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Lehrstuhl für Metallbau Metallbau Vorlesungsskript Grundkurs M. Mensinger / K. Schwindl Stand: 07/2008 401 4 Torsion 4.1 Einführung Stäbe können zusätzlich zu den Schnittgrößen Normalkraft, Querkraft und Biegemoment auch durch ein Torsionsmoment beansprucht werden. Grundlage der Torsionstheorie ist ein linear-elastisches Materialverhalten, so dass die vorgestellten Methoden und Berechnungs- verfahren hauptsächlich als Ergänzung zu Kapitel 3, Abschnitt 3.8 „Das Verfahren Elastisch- Elastisch“ zu sehen sind. Aufgrund ihres Umfangs wird der Torsionstheorie ein eigenes Kapi- tel gewidmet. 4.2 Grundlagen 4.2.1 Vorbemerkung Leider werden zum Thema Torsion in der Literatur für ein und dieselbe Größe zahlreiche verschiedene Symbole und teilweise auch Bezeichnungen verwendet. Die folgende Tabelle soll die Zuordnung erleichtern, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Symbol Bezeichnung / Erläuterung alternative Symbole alternative Bezeich- nungen M T (Einzel-)Torsionsmoment (äußere Belas- tung) M D m T (Strecken-)Torsionsmoment (äußere Belastung) m d M x Torsionsmoment (Schnittgröße) M T , T M x,p primäres Torsionsmoment (Saint Venant) T v , M x,1 M x,s sekundäres Torsionsmoment (Wölbkraft- torsion) T w , T , M x,w , M x, , M x,2 Wölbtorsionsmoment Drehwinkel um die x-Achse, Verdrehung , x Drillung Verdrillung , x Verwindung, Drall, bezogene Änderung des Drehwinkels p primäre Schubspannung v Wölbschubspannung s , w sekundäre Schubspannung Wölbnormalspannung s , 2 sekundäre Normalspannung A m von der Blechmittellinie umschlossene Fläche A k , Tabelle 4-1: Alternative Bezeichnungen und Symbole diverser Größen

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4 Torsion

4.1 Einführung

Stäbe können zusätzlich zu den Schnittgrößen Normalkraft, Querkraft und Biegemoment

auch durch ein Torsionsmoment beansprucht werden. Grundlage der Torsionstheorie ist ein

linear-elastisches Materialverhalten, so dass die vorgestellten Methoden und Berechnungs-

verfahren hauptsächlich als Ergänzung zu Kapitel 3, Abschnitt 3.8 „Das Verfahren Elastisch-

Elastisch“ zu sehen sind. Aufgrund ihres Umfangs wird der Torsionstheorie ein eigenes Kapi-

tel gewidmet.

4.2 Grundlagen

4.2.1 Vorbemerkung

Leider werden zum Thema Torsion in der Literatur für ein und dieselbe Größe zahlreiche

verschiedene Symbole und teilweise auch Bezeichnungen verwendet. Die folgende Tabelle

soll die Zuordnung erleichtern, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Symbol Bezeichnung / Erläuterung alternative

Symbole

alternative Bezeich-

nungen

MT (Einzel-)Torsionsmoment (äußere Belas-

tung) MD

mT (Strecken-)Torsionsmoment (äußere

Belastung) md

Mx Torsionsmoment (Schnittgröße) MT, T

Mx,p primäres Torsionsmoment (Saint Venant) Tv, Mx,1

Mx,s sekundäres Torsionsmoment (Wölbkraft-

torsion) Tw, T , Mx,w,

Mx, , Mx,2

Wölbtorsionsmoment

Drehwinkel um die x-Achse, Verdrehung , xDrillung

‘ Verdrillung ‘, x‘ Verwindung, Drall, bezogene

Änderung des Drehwinkels

p primäre Schubspannung v

Wölbschubspannung s, w sekundäre Schubspannung

Wölbnormalspannung s, 2

sekundäre Normalspannung

Am von der Blechmittellinie umschlossene

Fläche Ak,

Tabelle 4-1: Alternative Bezeichnungen und Symbole diverser Größen

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IT Torsionsflächenmoment 2. Grades ID, JD, K Torsionskonstante (K)

G·IT Torsionssteifigkeit G·ID, G·JD

WT Torsionswiderstandsmoment

I Wölbflächenmoment 2. Grades Iw, CM, A Wölbwiderstand, sektorielles

Trägheitsmoment

E·I Wölbsteifigkeit E·Iw, E·CM,

E·A

M Wölbbimoment

S Wölbflächenmoment 1. Grades A sektorielles statisches Moment

Einheitsverwölbung w,

sektorielle Koordinate

Grundverwölbung

C Wölbfedersteifigkeit c

C Drehfedersteifigkeit

Abklingfaktor

Tabelle 4-1 (Fortsetzung): Alternative Bezeichnungen und Symbole diverser Größen

4.2.2 Wölbfreie Querschnitte

Unter Torsionsbeanspruchung tritt eine Verdrehung des Stabes um seine Längsachse (bzw.

um eine dem Stab aufgezwungene, zur Längsachse parallele Drillachse A) mit dem Verdre-

hungswinkel auf. Wird die Verdrehung d auf die Längeneinheit dx bezogen spricht man

von der Verdrillung d /dx = ‘.

Bild 4-1: Verdrillung ‘ eines Stabelements

Mit der Verdrillung geht bei nicht wölbfreien Querschnitten eine Verwölbung u einher: die

einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) verformen sich in Stablängsrichtung unterschied-

lich stark, wobei der Stabquerschnitt nicht eben bleibt, er verwölbt sich.

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Bild 4-2: Verwölbung u infolge Torsionsbeanspruchung Mx

Bei sogenannten wölbfreien Querschnitten treten keine Verwölbungen auf.

Es gibt drei Arten von wölbfreien Querschnitten:

Rotationssymmetrische Querschnitte

Bild 4-3: Vollkreis Bild 4-4: Kreisring

Profile aus zwei sich kreuzenden dünnen Blechstreifen

Der Schubmittelpunkt M liegt im Schnittpunkt der Profilmittellinien.

Bild 4-5: Wölbfreie Querschnitte aus zwei sich kreuzenden Blechen

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Dünnwandige Hohlquerschnitte mit Zusatzanforderung

Für dünnwandige, durch schmale Rechtecke gebildete Hohlprofile werden die Wanddicken

der einzelnen Bleche in den Querschnittsecken als Vektoren angetragen und aus je zwei

Blechdickenvektoren wird ein resultierender Blechdickenvektor gebildet. Wenn sich alle re-

sultierenden Blechdickenvektoren in einem Punkt schneiden dann ist dieser Schnittpunkt der

Schubmittelpunkt M. Ein solcher Querschnitt ist wölbfrei.

Bild 4-6: Wölbfreies Hohlprofil Bild 4-7: Dreieckshohlprofil

Diese Forderung wird von jedem Dreieck mit beliebigen Blechdicken erfüllt.

Alle Dreiecks-Hohlprofile sind wölbfrei.

Ferner erfüllen auch alle polygonal begrenzten Querschnitte mit konstanter Blechdicke diese

Forderung, wenn in sie ein Kreis einbeschrieben werden kann. Der Mittelpunkt dieses Krei-

ses liegt auf den Winkelhalbierenden je zweier benachbarter Bleche und ist zugleich der

Schubmittelpunkt.

Bild 4-8: Dreieckshohlprofil Bild 4-9: Hohlprofil mit t=.const und einbe-

schriebenem Kreis

Alle Polygone mit konstanter Blechdicke t, die einen Kreis umschließen, sind wölbfrei.

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Achtung: Die Eigenschaft der Wölbfreiheit geht verloren, wenn es eine Zwangsdrillachse gibt

und sich der Querschnitt nicht um seinen Schubmittelpunkt verdrillen kann.

Alle anderen Querschnitte sind nicht wölbfrei.

Beispiele:

Bild 4-10: Nicht wölbfreie Querschnitte

Als näherungsweise wölbfrei gelten z.B. rechteckige Hohlprofile, deren Seitenlängen a und b

sich nicht zu sehr voneinander unterscheiden.

4.2.3 Die zwei Arten der Torsion

Man unterscheidet zwei Arten von Torsion: St. Venantsche Torsion und Wölbkrafttorsion.

Die St. Venantsche Torsion wird auch zwangsfreie Drillung genannt. Alle Querschnitte des

Stabes können sich ungehindert verwölben. Durch die Querschnittsverwölbung erfahren die

Querschnittsfasern unterschiedliche Dehnungen x. Da sich diese Dehnungen ungehindert

einstellen können, entstehen nur Schubspannungen, aber keine Normalspannungen. Die

Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion werden als „primäre Schubspannungen

p“ bezeichnet.

Die Wölbkrafttorsion wird auch als Zwangs- oder Zwängungsdrillung bezeichnet. Wird die

freie Verwölbung eines nicht wölbfreien Querschnittes behindert (z.B. einbetoniertes Träger-

ende), so entstehen neben primären Schubspannungen p auch „sekundäre Normalspan-

nungen “ und „sekundäre Schubspannungen “.

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Für wölbfreie Querschnitte gilt im Allgemeinen die St. Venantsche Torsion. Für nicht wölb-

freie Querschnitte muss in der Regel die Wölbkrafttorsion berücksichtigt werden.

Für wölbarme Querschnitte kann die St. Venantsche Torsion oft als brauchbare Näherung

verwendet werden.

Wenn die Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen ist, kann das Torsionsmoment Mx in zwei An-

teile zerlegt werden, welche zu primären und sekundären Spannungen führen:

sxpxx MMM ,,

mit Mx,p: Saint Venantsche Torsion

Mx,s: Wölbkrafttorsion

Es liegt dann gemischte Torsion vor.

Bild 4-11: Gemischte Torsion

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Infolge des Torsionsmomentes Mx verdreht sich der Querschnitt um seine Längsachse. Wä-

ren die Flansche nicht mit dem Steg verbunden, so würden sich die drei Einzelbleche jeweils

um den Winkel verdrehen, wobei die Schwerpunkte der Einzelbleche auf der z-Achse ver-

bleiben würden.

Die Endpunkte des Steges würden sich relativ zu den Flanschmitten um das Maß voben bzw.

vunten verschieben. Die zu diesem Zustand gehörenden primären Schubspannungen p laufen

um jeden Querschnittsteil im gleichen Drehsinn herum. Dieser Zustand entspricht dem Anteil

aus Saint-Venantscher Torsion.

Natürlich tritt in der Realität zwischen den Flanschen und dem Steg keine Klaffung auf, so

dass die Flansche zusätzlich zur Rotation (x) auch eine Translation voben bzw. vunten erfah-

ren, da die Querschnittsform erhalten bleibt (Verträglichkeit der Verformungen der Quer-

schnittsteile). Damit sich diese Verformung der Flansche einstellt, müssen in den Flanschen

zwangsläufig sekundäre Schubspannungen und auch (hier nicht dargestellte) Wölbnor-

malspannungen auftreten. Dieser Zustand entspricht dem Anteil aus Wölbkrafttorsion.

Diese Schubspannungsverteilung führt nur zu Verdrehungen um den jeweiligen Schubmittel-

punkt der Einzelbleche (identisch mit Schwerpunkt der Einzelbleche), nicht aber zu Verfor-

mungen quer zur Stabachse.

Die Theorie zu den beiden Torsionsarten wird in den folgenden Abschnitten ausführlich er-

klärt.

4.3 Die Saint Venantsche Torsion

4.3.1 Voraussetzungen

Es müssen folgende Voraussetzungen eingehalten sein, damit reine St. Venantsche Torsion

vorliegt:

Der Werkstoff verhält sich linear-elastisch (Verfahren Elastisch-Elastisch).

Die auftretenden Formänderungen sind klein im Vergleich zu den Abmessungen des

tordierten Stabes.

Die Querschnittsform bleibt erhalten.

Torsionsmomente greifen nur an den beiden Stabenden an.

Die entstehenden Querschnittsverformungen in Längsrichtung (Verwölbung) werden

nicht behindert .

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Unter diesen Voraussetzungen entstehen nur Schubspannungen p. Sie werden als St. Ve-

nantsche oder primäre Schubspannungen bezeichnet.

Die Forderungen, dass Torsionsmomente nur an den Stabenden angreifen und Verwölbun-

gen nicht behindert werden dürfen, gelten nur für nicht wölbfreie Querschnitte.

Die Erhaltung der Querschnittsform ist von großer Bedeutung. Deshalb werden insbesonde-

re an Krafteinleitungsstellen (Angriffspunkte von Einzellasten, Lager) Rippen, Schotte oder

steife Querverbände angeordnet. Zu beachten ist jedoch, dass Maßnahmen zur Erhaltung

der Querschnittsform abhängig von deren individueller Ausführung dazu führen können, dass

die freie Verwölbung des Querschnittes nicht mehr möglich ist und somit keine reine St. Ve-

nantsche Torsion mehr vorliegt (Beispiel: dicke Stirnplatten oder Rippen).

4.3.2 Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion

Anhand eines Kreisquerschnitts wird die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion

hergeleitet.

Der infinitesimal kleine Stababschnitt der Länge dx wird durch das Torsionsmoment Mx,p be-

ansprucht.

Bild 4-12: Stabelement der Länge dx unter Torsionsbeanspruchung

Für die Verformung eines Punktes im Abstand r von der Stabachse gilt

dxxdr )( ,

woraus unmittelbar die Verzerrung folgt.

rdx

xd )(

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Die Schubspannungen p betragen in Abhängigkeit vom Abstand r von der Stabachse

rdx

xdGGp

)(

Anmerkung: Der Schubmodul G beträgt für Baustahl 81.000 N/mm².

Bild 4-13: Schubspannungsverteilung im

Vollkreis

Bild 4-14: Infinitesimales Element dA

Durch Integration der Schubspannungen über die Querschnittsfläche erhält man das Torsi-

onsmoment Mx,p als Resultierende der Schubspannungen.

A A

ppx dArGdx

xddArM 2

,

)(

Ein wichtiger Querschnittswert ist das Torsionsflächenmomentes 2. Grades IT, das mit der

Einheit [cm4] angegeben wird.

Mit drdrdA berechnet man IT für den betrachteten Kreisquerschnitt zu

322

42

0

32

0

2

0

22 ddrrdrdrrdArI

dr

rA

dr

r

T .

In gleicher Weise lässt sich IT eines Kreisringquerschnittes bestimmen.

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2

4rIT

1412

])([2

44

44

r

tfürr

r

tr

trrIT

trIT

32

Bild 4-15: Schubspannungsverlauf und IT

(Vollkreis)

Bild 4-16: Schubspannungsverlauf und IT

(Kreisring)

Umstellen der Bestimmungsgleichung für Mx,p und Einsetzen der Beziehung für IT liefert die

Differentialgleichung (DGL) der St. Venantschen Torsion.

T

px

IG

M

dx

xdx

,)()( DGL der St. Venantschen Torsion

Damit vereinfacht sich nach Auflösen und Einsetzten auch die Gleichung zur Berechnung

der Schubspannungen:

rI

Mr

dx

xdGG

T

px

p

,)(

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4.3.3 Vollquerschnitte

4.3.3.1 Allgemeine Vollquerschnitte

Die Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion können für beliebige Vollquerschnitte

mit Hilfe der Prandtlschen Membrananalogie (Analogie zur Poissonschen DGL) exakt be-

stimmt werden.

Bild 4-17: Prandtlsche Membrananalogie (Seifenhautgleichnis)

A

ppx dArxM )(,

Dabei entspricht die Torsionsbeanspruchung dem Druck auf die Membran. Das Torsions-

moment aus St. Venantscher Torsion entspricht dem Zweifachen des Volumens, das von der

Querschnittsoberfläche und der Membranoberfläche begrenzt wird. Die Schubspannungen

verlaufen tangential zur Membran, wobei ihr Betrag der jeweiligen Neigung der Membran

entspricht. Die Membrananalogie lässt sich aus dem Vergleich der Auslenkung der Membran

mit der DGL der Torsion dickwandiger Stäbe herleiten.

Für Vollquerschnitte folgt daraus:

ds

MAI

s

p

px

T

,2

)(40

4

zy

TII

AI Näherung nach St. Venant für Vollquerschnitte

Weitere Ausführungen sind der einschlägigen Literatur zur Technischen Mechanik zu ent-

nehmen (z.B. E. Pestel / J. Wittenburg: Technische Mechanik Band 2, Wissenschaftsverlag

1986, ISBN 3-411-01608-6).

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4.3.3.2 Rechteckquerschnitte

Für einen Rechteckquerschnitt mit den Abmessungen t·h beträgt der Maximalwert der

Schubspannungen

2

,

max,th

M px

p ,

und das Torsionsflächenmoment 2. Grades

3thIT .

und sind Beiwerte, die vom Verhältnis h/t der Querschnittshöhe h zur Querschnittsdicke t

abhängen.

Bild 4-18: Schubspannungsverteilung bei

einem dickwandigen Rechteckquerschnitt

Bild 4-19: Schubspannungsverteilung bei

einem dünnwandigen Rechteckquerschnitt

Während bei dickwandigen Querschnitten die Schubspannungsverteilung über den Quer-

schnitt nicht linear ist, sind die Schubspannungen bei dünnwandigen Querschnitten über die

Blechdicke t linear verteilt.

Tabelle 4-2 ist zu entnehmen, dass für t

h und einen Grenzwert von 1/3 besitzen.

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h/t 1,0 2,0 3,0 6,0 10

0,140 0,229 0,236 0,299 0,313 1/3

0,208 0,246 0,267 0,299 0,313 1/3

Tabelle 4-2: Beiwerte und für Rechteckquerschnitte

Für 10t

h ist 313,0 , also schon recht nahe am Grenzwert 1/3, d.h. als Kriterium für

das Vorliegen eines dünnwandigen Querschnitts kann in etwa ein Verhältnis 10t

h gelten.

Mit 3/1 beträgt die maximale primäre Schubspannung p für einen dünnwandigen

Rechteckquerschnitt

tI

M

t

t

th

M

T

pxpx

p

,

2

,

max,

3, mit

3

3

1thIT .

In diesem Zusammenhang sei auf folgendes Paradoxon hingewiesen:

Jene Schubanteile, die parallel zur kleinen Abmessung t verlaufen, erscheinen im Vergleich

zu den Anteilen entlang der großen Abmessung b vernachlässigbar.

Bild 4-20: Paradoxon im Zusammenhang mit der Schubspannungsverteilung bei dünnwandi-

gen Rechteckquerschnitten

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Integriert man die Schubspannungen über die Breite b und die Blechdicke t, so erhält man

als Resultierende ein Kräftepaar, das einem Torsionsmoment Mx*entspricht.

t

I

t

tb

t

tb

ttb

tM T

x max

3

max

2

maxmax2

11

663

2

22

1*

Dieses Torsionsmoment ist nur halb so groß wie das Torsionsmoment Mx,p, das sich nach

der Formel

Tpx It

M max, ergibt.

Dieser Widerspruch kann dadurch erklärt werden, dass an den Blechenden Schubspannun-

gen in Dickenrichtungen wirken, die in obiger Betrachtungsweise nicht berücksichtigt wur-

den. Diese Schubspannungen sind den übrigen Schubspannungen im Blech gleichwertig,

klingen mit zunehmender Entfernung vom Blechrand rasch ab, besitzen aber einen relativ

großen Hebelarm und tragen so zur Aufnahme des Torsionsmomentes bei. Das richtige Tor-

sionsmoment ergibt sich aus der Lösung der sogenannten Spannungsfunktion (hier nicht

behandelt, siehe Fachliteratur).

Für einen dünnwandigen Rechteckquerschnitt beträgt die maximale Schubspannung

tI

M

T

px

p

,

max, .

Zum Vergleich:

Für einen allgemeinen Vollquerschnitt beträgt die maximale Schubspannung

T

px

pW

M ,

max,

WT [cm³] wird Torsionswiderstandsmoment genannt und ist für die gebräuchlichsten Quer-

schnittsformen in den einschlägigen Tabellenwerken (z.B. Schneider Bautabellen) enthalten.

Da Vollquerschnitte für die Metallbaupraxis eher von untergeordneter Bedeutung sind, wird

bezüglich ausführlicherer Hintergrundinformationen auf die Literatur verwiesen.

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4.3.4 Dünnwandige offene Querschnitte

Für einen Blechstreifen der Dicke t und der Breite b gilt

tI

M

T

px

p

,

max,

3

3

1tbIT

Die gebräuchlichen Stahlbauprofile sind aus solchen dünnen Blechstreifen zusammenge-

setzt.

Weil die Querschnittsform voraussetzungsgemäß erhalten bleibt, muss die Verdrillung ', die

sich infolge des Torsionsmomentes Mx,p ergibt, für den Gesamtquerschnitt und für jeden

Teilquerschnitt (Einzelblech) gleich groß sein.

dx

d

dx

d

dx

d

dx

d i...21

Wegen der Gleichgewichtsbedingung Mx = 0 gilt ferner

TiTi

TT

i

ipxpx IGdx

dIG

dx

dIG

dx

dIG

dx

dMM ,2,

21,

1,,, ...

T

i

iT IGdx

dIG

dx

d,

i

ii

i

iTT tbII3

,3

1

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Bild 4-21: Aus dünnen Blechen zusammengesetzter Querschnitt.

Diese Formel gilt für nicht geschlossene Profile, die aus Blechen zusammengeschweißt oder

–geschraubt sind.

Für Walzprofile wird ein Korrekturwert eingeführt, um den Einfluss der beim Walzen ent-

stehenden Rundungen zu erfassen:

i

iiT tbI3

3

1

Profil L T, C, U, Z I

1,0 1,10 bis 1,15 1,3

Tabelle 4-3: Korrekturwerte für verschiedene Walzprofile

Für Lamellenpakete, wie sie insbesondere in den Anfangsjahren des Stahlbaus verwendet

wurden, kann IT wie folgt berechnet werden:

genietet: 33

03

1

3

1iioT tctbI

Bild 4-22: Genietetes Lamellenpaket

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geschweißt: 3

3

1osT tbI

Bild 4-23: Geschweißtes Lamellenpaket

4.3.5 Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Einzellige Querschnitte

Bei dünnwandigen offenen Querschnitten stellt sich unter Torsionsbeanspruchung ein über

die Blechdicke linear veränderlicher Schubspannungsverlauf ein. Im Gegensatz dazu besit-

zen die Schubspannungen bei geschlossenen dünnwandigen Querschnitten über die Blech-

dicke einen konstanten Verlauf.

Bild 4-24: Schubspannungsverteilung in einem

offenen Querschnitt

Bild 4-25: Schubspannungsverteilung in

einem geschlossenen Querschnitt

Schneidet man aus einem geschlossenen Querschnitt einen Teil heraus (vgl. Ausschnitt C,

Bilder 4-25 und 4-26), so kann mit Hilfe des Satzes von der Gleichheit einander zugeordne-

ter Schubspannungen gezeigt werden, dass der Schubfluss T über den Querschnittsumfang

konstant ist:

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dxtdxtFx 2211:0

.2211 constTttt ii

Bild 4-26: Ausschnitt C zu Bild 4-25

Das Torsionsmoment Mx,p ist die Resultierende dieses konstanten, umlaufenden Schubflus-

ses T.

Die folgenden Gleichungen beziehen sich auf einen (beliebigen) Drehpunkt A. Der Index A

macht den Bezug zum Drehpunkt A kenntlich.

Es wird eine lokale Koordinate s mit Ursprung im Punkt P0 eingeführt, die der Profilkontur

tangential folgt. Jeder Querschnittspunkt P kann durch diese lokale Koordinate s als P(s)

ausgedrückt werden.

Dann legt man im Punkt P(s) gedanklich eine Tangente an die Querschnittskontur. Zum

Drehpunkt A besitzt diese Tangente den Abstand rt,A.

Bild 4-27: Geschlossener Querschnitt – Koordinate s, Drehpunkt und Normalabstand rt,A

Page 19: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Die Schubspannungen p werden durch Multiplikation mit der Blechdicke t zum Schubfluss T

zusammengefasst:

.)()()( constTstssT p

Innerhalb eines infinitesimal kleinen Abschnitts der Querschnittskontur mit der Länge ds be-

trägt die resultierende Kraft des Schubflusses T·ds.

Diese Kraft erzeugt mit dem Hebelarm rt,A ein Torsionsmoment bezüglich der Drillachse A:

dsTrdM Atpx ,,

Durch Integration von dMx,p über den gesamten Umfang des geschlossenen Querschnitts

ergibt sich das Torsionsmoment

dsrTdsTrM AtAtpx ,,,

Wegen Integration über den gesamten Umfang wird das Zeichen für das Ringintegral ver-

wendet.

Bild 4-28: Geschlossener Querschnitt – Herleitung der Bredtschen Formeln

Das Produkt rt,A·ds kann man wie folgt deuten:

dsrdA Atm ,2

1 ist die Fläche des Dreiecks mit der Basis ds und der Höhe rt,A.

Das Ringintegral entspricht demnach dem zweifachen Wert der Fläche Am, die von der Mitte-

llinie des Bleches umschlossen wird.

mAt Adsr 2,

Page 20: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Einsetzen und Umformen liefert die 1. Bredtsche Formel:

mAtpx ATdsrTM 2,,

.2

,const

A

MT

m

px 1. Bredtsche Formel

Die maximale (primäre) Schubspannung tritt an der Stelle mit der geringsten Blechdicke auf.

min

maxt

Tp

Ein Punkt P auf der Mantelfläche des Stabes erfährt infolge einer Verdrehung d die Ver-

schiebung dv tangential zur Querschnittsoberfläche.

Bild 4-29: Tangentiale Verschiebung dv eines Punktes auf der Staboberfläche infolge d

drdrdv AtA ,cos

Bei einem allgemeinen, nicht wölbfreien Querschnitt führt die Schubverzerrung auch zu

Verwölbungen (=Längsverformungen) du (vgl. Element aus der Profilwandung mit den Ab-

messungen dx·ds).

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Bild 4-30: Infinitesimales Element dx·ds aus

der Profilwandung

Bild 4-31: Schubverzerrung am Element

dx·ds

Gds

du

dx

dv

Mit )(

)(st

Ts und drdv At , folgt:

ds

du

dx

dr

stG

TAt ,

)(

Die Verwölbung u (=Verformung in Stablängsrichtung) eines Querschnittspunktes kann nach

Umstellen der Gleichung durch Integration berechnet werden:

dsdx

dr

stG

Tdu At ,

)(

dsdx

dr

stG

Tu

s

At ,)(

Bei Integration über den gesamten Querschnittsumfang ist der Startpunkt PA mit dem End-

punkt PE der Integration identisch, und man erhält als Ergebnis die Differenzverwölbung u

zwischen diesen beiden Punkten:

)()()()(

,, AE

s

At

P

P

At PuPudsdx

dr

stG

Tds

dx

dr

stG

Tu

E

A

Page 22: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Da es sich um ein geschlossenes Profil handelt, sind Startpunkt PA und Endpunkt PE iden-

tisch, und weil zwischen zwei benachbarten „Fasern“ keine Verformungsdifferenz u auftre-

ten kann gilt:

0)(

,

s

At dsdx

dr

stG

Tu

Weiter folgt daraus

s

At

s

dsdx

drds

stG

T,

)(

T und G sind konstant und können vor das Integral gezogen werden, ebenso d /dx, weil

über s und nicht über x integriert wird.

m

s

At

s

Axdsrdx

d

st

ds

G

T2)(

)(,

Mit Hilfe der 1. Bredtschen Formel

m

px

A

MT

2

,

kann geschrieben werden:

m

sm

PxAx

st

ds

GA

M2)(

)(2

,,

und nach Umformung erhält man die Gleichung

2,4

)()(

m

sPx

AG

st

ds

Mx ,

die analog aufgebaut ist wie die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion:

T

px

IG

Mx

,)(

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Man erkennt, dass

s

mT

st

ds

AI

)(

42

ist. Das ist die 2. Bredtsche Formel.

Beispiel: Quadrathohlprofil 200/4

Das Hohlprofil kragt von der Einspannung frei aus und wird am Stabende durch ein Einzel-

torsionsmoment belastet. Das Profil ist wölbfrei, da es eine konstante Wanddicke t besitzt

und weil in das Profil ein Kreis einbeschrieben werden kann.

Bild 4-32: Eingespanntes Quadratrohr unter Torsionsbelastung

Mx,p = MT = 30 kNm

l = 1500 mm

Bild 4-33: Querschnitt und Belastung (Rundungen vernachlässigt)

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Die Ausrundungen der Ecken werden vernachlässigt.

²384)4,00,20( 2 cmAm

²/77,94,03842

10030

2

,cmkN

tA

M

m

px

p

422

3009

)4,00,20(4,0

14

3844

)(

1

4cm

dsst

AI m

T

Verdrehung am freien Ende:

lIG

Mdx

IG

xMx

IG

xMx

T

x

lx

x T

x

T

x

0

)()(

)()(

058,10185,015030098100

10030)1500(

radl

IG

Mmml

T

x

Zum Vergleich wird ein über die Länge geschlitztes Rohr (offener Querschnitt) mit denselben

Abmessungen betrachtet. Es wird angenommen, dass die Verwölbungen nicht behindert

werden.

Bild 4-34: Längs geschlitztes Quadratrohr

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4333

, 673,1)4,02,1924,00,202(3

1

3

1cmtbII

i

ii

i

iTT

2,

max, /7174,0673,1

10030cmkNt

I

M

T

px

p

Verdrehung am freien Ende:

lIG

Mdx

IG

xMx

IG

xMx

T

x

lx

x T

x

T

x

0

)()(

)()(

190321,33150673,18100

10030)1500(

radl

IG

Mmml

T

x

Hinweis: Der Stab würde damit mehr als fünfmal um seine Längsachse verdreht werden. Es handelt sich nur um

ein Demonstrationsbeispiel, da eine so große Verdrehung natürlich nicht mehr von einer Theorie erfasst wird, die

„kleine Verformungen“ voraussetzt.

An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, wie stark sich geschlossene und offene Quer-

schnitte im Hinblick auf Torsionssteifigkeit und –widerstand unterscheiden.

Größe geschlossener

Querschnitt

offener

Querschnitt

Verhältnis

geschlossen / offen

IT 3009 cm4 1,673 cm4 1799 ×

p 9,77 kN/cm“ 717 kN/cm² 1 / 73,4 ×

1,058° 1903° 1 / 1799 ×

Tabelle 4-4: Gegenüberstellung der Ergebnisse für ein offenes und ein geschlossenes Profil

Hinweis: Streng genommen müsste zu IT,geschlossen eines jeden geschlossenen Profils ein zusätzlicher Anteil IT,offen

eines offenen Profils mit gleichen Abmessungen hinzuaddiert werden. Da der geschlossene Anteil aber stark

überwiegt, wird dieser Anteil praktisch immer vernachlässigt. Hier z.B. wäre IT,geschlossen streng genommen 3009 +

1,7 = 3011 cm4, was aber praktisch 3009 cm

4 entspricht.

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Mehrzellige Querschnitte

Bei mehrzelligen, dünnwandigen Querschnitten ist im Regelfall nicht von vorneherein er-

kennbar, wie sich der Schubfluss auf die einzelnen Zellen des Querschnitts verteilt.

Bild 4-35: Schubflussverlauf in einem mehrzelligen Querschnitt

Gemäß dem Prinzip der Wasserleitung gilt, dass an einem Knotenpunkt der zufließende

Schubfluss so groß ist wie der abfließende.

Für den dargestellten Ausschnitt B gilt beispielsweise

12 TTTSteg

Derselbe Zusammenhang ergibt sich alternativ aus dem Satz von der Gleichheit einander

zugeordneter Schubspannungen, wenn für Ausschnitt B die Gleichgewichtsbedingung

Fx = 0 angetragen wird.

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Aufgrund der Voraussetzung, dass die Querschnittsform erhalten bleibt, ist die Verdrillung ‘i

aller einzelnen Zellen gleich groß und auch gleich groß wie die Verdrillung ‘ des Gesamt-

querschnitts.

dx

d

dx

d

dx

d

dx

d i...21

Die Verdrillung der Einzelzellen beträgt

iT

ixi

IG

M

dx

d

,

,

Unter Anwendung der Bredtschen Formeln kann für die Einzelzellen das Torsionsträgheits-

moment IT,i und der Anteil Mx,i am gesamten Torsionsmoment Mx ermittelt werden.

t

ds

AI

im

iT

2

,

,

4

imix

im

ix

i TAMA

MT 2

2,

,

,

Setzt man diese beiden Beziehungen in die Formel für die Verdrillung ein, so erhält man die

Verdrillung der Einzelzelle i in Abhängigkeit vom Schubfluss Ti.

im

i

im

iim

iT

ixi

AG

st

dsT

AG

st

dsTA

IG

M

dx

d

,

2

,

,

,

,

2

)(

4

)(2

Es ist zu beachten, dass der Schubfluss Ti anders als beim einzelligen Querschnitt nicht

über den gesamten Umfang der Einzelzelle konstant ist.

Der Schubfluss Ti-1 und Ti+1 der Nachbarzellen wirkt in den gemeinsamen Wänden dem

Schubfluss Ti entgegen, so dass Ti in diesen Blechen um den Betrag Ti-1 bzw. Ti+1 verringert

wird (gleicher Drehsinn der einzelnen Momente Mx,i vorausgesetzt).

Unter Beachtung der gegenläufigen Schubflüsse der Nachbarzellen ergibt sich beispielswei-

se für die mittlere Zelle 2 des dargestellten Querschnittes folgende Verdrillung:

Page 28: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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2

312

2,

2

)()()(2

1

Zelle

b

a

d

cm st

dsT

st

dsT

st

dsT

AGdx

d

Für die Zellen 1 und 3 wird auf gleiche Weise vorgegangen.

Entsprechend sortiert erhält man ein lineares Gleichungssystem:

0

0

0

2)()(

0

2)()()(

20)()(

3

2

1

3,

3

2,

2

1,

1

T

T

T

AGst

ds

st

ds

AGst

ds

st

ds

st

ds

AGst

ds

st

ds

m

Zelle

d

c

m

d

cZelle

b

a

m

b

aZelle

Das Gleichungssystem ist nicht lösbar, weil für vier Unbekannte nur drei Gleichungen vor-

handen sind. Die benötigte vierte Gleichung kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass

die Summe der Momentenanteile, die von den einzelnen Zellen abgetragen werden, dem

Moment Mx,p entspricht.

i

i

im

i

ipxpx TAMM ,,,, 2

Das vollständige Gleichungssystem lautet:

px

mmm

m

Zelle

d

c

m

d

cZelle

b

a

m

b

aZelle

M

T

T

T

AAA

AGst

ds

st

ds

AGst

ds

st

ds

st

ds

AGst

ds

st

ds

,

3

2

1

3,2,1,

3,

3

2,

2

1,

1

0

0

0

0222

2)()(

0

2)()()(

20)()(

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Beispiel: Zweizelliger Hohlkasten

Für den dargestellten zweizelligen Hohlkasten sollen der Verlauf der primären Schubspan-

nungen p und das Torsionsträgheitsmoment IT ermittelt werden.

Bild 4-36: Zweizelliger Kastenquerschnitt

MT = Mx,p = 1000 kNm

Zelle 1

2

1, 10000100100 cmAm

2

1, 200002 cmAm

kNAG m

8

1, 1062,110000810022

67,3415,1

100

0,1

100

0,2

100

8,0

100

)(1Zelle

st

ds

Zelle 2

2

2, 20000200100 cmAm

2

2, 400002 cmAm

kNAG m

8

2, 1024,320000810022

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67,4160,1

100

5,1

200

2,1

100

0,2

200

)(2Zelle

st

ds

Gemeinsame Zellenwand

1000,1

100

21W and

t

ds

Gleichungssystem

px

mm

m

ZelleW and

m

W andZelle

M

T

T

AA

AGst

ds

st

ds

AGst

ds

st

ds

,

2

1

2,1,

2,

221

1,

211

0

0

022

2)()(

2)()(

100000

0

0

04000020000

1024,367,416100

1062,110067,341

2

1

8

8

T

T

Lösung

cmrad

cmkN

cmkN

T

T

/10187,0

/794,1

/412,1

5

2

1

44

5

,102,660

10187,08100

1001000cm

G

MI

px

T

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Bild 4-37: Schubfluss T Bild 4-38: Schubspannung p

Zur Überprüfung der Plausibilität der Berechnungsergebnisse wird der Querschnitt ohne Be-

rücksichtigung des Bleches zwischen den Zellen berechnet:

4422

, 108,644

0,2

300

5,1

300

2,1

100

8,0

100

)100300(44cm

t

ds

AI m

einzelligT

²/67,13001002

1001000

2

,cmkN

A

MT

m

px

einzellig

Die Berechnung unter Vernachlässigung der Trennwand zwischen den Einzelzellen liefert

eine brauchbare Abschätzung der Größenordnung des Schubflusses und bestätigt die Rich-

tigkeit der exakten Berechnung.

4.3.6 Dünnwandige Querschnitte – gemischt offen und geschlossen

Bestehen Querschnitte sowohl aus offenen als auch aus geschlossenen Teilen, dann sind

zur Bestimmung des Torsionsträgheitsmomentes IT die Anteile der geschlossenen Quer-

schnittteile und die Anteile der offenen Querschnittsteile zu addieren.

Bild 4-39: Gemischt offen-geschlossener Scherschnitt

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ngeschlosseTngeschlossepx IGM ,,,

offenToffenpx IGM ,,,

)( ,,, offenTngeschlosseTpx IIGM

offenTngeschlosseTT III ,,

Klassisches Beispiel ist ein Hohlkastenquerschnitt einer Brücke. Der eigentliche Hohlkasten

ist ein geschlossener Querschnitt, die auskragenden Fahrbahnplatten sind offene Quer-

schnitte.

In vielen Fällen ist der Anteil IT,geschlossen am gesamten Torsionsträgheitsmoment IT sehr viel

größer als der Anteil IT,offen, so dass der Anteil IT,offen oft vernachlässigt werden kann. Je nach

Größe der offenen und geschlossenen Teile ist die Vernachlässigbarkeit von Fall zu Fall zu

überprüfen.

Bild 4-40: Überwiegend geschlossener Querschnitt

Für den Querschnitt aus Bild 4-40 gilt:

thb

hb

t

ds

AI m

ngeschlosseT)(2

44 222

,

33

, )(23

1

3

1tahbtsI iioffenT

tbh, offenTngeschlosseT II ,,

Die offenen Anteile sind vernachlässigbar.

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Im Gegensatz dazu sind beim Querschnitt aus Bild 4-41 die offenen und die geschlossenen

Anteile zu berücksichtigen.

Bild 4-41: Überwiegend offener Querschnitt

Im Bereich der Zelle gilt:

tA

Mt

I

M

m

ngeschlossepx

offenT

offenpx

ngeschlossepoffenpp2

,,

,

,,

,,

Formal korrekt müsste auch bei rein geschlossenen Querschnitten, die keine abstehenden

offenen Querschnittsteile besitzen, der Anteil IT,offen der einzelnen Bleche des geschlossenen

Querschnitts berücksichtigt werden (also praktisch der Anteil eines identischen, aber aufge-

schlitzten Querschnitts). Aufgrund des geringen Anteils von IT,offen an IT,gesamt wird IT,offen aller-

dings in der Praxis fast immer vernachlässigt.

4.3.7 Berücksichtigung von Nebenzellen durch eine ideelle Blechdicke

Insbesondere im Brückenbau ist die Anordnung von Hohlsteifen von Bedeutung. Diese Hohl-

steifen bestehen aus Trapezprofilen, die mit dem eigentlichen Blech verschweißt werden und

zusammen mit diesem als sogenannte Orthotrope Platte wirken und auch für die Aussteifung

des Deckbleches sorgen (vgl. Vertiefung Metallbau).

Im Zusammenhang mit einer Torsionsbeanspruchung sind solche Trapezhohlsteifen inso-

fern von Interesse, als sie jeweils eine eigene kleine geschlossene Zelle darstellen.

Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf die im Brückenbau üblichen geschlosse-

nen Querschnitte, bei denen ein konstanter Schubfluss T vorliegt.

Page 34: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Um die üblichen Berechnungsformeln für geschlossene Querschnitte anwenden zu können

empfiehlt sich die Berechnung einer sogenannten ideellen Blechdicke tid, mit deren Hilfe die

Querschnittswerte des Gesamtquerschnitts berechnet werden können.

Die einzelnen Nebenzellen sind im Abstand b0 voneinander angeordnet.

Bild 4-42: Ausschnitt aus einem Kastenquerschnitt mit Nebenzellen

Hinweis: Die Nebenzellen müssen nicht unbedingt immer im gleichen Abstand angeordnet sein. Bei variablem

Abstand ergeben sich abschnittsweise unterschiedliche ideelle Blechdicken tid.

In Bild 4-43 sind die Abmessungen definiert.

Bild 4-43: Maßbezeichnungen im Bereich einer Nebenzelle

0302010 bbbb

1312111 bbbb

Das Deckblech besitzt die einheitliche Dicke t0, die Trapezsteife die einheitliche Dicke t1.

Unter Schubbeanspruchung teilt sich der Schubfluss T im Bereich der Nebenzelle nach dem

Prinzip der Wasserleitung auf die Wandung der Hohlzelle und auf das Deckblech auf:

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Bild 4-44: Schubflussverteilung im Bereich einer Nebenzelle

10 TTT

Noch ist unbekannt, wie groß die Schubflüsse T0 und T1 sind.

Zur Bestimmung von T0 und T1 wird die Hohlzelle mit einem Längsschnitt entlang einer Kan-

te zwischen Trapezsteife und Deckblech gedanklich aufgetrennt:

Bild 4-45: Gedanklicher Trennschnitt durch die Nebenzelle

Der Schubfluss T1 führt im Blech der Hohlzelle zu einer Schubverzerrung 1. Infolge dieser

Verzerrung erfährt die freigeschnittene Kante der Trapezsteife im Vergleich zur nicht freige-

schnittenen Kante eine Relativverschiebung u1:

Bild 4-46: Verwölbung u der aufgeschnittenen Nebenzelle

Page 36: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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1

11

01

1

011

11

tG

bTds

tG

Tdsu

bs

s

bs

s

Analog dazu führt der Schubfluss T0 im Deckblech zu einer Schubverzerrung 0. Infolge die-

ser Verzerrung erfährt das Deckblech an der Stelle der Schnittkante im Vergleich zur nicht

freigeschnittenen Kante der Trapezsteife die Relativverschiebung u0:

Bild 4-47: Verwölbung u des Deckbleches bei aufgeschnittener Nebenzelle

0

020

00

0

000

0202

tG

bTds

tG

Tdsu

bs

s

bs

s

Da es in Wirklichkeit keine Schnittkante gibt und die Nebenzelle geschlossen ist, darf es im

gedachten Schnitt keine Klaffung geben, es muss gelten:

01 uu

0

020

1

11

tG

bT

tG

bT

Auflösen nach T1 ergibt:

10

1021

10

10201 )(

bt

tbTT

bt

tbTT

Nach einigen Rechenschritten erhält man

021

101

1

1

bt

btTT ,

Page 37: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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und in analoger Weise

10

0210

1

1

bt

btTT .

Nun ist die Verteilung des Schubflusses bekannt und man kann die Verwölbung u (d.h.

Längsverschiebung), die der Querschnitt innerhalb der Breite b0 erleidet, berechnen:

Bild 4-48: Tatsächliche Verwölbung u im Bereich der Nebenzelle

Entweder mit der Gleichung

)()( 131211

1

10301

0

bbbGt

Tbb

Gt

Tu

oder mit der Gleichung

02

0

00301

0

)( bGt

Tbb

Gt

Tu .

Beide Gleichungen sind gleichwertig.

Für die Berechnung der Querschnittswerte des Gesamtquerschnittes sollen die tatsächliche

Blechdicke t0 und die Nebenzellen des Querschnitts mit den Nebenzellen durch ein Blech mit

der ideellen Blechdicke tid gleichwertig ersetzt werden. Dieses Blech muss somit dieselbe

Schubsteifigkeit besitzen wie das reale Blech mit den Nebenzellen, d.h. unter demselben

Schubfluss T muss sich in beiden Konstruktionen dieselbe Verzerrung einstellen, was in-

nerhalb der Breite b0 (= Achsabstand der Nebenzellen) auch zur selben Verwölbung u führen

muss.

Die Verwölbung u des ideellen Bleches beträgt:

)( 030201 bbbGt

Tu

id

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Bild 4-49: Verwölbung u eines gleich steifen Bleches mit der Blechdicke tid

Gleichsetzen mit der Verwölbung des realen Bauteils ergibt nach Auflösen die ideelle Blech-

dicke tid:

10

021

020301

0

02

1

00301

0

030201

1

)()(

bt

bt

bbb

Gt

Tb

Gt

Tbb

Gt

Tbbb

Gt

T

id

03

10

021

0201

0302010 )(

b

bt

bt

bb

bbbttid

4.3.8 Berücksichtigung von Verbänden durch eine ideelle Blechdicke

Bei großen Hohlquerschnitten, insbesondere des Brückenbaus, werden Bleche häufig durch

Verbände ersetzt. Die Verbände stellen oftmals eine gewichtsparende und kostengünstige

Alternative zu vollwandigen Blechen dar. Es ist zu beachten, dass die Verbände nur Schub-

beanspruchungen abtragen können, die durch Querkräfte oder Torsion entstehen. Hinsich-

tlich einer Normalkraft- oder Biegebeanspruchung des Gesamtquerschnitts sind die Verbän-

de wirkungslos.

Um nicht für Querschnitte, die mit Verbänden ausgesteift sind, eigene Formeln für die Torsi-

onstheorie herleiten zu müssen, bildet man die Verbände rechnerisch durch eine sogenannte

ideelle Blechdicke tid ab. Damit sind die üblichen Formeln der Torsionstheorie in gewohnter

Weise anwendbar.

Zu beachten ist, dass die ideelle Blechdicke tid nur ein Hilfswert zur Untersuchung des Ge-

samtquerschnitts ist. Sie ist kein real vorhandener Querschnittsteil. Da tid real gar nicht exis-

tiert, darf tid auch niemals in Formeln berücksichtigt werden, in die eine „echte“ Fläche A ein-

zusetzen ist.

Page 39: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 439

Das gilt insbesondere für alle Querschnittswerte, die durch Integration

A

dA...

bestimmt werden, denn dsstdA )( , aber tid ist real nicht vorhanden, weshalb 0dA ist.

Die Berechnung der ideellen Wanddicke erfolgt mit Hilfe des Arbeitssatzes. Die Vorgehens-

weise wird anhand eines Beispiels erläutert.

Beispiel: Verbandsfeld eines K-Verbandes

Der Name K-Verband resultiert aus der Form des Verbandes: Die Diagonalen sind derart angeordnet, dass sie

wie mehrere Buchstaben „K“ hintereinander aussehen.

Bild 4-50: Blech mit ideeller Dicke tid als gleichwertiger Ersatz für einen Verband

Der Verband soll rechnerisch durch ein Blech mit der Dicke tid ersetzt werden, das einer Ver-

formung dieselbe Steifigkeit entgegensetzt wie der Verband.

Es genügt, ein Feld des Verbandes zu betrachten.

Bild 4-51: Bezeichnungen von Verband und ideellem Blech

Page 40: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Das Verbandsfeld wird an den Berandungen durch den Schubfluss T belastet. Die allgemei-

nen Abmessungen sind Bild 4-51 zu entnehmen. AG, AD und AV bezeichnen die Quer-

schnittsflächen von Gurten, Diagonalen und Pfosten.

Unter der Schubbeanspruchung erleidet der Verband die Verformung w. w wird mit Hilfe des

Arbeitssatzes durch Aufbringen eines virtuellen Schubflusses der Größe 1 berechnet, der zur

Resultierenden 1·h zusammengefasst wird.

Bild 4-52: Verformung w eines Verbandsfeldes

Die Stabkräfte werden jeweils infolge des realen Schubflusses T und des virtuellen Schub-

flusses der Größe 1 berechnet. Der vertikal gerichtete Schubfluss wird zu einer resultieren-

den Kraft T·h bzw. 1·h zusammengefasst, da die Lasteinleitung des vertikalen Schubflusses

punktuell im Schnittpunkt der Diagonalen erfolgt. Die horizontal gerichteten Schubflüsse

werden als Schubfluss T bzw. 1 [kN/cm] belassen, da in den Gurtstäben die Einleitung des

horizontalen Schubflusses kontinuierlich erfolgt. Das geht auch aus dem Verlauf der Gurt-

kräfte hervor, denn aus Gleichgewichtsgründen muss die Gurtkraft einen Vorzeichenwechsel

aufweisen, der sich aufgrund fehlender punktueller Lasteinleitung innerhalb der freien Gurt-

stablänge nur durch eine kontinuierliche Schubflusseinleitung einstellen kann.

Page 41: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Bild 4-53: Realer und virtueller Lastzustand im Verbandsfeld

Bild 4-54: Reale und virtuelle Stabkräfte des Verbandes

Der Arbeitssatz lautet:

VDG AE

hhhT

AE

dddT

AE

bbbT

wh 221

221

2221

2

3

141

VDG AE

hT

AE

dT

AE

bTwh

333

4

12

6

1

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Die Verformung w eines gleich steifen Bleches mit der ideellen Dicke tid unter realer Belas-

tung durch den Schubfluss T ergibt sich direkt aus der Schubverzerrung :

Bild 4-55: Schubverzerrung und Verformung w des ideellen Bleches

bGt

Tbw

id

Unter der Voraussetzung, dass die Verformungen von realem Verband und ideellem Blech

gleich groß sind, kann w in die Arbeitsgleichung eingesetzt und die Gleichung nach tid aufge-

löst werden.

VDG

id

A

h

A

d

A

b

bh

G

Et

4

2

6

333

Für andere Verbandsformen erfolgt die Berechnung analog. Die Formeln für die wichtigsten

Verbandformen sind in Bild 4-56 zusammengestellt, wobei zusätzlich in Obergurtfläche AO

und Untergurtfläche AU unterschieden ist.

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UOD

id

AA

b

A

d

bh

G

Et

11

3

33

UOVD

id

AA

b

A

h

A

d

bh

G

Et

11

124

2 333

UOD

id

AA

b

A

d

bh

G

Et

11

122

33

(Kreuzverband, die Diagonalen sind im Schnittpunkt

nicht verbunden)

UOVD

id

AA

b

A

h

A

d

bh

G

Et

11

12

333

Bild 4-56: Zusammenstellung der wichtigsten Verbandsarten und deren ideellen Blechdicken

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4.3.9 Die Gabellagerung

Im Zusammenhang mit Torsionsbeanspruchung ist ein besonderer Lagertyp von Bedeutung:

das Gabellager. Ein Gabellager kann ein Torsionsmoment aufnehmen, ohne dabei die Quer-

schnittsverwölbung zu behindern (Voraussetzung für Saint Venantsche Torsion!).

Für große Hohlkastenquerschnitte des Brückenbaus werden Gabellager in Form von Quer-

schotten angeordnet.

Bild 4-57: Symbol und Wirkungsweise von Gabellagern

Für im Hochbau übliche Doppel-T-Querschnitte kann ein Gabellager z.B. dadurch realisiert

werden, dass in den Querschnitt vertikale Rippen eingeschweißt werden und der untere

Flansch mit der Unterkonstruktion verschraubt wird, wobei der Schraubanschluss in Richtung

der Stabachse keine Kräfte aufnehmen sollte (Langlöcher).

Bild 4-58: Gabellager in Form von eingeschweißten Rippen

Kein Gabellager stellt dagegen die bloße Verschraubung des unteren Flansches dar. Ohne

vertikale Rippen ist nämlich der obere Flansch quer zur Stabachse nicht gehalten.

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4.3.10 Schnittgrößenermittlung mit der Querkraftanalogie bei reiner St. Venantscher Torsion

Ein Stab mit zwei Gabellagern ist statisch unbestimmt gelagert. Dies entspricht einer Vier-

punktlagerung. Jedes der beiden Gabellager kann ein Moment abtragen. Zerlegt man die

Auflagermomente jeweils in ein Kräftepaar, dann erhält man vier Auflagerkräfte, die den bei-

den Auflagerkräften entsprechen.

Bild 4-59: Gabellager in je zwei Punktlager aufgelöst

Trotz der statischen Unbestimmtheit gelingt die Schnittgrößenermittlung infolge Torsion ver-

gleichsweise einfach, sofern es sich um einen wölbfreien Querschnitt handelt. Man bedient

sich dabei der sogenannten Querkraftanalogie.

Prinzip:

Die Schnittgröße Mx,p (reine St. Venantsche Torsion) verteilt sich innerhalb eines Stabab-

schnitts, der beidseitig durch ein Gabellager begrenzt ist, genauso wie sich die Querkraft

innerhalb eines Stababschnitts verteilt, der durch zwei gelenkige Lager begrenzt ist. Ist ein

Stabende frei und das andere gabelgelagert, so entspricht der Verlauf des Torsionsmomen-

tes Mx,p dem Verlauf der Querkraft in einem auskragenden Stab.

Achtung!

Eine Durchlaufwirkung für St. Venantsche Torsion gibt es nicht. Äußere Torsionsmomente

MT (Einzeltorsionsmomente) bzw. mT (Streckentorsionsmomente) können nicht über ein Ga-

bellager hinaus in einem benachbarten Stababschnitt eine Torsionsschnittgröße Mx,p erzeu-

gen (100%-ige Verdrehsteifigkeit des Gabellagers vorausgesetzt). Die Zustandslinie des

Torsionsmomentes endet am Gabellager.

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Beispiel: Einfeldträger mit Auskragung

Analogie: qmT

FMT

zpx VM

,

Reales System: Analogiebetrachtung:

Bild 4-60: Reales System und Ersatzsystem für die Querkraftanalogie

Stab 1:

0)(, AM px

1, )( lmBM Tlinkspx

Stab 1:

0)(AVz

1)( lqBV linksz

Stab 2:

23

2)( 2

,

lmMBM TTrechtspx

23

1)( 2

,

lmMCM TTpx

Stab 2:

23

2)( 2lqFBV rechtsz

23

1)( 2lqFCVz

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Verlauf des Torsionsmomentes Mx,p:

Verlauf der Querkraft Vz:

Bild 4-61: Schnittgrößenverläufe von realem System und Ersatzsystem

Nochmals zur Erinnerung: die hier gezeigte Querkraftanalogie gilt nur für Stäbe mit

wölbfreiem Querschnitt (reine St. Venansche Torsion)!

Für den anderen Grenzfall „Reine Wölbkrafttorsion“ gibt es ebenfalls eine Querkraftanalogie,

die in Abschnitt 4.4.7 dargestellt wird.

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4.4 Die Wölbkrafttorsion

4.4.1 Einführung

Wird ein Stab infolge einer Torsionsbeanspruchung um seine Stabachse verdrillt, so gehen

mit der Verdrillung ‘ auch Verwölbungen u des Querschnitts einher, sofern es sich nicht um

einen wölbfreien Querschnitt handelt oder die Voraussetzungen für reine Saint-Venantsche

Torsion erfüllt sind. Als Verwölbung bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Ver-

schiebung u eines Querschnittspunktes (einer Querschnitts-„Faser“) in Stablängsrichtung.

Da die einzelnen „Fasern“ unterschiedliche Verformungen u erfahren verwölbt eine ehemals

ebene Schnittfläche wie am Beispiel eines Doppel-T-Trägers dargestellt.

Bild 4-62: Verwölbung u infolge Torsionsbeanspruchung Mx

Das Ebenbleiben des Querschnitts, wie es nach der Bernoulli-Hypothese im Rahmen der

Biegetheorie postuliert wird, ist nicht mehr gegeben, wobei davon nur der Gesamtquerschnitt

betroffen ist und die einzelnen Querschnittsteile (Flansche, Stege, einzelne Bleche) weiterhin

eben bleiben.

Bevor die theoretischen Hintergründe zur Wölbkrafttorsion in allgemeiner Form hergeleitet

werden, soll das Wesen der Wölbkrafttorsion anhand eines Rohrquerschnitts verdeutlicht

werden.

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Beispiel: Rohrquerschnitt

Ein Stab mit Rohrquerschnitt ist an einem Ende eingespannt und am anderen Ende durch

ein Torsionsmoment MT belastet.

Wie in Abschnitt 4.2.2 dargestellt sind Stäbe mit geschlossenem, rotationssymmetrischem

Querschnitt wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung stellen sich keine Verwölbungen ein, der

Querschnitt bleibt eben und die Abtragung des Torsionsmomentes MT erfolgt ausschließlich

durch Saint-Venantsche Torsion (primäre Torsion Mx,p).

Bild 4-63: Kreisringquerschnitt (wölbfrei) unter Torsionsbeanspruchung

Wenn das Rohr über die gesamte Stablänge geschlitzt wird, so dass ein offener Querschnitt

entsteht, dann ist der Querschnitt nicht mehr wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung verfor-

men sich die Fasern des Stabes in Längsrichtung (vgl. z.B. Punkt A beim Übergang nach A‘)

und der Querschnitt verwölbt sich, was anhand eines gerollten Blattes Papier oder einer ge-

schlitzten Papprolle leicht nachvollzogen werden kann.

Bild 4-64: Längs geschlitzter, nicht wölbfreier Kreisringquerschnitt unter Torsionsbeanspru-

chung

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Es ist offensichtlich, dass durch die Einspannung am linken Stabende eine Behinderung der

Verwölbungen entsteht, die zu Normalspannungen im Stab führt ( = E· ).

Das Torsionsmoment MT wird anteilig durch Saint-Venantsche Torsion (Mx,p) und Wölbkraft-

torsion (Mx,s) abgetragen, wobei die Anteile der beiden Torsionsarten am gesamten Torsi-

onsmoment Mx = Mx,p + Mx,s vom Abklingfaktor und der Stablänge l abhängen. ist ein

Querschnittswert, der im Abschnitt 4.4.6.2 ausführlich erläutert wird.

4.4.2 Allgemeine Anmerkungen

Im weiteren Verlauf des Kapitels wird das notwendige Hintergrundwissen vermittelt, das

überwiegend stark von der Technischen Mechanik und der Mathematik geprägt ist. Für ein

gutes Verständnis sind solide Kenntnisse in Technischer Mechanik und Mathematik deshalb

von Vorteil. Die Wölbkrafttorsion erweckt möglicherweise den Eindruck, besonders schwierig

oder theoretisch zu sein. Das liegt vor allem daran, dass die Wirkungsweise nicht so einfach

auf den ersten Blick ersichtlich ist wie das z.B. bei der Biegetheorie der Fall ist.

Die allgemeine Darstellung der Theorie mit vielen Formeln bringt andererseits aber den Vor-

teil mit sich, dass sich viele Berechnungen sehr gut systematisieren lassen, z.B. mit Hilfe

einer Tabellenkalkulation.

Zur besseren Verdeutlichung wurden in die einzelnen Abschnitte viele Bilder aufgenommen,

verhältnismäßig umfangreiche Beschreibungen vorgenommen und wo möglich konkrete

Zahlenbeispiele angeführt. Im Nachgang an den theoretischen Teil folgt ein Abschnitt „Wölb-

krafttorsion anschaulich“, der anhand eines Doppel-T-Profils die Wirkungsweise der Wölb-

krafttorsion auf einfache Weise verdeutlicht.

Leider besteht in der Literatur große Uneinigkeit bezüglich der Benennung und formelmäßi-

gen Bezeichnung der einzelnen Größen und Rechenwerte (Schnittgrößen, Querschnitts-

werte, etc.). Das geht sogar soweit, dass ein und dieselbe Größe teilweise mit negativem

und teilweise mit positivem Vorzeichen definiert ist. Aus diesem Grund ist es besonders

wichtig, die theoretischen Grundlagen zu kennen und zu verstehen, denn weder die eine

noch die andere Darstellung ist richtig oder falsch, man versteht die Ausführungen in der

Literatur aber wesentlich einfacher, wenn man die theoretischen Hintergründe kennt.

In diesem Skript wird eine möglichst einheitliche Darstellung angestrebt. Wo es in der Litera-

tur große Diskrepanzen gibt, wird darauf hingewiesen.

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die im Stahlbau üblichen dünnwandigen

Querschnitte. Für Vollquerschnitte sind die Zusammenhänge komplizierter.

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4.4.3 Die Einheitsverwölbung

Unter Torsionsbeanspruchung erfährt ein nicht wölbfreier Querschnitt nicht nur eine Verdre-

hung um die Stablängsachse ( ), sondern auch eine Verwölbung seiner Querschnittsfläche.

Bei der Verwölbung handelt es sich um Verschiebungen der einzelnen Querschnittspunkte in

Stablängsrichtung u, es kommt in den einzelnen Querschnittsfasern also zu unterschiedlich

großen Dehnungen x.

Im Folgenden werden die Zusammenhänge dargestellt, die der Berechnung der Verwölbung

zugrunde liegen.

4.4.3.1 Dünnwandige offene Querschnitte

Es wird ein Stab mit dünnwandigem und offenem, aber ansonsten beliebigem Querschnitt

betrachtet. Der frei verdrehbare Stab wird um die (gedachte) Drillachse durch den Punkt A

verdrillt. Diese Drillachse verläuft parallel zur Längsachse (Schwerachse S), der Punkt A

besitzt im Koordinatensystem des Querschnitts die Koordinaten yA und zA.

Bild 4-65: Festlegung der lokalen Koordinate s

Das Koordinatensystem des Stabes ist ein Rechtssystem. Bei positiver Verdrehung um die

x-Achse bewegt sich z.B. ein Punkt im ersten Quadranten des Systems von der y-Achse weg

und zur z-Achse hin („Rechte Hand-Regel“: Daumen in Richtung der positiven x-Achse, posi-

tive Verdrehung in Richtung der gekrümmten Finger). Dabei spielt es keine Rolle, ob man

das positive oder das negative Schnittufer betrachtet.

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Bild 4-66: Rechte-Hand-Regel Bild 4-67: Rechte Hand-Regel

Ferner wird eine lokale Koordinate s eingeführt, die entlang der Querschnittskontur verläuft.

Der Ursprung von s liegt auf der Kontur im Punkt P0 mit den Koordinaten y0 und z0.

Die Lage eines Punktes P auf der Querschnittskontur kann durch die lokale Koordinate s

angegeben werden: P(s).

Schließlich wird im Punkt P(s) noch eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt.

Bild 4-68: Tangente an den Querschnitt im Punkt P(s)

Nun wird der Querschnitt um einen Winkel um die Drillachse A verdreht.

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Bild 4-69: Verdrehung des Querschnitts um den Winkel

Bezeichnet man den Radiusvektor zwischen der Drillachse A und dem Punkt P mit rA, dann

beträgt die Verschiebung A des Punktes P

AA r .

Die Verschiebungskomponente vA in Richtung der lokalen Koordinate s, d.h. entlang der

Kontur bzw. entlang der Tangente im Punkt P beträgt

AtA rv , ,

wobei rt,A der Normalabstand zwischen dem Punkt A und der Tangente ist.

Aus der durch ihre Mittelfläche idealisierten Profilwandung wird jetzt gedanklich ein infinite-

simal kleines Element mit den Abmessungen dx in Stablängsrichtung und ds in Richtung der

lokalen Koordinate s herausgeschnitten.

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Bild 4-70: Betrachtung eines infinitesimal kleinen Elementes dx·ds

Da hinsichtlich der möglichen Verschiebungen keine Einschränkungen gemacht wurden,

kann sich das Element wie in Bild 4-71 dargestellt verschieben und verzerren.

Die Schubverzerrung setzt sich aus den Verschiebungsänderungen du/ds und dv/dx zu-

sammen.

vudx

dv

ds

du

(Ableitungen nach ds werden mit einem Punkt, Ableitungen nach dx mit einem Strich gekennzeichnet).

Bild 4-71: Schubverzerrung des Elementes dx·ds

Berücksichtigt man nun die Tatsache, dass es sich um einen offenen und dünnwandigen

Querschnitt handelt, so kann man feststellen, dass aufgrund der nach der St. Venantschen

Torsionstheorie über die Wanddicke linear verteilten Schubspannungen in der Mittelfläche

der Wandung die Schubspannung gleich null ist.

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Bild 4-72: Über den Querschnitt linear verteilte Torsionsschubspannung

Aus dem Elastizitätsgesetz

G

folgt weiter, dass in der Mittelfläche auch die Schubverzerrung gleich null sein muss.

0!

vudx

dv

ds

du

vu

Graphisch dargestellt entspricht dieser Zusammenhang für das Element dx∙ds einer verzer-

rungsfreien Verformung, bei der die rechteckige Form des Elements erhalten bleibt.

Bild 4-73: Verzerrungsfreie Verformung des Elementes dx·ds in der Blechmittelfläche

Für die Verformungen, die aus einer Verdrehung des Querschnitts um die Achse A resultie-

ren, gilt diese Beziehung analog. Um kenntlich zu machen, dass sich der Stab um die Achse

A dreht, wird die Gleichung um den Index A ergänzt.

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AA vu

vA wurde bereits mit Bezug auf die Verdrillung des Stabes zu AtA rv , angeschrieben.

Für Stäbe mit über die Länge unveränderlichem Querschnitt ist auch rt,A konstant, so dass

AtA rv , gilt.

Damit ist

AtAA rvu , .

Da in der Regel jeder Querschnittspunkt eine andere Verformung uA aufweist, verwölbt sich

der Querschnitt gegenüber seiner Ausgangslage. Deshalb wird die Verformung uA in Längs-

richtung in diesem Zusammenhang Verwölbung genannt.

Die Verwölbung uA ist wie folgt definiert:

AAu

A heißt Einheitsverwölbung und entspricht der Verwölbung uA, die der Querschnitt unter der

Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt.

A kann durch Integration entlang der lokalen Koordinate s, beginnend im Ursprung P0 von s,

berechnet werden.

AtAA ru ,

0, A

s

AtA dsr

Hinweis: In der Literatur wird die Einheitsverwölbung teilweise wie beschrieben definiert, teilweise aber auch als

jene Verwölbung, die sich bei Verdrillung um ‘ = +1 [rad/m] ergibt. In letzterem Fall ist das Minuszeichen in A

enthalten und es gilt uA = A∙ ‘.

Die Einheitsverwölbung wird auch Wölbordinate oder sektorielle normierte Koordinate genannt.

A0 hat die Bedeutung einer Integrationskonstante und entspricht in mechanischer Hinsicht

der Einheitsverwölbung im Ursprung der lokalen Koordinate s.

Das Integral selbst heißt Grundverwölbung und wird mit A bezeichnet.

0AAA

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 457

Man beginnt mit der Integration über die lokale Koordinate s im Ursprung P0, wo die Grund-

verwölbung 0A ist.

Je nach Querschnittsform ändert sich rt,A entlang der Koordinate s kontinuierlich oder bleibt

für gerade Querschnittsbereiche abschnittsweise konstant.

Es ist zu beachten, dass rt,A ein Vorzeichen besitzt!

Das Vorzeichen von rt,A (und damit auch das Vorzeichen der Änderung dsrd AtA , ) ergibt

sich wie folgt:

rt,A und Ad sind positiv (d.h. A wird mit zunehmendem s größer) wenn die positive

s-Richtung mit der Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die

Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Quer-

schnitts ergibt (der Vektor rA besitzt denselben Drehsinn wie + wenn seine Spitze

die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“).

rt,A und Ad sind negativ (d.h. A wird mit zunehmendem s kleiner, wenn die positive

s-Richtung entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tan-

gente an die Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des

Querschnitts ergibt (der Vektor rA besitzt einen zu + entgegengesetzten Drehsinn

wenn seine Spitze die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“).

Bild 4-74: Positiver Normalabstand rt,A Bild 4-75: Negativer Normalabstand rt,A

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 458

Bild 4-76: Verlauf der Grundverwölbung A über den Querschnitt

Erläuterung des A - Verlaufs:

Bild 4-77: A -Verlauf im Bereich positiver s-

Koordinaten

Die Grundverwölbung A ist am Integrati-

onsanfang P0 gleich null. Beim „Abfahren“

der Querschnittskontur entlang der lokalen

Koordinate s besitzt der Radiusvektor rA

denselben Drehsinn wie eine positive Ver-

drehung + , A wird kontinuierlich größer.

Die Tangente an die Querschnittskontur im

Punkt P1 verläuft durch den Drehpunkt A,

der Normalabstand rt,A zwischen Tangente

und Drehpunkt A ist für P1 gleich null. Beim

weiteren Abfahren der Kontur entlang s

wechselt der Drehsinn von rA das Vorzei-

chen. Die Grundverwölbung A nimmt ab

dem Punkt P1, wo sie ein (relatives) Maxi-

mum erreicht hat, wieder ab.

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Im Bereich negativer s-Koordinaten ist die Vorgehensweise formal vollkommen identisch,

erscheint aber wegen des negativen Vorzeichens etwas komplizierter:

Bild 4-78: A -Verlauf im Bereich negativer s-

Koordinaten

Zwischen den Punkten P3 und P0 besitzt die

positive s-Richtung bezüglich A denselben

Drehsinn wie eine positive Verdrehung + .

A wird deshalb mit größer werdendem s

(von P3 nach P0) ebenfalls größer. Allerdings

ist A in P3 noch unbekannt, so dass die

Richtung der Berechnung besser umgekehrt

wird (vom Punkt P0 mit bekanntem A in

Richtung P3). Obige Aussage kann dann

derart formuliert werden, dass A mit kleiner

(d.h. negativer) werdendem s ebenfalls klei-

ner wird. Weil in P0 0A ist, muss A

zwischen P0 und P3 negativ sein.

Die Tangente an die Querschnittskontur im Punkt P3 verläuft durch den Drehpunkt A, der

Normalabstand rt,A zwischen Tangente und Drehpunkt A ist für P3 gleich null und A besitzt

dort ein (relatives) Minimum.

Beim weiteren Abfahren der Kontur entlang -s in Richtung P4 wechselt der Drehsinn von rA

wieder das Vorzeichen. Die Grundverwölbung A nimmt ab dem Punkt P3, wo sie das Mini-

mum erreicht hat, in Richtung des Punktes P4 wieder zu.

Eine alternative Vorgehensweise besteht darin, sich den Ursprung P0 der Koordinate s wie

eine Quelle vorzustellen: s „fließt“ vom Ursprung P0 weg wie Wasser von einer Quelle und

verteilt sich im gesamten Querschnitt, immer in Richtung der freien Ränder der Kontur (falls

die Querschnittsform Verzweigungen aufweist, verzweigt sich dort auch s unter Beibehaltung

der ursprünglichen Fließrichtung).

Bei dieser Betrachtungsweise gibt es keine positive oder negative s-Richtung, es ist nur die

„Fließrichtung“ von Bedeutung.

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Bild 4-79: Vorzeichenfreie Definition der lokalen Koordinate s – Deutung als „Quelle“

Das Vorzeichen der Änderung dsrd AtA , ergibt sich dann wie folgt:

rt,A und Ad sind positiv (d.h. A nimmt in Richtung von s zu), wenn die Richtung

von s („Fließrichtung des Wassers“) mit der Richtung der Verschiebung vA des Punk-

tes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei

positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt.

rt,A und Ad sind negativ (d.h. A nimmt in Richtung von s ab), wenn die s-Richtung

entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die

Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts er-

gibt.

Bild 4-80: Positiver Normalabstand rt,A Bild 4-81: Negativer Normalabstand rt,A

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Bild 4-82: Negativer Normalabstand rt,A Bild 4-83: Positiver Normalabstand rt,A

Die Grundverwölbung A hat die Bedeutung eines Querschnittswertes, wobei es sich dabei

aber nicht um einen einzigen Zahlenwert handelt (wie z.B. im Fall des Flächenträgheitsmo-

mentes Iy). Es handelt sich vielmehr um eine über den Querschnitt veränderliche Größe, die

in jedem Querschnittspunkt einen anderen Wert und unterschiedliche Vorzeichen annehmen

kann (vergleichbar etwa mit dem statischen Moment Sy, das über den Querschnitt auch ei-

nen veränderlichen Verlauf besitzt).

Verlauf, Vorzeichen und Betrag hängen dabei sowohl von der gewählten Drillachse ab als

auch vom Ursprung und der Orientierung der lokalen Koordinate s.

Graphisch kann man die Grundverwölbung A als die doppelte Fläche A* deuten, die vom

Radiusstrahl rA (nicht rt,A !) bei der Integration von P0 entlang s nach P(s) überstrichen wird.

Ein infinitesimale Fläche dA* entspricht der Fläche eines Dreiecks mit der Basis ds und der

Höhe rt,A.

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Bild 4-84: Vom Radiusvektor rA überstrichene Fläche A*

Um die Einheitsverwölbung A bestimmen zu können, muss schließlich noch die Größe der

Integrationskonstante A0 bekannt sein.

A0 kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass die Verwölbung des Querschnitts im

Mittel gleich null sein muss. Wäre die mittlere Verwölbung nicht null, so wäre das gleichbe-

deutend mit einer Längsverschiebung u des Querschnitts und damit gleichbedeutend mit

einer Dehnung x des Stabes. Da aber bei alleiniger Torsionsbeanspruchung MT im Stab

keine Normalkraft N als resultierende Schnittgröße der Normalspannungen x auftritt, müs-

sen die Normalspannungen x im Mittel null sein, und aufgrund des Elastizitätsgesetzes x =

E∙ x sind auch die Längsdehnungen im Mittel null und damit auch die mittlere Verwölbung.

Wenn die Verwölbung im Mittel null ist, dann heben sich positive und negative Wölbanteile

gegenseitig auf, das Integral der Verwölbung über die gesamte Querschnittsfläche muss

deshalb null sein:

A

A dA 0

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 463

Ersetzt man A durch 0AA, so ergibt sich

A A

AA

A

AA

A

AA AdAdAdAdA 0)( 000

und damit

A

AA dAA

10 .

Die Überführung der Grundverwölbung A in die Einheitsverwölbung A durch Addition von

0Awird 1. Normierung genannt.

Das folgende Bild gibt qualitativ den Verlauf der Einheitsverwölbung A wieder. Man kann

erkennen, dass die Flächen mit positivem und negativem Vorzeichen nach Durchführung der

Normierung gleich groß sind, d.h. die Verwölbung ist wie postuliert im Mittel gleich null.

Bild 4-85: Qualitativer Verlauf der Einheitsverwölbung

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 464

Wenn bei symmetrischen Querschnitten der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegt ist es

zweckmäßig, den Ursprung P0 der lokalen Koordinate s (= Anfangspunkt der Integration) in

den Schnittpunkt der Symmetrieachse mit der Profilmittellinie zu legen, denn damit sind die

Verwölbungen im Mittel null, und man spart sich den Rechenschritt der 1. Normierung, weil

die Grundverwölbung A der Einheitsverwölbung A entspricht. Es ist zu beachten, dass

der Punkt P0 im Allgemeinen weder mit dem Schwerpunkt S noch mit dem Schubmittelpunkt

M identisch ist.

Beispiel: Sigmaprofil

Diese allgemeinen Herleitungen werden anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht.

Für das dargestellte Sigma-Profil soll die Einheitsverwölbung mit Bezug auf die beliebig ge-

wählte Drillachse A bestimmt werden. A ist weder der Schwerpunkt noch der Schubmittel-

punkt. Der Querschnitt ist durch seine Mittelfläche idealisiert.

Querschnittsfläche:

204,820,0)0,50,36,35,60,2(2 cmA

Schwerpunktlage:

cmys 55,22/04,8

65,20,52,02

65,20,32,0

2

5,62,05,60,22,0

2

Bild 4-86: Sigmaprofil (Abmessungen)

Zuerst werden die relevanten Querschnittspunkte nummeriert und es wird die lokale Koordi-

nate s eingeführt. Der Ursprung von s liegt im Punkt 0.

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Punkt yi [mm] zi [mm]

0 -39,5 -80,0

1 -39,5 -100,0

2 25,5 -100,0

3 25,5 -64,0

4 -1,0 -50,0

5 -1,0 0

6 -1,0 50,0

7 25,5 64,0

8 25,5 100,0

9 -39,5 100,0

10 -39,5 80,0

Tabelle 4-5: Koordinaten

Hinweis: Der Schwerpunkt liegt nicht auf dem Steg,

sondern 1,0 mm daneben auf der linken Seite. Die

Lage ist im gewählten Maßstab nur nicht genau er-

kennbar.

Bild 4-87: Querschnittspunkte und lokale Koordinate s

Dann werden für die einzelnen Querschnittsabschnitte die Normalabstände rt,A zwischen

dem Punkt A und der jeweiligen Tangente an den Abschnitt bestimmt.

Bild 4-88: rt,A (Abschnitt 0-1)

mm

r At

5,89

505,2565

,

Bild 4-89: rt,A (Abschnitt 1-2)

mm

r At

150

0,50100

,

Bild 4-90: rt,A (Abschnitt 2-3)

mm

r At

5,24

)5,2550(

,

(negativ, weil rA beim Abfahren der Kontur einen anderen Dreh-

sinn hat als + )

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Bild 4-91: Berechnung von rt,A im Abschnitt (3-4)

Hinweis: rA (4) und rt,A (3 4) sind nicht identisch, sondern liegen nur sehr dicht beisammen.

Der Normalabstand rt,A zwischen Punkt A und dem Querschnittsbereich 3-4 ist nicht direkt

ersichtlich und muss berechnet werden. Empfehlenswert ist die Anwendung der Vektorrech-

nung („Abstand eines Punktes von einer Geraden“).

Der Abstand eines Punktes Q mit dem Ortsvektor Qr

von einer Geraden g mit der Gleichung

arr P

lautet:

||

|)(|

a

rrad

PQ

Bild 4-92: Abstand Punkt – Gerade (allgemein)

Im vorliegenden Fall entspricht der Querschnittspunkt 3 dem Punkt P, der Drehpunkt A dem

Punkt Q und die Differenz der Ortsvektoren der Querschnittspunkte 3 und 4 dem Vektor a

.

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Hinweis: Es liegt ein zweidimensionales Problem vor. Um die üblichen Formeln der Vektorrechnung direkt an-

wenden zu können wird bei den Vektoren jeweils eine dritte Komponente ergänzt (gleich null).

0

64

5,25

Pr

0

50

50

Qr

0

114

5,24

00

)64(50

5,2550

PQ rr

0

14

5,26

0

)64(50

5,251

a

3364

0

0

0

114

5,24

0

14

5,26

)( PQ rra

mma

rrad

PQ2,112

971,29

3364

0

14

5,26

3364

0

0

||

|)(|

Da der Drehsinn des Radiusvektors rA beim Abfahren der Kontur in Richtung s einer positi-

ven Verdrehung entgegen gerichtet ist, besitzt rt,A ein negatives Vorzeichen.

mmr At 2,112)43(,

Die Berechnung der Normalanstände erfolgt für die übrigen Abschnitte analog und wird an

dieser Stelle nicht vorgeführt. Die folgende Tabelle enthält alle Normalabstände rt,A.

Abschnitt rt,A [mm] Abschnitt rt,A [mm]

0 1 89,5 5 6 -51

1 2 150 6 7 -23,8

2 3 -24,5 7 8 -24,5

3 4 -112,2 8 9 50

4 5 -51 9 10 89,5

Tabelle 4-6: Normalabstände rt,A

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Mit diesen Normalabständen ist es möglich, die Grundverwölbung A in den einzelnen

Querschnittspunkten zu berechnen.

Man beginnt im Punkt 0 (Ursprung von s). Dort ist 0A .

Von einem Punkt (i-1) zum nächsten (i) entlang der Koordinate s fortschreitend kommt die

Grundverwölbung

i

i

s

s

AtiiA dsr

1

,1,,

hinzu, wobei im vorliegenden Beispiel wegen der abschnittsweise geraden Querschnittsbe-

randung der Normalabstand für die einzelnen Querschnittsabschnitte konstant ist und vor

das Integral gezogen werden kann:

srdsrdsr At

s

s

At

s

s

AtiiA

i

i

i

i

,,,1,,

11

rt,A ist mit Vorzeichen einzusetzen, die Abstände s entlang der Querschnittsmittellinie sind

positiv.

Dadurch ergibt sich für A das korrekte Vorzeichen:

Radiusstrahls rA dreht beim „Abfahren“ von s in positive -Richtung

rt,A positiv A positiv

Radiusstrahls rA dreht beim „Abfahren“ von s in negative -Richtung

rt,A negativ A negativ

Beim Abfahren der Strecke zwischen den Punkten 0 und 1 dreht der Radiusstrahl rA in die-

selbe Richtung wie eine positive Verdrehung , rt,A ist positiv (vgl. Bild 4-88).

Punkt 0: 0)0(A

Punkt 1: ²9,1700,295,80)0()1( , cmsr AtAA

Auch zwischen den Punkten 1 und 2 dreht der Radiusstrahl rA in dieselbe Richtung wie eine

positive Verdrehung , rt,A ist auch hier positiv (vgl. Bild 4-89).

Punkt 2: ²4,1155,60,159,17)1()2( , cmsr AtAA

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Beim „Abfahren“ der Strecke zwischen Punkt 2 und 3 wechselt nun der Drehsinn des Ra-

diusstrahls, so dass rt,A für diesen Abschnitt negativ ist (vgl. Bild 4-90).

Punkt 3: ²6,1066,3)45,2(4,115)2()3( , cmsr AtAA

In analoger Weise wird der noch verbleibende Querschnitt mit dem Radiusstrahl rA Punkt für

Punkt „abgefahren“ und man erhält für den Querschnitt die Grundverwölbung A .

Eine systematisierte tabellarische Berechnung, wie im Folgenden dargestellt, hat sich be-

währt.

Punkt i )1(iA + rt,A · s = )(iA

[-] [cm²] [cm] [cm] [cm²]

0 = 0

1 0 + 8,95 · 2,0 = 17,9

2 17,9 + 15,0 · 6,5 = 115,4

3 115,4 + (-2,45) · 3,6 = 106,6

4 106,6 + (-11,22) · 3,0 = 72,9

5 72,9 + (-5,1) · 5,0 = 47,4

6 47,4 + (-5,1) · 5,0 = 21,9

7 21,9 + (-2,38) · 3,0 = 14,8

8 14,8 + (-2,45) · 3,6 = 5,96

9 5,96 + 5,0 · 6,5 = 38,5

10 38,5 + 8,95 · 2,0 = 56,4

Tabelle 4-7: Berechnung der Grundverwölbung A

Die Grundverwölbung A ist nun bekannt und kann graphisch angetragen werden. Es sei

nochmals darauf hingewiesen, dass diese Grundverwölbung zur Drillachse A gehört. Für

eine andere Drillachse ergibt sich ein anderer Verlauf der Grundverwölbung über den Quer-

schnitt.

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Bild 4-93: Verlauf der Grundverwölbung A

Betrachtet man den Verlauf der Grundverwölbung, so ist festzustellen, dass alle Werte posi-

tiv sind, die Grundverwölbung ist im Mittel also nicht null. Da bei alleiniger Torsionsbeans-

pruchung der Mittelwert der Verwölbung null sein muss, kann es sich bei der Grundverwöl-

bung A nur um ein Zwischenergebnis handeln, aus dem nach Durchführung der 1. Normie-

rung die Einheitsverwölbung A gewonnen wird, die im Gegensatz zur Grundverwölbung A

im Mittel null ist.

Die 1. Normierung erfolgt durch Addition des Korrekturwertes A0 zur Grundverwölbung A .

Mathematisch gesehen entspricht A0 der Integrationskonstanten, die aus folgender Bedin-

gung gewonnen wird:

A

AA dAA

10

Beim betrachteten Beispiel liegt eine konstante Wanddicke t vor, es gilt:

A

AA dstA

10

Das Integral

A

A ds entspricht der Fläche unter dem A -Verlauf.

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³8,1925

00,22

4,565,385,6

2

5,3896,56,3

2

96,58,140,3

2

8,149,21

0,102

9,219,720,3

2

9,726,1066,3

2

6,1064,1155,6

2

9,174,1150,2

2

9,17

cm

dsA

A

²9,478,19252,004,8

110 cmdst

AA

AA

Durch Addition von 1. Normierung 0A und Grundverwölbung A erhält man die Einheits-

verwölbung A . Am übersichtlichsten erfolgt auch diese Berechnung in Tabellenform.

Punkt A + 0A

= A [-] [cm²] [cm] [cm²]

0 0 + -47,9 = -47,9

1 17,9 + -47,9 = -30,0

2 115,4 + -47,9 = 67,5

3 106,6 + -47,9 = 58,7

4 72,9 + -47,9 = 25,0

5 47,4 + -47,9 = -0,5

6 21,9 + -47,9 = -26,0

7 14,8 + -47,9 = -33,1

8 5,96 + -47,9 = -41,9

9 38,5 + -47,9 = -9,4

10 56,4 + -47,9 = 8,5

Tabelle 4-8: Berechnung der Einheitsverwölbung A

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Bild 4-94: Verlauf der Einheitsverwölbung A

Das Beispiel wird später fortgesetzt.

4.4.3.2 Bezug der Einheitsverwölbung auf eine andere Drillachse

Wie erläutert werden Verwölbungen stets mit Bezug auf eine definierte Drillachse berechnet.

Im vorhergehenden Abschnitt war dies die Achse durch den (willkürlich gewählten) Punkt A.

Mit Bezug auf eine andere Drillachse ergeben sich andere Verwölbungen.

Im Folgenden wird dargestellt, wie die Einheitsverwölbung A für die Drillachse A in die Ein-

heitsverwölbung B für die Drillachse B überführt werden kann. A ist bekannt, das y-z-

Koordinatensystem verläuft durch den Schwerpunkt des Querschnitts und die lokale Koordi-

nate s ist genauso definiert wie bei der Ermittlung von A.

Im Punkt P(s) wird eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt, welche die y-Achse un-

ter dem Winkel schneidet. Die Drehpunkte A und B besitzen im Schwerachsensystem die

Koordinaten yA und zA bzw. yB und zB.

Die geometrischen Zusammenhänge ergeben sich aus Bild 4-96.

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Bild 4-95: Verschiedene Drillachsen A und B Bild 4-96: Geometrische Verhältnisse

Die Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B setzt sich aus der Grundverwöl-

bung B und der 1. Normierung 0B zusammen.

0BBB

Zur Berechnung von B wird der Normalabstand rt,B zur Tangente durch den Punkt P(s)

benötigt.

rt,B kann gemäß Bild 4-96 in Abhängigkeit von rt,A und den Koordinaten der Drehpunkte aus-

gedrückt werden:

cos)(sin)(sin]cot)()[( ,,, ABABAtABBAAtBt zzyyrzzyyrr

Die Winkel lassen sich durch die lokale Koordinate s und die Schwerpunktkoordinaten y und

z ausdrücken:

ds

dycos ;

ds

dzsin

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Damit ist

ds

dyzz

ds

dzyyrr ABABAtBt )()(,,

und

0000

000

0,

0,0,0

)()()()(

)()()()(

)()(

])()([

000

00

ABABABA

BABABA

B

s

s

AB

s

s

AB

s

s

At

B

s

s

ABABAtB

s

s

BtBBB

yyzzzzyy

yyzzzzyy

dyzzdzyydsr

dsds

dyzz

ds

dzyyrdsr

y und z sind die Koordinaten des Querschnittspunktes, für den die Verwölbung bestimmt

werden soll. y0 und z0 sind die Koordinaten des Punktes P0 (Ursprung der lokalen Koordinate

s). Nach Ausklammern und Zusammenfassen aller konstanten (nicht von y und z abhängi-

gen) Terme wird die Gleichung umgestellt:

0000 )()()()( ABABABABABAB yzzzyyyzzzyy

Der Unterschied zwischen den Verwölbungen B und A äußert sich offensichtlich durch eine

Schrägstellung der Querschnittsebene, was durch die von y und z linear abhängigen Glieder

yzzzyy ABAB )()(

zum Ausdruck kommt. Der konstante Anteil

0000 )()( ABABAB yzzzyy

scheint auf den ersten Blick einer Längsverschiebung der Querschnittsebene zu entspre-

chen. Durch die folgenden Überlegungen kann aber gezeigt werden, dass dieser Anteil

gleich null ist. Nach Integration über die Querschnittsfläche A stellt sich die Formel für die

Einheitsverwölbung B folgendermaßen dar:

dAyzzzyydAyzzdAzyydA

dA

ABABABABABA

B

])()[(])[(])[( 0000

Der letzte Term ist das Integral über eine Summe konstanter Werte, die zur Konstanten C*

zusammengefasst werden. C* kann vor das Integral geschrieben werden.

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Die Differenzen (yB-yA) und (zB-zA) sind ebenfalls konstant und können auch vor das jeweilige

Integral geschrieben werden.

dACdAyzzdAzyydAdA ABABAB *)()(

Laut Definition muss die mittlere Verwölbung bei alleiniger Torsionsbeanspruchung gleich

null sein, die Integrale über A und B sind somit gleich null. Weil sich alle Koordinatenanga-

ben auf das y-z-Koordinatensystem beziehen, das seinen Ursprung im Schwerpunkt des

Querschnitts hat, sind auch die statischen Momente gleich null.

0dAzdAy

Es verbleibt

0* dAC , und weil 0AdA ist, ist damit bewiesen, dass

0*C ist.

Die Formel zur Umrechnung der Einheitsverwölbung A mit Bezug auf die Drillachse A in die

Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B lautet:

yzzzyy ABABAB )()(

Fortsetzung des Berechnungsbeispiels

Aus der Einheitsverwölbung A mit Bezug auf die Drillachse A soll die Einheitsverwölbung B

mit Bezug auf eine neue Drillachse B berechnet werden.

Bild 4-97: Lage der neuen Drillachse B

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yzzzyy ABABAB )()(

cmz

cmy

cmz

cmy

B

B

A

A

00,0

50,2

00,5

00,5

yzyz AAB 0,55,2)0,50()00,550,2(

Die Einheitsverwölbung B wird für die einzelnen Querschnittspunkte am besten tabellarisch

berechnet.

Punkt y z A B [-] [cm] [cm] [cm²] [cm²]

0 -3,95 -8,0 -47,9 -48,15

1 -3,95 -10,0 -30,0 -35,25

2 2,55 -10,0 67,5 29,75

3 2,55 -6,4 58,7 29,95

4 -0,1 -5,0 25,0 13,0

5 -0,1 0 -0,5 0

6 -0,1 5,0 -26,0 -13,0

7 2,55 6,4 -33,1 -29,85

8 2,55 10,0 -41,9 -29,65

9 -3,95 10,0 -9,4 35,35

10 -3,95 8,0 8,5 48,25

Tabelle 4-9: Umrechnung der Einheitsverwölbung A in B

Hinweis: Die Symmetrieeigenschaften des Querschnitts wurden bei der Wahl des Ursprungs von s nicht ausge-

nutzt, da an diesem Beispiel die prinzipielle Vorgehensweise gezeigt werden sollte. Zweckmäßig würde man zur

Bestimmung der Einheitsverwölbung bezüglich der Drillachse B natürlich die Symmetrieeigenschaften ausnutzen,

den Ursprung in den Schnittpunkt der y-Achse mit der Querschnittsmittelfläche legen und die Einheitsverwölbung

direkt berechnen. Ferner ist zu beachten, dass der Verlauf der Einheitsverwölbung bei Bezug auf die Drillachse B

bezüglich der y-Achse antimetrisch sein muss. Die Tabellenwerte sind nicht exakt antimetrisch, da sich Run-

dungsfehler über mehrere Rechenschritte hinweg fortpflanzen.

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Bild 4-98: Verlauf der Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B

4.4.3.3 Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Einzellige Querschnitte

Die Formeln zur Berechnung der Verwölbungen konnten für offene dünnwandige Querschnit-

te vergleichsweise einfach hergeleitet werden, weil die Schubspannungen und Verzerrungen

in der Wandungsmittellinie unter Torsionsbeanspruchung null sind, weshalb ein direkter Zu-

sammenhang zwischen Verwölbung und Verdrillung besteht.

Bei geschlossenen dünnwandigen Querschnitten kann die Schubspannung p infolge St.

Venantscher Torsion als über die Wanddicke konstant verlaufend betrachtet werden. Die

Schubspannungen p führen zu entsprechenden Verzerrungen (auch in der Mitte der Wan-

dung). Weil dadurch der rechte Winkel zwischen den Kanten eines infinitesimal kleinen Ele-

mentes dx·ds nicht erhalten bleibt, ist der Zusammenhang zwischen Verwölbung und Verdril-

lung nicht von Anfang an bekannt, so dass die Einheitsverwölbung in mehreren Schritten

berechnet werden muss.

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Bild 4-99: Über die Wanddicke konstante

Schubspannung

Bild 4-100: Schubverzerrung des Elementes

dx·ds in der Wandungsmittelfläche

Zuerst trennt man den geschlossenen Querschnitt gedanklich auf, so dass ein offener Quer-

schnitt vorliegt.

Bild 4-101: (Gedanklich) längs aufgeschnittener Hohlquerschnitt

Dann schreibt man für diesen offenen Querschnitt die Gleichung für die Schubverzerrung an:

vudx

dv

ds

du

Mit Bezug auf eine beliebige Drillachse A kann die Verformung v tangential zur Querschnitts-

kontur und in Richtung der lokalen Koordinate s wie bereits bekannt in Abhängigkeit des

Normalabstandes rt,A zwischen Drillachse A und der Tangente an die Querschnittskontur

ausgedrückt werden:

AtA rvv ,

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Die Schubverzerrung lautet damit und mit u = uA

dx

dr

ds

du

dx

dv

ds

duAt

AAA,

Da es sich nur gedanklich um einen offenen Querschnitt handelt, sind die Verzerrungen in

der Wandungsmitte des in Wirklichkeit geschlossenen Querschnitts ungleich null.

Bild 4-102: Schubverzerrung des Elementes dx·ds in der Wandungsmittelfläche

Der Schubfluss T ist entlang der lokalen Koordinate s konstant und in jedem Querschnitts-

punkt gleich groß und kann durch die Verzerrung ausgedrückt werden.

Tconstdx

dr

ds

dustGstsGstssT At

A .)()()()()()( ,

Durch Umstellen, Auflösen und Integrieren kann die Verwölbung uA(s) in Abhängigkeit vom

Schubfluss T ausgedrückt werden.

dsdx

dr

stG

Tdu AtA ,

)(

0,)(

)( A

s

At

s

A udsrdx

d

st

ds

G

Tsu

uA0 ist die Integrationskonstante.

Aus Gründen der Kontinuität bzw. Verträglichkeit muss die Verwölbung stetig über den rea-

len, geschlossenen Querschnitt verlaufen, uA(s) darf sich zwischen zwei benachbarten Quer-

schnittspunkten nicht sprunghaft ändern. Die beiden Schnittkanten des gedanklich aufge-

trennten Querschnitts dürfen keine Relativverwölbung uA aufweisen.

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Bild 4-103: Relativverwölbung uA der beiden Schnittkanten

Da nur die Differenzverwölbung uA zwischen den beiden Schnittkanten und nicht die abso-

lute Verwölbung uA von Interesse ist, muss lediglich von einer Schnittkante zur anderen ent-

lang der lokalen Koordinate s integriert werden, die Bestimmung der Integrationskonstante

uA0 entfällt. Für diese Berechnung wird der Ursprung der lokalen Koordinate s zweckmäßig in

der Schnittstelle angenommen.

Bild 4-104: Integration über den gesamten Umfang

Da über den gesamten Querschnittsumfang integriert wird, wird die Formel mit dem Zeichen

für das Ringintegral dargestellt.

s

At

s

A dsrdx

d

st

ds

G

Tu 0

)(

!

,

Wie bekannt entspricht die Grundverwölbung

s

s

AtA dsr

0

,

der doppelten vom Radiusstrahl rA überstrichenen Fläche A*. Wird wie hier die Integration als

Ringintegral über den gesamten Querschnittsumfang durchgeführt, dann entspricht das In-

tegral der doppelten Fläche Am, die von der Blechmittellinie umschlossen wird.

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s

mAt Adsr 2,

Bild 4-105: Vom Radiusvektor rA überstrichene Fläche dAm

Nach Einsetzen dieser Beziehung in die Formel für u kann nach T aufgelöst werden.

s

m

st

ds

GA

dx

dT

)(

2

Diese Beziehung kann man nun wiederum in die Gleichung zur Berechnung der (absoluten)

Verwölbung (an beliebiger Stelle s) einsetzten, und man erhält

0,0,)(

)(

2

)()( A

s

At

s

s

mA

s

At

s

A udsrdx

d

st

ds

st

dsG

GA

dx

dudsr

dx

d

st

ds

G

Tsu .

Zu beachten ist der Unterschied zwischen „normalem“ Integral und Ringintegral, es darf also

nicht einfach gekürzt werden.

Zur Vereinfachung wird der erste Term in Zähler und Nenner mit 2·Am erweitert und der

Schubmodul G gekürzt:

0,

2

)(2

)(

4)( A

s

At

s

s

m

mA udsr

dx

d

st

ds

Ast

ds

A

dx

dsu

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Der Ausdruck

T

s

m I

st

ds

A

)(

42

entspricht dem Torsionsträgheitsmoment IT des geschlossenen Querschnitts (2. Bredtsche

Formel, vgl. Abschnitt zur St. Venantschen Torsion).

Damit vereinfacht sich die Gleichung zur Berechnung von uA(s) entsprechend:

dxd

u

st

ds

A

Idsr

dx

dsu A

sm

T

s

AtA/)(2

)( 0,

Da die Integration über ds erfolgt und nicht über d bzw. dx, kann auch der Ausdruck

dxd

uA

/

0

als Integrationskonstante betrachtet werden, die mit A0 bezeichnet wird.

Analog der Vorgehensweise bei den offenen Querschnitten entspricht der Ausdruck in den

eckigen Klammern der Einheitsverwölbung A, also jener Verwölbung uA, die der Querschnitt

unter der Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt.

Die Einheitsverwölbung A setzt sich auch für geschlossene Querschnitte aus der Grund-

verwölbung A und der 1. Normierung A0 zusammen.

0,0)(2

A

sm

T

s

AtAAAst

ds

A

Idsr

Wie man sieht besteht die Grundverwölbung A aus zwei Anteilen.

Der erste Anteil ist identisch mit der Grundverwölbung eines offenen Querschnitts mit glei-

chen Abmessungen.

dsrs

AtoffenA ,,

Der zweite Anteil kann als eine Art Korrekturwert interpretiert werden, der der Tatsache

Rechnung trägt, dass der Querschnitt geschlossen ist und es deshalb zwischen zwei be-

nachbarten Querschnittspunkten keinen Verwölbungssprung geben kann.

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ssm

TngeschlosseA

st

ds

st

ds

A

I

)()(2,

wird Torsionsfunktion genannt:

s

m

m

T

st

ds

A

A

I

)(

2

2

Die Grundverwölbung des geschlossenen Querschnitts kann in Kurzform wie folgt geschrie-

ben werden

ngeschlosseAoffenAA ,, ,

die Einheitsverwölbung ist dann

0,, AngeschlosseAoffenAA .

Da auch für geschlossene Querschnitte unter alleiniger Torsionsbeanspruchung die Verwöl-

bungen im Mittel null sein müssen (ohne Normalkraft N treten keine Verlängerung des Sta-

bes auf), wird die 1. Normierung A0 mit der bereits bekannten Formel bestimmt:

A

AA dAA

10

Achtung Vorzeichen!

Den Vorzeichen der einzelnen Anteile ist besondere Beachtung zu schenken:

Das Vorzeichen von offenA, ergibt sich aus dem Drehsinn des Radiusvektors rA beim „Abfah-

ren“ der Querschnittskontur entlang s (völlig analog einem real offenen Querschnitt).

Bei der Berechnung von ngeschlosseA, ist zu beachten, dass in der Formel für die Torsionsfunk-

tion die von der Blechmittellinie umfasste Fläche Am enthalten ist.

Am selbst ist jedoch nur eine Hilfsgröße, um das Ringintegral in einem „handlichen“ Formel-

zeichen ausdrücken zu können:

s

Atm dsrA ,2

1

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Weil der Normalabstand rt,A zwischen Drehpunkt A und der Tangente an den jeweiligen

Punkt P(s) der Querschnittskontur abhängig vom Drehsinn des Radiusvektors rA mit einem

Vorzeichen behaftet ist, muss auch Am ein Vorzeichen haben.

Die Integrale s

st

ds

)(und

sst

ds

)( sind dagegen stets positiv.

Um die Problematik des Vorzeichens von Am zu umgehen wählt man zweckmäßig die lokale

Koordinate gleich so, dass rA überwiegend denselben Drehsinn besitzt wie eine positive Ver-

drehung + .

Bei Bezug auf eine Drillachse, die innerhalb der Querschnittskontur liegt, kann s problemlos

und zweifelsfrei festgelegt werden.

Liegt die Drillachse außerhalb der Querschnittskontur, so ist s zweckmäßig so zu definieren,

dass die Radiusvektoren rA bei positivem Drehsinn größere Flächen überstreichen als bei

negativem Drehsinn. Die in Bild 4-106 gezeigte Fläche Am kann beispielweise aus drei Teil-

flächen gebildet werden (jeweils mit Vorzeichen!). Die beiden hellblauen Teilflächen resultie-

ren aus Radiusvektoren rA mit positivem Drehsinn und sind positiv. Sie überwiegen die hell-

rote, negative Teilfläche, die aus Radiusvektoren mit negativem Drehsinn resultiert. Am ist

deshalb positiv.

Bild 4-106: Am setzt sich aus positiven und negativen Anteilen zusammen

Beispiel: Einzelliger Hohlquerschnitt mit verschiedenen Blechdicken

Für den in Bild 4-107 dargestellten Querschnitt soll die Einheitsverwölbung A bezüglich der

Drillachse A ermittelt werden. A liegt auf dem Mittelpunkt des halbkreisförmigen Quer-

schnittsteils. Es ist zu beachten, dass der Querschnitt zwei unterschiedliche Blechdicken

besitzt.

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Bild 4-107: Geschlossener Querschnitt mit unterschiedlichen Blechdicken

Zuerst trennt man den Querschnitt gedanklich auf, nummeriert die Querschnittspunkte und

definiert die lokale Koordinate s.

Bild 4-108: Aufgetrennter Querschnitt mit Querschnittspunkten und der Koordinate s

Dann wird die Torsionsfunktion bestimmt.

s

m

st

ds

A

)(

2

Die vom Radiusstrahl rA bei einer vollständigen Umfahrung der Querschnittskontur überstri-

chene Fläche Am entspricht der von der Kontur eingeschlossenen Fläche.

s wurde so definiert, dass rA denselben Drehsinn besitzt wie + . Deshalb ist Am positiv.

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22 1,5570,200,102

10,150,200,10

2

1cmAm

Da die Blechdicke abschnittsweise konstant ist kann das Ringintegral auch als Summe aus-

gedrückt werden:

3,1008,0

0,10

8,0

0,152

2,1

20,102

)( i i

i

st

s

st

ds

²10,113,100

1,5572

)(

2cm

st

ds

A

s

m

Nun kann für jeden Punkt die Grundverwölbung A bestimmt werden. Wegen der abschnitt-

weise konstanten Blechdicken gilt wiederum

i i

i

i

iiAt

ss

AtAt

ssr

st

dsdsr ,,,

)(.

Der Radiusstrahl rA dreht stets in dieselbe Richtung wie eine positive Verdrehung + , rt,A ist

deshalb für jeden Abschnitt positiv.

Punkt 0: 0)0(A

Punkt 1:

Bild 4-109: rt,A im Abschnitt 0 1

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2

, 1,1192,1

20,1010,1120,102

2

)0,100,15(0)0()1( cm

t

ssr AtAA

Punkt 2:

Bild 4-110: rt,A im Abschnitt 1 2

²94,608,0

0,1510,110,100,151,119)1()2( , cm

t

ssr AtAA

Punkt 3:

Bild 4-111: rt,A im Abschnitt 2 3

²00,08,0

0,10210,110,10

20,1064,60)2()3( , cm

t

ssr AtAA

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Für die übrigen Abschnitte erfolgt die Berechnung analog, in Tabelle 4-10 sind die Berech-

nungsschritte zusammengestellt.

Punkt

i )1(iA + rt,A · s - · s / t = )(iA

[-] [cm²] [cm] [cm] [cm²] [cm] [cm] [cm²]

0 0

1 0 + 17,68 · 14,14 - 11,10 · 14,14 / 1,2 = 119,1

2 119,1 + 10,0 · 15,0 - 11,10 · 15,0 / 0,8 = 60,94

3 60,94 + 10,0 · 15,71 - 11,10 · 15,71 / 0,8 = 0,00

4 0,00 + 10,0 · 15,71 - 11,10 · 15,71 / 0,8 = -60,64

5 -60,64 + 10,0 · 15,0 - 11,10 · 15,0 / 0,8 = -119,14

6 -119,14 + 17,68 · 14,14 - 11,10 · 14,14 / 1,2 = 0,00

Tabelle 4-10: Berechnung der Grundverwölbung A

Da sowohl der Ursprung von s als auch der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegen ist die

Verwölbung im Mittel gleich null. Eine Normierung ist nicht erforderlich, die Grundverwölbung

A und die Einheitsverwölbung A sind identisch.

Bild 4-112: Verlauf der Einheitsverwölbung A

Der Bezug auf eine andere Drillachse kann analog der Vorgehensweise für offene Quer-

schnitte hergestellt werden.

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Mehrzellige Querschnitte

Die Berechnung der Einheitsverwölbung von mehrzelligen Querschnitten wird im Rahmen

des Umdrucks nicht behandelt. Die Vorgehensweise ergibt sich in Erweiterung der Ausfüh-

rungen für den einzelligen Querschnitt. Für die einzelnen Zelle wird die Einheitsverwölbung

zuerst getrennt berechnet, anschließend wird die Berechnung unter Berücksichtigung der

Verträglichkeitsbedingung angepasst: an den Verzweigungspunkten darf die Wölbordinate

keinen Sprung aufweisen. Bezüglich weiterer Ausführungen wird auf die Fachliteratur ver-

wiesen.

4.4.4 Wölbspannungen

4.4.4.1 Einführung

Im Abschnitt „Einheitsverwölbung“ wurde verdeutlicht, dass Torsionsbeanspruchung nicht

nur zu einer Verdrillung des Stabes führt, sondern dass die einzelnen Querschnitts-“Fasern“

in Stablängsrichtung unterschiedlich stark gedehnt bzw. gestaucht werden. Dadurch bleibt

der Querschnitt nicht eben, er verwölbt sich.

Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass sich

die Verwölbungen zwängungsfrei einstellen können. In der Realität werden die Verwölbun-

gen in den meisten Fällen aber mehr oder weniger stark behindert, sei es durch konstruktive

Rand- oder Übergangsbedingungen (z.B. Stirnplatten, Einspannung des Trägerendes, etc.)

oder durch sprunghafte Änderung des Torsionsmomentes (z.B. angreifendes Einzelmoment,

Gabellager, etc.).

Die Behinderung der Verwölbungen führt zu Zwängungsspannungen, die Wölbspannungen

genannt werden. Man nennt diese Spannungen auch Sekundärspannungen, da sie im Zu-

sammenhang mit der Wölbkrafttorsion auftreten, die auch als Sekundärtorsion bezeichnet

wird.

Normalspannungen und Schubspannungen , die aus der Behinderung der freien Verwöl-

bung resultieren, werden mit dem Index gekennzeichnet.

Wölbnormalspannung

Wölbschubspannung

Man findet in der Literatur aber gleichbedeutend die Kennzeichnung mit den Indices 2 oder s

(für „sekundär“), also 2 und 2 bzw. s bzw. s.

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4.4.4.2 Dünnwandige offene Querschnitte

Die Zusammenhänge werden für den Fall eines offenen Querschnitts aufgezeigt (Dünnwan-

digkeit wird weiterhin vorausgesetzt). In einem späteren Abschnitt wird kurz auf die Beson-

derheiten bei dünnwandigen geschlossenen Querschnitten eingegangen.

Grundlage der Theorie ist ein linear-elastisches Materialverhalten. Innerhalb des linear-

elastischen Bereiches gilt das Hookesche Gesetz:

E

Die Dehnung ist bekanntlich als Längenänderung l mit Bezug auf die Ausgangslänge l

definiert. Bei Betrachtung eines infinitesimal kleinen Elementes der Länge dx entspricht die

Längenänderung l der Änderung der Verwölbung du innerhalb der Länge dx.

udx

du

Mit Hilfe der Einheitsverwölbung kann für jeden Punkt des Querschnitts die Verwölbung,

d.h. die Verschiebung in Stablängsrichtung berechnet werden.

Zur Wiederholung: Die Einheitsverwölbung ist kein einzelner, über den gesamten Quer-

schnitt konstanter Querschnittswert. Vielmehr ist über den Querschnitt veränderlich, so

dass für die einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) unterschiedliche Werte annimmt (

wird deshalb auch „Wölbordinate“ genannt). Zur Lagebestimmung eines Querschnittspunktes

P(s) wurde die lokale Koordinate s eingeführt. Da auch von s abhängig ist, kann man

exakter auch (s) schreiben. Schließlich sei daran erinnert, dass (s) stets mit Bezug auf

eine definierte Drillachse berechnet wird. Für eine beliebige Drillachse A wird die Einheits-

verwölbung korrekt und eindeutig mit A(s) bezeichnet.

Gemäß Definition ist die Einheitsverwölbung A(s) jene Verwölbung, die ein Punkt P(s) des

Querschnitts infolge einer Verdrillung ‘ = -1 [rad / m] um die Drillachse A erfährt.

Die tatsächliche Verwölbung uA(s) infolge einer beliebigen Verdrillung ‘(x) entspricht dem-

nach dem negativen Wert des Produktes aus Verdrillung ‘ und Einheitsverwölbung A(s).

Da ‘ im Normalfall entlang der Stablänge veränderlich ist, ist auch die Verwölbung uA(s) des

Querschnittspunktes P(s) in Stablängsrichtung veränderlich.

)()(),( xsxsu AA

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Die Dehnung A(s,x) ergibt sich zu

)()(),( xsuxs AAA ,

und man kann unter Berücksichtigung des Elastizitätsgesetzes die Wölbnormalspannung

,A(s,x) berechnen.

)()(),(),(, xsExsExs AAA

ist von x abhängig und ändert sich von Schnitt zu Schnitt. Dass diese Änderung mit

Längsschubspannungen einhergehen muss wird deutlich, wenn man an einem infinitesi-

mal kleinen Element der dünnwandigen Mantelfläche mit den Abmessungen dx·ds die aus

den Spannungen resultierenden Kräfte anträgt und die Gleichgewichtsbedingung formuliert.

Hinweis: Der Index A zur Kennzeichnung der Drillachse wird an dieser Stelle aus Gründen der Übersichtlichkeit

nicht mit notiert.

Bild 4-113: Element dx·ds Bild 4-114: Gleichgewicht am Element dx·ds

Fx = 0:

0))((]))(()([)()()( dxstdxdsststdsstdsstdx

0))(()( dxdsstdsstdx

0))(()( stst

Hinweis: Im Allgemeinen ist t(s) nicht konstant über den Querschnitt. Deshalb kann t(s) nicht ausgeklammert und

gekürzt werden.

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))(( st ist die Ableitung des Schubflusses in Richtung der lokalen Koordinate s, also tan-

gential zur Kontur des Querschnitts. Durch Integration über s erhält man den Schubfluss

T (s,x):

0

000

)()()()())((),( TdsstsxEdsstdsstxsT

sss

T 0 hat die Bedeutung einer Integrationskonstante.

Sofern die lokale Koordinate s ihren Ursprung an einem Profilrand hat (es handelt sich um

ein offenes Profil), ist wegen des Satzes von der Zuordnung der SchubspannungenT 0 = 0.

Dann gilt

s

dsstsxExsT0

)()()(),(

und

)(

),(),(

st

xsTxs

Wölbnormalspannungen und Wölbschubspannungen sind aufgrund der vorausgesetz-

ten Dünnwandigkeit über die Wandstärke konstant verteilt.

Anmerkung: Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass in der Profil-

mittellinie die Torsionsschubspannungen gleich null sind. Streng genommen stellen die Wölbschubspannungen

einen Widerspruch zu dieser Annahme dar. Allerdings sind die zu den Wölbschubspannungen gehörenden

Gleitungen normalerweise so klein, dass sie im Rahmen der Theorie vernachlässigt werden und die Voraus-

setzung = 0 in Mitte der Blechdicke als Grundlage der Berechnung der Einheitsverwölbung unverändert bei-

behalten wird.

Bezüglich der gewählten Drillachse A erzeugen die Schubspannungen das sekundäre

Torsionsmoment Mx,2 bzw. Mx,s.

Das sekundäre Torsionsmoment wirkt neben dem primären Torsionsmoment Mx,p und bildet

zusammen mit diesem das (gesamte) resultierende Torsionsmoment Mx.

sxpxx MMM ,,

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Zur Erinnerung: Das primäre Torsionsmoment Mx,p resultiert aus Schubspannungen p, die

über die Blechdicke des offenen dünnwandigen Querschnitts linear verteilt sind (in Blechmit-

te: p = 0) und wird nach der St. Venantschen Torsionstheorie berechnet.

)(, xIGM Tpx

Bild 4-115: Primäres Torsionsmoment Mx,p infolge primärer Schubspannungen p

Die Wölbschubspannungen wirken tangential zur Querschnittskontur, wobei die Tangente

an den jeweiligen Querschnittspunkt P(s) zur Drillachse A den Normalabstand rt,A besitzt. Mit

diesem Hebelarm erzeugen die Schubspannungen das sekundäre Torsionsmoment Mx,s,

das durch Integration entlang der lokalen Koordinate s über den gesamten Querschnitt be-

rechnet wird.

s

Atsx dssrstxsM0

,, )()(),(

Bild 4-116: Sekundäres Torsionsmoment Mx,s infolge der Wölbschubspannungen

Die Berechnung erfolgt durch partielle Integration.

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Allgemeine Formel: dxxgxfxgxfdxxgxf )()()()()()(

Im vorliegenden Fall entspricht

sx ˆ ,

)(),(ˆ)( stxsxf ,

)(ˆ)( , srxg At ,

))(),((ˆ)( stxsxf und

dssrxgs

At )(ˆ)( , .

Man erhält

dsdssrstxsdsrstxsMs s

At

s

Atsx ])())(),([()(),( ,,,

Da alle Integrationen über die gesamte Querschnittskontur erfolgen (von freiem Rand zu

freiem Rand) ist )(),( stxs der Schubfluss am Ende des Integrationsweges, also am frei-

en Rand. Weil an freien Rändern stets T = 0 gilt, entfällt der erste Teil der Formel vollständig,

es verbleibt

dsdssrstxsMs s

Atsx ])())(),([( ,,

Setzt man nun die bekannten Beziehungen

s

AtA dssr )(,

und

0))(),(()(),( stxsstxs

ein, so erhält man als Zwischenergebnis

dsstxsMs

Asx ])(),([, ,

und mit

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)()(),(, xsExs AA

folgt

dsstsxEMs

AAsx )()()(,

Weiter gilt:

dAdsst )(

und

dAA

AAAAA

10

Nach Einsetzen in die Gleichung zur Bestimmung des sekundären Torsionsmomentes folgt:

A A A

AAA

A

A

A

AA

s

AAsx

dAdAA

dAxE

dAdAA

xEdsstsxEM

1)(

1)()()()(

2

,

Was die Verschachtelung der beiden Integrale betrifft, ist zu bedenken, dass die Grundver-

wölbung A eine (zwar über den Querschnitt veränderliche) Querschnittsgröße ist. Bei Integ-

ration über die gesamte Querschnittsfläche (mit festen Integrationsgrenzen) erhält man einen

konstanten Wert, der aus dem Integral herausgezogen werden kann:

A A

A

A

AA

A A A

AAA dAdAA

dAdAdAA

dA11 22

Das sekundäre Torsionsmoment lautet

A A

A

A

AAsx dAdAA

dAxEM1

)(2

,

Zur vereinfachten Darstellung wird eine neue Querschnittsgröße definiert.

Der Ausdruck in Klammern wird als Wölbwiderstand CA bezeichnet. Der Index A macht den

Bezug auf die Drillachse A kenntlich.

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A A

AAA dAA

dAC

2

2 1

In der Literatur werden auch die Bezeichnungen „Wölbflächenmoment 2. Grades“ und „sek-

torielles Trägheitsmoment“ verwendet, alternative Formelzeichen sind I , Iw und A , wobei

sich I , Iw bzw. A ohne weiteren Index auf die Achse durch den Schubmittelpunkt beziehen.

Man sollte deshalb den Bezug auf eine beliebige Drillachse A durch einen weiteren Index

kenntlich machen, also z.B. I ,A.

Bei Bezug auf die Drillachse durch den Schubmittelpunkt wird meist kein Index ergänzt, al-

lerdings schreibt man praktisch nicht C, sondern CM.

Fortan werden auch in diesem Skript die Bezeichnungen I und CM als gleichwertige Alterna-

tiven verwendet. I bietet sich besonders dann an, wenn man Analogiebetrachtungen be-

treibt und einen Vergleich mit den Querschnittsgrößen Iy oder Iz anstrebt (vgl. Abschnitt

4.4.4.3).

Unter Verwendung des Zusammenhangs zwischen Grundverwölbung A und Einheitsver-

wölbung A kann der Wölbwiderstand CA einfacher ausgedrückt werden:

A

AA dAC2

Beweis:

Nach Einsetzen von 0AAA in die Gleichung für CA und unter Berücksichtigung der

Tatsache, dass 0A eine Konstante ist, die aus dem jeweiligen Integral herausgezogen wer-

den kann, ergibt sich nach mehreren Rechenschritten:

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2

2

2

00

2

2

00

2

2

2

00

2

2

00

2

2

00

2

2

00

2

2

0

2

0

1

21

2

112

12

21

2

)(1

)(

A

A

A

A

A

A

AA

A

AA

A

AA

A

A

A

A

AA

AA

A

A

A

A

A

AA

A

A

A A A

AAA

A

A

A

A

A

AA

A

A

A A

AAAAA

dAA

dA

AdAdAA

AdAdA

dAA

dAdAA

dAA

dAdAdA

dAdAdAdAA

dAdAdA

dAA

dAC

Weil bei Beanspruchung allein durch Torsion die Verwölbung A im Mittel gleich null sein

muss, ist 0A

A dA , und es verbleibt

A

AA dAC2

q.e.d.

Das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann jetzt in übersichtlicher Form notiert werden:

Asx CEM ,

4.4.4.3 Analogie Biegetheorie - Wölbkrafttorsion

Im Rahmen der Theorie zur Wölbkrafttorsion wird eine neue Schnittgröße eingeführt – das

Wölbbimoment M .

Das Wölbbimoment M hat den Charakter einer Spannungsresultierenden.

In etwa so, wie es sich bei einem Biegemoment, z.B. My bei Biegung um die y-Achse, um

eine Resultierende der Spannungen unter Berücksichtigung der Verteilung über den Quer-

schnitt handelt, ist das Wölbbimoment M die Resultierende der Wölbnormalspannungen

unter Berücksichtigung der zum betrachteten Querschnittspunkt gehörenden Verwölbung .

Page 98: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Für ein Biegemoment My gilt:

A

y dAzM und zI

M

y

y

In Analogie zu dieser vertrauten Schreibweise gilt für das Wölbbimoment M :

A

AAA dAsxsxM )(),()( ,,

Mit )()(),(, xsExs AA folgt:

A

A

A

A

AAA CxEdAsxEdAsxsxM )()()()(),()(2

,,

Damit gilt für die Wölbnormalspannungen :

)()(

),(,

, sC

xMxs A

A

A

A

Noch deutlicher wird die Analogie der Gleichungen, wenn statt CA das alternative Formelzei-

chen I ,A verwendet wird:

)()(

),(,

,

, sI

xMxs A

A

A

A

Dabei ist stets der Bezug auf eine bestimmte Drillachse zu beachten (hier: Index A).

Das Wölbbimoment M besitzt die Einheit [kNm²] oder [kNcm²]. Leider entzieht sich M im

Fall eines allgemeinen Querschnitts der konkreten Vorstellbarkeit. Im konkreten Fall eines

Doppel-T-Profils kann man sich dagegen die Wirkungsweise von M gut verdeutlichen (vgl.

Abschnitt 4.4.10 „Wölbkrafttorsion anschaulich“), es wird in diesem Zusammenhang auch

das „Moment der Momente“ genannt.

Bei Betrachtung der Formel für das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann festgestellt wer-

den, dass das sekundäre Torsionsmoment Mx,s die Ableitung des Wölbbimomentes M ist,

ebenso wie bei der Balkenbiegung die Querkraft die Ableitung des Biegemomentes ist.

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)()()(, xMxCExM Asx

Analogie Biegetheorie: )()( xMxV yz

Der aus dem sekundären Torsionsmoment Mx,s resultierende Schubfluss T beträgt

s

dsstsxExsT0

)()()(),(

Das Integral erhält die Bezeichnung S ,A und wird sektorielles statisches Moment oder Wölb-

flächenmoment 1. Grades genannt. In der Literatur wird teilweise das Formelzeichen A ver-

wendet.

s

A dsstssS0

, )()()(

S ,A(s) ist eine über den Querschnitt veränderliche Querschnittsgröße mit der Einheit [cm4].

Aus )()()(, xMxCExM Asx folgt:

A

sx

C

xMxE

)()(

,

Setzt man diese Beziehung und S ,A in die Gleichung für die sekundären Schubspannungen

ein, so wird unmittelbar die Analogie zur Theorie der Balkenbiegung deutlich:

)(

)()(

)(

)()(

)(

),(),(

,

,,,,

stI

sSxM

stC

sSxM

st

xsTxs

A

Asx

A

Asx

Analogie Biegetheorie: tI

SV

y

yz

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Wölbkrafttorsion Entsprechung in der Biegetheorie

Größe Bezeichnung Einheit Größe Bezeichnung Einheit

M Wölbbimoment kNcm² -My bzw. -

Mz Biegemoment kNcm

Mx,s sekundäres Torsions-

moment kNcm Vz bzw. Vy Querkraft kN

CA =I ,A Wölbwiderstand cm6 Iy bzw. Iz

Flächenträg-

heitsmoment

2. Ordnung

cm4

S ,A sektorielles statisches

Moment cm

4 Sy bzw. Sz

statisches Mo-

ment cm

3

A Wölbordinate cm² z bzw. y Koordinate cm

Wölbnormalspannung kN/cm² Normalspannung kN/cm²

Wölbschubspannung kN/cm² Schubspannung kN/cm²

Tabelle 4-11: Entsprechungen bei Wölbkrafttorsion und Biegetheorie

4.4.5 Die Differentialgleichung der gemischten Torsion

Das (gesamte / resultierende) Torsionsmoment im Stab setzt sich aus den beiden Anteilen

„Primäre Torsion“ Mx,p (Saint Venant) und „sekundäre Torsion“ Mx,s (Wölbkrafttorsion) zu-

sammen. Die Addition der beiden Anteile liefert das Elastizitätsgesetz der gemischten Torsi-

on:

Hinweis: In der Literatur wird meistens der Begriff der Wölbkrafttorsion auch dann verwendet, wenn es sich nicht

ausschließlich um Wölbkrafttorsion handelt. In diesem Umdruck wird der Begriff „gemischte Torsion“ eingeführt,

der den Sachverhalt, dass zwei Arten am Abtrag eines Torsionsmomentes beteiligt sein können, treffender be-

schreibt.

ATsxpxx CEIGMMM ,,

Es wird ein infinitesimal kleines Stabelement mit der Länge dx betrachtet. Auf den Stab soll

ein über die Stablänge stetig veränderliches Streckentorsionsmoment mT (Einheit: kNm/m)

einwirken.

Bild 4-117: Gleichgewicht am Stabelement der Länge dx

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Die Gleichgewichtsbedingung am Element der Länge dx lautet:

0)( xxxT MdxMMdxm

Tx mM

Einmaliges Ableiten des Elastizitätsgesetzes der gemischten Torsion und Einsetzen der

Gleichgewichtsbedingung ergibt die Differentialgleichung der gemischten Torsion:

TTA mIGCE DGL der gemischten Torsion

(Hinweis: diese DGL wird in der Literatur häufig als DGL der Wölbkrafttorsion bezeichnet, auch wenn sie Anteile

aus St. Venantscher Torsion enthält).

4.4.6 Lösung der Differentialgleichung der gemischten Torsion

4.4.6.1 Vorbemerkung

Vorsorglich sei noch einmal erwähnt, dass sich alle Berechnungen auf eine definierte Drill-

achse beziehen, um die sich der Querschnitt unter Torsion verdrillt. Bisher und im Folgenden

ist das die willkürlich gewählte Achse durch den Punkt A.

Wie im Abschnitt 4.4.8 noch beschrieben werden wird, gibt es eine natürliche Drillruheachse,

die der Stab, wenn er sich frei verdrillen kann, von sich aus wählt. Kann sich der Stab nicht

frei verdrillen, weil ihm durch entsprechende Randbedingungen (Lagerungen, Festhaltungen,

etc.) eine andere als die natürliche Drillachse aufgezwungen wird, spricht man von einer ge-

bundenen Drillachse bzw. von einer Zwangsdrillachse.

Auf die Herleitung der Berechnungsformeln hat dieser Umstand keinen Einfluss. Es ist aber

zu bedenken, dass die Berechnungsergebnisse für unterschiedliche Drillachsen im Allge-

meinen gänzlich verschieden sind. Deshalb sollte aus Gründen der Eindeutigkeit die der

Berechnung zugrunde liegende Drillachse bei den jeweiligen Formelzeichen stets in Form

eines Index angegeben werden.

Einschränkung:

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Die folgenden Ausführungen und Herleitungen gelten für Stäbe mit über die Stablänge unve-

ränderlichem Querschnitt und konstanten Materialeigenschaften. Für andere Fälle sind die

Zusammenhänge komplizierter und die Formeln umfangreicher.

4.4.6.2 Der Abklingfaktor

Die Differentialgleichung (DGL) der gemischten Torsion ist eine gewöhnliche DGL vierter

Ordnung.

Der homogene Teil der DGL lautet:

0TA IGCE

Nach Division durch E·CA erhält man

02

A

T

CE

IG

mit

A

T

CE

IG

heißt Abklingfaktor und hat die Einheit [1/cm]. ist für die gängigen Walzprofile in Tabel-

lenwerken enthalten, wobei zu beachten ist, dass die Werte für eine Drillachse gelten, die

gleich der Schubmittelpunktsachse ist.

dient nicht nur der einfacheren Schreibweise der DGL, sondern ist in Verbindung mit der

Stablänge l außerdem ein Maß dafür, welche Art der Torsion bei einem Querschnitt über-

wiegt.

Grenzfälle:

l : Es liegt reine St. Venantsche Torsion vor ( )0ACE

0l : Es liegt reine Wölbkrfattorsion vor ( )0TIG

In der Praxis wird sich ein Stab selten exakt einem der Grenzfälle zuordnen lassen.

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Auch die Art der Belastung hat einen Einfluss auf die Art der Torsion. In Bild 4-118 ist die

Größe des tatsächlichen Wölbbimomentes M ( )im Verhältnis zum Wölbbimoment bei reiner

Wölbkrafttorsion M ( =0) in Abhängigkeit vom Produkt ·l (im Bild genannt) und in Abhän-

gigkeit von der Belastungsart (Einzeltorsionsmoment, Streckentorsionsmoment, Wölbbimo-

mente an den Stabenden) angetragen.

Bild 4-118: Abgrenzung zwischen St. Venantscher Torsion und Wölbkrafttorsion

Quelle: Kohlbrunner/Basler, Torsion, Springer-Verlag 1966

Als brauchbare Werte für die Praxis können folgende Grenzen des Produktes ·l dienen:

·l < 0,5 reine Wölbkrafttorsion

≤ ·l ≤ 10 gemischte Torsion

·l > 10 reine St. Venantsche Torsion

Beispiel: Torsionsstab mit Profil HEA 400 oder Profil RHP 200x120x6,3

Es wird ein Torsionsstab mit einer Länge von 10,0 m betrachtet. Als Querschnitt stehen ein

Walzprofil HEA 400 und ein Rechteckhohlprofil 200 x 120 x 6,3 zur Auswahl.

Als Drillachse wird die Achse durch den Schubmittelpunkt gewählt, die für diese Profile iden-

tisch mit der Schwerachse ist.

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Variante HEA 400:

Der Querschnitt wird durch seine Profilmittellinie idealisiert.

Bild 4-119: Abmessungen HEA 400 Bild 4-120: Mittellinienmodell mit Festlegung

der Koordinate s

Für den Steg ist rt,M = 0, für die Flansche jeweils +/- 18,55 cm

Bild 4-121: Verlauf von rt,M Bild 4-122: Verlauf der Einheitsverwölbung M

An den Flanschecken beträgt M jeweils ²3,2780,1555,18 cmM

Hinweis: wegen der Symmetrie gilt: MM keine Normierung erforderlich.

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Der Wölbwiderstand CM ergibt sich durch Integration:

A

MM dAC2

Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überla-

gerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dsstdA )( ist.

6134.943.20,159,13,2783,2783

14 cmCM

Für dieses Standard-Walzprofil könnte der Wert auch aus einem Tabellenwerk entnommen

werden, z.B. aus den Schneider-Bautabellen. Hierzu ist die Kenntnis der alternativen Be-

zeichnung des Wölbwiderstandes notwendig:

CM wird in der Literatur auch mit I bezeichnet. Zu beachten ist die Bezugsachse. Das Bei-

spiel wird mit Bezug auf die Schubmittelpunktsachse berechnet, der Tabellenwert bezieht

sich ebenfalls darauf, kann also verwendet werden.

Tabellenwert: 63102942 cmI

Dieser Wert entspricht der Handrechnung.

Hinweise:

Querschnittswerte in Tabellenwerken werden häufig mit „genaueren“ Methoden ermittelt, etwa mit FEM. Deshalb

ergeben sich teilweise geringfügige Unterschiede.

In diesem Zusammenhang sei noch auf eine etwas unglückliche Formulierung in den Schneider Bautabellen

hingewiesen: Als Einheit ist in der Tabelle cm6·10

-3 angegeben. Das bedeutet, dass die tabellierten Werte mit

1000 zu multiplizieren sind, um sie in der Einheit cm6 zu erhalten.

Für das Torsionsflächenmoment 2. Grades (St. Venantscher Torsionswiderstand) wird der

Tabellenwert verwendet.

4189 cmIT

Der Abklingfaktor kann nun berechnet werden.

100498,0000.942.221000

1898100cm

CE

IG

M

T

Auch ist in den Bautabellen tabelliert und könnte direkt abgelesen werden.

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Für eine Stablänge von 10,0 m ergibt sich

98,4100000498,0l .

Der Wert ist größer als 0,5 und kleiner als 10, es handelt sich um ein Problem der gemisch-

ten Torsion, bei dem sich sowohl Anteile aus St. Venantscher Torsion als auch Anteile aus

Wölbkrafttorsion an der Abtragung von Torsionsmomenten beteiligen.

Variante RHP 200 x 120 x 6,3:

Der Querschnitt wird näherungsweise unter Vernachlässigung der Kantenausrundungen als

scharfkantig berandet betrachtet.

Bild 4-123: Abmessungen Bild 4-124: Idealisierung durch Mittellinie

Der Verlauf der Einheitsverwölbung M wird tabellarisch berechnet.

²24,22037,1137,19)63,00,12()63,00,20()()( cmthtbAm

²514,4

63,0

37,11

63,0

37,192

24,2202

)(

2cm

st

ds

A

s

m

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Punkt

i )1(iM

+ rt,M · s - · s / t = )(iM

[-] [cm²] [cm] [cm] [cm²] [cm] [cm] [cm²]

0 0

1 0 + 5,685 · 9,685 - 4,514 · 9,685 / 0,63 = -14,33

2 -14,33 + 9,685 · 11,37 - 4,514 · 11,37 / 0,63 = 14,33

3 14,33 + 5,685 · 19,37 - 4,514 · 19,37 / 0,63 = -14,33

4 -14,33 + 9,685 · 11,37 - 4,514 · 11,37 / 0,63 = 14,33

5 14,33 + 5,685 · 9,685 - 4,514 · 9,685 / 0,63 = 0,00

Tabelle 4-12: Berechnung der Grundverwölbung M

Bild 4-125: Verlauf der Einheitsverwölbung M

Der Wölbwiderstand CM ergibt sich durch Integration:

A

MM dAC2

Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überla-

gerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dsstdA )( ist.

62651685,563,033,1433,143

14685,963,033,1433,14

3

14 cmCM

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Torsionsflächenmoment 2. Grades (St. Venantscher Torsionswiderstand):

422

1988

63,0

37,112

63,0

37,192

)37,1137,19(4

)(

4cm

st

ds

AI m

T

(Der Anteil IT,offen = 5,1 cm4 kann vernachlässigt werden).

Der Abklingfaktor beträgt

1538,0265121000

19888100cm

CE

IG

A

T

Für eine Stablänge von 10,0 m ergibt sich

105381000538,0l .

Der Wert ist viel größer als 10, es handelt sich eindeutig um ein Problem der St. Venant-

schen Torsion, der Anteil des sekundären Torsionsmomentes infolge Wölbkrafttorsion am

gesamten Torsionsmoment ist vernachlässigbar.

Aus diesem Grund sind in den meisten Tabellenwerken für Hohlprofile auch keine Werte für

CM bzw. I aufgeführt, sie werden in der Praxis fast nie benötigt.

4.4.6.3 Lösungsansatz

Die Lösung der Differentialgleichung der gemischten Torsion kann in einen homogenen An-

teil und in einen partikulären Anteil aufgespalten werden.

parthom

Unter Verwendung des Abklingfaktors setzt sich der homogene Anteil der Differentialglei-

chung der gemischten Torsion aus vier linear unabhängigen Teillösungen zusammen:

432

2

2

1hom coshsinh CxCx

Cx

C

Die partikuläre Lösung ist vom Lastbild der äußeren Belastung abhängig.

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Die folgenden Ausführungen gelten für ein in Stablängsrichtung x linear veränderliches Stre-

ckentorsionsmoment mT.

l

xmmm TTT 1,0,

Bild 4-126: Dem Lösungsansatz zugrunde liegendes Lastbild

Damit können die relevanten Fälle eines konstanten (mT,1 = 0) und eines linear veränderli-

chen (mT,1 ≠ 0) Streckentorsionsmomentes behandelt werden. Im Fall einer Belastung durch

Einzeltorsionsmomente MT ist auch mT,0 = 0. Die Lösung der DGL ergibt sich dann aus den

Rand- und Übergangsbedingungen.

Für in höherer Ordnung veränderliche Streckentorsionsmomente oder solche, deren Verlauf

z.B. auf einer Sinus- oder Cosinus-Funktion basiert, ist eine andere Lösung zu bestimmen

(hier nicht vorgeführt).

Für die partikuläre Lösung wird ein Polynomansatz gewählt:

DxCxBxApart

23

CxBxApart 23 2

BxApart 26

Apart 6

0part

Einsetzen der 2. und 4. Ableitung sowie der Funktion für das Streckentorsionsmoment in die

DGL der gemischten Torsion ergibt:

TTA mIGCE

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l

xmmBxAIG TTT 1,0,)26(

Die Lösung erfolgt mittels Koeffizientenvergleich.

l

xmxAIG TT 1,6

lIG

mA

T

T

6

1,

0,2 TT mBIG T

T

IG

mB

2

0,

Auf die Bestimmung der Koeffizienten C und D kann verzichtet werden, denn innerhalb der

Summe aus partikulärer und homogener Lösung kann C in C3 und D in C4 eingebaut werden.

Damit lautet der allgemeine Lösungsansatz:

2

1,0,432

2

2

1

20,31,

432

2

2

1

3

1

2

1coshsinh

26coshsinh

xl

xmm

IGCxCx

Cx

C

xIG

mx

lIG

mCxCx

Cx

C

TT

T

T

T

T

T

Für die eigentliche Differentialgleichung werden auch die Ableitungen dieses Lösungsansat-

zes benötigt.

2

1,0,432

2

2

1

3

1

2

1coshsinh x

l

xmm

IGCxCx

Cx

CTT

T

xl

xmm

IGCx

Cx

CTT

T

1,0,321 2

2

1sinhcosh

l

xmm

IGxCxC TT

T

1,0,21

1coshsinh

lIG

mxCxC

T

T 1,

21 sinhcosh

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Die Bestimmung der Koeffizienten C1 bis C4 erfolgt mit Hilfe der Rand- und Übergangsbedin-

gungen des Systems.

4.4.6.4 Randbedingungen

Gabellager

Ein Gabellager verhindert die Verdrehung des Stabes:

0

Die Verwölbungen u sind ungehindert möglich. Ohne Behinderung der Verwölbungen u ent-

stehen keine Wölbnormalspannungen :

0, AA E 0

Da ohne Wölbnormalspannungen auch kein Wölbbimoment M auftritt, kann diese Rand-

bedingung alternativ auch aus der Gleichung für M abgeleitet werden:

0ACEM 0

Bild 4-127: Gabellager

Die weiteren Randbedingungen eines Gabellagers 0u , 0v und 0w werden zur Lö-

sung der DGL nicht benötigt.

Allgemeine Hinweise zu Gabellagern siehe Abschnitt 4.3.9.

Einspannung

Wie ein Gabellager verhindert auch eine Einspannung die Verdrehung des Stabes:

0

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Im Gegensatz zu einem Gabellager werden die Verwölbungen u des Querschnitts vollstän-

dig behindert.

0AAu 0

Bild 4-128: Einspannung

Die weiteren Randbedingungen einer Einspannung 0wv und 0zy werden zur

Lösung der DGL nicht benötigt.

Freies Stabende (ohne Wölbbehinderung)

An einem freien Stabende sind Verwölbungen u ungehindert möglich. Ohne Behinderung der

Verwölbungen u entstehen keine Wölbnormalspannungen :

0, AA E 0

Da ohne Wölbnormalspannungen auch kein Wölbbimoment M auftritt, kann diese Rand-

bedingung alternativ auch aus der Gleichung für M abgeleitet werden:

0ACEM 0

Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifen-

des äußeres Torsionsmoment ist.

TAT MCEIG

Bild 4-129: Freies Stabende

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Freies Stabende (mit vollständiger Wölbbehinderung)

Eventuell ist für die Praxis noch der Sonderfall von Bedeutung, dass die Verwölbungen am

freien Stabende behindert sind, z.B. durch eine sehr dicke Stirnplatte

Dann gilt

0AAu 0

und

Tx MM TAT MCEIG ''''

Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifen-

des äußeres Torsionsmoment ist.

TAT MCEIG

Bild 4-130: Freies Stabende mit vollständiger Wölbbehinderung

Stabende mit Dreh- und/oder Wölbfeder

Bei den bisher beschriebenen Randbedingungen handelt es sich um Grenzfälle, bei denen

Verdrehungen bzw. Verwölbungen u entweder gar nicht oder vollständig behindert wer-

den. Außer diesen Grenzfällen ist es möglich, dass das Stabende an eine Dreh- und/oder

Wölbfeder angeschlossen ist. Unter der Voraussetzung einer linearelastischen Federkennli-

nie ergeben sich folgende Randbedingungen, wobei zu unterscheiden ist, ob diese Federn

am Anfang oder am Ende des betrachteten Stababschnittes angreifen.

Drehfeder:

Einheit: kNcm / rad

Stabanfang (x = 0): )0()0( CM x CCEIG AT

Stabende (x = l): )()( lClM x CCEIG AT

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Bild 4-131: Stabende mit Drehfeder

Wölbfeder:

Einheit: kNcm³ / rad

Stabanfang (x = 0): )0()0( CM CCE A

Stabanfang (x = l): )()( lClM CCE A

Bild 4-132: Stabende mit Wölbfeder

4.4.6.5 Übergangsbedingungen

Übergangsbedingungen sind für alle Stellen des Stabes zu formulieren, an denen eine Zu-

standsgröße eine sprunghafte Änderung erfährt. Übergangsbedingungen gibt es bei

Auflagern,

an Einleitungsstellen äußerer Einzeltorsionsmomente,

an Angriffspunkten von Dreh- oder Wölbfedern,

an Stellen mit sprunghafter Querschnittsänderung.

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Der letztgenannte Fall stellt unter der der Voraussetzung, dass zwischen den beiden ver-

schiedenen Querschnitten eine Stirnplatte eingeschweißt ist, eine Wölbfeder dar (an dieser

Stelle nicht weiter behandelt).

Geht man davon aus, dass es keine sprunghafte Änderung des Querschnitts gibt, dann kön-

nen folgende Übergangsbedingungen formuliert werden:

1.) Der Verlauf der Verdrehung ist stetig (kein Sprung):

rechtslinks

2.) Der Verlauf der Verwölbung u ist stetig (kein Sprung):

rechtslinks uu

rechtslinks

3.) Der Verlauf der Wölbnormalspannungen bzw. des Wölbbimomentes M ist stetig (kein

Sprung):

rechtslinks ,, bzw. rechtslinks MM ,, rechtslinks

4.) Die Gleichgewichtsbedingung muss erfüllt sein: Mx = 0

Bild 4-133: Gleichgewicht als Übergangsbedingung

0,, Trechtsxlinksx MMM

0)()( TrechtsATlinksAT MCEIGCEIG

Unter Berücksichtigung der Bedingung 2.) rechtslinks vereinfacht sich die Bedingung 4.) zu

0)( TrechtslinksA MCE .

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Beispiel: U-Profil U200 mit Linienlast in Stegblechebene

Vorbemerkung: Es soll die Lösung der DGL demonstriert werden ohne Nachweis der Trag-

fähigkeit. Deshalb werden Einwirkung und Schnittgrößen ohne Index „Ed“ dargestellt. Die

Biegebeanspruchung ist hier nicht Gegenstand der Berechnungen.

Bild 4-134: Abmessungen U 200 Bild 4-135: System und Belastung

Bezüglich der Drillruheachse, die durch den Schubmittelpunkt M verläuft, entsteht durch die

Belastung in Stegblechebene ein Streckentorsionsmoment mT.

mmey 55,232/5,81,204,39

mkNmmconstm TT /118,00,502355,0. 0,

01,Tm

Weil sich der Querschnitt bei freier Drillung um die Schubmittelpunktsachse verdreht, können

für die Querschnittswerte die tabellierten Werte verwendet werden.

49,11 cmIT

69070 cmICM

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Abklingfaktor:

10225,0907021000

9,118100cm

CE

IG

A

T

Für die Stablänge von 3,0 m ergibt sich 75,63000225,0l (gemischte Torsion).

Die Lösung der DGL erfolgt unter Verwendung der Randbedingungen, die an den Stellen der

Auflager x = 0 und x = l = 3,0 m bekannt sind.

Zur Erinnerung:

10cosh

00sinh

Alle Einheiten werden konsequent in [kN] und [cm] eingesetzt.

Auflager links: Einspannung

0)0(x

03

1

2

1coshsinh 2

1,0,432

2

2

1 xl

xmm

IGCxCx

Cx

CTT

T

000

03

1

2

10)0(cosh)0(sinh 2

0,432

2

2

1

lm

IGCC

CCT

T

042

2 CC

0)0(x

022

1sinhcosh 1,0,3

21 xl

xmm

IGCx

Cx

CTT

T

000

022

10sinh0cosh 0,3

21

lm

IGC

CCT

T

031 C

C

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Auflager rechts: Gabellager

0)( lx

03

1

2

1coshsinh 2

1,0,432

2

2

1 xl

xmm

IGCxCx

Cx

CTT

T

003

1

2

1)(cosh)(sinh 2

0,432

2

2

1 ll

lm

IGClCl

Cl

CT

T

02

1)(cosh)(sinh 2

0,432

2

2

1 lmIG

ClClC

lC

T

T

0)( lx

01

coshsinh 1,0,21l

xmm

IGxCxC TT

T

001

coshsinh 0,21l

lm

IGlClC T

T

01

coshsinh 0,21 T

T

mIG

lClC

Damit stehen vier Gleichungen zur Bestimmung von vier Unbekannten zur Verfügung, die

zusammen ein lineares Gleichungssystem bilden.

T

T

T

T

IG

m

IG

lm

C

C

C

C

ll

lll

0,

2

0,

4

3

2

1

22

2

2

0

0

00)(cosh)(sinh

1)(cosh)(sinh

0101

101

0

Eine allgemeine, analytische Lösung gestaltet sich schwierig, so dass vorzugsweise die

konkreten Zahlenwerte eingesetzt werden und die Lösung direkt bestimmt wird. das kann

z.B. mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms erfolgen.

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Bild 4-136: Ausschnitt aus MS Excel-Arbeitsblatt

Lösung:

00914912,0

000205691,0

1063004,4

1062719,4

4

3

6

2

6

1

C

C

C

C

Diese Koeffizienten können nun in die Lösung der DGL bzw. deren Ableitungen eingesetzt

werden, und man erhält mit den entsprechenden Formeln Mx,p, Mx,s, Mx und M . Auch dieser

Berechnungsschritt kann vorteilhaft mit einer Tabellenkalkulation durchgeführt werden. Bei-

spielhaft wurden diese Schnittgrößen für Schnitte im Abstand von 15 cm berechnet, jeweils

in [kNcm] bzw. [kNcm²].

Profil: U200

System: 1 Feld, l= 3 m

Randbedingungen

links: rechts:

Querschnittswerte:

I = 9070 cm6

IT = 11,9 cm4

Belastung:

mT,links = 0,11775 kNm/m

mt,rechts = 0,11775 kNm/m

= 0,022495865 cm-1

Lösung des Gleichungssystems mit 4 Unbekannten

C1 C2 C3 C4

1. 0 0 1976,034858 0 1

2. 0 44,45261363 0 1 0

3. 0,054971989 842777,6968 842780,0133 300 1

4. 1,2216E-06 426,4994077 426,5005801 0 0

-4,62719E-06 4,63004E-06 0,000205691 -0,00914912

Einspannung Gabellager

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Tabelle 4-13: Berechnungsergebnisse

Diskussion der Ergebnisse

Nun sollen die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Plausibilität diskutiert werden. Diese Interpretati-

on ist gleichsam eine Kontrolle der Berechnung, z.B. ob alle Randbedingungen mit den Vor-

gaben übereinstimmen.

Zur leichteren Interpretierbarkeit werden die Tabellenwerte in Diagrammform dargestellt. Die

horizontale Achse entspricht der Trägerlängsrichtung, links befindet sich die Einspannung

und rechts das Gabellager.

x ' '' ''' Mx,p Mx,s Mx M

[m] [rad] [rad/cm] [rad/cm²] [rad/cm³] [kNcm] [kNcm] [kNcm] [kNcm²]

0,00 0,00000000 0,00000000 0,00000341 -0,00000010 0,00 19,83 19,83 -649,21

0,15 0,00032952 0,00004063 0,00000208 -0,00000007 3,92 14,14 18,06 -396,82

0,30 0,00113489 0,00006439 0,00000114 -0,00000005 6,21 10,09 16,29 -216,79

0,45 0,00220140 0,00007613 0,00000046 -0,00000004 7,34 7,19 14,53 -88,43

0,60 0,00337598 0,00007929 -0,00000002 -0,00000003 7,64 5,12 12,76 3,02

0,75 0,00454957 0,00007634 -0,00000036 -0,00000002 7,36 3,64 11,00 68,08

0,90 0,00564460 0,00006906 -0,00000060 -0,00000001 6,66 2,57 9,23 114,21

1,05 0,00660604 0,00005871 -0,00000077 -0,00000001 5,66 1,80 7,46 146,73

1,20 0,00739512 0,00004621 -0,00000089 -0,00000001 4,45 1,24 5,70 169,36

1,35 0,00798486 0,00003222 -0,00000097 0,00000000 3,11 0,82 3,93 184,72

1,50 0,00835692 0,00001726 -0,00000102 0,00000000 1,66 0,50 2,16 194,56

1,65 0,00849959 0,00000169 -0,00000105 0,00000000 0,16 0,23 0,40 200,02

1,80 0,00840633 -0,00001415 -0,00000106 0,00000000 -1,36 0,00 -1,37 201,73

1,95 0,00807512 -0,00002999 -0,00000105 0,00000000 -2,89 -0,24 -3,13 199,88

2,10 0,00750817 -0,00004553 -0,00000102 0,00000000 -4,39 -0,51 -4,90 194,26

2,25 0,00671216 -0,00006047 -0,00000097 0,00000000 -5,83 -0,84 -6,67 184,23

2,40 0,00569907 -0,00007441 -0,00000089 0,00000001 -7,17 -1,26 -8,43 168,63

2,55 0,00448750 -0,00008684 -0,00000076 0,00000001 -8,37 -1,83 -10,20 145,66

2,70 0,00310485 -0,00009709 -0,00000059 0,00000001 -9,36 -2,61 -11,97 112,69

2,85 0,00159043 -0,00010422 -0,00000035 0,00000002 -10,05 -3,69 -13,73 65,93

3,00 0,00000000 -0,00010697 0,00000000 0,00000003 -10,31 -5,19 -15,50 0,00

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Bild 4-137: Verdrehung

Verdrehung

An der Einspannstelle (x = 0) und am

Gabellager (x = 3,0 m) ist die Verdre-

hung = 0.

Man erkennt, dass im Bereich der Ein-

spannung die Verdrehung weniger stark

zunimmt als im Bereich des Gabella-

gers. Das liegt an der Wölbbehinde-

rung, denn dadurch wird der Quer-

schnitt hinsichtlich Torsion lokal steifer.

Man kann sich das auch als eine Art

ideelle Torsionssteifigkeit G·IT* vorstel-

len.

Bild 4-138: Verdrillung '

Verdrillung ‘

An der Einspannstelle (x = 0) ist ‘ = 0.

Das stimmt mit der Randbedingung

einer Einspannung (u = ‘ = 0) überein.

Am Gabellager (x = 3,0 m) ist eine

Verwölbung u und damit auch eine

Verdrillung ‘ ungehindert möglich.

Weil ‘ die Ableitung von ist, wird

damit auch klar, dass im Bereich des

Gabellagers zur Stabmitte hin stärker

zunimmt als im Bereich der Einspan-

nung. Das primäre Torsionsmoment

Mx,p ist direkt proportional zu ‘. An der

Einspannstelle ist ‘ = 0, weshalb dort

die Abtragung von Mx zu 100 % durch

Wölbkrafttorsion erfolgt.

Bild 4-139: 2. Ableitung der Verdrehung

2. Ableitung ‘‘ der Verdrehung

Der Verlauf des Wölbbimomentes M ist

direkt proportional zu ‘‘. M ist die

Resultierende der Wölbnormalspan-

nungen . Diese sind dort gleich null,

wo die Verwölbung u nicht behindert

wird. Das ist am Gabellager der Fall. An

der Einspannstelle wird die Verwölbung

vollständig behindert, weshalb dort die

Spannungen und damit ‘‘ am größ-

ten sind.

-0,0010

0,0000

0,0010

0,0020

0,0030

0,0040

0,0050

0,0060

0,0070

0,0080

0,0090

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

[rad]

-0,00015

-0,00010

-0,00005

0,00000

0,00005

0,00010

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

' [rad/cm]

-0,000002

-0,000001

0,000000

0,000001

0,000002

0,000003

0,000004

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

'' [rad/cm²]

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Bild 4-140: 3. Ableitung der Verdrehung

3. Ableitung ‘‘‘ der Verdrehung

Der Verlauf des sekundären Torsions-

momentes Mx,s ist direkt proportional zu

‘‘‘. Man erkennt, dass an der Ein-

spannstelle ‘‘‘ dem Betrag nach maxi-

mal ist. Wie bereits aus der Kurve für ‘

abgeleitet, erfolgt dort die Abtragung

des Torsionsmomentes zu 100 % durch

Wölbkrafttorsion.

Bild 4-141: Torsionsmoment Mx (insgesamt)

Torsionsmoment Mx (insgesamt)

An der Einspannstelle beträgt Mx =

19,83 kNcm und am Gabellager Mx = -

15,50 kNcm. Das sind auch die Aufla-

gerreaktionen des Systems, die mit der

Belastung im Gleichgewicht stehen

müssen.

Belastung: 0,11775 · 300 = 35,33 kNcm

Reaktion: 19,83 + 15,50 = 35,55 kNcm

OK

Bemerkenswert ist, dass Mx an den

beiden Trägerenden unterschiedlich

groß ist: bei reiner St. Venantscher

Torsion wäre Mx an beiden Trägeren-

den gleich groß. Die Auswirkung der

Wölbbehinderung an der Einspannstelle

kann man sich als Zunahme einer

(ideellen) Torsionssteifigkeit G·IT* vor-

stellen, und diese größere Steifigkeit

zieht einen größeren Anteil von Mx auf

sich als das Gabellager ohne Wölbbe-

hinderung.

-0,00000012

-0,00000010

-0,00000008

-0,00000006

-0,00000004

-0,00000002

0,00000000

0,00000002

0,00000004

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

''' [rad/cm³]

-20,0

-15,0

-10,0

-5,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

Mx [kNcm]

Page 123: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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Bild 4-142: Primäres Torsionsmoment Mx,p

Bild 4-143: Sekundäres Torsionsmoment Mx,s

Primäres Torsionsmoment Mx,p (st.

Venant) und sekundäres Torsionsmo-

ment Mx,s (Wölbkrafttorsion):

Die Summe dieser beiden Kurven ent-

spricht dem gesamten Torsionsmoment

Mx, weshalb die Kurven im Zusammen-

hang betrachtet werden sollten.

An der Einspannstelle (x = 0) erfolgt die

Abtragung von Mx zu 100 % durch

Wölbkrafttorsion. Mx,p ist dort null. Mit

zunehmender Entfernung von der Ein-

spannstelle nimmt Mx,p rasch zu und

Mx,s entsprechend ab (Abklingfaktor !).

Im Mittelbereich des Stabes verläuft die

Kurve Mx,s relativ flach, es überwiegt

dort Mx,p. Zum Gabellager hin nimmt

Mx,s wieder zu (dem Betrag nach). Zwar

wird am Gabellager die Verwölbung

nicht direkt behindert, das Gabellager

entspricht dem Wesen nach aber der

Einleitung eines Einzeltorsionsmomen-

tes MT, und solche Diskontinuitäten

erzeugen im Allgemeinen sekundäre

Torsionsmomente Mx,s.

Bild 4-144: Wölbbimoment M

Wölbbimoment M

Der Verlauf von M ist affin zum Verlauf

von ‘‘. An der Einspannstelle ist die

Verwölbung vollkommen behindert, dort

entstehen infolge von lokalem Zwang

große Wölbnormalspannungen , und

M als deren Resultierende ist entspre-

chend groß. Am Gabellager wird die

Verwölbung nicht behindert, dort sind

die Spannungen und das Wölbbi-

moment M null.

Für Standardfälle hält die Literatur aufbereitete Lösungen bereit.

-12,0

-10,0

-8,0

-6,0

-4,0

-2,0

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

Mx,p [kNcm]

-10,0

-5,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

Mx,s [kNcm]

-700

-600

-500

-400

-300

-200

-100

0

100

200

300

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50

Schnitt x [m]

M [kNcm²]

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So sind z.B. in den Schneider Bautabellen Lösungen für folgende Situationen zu finden:

Kragträger mit Wölbbehinderung an der Einspannstelle und Einzeltorsionsmoment

am Trägerende,

Einfeldträger mit Gabellagern und Einzeltorsionsmoment in Feldmitte,

Einfeldträger mit Gabellagern und konstantem Streckentorsionsmoment.

4.4.7 Schnittgrößenermittlung mit der Querkraftanalogie beim Vorliegen reiner Wölbkrafttorsion

Wenn es sich bei einem torsionsbeanspruchten Stab um ein Problem der reinen Wölbkraft-

torsion handelt, bzw. wenn man aufgrund des Produktes l aus Abklingfaktor und Stab-

länge in guter Näherung von reiner Wölbkrafttorsion ausgehen kann (vgl. Abschnitt 4.4.6.2),

dann vereinfacht sich die DGL der gemischten Torsion zur DGL der reinen Wölbkrafttorsion.

Gemischte Torsion: reine WKT:

IEIGMMM Tsxpxx ,, IEMM sxx ,

Betrachtet man die DGL der reinen Wölbkrafttorsion, so fällt rein äußerlich eine starke Ähn-

lichkeit zur DGL der Biegelinie auf, die man für eine Analogiebetrachtung nutzen kann.

Wölbkrafttorsion Biegetheorie

)()( xIExM

)()( xwIExM yy

)()(, xIEMxM sx )()()( xwIExMxV yyz

)()()( , xIExMxm sxT )()()( xwIExVxq yz

Das Aussehen der jeweiligen DGL ist identisch, die jeweiligen Entsprechungen sind Tabelle

4-14 zu entnehmen.

(reine) Wölbkrafttorsion Entsprechung in der Biegetheorie

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Größe Bezeichnung Einheit Größe Bezeichnung Einheit

Verdrehung rad w Durchbiegung mm

M Wölbbimoment kNm² My bzw. Mz Biegemoment kNm

Mx,s sekundäres Torsions-

moment kNm Vz bzw. Vy Querkraft kN

mT Streckentorsionsmoment kNm/m q Streckenlast kN/m

Tabelle 4-14: Querkraftanalogie bei reiner Wölbkrafttorsion, entsprechende Größen

Hinweis: Es sind die für die Größen üblichen Einheiten angegeben, bei der Berechnung sind die Einheiten wie

immer aufeinander abzustimmen (z.B. einheitlich [cm]).

Bezüglich der Lagerungsbedingungen gelten folgende Entsprechungen:

Ein Gabellager bei der WKT entspricht einem gelenkigen Auflager bei der Biegetheo-

rie.

Am gabelgelagerten Stabende sind die Verdrehung und deren 2. Ableitung null.

Analog sind am gelenkig gelagerten Stabende die Durchbiegung w und deren 2. Ab-

leitung null. Bei mehrfeldrigen Stäben kann sich am Gabellager eine Art Durchlauf-

wirkung einstellen: das Nachbarfeld erzeugt eine Wölbbehinderung, so dass M und

damit ‘‘ im Allgemeinen nicht null sind, genau so, wie bei der Biegetheorie über ei-

nem Innenauflager, auf dem der Stab zwar gelenkig aufliegt, aber selbst biegesteif

durchläuft, ein Stützmoment entsteht, so dass My und w‘‘ nicht null sind.

Eine Einspannung bei der Wölbkrafttorsion entspricht auch einer Einspannung bei der

Biegetheorie.

An der Einspannstelle ist keine Verdrehung möglich, und infolge der Behinderung

der Verwölbungen u ist auch die Verdrillung ‘ wegen u gleich null. Ent-

sprechend sind beim Biegebalken an einer Einspannstelle die Durchbiegung 0w

und der Winkel 0w , weil der Stab in der Einspannstelle lotrecht zur Einspann-

ebene eingespannt ist und aus der Einspannstelle ohne Winkel herausragt.

Die Lösung der Aufgabe besteht also in der Zuordnung der entsprechenden Größen und der

Berechnung der Schnittgrößen für einen Biegebalken (z.B. mit Hilfe von Tabellen).

Unter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion kann die Berechnung mit Hilfe der Querkraftana-

logie und unter Verwendung tabellierter Lösungen oder unter Verwendung handelsüblicher

Stabwerksprogramme erfolgen, auch wenn diese eigentlich keine Aufgaben zur Wölbkraft-

torsion lösen können.

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 526

Wichtig: Im Gegensatz zur Querkraftanalogie bei reiner St. Venantscher Torsion gibt es im

Rahmen der Querkraftanalogie bei reiner Wölbkrafttorsion eine Durchlaufwirkung. Die Tor-

sionsschnittgrößen Mx,s und M enden nicht an einem Gabellager. Diese Schnittgrößen stel-

len sich nicht nur in dem belasteten Trägerfeld ein, sondern sie entstehen auch in den übri-

gen, unbelasteten Feldern des Stabzuges. Es können also durchaus auch unbelastete Be-

reiche eines Stabzuges Torsionsschnittgrößen aufweisen.

Bild 4-145 zeigt exemplarisch ein reales System und Bild 4-146 das entsprechende Analo-

gie-System. Im Rahmen der Übung zur Wölbkrafttorsion wird dieses Beispiel vollständig ge-

zeigt.

Bild 4-145: Durch Streckentorsionsmoment belasteter, gabelgelagerter Stab

Bild 4-146 System bei Verwendung der Querkraftanalogie für reine Wölbkrafttorsion

Einander entsprechende Größen: qmT ˆ

zsx VM ˆ,

yMM

Nochmals zur Erinnerung: Die Querkraftanalogie gilt nur bei Vorhandensein bzw. un-

ter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion.

Für den allgemeinen Fall der gemischten Torsion steht mit der sogenannten Zugstabanalo-

gie ebenfalls ein auf Analogiebetrachtungen basierendes Berechnungsverfahren zur Verfü-

gung, das aus Zeitgründen nicht behandelt werden kann (vgl. Hinweise in Abschnitt 4.6.1).

Page 127: 010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 527

4.4.8 Natürliche Drillachse und Bestimmung des Schubmittelpunktes mit der Wölbmethode

Im Zuge der Herleitung der Einheitsverwölbung A (mit Bezug auf die willkürlich gewählte

Drillachse A) wurde postuliert, dass die Verwölbungen u des gesamten Querschnitts im Mit-

tel null sein müssen, wenn als Schnittgröße nur ein Torsionsmoment Mx und keine Normal-

kraft N vorhanden ist. Aus dieser Forderung konnte durch den Berechnungsschritt der 1.

Normierung aus der Grundverwölbung A die Einheitsverwölbung A gewonnen werden.

Bei Behinderung der Verwölbung entstehen Wölbnormalspannungen ,A, deren Resultie-

rende das Wölbbimoment M ist. Aus der Tatsache, dass ,A bzw. M auf Grundlage der

Einheitsverwölbung A berechnet werden (vgl. Formeln), kann man schließen, dass aus den

Spannungen ,A keine Normalkraft resultiert:

0)()( ,,

A

A

A

AA dAxEdAN , weil 0A

A dA ist.

Allerdings können aus den Wölbnormalspannungen ,A durchaus Biegemomente My ( ,A)

und Mz ( ,A) entstehen.

Üblicherweise werden Biegemomente auf die Schwerachsen des Querschnitts bezogen, und

man kann die aus den Wölbnormalspannungen ,A resultierenden Biegemomente in ge-

wohnter Weise notieren:

dAzMA

AAy ,, )(

dAyMA

AAz ,, )(

Bild 147: Wölbnormalspannungen am Element dA

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 528

Mit dieser Biegebeanspruchung gehen eine Verkrümmung des Stabes und Auflagerreaktio-

nen einher, die man bei alleiniger Beanspruchung durch ein Torsionsmoment Mx nicht sofort

vermuten würde.

Dieses Verhalten des Stabes unter Torsionsbeanspruchung ist in der willkürlichen Wahl ei-

ner beliebigen Drillachse A begründet, denn im Regelfall ist diese Achse A nicht jene Drill-

achse, um die sich der Stab von sich aus verdrehen würde. Vielmehr handelt es sich bei der

Drillachse A um eine Zwangsdrillachse, die dem Stab aufgezwungen wird, und deshalb han-

delt es sich bei My ( ,A) und Mz ( ,A) streng genommen um Zwangsschnittgrößen.

Zwingt man dem Stab keine definierte Drillachse auf, so wird sich der Stab nach dem Prinzip

des Energieminimums um jene Achse verdrillen, für welche einer Verdrillung der geringste

Widerstand entgegengesetzt wird.

Diese Achse heißt Drillruheachse oder natürliche Drillachse.

Die Drillruheachse verläuft durch den Schubmittelpunkt M (Schubmittelpunktsachse).

Auf den Beweis, dass die Drillruheachse der Schubmittelpunktsachse entspricht, wird an

dieser Stelle verzichtet (siehe Literatur).

Wichtig:

Wie erläutert ist stets der Bezug zur vorgegebenen Drillachse von Bedeutung, so dass in der

Regel die Formelzeichen durch einen Index, z.B. A, ergänzt werden, der den Bezug zur

Drillachse herstellt. Im Fall der Drillung um die Drillruheachse lautet der Index M. Es ist aber

üblich, im Fall der freien Drillung um die Schubmittelpunktsachse auf die Kennzeichnung der

Drillachse zu verzichten.

Grundsatz: Wenn kein Index angegeben ist, so bezieht sich die betreffende Größe in der

Regel auf Schubmittelpunktsachse (vgl. z.B. Schneider Bautabellen: Wölbwiderstand I , Ein-

heitsverwölbung , etc.)

Zur Erinnerung sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich Schnittgrößen, wenn

keine weiteren Angaben gemacht sind, auf zweierlei Bezugsachsen beziehen:

Normalkräfte N und Biegemomente My und Mz beziehen sich auf die Stabachse, also

die Achse durch den Schwerpunkt S.

Querkräfte Vz und Vy, Torsionsmomente Mx sowie Wölbbimomente M beziehen sich

auf die natürliche Drillruheachse, also die Achse durch den Schubmittelpunkt M.

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 529

Wesentliche Eigenschaften der natürlichen Drillachse:

Für die Verdrillung um die Drillruheachse muss im Vergleich zu einer Verdrillung um

jede andere beliebige Achse die geringste Energie aufgewendet werden (Prinzip des

Energieminimums).

Demnach setzt der Stab einer Verdrillung um die Drillruheachse im Vergleich zu jeder

anderen Drillachse den geringsten Widerstand entgegen. Der Wölbwiderstand CM

bzw. I (M kennzeichnet den Bezug auf die Schubmitelpunktsachse) ist der kleins-

tmögliche Wölbwiderstand.

Wölbfreie Querschnitte besitzen diese Eigenschaft nur, wenn die Verdrillung um die

natürliche Drillachse erfolgt.

Bei Verdrillung um die natürliche Drillachse resultiert aus den Wölbnormalspannun-

gen nur das Wölbbimoment M , jedoch treten keine Biegemomente My und Mz auf,

denn diese wären aufgrund der Gleichgewichtsbedingung infolge nicht vorhandener

äußerer Gegenkräfte nicht möglich.

Aus der Tatsache, dass der Wölbwiderstand CM (I ) bei Verdrillung um die Drillruhe-

achse minimal ist, folgt unmittelbar, dass auch das sekundäre Torsionsmoment Mx,s

und das Wölbbimoment M bei Verdrillung um die Drillruheachse minimal sind: Mx,s

und M sind direkt proportional zu CM bzw. I .

Mit Hilfe dieser Eigenschaften kann die Lage der Drillruheachse bestimmt werden.

Da die Drillruheachse gleichzeitig die Schubmittelpunktsachse ist, stellt die im Folgenden

beschriebene Vorgehensweise auch eine alternative Methode zur Bestimmung des Schub-

mittelpunktes eines Querschnitts dar. Man nennt dieses Vorgehen Schubmittelpunktsbe-

stimmung mit der Wölbmethode.

Eine Möglichkeit der Berechnung besteht darin, das Minimum des Wölbwiderstandes zu be-

stimmen: CM bzw. I ableiten und gleich null setzen (hier nicht vorgeführt, siehe Literatur).

Die hier gezeigte Methode nutzt die Eigenschaft aus, dass bei Verdrillung um die natürliche

Drillachse (freie Drillung) keine Biegemomente My und Mz entstehen.

Das verwendete Bezugssystem ist das Koordinatensystem, das durch den Schwerpunkt des

Querschnitts verläuft. In diesem Koordinatensystem besitzt der noch unbekannte Schubmit-

telpunkt M die Koordinaten yM und zM. Ferner sei die auf eine beliebige Drillachse A bezoge-

ne Einheitsverwölbung A bekannt.

Im Abschnitt 4.4.3.2 wurde gezeigt, wie man aus einer bekannten Einheitsverwölbung A

(mit Bezug auf Achse A) eine Einheitsverwölbung B (mit Bezug auf Achse B) berechnet:

yzzzyy ABABAB )()(

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M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008 530

Für M gilt entsprechend:

yzzzyy AMAMAM )()(

Die Wölbnormalspannungen ,M infolge einer Verdrillung um die Schubmittelpunktsachse M

betragen:

)()(),(, xsExs MM

Bedingung: aus diesen Spannungen resultieren keine Biegemomente.

0)()(),(,

A

M

A

My dAzsxEdAzxsM

0)()(),(,

A

M

A

Mz dAysxEdAyxsM

In die Bedingung My = 0 wird die Gleichung zur Bestimmung von M aus A eingesetzt:

0)()()(

))()()(()(

2

A

AM

A

AM

A

A

A

AMAMA

A

M

dAzyzzdAzyydAzs

dAzyzzzyysdAzs

Mit y

A

IdAz 2 und yz

A

IdAzy erhält man

0)()()( yzAMyAM

A

A IzzIyydAzs

Aus der Bedingung Mz = 0 folgt mit z

A

IdAy2 in analoger Weise:

0)()()(

))()()(()(

2

A

AM

A

AM

A

A

A

AMAMA

A

M

dAyzzdAyzyydAys

dAyyzzzyysdAys

0)()()( yzAMzAM

A

A IyyIzzdAys

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Die noch verbliebenen Integrale stellen jeweils eine neue Querschnittsgröße dar:

A

AAy dAzsR )(,

A

AAz dAysR )(,

Ry,A und Rz,A werden als Wölbmomente bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem Wölbbi-

moment M !) Der Index A trägt dem Bezug zur Drillachse A Rechnung, die Einheit ist [cm5].

Die Lage des Schubmittelpunktes M ergibt sich damit aus den beiden Gleichungen

0)()(, yzAMyAMAy IzzIyyR und

0)()(, yzAMzAMAz IyyIzzR .

Diese beiden Gleichungen bilden zusammen ein lineares Gleichungssystem mit folgender

Lösung:

A

yzzy

AzyzzAy

M yIII

RIIRy

2

,,

A

yzzy

AzyyzAy

M zIII

RIIRz

2

,,

Falls es sich bei y und z um die Hauptachsen des Querschnitts handelt vereinfacht sich die

Lösung wegen Iyz = 0 entsprechend:

A

y

Ay

M yI

Ry

,

A

z

Az

M zI

Rz

,

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Beispiel: Profil UPE 300

Für ein Profil UPE 300 (parallele Flansche) soll die Lage des Schubmittelpunktes bestimmt

werden.

Nach Idealisierung des Querschnitts durch seine Blechmittellinien werden signifikante Quer-

schnittspunkte nummeriert und die lokale Koordinate s definiert. Dabei wird gezielt die Sym-

metrie des Querschnitts ausgenutzt, indem der Ursprung (Punkt 0) von s auf dem Schnitt-

punkt des Stegbleches mit der Symmetrieachse platziert wird. Als Drillachse wird die x-

Achse (durch S) gewählt ( A wird zu S, yA zu yS und zA zu zS, wobei yS = zS = 0).

Bild 4-148: Abmessungen Bild 4-149: Mittellinienmodell Bild 4-150: Definition s, +

und rt,S

Die benötigten Querschnittswerte werden aus einem Tabellenwerk entnommen:

47823 cmI y

47,537 cmI z

cmey 887,2 (Abstand Schwerpunkt zur Stegaußenkante)

Der Normalabstand rt,S beträgt für den Abschnitt 24,12 mm und für den Abschnitt

142,5 mm.

Da der Ursprung der lokalen Koordinate s auf der Symmetrieachse liegt ist keine Normierung

erforderlich, Einheitsverwölbung S und Grundverwölbung S sind identisch.

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Punkt 0: 0)0(S

Punkt 1: 2

, 37,3425,14412,20)10()10()0()1( cmsr StSS

Punkt 2: 2

, 1,170525,925,1437,34)21()21()1()2( cmsr StSS

Wegen der Symmetrie des Querschnitts und der Wahl des Ursprungs von s gilt:

Punkt 3: 237,34)1()3( cmSS

Punkt 4: 21,170)2()4( cmSS

Da im Zuge der weiteren Berechnung die Integrale

A

S dAzs)( und

A

S dAys)( berech-

net werden müssen, werden noch die Verläufe der z- und der y-Koordinate benötigt (siehe

Bilder 4-152 und 4-153).

Bild 4-151: S-Verlauf Bild 4-152: z-Verlauf Bild 4-153: y-Verlauf

Nun können Ry,S und Rz,s berechnet werden. Die Integration wird zweckmäßig numerisch,

d.h. mit Hilfe von Integraltafeln durchgeführt (siehe z.B. Schneider Bautabellen): z.B. Überla-

gerung zweier dreieckiger Verläufe Integrationsfaktor 1/3.

5

,

46050525,95,125,142

1,17037,34225,1495,025,1437,34

3

12

)()()(

cm

dsstzsdAzsRs

S

A

SSy

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Die Integration

A

SSz dAysR )(, kann man sich ersparen: der s-Verlauf ist antimetrisch

und der y-Verlauf symmetrisch zur y-Achse. Die Flächen unter der s·y-Kurve sind für positi-

ve und negative y-Werte jeweils gleich groß, besitzen aber verschiedene Vorzeichen, wes-

halb der Wert des Integrals null ist.

0)(,

A

SSz dAysR

y- und z- Achse sind Hauptachsen, deshalb können die vereinfachten Formeln benutzt wer-

den:

cmI

Ry

y

Sy

M 886,57823

46050,

0,

z

Sz

MI

Rz

Der Schubmittelpunkt liegt im Abstand yM = 5,886 cm links vom Schwerpunkt auf der y-

Achse.

Tabellenwert zum Vergleich: yM = 5,877 cm.

Es liegt eine sehr gute Übereinstimmung vor.

Hinweis: Querschnittswerte werden in Tabellenwerken häufig mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode berechnet

und nicht nach dem Mittelllinienmodell. Deshalb ergeben sich teilweise geringfügige Abweichungen im Vergleich

zur Handrechnung.

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4.4.9 Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Im Vergleich zu dünnwandigen offenen Querschnitten sind die Verwölbungen, die dünnwan-

dige geschlossene Querschnitte unter Torsion erleiden, relativ gering. Aus einer geringen

Einheitsverwölbung M resultiert ein geringer Wölbwiderstand CM (I ), der wiederum zu ei-

nem vergleichsweise kleinen sekundären Torsionsmoment Mx,s führt (vgl. entsprechende

Gleichungen). Im Gegensatz ist die Torsionssteifigkeit IT (St.Venant) üblicherweise groß, was

zu einem relativ großen primären Torsionsmoment Mx,p führt.

Deshalb ist der Anteil des Torsionsmomentes Mx, der durch Wölbschubspannungen abge-

tragen wird, vernachlässigbar klein (das gilt für den Fall, dass der Stab um seine Schubmit-

telpunktsachse tordiert wird).

Wölbnormalspannungen treten an der Stelle der Wölbbehinderung lokal stark begrenzt

auf und klingen rasch ab (üblicherweise sehr großer Abklingfaktor ).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Wölbkrafttorsion bei dünnwandigen ge-

schlossenen Querschnitten eine untergeordnete Rolle spielt und deshalb in der Regel ver-

nachlässigbar ist.

Es ist aber auf jeden Fall vorteilhaft, über Kenntnisse zur Berechnung der Einheitsverwöl-

bung und der Wölbnormalspannungen zu verfügen, eröffnen einem diese Kenntnisse doch

die Möglichkeit, den Schubmittelpunkt eines Querschnittes nach der Wölbmethode zu be-

rechnen.

Wölbnormalspannungen können in analoger Weise wie für offene dünnwandige Quer-

schnitte berechnet werden. Für Wölbschubspannungen gilt das nicht, denn wegen des

geschlossenen Querschnitts handelt es sich um ein statisch unbestimmtes Problem (kein

definierter Anfangswert für die Integration; bei offenen Profilen wird ausgenutzt, dass die

Schubspannung an den Rändern null sein muss). Eine statisch unbestimmte Berechnung,

beruhend auf der Voraussetzung, dass es an einem gedanklichen Längsschnitt keine Rela-

tivverwölbungen geben darf, wäre zwar denkbar. Es wäre aber inkonsequent, die relevanten

Querschnittswerte , I etc. zu verwenden, denn schließlich wurden die Wölbschubspannun-

gen, die ja eigentlich berechnet werden sollen, bei der Herleitung von , I etc. aufgrund ih-

rer geringen Größe ja gerade vernachlässigt.

Für derartige Fragestellungen bieten sich Näherungslösungen an, auf die an dieser Stelle

nicht eingegangen wird, da die Problematik für die Belange des Stahlbaus ohnehin von un-

tergeordneter Bedeutung ist.

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4.4.10 Wölbkrafttorsion anschaulich

Nach Darstellung der Theorie der Wölbkrafttorsion in allgemeiner Form wird zum Abschluss

noch gezeigt, wie man sich die Wirkungsweise der Wölbkrafttorsion anschaulich vorstellen

kann. Das gelingt anhand eines Kragträgers mit Doppel-T-Querschnitt.

Bild 4-154: Eingespannter Kragträger mit Einzeltorsionsmoment

Der eingespannte Kragträger wird am freien Stabende durch ein Einzeltorsionsmoment MT

belastet. Der Querschnitt kann sich um seine natürliche Drillachse durch den Schubmittel-

punkt M verdrillen. Vereinfachend wird die Annahme getroffen, dass das Torsionsmoment MT

ausschließlich durch Wölbkrafttorsion Mx,s abgetragen wird (Mx,p = 0).

Das Torsionsmoment MT kann wie jedes Moment als Kräftepaar dargestellt werden. Die

Kräfte VFl greifen in Höhe der Flanschmittellinien an und besitzen den Hebelarm h – tFl.

Bild 4-155: Zerlegung des Torsionsmomentes in ein Kräftepaar

Fl

sx

lF

TFl

th

M

th

MV

, (Annahme reiner Wölbkrafttorsion, Mx,p = 0)

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Diese Kräfte erzeugen in den Flanschen Biegemomente Mz,Fl.

Bild 4-156: In den beiden Flanschen gegenläufige Flanschbiegung

An der Einspannstelle beträgt das Biegemoment in den Flanschen jeweils

lth

MlVM

Fl

sx

FlFlz

,

,

Die Flanschmomente führen in Flanschebene zu Verformungen v quer zur Stabachse. Weil

diese Verformungen in beiden Flanschen entgegengesetzt verlaufen, bleibt der Querschnitt

nicht mehr eben, er verwölbt sich.

Zwischen den Flanschmomenten Mz,Fl und den Verformungen v in Flanschebene besteht der

aus der technischen Biegelehre bekannte Zusammenhang (Differentialgleichung der Biegeli-

nie):

FlzFlz IExvM ,, )(

mit 12

3

,

btI Fl

Flz Flächenträgheitsmoment 2. Grades eines Flansches.

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Die Biegeverformung v in Flanschebene (y-Richtung) kann unter Annahme kleiner Verfor-

mungen durch die Verdrehung des Stabes um seine x-Achse ausgedrückt werden:

2

Flthv

Bild 4-157: Horizontalverformung v der beiden Flansche

Damit können auch die Flanschschnittgrößen in Abhängigkeit von der Stabverdrehung aus-

gedrückt werden.

FlzFl

FlzFlz IEth

xIExvxM ,,,2

)()()( (Flanschbiegemoment)

FlzFl

FlzFly IEth

xxMxV ,,,2

)()()( (Flanschquerkraft)

Das sekundäre Torsionsmoment infolge Wölbkrafttorsion beträgt

FlzFl

FlFlysx IEth

xthxVxM ,

2

,,2

)()()()()( .

Die querschnittsabhängigen Größen werden zum Querschnittswert I bzw. CM zusammenge-

fasst:

122

)(

2

)( 32

,

2

FlFlFlz

Fl tbthI

thI

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Diese Formel für das Wölbflächenmoment 2. Grades I gilt für Doppel-T-Querschnitte und

stellt insofern eine Vereinfachung dar, weil die Walzausrundungen nicht berücksichtigt sind.

Zum Vergleich: Für das Profil HEA 400 aus Abschnitt 4.4.6.2 ist

6

3232

076.942.212

9,10,30

2

1,37

122

)(cm

tbthI FlFl .

Tabellenwert: 63102942 cmI bzw.

6600.893.2 cmI , je nach Tabelle und der zu

Grunde liegenden Berechnungsmethode.

Mit dem Wölbflächenmoment 2. Grades I erhält man die Differentialgleichung der (reinen)

Wölbkrafttorsion:

IExxM sx )()(,

Als weitere Schnittgröße tritt im Rahmen der Wölbkrafttorsion das Wölbbimoment M (Einheit

[kNm²] oder [kNcm²] ) auf. Am Beispiel des Doppel-T-Profils kann man sich M als das

„Moment der Momente“ in den Flanschen vorstellen, d.h. als das Produkt aus Flanschmo-

ment und Flanschabstand:

)(, FlFlz thMM

Bild 4-158: Wölbbimoment M als Paar zweier Biegemomente dargestellt

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Unter Verwendung der Formeln für Mz,Fl und I kann M wie folgt geschrieben werden:

)(2

)( , FlFlzFl thIE

thxM

IExM )(

(Man beachte die Analogie zur Differentialgleichung der Biegelinie: yy IExwM )( )

Das Wölbbimoment M ist die Resultierende der Wölbnormalspannungen .

Bild 4-159: Wölbnormalspannungen

Da der Stab weder durch eine Normalkraft N noch durch Biegemomente My bzw. Mz beans-

prucht wird, müssen in jedem Schnitt die drei Gleichgewichtsbedingungen

A

dAxN 0)(

0)(A

y dAzxM

0)(A

z dAyxM

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erfüllt sein. Das bedeutet, dass das Integral der Wölbnormalspannungen über die Quer-

schnittsfläche A in jedem Querschnitt gleich null sein muss.

Die Wölbnormalspannungen bilden einen im inneren Gleichgewicht befindlichen Span-

nungszustand.

Die Wölbnormalspannungen werden mit der folgenden Formel berechnet.

),( zyI

M

(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie: zI

M

y

y)

(y,z) ist die auf den Schubmittelpunkt bezogene, normierte Einheitsverwölbung und be-

schreibt den Verwölbungszustand für eine Verdrillung ‘(x) = -1,0 [rad/m].

Die Herleitung einer Formel zur Berechnung von für allgemeine Querschnitte erfolgte aus-

führlich im Abschnitt 4.4.3. Für den vorliegenden Sonderfall des Doppel-T-Querschnitts kann

(y,z) wie folgt berechnet werden (Walzrundungen vernachlässigt):

zyzy ),(

Hinweis: der Bezug auf eine lokale Koordinate s ist hier indirekt in y und z enthalten und nicht gesondert angetra-

gen, rt,M ist für den Steg null und für die Flansche jeweils die positive bzw. negative z-Koordinate der Flanschmit-

tellinie. s ist die y-Koordinate des betrachteten Flanschpunktes.

Bild 4-160: Abmessungen Doppel-T-Profil Bild 4-161:Einheitsverwölbung

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Punkt y z ),( zy Punkt y z ),( zy

1 2

b

2

Flth

4

)( Flthb

4

2

b

2

Flth

4

)( Flthb

2 0 2

Flth

0 5 0

2

Flth

0

3 2

b

2

Flth

4

)( Flthb

6

2

b

2

Flth

4

)( Flthb

Tabelle 4-15: Berechnung der Einheitsverwölbung

Mit 122

)( 32

FlFl tbthI und )(, FlFlz thMM lassen sich die Wölbnormalspannungen

berechnen.

Punkt ),( zy Punkt ),( zy

1 4

)( Flthb

Fl

Flz

tb

M2

,6

4 4

)( Flthb

Fl

Flz

tb

M2

,6

2 0 0 5 0 0

3 4

)( Flthb

Fl

Flz

tb

M2

,6

6 4

)( Flthb

Fl

Flz

tb

M2

,6

Tabelle 4-16: Berechnung der Wölbnormalspannungen

Zum Vergleich werden die Spannungen in den Flanschen mit Hilfe der Flanschmomente Mz,Fl

berechnet. Die Flansche werden dabei als Rechteckquerschnitte betrachtet.

Fl

Flz

Flz

Flz

tb

M

W

M2

,

,

,

max,

6

Diese Betrachtungsweise führt zum gleichen Ergebnis.

Infolge der Flanschquerkräfte Vy,Fl entstehen in den Flanschen Schubspannungen. Es han-

delt sich um sekundäre Schubspannungen s (Wölbschubspannungen ), die allein aus

Wölbkrafttorsion resultieren.

Die sekundären Schubspannungen s werden mit der folgenden Formel berechnet.

tI

SM sx

s

,)(

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Dem Vorzeichen wird im Rahmen dieses erläuternden Beispiels keine Beachtung geschenkt,

auf die Wirkungsrichtung der Schubspannungen kann anhand der Verformungsfigur der

Flansche direkt geschlossen werden.

(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie: tI

SV

y

yz)

Wie im Abschnitt 4.4.4.3 erläutert ist S das Wölbflächenmoment 1. Grades und entspricht

dem Integral der Einheitsverwölbung über die Querschnittsfläche, d.h. dem Flächeninhalt

unter der -Kurve.

dAzySA

),(

Bild 4-162: Einheitsverwölbung Bild 4-163:Wölbflächenmoment 1. Grades S

16

)(

24

)(

2

1max

2

FlFlFl

Fl thtbt

bthbS

Damit kann die größte sekundäre Schubspannung s bestimmt werden:

Fl

Fly

FlFlFl

FlFllFFlysx

stb

V

ttbth

thtbthV

tI

SM ,

32

2

,,5,1

)(16

122)()()(

Hätte man jeden Flansch separat als Rechteckquerschnitt betrachtet, der durch die Flansch-

querkraft Vy,Fl beansprucht wird, so hätte man für s dasselbe Ergebnis erhalten.

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Fazit:

Der Doppel-T-Querschnitt eignet sich gut, um die prinzipielle Wirkungsweise der Wölbkraft-

torsion zu verstehen. Da die Abtragung des Torsionsmomentes über die beiden rechteckigen

Flansche erfolgt, können die Ergebnisse mithilfe der Biegelehre, die auf die Einzelflansche

angewendet wird, nachvollzogen werden.

4.5 Bemessung torsionsbeanspruchter Bauteile nach EC 3

Grundsätzlich ist festzustellen, dass infolge einer Torsionsbeanspruchung im Querschnitt

Schubspannungen entstehen. Im Fall der Wölbkrafttorsion treten auch Normalspannungen

auf. Deshalb ist stets eine elastische Bemessung mit Hilfe des Fließkriteriums bzw. unter

Berechnung einer Vergleichsspannung möglich.

Geregelt ist die Torsionsbeanspruchung in EN 1993-1-1, Abschnitt 6.2.7.

Als Formelzeichen für Torsionsmomente wird „T“ verwendet, was den Nachteil hat, dass es

leicht zu Verwechslungen mit dem Schubfluss kommt.

Um dieser Verwechslungsgefahr zu begegnen spricht aus technischer Sicht nichts dagegen,

alternativ die aus der Technischen Mechanik bzw. die aus der Torsionstheorie vertrauten

Bezeichnungen zu verwenden

Größe Bezeichnung „allgemein“ Bezeichnung „EC 3“

Torsionsmoment Mx T

Primäres Torsionsmoment (St.

Venant) Mx,p Tt

Sekundäres Torsionsmoment

(Wölbkrafttorsion) Mx,s Tw

Wölbbimoment M B

Tabelle 4-17: Bezeichnungen nach EC 3

Nachweisformat:

0,1Rd

Ed

T

T

mit: EdwEdtEd TTT ,,

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Die Bemessungswerte Tt,Ed und Tw,Ed können mit den entsprechenden Querschnittswerten,

den Zwängungsbedingungen an den Auflagern und der Lastverteilung längs des Bauteils mit

einer elastischen Berechnung ermittelt werden (also so wie in den vorangegangenen Ab-

schnitten des Umdrucks beschrieben).

Beim elastischen Nachweis darf das Fließkriterium verwendet werden, wobei alle Span-

nungsanteile infolge St. Venantscher Torsion und Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen sind.

Bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Biegung und Torsion brauchen bei der Ermittlung

der plastischen Biegemomentenbeanspruchbarkeit eines Querschnitts als Torsionsschnitt-

größen BEd (d.h. M ) nur jene berücksichtigt zu werden, die sich aus der elastischen Berech-

nung ergeben.

Bei geschlossenen Hohlprofilen darf vereinfachend angenommen werden, dass der Einfluss

aus der Wölbkrafttorsion vernachlässigt werden kann. Umgekehrt darf bei offenen Quer-

schnitten wie etwa bei Doppel-T-Profilen der Einfluss der St. Venantschen Torsion vernach-

lässigt werden.

Der Bemessungswert der Torsionsbeanspruchbarkeit TRd eines geschlossenen Hohlprofils

kann aus den Bemessungswerten der Schubtragfähigkeiten der einzelnen Teilstücke des

Querschnitts nach EN 1993-1-5 zusammengesetzt werden. Sofern maßgebend ist ggf. der

Einfluss des Schubbeulens zu beachten.

Bei kombinierter Beanspruchung aus Querkraft und Torsion ist in der Regel die plastische

Querkrafttragfähigkeit Vpl,Rd auf den Wert Vpl,T,Rd abzumindern.

Der Nachweis lautet in diesem Fall:

0,1,, RdTpl

Ed

V

V

Vpl,T,Rd kann wie folgt ermittelt werden:

Doppel-T-Querschnitte

Rdpl

M

y

Edt

RdTpl Vf

V ,

0

,

,,

325,1

1

U-Querschnitte

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Rdpl

M

y

Edw

M

y

Edt

RdTpl Vff

V ,

0

,

0

,

,,

3325,1

1

Hohlprofile

Rdpl

M

y

Edt

RdTpl Vf

V ,

0

,

,,

3

1

Beispiel: Beidseitig eingespannter Einfeldträger HEA 200

Ein 6,0 m langer Einfeldträger HEA 200, Stahlgüte S235, ist an beiden Trägerenden biege-

und wölbsteif eingespannt. Die Linienlast qEd greift mit 20 mm Exzentrizität zur Stegebene

an. Der Stab kann sich frei verdrillen, Drillachse ist demnach die Schubmittelpunktsachse.

mkNqEd /0,25

mkNmm EdT /50,002,00,25,

Bild 4-164: System und Belastung Bild 4-165: Querschnitt

Gemäß EN 1993-1-1, 6.2.7 (7) darf bei diesem dünnwandigen offenen Profil der Einfluss der

St- Venantschen Torsion vernachlässigt werden.

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Unter dieser Annahme reduziert sich die DGL der gemischten Torsion auf die DGL der rei-

nen Wölbkrafttorsion.

TmIE

mit mT = const.

Diese DGL kann direkt durch Integration gelöst werden:

IE

mT

1CxIE

mT

21

2

2CxCx

IE

mT

32

2

1

3

2

1

6CxCxCx

IE

mT

43

2

2

3

1

4

2

1

6

1

24CxCxCxCx

IE

mT

Die Koeffizienten C1 bis C4 ergeben sich aus den Randbedingungen (einzelne Rechenschrit-

te werden hier nicht vorgeführt):

x = 0:

Einspannung: = 0; ‘ = 0

C3 = C4 = 0

x = 6,00 m:

Einspannung: = 0; ‘ = 0

C1 = -6,61376·10-8, C2 = -6,61376·10-6 (nach Lösung eines linearen Gleichungssystems)

Unter Verwendung einer Tabellenkalkulation können die Werte für und die entsprechenden

Ableitungen sowie die Schnittgrößen an diskreten Stellen berechnet werden.

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Tabelle 4-18: Berechnungsergebnisse

Zur Information werden die Schnittgrößen, die unter Vernachlässigung der St. Venantschen

Torsion berechnet worden sind, in Diagrammform mit den exakten Werten verglichen.

Rote Linie: exakt (gemischte Torsion)

Blaue Linie: Näherung (nur Wölbkrafttorsion).

Bild 4-166: Primäres Torsionsmoment Mx,p

x ' '' ''' Mx,p Mx,s Mx M

[m] [rad] [rad/cm] [rad/cm²] [rad/cm³] [kNcm] [kNcm] [kNcm] [kNcm²]

0,00 0,00000000 0,00000000 0,00000661 -0,00000007 0,00 150,00 150,00 -15000,00

0,30 0,00268601 0,00016964 0,00000473 -0,00000006 0,00 135,00 135,00 -10725,00

0,60 0,00964286 0,00028571 0,00000304 -0,00000005 0,00 120,00 120,00 -6900,00

0,90 0,01935268 0,00035417 0,00000155 -0,00000005 0,00 105,00 105,00 -3525,00

1,20 0,03047619 0,00038095 0,00000026 -0,00000004 0,00 90,00 90,00 -600,00

1,50 0,04185268 0,00037202 -0,00000083 -0,00000003 0,00 75,00 75,00 1875,00

1,80 0,05250000 0,00033333 -0,00000172 -0,00000003 0,00 60,00 60,00 3900,00

2,10 0,06161458 0,00027083 -0,00000241 -0,00000002 0,00 45,00 45,00 5475,00

2,40 0,06857143 0,00019048 -0,00000291 -0,00000001 0,00 30,00 30,00 6600,00

2,70 0,07292411 0,00009821 -0,00000321 -0,00000001 0,00 15,00 15,00 7275,00

3,00 0,07440476 0,00000000 -0,00000331 0,00000000 0,00 0,00 0,00 7500,00

3,30 0,07292411 -0,00009821 -0,00000321 0,00000001 0,00 -15,00 -15,00 7275,00

3,60 0,06857143 -0,00019048 -0,00000291 0,00000001 0,00 -30,00 -30,00 6600,00

3,90 0,06161458 -0,00027083 -0,00000241 0,00000002 0,00 -45,00 -45,00 5475,00

4,20 0,05250000 -0,00033333 -0,00000172 0,00000003 0,00 -60,00 -60,00 3900,00

4,50 0,04185268 -0,00037202 -0,00000083 0,00000003 0,00 -75,00 -75,00 1875,00

4,80 0,03047619 -0,00038095 0,00000026 0,00000004 0,00 -90,00 -90,00 -600,00

5,10 0,01935268 -0,00035417 0,00000155 0,00000005 0,00 -105,00 -105,00 -3525,00

5,40 0,00964286 -0,00028571 0,00000304 0,00000005 0,00 -120,00 -120,00 -6900,00

5,70 0,00268601 -0,00016964 0,00000473 0,00000006 0,00 -135,00 -135,00 -10725,00

6,00 0,00000000 0,00000000 0,00000661 0,00000007 0,00 -150,00 -150,00 -15000,00

-50,0

-40,0

-30,0

-20,0

-10,0

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00

Schnitt x [m]

Mx,p [kNcm]

exakt

Näherung

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Bild 4-167: Sekundäres Torsionsmoment Mx,s

Bild 4-168: Wölbbimoment M

Wie man erkennt erfolgt die Lastabtragung an den Einspannstellen nur durch Wölbkrafttorsi-

on. Die Näherung nach EC 3 entspricht an dieser maßgebenden Stelle dem exakten Wert.

Ansonsten verläuft das sekundäre Torsionsmoment Mx,s linear. Das muss so sein, denn ohne

St. Venantsche Torsion kann nur das sekundäre Torsionsmoment Mx,s dem äußeren Stre-

ckentorsionsmoment mT das Gleichgewicht an einem infinitesimal kleinen Element halten. mT

ist konstant und deshalb ist Mx,s linear veränderlich.

Das Wölbbimoment M wird mit der Näherung auf der sicheren Seite liegend überschätzt.

Die Bemessung erfolgt mit den Näherungswerten, wie gemäß EC3 erlaubt. Maßgebend für

die Bemessung sind die Einspannstellen.

-200,0

-150,0

-100,0

-50,0

0,0

50,0

100,0

150,0

200,0

0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00

Schnitt x [m]

Mx,s [kNcm]

exakt

Näherung

-20000

-15000

-10000

-5000

0

5000

10000

0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00

Schnitt x [m]

M [kNcm²]

exakt

Näherung

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Biegung:

kNmlq

M EdEdy 0,75

12

0,60,25

12

22

, ²/3,19389

7500,

, cmkNW

M

y

Edy

Edx

Querkraft:

kNlq

V EdEdz 0,75

2

0,60,25

2, ²/79,6

05,11

0,75,cmkN

A

V

w

Edz

Ed

mit ²05,1165,0)0,120,19( cmthA www

Wölbkrafttorsion:

215000 kNcmM ²/5,120,90108000

15000,

, cmkNI

M Ed

Ed

Hinweis: maßgebend ist der Größtwert an den Flanschecken. Die Einheitsverwölbung und damit die Wölbnor-

malspannung besitzt an gegenüberliegenden Flanschecken ein unterschiedliches Vorzeichen. Für die Bemes-

sung ist nur der Betrag interessant, da auch die Biegenormalspannung an den beiden Flanschen ein unterschied-

liches Vorzeichen besitzt. An einer Stelle treffen also stets die größten Spannungen aufeinander, so dass hier nur

der Betrag interessiert. Die Werte I und wurden einem Tabellenwerk entnommen.

kNcmM sx 0,150, tI

SM sx,)(

S ist in den meisten Tabellenwerken nicht enthalten und muss berechnet werden:

Es ist nur der maximale Wert in der Mitte der Flansche von Interesse.

Bild 4-169: Einheitsverwölbung Bild 4-170: Wölbflächenmoment 1. Grades S

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4

max, 4500,100,10,902

1cmdstdAS

sA

²/625,00,1108000

4500,150)(

,

, cmkNtI

SM sx

Ed

Hinweis: Man sieht, dass die Wölbschubspannungen wirklich sehr klein sind, wie im Zuge der Herleitung der

Berechnungsformeln vorausgesetzt.

Spannungsnachweis:

²/8,315,123,19,,.,, cmkNEdEdxgesEdx

Man erkennt sofort, dass der Nachweis für ein Profil in der Stahlgüte S235 nach dem Verfah-

ren Elastisch - Elastisch nicht erbracht werden kann (fyd =23,5 kN/cm²). Die Anwendung des

Fließkriteriums erübrigt sich damit.

Lösung: Nachweis nach dem Verfahren Elastisch – Plastisch.

Gemäß EN 1993-1-1, 6.2.7 (6) ist bei der Ermittlung der Biegebeanspruchbarkeit unter Be-

rücksichtigung der Torsion nur jene Torsionsschnittgröße BEd (d.h. M ,Ed) zu berücksichtigen,

die sich nach elastischer Berechnung ergibt.

2

, 15000 kNcmMB EdEd

Das Wölbbimoment ist im Fall eines Doppel-T-Profils das „Moment der Momente“ und lässt

sich durch Division durch den Flanschabstand h‘ in zwei gegenläufige Flanschmomente Mz,Fl

zerlegen.

kNcmh

MM

Ed

EdFlz 8330,18

15000

'

,

,,

Die Flanschmomente werden von Spannungsblöcken an den Randbereichen des jeweiligen

Flansches abgetragen (vgl. Kapitel Elastisch – Plastisch: größter innerer Hebelarm für Mz-

Momente).

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Bild 4-171: Teilflächen des Querschnitts zur Abtragung des Wölbbimomentes M

kNcmaafabatM ydfEdFlz 8335,23)0,20(0,1)(!

,,

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung lautet:

cmcma 97,1/0,180,12

5,350,140,200,20 2

Die zweite Lösung ist die richtige.

Kontrolle:

kNcmfabatM ydfEdFlz 8338355,23)97,10,20(97,10,1)(,,

Zur Aufnahme des Biegemomentes My,Ed steht nun nicht mehr die gesamte Flanschbreite zur

Verfügung, sondern nur noch

cmb 06,1697,120,20' .

Damit beträgt das reduzierte plastische Moment

kNmfhtaSM ydfyRdyM 4,84100/5,23)0,180,197,122152()'22(,,

Nachweis Biegung:

0,189,04,84

0,75

,,

,

RdyM

Edy

M

M

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Nachweis Querkraft:

²05,180,1)8,1265,0(0,10,2028,53)2(2 cmtrttbAA fwfv

kNfA

Vydv

Rdzpl 2453

5,2305,18

3,,

5,0

0,131,0245

0,75

,,

,

Rdzpl

Edz

V

V

keine Interaktion gemäß EN 1993-1-1, 6.2.8 (2) erforderlich.

Nachweis der Interaktion Biegung - „Wölbquerkraft“ in den Flanschen

Schließlich ist noch der Einfluss der Wölbschubspannungen in den Flanschen auf die

Tragfähigkeit zu berücksichtigen.

Resultierende „Wölbquerkraft“ in jedem Flansch:

kNttbV EdfEdFly 33,8625,00,10,203

2

3

2,,,

kNf

tbVyd

fRdFlypl 2713

5,230,10,20

3,,,

5,0

0,103,0271

33,8

,,,

,,

RdFlypl

EdFly

V

V

keine Interaktion gemäß EN 1993-1-1, 6.2.8 (2) erforderlich.

Damit ist der Nachweis der Tragfähigkeit nach dem Verfahren Elastisch – Plastisch erbracht.

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4.6 Ergänzende Hinweise und Informationen

In den vorangegangenen Abschnitten wurde versucht, einen möglichst umfassenden Ein-

druck von der Torsionstheorie zu vermitteln. Der Themenkomplex ist aber derart umfang-

reich, dass noch vieles zu sagen wäre, auf das aus Zeitgründen im Rahmen des Grundkur-

ses Metallbau nicht eingegangen werden kann.

Für weiterführende Informationen wird auf die Fachliteratur verwiesen, wobei die Lektüre

stets mit Bedacht erfolgen sollte, da wie erwähnt viele anders lautende Bezeichnungen für

ein und dieselbe Größe verwendet werden und sogar viele Größen mit unterschiedlichen

Vorzeichen verwendet werden. Hier kommt es weniger auf die strikte Verwendung der einen

oder der anderen Formelzeichen an, als vielmehr auf ein ganzheitliches Verständnis der

Theorie. Welche Bezeichnungen letztendlich verwendet werden spielt dabei eine unter-

geordnete Rolle.

Hilfreiche Literatur:

Petersen: Stahlbau, Verlag Vieweg & Sohn, 1990

Francke, Friemann: Schub und Torsion in geraden Stäben, Verlag Vieweg & Sohn,

2005

Roik, Carl, Lindner: Biegetorsionsprobleme gerader dünnwandiger Stäbe, Verlag

Ernst & Sohn,1972

Kohlbrunner, Basler: Torsion, Springer-Verlag, 1966

Zeitschrift „Stahlbau“, Verlag Ernst und Sohn; diverse Artikel in regelmäßigen Ab-

ständen

Skripte anderer Hochschulen

Abschließend wird noch kurz auf drei interessante und wichtige Themen eingegangen, die im

Rahmen der Vorlesung aus Zeitgründen nicht behandelt werden können.

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4.6.1 Lösung von Aufgaben zur Wölbkrafttorsion mit Hilfe der Zugstab-analogie

Ähnlich wie die Verteilung der primären Torsionsmomente eines Stabes mit wölbfreiem

Querschnitt mit Hilfe der Querkraftanalogie bestimmt werden kann, besteht hinsichtlich der

Form des Aussehens der DGL der gemischten Torsion eine Ähnlichkeit mit der DGL eines

Biegeträgers, der gleichzeitig durch eine Zugkraft beansprucht wird (kurz: Zugstabanalogie).

DGL der gemischten Torsion:

TT mIGIE

DGL des biegebeanspruchten Zugstabes:

zy qwNwIE

Während die Wölbkrafttorsion in nur wenigen Stabwerksprogrammen implementiert ist, sind

selbst relativ preiswerte Stabwerksprogramme in der Lage, einen durch Biegung und Zug-

kraft beanspruchten Balken nach Theorie II. Ordnung zu berechnen.

Unter Ausnutzung der Analogie der Differentialgleichungen beider Probleme kann man ele-

gant Aufgaben zur Wölbkrafttorsion mit Programmen lösen, die dafür eigentlich gar nicht

programmiert worden sind.

Eine Beschreibung der Vorgehensweise ist z.B. in der Fachzeitschrift „Stahlbau“, Jahrgang

2002, Heft 5, S. 367 ff. zu finden.

Ohne weitere Erläuterung werden ergänzend die betreffenden Seiten aus de ehemaligen

Stahlbauskript von Professor Albrecht an dieser Stelle zur Verfügung gestellt. Man beachte

ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.

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4.6.2 Profilverformung und Schottbemessung

Viele Berechnungsmodelle und Theorien beruhen auf der Forderung, dass die Querschnitts-

form erhalten bleibt. Diesem Gesichtspunkt ist in der Praxis besondere Beachtung zu schen-

ken. Durch die regelmäßige Anordnung von Querverbänden und Schotten in nicht zu gro-

ßen Abständen kann sichergestellt werden, dass die Form des Querschnitts erhalten bleibt.

Diese Thematik ist wichtig und wird Gegenstand der Vertiefungsvorlesung sein. Im Grund-

kurs Metallbau kann sie aus Zeitgründen nicht ausführlich behandelt werden. Da sie dem

Wesen nach zum Themengebiet der Torsion gehört, werden die betreffenden Seiten aus

dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht als ergänzende Information zum

Selbststudium an dieser Stelle abgedruckt. Man beachte ggf. die Unterschiede bei den For-

melzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.

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4.6.3 Zwangsdrillachse und Einfluss der sekundären Schubverformung

Wie erläutert ist jeder Stab bestrebt, sich nach dem Prinzip des Energieminimums um die

Achse durch den Schubmittelpunkt zu verdrillen. Das ist nur möglich, wenn angrenzende

Konstruktionen diesem Bestreben nicht entgegenstehen. Andernfalls gibt es eine sogenann-

te Zwangsdrillachse, um die sich der Stab verdreht. Diesbezüglich werden die betreffenden

Seiten aus dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht abgedruckt. Man beachte

ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck. Details

und Erläuterungen sind der Fachliteratur zu entnehmen. Desweiteren sind noch Seiten ab-

gedruckt, die Ausführungen zum Einfluss sekundärer Schubverformungen enthalten.

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