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illciic 3iirtf|cr Jciliiiiji WOCHENENDE 011/81 Samstag/Sonntag, 14./ 15. Januar 1984 Nr. II 81 Strandgut Die Suche nach Strandgut ist für manch einen zur Leiden- schart geworden; hinterrücks, wie eine Grippe, überfällt sie uns. Meere und Strände gibt es überall - wirkliche und imaginäre. Und deshalb zähle auch ich zu jenen, die sich immer wieder auf die Suche machen - nicht nach Bernstein, sondern nach raren Büchern. Oft spricht man von der Flut des Gedruckten, und das ist gar nicht abwegig. Die Summe alles schriftlich Fixierten ist wirklich ein Meer, eines der grössten. Es verbindet alle Kontinente, schwappt zuweilen über Ufer und Köpfe, meist aber verläuft es schäumend im Sande. Was leicht ist, treibt oben und wird, von Strömungen und Winden erfasst, rasch Treib- und bald Strand- gut. Auch anderes gibt es, Literatur, die ein gewisses Gewicht hat, also untertaucht, aber nicht versinkt und so durch Zeit und Meer driftet. Zum Glück wird eine s Tages auch sie an Land gesetzt. Ihr bin ich auf der Spur, das heisst einem ganz bestimmten Werke. Und das schon seit langem. Ich jage keinem Phantom nach, ich weiss von seiner Existenz, ich habe mich vergewissert in einem Buch, das über Bücher und ihre Schreiber Auskunft gibt. Knap p und klar wie in einem Seefahrtsbuch sind diese Ein- tragungen: Name, Daten, Werke. Diesmal bin ich auf der Jagd nach Hilaire Belloc, nach seiner Essaysammlung «Gespräche mit einer Katze». Ein lang aufge- schobener Wunsch steht vor seiner Erfüllung. Zeit und Wetter scheinen mir richtig; weder trüb noch heiter, so richtig zwischen- durch. Mein Tatendrang selbst ist ähnlich, eher flau, mehr passiv als aktiv - r einen Strandgänger fast ideale Voraussetzungen. Mantel und Halstuch lasse ich zu Hause, sie beide würden mich stören. Auch keine Tasche. Am besten hat man die Hände frei, kann jederzeit zupacken, besonders dann, wenn ein zweiter nach dem gleichen giert. Doch das kommt selten vor. Die Strän- de, die ich auf- und absuche, sind meist nur spärlich frequen- tiert. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass sich die Kü- stenlinie mitten durch die Stadt zieht. Vor mir lauter Bücher, alles gebrauchte, so weit das Auge reicht. Stark abgegriffene und kaum berührte, grosse und kleine. Gestrandet, geben sich alle ein Stelldichein. Das Meer hat sich zurückgezogen, noch sieht man die Marken des Hochwassers, doch nasse Füsse bekommt hier keiner, höchstens kalte. Und wenn, zurzeit fände die Kälte lediglich zwei Opfer, mich und den mit dem scharfen Blick, den Strandwächter. Ich gehe in die Knie, mich zieht etwas an. Meine Blicke eilen der Hand voraus, sortieren im Sturzflug und erteilen meiner Rechten den Befehl, zuzugreifen. Vorsichtig, eine glatte Härte spürend, ziehe ich Hand und Fund ans Licht. Das Aufgehobene entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Art Holzbolzen, vermutlich Eiche; immer und immer wieder gewendet, gerollt und geschmirgelt, hat er weder Kraft noch Schönheit eingebüsst. Im Gegenteil. Und trotzdem habe ich danebengelangt. Mit dem nötigen Respekt, wie es sich für so etwas Bewährtes geziemt, lege ich den Klassiker zurück. Neugierig suche ich weiter, wühle buchstäblich zwischen Leergut und Tang, immer in der Hoffnung, doch noch auf das Gesuchte zu stossen. Halblahme Vögel und schlagseitige Fische findet man in grosser Zahl, doch selten Katzen. Sie allein, mit ihren sieben Leben, kämen davon, selbst wenn sie in einem Sack angeschwemmt würden. Doch bis jetzt habe ich nichts Ausser- gewöhnliches gefunden, vor allem nicht Bellocs sprechende Katze. Es könnte ja sein, dass diese sibyllinischen Tiere auf Grund schlechter Erfahrungen menschenscheu geworden sind. Jammer- scnade- Martin Steiner bärndütschi liedli oni note binenand sägenufluech vomalleisy Iigenaach binenand süschaber ligtbimaileisy nüüi binenand Sam Süffi Skurrile Geschichten Ein Roboter für den Zeitgeist Professor Thomas A. Disson ist ein gewinnender Herrin den besten Jahren. Als er die zuständige Abteilung des Patentamtes betrat, brandete die Wirkung seiner Persönlichkeit durch den Raum. Karin Kringler, die Stenotypistin, hielt den Mann zu- nächst für einen der sympathischen Naturfreunde, die vorzu- sprechen pflegen, wenn sie eine Tinktur zur Steigerung der Le- benserwartung erfunden haben. Mit schwärmerisch verschleier- tem Blick fragte Karin Kringler den Professor nach seinen Wün- schen. «Ich habe ein technisches Patent anzumelden», sagte Thomas A. Disson nicht ohne Stolz. Karin Kringler war enttäuscht. Seit immer perfektere Medien den naiven Fortschrittsglauben des Europäers beschimpften, lie- fen im Patentamt nur noch selten Meldungen zu technischen Neuerungen ein. Sehr viel öfter erschienen Besucher, die ab- wechslungsreich über die Schattenseiten der modernen For- schung zu plaudern verstanden. Deshalb nahm Karin Kringler alle Schleier von ihrem Blick, legte das Formular zurecht und bat um nähere Angaben. «Es handelt sich», so erklärte der Professor, «um einen neuartigen Roboter auf Mikroprozessorenbasis. Er könnte uns helfen, die Japaner beim Fahrzeugbau einzuholen und zu übertreffen.» Gelangweilt hielt Karin Kringler die Verheissung einer neuer- lichen technischen Revolution fest. Während sie tippte, betrach- tete sie allerdings liebevoll das photographische Porträt ihres Freundes Niko, das auf ihrem Schreibtisch stand. Niko studiert Maschinenbau, widmet aber Karin und der technologiefreien Aufzucht von Stallkaninchen den wesentlicheren Teil seiner In- telligenz. Niko brachte die Nachricht von der unkontrollierten Erfin- dungswut Professor Dissons bei seinen Mitstudenten in Umlauf. Der gute Ruf des Wissenschafters litt beträchtlich. Bald musste Thomas A. Disson seine Thesen von der zukunftsbeherrschen- den Rolle des Roboters vor leeren Bänken erörtern. Auch seine Kollegen von den schöngeistigen Fakultäten behandelten ihn, als habe er gerade ein paar Brunnen vergiftet. Der verzweifelte Professor wandte sich erneut an das Patent- amt und beantragte die ersatzlose Streichung seiner Erfindung. «So weit würde ich nicht gehen», sagte Karin Kringler mitlei- dig. «Sie müssten Ihren Roboter nur mit einem sympathischen Wesenszug ausstatten. Bringt er es denn wirklich nicht fertig, gesundes Brot zu backen? Oder Futter für Stallkaninchen zu häckseln?» Das war ein guter Tip. Professor Disson sah ein, dass ein Roboter von heute nicht nur der Technik nützen darf. Nach kurzer Zeit trat der Erfinder mit einer echten Sensation an die Oeffentlichkeit: Das elektromagnetische Feld des Disson-Robo- ters, diktierte er zahlreichen Reportern, wirke sich auf die Ma- rienkäferpopulation der näheren Umgebung ausgesprochen gün- stig aus. Zumindest gebe es erste Anzeichen, die entsprechende Schlussfolgerungen nahelegten. Seitdem ist Professor Thomas A. Disson der Star der Univer- sität. Selbst Niko sitzt jetzt andächtig zu seinen Füssen. Manch- mal bringt der kaninchenzüchtende Maschinenbaustudent seine Freundin in die Vorlesungen mit. Karin Kringler versteht zwar wenig von deren Inhalten. Aber sobald Professor Disson mit der weichen Stimme eines marienkäferliebenden Menschen die elek- tromagnetischen Impulse im Schaltgefüge seines Roboters erläu- tert, verschleiern sich die Augen seiner modern-sensiblen Zuhö- rerin in rückhaltloser Schwärmerei. £ paw/u Journal der Popkultur Vorläufer des «Funk» Die amerikanische Pop-Funk-Gruppe «Kool and the Gang», im Big-Band-Jazz ebenso wie im Rock'n'roll der fünfziger Jahre zu Hause, hat eine stilistische Bandbreite, die kaum ein anderes Ensemble erreicht. Schon Ende der sechziger Jahre hatte die heute zehn Musiker umfassende Gruppe aus Jersey City Funky Sound und schwarze Discomusik gespielt, bevor man überhaupt von solchen Stilrichtungen sprach. Anfänglich hatt e die 1964 von Robert Bell und seinem Bruder Ronald gegründete Band ihren Stützpunkt in New Yorks Künst- lerviertel Greenwich Village, wo zu jener Zeit Richie Havens, Jimi Hendrix und andere Rockistars auftraten. Zudem wurden die beiden Brüder stark vom Jazz eines John Coltrane, McCoy Tyner und Pharaoh Sanders beeinflusst, so dass sie ihre erste eigene Band zunächst «The Jazziacs» nannten. Bald wechselte die Gruppe jedoch zu Rhythm and Blues und Soul über, da man mit Jazz und Rock zu jener Zeit noch nicht sehr viel verdienen konnte. Hinzu kam 1968 ein längeres Enga- gement bei der Organisation «Soultown», die überall nach neuen Talenten Ausschau hielt, welche «Kool and the Gang», wie sich die Band fortan nannte, bei Wettbewerben instrumen- tell begleiten sollte. «Wir haben in jener Zeit viel gelernt», erinnert sich Robert Bell an die Jahre zwischen 1968 und 1976, als die Gruppe ihre ersten bedeutenden Langspielplatten wie «Wild and Peaceful» produzierte und auf ihnen Handwerk und eigene kreative Ideen zu verbinden suchte. Hits wie «Jungle Boogie», «Hollywood Swinging» und «Funky Stuff» zählten zu ihren ersten grösseren Erfolgen Mitte der siebziger Jahre. Kurioserweise partizipierte «Kool and the Gang» jedoch nicht an dem damals aufkommen- den Disco-Boom, den sie musikalisch «mitverschuldet» hatte. Heute gilt «Kool and the Gang» freilich als die schwarze Party- band Amerikas, dazu hat wohl nicht zuletzt die Verpflichtung des versierten Produzenten Deodato und des Sängers James «J. T.» Taylor beigetragen, welche die harten musikalischen Kanten der Band in Richtung eines weicheren, melodische Sounds glätteten und Songs wie «Ladies' Night» und «Celebra- te» Anfang der achtziger Jahre fast zu nationalen Hymnen machten. Dieser neue stilistische Umschwung hat der Gruppe allerdings auch den Vorwurf eingetragen, sie klinge heute so sen- timental wie der Titel ihres jüngsten Albums, «In the Heart». Doch bei Live-Auftritten ist die Gruppe so rhythmisch-funkig wie eh und je. (Alle genannten Schallplatten: De-Lite Records/ Polygram, New York; ein erster Schweizer Live-Auftritt ist für den 30. Januar in Lausanne angesagt.) Peter figiestai,ier Sprichwörtliches Immer König? «Omama, hast du einen Dreikönigskuchen?», fragt Marcel am 6. Januar. «Ach weisst du, Marcel, ich lebe allein - da bin ich immer König». Stummes Staunen auf seiten des Kindes. Immer König! Höchstes Glück scheint dies zu verheissen: die Freiheit der Entscheidung als köstlicher Besitz; Befehlen und Herrschen über andere als stimulierende Droge; eigenes Tun voll verant- worten im Sinne totaler Unabhängigkeit; die Gestaltung jeder unwiederbringlichen Minute in eigener Regie; Schlafen und Wa- chen nach Ermessen und täglich Pommes frites mit Ketchup. Welch paradiesischer Zustand! Welch königliches Schicksal! Königliches Schicksal? Der Sonnenkönig erfand den Absolu- tismus, was weder ihm noch seinem Land auf lange Sicht nütz- lich war. Ludwig XVI. endete mit 39 Jahren auf dem Schafott, Ludwig II. von Bayern ging lebensmüde in den Starnberger See, König Richard III. hatte ein Pferd zu wenig und fiel in der Schlach t bei Bosweith. Belsazar, dem letzten König von Baby- lon, verkündete das Menetekel den nahen Untergang seines Rei- ches, und Shakespeare lässt seinen König Heinrich IV. sagen: «Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt.» Auch Schillers Elisabeth I. von England erkennt: «Die Könige sind nur Skla- ven ihres Standes, dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.» Nur Ludwig Fulda verteidigt das Majestätische an sich mit den Worten: «Du bleibst der König - auch in Unterhosen.» Die absolute Monarchie als «Einherrschaft» ist momentan wenig gefragt. Die Könige unserer Zeit borgen sich den Massen- medien zuliebe Glamour, Glanz und Gloria bei ihren Vorfahren. Wer von ihnen aber mag sich wirklich wünschen, König zu sein, auch nur für einen Tag? Du glaubst mir nicht, Marcel? Vielleicht hast du recht mit deinen elf Jahren, es ist ja möglich, dass sich die Geschichte irrt. Versuch dein Glück mit der Krone, der nächste Dreikönigstag kommt bestimmt! Eleonore von Planta Lifträtsel Herold Das Parterrewort Herold ist nach oben links und rechts in je 8 Etagewörter zu verwandeln: Schrägziffer = sovielten Buchsta- ben des unteren Wortes streichen. Schrägstrich = Restbuchsta- ben des unteren Wortes mehr oder weniger umstellen. Waag- rechtstrich - 1 Buchstaben des unteren Wortes für die Bildung des oberen. Punkt I neuen Buchstaben einsetzen. Senkrecht- strich « Buchstabe darunter für die Bildung der Schlusslösung. l b / 6 H6A.ÖL2 Komplexe Rhythmen zum Tanzen: Kool and the Gang. Links: 1. kirchlicher Gesang, 2. Nadelbaum, 3. Flussland- schaft in Tirol, 4. Reformator der Stadt Bern, 5. Sultanspalast, 6. hebräischer Vorname, 7. Gestalt in «Aida», 8. Gebissstange des Pferdes. Rechts: I. Stadt in Pakistan, 2. Geschäftsvermittler, 3. Land in Afrika, 4. Schiffszubehör, 5. deutscher Erzähler (1906-1970), 6. Stadt an der Riviera di Ponente, 7. indische Stadt, 8. Fluss in Norditalien. Schlusslösung: Die Buchstaben unter den Senkrechtstrichen, etagenweise von links nach rechts und von 8 bis 1 aneinanderge- reiht, nennen vier Naturharze. (Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage «Wochenende») Neue Zürcher Zeitung vom 14.01.1984

011/81and+the+Gang_1...illciic 3iirtf|cr Jciliiiiji WOCHENENDE 011/81 Samstag/Sonntag, 14./15. Januar 1984 Nr. II 81 Strandgut Die Suche nach Strandgut ist für manch einen zur Leiden-

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  • illciic 3iirtf|cr Jciliiiiji WOCHENENDE011/81Samstag/Sonntag, 14./ 15. Januar 1984 Nr. II 81

    Strandgut

    Die Suche nach Strandgut ist für manch einen zur Leiden-schart geworden; hinterrücks, wie eine Grippe, überfällt sie uns.Meere und Strände gibt es überall - wirkliche und imaginäre.Und deshalb zähle auch ich zu jenen, die sich immer wieder aufdie Suche machen - nicht nach Bernstein, sondern nach rarenBüchern.

    Oft spricht man von der Flut des Gedruckten, und das ist gar

    nicht abwegig. Die Summe alles schriftlich Fixierten ist wirklichein Meer, eines der grössten. Es verbindet alle Kontinente,schwappt zuweilen über Ufer und Köpfe, meist aber verläuft esschäumend im Sande. Was leicht ist, treibt oben und wird, vonStrömungen und Winden erfasst, rasch Treib- und bald Strand-gut. Auch anderes gibt es, Literatur, die ein gewisses Gewichthat, also untertaucht, aber nicht versinkt und so durch Zeit undMeer driftet. Zum Glück wird e i n es Tages auch sie an Landgesetzt.

    Ihr bin ich auf der Spur, das heisst einem ganz bestimmtenWerke. Und das schon seit langem. Ich jage keinem Phantomnach, ich weiss von seiner Existenz, ich habe mich vergewissert

    in einem Buch, das über Bücher und ihre Schreiber Auskunftgibt. K n a pp und klar wie in einem Seefahrtsbuch sind diese Ein-tragungen: Name, Daten, Werke.

    Diesmal bin ich auf der Jagd nach Hilaire Belloc, nach seinerEssaysammlung «Gespräche mit einer Katze». Ein lang aufge-

    schobener Wunsch steht vor seiner Erfüllung. Zeit und Wetterscheinen mir richtig; weder trüb noch heiter, so richtig zwischen-durch. Mein Tatendrang selbst ist ähnlich, eher flau, mehr passiv

    als aktiv - f ür einen Strandgänger fast ideale Voraussetzungen.Mantel und Halstuch lasse ich zu Hause, sie beide würden

    mich stören. Auch keine Tasche. Am besten hat man die Händefrei, kann jederzeit zupacken, besonders dann, wenn ein zweiternach dem gleichen giert. Doch das kommt selten vor. Die Strän-de, die ich auf- und absuche, sind meist nur spärlich frequen-

    tiert. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass sich die Kü-stenlinie mitten durch die Stadt zieht.

    Vor mir lauter Bücher, alles gebrauchte, so weit das Auge

    reicht. Stark abgegriffene und kaum berührte, grosse und kleine.Gestrandet, geben sich alle ein Stelldichein. Das Meer hat sichzurückgezogen, noch sieht man die Marken des Hochwassers,doch nasse Füsse bekommt hier keiner, höchstens kalte. Undwenn, zurzeit fände die Kälte lediglich zwei Opfer, mich undden mit dem scharfen Blick, den Strandwächter.

    Ich gehe in die Knie, mich zieht etwas an. Meine Blicke eilender Hand voraus, sortieren im Sturzflug und erteilen meinerRechten den Befehl, zuzugreifen. Vorsichtig, eine glatte Härtespürend, ziehe ich Hand und Fund ans Licht. Das Aufgehobeneentpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine Art Holzbolzen,vermutlich Eiche; immer und immer wieder gewendet, gerollt

    und geschmirgelt, hat er weder Kraft noch Schönheit eingebüsst.Im Gegenteil. Und trotzdem habe ich danebengelangt. Mit demnötigen Respekt, wie es sich für so etwas Bewährtes geziemt, lege

    ich den Klassiker zurück.Neugierig suche ich weiter, wühle buchstäblich zwischen

    Leergut und Tang, immer in der Hoffnung, doch noch auf dasGesuchte zu stossen. Halblahme Vögel und schlagseitige Fischefindet man in grosser Zahl, doch selten Katzen. Sie allein, mitihren sieben Leben, kämen davon, selbst wenn sie in einem Sackangeschwemmt würden. Doch bis jetzt habe ich nichts Ausser-gewöhnliches gefunden, vor allem nicht Bellocs sprechende

    Katze.

    Es könnte ja sein, dass diese sibyllinischen Tiere auf Grundschlechter Erfahrungen menschenscheu geworden sind. Jammer-scnade- Martin Steiner

    bärndütschi liedli oni note

    binenandsägenufluechvomalleisyIigenaach

    binenandsüschaberligtbimaileisy

    nüüibinenand Sam Süffi

    Skurrile Geschichten

    Ein Roboter für den Zeitgeist

    Professor Thomas A. Disson ist ein gewinnender Herrin denbesten Jahren. Als er die zuständige Abteilung des Patentamtesbetrat, brandete die Wirkung seiner Persönlichkeit durch denRaum. Karin Kringler, die Stenotypistin, hielt den Mann zu-nächst für einen der sympathischen Naturfreunde, die vorzu-sprechen pflegen, wenn sie eine Tinktur zur Steigerung der Le-benserwartung erfunden haben. Mit schwärmerisch verschleier-tem Blick fragte Karin Kringler den Professor nach seinen Wün-schen. «Ich habe ein technisches Patent anzumelden», sagteThomas A. Disson nicht ohne Stolz.

    Karin Kringler war enttäuscht. Seit immer perfektere Medienden naiven Fortschrittsglauben des Europäers beschimpften, lie-fen im Patentamt nur noch selten Meldungen zu technischenNeuerungen ein. Sehr viel öfter erschienen Besucher, die ab-wechslungsreich über die Schattenseiten der modernen For-schung zu plaudern verstanden.

    Deshalb nahm Karin Kringler alle Schleier von ihrem Blick,legte das Formular zurecht und bat um nähere Angaben. «Eshandelt sich», so erklärte der Professor, «um einen neuartigen

    Roboter auf Mikroprozessorenbasis. Er könnte uns helfen, dieJapaner beim Fahrzeugbau einzuholen und zu übertreffen.»

    Gelangweilt hielt Karin Kringler die Verheissung einer neuer-lichen technischen Revolution fest. Während sie tippte, betrach-tete sie allerdings liebevoll das photographische Porträt ihres

    Freundes Niko, das auf ihrem Schreibtisch stand. Niko studiertMaschinenbau, widmet aber Karin und der technologiefreien

    Aufzucht von Stallkaninchen den wesentlicheren Teil seiner In-telligenz.

    Niko brachte die Nachricht von der unkontrollierten Erfin-dungswut Professor Dissons bei seinen Mitstudenten in Umlauf.Der gute Ruf des Wissenschafters litt beträchtlich. Bald mussteThomas A. Disson seine Thesen von der zukunftsbeherrschen-den Rolle des Roboters vor leeren Bänken erörtern. Auch seineKollegen von den schöngeistigen Fakultäten behandelten ihn,als habe er gerade ein paar Brunnen vergiftet.

    Der verzweifelte Professor wandte sich erneut an das Patent-amt und beantragte die ersatzlose Streichung seiner Erfindung.

    «So weit würde ich nicht gehen», sagte Karin Kringler mitlei-dig. «Sie müssten Ihren Roboter nur mit einem sympathischenWesenszug ausstatten. Bringt er es denn wirklich nicht fertig,gesundes Brot zu backen? Oder Futter für Stallkaninchen zuhäckseln?»

    Das war ein guter Tip. Professor Disson sah ein, dass einRoboter von heute nicht nur der Technik nützen darf. Nachkurzer Zeit trat der Erfinder mit einer echten Sensation an dieOeffentlichkeit: Das elektromagnetische Feld des Disson-Robo-ters, diktierte er zahlreichen Reportern, wirke sich auf die Ma-rienkäferpopulation der näheren Umgebung ausgesprochen gün-stig aus. Zumindest gebe es erste Anzeichen, die entsprechendeSchlussfolgerungen nahelegten.

    Seitdem ist Professor Thomas A. Disson der Star der Univer-sität. Selbst Niko sitzt jetzt andächtig zu seinen Füssen. Manch-mal bringt der kaninchenzüchtende Maschinenbaustudent seineFreundin in die Vorlesungen mit. Karin Kringler versteht zwarwenig von deren Inhalten. Aber sobald Professor Disson mit derweichen Stimme eines marienkäferliebenden Menschen die elek-tromagnetischen Impulse im Schaltgefüge seines Roboters erläu-tert, verschleiern sich die Augen seiner modern-sensiblen Zuhö-rerin in rückhaltloser Schwärmerei. £ paw/uJournal der Popkultur

    Vorläufer des «Funk»Die amerikanische Pop-Funk-Gruppe «Kool and the Gang»,

    im Big-Band-Jazz ebenso wie im Rock'n'roll der fünfziger Jahrezu Hause, hat eine stilistische Bandbreite, die kaum ein anderesEnsemble erreicht. Schon Ende der sechziger Jahre hatte dieheute zehn Musiker umfassende Gruppe aus Jersey City FunkySound und schwarze Discomusik gespielt, bevor man überhaupt

    von solchen Stilrichtungen sprach.Anfänglich h a t te die 1964 von Robert Bell und seinem Bruder

    Ronald gegründete Band ihren Stützpunkt in New Yorks Künst-lerviertel Greenwich Village, wo zu jener Zeit Richie Havens,Jimi Hendrix und andere Rockistars auftraten. Zudem wurdendie beiden Brüder stark vom Jazz eines John Coltrane, McCoyTyner und Pharaoh Sanders beeinflusst, so dass sie ihre ersteeigene Band zunächst «The Jazziacs» nannten.

    Bald wechselte die Gruppe jedoch zu Rhythm and Blues undSoul über, da man mit Jazz und Rock zu jener Zeit noch nichtsehr viel verdienen konnte. Hinzu kam 1968 ein längeres Enga-gement bei der Organisation «Soultown», die überall nachneuen Talenten Ausschau hielt, welche «Kool and the Gang»,

    wie sich die Band fortan nannte, bei Wettbewerben instrumen-tell begleiten sollte.

    «Wir haben in jener Zeit viel gelernt», erinnert sich RobertBell an die Jahre zwischen 1968 und 1976, als die Gruppe ihreersten bedeutenden Langspielplatten wie «Wild and Peaceful»produzierte und auf ihnen Handwerk und eigene kreative Ideenzu verbinden suchte. Hits wie «Jungle Boogie», «HollywoodSwinging» und «Funky Stuff» zählten zu ihren ersten grösserenErfolgen Mitte der siebziger Jahre. Kurioserweise partizipierte

    «Kool and the Gang» jedoch nicht an dem damals aufkommen-

    den Disco-Boom, den sie musikalisch «mitverschuldet» hatte.Heute gilt «Kool and the Gang» freilich als die schwarze Party-

    band Amerikas, dazu hat wohl nicht zuletzt die Verpflichtung

    des versierten Produzenten Deodato und des Sängers James«J. T.» Taylor beigetragen, welche die harten musikalischenKanten der Band in Richtung eines weicheren, melodischeSounds glätteten und Songs wie «Ladies' Night» und «Celebra-te» Anfang der achtziger Jahre fast zu nationalen Hymnen

    machten. Dieser neue stilistische Umschwung hat der Gruppeallerdings auch den Vorwurf eingetragen, sie klinge heute so sen-timental wie der Titel ihres jüngsten Albums, «In the Heart».Doch bei Live-Auftritten ist die Gruppe so rhythmisch-funkig

    wie eh und je. (Alle genannten Schallplatten: De-Lite Records/Polygram, New York; ein erster Schweizer Live-Auftritt ist fürden 30. Januar in Lausanne angesagt.) Peter figiestai,ier

    Sprichwörtliches

    Immer König?«Omama, hast du einen Dreikönigskuchen?», fragt Marcel

    am 6. Januar. «Ach weisst du, Marcel, ich lebe allein - da bin ichimmer König». Stummes Staunen auf seiten des Kindes. ImmerKönig! Höchstes Glück scheint dies zu verheissen: die Freiheitder Entscheidung als köstlicher Besitz; Befehlen und Herrschenüber andere als stimulierende Droge; eigenes Tun voll verant-worten im Sinne totaler Unabhängigkeit; die Gestaltung jederunwiederbringlichen Minute in eigener Regie; Schlafen und Wa-chen nach Ermessen und täglich Pommes frites mit Ketchup.Welch paradiesischer Zustand! Welch königliches Schicksal!

    Königliches Schicksal? Der Sonnenkönig erfand den Absolu-tismus, was weder ihm noch seinem Land auf lange Sicht nütz-lich war. Ludwig XVI. endete mit 39 Jahren auf dem Schafott,Ludwig II. von Bayern ging lebensmüde in den Starnberger See,König Richard III. hatte ein Pferd zu wenig und fiel in derSchlacht bei Bosweith. Belsazar, dem letzten König von Baby-lon, verkündete das Menetekel den nahen Untergang seines Rei-ches, und Shakespeare lässt seinen König Heinrich IV. sagen:«Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt.» Auch SchillersElisabeth I. von England erkennt: «Die Könige sind nur Skla-ven ihres Standes, dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.»Nur Ludwig Fulda verteidigt das Majestätische an sich mit denWorten: «Du bleibst der König - auch in Unterhosen.»

    Die absolute Monarchie als «Einherrschaft» ist momentanwenig gefragt. Die Könige unserer Zeit borgen sich den Massen-medien zuliebe Glamour, Glanz und Gloria bei ihren Vorfahren.Wer von ihnen aber mag sich wirklich wünschen, König zu sein,auch nur für einen Tag?

    Du glaubst mir nicht, Marcel? Vielleicht hast du recht mitdeinen elf Jahren, es ist ja möglich, dass sich die Geschichte irrt.Versuch dein Glück mit der Krone, der nächste Dreikönigstagkommt bestimmt! Eleonore von Planta

    Lifträtsel

    HeroldDas Parterrewort Herold ist nach oben links und rechts in je 8

    Etagewörter zu verwandeln: Schrägziffer = sovielten Buchsta-ben des unteren Wortes streichen. Schrägstrich = Restbuchsta-ben des unteren Wortes mehr oder weniger umstellen. Waag-rechtstrich - 1 Buchstaben des unteren Wortes für die Bildungdes oberen. Punkt I neuen Buchstaben einsetzen. Senkrecht-strich « Buchstabe darunter für die Bildung der Schlusslösung.

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    Komplexe Rhythmen zum Tanzen: Kool and the Gang.

    Links: 1. kirchlicher Gesang, 2. Nadelbaum, 3. Flussland-schaft in Tirol, 4. Reformator der Stadt Bern, 5. Sultanspalast, 6.hebräischer Vorname, 7. Gestalt in «Aida», 8. Gebissstange desPferdes.

    Rechts: I. Stadt in Pakistan, 2. Geschäftsvermittler, 3. Land inAfrika, 4. Schiffszubehör, 5. deutscher Erzähler (1906-1970), 6.Stadt an der Riviera di Ponente, 7. indische Stadt, 8. Fluss inNorditalien.

    Schlusslösung: Die Buchstaben unter den Senkrechtstrichen,etagenweise von links nach rechts und von 8 bis 1 aneinanderge-reiht, nennen vier Naturharze.

    (Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage «Wochenende»)

    Neue Zürcher Zeitung vom 14.01.1984