooperation.

Sie ist in Südkorea geboren, mit ih-ren Eltern aber früh nach Öster-reich ausgewandert – und bis heutehat Anna Kim ein „distanziertesVerhältnis“ zu ihrem Geburtsland,erzählt sie in Alpbach. Erst im Zugeder Recherche für ihren jüngstenRoman „Die große Heimkehr“ hat

sie sich intensiv mit der Geschichtedes Landes beschäftigt. Nord- undSüdkorea sind für sie „wie eineiigeZwillinge, die bei verschiedenen El-tern aufgewachsen sind“. DerenGeschichte lange Zeit sehr parallellief, in beiden Staaten reagiertendas Militär und Diktatoren, die sichgegen die Großmächte USA undSowjetunion behaupten mussten:

im Norden Kim Il-sung, im SüdenPark Chung-hee. Und dennoch ge-lang es nur Südkorea, die Diktaturabzustreifen. Und zwar, weil es indie richtigen Kooperationen – vorallem zu den USA, aber auch Japan– eingebettet gewesen ist. Ganz an-ders als der Norden.

Es hat eine gewisse Tradition,dass die Alpbacher Rechtsgesprä-

che von einemDichter, einer Dich-terin eröffnet werden. In diesemJahr war das eben die 1977 gebo-rene Anna Kim, die sich in ihrenRomanen wiederholt mit derNachzeichnung von politikhistori-schen Stoffen auseinandersetzt. In„Die gefrorene Zeit“ beschäftigtesie sich mit den Folgen des Jugos-lawienkriegs, in „Anatomie einer

Nacht“ mit der Identität Grönlandsund nun eben mit der GeschichteKoreas zur Zeit des Kalten Krieges.Anna Kim sagt, sie habe sich wäh-rend des Philosophiestudiums mitÄsthetik und Lyrik beschäftigt und„irgendwann festgestellt, dass mirdas nicht reicht. Die Konzentrationauf das Formale war mir zu we-nig“. Ihre Eltern seien zudem sehrpolitische Menschen gewesen. Dasprägt. Außerdem sagt sie: „Ich willDinge verstehen.“ Deswegen ver-tieft sie sich gerne in die Re-cherche, gräbt in Archiven, sprichtmit Zeitzeugen.

„Sehe keine Kriegsgefahr“Den aktuellen Konflikt zwischenden USA und Nordkorea beobach-tet sie weiterhin interessiert. Sieglaubt allerdings nicht, dass eseine akute Kriegsgefahr gibt. Auchin Südkorea sieht die kaum je-mand. „Die Menschen sind beina-he abgestumpft“, sagt sie. Wer sonah an einem Aggressor lebt, siehtdie Gefahr nicht mehr. (awa)

Anna Kim war zum ersten Mal zu Gast beim Forum Alpbach. [ Katharina Roßboth]