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Sicut Ädicr WOCHENENDE 056/83 S«mitt»/SonnUfc 879. Min 1986 Nr. 56^83 Journal der Popkultur Fast so patriotisch wie Rocky Als waschechten Amerikaner hat er sich schon immer emp- funden. Er, der sich einst in jungen Jahren als Schuhputzer, Baumwollpflücker, Einbrecher und Autodieb durchs Leben schlug, dann wie ein Komet zum Superstar der schwarzen Soul- Musik aufstieg, hat stets gepredigt, jeder könne es bei entspre- chendem Einsatz im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu Geld und Ansehen bringen: Schliesslich hat er mit der perfekte- sten musikalischen Revuemaschine der USA mehrere Dollar- Millionen verdient und war zeitweilig Besitzer diverser Rund- funksender und Fernsehstationen, Musikverlage, Künstleragen- turen und einer Kette von Soul-Food-Restaurants. Nun scheint James Brown, der noch immer explosive «Mister Dynamit», gar völlig auf dem Amerikatrip zu sein. Seine Come- back-Single «Living in America», Teil der Filmmusik von «Rocky IV», hat fast denselben patriotischen Punch wie der mit dem Sternenbanner in den Ring ziehende Zelluloid-Boxweltmei- ster Rocky Balboa, dargestellt von Sylvester Stallone. In höch- Wieder Nummer eins in Amerika - James Brown. (Photo: MGM/umted Anuu) sten Tönen hämmert Brown, früher selber Profiboxer, dem Zu- hörer die Annehmlichkeiten des American way oflife ein - und haut zuweilen auch kräftig daneben. Denn wiewohl es stimmen mag, dass in den Staaten Demokratie, Freiheit und Möglichkei- ten zur persönlichen Entfaltung so gross wie sonst nirgends geschrieben werden - ihre Micky-Maus-, Coca-Cola- und Fast- Food-Kultur wird man kaum als zivilisatorische Errungenschaft bezeichnen können. Doch Browns überschwängliche Amerika-Ode, seinen musi- kalisch aufregendsten Song seit Jahren und zurzeit die Nummer eins in der Hitparade, kann man durchaus auch als Satire mit kritischen Untertönen hören und sehen. Zum Beispiel wenn es, sinngemäss, an einer Stelle heisst, vor den Problemen dieses Landes könne man nicht Augen und Ohren verschliessen, öder in einem anderen Satz angedeutet wird, Amerika sei für manche vielleicht doch nicht das Paradies auf Erden. Da scheint sich der Star darauf zu besinnen, was er einst, eingedenk seiner Herkunft aus ärmlichen, ungebildeten Verhältnissen, immer wieder be- hauptet hat: «Meine Musik spricht aus, was der schwarze Mann auf der Strasse fühlt» Allerdings ist der kritische Kommentar auf Platte recht schwach zu hören und im Film und im Musikvideo kaum auszu- machen, so dass man Brown, der sich immer wieder geschickt ausweichend in die neutrale Ecke zurückzieht, fast zurufen möchte: «Come on, James, sag', wie du es genau meinst.» (James Brown, «Living in America», enthalten auf der Sound- track-LP von «Rocky IV», erhältlich aber auch als separate Maxi-Single mit spezieller Rhythm & Blues-, Rock'n'roll- und Instrumentalversion, Scotti Brothers/Bellaphon). Peter Figlestahler Vorschläge für eine Stadtmitte (II) Die Zentrifuge Falls die Stadt ein Zentrum hat, so ist es leer; was ich über Tokio lese, in dessen Mitte der Palast des Kaisers unzugänglich, hinter einem Wall aus Mauern und Wassergräben, Dächern und Bäumen liegt und alle Bewegungen im verdichteten Raum um sich herum abfängt und umlenkt, hat eine Entsprechung in die- ser Stadt: nämlich die Verbindungsstelle zwischen ihrem ausge- dehnten älteren Teil und den grossen Avenuen des 19. Jahrhun- derts, wo sich der grösste Teil der Geschäfte und Büros befindet; flankiert in geringer Entfernung von zwei weiteren Plätzen, die dieselbe Gelenkfunktion haben. Diese Artikulation sei ein Platz? Sie ist eine Lücke, nicht auf einen Blick erfassbar, mithin das Kriterium der Modernität er- füllend, und wenn auch gestaltet, so doch ungestalt. Es gibt hier alles, was man von einer City erwartet - Banken, Kaufhäuser, Kaffeehäuser, schliesslich McDonald's und Burger King, weiche heute am ehesten signalartig das Gefühl eingeben, nun sei man ins Zentrum gekommen, wo Bettelknaben den Touristen Pommes frites von den Tabletts klauen. (So hat alles seine Ord- nung in dieser Stadt: der Schuhputzer und der Haschischverkäu- fer gehen in derselben Ecke ihren Geschäften nach; nicht brü- derlich, aber durch das Elend verschwägert.) Die Masse wird gleichsam um diesen Platz herum und an seine Ränder geschleudert: eine Konsumwäsche. Seine Mitte ist das blanke Idealzentrum, schwer zugänglich durch den Verkehr, am ehesten noch durch Tunnels: hier beginnt die wahre Natu r des Platzes. Er ist ein Höhlensystem aus Tiefgaragen und Bahn- höfen, welches die Passanten ansaugt und eine halbe Stunde spä- ter im «Extrarradio» wieder an die Luft setzt. Man kann jedoch dieses unterirdische System nicht begreifen: zu verschiedenen Zeiten entstanden und erweitert, wechseln sich Passagen und Sackgassen ab - der älteste Teil ist die Endstation einer Metro- linie. Da fahren noch Züge, deren Waggons mit gebeiztem Holz verkleidet sind, und die gepolsterten Sitze sind mit grünem Plüsch bezogen: perfekte Reinszenierung des Vergnügens, das Kreuzworträtsel Nr. 325 Waagrecht: (j + y » I) I Mannproduktion, sozusagen, Hektor vertraut. 7 Gerichtlich bekannt, der Buco- Vorstand. 1 1 Auf russisch kosen Sie förmlich so Sophie. 12 Auch nach Lab-Zugabe wird kein Käse draus. 13 Dem Ruhm, der Liebe, ja der Welt wird einer, dem nichts mehr gefällt. 15 Nach dem Bruch lauft's nicht mehr rund. 16 Lüge oder Lage in einer Sprache saget 17 Vor Umba oder Pazi kann das eben grad si. 18 Je reifer, desto geneigter. 19 Der Teufel klingt als Meyerbeer. 22 Wahrhaftig, das zu erkennen gelingt nur dem, der mit dem Herzen schaut. 23 Hold nur mit Flügeln. 25 Oh, als Mümpfeli hörbarer Graus. 27 Zungenbrecher umgedreht für die hohe Technik steht. 28 Unbeherrscht lässt sie Züge entgleisen. 30 Zum Wegwurf fehlt der Malatur die Silbe nur. 31 In ihm wird auch Erschlafftes steif. 32 Dass viele an ihr hängen, würden viele gern verdrän- gen. 33 Kalenderauszug, trinkbar. 34 In jeder Stimme steckt die verdrehte Note. 36 Sie ist nicht auf die Schnelle erpicht (it.). 38 Da spricht die tiefe Mitternacht - zum Astrologen. 39 Teure Illusionen - weiter nichts! 42 Längstwährender Peter im Spiel. 45 Seine Absonderung dient dem Gesunden. 47 Der Wasserjungfer vergöttlichte Form. 48 Bürgt auch für nach Art unseres Hauses Verlegtes. 49 Der kleine Anwärter hier wird später vielleicht Offizier. 51 Mehr im Massenwesen spanisch lesen 52 Phorkiadische Leihgabe. 53 Ihn müssten geizige Brasilianer spalten. 55 Fürwahr still und starr. 56 Der damit verabschiedete Brite sinnt gewiss auf Rache. 57 So herkömmlich sauer ist der Bundesrat nicht. 58 Unbewusst schwimmen sie schaumässig. Senkrecht: 1 Läuft es am End' darauf hinaus, den Kontrapunkt zum Jugendhaus? 2 Wenn Storen rosten, sind verlorene Eier zu suchen. 3 Kau dran, wo 11 waagrecht wohnt! 4 Suppositorische Verabreichungsart 5 Gift des Sokrates auf Franzmanns Zunge. 6 Was den besonderen Saft angeht, fachlich man so gekürzt versteht 7 Ein bisschen altväterisch, die beiden - dass man seine zweite anrührte, mochte der erste nicht leiden (2 Wörter). 8 Vorsichtig ist die Tasche zu wenden. 9 Kassandra klagt: so ist es, deiner Wahrheit sterbliches Gefäss zu sein. 10 Knopfumschlingend. . , 13 Sozusagen prädestiniertes Ziel für Kaiser-Reisen. 14 Wo es schön und lustig geit, ist der Liedanfang nicht weit. 18 Dem Wachsamen entringt sich's. 20 Wo die erreicht ist, gibt es keinen Feind des Guten mehr. 21 Hinterm Gut her ist er Abstinent, den man als ordentlichen Ritter kennt 22 Löwenmäulig ein echter Reisser. 24 Les foux, in die einer ausbricht 25 Sie sei, hört Tasso, vom Weibe angestrebt 26 Märchenhaftes Gegenstück zum ausgekochten Luder. 29 Immerhin - mehr als ein Augenblick vom Kaminfeuer (Abk.). 35 Da sorgen die Schläger für Wirbel (eng!.). 37 Vornämlich wird ein Maler verrückt 40 Nie bestrafter Schieber. 41 Sig. - anders. 43 Amarcord, vor dem Teutonengrill war es dort besonnt und still. 44 Zum grössern Teil von selbst gebildet 46 Dabei ist Dänemark nicht faul, sondern kalt und heiss überlaufen. 48 Oh Bonnie, spielend over the ocean! (Vorn.). 49 Blond mit blauen Augen hat man sie mit vollem Namen einst im Schlager gewünscht 50 Den Persern sei Dank für die himmlische Tönung! 54 Ein Stück Entwerfen macht den Inder genial. (Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage « Wochenende») der Bau einer Metro um die Jahrhundertwende geboten zu ha- ben scheint Es muss der Stolz auf die Geschichte sein, der diese Stationen und Züge vor dem Vandalismus bewahrt (auch den Vandalen gehört diese Geschichte). Francesca Drexler Londoner Tagebuch Der grosse Frost Vögel sollen im Flug eingefroren und wie Steine zu Boden gefallen sein. Und in den Feldern standen Herden mitsamt ihren Hirten wie zu Bildsäulen erstarrt. Da ein Knabe , den Arm zum Wurf erhoben, dort, auf der Hecke, ein paar Raben, die der Erd- klumpen hätte treffen sollen - Eiszapfen nur mehr. So etwas wie den grossen Frost hatte England noch nie erlebt In Norwich war ein gesundes, junges Weib gar mitten auf der Strasse zu Pul- ver geworden; im Handumdrehen hatte ein Windstoss die Un- glückliche - oder was von ihr übrigblieb - über die Dächer hin- weg davongetragen. London hingegen berauschte sich am Karneval. Ein neuer König hatte die Themse, die bis weit über Greenwich hinaus zugefroren war, in einen Lustpark verwandeln lassen. Höflinge lieferten einander hier Scheingefechte, endlos wurde die Armada besiegt; Liebende auf prächtigen Diwanen sahen zu, und wenn die Königin mit ihrem Gefolge erschien, regnete es gefrorene Rosen. Überall Freudenfeuer - parfümiertes Holz brannte grün, orange und purpurrot Und meilenweit nichts als Eis. Glasklares Eis - da ein Tümmler, dort reglos eine Flunder, Schwärme von Aalen in Trance. Und dort, in der Tiefe, das Wrack eines Fähr- boots, das im Herbst gesunken war. James I. konnte sich nicht sattsehen daran: am Grossmütterchen im Bug, die Äpfel, wie sie sie immer auf den Markt getragen, in der Schürze haltend. Ein- zig auf ihren blauen Lippen stand die Wahrheit geschrieben .. «Are you going abroad?» Das Blättern im Buch, das ich mir für die Reise kaufte, hat mich kurz abgelenkt - so antworte ich denn erst, als der Taxifahrer seine Frage wiederholt. Ja, ich ver- reise ins Ausland. Er sieht mich, den Kopf in den Kragen gezo- gen, bedeutungsvoll an. «I can't blame you», tönt es dann zwi- schen Wollmütze und Schärpe hervor. Er wünschte, ich könnte ihn gleich mitnehmen. Dann ein Hustenanfall. Er wünschte wirklich, ich könnte ihn mitnehmen - er ruft es mir noch nach, als ich in die Station der London Underground hinabsteige. Rings um mich Menschen, die geradezu grün sind im Gesicht Wer denen die Hand auf die Wange legt, geht es mir durch den Kopf, dem friert sie dort gleich fest. Nur fort, sage ich mir - es ist Freitag morgen, und ich warte schlotternd auf den Flughafen- zug. Unterwegs nach Heathrow lese ich weiter. Der grosse Frost hatte über drei Monate gedauert. Dann, über Nacht, nahm alles ein Ende. Auch der Karneval - Eisberge, einzelne so gross wie Häuser, trieben auf der entfesselten Themse dem Meere zu. Da, auf einer Scholle, umschlungen ein in Pelze gehülltes Paar, dort ein für zwanzig oder mehr Gäste gedeckter Tisch. Hier ein Edel- mann im Gebet, da ein anderer, der die irischen Rebellen ver- fluchend, unterging: wer sich festklammerte und wer ins Wasser sprang, war verloren. Nicht weit von der London Bridge - die Fähre hatte dort einst übergesetzt - schwammen Äpfel auf dem Wasser. Heathrow Central, sagt endlich ein Schild. Mit Mühe be- mächtige ich mich meines Koffers. Nur fort! Fort aus einem Land, in dem die Teetasse das einzige jedem verfügbare Wärme- mittel ist! Einem Land, in dem an eisigen Bahnhöfen Wartenden der Lautsprecher verkündet, dass ihr Zug eben nicht fährt, weil der Zugführer nicht erschienen ist Fort aus einem Land, in dem die Wartezimmer der Arzte leer sind, weil die Kranken, wenn sie sich schon zu Tode frieren müssen, lieber gleich zu Hause im steifen Bett liegenbleiben. Fort! Vom Fieber geschüttelt, suche ich auf der schwarzen Tafel den Flug mit der Nummer SR 805. Noch fünfzig Minuten - und der grosse Frost, so erinnere ich mich schaudernd, hat in England über drei Monate gedauert Georges Waser Rätsellösungen Rätselrezept Nr. 11 Cötelette de mouton (ou de veau) Maintenon, genannt nach Francoise d'Aubigne, Marquise de Maintenon (1635-1719), Mätresse und spätere Gattin Ludwigs XIV. Dem Zwiebel-Champignons-Gemisch auf den Koteletten werden jeweils eine Bechamelsauce und geriebener Käse beige- geben. Laut einer weitem Variante wird zu den ohne Trüffel zubereiteten Koteletten eine Trüffelsauce (Sauce Perigueux) ser- viert. Homonym Nr. 32 : Bar. Additionsrätsel Nr. 11 B A R B I ER 2 5 6 2 18 6 + S E V I LL 3 8 7 10 0 5 ROSSINI = 6433191 Lifträtsel «Alwine» Links: 1. Gewalt, 2. Wagemut, 3. Wartung, 4. Anwurf, 5. Ein- wurf, Warnruf, 7. Warren, 8. Ernani. Rechts: I. Cetina, 2. Austin, 3. Stadion, 4. Adonis, 5. Sardine, 6. Traisen, 7. Scharte, 8. Trasse. Schlusslösung: Nissan, Schwat, Siwan, Aw, Adar, Tamus, Te- wet. f*l Neue Zürcher Zeitung vom 08.03.1986

056/83 - files.static-nzz.ch · Nun scheint James Brown, der noch immer explosive «Mister Dynamit», gar völlig auf dem Amerikatrip zu sein. Seine Come-back-Single «Living in America»,

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  • Sicut Ädicr WOCHENENDE 056/83S«mitt»/SonnUfc 879. Min 1986 Nr. 56^83Journal der Popkultur

    Fast so patriotisch wie Rocky

    Als waschechten Amerikaner hat er sich schon immer emp-funden. Er, der sich einst in jungen Jahren als Schuhputzer,Baumwollpflücker, Einbrecher und Autodieb durchs Lebenschlug, dann wie ein Komet zum Superstar der schwarzen Soul-Musik aufstieg, hat stets gepredigt, jeder könne es bei entspre-chendem Einsatz im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zuGeld und Ansehen bringen: Schliesslich hat er mit der perfekte-sten musikalischen Revuemaschine der USA mehrere Dollar-Millionen verdient und war zeitweilig Besitzer diverser Rund-funksender und Fernsehstationen, Musikverlage, Künstleragen-

    turen und einer Kette von Soul-Food-Restaurants.Nun scheint James Brown, der noch immer explosive «Mister

    Dynamit», gar völlig auf dem Amerikatrip zu sein. Seine Come-back-Single «Living in America», Teil der Filmmusik von«Rocky IV», hat fast denselben patriotischen Punch wie der mitdem Sternenbanner in den Ring ziehende Zelluloid-Boxweltmei-ster Rocky Balboa, dargestellt von Sylvester Stallone. In höch-

    Wieder Nummer eins in Amerika - James Brown. (Photo: MGM/umted Anuu)

    sten Tönen hämmert Brown, früher selber Profiboxer, dem Zu-hörer die Annehmlichkeiten des American way oflife ein - undhaut zuweilen auch kräftig daneben. Denn wiewohl es stimmenmag, dass in den Staaten Demokratie, Freiheit und Möglichkei-ten zur persönlichen Entfaltung so gross wie sonst nirgendsgeschrieben werden - ihre Micky-Maus-, Coca-Cola- und Fast-Food-Kultur wird man kaum als zivilisatorische Errungenschaftbezeichnen können.

    Doch Browns überschwängliche Amerika-Ode, seinen musi-kalisch aufregendsten Song seit Jahren und zurzeit die Nummereins in der Hitparade, kann man durchaus auch als Satire mitkritischen Untertönen hören und sehen. Zum Beispiel wenn es,sinngemäss, an einer Stelle heisst, vor den Problemen diesesLandes könne man nicht Augen und Ohren verschliessen, öderin einem anderen Satz angedeutet wird, Amerika sei für manchevielleicht doch nicht das Paradies auf Erden. Da scheint sich derStar darauf zu besinnen, was er einst, eingedenk seiner Herkunftaus ärmlichen, ungebildeten Verhältnissen, immer wieder be-hauptet hat: «Meine Musik spricht aus, was der schwarze Mannauf der Strasse fühlt»

    Allerdings ist der kritische Kommentar auf Platte rechtschwach zu hören und im Film und im Musikvideo kaum auszu-machen, so dass man Brown, der sich immer wieder geschickt

    ausweichend in die neutrale Ecke zurückzieht, fast zurufenmöchte: «Come on, James, sag', wie du es genau meinst.»(James Brown, «Living in America», enthalten auf der Sound-track-LP von «Rocky IV», erhältlich aber auch als separateMaxi-Single mit spezieller Rhythm & Blues-, Rock'n'roll- undInstrumentalversion, Scotti Brothers/Bellaphon).

    Peter Figlestahler

    Vorschläge für eine Stadtmitte (II)

    Die Zentrifuge

    Falls die Stadt ein Zentrum hat, so ist es leer; was ich überTokio lese, in dessen Mitte der Palast des Kaisers unzugänglich,hinter einem Wall aus Mauern und Wassergräben, Dächern undBäumen liegt und alle Bewegungen im verdichteten Raum umsich herum abfängt und umlenkt, hat eine Entsprechung in die-ser Stadt: nämlich die Verbindungsstelle zwischen ihrem ausge-dehnten älteren Teil und den grossen Avenuen des 19. Jahrhun-derts, wo sich der grösste Teil der Geschäfte und Büros befindet;flankiert in geringer Entfernung von zwei weiteren Plätzen, diedieselbe Gelenkfunktion haben.

    Diese Artikulation sei ein Platz? Sie ist eine Lücke, nicht aufeinen Blick erfassbar, mithin das Kriterium der Modernität er-füllend, und wenn auch gestaltet, so doch ungestalt. Es gibt hieralles, was man von einer City erwartet - Banken, Kaufhäuser,Kaffeehäuser, schliesslich McDonald's und Burger King, weicheheute am ehesten signalartig das Gefühl eingeben, nun sei manins Zentrum gekommen, wo Bettelknaben den TouristenPommes frites von den Tabletts klauen. (So hat alles seine Ord-nung in dieser Stadt: der Schuhputzer und der Haschischverkäu-fer gehen in derselben Ecke ihren Geschäften nach; nicht brü-derlich, aber durch das Elend verschwägert.)

    Die Masse wird gleichsam um diesen Platz herum und anseine Ränder geschleudert: eine Konsumwäsche. Seine Mitte istdas blanke Idealzentrum, schwer zugänglich durch den Verkehr,am ehesten noch durch Tunnels: hier beginnt die wahre Naturdes Platzes. Er ist ein Höhlensystem aus Tiefgaragen und Bahn-höfen, welches die Passanten ansaugt und eine halbe Stunde spä-ter im «Extrarradio» wieder an die Luft setzt. Man kann jedochdieses unterirdische System nicht begreifen: zu verschiedenenZeiten entstanden und erweitert, wechseln sich Passagen undSackgassen ab - der älteste Teil ist die Endstation einer Metro-linie. Da fahren noch Züge, deren Waggons mit gebeiztem Holzverkleidet sind, und die gepolsterten Sitze sind mit grünemPlüsch bezogen: perfekte Reinszenierung des Vergnügens, das

    Kreuzworträtsel Nr. 325Waagrecht: (j + y » I)I Mannproduktion, sozusagen, Hektor vertraut.

    7 Gerichtlich bekannt, der Buco-Vorstand.

    1 1 Auf russisch kosen Sie förmlich so Sophie.

    12 Auch nach Lab-Zugabe wird kein Käse draus.

    13 Dem Ruhm, der Liebe, ja der Welt wird einer, demnichts mehr gefällt.

    15 Nach dem Bruch lauft's nicht mehr rund.

    16 Lüge oder Lage in einer Sprache saget

    17 Vor Umba oder Pazi kann das eben grad si.18 Je reifer, desto geneigter.

    19 Der Teufel klingt als Meyerbeer.

    22 Wahrhaftig, das zu erkennen gelingt nur dem, der mitdem Herzen schaut.

    23 Hold nur mit Flügeln.

    25 Oh, als Mümpfeli hörbarer Graus.

    27 Zungenbrecher umgedreht für die hohe Technik steht.28 Unbeherrscht lässt sie Züge entgleisen.

    30 Zum Wegwurf fehlt der Malatur die Silbe nur.31 In ihm wird auch Erschlafftes steif.32 Dass viele an ihr hängen, würden viele gern verdrän-

    gen.

    33 Kalenderauszug, trinkbar.

    34 In jeder Stimme steckt die verdrehte Note.36 Sie ist nicht auf die Schnelle erpicht (it.).

    38 Da spricht die tiefe Mitternacht - zum Astrologen.39 Teure Illusionen - weiter nichts!42 Längstwährender Peter im Spiel.

    45 Seine Absonderung dient dem Gesunden.

    47 Der Wasserjungfer vergöttlichte Form.

    48 Bürgt auch für nach Art unseres Hauses Verlegtes.

    49 Der kleine Anwärter hier wird später vielleicht Offizier.51 Mehr im Massenwesen spanisch lesen

    52 Phorkiadische Leihgabe.

    53 Ihn müssten geizige Brasilianer spalten.

    55 Fürwahr still und starr.

    56 Der damit verabschiedete Brite sinnt gewiss auf Rache.57 So herkömmlich sauer ist der Bundesrat nicht.

    58 Unbewusst schwimmen sie schaumässig.

    Senkrecht:

    1 Läuft es am End' darauf hinaus, den Kontrapunkt zum Jugendhaus?

    2 Wenn Storen rosten, sind verlorene Eier zu suchen.

    3 Kau dran, wo 1 1 waagrecht wohnt!

    4 Suppositorische Verabreichungsart

    5 Gift des Sokrates auf Franzmanns Zunge.

    6 Was den besonderen Saft angeht, fachlich man so gekürzt versteht7 Ein bisschen altväterisch, die beiden - dass man seine zweite anrührte, mochte

    der erste nicht leiden (2 Wörter).

    8 Vorsichtig ist die Tasche zu wenden.9 Kassandra klagt: so ist es, deiner Wahrheit sterbliches Gefäss zu sein.

    10 Knopfumschlingend. . ,

    13 Sozusagen prädestiniertes Ziel für Kaiser-Reisen.

    14 Wo es schön und lustig geit, ist der Liedanfang nicht weit.

    18 Dem Wachsamen entringt sich's.

    20 Wo die erreicht ist, gibt es keinen Feind des Guten mehr.

    21 Hinterm Gut her ist er Abstinent, den man als ordentlichen Ritter kennt22 Löwenmäulig ein echter Reisser.

    24 Les foux, in die einer ausbricht

    25 Sie sei, hört Tasso, vom Weibe angestrebt

    26 Märchenhaftes Gegenstück zum ausgekochten Luder.

    29 Immerhin - mehr als ein Augenblick vom Kaminfeuer (Abk.).35 Da sorgen die Schläger für Wirbel (eng!.).

    37 Vornämlich wird ein Maler verrückt40 Nie bestrafter Schieber.

    41 Sig. - anders.43 Amarcord, vor dem Teutonengrill war es dort besonnt und still.44 Zum grössern Teil von selbst gebildet

    46 Dabei ist Dänemark nicht faul, sondern kalt und heiss überlaufen.48 Oh Bonnie, spielend over the ocean! (Vorn.).

    49 Blond mit blauen Augen hat man sie mit vollem Namen einst im Schlagergewünscht

    50 Den Persern sei Dank für die himmlische Tönung!

    54 Ein Stück Entwerfen macht den Inder genial.(Lösung in der nächsten Ausgabe der Beilage « Wochenende»)

    der Bau einer Metro um die Jahrhundertwende geboten zu ha-ben scheint

    Es muss der Stolz auf die Geschichte sein, der diese Stationenund Züge vor dem Vandalismus bewahrt (auch den Vandalengehört diese Geschichte). Francesca Drexler

    Londoner Tagebuch

    Der grosse FrostVögel sollen im Flug eingefroren und wie Steine zu Boden

    gefallen sein. Und in den Feldern standen Herden mitsamt ihrenHirten wie zu Bildsäulen erstarrt. Da ein Knabe, den Arm zumWurf erhoben, dort, auf der Hecke, ein paar Raben, die der Erd-klumpen hätte treffen sollen - Eiszapfen nur mehr. So etwas wieden grossen Frost hatte England noch nie erlebt In Norwichwar ein gesundes, junges Weib gar mitten auf der Strasse zu Pul-ver geworden; im Handumdrehen hatte ein Windstoss die Un-glückliche - oder was von ihr übrigblieb - über die Dächer hin-weg davongetragen.

    London hingegen berauschte sich am Karneval. Ein neuerKönig hatte die Themse, die bis weit über Greenwich hinauszugefroren war, in einen Lustpark verwandeln lassen. Höflinge

    lieferten einander hier Scheingefechte, endlos wurde die Armadabesiegt; Liebende auf prächtigen Diwanen sahen zu, und wenndie Königin mit ihrem Gefolge erschien, regnete es gefroreneRosen. Überall Freudenfeuer - parfümiertes Holz brannte grün,orange und purpurrot Und meilenweit nichts als Eis. GlasklaresEis - da ein Tümmler, dort reglos eine Flunder, Schwärme vonAalen in Trance. Und dort, in der Tiefe, das Wrack eines Fähr-boots, das im Herbst gesunken war. James I. konnte sich nichtsattsehen daran: am Grossmütterchen im Bug, die Äpfel, wie siesie immer auf den Markt getragen, in der Schürze haltend. Ein-zig auf ihren blauen Lippen stand die Wahrheit geschrieben . .

    «Are you going abroad?» Das Blättern im Buch, das ich mirfür die Reise kaufte, hat mich kurz abgelenkt - so antworte ichdenn erst, als der Taxifahrer seine Frage wiederholt. Ja, ich ver-reise ins Ausland. Er sieht mich, den Kopf in den Kragen gezo-gen, bedeutungsvoll an. «I can't blame you», tönt es dann zwi-schen Wollmütze und Schärpe hervor. Er wünschte, ich könnteihn gleich mitnehmen. Dann ein Hustenanfall. Er wünschtewirklich, ich könnte ihn mitnehmen - er ruft es mir noch nach,als ich in die Station der London Underground hinabsteige.Rings um mich Menschen, die geradezu grün sind im GesichtWer denen die Hand auf die Wange legt, geht es mir durch denKopf, dem friert sie dort gleich fest. Nur fort, sage ich mir - esist Freitag morgen, und ich warte schlotternd auf den Flughafen-zug.

    Unterwegs nach Heathrow lese ich weiter. Der grosse Frosthatte über drei Monate gedauert. Dann, über Nacht, nahm allesein Ende. Auch der Karneval - Eisberge, einzelne so gross wieHäuser, trieben auf der entfesselten Themse dem Meere zu. Da,auf einer Scholle, umschlungen ein in Pelze gehülltes Paar, dort

    ein für zwanzig oder mehr Gäste gedeckter Tisch. Hier ein Edel-mann im Gebet, da ein anderer, der die irischen Rebellen ver-fluchend, unterging: wer sich festklammerte und wer ins Wassersprang, war verloren. Nicht weit von der London Bridge - dieFähre hatte dort einst übergesetzt - schwammen Äpfel auf demWasser.

    Heathrow Central, sagt endlich ein Schild. Mit Mühe be-mächtige ich mich meines Koffers. Nur fort! Fort aus einemLand, in dem die Teetasse das einzige jedem verfügbare Wärme-mittel ist! Einem Land, in dem an eisigen Bahnhöfen Wartendender Lautsprecher verkündet, dass ihr Zug eben nicht fährt, weilder Zugführer nicht erschienen ist Fort aus einem Land, in demdie Wartezimmer der Arzte leer sind, weil die Kranken, wenn siesich schon zu Tode frieren müssen, lieber gleich zu Hause imsteifen Bett liegenbleiben. Fort! Vom Fieber geschüttelt, sucheich auf der schwarzen Tafel den Flug mit der Nummer SR 805.Noch fünfzig Minuten - und der grosse Frost, so erinnere ichmich schaudernd, hat in England über drei Monate gedauert

    Georges Waser

    Rätsellösungen

    Rätselrezept Nr. 11Cötelette de mouton (ou de veau) Maintenon, genannt nach

    Francoise d'Aubigne, Marquise de Maintenon (1635-1719),Mätresse und spätere Gattin Ludwigs XIV.

    Dem Zwiebel-Champignons-Gemisch auf den Kotelettenwerden jeweils eine Bechamelsauce und geriebener Käse beige-geben. Laut einer weitem Variante wird zu den ohne Trüffelzubereiteten Koteletten eine Trüffelsauce (Sauce Perigueux) ser-viert.

    Homonym Nr. 32 : Bar.Additionsrätsel Nr. 11

    B A R B I ER2 5 6 2 18 6

    + S E V I L L3 8 7 10 0 5ROSSINI

    = 6433191Lifträtsel «Alwine»

    Links: 1. Gewalt, 2. Wagemut, 3. Wartung, 4. Anwurf, 5. Ein-wurf, Warnruf, 7. Warren, 8. Ernani.

    Rechts: I. Cetina, 2. Austin, 3. Stadion, 4. Adonis, 5. Sardine,6. Traisen, 7. Scharte, 8. Trasse.

    Schlusslösung: Nissan, Schwat, Siwan, Aw, Adar, Tamus, Te-wet.

    f*l

    Neue Zürcher Zeitung vom 08.03.1986