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Zwiespalt von Martin Zenhäusern ([email protected] ) Die Schere zwischen dem Salär eines CEO und einem einfachen Mitarbeiter öffnet sich immer stärker. Heute verdient ein CEO bis zu dreihundertmal mehr als ein „normaler“ Mitarbeiter. Dies ruft zwiespältige Gefühle hervor. Wir können uns nun die Frage stellen, ob es tatsächlich gerechtfertigt und nachvollziehbar ist, dass der Beitrag zum Erfolg des Gesamten derart unterschiedlich sein kann. Ebenso erstaunlich ist, wie weit die Einkommen vom best- zum schlechtestbezahlten Mitglied der Geschäftsleitung variieren. Auch wenn die Diskussionen wieder heiss laufen, darf doch davon ausgegangen werden, dass sich an den Spitzengehältern wenig ändern wird. Leonardo da Vinci hat den weisen Ausspruch getan: „Es ist leichter, am Anfang zu widerstehen als am Ende.“ Wer würde freiwillig auf sein Salär verzichten, wenn es schon einmal derart astronomische Höhen erklommen hat? Solange die Unternehmen erfolgreich sind, werden die Mitarbeitenden wohl oder übel dieses Missverhältnis akzeptieren. Sobald jedoch ein Unternehmen in Schieflage gerät, wird der Unmut gegen die Führung wachsen und sich auch lautstark artikulieren. Viel zu oft wird vergessen, dass sich eine negative Interaktion fünfmal stärker auf unsere Stimmung auswirkt als eine positive. Das heisst, wenn die Führung als unethisch, ungerecht, als abgehoben beurteilt wird, dann schlägt das auf das Arbeitsklima durch. Es braucht dann eine Vielzahl guter Mitarbeiter auf allen Ebenen, damit dieser „von Oben“ angerichtete Schaden wieder ausgeglichen werden kann. Erstaunlich ist, wie unsensibel viele Grossverdiener mit ihrem Status umgehen. Sie geben wenig an die Gesellschaft zurück. Dies verhält sich in Amerika völlig anders. Dort erhalten die Universitäten beträchtliche Spenden, die zu wesentlichen Teilen von ehemaligen Absolventen stammen. So ist es Harvard im Laufe der Jahre gelungen, ein Vermögen von hunderten von Millionen aufzubauen, das wiederum für eine höhere Qualität in Bezug auf Angebot und Dozenten eingesetzt werden kann. Warren Buffett hat mehrere Milliarden seines Vermögens in die Bill und Miranda Gates-Stiftung eingebracht, weil er es als seine Pflicht versteht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Warum? Weil sie ihn zu dem gemacht hat, wer er heute ist: Einer der reichsten Menschen der Welt. In der Schweiz sind die guten Beispiele rar. Der CEO einer Grossbank hat eine private Stiftung eingerichtet und üppig dotiert. Ein Schweizer Unternehmer deutscher Herkunft hat der Universität Bremen zweihundert Millionen geschenkt, die künftig zu seinen Ehren seinen Namen tragen wird. Das sind vorbildliche Zeichen. Und was machen die anderen? Hier besteht Nachholbedarf. Wenn die Spitzenverdiener einen Teil ihres Einkommens einsetzen würden für gemeinnützige Stiftungen und Zwecke, für Forschung und Ausbildung usw., wäre dies ein Zeichen von Grösse. Zudem würde es sie in der Öffentlichkeit weniger angreifbar machen. Der Neidfaktor würde schrumpfen. Das Argument, dass dies Privatsache sei und deshalb nicht öffentlich kommuniziert werden solle, greift bei diesen hohen Gehältern nicht. Gutes tun und darüber reden, ist in diesem Falle angebracht. Es gibt Signale, dass die Einstellung, sich der Gesellschaft gegenüber generös zu zeigen, auch bei uns heimisch wird. Wünschenswert und wohl auch notwendig, um den sozialen Frieden langfristig zu erhalten, ist sie allemal.

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Zwiespalt von Martin Zenhäusern ([email protected]) Die Schere zwischen dem Salär eines CEO und einem einfachen Mitarbeiter öffnet sich immer stärker. Heute verdient ein CEO bis zu dreihundertmal mehr als ein „normaler“ Mitarbeiter. Dies ruft zwiespältige Gefühle hervor. Wir können uns nun die Frage stellen, ob es tatsächlich gerechtfertigt und nachvollziehbar ist, dass der Beitrag zum Erfolg des Gesamten derart unterschiedlich sein kann. Ebenso erstaunlich ist, wie weit die Einkommen vom best- zum schlechtestbezahlten Mitglied der Geschäftsleitung variieren. Auch wenn die Diskussionen wieder heiss laufen, darf doch davon ausgegangen werden, dass sich an den Spitzengehältern wenig ändern wird. Leonardo da Vinci hat den weisen Ausspruch getan: „Es ist leichter, am Anfang zu widerstehen als am Ende.“ Wer würde freiwillig auf sein Salär verzichten, wenn es schon einmal derart astronomische Höhen erklommen hat? Solange die Unternehmen erfolgreich sind, werden die Mitarbeitenden wohl oder übel dieses Missverhältnis akzeptieren. Sobald jedoch ein Unternehmen in Schieflage gerät, wird der Unmut gegen die Führung wachsen und sich auch lautstark artikulieren. Viel zu oft wird vergessen, dass sich eine negative Interaktion fünfmal stärker auf unsere Stimmung auswirkt als eine positive. Das heisst, wenn die Führung als unethisch, ungerecht, als abgehoben beurteilt wird, dann schlägt das auf das Arbeitsklima durch. Es braucht dann eine Vielzahl guter Mitarbeiter auf allen Ebenen, damit dieser „von Oben“ angerichtete Schaden wieder ausgeglichen werden kann. Erstaunlich ist, wie unsensibel viele Grossverdiener mit ihrem Status umgehen. Sie geben wenig an die Gesellschaft zurück. Dies verhält sich in Amerika völlig anders. Dort erhalten die Universitäten beträchtliche Spenden, die zu wesentlichen Teilen von ehemaligen Absolventen stammen. So ist es Harvard im Laufe der Jahre gelungen, ein Vermögen von hunderten von Millionen aufzubauen, das wiederum für eine höhere Qualität in Bezug auf Angebot und Dozenten eingesetzt werden kann. Warren Buffett hat mehrere Milliarden seines Vermögens in die Bill und Miranda Gates-Stiftung eingebracht, weil er es als seine Pflicht versteht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Warum? Weil sie ihn zu dem gemacht hat, wer er heute ist: Einer der reichsten Menschen der Welt. In der Schweiz sind die guten Beispiele rar. Der CEO einer Grossbank hat eine private Stiftung eingerichtet und üppig dotiert. Ein Schweizer Unternehmer deutscher Herkunft hat der Universität Bremen zweihundert Millionen geschenkt, die künftig zu seinen Ehren seinen Namen tragen wird. Das sind vorbildliche Zeichen. Und was machen die anderen? Hier besteht Nachholbedarf. Wenn die Spitzenverdiener einen Teil ihres Einkommens einsetzen würden für gemeinnützige Stiftungen und Zwecke, für Forschung und Ausbildung usw., wäre dies ein Zeichen von Grösse. Zudem würde es sie in der Öffentlichkeit weniger angreifbar machen. Der Neidfaktor würde schrumpfen. Das Argument, dass dies Privatsache sei und deshalb nicht öffentlich kommuniziert werden solle, greift bei diesen hohen Gehältern nicht. Gutes tun und darüber reden, ist in diesem Falle angebracht. Es gibt Signale, dass die Einstellung, sich der Gesellschaft gegenüber generös zu zeigen, auch bei uns heimisch wird. Wünschenswert und wohl auch notwendig, um den sozialen Frieden langfristig zu erhalten, ist sie allemal.

Noch etwas: Die Meinungen, was Reichtum wirklich bedeutet, gehen weit auseinander. Aristoteles Onassis hat über seine eigene Kaste gesagt: „Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld.“ Sehr spitzzüngig hat es der deutsche Jurist Felix Renner auf den Punkt gebracht: „Wer weiter nichts tut als Geld verdienen, der verdient auch nichts Weiteres als Geld.“

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