1
BILDUNGSSTANDARDS – ERGEBNISSE DER STEIRISCHEN 14-JÄHRIGEN Die meisten steirischen Schüler finden sich derzeit in den Hauptschulen: SCHÜLER UND LEHRER 5. BIS 8. SCHULSTUFE Allgemeinbildende höhere Schule Hauptschule Neue Mittelschule 10.536 592 4250 Quelle: LANDESSCHULRAT, BIFIE/BILDUNGSSTANDARDS, Fotos: FOTOLIA (2) steirische Schüler der 8. Schulstufe traten im April 2013 zum Bildungsstandards-Test in Englisch an. Das waren nahezu alle Schüler dieser Altersgruppe. 15.300 Schüler lernen derzeit in der Unterstufe einer steirischen AHS. 29.000 Schüler besuchen im laufenden Schuljahr eine steirische Hauptschule oder Neue Mittelschule. Lehrer unterrichten im laufenden Schuljahr an Haupt- schulen und Neuen Mittel- schulen in der Steiermark. 12% der Getesteten haben in der Steiermark einen Migrationshintergrund (exklusive aus Deutschland stammender Familien). Punkte erreichten die AHS-Schüler im Schnitt, die HS-Schüler jedoch nur 474 Punkte und die NMS-Schüler 462 Punkte. Keine der Schularten liegt über dem jeweiligen Österreich-Schnitt. 506 Punkte erreichten die steirischen Schüler im Schnitt in Englisch – deutlich unter dem Österreich-Schnitt (519). 56% 15% 29% SERIE | 19 KLEINE ZEITUNG MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2014 18 | STEIERMARK-THEMA KLEINE ZEITUNG MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2014 BAUSTELLE BILDUNG Wunde Punkte im Schulsystem: Wir beleuchten Problemfelder. SCHLUSS DER SERIE Neue Mittelschulen (NMS) haben bei den Bildungsstandards leicht schlechter abgeschnitten als die Hauptschulen. Die Steiermark ist Vorzeigeland bei der Umstellung der Hauptschulen auf NMS. Eine große Enttäuschung? MICHAEL SCHICKHOFER: Die Umset- zung braucht Zeit. Es gibt aber klar Anlass dafür, zu schauen, was weiter verbessert gehört: bei Rahmenbedingungen, Unterstüt- zungssystemen und insbesonde- re auch der Fachdidaktik. Es muss das gemeinsame Ziel sein, dass die Neuen Mittelschulen besser sind als die Hauptschulen, und nicht, dass man mehr Geld inves- tiert und das Niveau gleich bleibt. Haben Sie schon Ursachenfor- schung betrieben? SCHICKHOFER: In der Steiermark ha- ben jetzt zwar bis auf vier alle Hauptschulen auf Neue Mittel- schulen umgestellt. Aber zum Zeitpunkt der Bildungsstandards- Testung waren erst 15 Prozent der Kinder der vierten Klasse (diese wurden getestet, Anm.) in Neuen Mittelschulen. Und die sind schwerpunktmäßig in Städten und Gemeinden, wo das Thema Migrationshintergrund, soziale Situation massiv stärker ist. Das sind Umfeldfaktoren. Trotzdem muss man sich genau anschauen, was man verbessern muss. Die Zweiteilung in Städten: Gute Schüler gehen eher aufs Gymnasi- um, schwächere in die HS/NMS. Ist das damit also festzementiert? SCHICKHOFER: In Weiz etwa, wo 20 Prozent ins Gymnasium gehen und 80 Prozent in die Hauptschu- le, gibt es eine gute Durchmi- schung. Wenn aber 50, teilweise schon 60 Prozent der qualifizier- teren Kinder ins Gymnasium ge- hen und 40 Prozent bleiben üb- rig, dann haben wir ein Problem. Gymnasien zum Umstieg auf NMS zu begeistern, ist gescheitert. SCHICKHOFER: SPÖ-Ziel bleibt die Gemeinsame Schule. Wobei man genau schauen muss, welche pä- dagogischen Rahmenbedingun- gen funktionieren. Das braucht massiv Personalentwicklung. Ist diese zu wenig passiert? SCHICKHOFER: In den Hauptschulen haben wir Teamteaching in der Fläche nie gehabt. Das muss sich entwickeln. Aber das passiert ja: Pädagogische Hochschulen und Landesschulrat machen intensiv Schulentwicklung. Der Rechnungshof hat fehlende Evaluation kritisiert. Zu Recht? SCHICKHOFER: In diesem Punkt bin ich absolut der Meinung des Rechnungshofes. Was ist bei der NMS zu ändern? SCHICKHOFER: Wenn für gewisse pä- dagogische Konzepte schwer- punktmäßige Dienstposten ge- braucht werden, werde ich versu- chen, Ressourcen so zu lenken, dass dort, wo es Probleme gibt, die Situation verbessert werden kann. Kritiker werden sagen, jetzt fließt noch mehr Geld in die NMS. SCHICKHOFER: Grundsätzlich ist das Kontingent vom Bund vorgege- ben. In zwei, drei Jahren haben wir in der ganzen Steiermark Abgän- ger der NMS, dann kann man sa- gen, ob es bessere Ergebnisse gibt als zu Zeiten der Hauptschule. INTERVIEW: SONJA HASEWEND „Neue Mittelschule muss besser werden als die Hauptschule“ Für Landesrat Michael Schickhofer (SPÖ) ist das neue Schulmodell in der Steiermark nicht gescheitert, muss aber genau evaluiert werden. INTERVIEW Michael Schickhofer FUCHS wirklich ein Erfolg? APA (4) Individuelles Lernen, Unterrichten im Team und der Umgang mit Mehrsprachigkeit: Die Neue Mittelschule setzt neue pädagogische Schwerpunkte. Doch ist sie SONJA HASEWEND D ie einen reagierten mit Ab- wehr, andere mit Häme: Dass die Schüler der Neuen Mit- telschulen (NMS) bei den Bil- dungsstandards in Englisch nicht besser, ja sogar leicht schlechter lagen als ihre Kollegen in den Hauptschulen, ließ die Diskussio- nen um diese neue Schulform wieder aufflammen. Für Hannes Wiedenhofer hingegen gibt es et- was anderes, worüber man wirk- lich sprechen sollte: „Trotz aller Bemühungen herrscht weiter eine soziale Selektion“, noch immer bestimme der Bildungshinter- grund des Elternhauses, wohin es für das Kind geht, sagt der Direk- tor der NMS Algersdorf in Graz. In Ballungszentren, vor allem eben in Graz, hat sich an der alten Aufteilung nach der Volksschule nichts geändert: Die mit den gu- ten Noten kommen ins Gymnasi- um, die Schwächeren in die Hauptschule, die jetzt Neue Mit- telschule heißt. Die rote Idee der langsamen Einführung einer Ge- samtschule kann als gescheitert bezeichnet werden. Denn Gym- es daher noch zu früh für verläss- liche Aussagen, ob die Neue Mit- telschule ein Erfolg ist oder nicht. Auch wenn keine Details veröf- fentlicht wurden: Einzelne länd- liche NMS haben bei den Bil- dungsstandards sehr gut abge- schnitten – sogar besser als man- che AHS. Ungleich schwerer ha- ben es Standorte wie die Grazer NMS Algersdorf. 70 Prozent der Kinder stammen aus Migranten- familien, die meisten von ihnen sind zwar in Österreich geboren. Sprachprobleme sind dennoch häufig, auch bei österreichischen Schülern. Trotzdem schafft es immerhin ein Drittel der Schüler nach dem Abschluss erfolgreich auf weiterführende Schulen. Die NMS Algersdorf begann als Teil des Schulverbundes Graz-West vor 22 Jahren mit den Lehr- und Lernformen, die jetzt gefragt sind. Die Lehrer sind daran gewöhnt. Schulleiter Wiedenhofer gibt jedenfalls zu bedenken: „Es ist auch nötig, mehr Kraft in die Volksschulen zu stecken, zum Beispiel mit Teamteaching. Wir bekommen die Kinder und reparieren vie- les nur noch.“ ist Die Gesamtschule, die keine Die Hauptschulen sind zu Neuen Mittelschulen geworden, doch die alte Aufteilung der Schüler ist geblieben. nasien haben sich kaum für das neue Modell NMS interessiert, bei denen im Idealfall in den Hauptgegenständen Lehrer aus dem AHS- und dem Hauptschul- bereich im Team unterrichten. Die Ergebnisse des Bildungs- standards-Tests, bei dem alle Schüler der 8. Schulstufe auf ihre Englischkenntnisse geprüft wur- den, seien, was die Neuen Mitte- schulen betrifft, „so, wie sie zu er- warten waren“, sagt Landes- schulinspektor Hermann Zoller. Immerhin 20 der 34 getesteten Neuen Mittelschulen sind in Graz. Das liegt daran, dass Graz als eine der ersten steirischen Re- gionen auf die neue Schulform umgestellt wurde. Für Zoller ist

01 KLEINEZEITUNG GRAZ 20140212 Prod-Nr 196954 …phst.at/fileadmin/2014_02_12_KLEINEZEITUNG_NMS.pdf · schon 60 P ro zent der qualif izier- ... ja sog ar leicht schlecht er ... dung

Embed Size (px)

Citation preview

BILDUNGSSTANDARDS – ERGEBNISSE DER STEIRISCHEN 14-JÄHRIGENDie meisten steirischen Schülerfinden sich derzeit in denHauptschulen:

SCHÜLER UND LEHRER 5. BIS 8. SCHULSTUFE

Allgemeinbildendehöhere Schule

Hauptschule

NeueMittelschule

10.536

5924250

Quelle: LANDESSCHULRAT, BIFIE/BILDUNGSSTANDARDS, Fotos: FOTOLIA (2)

steirische Schülerder 8. Schulstufe tratenim April 2013 zumBildungsstandards-Testin Englisch an. Daswaren nahezu alleSchüler dieserAltersgruppe.

15.300Schüler lernen derzeitin der Unterstufe einersteirischen AHS.

29.000Schüler besuchen im laufendenSchuljahr eine steirische Hauptschuleoder Neue Mittelschule.

Lehrer unterrichten imlaufenden Schuljahr an Haupt-schulen und Neuen Mittel-schulen in der Steiermark.12%

der Getestetenhaben in derSteiermark einenMigrationshintergrund(exklusive ausDeutschlandstammender Familien).

Punkte erreichten die AHS-Schüler imSchnitt, die HS-Schüler jedoch nur 474Punkte und die NMS-Schüler 462Punkte. Keine der Schularten liegt überdem jeweiligen Österreich-Schnitt.

506 Punkte erreichten diesteirischen Schüler im Schnittin Englisch – deutlich unterdem Österreich-Schnitt (519).

56%15%

29%

SERIE | 19KLEINE ZEITUNGMITTWOCH, 12. FEBRUAR 201418 | STEIERMARK-THEMA KLEINE ZEITUNG

MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2014

BAUSTELLEBILDUNG

Wunde Punkte im Schulsystem:Wir beleuchten Problemfelder.SCHLUSS DER SERIE

Neue Mittelschulen (NMS) habenbei den Bildungsstandards leichtschlechter abgeschnitten als dieHauptschulen. Die Steiermark istVorzeigeland bei der Umstellungder Hauptschulen auf NMS. Einegroße Enttäuschung?MICHAEL SCHICKHOFER: Die Umset-zung braucht Zeit. Es gibt aberklar Anlass dafür, zu schauen,was weiter verbessert gehört: beiRahmenbedingungen, Unterstüt-zungssystemen und insbesonde-re auch der Fachdidaktik. Es mussdas gemeinsame Ziel sein, dassdie Neuen Mittelschulen bessersind als die Hauptschulen, undnicht, dass man mehr Geld inves-tiert und das Niveau gleich bleibt.

Haben Sie schon Ursachenfor-schung betrieben?SCHICKHOFER: In der Steiermark ha-ben jetzt zwar bis auf vier alleHauptschulen auf Neue Mittel-schulen umgestellt. Aber zumZeitpunkt der Bildungsstandards-Testung waren erst 15 Prozent derKinder der vierten Klasse (diesewurden getestet, Anm.) in NeuenMittelschulen. Und die sindschwerpunktmäßig in Städtenund Gemeinden, wo das ThemaMigrationshintergrund, soziale

Situation massiv stärker ist. Dassind Umfeldfaktoren. Trotzdemmuss man sich genau anschauen,was man verbessern muss.

Die Zweiteilung in Städten: GuteSchüler gehen eher aufs Gymnasi-um, schwächere in die HS/NMS.Ist das damit also festzementiert?SCHICKHOFER: In Weiz etwa, wo 20Prozent ins Gymnasium gehenund 80 Prozent in die Hauptschu-le, gibt es eine gute Durchmi-schung. Wenn aber 50, teilweiseschon 60 Prozent der qualifizier-teren Kinder ins Gymnasium ge-hen und 40 Prozent bleiben üb-rig, dann haben wir ein Problem.

Gymnasien zum Umstieg aufNMS zu begeistern, ist gescheitert.SCHICKHOFER: SPÖ-Ziel bleibt dieGemeinsame Schule. Wobei mangenau schauen muss, welche pä-dagogischen Rahmenbedingun-

gen funktionieren. Das brauchtmassiv Personalentwicklung.

Ist diese zu wenig passiert?SCHICKHOFER: In den Hauptschulenhaben wir Teamteaching in derFläche nie gehabt. Das muss sichentwickeln. Aber das passiert ja:Pädagogische Hochschulen undLandesschulrat machen intensivSchulentwicklung.

Der Rechnungshof hat fehlendeEvaluation kritisiert. Zu Recht?SCHICKHOFER: In diesem Punkt binich absolut der Meinung desRechnungshofes.

Was ist bei der NMS zu ändern?SCHICKHOFER: Wenn für gewisse pä-dagogische Konzepte schwer-punktmäßige Dienstposten ge-braucht werden, werde ich versu-chen, Ressourcen so zu lenken,dass dort, wo es Probleme gibt, dieSituation verbessert werden kann.

Kritiker werden sagen, jetztfließt noch mehr Geld in die NMS.SCHICKHOFER: Grundsätzlich ist dasKontingent vom Bund vorgege-ben. In zwei, drei Jahren haben wirin der ganzen Steiermark Abgän-ger der NMS, dann kann man sa-gen, ob es bessere Ergebnisse gibtals zu Zeiten der Hauptschule.

INTERVIEW: SONJA HASEWEND

„Neue Mittelschule muss besserwerden als die Hauptschule“

Für Landesrat Michael Schickhofer (SPÖ) ist das neue Schulmodellin der Steiermark nicht gescheitert, muss aber genau evaluiert werden.

I N T E R V I E W

Michael Schickhofer FUCHS

wirklich ein Erfolg? APA (4)Individuelles Lernen, Unterrichten im Team und der Umgang mit Mehrsprachigkeit: Die Neue Mittelschule setzt neue pädagogische Schwerpunkte. Doch ist sie

SONJA HASEWEND

Die einen reagierten mit Ab-wehr, andere mit Häme: Dassdie Schüler der Neuen Mit-

telschulen (NMS) bei den Bil-dungsstandards in Englisch nichtbesser, ja sogar leicht schlechterlagen als ihre Kollegen in denHauptschulen, ließ die Diskussio-nen um diese neue Schulformwieder aufflammen. Für Hannes

Wiedenhofer hingegen gibt es et-was anderes, worüber man wirk-lich sprechen sollte: „Trotz allerBemühungen herrscht weiter einesoziale Selektion“, noch immerbestimme der Bildungshinter-grund des Elternhauses, wohin esfür das Kind geht, sagt der Direk-tor der NMS Algersdorf in Graz.

In Ballungszentren, vor allemeben in Graz, hat sich an der altenAufteilung nach der Volksschulenichts geändert: Die mit den gu-ten Noten kommen ins Gymnasi-um, die Schwächeren in dieHauptschule, die jetzt Neue Mit-telschule heißt. Die rote Idee derlangsamen Einführung einer Ge-samtschule kann als gescheitertbezeichnet werden. Denn Gym-

es daher noch zu früh für verläss-liche Aussagen, ob die Neue Mit-telschule ein Erfolg ist oder nicht.

Auch wenn keine Details veröf-fentlicht wurden: Einzelne länd-liche NMS haben bei den Bil-dungsstandards sehr gut abge-schnitten – sogar besser als man-che AHS. Ungleich schwerer ha-ben es Standorte wie die GrazerNMS Algersdorf. 70 Prozent derKinder stammen aus Migranten-familien, die meisten von ihnensind zwar in Österreich geboren.Sprachprobleme sind dennochhäufig, auch bei österreichischenSchülern. Trotzdem schafft esimmerhin ein Drittel der Schülernach dem Abschluss erfolgreichauf weiterführende Schulen.

Die NMS Algersdorf begannals Teil des SchulverbundesGraz-West vor 22 Jahren mitden Lehr- und Lernformen, diejetzt gefragt sind. Die Lehrersind daran gewöhnt. SchulleiterWiedenhofer gibt jedenfalls zubedenken: „Es ist auch nötig,mehr Kraft in die Volksschulenzu stecken, zum Beispiel mitTeamteaching. Wir bekommendie Kinder und reparieren vie-les nur noch.“

istDie Gesamtschule, die keineDie Hauptschulen sindzu Neuen Mittelschulengeworden, doch die alteAufteilung der Schülerist geblieben.

nasien haben sich kaum für dasneue Modell NMS interessiert,bei denen im Idealfall in denHauptgegenständen Lehrer ausdem AHS- und dem Hauptschul-bereich im Team unterrichten.

Die Ergebnisse des Bildungs-standards-Tests, bei dem alleSchüler der 8. Schulstufe auf ihreEnglischkenntnisse geprüft wur-den, seien, was die Neuen Mitte-schulen betrifft, „so, wie sie zu er-warten waren“, sagt Landes-schulinspektor Hermann Zoller.Immerhin 20 der 34 getestetenNeuen Mittelschulen sind inGraz. Das liegt daran, dass Grazals eine der ersten steirischen Re-gionen auf die neue Schulformumgestellt wurde. Für Zoller ist